seit Wochen hält eine Hitzewelle Nordamerika im Griff. Bill Dawson berichtet für uns aus Texas, wo aber auch die “brutale Hitze” nicht zu einem Umdenken in der Klimapolitik führt. Auch der Blick über die Grenze nach Mexiko zeigt wenig Engagement in Sachen Klimaschutz. Ganz im Gegenteil: Der Staat setzt auf den Ausbau der Fossilen.
Planlos ist auch China – jedenfalls was die Methanemissionen angeht. Der weltweit größte Emittent des Klimakillers hatte zwar für Ende 2022 eine Methanstrategie angekündigt, doch bisher liegt noch kein Papier vor. Die Dominanz der Kohle erschwert den Kampf gegen die Methanemissionen, schreibt Nico Beckert. Und Lukas Scheid erklärt, was das aktuell viel diskutierte Renaturierungsgesetz der EU mit Klimaschutz zu tun und wo die großen Konfliktlinien liegen.
Wir schauen auch nach Deutschland: Während der CO₂-Preis nun doch so stark wie ursprünglich geplant steigen soll, fehlen im Haushalt möglicherweise 500 Millionen Euro für den internationalen Klimaschutz.
Unsere News zeigen zudem unter anderem, wie sauberere Schifffahrt die Klimaerwärmung anheizt. Aber wir haben auch eine gute Nachricht: Trotz aller Unkenrufe sind Energie- und Verkehrswende in Deutschland viel beliebter als gedacht – wenn sie effektiv und gerecht geplant sind.
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Trotz tödlicher Hitzewellen im Land, die laut Wissenschaftlern im Wesentlichen auf die Erderwärmung zurückgehen, setzt die mexikanische Regierung bei ihrer Energiepolitik weiter hauptsächlich auf Öl und Gas. Während die Förderung erneuerbarer Energien blockiert wird, baut das Land die fossile Industrie weiter aus.
Klimaziele werden gelockert, Gelder gestrichen, das nationale Klimainstitut soll geschlossen werden und fossile Brennstoffe werden weiter hoch subventioniert. Der neue Klimaplan (NDC) werde 2030 zu höheren Emissionen führen als die Planungen von 2016, kritisiert der Thinktank “Climate Action Tracker”. Sein Fazit: “Mexikos Klimapolitik ist weiterhin rückwärtsgewandt”.
Vergangenen Freitag floss erstmals Rohöl in die neu errichtete Raffinerie Dos Bocas, verkündete Präsident Andrés Manuel López Obrador. Energieministerin Rocío Nahle gab zudem neue Pläne bekannt: “Das Land braucht noch eine weitere Raffinerie.” Die Umstellung auf erneuerbare Energien gehe überall auf der Welt langsam voran, der Konsum nach Kraftstoff steige aber jetzt, erklärte sie.
Dabei rollt derzeit die vierte Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 50 Grad über das mittelamerikanische Land. Die lange Trockenheit schadet der Landwirtschaft, über hundert Menschen sind bereits gestorben. Laut Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ist die Durchschnittstemperatur in Mexiko seit 1961 bereits um 1,43 Grad gestiegen. Natürliche Wasservorräte nehmen ab, zugleich bedroht der steigende Meeresspiegel schon jetzt Dörfer auf der Karibik-Halbinsel Yucatán.
Welche Rolle die intensive heimische Ausbeutung von Erdöl- und Gas im Klimawandel spielt, wird kaum diskutiert. Dabei zählt Mexiko mit 418 Millionen Tonnen (2021) zu den 15 Staaten mit dem größten CO₂-Ausstoß. Und die Regierung hat auf der COP27 ein NDC verkündet, der ehrgeizig klingt: Bis 2030 sollen die Emissionen um 35 Prozent gegenüber 1990 sinken. 30 Prozent sollen mit eigenen Ressourcen gestemmt werden, fünf Prozent mithilfe internationaler Kooperationen.
Weil aber die Berechnungsrundlage geändert wurde und Transparenz fehlt, können 2030 höhere Emissionen als 2016 stehen, auch wenn die Ziele angeschärft wurden, kritisiert der Climate Action Tracker. Das NDC von 2020 setzte zudem ein Gericht aus, weil es wegen zu geringer Ambition gegen das Pariser Abkommen und gegen mexikanische Gesetze verstieß. Der Think-Tank stuft Mexikos Klimapolitik deshalb auf “kritisch ungenügend” herab.
Die Vorliebe für die Fossilen hat Gründe: Seit der linksnationalistische Präsident López Obrador 2018 sein Amt übernommen hat, konzentriert sich die Regierung energiepolitisch darauf, den schwer angeschlagenen ehemals halbstaatlichen Erdöl- und Gaskonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) und den Stromversorger Comisión Federal de Electricidad (CFE) zu stärken. Besonders bei Pemex ist das bei vielen Mexikanern populär. Das Unternehmen ist mit seiner Verstaatlichung 1938 zum Symbol für Souveränität und Prosperität des ölreichen Landes geworden.
Energiepolitik ist Sozialpolitik, heißt es heute aus den zuständigen Ministerien. In erster Linie soll die Bevölkerung günstig durch staatseigene fossile Energie versorgt werden. Doch dieser Linie steht eine Energiereform von López Obradors wirtschaftsliberalen Vorgänger Enrique Peña Nieto von 2013 im Weg. Der liberalisierte den Energiemarkt durch Öffnung, Wettbewerb und globale Integration.
Die Reform beendete das staatliche Monopol von Pemex und CFE und öffente die Betreibe für private Investoren. Zudem wurden Rahmenbedingungen geschaffen, damit Unternehmen ungehindert in andere privatwirtschaftliche Anlagen investieren und ihren Strom ins CFE-Netz einspeisen können. Das hat insvbesondere Projekte erneuerbarer Energien gestärkt: Solaranlagen, Windparks, Geothermie. Von 2017 bis 2022 wuchs die Stromerzeugung um zehn Prozent, fast nur durch Erneuerbare, die um fast 50 Prozent zulegten. Doch zwischen 2021 und 2022 sank der Anteil des sauberen Stroms laut Recherchen des politikwissenschaftlichen Instituts IMCO von 27,5 auf 26,1 Prozent.
Und gleichzeitig investierte López Obrador über 17 Milliarden US-Dollar in Dos Bocas und 600 Millionen US-Dollar in den Kauf einer Raffinerie in Texas. Für sechs Milliarden US-Dollar erwarb er 13 in Mexiko ansässige Kraftwerke von dem spanischen Betreiber Iberdrola – nur eines nicht-fossil.
Für López Obrador ist die Energiereform seines Vorgängers ein “neoliberaler Ausverkauf”. Private Investoren, so der Vorwurf, würden bevorzugt behandelt und agierten nicht im Interesse des Gemeinwohls. Indigene Gemeinden kritisierten Windparks in Tehehuantepec im Süden des Landes, weil die Bevölkerung entgegen internationalem Recht nicht zu dem Projekt auf ihrem Grund befragt worden sei. Auch habe es nicht wie versprochen günstigen Strom gegeben.
Obradores Versuch, die Reform mit einer Verfassungsänderung zu kippen, scheiterte aber 2022 an der nötigen Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Trotzdem hält die Regierung an ihrem Konzept fest. Behörden, die für privatwirtschaftliche Initiativen zuständig sind, finden bei der CFE-Stromeinspeisung wenig Beachtung, nachhaltige Energieprojekte werden blockiert, Ausschreibungen ausgesetzt. Ein unabhängiger Geldtopf für Klimapolitik wurde abgeschafft und die Finanzierungen der Regierung unterstellt. “Dadurch ist kaum mehr zu durchschauen, wie die Mittel genutzt werden”, kritisiert Carlos Asúnsolo von der Umweltorganisation Cemda.
In der Folge stagniert der Ausbau sauberer Energiegewinnung. “Viele Anträge für Windparks und Solaranlagen stecken mit verschiedenen Vorwänden fest, es gibt sehr wenige Genehmigungen”, erklärt der Experte für nachhaltige Entwicklung Victor Ramírez.
Das Energieministerium hat bereits im Juni 2022 eingeräumt, dass die für 2024 anvisierten 35 Prozent sauber produzierten Stroms erst 2031 erreicht würden. Dennoch verkündete López Obrador bei einem internationalen Energie- und Klimaforum im April 2023, man werde den Termin 2024 wie geplant einhalten. Er verwies dabei vor allem auf vier geplante Windparks in Tehuantepec und einen 1,6-Milliarden-Dollar teuren Solarpark im nördlichen Bundesstat Sonora mit 1.000 Megawatt.
Für Kritiker zeigen diese Projekte, dass sich in dem Land mit großen Potenzialen für Wind- und Solarkraft etwas bewegt. “Einzelne private Projekte erneuerbarer Energien wurden mittlerweile auf den Weg gebracht”, sagt Nachhaltigkeits-Experte Ramírez. Das dürfte vor allem auf internationalen Druck zurückgehen: Die USA und Kanada drohten Mexiko mit Klagen, weil durch die staatliche Kontrolle des Energiemarktes und die Benachteiligung ausländischer Investoren gegen das gemeinsame Handelsabkommen verstoßen werde.Wolf-Dieter Vogel, Mexiko-Stadt
Der US-Bundesstaat Texas bleibt trotz der jüngsten tödlichen Hitzewelle in der Energie- und Klimapolitik bei seinem Kurs: Es gibt auf der Ebene der Staatsregierung weiter keine explizite Debatte über den Klimawandel – weder wie man ihn verhindert, noch wie man sich auf ihn vorbereitet. Während Demokraten, Wissenschaftler und Umweltschützer seit Jahren einen solchen öffentlichen politischen Dialog fordern, verweigern sich die Republikaner.
Die brutale Hitze der letzten Wochen legte nahe, dass die texanische Regierung ihre langjährige Weigerung überdenken könnte, sich direkt mit den Bedrohungen durch den Klimawandel auseinanderzusetzen. Zeitungen berichteten darüber, wie Notaufnahmen in Krankenhäusern sich mit Hitzeopfern füllten und in den Gefängnissen ohne Klimaanlagen Insassen starben.
Doch der republikanische Gouverneur Greg Abbott machte klar, dass es keine Kursänderung geben wird. Als der Bundesstaat Ende Juni von gefährlich hohen Temperaturen heimgesucht wurde, unterzeichnete Abbott ein Gesetz, das es texanischen Städten verbietet, Bauarbeitern alle vier Stunden eine zehnminütige Wasserpause vorzuschreiben. Auch die Nichtreaktion des Staates auf die potenziell tödliche Hitze in den Gefängnissen ist ein Zeichen dafür, dass er weiterhin zur Tagesordnung übergeht.
“In diesem Jahr”, so berichtete die Texas Tribune letzte Woche in einem Bericht über Todesfälle in Gefängnissen, “hat der Gesetzgeber erneut beschlossen, trotz eines Haushaltsüberschusses von 32,7 Milliarden Dollar kein Geld für die Installation von Klimaanlagen in den gefährlich heißen Gefängnissen bereitzustellen.”
Dabei gibt es deutliche Warnungen: Die gemeinnützige Organisation Climate Central analysierte im Juni, der vom Menschen verursachte Klimawandel habe den Temperaturanstieg in Texas und Mexiko im vergangenen Monat “mindestens fünfmal wahrscheinlicher” gemacht. Andere Forscher waren zu dem Schluss gekommen, dass der Klimawandel auch die Dürre von 2011 und den Hurrikan Harvey von 2017 in Texas noch verheerender gemacht hat.
Auch die Untätigkeit der Gesetzgeber ist nichts Neues. Seit Jahren weigern sich die texanischen Gesetzgeber, explizite Gesetzesentwürfe zum Klimaschutz zu verabschieden und teilweise sogar in Ausschüssen zu diskutieren.
Einerseits sind auf der US-Bundesebene Dekarbonisierung und Klimaresilienz große Themen. Woche für Woche stellen Behörden dafür Milliarden von Dollar an Fördermitteln bereit. Andererseits konterkarieren viele Bundesstaaten, vor allem republikanisch regierte, diese US-Energiepolitik, indem fossile Brennstoffe gefördert und erneuerbare Energien behindert werden.
Im Parlament von Texas, dem Öl- und Gaszentrum der Nation, gab es in der vergangenen Legislaturperiode Siege sowohl für die fossilen als auch die erneuerbaren Energien:
Gleichzeitig verhinderte die Erneuerbaren-Lobby aber geplante Gesetze, um die boomende Wind- und Solarindustrie des Staates zu drosseln. Zu diesen Interessen gehören viele ländliche, stark republikanisch geprägte Gebiete, die von Wind- und Solarenergie profitieren. Verhindert wurden:
Nach Naturkatastrophen galten für Gouverneur Abbott und andere Befürworter der Fossilen bislang die Erneuerbaren öfter als Problem: Als der historische Wintersturm Uri im Jahr 2021 in Texas zu katastrophalen Stromausfällen führte, machten sie sofort Probleme mit den erneuerbaren Energien dafür verantwortlich. Unabhängige wissenschaftliche Experten kamen allerdings zu dem Schluss, dass die meisten Probleme durch Ausfälle der Erdgasinfrastruktur verursacht wurden.
Andere Katastrophen mit Klimabezug haben die Gesetzgeber zum Handeln veranlasst – ohne jedoch offen auf einen Zusammenhang mit dem Klimawandel hinzuweisen, den texanische Wissenschaftler betont hatten. Dazu gehören:
Auch wenn auf der Ebene des Staates weitreichende und spezifische Maßnahmen zum Klimawandel fehlen, ignoriert Texas keineswegs die Folgen des Klimawandels. Die größten Städte, die alle von Demokraten regiert werden, haben gehandelt. Houston reagierte auf die katastrophalen Überschwemmungen des Hurrikans Harvey mit neuen Klimamaßnahmen und Resilienzplänen.
Dabei reichen die schädlichen Auswirkungen der aktuellen extremen Hitze nicht annähernd an die Folgen von Ereignissen wie Harvey, der Dürre 2011 und den gigantischen Stromausfällen von 2021 heran. Die Temperaturen gehen jetzt etwa zurück, da sich der “Hitzedom” nach Osten verlagert hat. “Ich erwarte nicht, dass die Hitzewelle [im Juni] den Gouverneur oder den Vizegouverneur in Bezug auf den Klimawandel oder erneuerbare Energien umstimmen wird”, sagte Josh Busby, Professor für öffentliche Angelegenheiten an der Universität von Texas, der sich mit Klimapolitik beschäftigt. “Die Leistung der Solarenergie bei der Verhinderung von Stromausfällen während der Hitzewelle könnte es jedoch schwieriger machen, die erneuerbaren Energien zu bestrafen, wie es in der letzten Legislaturperiode versucht wurde.”
Andrew Dessler, ein Klimawissenschaftler und Experte für Klimapolitik an der Texas A&M Universität, äußerte sich ähnlich: “Ich erwarte nicht, dass die extreme Hitze in diesem Jahr zu wesentlichen Änderungen in der texanischen Energiepolitik führen wird. Es hat den Anschein, dass viele unserer Gesetzgeber sich in erster Linie auf Maßnahmen konzentrieren, die der Industrie für fossile Brennstoffe zugutekommen, anstatt sich mit den umfassenderen gesellschaftlichen Problemen im Zusammenhang mit unserem sich verändernden Klima zu befassen.” Bill Dawson, Houston
Die jüngst abgehaltenen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen gelten als “beachtlicher Erfolg der deutschen Klimadiplomatie”, so die Einschätzung von Germanwatch. China habe sich in der gemeinsamen Erklärung mit Deutschland “so deutlich wie selten zur Notwendigkeit beschleunigter Emissionsreduktionen noch in diesem Jahrzehnt” bekannt, schreibt die Umweltorganisation. Auch Jennifer Morgan war begeistert. “Wir haben geschafft, dass China gesagt hat: Wir sind bereit, mehr zu machen, mehr Ambitionen zu schaffen, eine Beschleunigung unserer Energiewende”, sagt die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt.
Doch die Zusammenarbeit konzentriert sich auf die Energiewende und die Dekarbonisierung der Industrie. Bei den Methanemissionen, von denen China weltweit am meisten verursacht, haben die beiden Seiten lediglich vereinbart, die Zusammenarbeit “perspektivisch auszubauen”. Das sei ein “notwendiger Schritt, da das chinesische NDC (nationaler Klimaplan) bisher nur Zielsetzungen zur Reduzierung von CO₂-Emissionen enthält”, so Morgan gegenüber Table.Media. Die Methanemissionen zu reduzieren, gilt als “schnellste Möglichkeit, die globale Erwärmung sofort zu verlangsamen”, schreibt der Environmental Defense Fund.
China wollte eigentlich schon Ende 2022 einen Aktionsplan zur Reduktion des Methan-Ausstoßes vorlegen. Doch das Dokument verzögert sich noch immer. Die Volksrepublik ist der größte Methan-Verursacher. Wirtschaftliche Interessen und die Abhängigkeit von der Kohle stehen einem ambitionierten Aktionsplan im Weg.
Methan richtet auf kurze Frist größere Klimaschäden an als CO₂:
Die Hälfte des Methanausstoßes Chinas geht auf den Energiesektor und hier vor allem die Kohleförderung zurück (90 bis 95 Prozent der Methanemissionen des Energiesektors). Die Landwirtschaft ist für weitere gut 30 Prozent der Emissionen verantwortlich – vor allem der Reisanbau. Schon während der COP27 im November 2022 kündigte Chinas Klimazar Xie Zhenhua einen Aktionsplan an. Er soll konkrete Maßnahmen zur Methan-Reduktion im Energie-, Landwirtschafts- und Abfallsektor enthalten. Doch Xie schränkte schon damals ein, Chinas Fähigkeiten, das Gas zu kontrollieren, seien “schwach”. Man konzentriere sich auf Ziele wie die Verbesserung der Überwachungsmöglichkeiten.
In den letzten Jahren war das Methan-Thema offenbar kaum auf der politischen Agenda Pekings. “Methan ist erst seit einem Jahr ein Thema mit gewisser Bedeutung”, sagt Cory Combs, Energy- und Klimaexperte der Beratungsfirma Trivium China. Und auch jetzt noch ist Energiesicherheit für Peking viel wichtiger. “Es gibt noch keinen systematischen Ansatz, um die Methan-Emissionen von Kohleminen zu verringern“, sagt Combs. Und auch der Gas-Sektor habe “keine konkreten Anreize”, das zu tun. Ganz im Gegenteil: Die chinesische Regierung versucht, die einheimische Gasförderung anzukurbeln. Maßnahmen zur Reduktion des Methanausstoßes würden dem im Weg stehen. “Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Peking zusätzlichen wirtschaftlichen Druck auf die Gasindustrie ausüben wird, während es versucht, die inländische Gasversorgung zu steigern”, sagt Combs.
Aus diesen Gründen ist China auch nicht Teil des Global Methane Pledge. Chinas Energieversorgung beruht zu großen Teilen auf der einheimischen Kohle. “Da direkte Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit befürchtet werden, macht China ungern globale Zusagen und Versprechungen“, so die Einschätzung von Lutz Weischer von Germanwatch. Zudem werde der Pledge als westliche Initiative wahrgenommen.
Aufgrund der hohen Kosten zur Reduktion von Methanemissionen gibt es auch kaum freiwillige Pläne der Kohleindustrie, die Emissionen zu senken. Und würden die Minenbetreiber diese Kosten an die Kohlekraftwerke weitergeben, könnte es erneut zu Energieengpässen kommen wie schon 2021. Damals hatten Kraftwerke aufgrund der hohen Rohstoffpreise ihre Kohlelager nicht ausreichend aufgefüllt, sodass es zu Engpässen und schließlich Stromrationierungen für den Industriesektor kam. Die Zentralregierung setzt alles daran, dass sich eine solche Stromkrise nicht wiederholt. “Ich rechne damit, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis Methan in der Praxis eine größere Bedeutung erlangt”, so Combs Einschätzung.
Auch die Methanemissionen aus der Landwirtschaft seien schwer zu reduzieren, so die Einschätzung von Weischer. Es werde befürchtet, dass eine Methanreduktion mit höheren Kosten einhergehe. Da die sichere Versorgung mit Lebensmitteln zu den Kernaufgaben der KP Chinas gehört, ist die Methanreduktion ein sensibles Thema.
Schon in der Vergangenheit gab es Pläne, die Methanemissionen im Energiesektor zu senken. Doch in den letzten 15 Jahren konnten die selbstgesteckten Ziele zum Auffangen von Methan im Kohlesektor nicht erreicht werden. Teilweise hätten die Minenbetreiber Regierungsvorschriften sogar umgangen. Gas mit einem Methangehalt von 30 Prozent sollte aufgefangen und genutzt werden. Doch es gibt Hinweise, dass Minenbetreiber das Gas verdünnt hätten, um es weiterhin einfach in die Atmosphäre abzulassen.
Da China auch in absehbarer Zukunft weiterhin sehr von der Kohle abhängig sein wird, ist es unabdingbar, die Methanemissionen dieses Sektors zu senken. Doch das ist schwieriger als in der Öl- und Gasindustrie:
Kommende Woche (12. Juli) wird das EU-Parlament über ein neues Gesetz zur Wiederherstellung der Natur abstimmen. Seit Wochen wird der Kommissionsvorschlag von zahlreichen Kontroversen begleitet. Die Christdemokraten der EVP plädieren dafür, den Vorschlag als Ganzes abzulehnen und setzten sich mit dieser Position in allen betroffenen Parlamentsausschüssen durch.
Die EVP erklärt, sie fürchte um zwei Dinge: Die Ernährungssicherheit Europas durch zu strenge Regeln für Landwirte; und um die Energiesicherheit durch eine Überbürokratisierung der Energiewende. Grüne, Sozialdemokraten und einige Liberale argumentieren dagegen, dass gerade Naturschutz und die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme mit Klimaschutz eng verbunden seien.
Die Abstimmung am nächsten Mittwoch steht auf Messers Schneide. Lehnt die Mehrheit des Parlaments den Vorschlag ab, ist das Gesetz vom Tisch. Die Kommission könnte dann einen neuen Vorschlag auflegen, will das aber nicht tun. Allerdings schreibt die Kommission selbst, dass die EU-Klimaziele nur mithilfe von Renaturierungsmaßnahmen erreichbar seien. Diese Einschätzung beruht auf mehreren Faktoren.
Um die Klimaziele der EU zu erreichen, setzen die 27 Mitgliedstaaten in erheblichem Ausmaß auf die Senkenleistung der Wälder, Moore und anderer Agrarflächen. Die LULUCF-Sektoren (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) sollen bis 2030 jährlich 310 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent speichern. Das sind fast zehn Prozent der jährlichen Gesamtemissionen der EU.
Die Hauptlast für die Treibhausgasspeicherung trägt der Wald. Allerdings sind laut europäischer Umweltagentur (EEA) nur 15 Prozent der Wälder in der EU in einem “guten Zustand” und 36 Prozent sogar in einem “schlechten”. Das Renaturierungsgesetz würde die Mitgliedstaaten verpflichten, die Zustände der Wälder zu verbessern, damit diese die erwartete Senkleistung überhaupt erbringen können. Auch Moore, die landwirtschaftlich genutzt werden, sollen renaturiert werden, um die Speicherfähigkeit zu erhöhen – 30 Prozent dieser Flächen bis 2030, wovon mindestens ein Viertel wiedervernässt werden soll.
Der Weltklimarat IPCC rät zu solchen Maßnahmen für den Klimaschutz: “Die Wiederherstellung natürlicher Wälder und entwässerter Torfgebiete und die nachhaltigere Bewirtschaftung von Wäldern erhöhen die Widerstandsfähigkeit der Kohlenstoffvorräte und -senken.”
Die jüngsten IPCC-Berichte legen ebenfalls nahe, dass die Wiederherstellung der Natur ein wichtiger Teil der Lösung sowohl zur Abschwächung des Klimawandels als auch zur Anpassung ist. “Die Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit ist eine der gängigsten Anpassungsmaßnahmen, die wirtschaftliche, institutionelle oder ökologische Vorteile bringt und die Empfindlichkeit [für Klimaschäden] verringert”, heißt es im IPCC-Report der Arbeitsgruppe II von Februar 2022.
Eine größere “genetische, artenbezogene und ökosystemare Vielfalt” trage dazu bei, das Risiko durch Klimaveränderungen zu verringern und Anpassungsoptionen offenzuhalten, bestätigt auch die UN-Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen (IPBES). So tragen beispielsweise intakte Küstenfeuchtgebiete und Korallenriffe enorm zum Schutz vor Fluten oder dem Anstieg des Meeresspiegels bei und Feuchtgebiete schützen vor Überschwemmungen an Land.
Die EEA schreibt, dass sich der Zustand der Meeres- und Küstenökosysteme in der Ostsee, im Schwarzen Meer, im Mittelmeer, im Nordostatlantik und insbesondere in den arktischen Meeren verschlechtert. Das sei eine Folge des menschlichen Eingriffs durch Überfischung, Verschmutzung und invasive Spezies. Das EU-Renaturierungsgesetz zielt darauf ab, in 30 Prozent der gefährdeten Flächen – und darunter auch Küstengebieten – Wiederherstellungsmaßnahmen zu entwickeln.
Doch Gegner des Renaturierungsgesetzes sehen auch hier einen massiven Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Lebensmittelkrise durch Inflation und hohe Weizenpreise ließen in der aktuellen Situation keine Maßnahmen zu, die die Lebensmittelsicherheit weiter gefährden könnten, heißt es.
Der Konflikt des Renaturierungsgesetzes mit den Zielen zum Ausbau der Erneuerbaren der EU im Rahmen des Repower-EU-Plans, mit dem die EU unabhängig von russischen Energieimporten werden will, spielt in der Debatte ebenfalls eine große Rolle – als Argument der Gegner des Gesetzes. Ein wesentlicher Pfeiler von Repower-EU ist der Bürokratieabbau und beschleunigte Genehmigungsverfahren beim Bau zusätzlicher Erneuerbaren-Kapazitäten.
Das Renaturierungsgesetz sieht dagegen eine Einzelfallprüfung von Ausnahmeregelungen von strengeren Naturschutz- und Wiederherstellungsauflagen vor. Zwar heißt es, dass solche Ausnahmen für Projekte von “übergeordnetem öffentlichem Interesse außerhalb von Natura-2000-Gebieten” möglich sind, doch eine Fall-zu-Fall-Überprüfung könnte den Genehmigungsprozess erheblich in die Länge ziehen.
Der Kommissionsvorschlag gefährde die Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien, sagt deshalb Peter Liese, klimapolitischer Sprecher der EVP. Auch die niederländische Regierung kritisiert, dass das im Gesetzesvorschlag beschriebene Verschlechterungsverbot für bestimmte Naturflächen zusätzliche Bürokratie beim Bau von Windkraftanlagen, PV und Wasserkraft nach sich ziehen würde.
Der Energieriese Vattenfall sowie der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke üben zwar auch Detailkritik am Kommissionsvorschlag, begrüßen ein derartiges Gesetz aber grundsätzlich. Der europäische Verband der Windindustrie (Windeurope) ist sogar ein klarer Befürworter des Renaturierungsgesetzes und sieht keinerlei Konflikte zwischen Energiewende und Naturschutz. Im Gegenteil: “Die Wiederherstellung der Natur und der Ausbau der Windenergie gehen Hand in Hand”, schreibt der Verband.
Man vermeide den Bau von Windparks während der Vogelbrut oder auf Routen von Zugvögeln. Bei der Errichtung von Offshore-Windparks reduziere man bereits die Lärmbelastung für Meerestiere durch Luftschleier und Hydroschalldämpfer. Windparkentwickler arbeiteten zudem bereits mit NGOs zusammen, um Wege zu finden, positive Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu hinterlassen, so Windeurope.
6. Juli, 15 Uhr, Online
Webinar What to Expect at the HLPF? Building Momentum towards the SDG Summit and Beyond
In diesem Webinar werden die wichtigsten Erwartungen an das diesjährige High-Level Political Forum on Sustainable Development (HLPF) erörtert, einschließlich der wichtigsten Ergebnisse aus zwei Berichten, die dem SDG-Gipfel zugrunde liegen werden: der “Globale Bericht über nachhaltige Entwicklung 2023” und der Bericht des hochrangigen Beratungsgremiums für eine wirksame und integrative Global Governance. Das Webinar wird vom International Institute for Sustainable Development organisiert. Infos
7. Juli, Wien
Konferenz OSCE High-Level Conference on Climate Change
Auf der Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stehen die möglichen Folgen des Klimawandels für Sicherheit und Stabilität im OSZE-Gebiet im Mittelpunkt. Infos
7. Juli, 9.30 Uhr, Lübbenau
Weiterbildung Grundwissen zum Thema Wasserstofftechnologien
Der Grundkurs des Qualifizierungsverbunds in der Lausitz für Erneuerbare Energien vermittelt ein Grundwissen zum Thema Wasserstoff und richtet sich gezielt an Teilnehmende ohne technischen Hintergrund. Ein interdisziplinärer Ansatz soll die wesentlichen technischen und wirtschaftlichen Aspekte der Wasserstofftechnologie aufzeigen. Infos
7. Juli, 11 Uhr/Berlin
Diskussion Eine neue industrielle Revolution? An der Schwelle zur klimaneutralen Wirtschaft
Die Diskussion gehört zur Gesprächsreihe “Forum Bellevue zur Transformation der Gesellschaft”, in der sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ab Juli 2023 den gesellschaftlichen Zukunftsthemen in Deutschland widmet. Auftaktveranstaltung ist eine Diskussion mit Christiane Benner, der zweiten Vorsitzenden der IG Metall, und Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Infos & Stream
7. bis 8. Juli, Berlin/Eberswalde
Seminar Klimakrise rückgängig machen mit Pyrolyse?
In Eberswalde ist seit diesem Jahr ein Pyrolysekraftwerk in Betrieb, das als Modell für eine zukünftige Energieversorgung auf dem Land dienen kann. Es ist nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimapositiv: Es soll zur Umkehr der Klimakrise beitragen. Aber wie funktioniert das genau? Darüber und über klimapositive Energieversorgung wird auf dem Seminar der Heinrich-Böll-Stiftung diskutiert. Infos
10.-19. Juli, New York
Forum High-Level Political Forum on Sustainable Development 2023
Das Motto des High-Level Political Forum (HLPF) des Wirtschafts- und Sozialrats der UN (ECOSOC) ist “Accelerating the recovery from the coronavirus disease (COVID-19) and the full implementation of the 2030 Agenda for Sustainable Development at all levels”. Ausführlich evaluiert werden SDG 6 (Wasser), 7 (Energie), 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur), 11 (Städte) und 17 (Partnerschaften). Infos
11, Juli, 13 Uhr, Online
Webinar What Does A Global Goal on Adaptation Mean For Africa?
Dieses Webinar des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zielt darauf ab, das Wissen und das Verständnis für das Globale Anpassungsziel (GGA) zu verbessern. Es bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, Einblicke in das Glasgow-Sharm el-Sheikh-Arbeitsprogramm zum GGA zu erhalten, regionale Prioritäten für die Anpassung zu diskutieren und die Möglichkeiten zu erkunden, die das GGA bietet. Infos
11. Juli, 17 Uhr, Hamburg
Diskussion Mehr Mut zur Transformation: Die Wirtschaft als Schlüssel der Klimawende
Die Stiftung KlimaWirtschaft und die Handelskammer Hamburg diskutieren auf diesem Event über die Rolle der Wirtschaft bei der Bekämpfung der Klimakrise. Infos
12. Juli, 18 Uhr, Online
Webinar Geothermie – Gamechanger für die Energiewende?
Auf der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung wird darüber diskutiert, welche Rolle Geothermie in der Energiewende spielt. Infos & Anmeldung
13. Juli, 15.30 Uhr, Online
Diskussion No Water, No Food – Glacier Loss Threats to US and Chinese Agriculture
Auf der Diskussion des Wilson Center geht es um die Auswirkungen des Abschmelzens am sogenannten “Dritten Pol” (Gletscher im Himalaya) und die Auswirkungen daraus auf die Landwirtschaft. Infos
Die UN-Behörde für Meteorologie (WMO) erwartet jetzt für den Pazifik offiziell das erste stärkere El Niño-Ereignis seit sieben Jahren. Die Behörde warnt vor “disruptiven Wetter- und Klimamustern” und stark steigenden globalen Temperaturen. Dadurch könne mit einer Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit auch zeitweilig bis zu einem Jahr die Grenze von 1,5 Grad Celsius überschritten werden, hieß es.
Das natürliche Wettermuster führt dazu, dass sich der östliche Teil des Südpazifik alle zwei bis sieben Jahre stark erwärmt. Dabei werden Regionen wie Südostasien und Lateinamerika jeweils von großer Hitze, Trockenheit oder andererseits von ungewöhnlichen Niederschlägen betroffen.
Die WMO erklärte, ihre Meldung sei ein “Signal an die Regierungen, Vorbereitungen zu treffen, um die Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft zu minimieren.” Vor allem die Länder in Südostasien treffen nun Vorkehrungen. Indonesien etwa warnt vor der Gefahr von Waldbränden und fürchtet um seine Ernte von Palmöl und Kaffee. Schon ein schwaches El Niño bescherte dem Land 2019 einen ökonomischen Schaden von etwa fünf Milliarden Dollar. Weite Teile von Sumatra und Borneo sind jetzt in Feuer-Alarmzustand versetzt worden. Die Bewohner werden aufgefordert, Vorräte an Atemmasken anzulegen, wenn der Rauch aus möglichen Wald- und Moorbränden über die Region zieht. Der Höhepunkt des El Niño wird dort für September erwartet.
Andere Länder wappnen sich gegen andere Gefahren: Thailand und Malaysia fürchten um ihre Ernten an Reis und Palmöl. Auch kleine Ausfälle in der Landwirtschaft könnten die Lebensmittelpreise nach oben treiben, warnen Analysten. Vietnam rechnet mit Trockenheit, die auch die Kaffeeproduktion um 20 Prozent reduzieren könnte. Auch plant das Land deshalb mit weniger Stromerzeugung aus der Wasserkraft – was die Fabriken betreffen könnte, die Zulieferer der Elektronikbranche etwa für Apple und Samsung sind. Die Philippinen rufen schon jetzt zum Wassersparen auf. bpo
Die Finanzmittel aus dem Bundeshaushalt für internationalen Klimaschutz könnten nach Berechnungen von Oxfam um etwa 500 Millionen Euro geringer ausfallen als bisher. Das geht aus einer ersten Analyse hervor, die Oxfam-Finanzexperte Jan Kowalzig auf Grundlage des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2024 erstellt hat. Der Haushalt wurde am Mittwoch im Kabinett verabschiedet und wird nun dem Bundestag vorgelegt.
Die Berechnung der “klimawirksamen Mittel” ist kompliziert, weil es nicht einen einzigen Haushaltstitel dafür gibt. Sie verteilen sich auf mehrere Ressorts und viele Töpfe; außerdem hängen sie teilweise davon ab, welche Projekte mit anderen Ländern vereinbart werden und wie viel Geld dafür wann abfließt. Genau gibt es diese Zahlen deshalb immer erst mit einigen Jahren Verspätung. Hauptgeldgeber ist das Entwicklungsministerium (BMZ), über das etwa 88 Prozent der Mittel fließen. Wichtig ist auch noch die “Internationale Klimaschutzinitiative” (IKI), die im Wirtschaftsministerium verortet ist.
Die letzten belastbaren Zahlen für die Klimafinanzen stammen aus dem Haushalt 2021, damals wurden 5,3 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt. Deutschland hat versprochen, spätestens ab 2025 “mindestens sechs Milliarden Euro” in die internationale Klima-Zusammenarbeit zu zahlen.
Die aktuellen Kalkulationen beruhten auf einer vorläufigen Analyse, betont Kowalzig. Dabei könne sich konkret noch vieles ändern, durch neue Projekte oder auch durch die Entscheidung im Parlament. Aber wenn er alles zusammenrechne “scheint der Haushalt eine halbe Milliarde Euro weniger Klimagelder herzugeben als bisher”, so der Finanzexperte. Die Ampelregierung drohe sich von ihrem Sechs-Milliarden-Ziel zu verabschieden.
Ein Sprecher des BMZ erklärte dagegen, es “lässt sich mit dem Wissen von heute nicht abschließend beantworten“, ob sich mit den Zahlen des Haushalts 2024 das Versprechen halten lasse, 2025 die sechs Milliarden zu erreichen. Es zeige sich aber bei den Verhandlungen mit anderen Ländern steigendes Interesse auch an Klimaprojekten. Und je mehr Projekte zu Klimaschutz und Anpassung die Partnerländer umsetzen wollten, “desto größer wird der Anteil des BMZ-Haushalts, der zur Klimafinanzierung zählt”, hieß es. Ob dadurch tatsächlich mehr Hilfe geleistet wird oder bei anderen Bereichen gekürzt wird, wird sich im Detail erst in der Rückschau zeigen. bpo
Die Bundesregierung hat Milliarden Euro an EU-Zuschüssen aus dem Corona-Aufbaufonds (Recovery and Resilience Facility) noch nicht abgerufen. Die Mittel sind auch für Klimaausgaben von Bedeutung: Mit ihrer Hilfe sollen nach der Pandemie der Umbau der Volkswirtschaft im Sinne des Green Deal vorangetrieben, die Abhängigkeit von Fossilen reduziert und die Digitalisierung beschleunigt werden.
Bislang ist es der Bundesregierung nicht gelungen, den Weg für die erste Teilauszahlung freizumachen. Auch das nötige “Operational Agreement” mit der EU-Kommission wurde nach Informationen von Table.Media noch nicht unterzeichnet. Dabei drängt die Zeit: Die Milliarden müssen bis Ende 2026 ausgegeben werden.
Deutschland hat Anspruch auf rund 30 Milliarden Euro aus dem Fonds. 42 Prozent der Mittel sollen in Deutschland auf Maßnahmen für den Klimaschutz entfallen, 52 Prozent der Digitalisierung zugutekommen. 2,3 Milliarden Euro wurden im August 2021 bereits als Vorfinanzierung an Berlin ausgezahlt, ohne an Bedingungen geknüpft zu sein. Die Auszahlung der nächsten Tranchen hängt nun aber davon ab, dass die Regierung die individuell mit der Kommission vereinbarten Meilensteine erreicht. Grundlage dafür ist der nationale Aufbau- und Resilienzplan.
Von den mit der Kommission vereinbarten 129 Meilensteinen und Zielen seien bisher 58 erreicht, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Allerdings ist die Bundesregierung bei einigen Reformen, die Deutschland erledigen muss, bis heute den Nachweis schuldig geblieben. Dazu zählen unter anderem schnellere Genehmigungsverfahren. Auch Maßnahmen zur Dekarbonisierung, der Aufbau einer Wirtschaft mit grünem Wasserstoff sowie nachhaltige Lösungen im Verkehr werden von Deutschland verlangt. mgr
Der CO₂-Preis, der in Deutschland für fossile Kraftstoffe im Verkehr und beim Heizen fällig wird, soll zum 1. Januar 2024 stärker ansteigen als derzeit vorgesehen: Von momentan 30 Euro pro Tonne soll er nicht auf 35 Euro klettern, wie aktuell im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) vorgesehen, sondern auf 45 Euro. Darauf hat sich die Koalition im Rahmen der Haushaltsberatungen geeinigt.
Nachdem Table.Media dies am Dienstag gemeldet hatte, dementierte Finanzminister Christian Lindner die Einigung zwar am Mittwoch: Er sagte, die zusätzliche Erhöhung sei “nicht in der Bundesregierung beschlossen”. Doch der gerade verabschiedete Haushaltsentwurf des Kabinetts sieht ausdrücklich eine “Erhöhung der Zertifikatspreise” vor und kündigt an, dass dafür das BEHG geändert werden soll. Das aber ist nur nötig, wenn der Preis auf einen anderen Betrag steigen soll als auf die bislang vorgesehenen 35 Euro. Der Haushaltsentwurf sieht auch vor, dass die Änderung erst “zu einem späteren Zeitpunkt beschlossen” werden soll.
Die 45 Euro waren ab 2024 ursprünglich schon einmal vorgesehen. Aufgrund des starken Energiepreisanstiegs in Folge des Ukraine-Kriegs hatte die Bundesregierung 2022 aber beschlossen, die für 2023 vorgesehene Anhebung von 30 auf 35 Euro auf 2024 zu verschieben. Der ursprünglich ab 2024 geplante Preis von 45 Euro sollte erst ab 2025 gelten. Nun soll auf den alten Preispfad zurückgekehrt werden.
Durch den Anstieg des CO₂-Preises würde sich ein Liter Benzin zum Jahreswechsel um rund vier Cent verteuern, bei Diesel und Heizöl sind es rund fünf Cent pro Liter und bei Erdgas 0,3 Cent pro Kilowattstunde. Die zusätzlichen Einnahmen kommen dem Klima- und Transformationsfonds zugute. Dort werden sie dringend benötigt, weil aus diesem Fonds auch die deutlich erhöhten staatlichen Zuschüsse für klimafreundliche Heizungen bezahlt werden. mkr
Auch in Zeiten von Ukraine-Krieg und Inflation bleibt der Klimaschutz für die Menschen in Deutschland ein wichtiges Thema. Das zeigen neue Daten des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers, das seit Anfang 2021 die in der Bevölkerung verbreiteten Einstellungen zur Energie- und Verkehrswende misst.
46 Prozent nennen laut der aktuellen Befragung den Krieg, verbunden mit Außenpolitik und Verteidigung, als wichtigstes oder zweitwichtigstes politisches Problem im Land. Darauf folgt an zweiter Stelle der Klima- und Umweltschutz mit 27 Prozent. Inflation und Energiewende belegen mit geringem Abstand Platz drei und vier.
Die Krisen hängen dabei zusammen: Zwei von fünf Befragten sagten, der Klimaschutz habe durch die Energiekrise für sie an Bedeutung gewonnen. Knapp die Hälfte wünscht sich eine Politik, die Energiepreis- und Klimakrise zugleich angeht. Einer Mehrheit geht die Energiewende zu langsam voran. Fast ebenso viele empfinden allerdings die Verkehrswende als zu schnell.
Die Zustimmung zu Windkraft- und Solarausbau in Wohnortnähe, einem Tempolimit auf Autobahnen, einer niedrigeren Raumtemperatur und einem CO₂-Preis ist laut Studie teils deutlich höher als gedacht. Um das zu messen, sollten die Befragten schätzen, wie hoch die Zustimmung zu jeder einzelnen Maßnahme in der Bevölkerung sei. Dann sollten sie angeben, ob sie selbst die Maßnahme befürworten. Besonders groß fiel der Unterschied bei der Windkraft aus: 59 Prozent der Befragten war für deren Ausbau in Wohnortnähe, doch die geschätzte Zustimmung lag bei 32 Prozent.
Sehr viele der Befragten kritisieren allerdings auch die praktische Ausführung der Energie- und Verkehrswende als bürgerfern, teuer und unverständlich – und sie empfinden sie als ungerecht. Auch die Entlastungspakete der Bundesregierung in der Energiepreiskrise werden von vielen als unfair wahrgenommen. Das könne die Befürwortung und Unterstützung der Energiewende gefährden, sagt Ingo Wolf, Sozialwissenschaftler am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) und Leitautor des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers. ae
Aufgrund begründeter Zweifel an ihren Selbstverpflichtungen sehen sich Unternehmen zunehmend mit Klagen vor nationalen und internationalen Gerichten konfrontiert. Solche Fälle seien nicht neu. Aber es gebe eine “explosionsartige Zunahme“, sagen die beiden Wissenschaftlerinnen Joana Setzer und Catherine Higham vom Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment an der Londoner School of Economis and Social Sience (LSE).
Setzer und Higham haben die Studie “Global Trends in Climate Change Litigation” verfasst. Demnach stellen Klagende den Wahrheitsgehalt von Klimazusagen von Unternehmen infrage, besonders, wenn diese ihre Absichten nicht durch angemessene Pläne und Strategien stützten.
Die Forscherinnen erwarten, dass sich künftige Klagen zunehmend auf die Rechenschaftspflicht von Firmen in Bezug auf ihre selbst vorgeschlagenen Klimalösungen konzentrieren werden. Damit bricht für Unternehmen eine neue Zeit an. Bislang konnten sie sich im Rahmen ihrer freiwilligen Selbstverpflichtungen soziale und ökologische Ziele setzen, ohne bei Nichteinhaltung Konsequenzen fürchten zu müssen.
In mehr als der Hälfte der Fälle resultierten aus den Klagen gerichtliche Folgen, die als positiv für den Klimaschutz zu bewerten seien, schreiben die Wissenschaftlerinnen. In einigen Fällen habe dies zu “gut dokumentierten Änderungen in der Politik geführt”. So muss etwa Shell nach einem Urteil in den Niederlanden seine CO₂-Emissionen deutlich senken. Konfliktpotenzial und damit Stoff für weitere Klagen sehen die Wissenschaftlerinnen in einer ganzen Reihe von Feldern: biologische Vielfalt, Schutz der Ozeane, extreme Wetterereignisse oder Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten. cd
Die Umstellung auf schwefelarme Schiffskraftstoffe hat laut einer Carbon-Brief-Analyse zur Erwärmung der Atmosphäre beigetragen. Bis zum Jahr 2050 könnte die Reduktion der Schwefel-Emissionen demnach zu einer zusätzlichen Erwärmung von 0,05 Grad führen – so viel, wie durch zwei weitere Jahre globaler Treibhausgas-Emissionen verursacht würde, so die Autoren.
In der Schifffahrt wird Schweröl mit Schadstoffen wie Schwefel eingesetzt. Dessen Verbrennungsprodukte im Schwefeldioxid reflektieren das Sonnenlicht und tragen zur Wolkenbildung bei. Beide Effekte kühlen das Klima. Allerdings sind die kleinen Schwefelpartikel, die durch das Verbrennen von schwefelhaltigen Schiffskraftstoffen auftreten, sehr gesundheitsschädigend. Laut Carbon Brief sind sie für 19.000 bis 91.000 vorzeitige Todesfälle in Küstenregionen verantwortlich.
Deshalb hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) 2020 neue Regulierungen verabschiedet. Der Schwefelanteil von Schiffskraftstoffen darf seitdem nur noch 0,5 Prozent statt wie zuvor 3,5 Prozent betragen. Durch diese Maßnahmen seien die weltweiten Schwefeldioxid-Emissionen um circa zehn Prozent gesunken, so Carbon Brief. Die daraus vermutlich resultierende zusätzliche Erwärmung erschwere die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zusätzlich, so die Autoren.
Die IMO verhandelt noch bis zum 7. Juli in London über neue Klimaziele für die Schifffahrt. Viele Staaten fordern, die Emissionen bis 2050 auf null zu senken, statt sie, wie bisher geplant, nur zu halbieren. Auch eine globale Steuer auf Schiffstreibstoffe wurde vorgeschlagen. Frankreich konnte 22 Unterstützer-Staaten dafür gewinnen. Große Staaten wie China sind jedoch gegen diese Vorschläge. Die größte Exportnation der Welt versucht, Entwicklungs- und Schwellenländer auf seine Seite zu ziehen. Stärkere Klimaziele und eine CO₂-Steuer seien im Interessen der reichen Staaten und würden “die Kosten von Lieferketten erheblich erhöhen und die Erholung der Weltwirtschaft behindern”, so China in einer diplomatischen Note an Entwicklungsländer, aus der die Financial Times zitiert.
Der internationale Schiffsverkehr ist für knapp drei Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. nib
Das European Climate Neutrality Observatory (ECNO) hat erstmals den sogenannten Flagship Report unter dem Titel “State of EU Progress to Climate Neutrality” vorgelegt. Er soll den aktuellen Stand der Transformation der EU auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050 dokumentieren. Danach bewege sich die EU zwar “in die richtige Richtung”, müsse aber “das Tempo des Wandels deutlich erhöhen”. Denn mit Ausnahme der politischen Rahmensetzung (“Governance”) hinke die EU dem Zeitplan in allen anderen Bereichen zum Teil deutlich hinterher.
Bei der Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre (CDR) und im Finanzsektor attestiert der Bericht sogar Rückschritte. So werde in der EU zu wenig öffentliches und privates Kapital in Maßnahmen gegen den Klimawandel investiert, während weiterhin zu viel Geld in fossile Brennstoffe fließe. “Kontraproduktive wirtschaftliche Anreize” blieben bestehen, einige würden sogar verstärkt, heißt es.
Für die Studie wurden 13 Bausteine einer klimaneutralen Zukunft definiert, darunter Elektrizität, Industrie, Landwirtschaft und Mobilität. Jedem dieser Bausteine sind zwei Ziele und sechs Voraussetzungen zugeordnet. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 104 ökonomische und soziale Indikatoren analysiert und in die Bewertung einbezogen. Der Bericht stützt sich vor allem auf Daten aus den Jahren 2015 bis 2021. Laut ECNO soll in Zukunft jährlich eine Art Fortschrittsbericht vorgelegt werden.
ECNO wird von der European Climate Foundation finanziert und ist ein Zusammenschluss führender europäischer Forschungseinrichtungen in den Bereichen Klima, Governance, Wirtschaft und Finanzen. Partner sind das New Climate Institute, das Ecologic Institute, Climact, das Reform Institute und das Institute for Climate Economics (I4CE). ch
Als Kind träumt Antje Boetius davon, möglichst viel Zeit auf dem Meer oder im U-Boot zu verbringen wie Jules Vernes Kapitän Nemo im Roman “20.000 Meilen unter dem Meer”. Inzwischen hat die Tiefsee- und Polarforscherin 50 Schiffsexpeditionen hinter sich und leitet das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Im November hat sie das Institut für weitere fünf Jahre als Direktorin berufen.
Wie wichtig die Forschung des AWI ist, zeigen aktuelle Nachrichten: Die Arktis könnte schon in den 2030er Jahre eisfreie Sommer erleben, wie neue Studien zeigen. Und die Oberflächentemperaturen im Atlantik befindet sich in diesem Jahre auf einem Rekord-Niveau. Boetius und das AWI untersuchen die Ursachen und Folgen solcher Ereignisse.
Mit 21 Jahren ist Boetius als Studentin zum ersten Mal auf einer Forschungsexpedition unterwegs, es geht darum, wie viel CO₂ der Ozean aufnehmen kann. “Gleich beim ersten Mal wusste ich, mein Kindheitstraum ist auch mein Lebenstraum”, sagt die 56-Jährige. Sie promoviert zu Tiefsee-Mikrobiologie und leitet seit 2008 eine Forschungsgruppe zu Tiefsee-Ökologie und -Technologie.
Boetius forscht an Mikroorganismen, Einzellern in der Tiefsee. Sie leben in Symbiose mit Korallenriffen oder Algen unter dem Meereis. “Von denen kennen wir nur ein paar Prozent”, sagt Boetius. Viel zu wenig, denn die Einzeller könnten die Folgen des Klimawandels noch beschleunigen: “Wenn es wärmer wird, tendieren Mikroorganismen zu einem schnelleren Metabolismus und geben mehr Klimagase ab.” Es könne also sein, dass die Folgen der Erderwärmung ohne die Einzeller noch unterschätzt würden. Antje Boetius untersucht, wie die Mikroorganismen den ganzen Ozean beeinflussen.
Der Ozean wirke wie ein Puffer für die Folgen der Klimakrise, er speichere rund 93 Prozent der menschengemachten Wärme und 25 Prozent des CO₂, sagt sie. Das Problem: Die Forscherinnen und Forscher beobachten einen positiven Rückkopplungseffekt. Je wärmer die Erde und je stärker das Meereis schmilzt, desto weniger CO₂ kann das Leben in der Arktis speichern.
Als Wissenschaftlerin sieht Boetius ihre Aufgabe auch darin, ihr Wissen zu vermitteln, “die Gesellschaft vor den Risiken, auch Folgen ihres Handelns zu warnen“. Sie erschaudere über die Gefühlslosigkeit, mit der viele über die Klimakrise sprächen: “Lebewesen werden ausgelöscht, Menschen sterben oder verlieren ihre Heimat, und ein paar Tage später sagt wieder jemand, es gebe ja dringlichere Themen.” Wissen bedeute auch, im Kopf mit dieser Bedrohung umgehen zu können. Deshalb wolle das AWI die Menschen möglichst ohne Verzögerung informieren.
Als Institutsdirektorin war Boetius selbst in den vergangenen Jahren wenig auf dem Meer unterwegs. Im August und September fährt sie auf die nächste große Forschungsreise in die Arktis, um das Meereis zu untersuchen – “sozusagen als Belohnung”. Jana Hemmersmeier
seit Wochen hält eine Hitzewelle Nordamerika im Griff. Bill Dawson berichtet für uns aus Texas, wo aber auch die “brutale Hitze” nicht zu einem Umdenken in der Klimapolitik führt. Auch der Blick über die Grenze nach Mexiko zeigt wenig Engagement in Sachen Klimaschutz. Ganz im Gegenteil: Der Staat setzt auf den Ausbau der Fossilen.
Planlos ist auch China – jedenfalls was die Methanemissionen angeht. Der weltweit größte Emittent des Klimakillers hatte zwar für Ende 2022 eine Methanstrategie angekündigt, doch bisher liegt noch kein Papier vor. Die Dominanz der Kohle erschwert den Kampf gegen die Methanemissionen, schreibt Nico Beckert. Und Lukas Scheid erklärt, was das aktuell viel diskutierte Renaturierungsgesetz der EU mit Klimaschutz zu tun und wo die großen Konfliktlinien liegen.
Wir schauen auch nach Deutschland: Während der CO₂-Preis nun doch so stark wie ursprünglich geplant steigen soll, fehlen im Haushalt möglicherweise 500 Millionen Euro für den internationalen Klimaschutz.
Unsere News zeigen zudem unter anderem, wie sauberere Schifffahrt die Klimaerwärmung anheizt. Aber wir haben auch eine gute Nachricht: Trotz aller Unkenrufe sind Energie- und Verkehrswende in Deutschland viel beliebter als gedacht – wenn sie effektiv und gerecht geplant sind.
Beste Grüße
Trotz tödlicher Hitzewellen im Land, die laut Wissenschaftlern im Wesentlichen auf die Erderwärmung zurückgehen, setzt die mexikanische Regierung bei ihrer Energiepolitik weiter hauptsächlich auf Öl und Gas. Während die Förderung erneuerbarer Energien blockiert wird, baut das Land die fossile Industrie weiter aus.
Klimaziele werden gelockert, Gelder gestrichen, das nationale Klimainstitut soll geschlossen werden und fossile Brennstoffe werden weiter hoch subventioniert. Der neue Klimaplan (NDC) werde 2030 zu höheren Emissionen führen als die Planungen von 2016, kritisiert der Thinktank “Climate Action Tracker”. Sein Fazit: “Mexikos Klimapolitik ist weiterhin rückwärtsgewandt”.
Vergangenen Freitag floss erstmals Rohöl in die neu errichtete Raffinerie Dos Bocas, verkündete Präsident Andrés Manuel López Obrador. Energieministerin Rocío Nahle gab zudem neue Pläne bekannt: “Das Land braucht noch eine weitere Raffinerie.” Die Umstellung auf erneuerbare Energien gehe überall auf der Welt langsam voran, der Konsum nach Kraftstoff steige aber jetzt, erklärte sie.
Dabei rollt derzeit die vierte Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 50 Grad über das mittelamerikanische Land. Die lange Trockenheit schadet der Landwirtschaft, über hundert Menschen sind bereits gestorben. Laut Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ist die Durchschnittstemperatur in Mexiko seit 1961 bereits um 1,43 Grad gestiegen. Natürliche Wasservorräte nehmen ab, zugleich bedroht der steigende Meeresspiegel schon jetzt Dörfer auf der Karibik-Halbinsel Yucatán.
Welche Rolle die intensive heimische Ausbeutung von Erdöl- und Gas im Klimawandel spielt, wird kaum diskutiert. Dabei zählt Mexiko mit 418 Millionen Tonnen (2021) zu den 15 Staaten mit dem größten CO₂-Ausstoß. Und die Regierung hat auf der COP27 ein NDC verkündet, der ehrgeizig klingt: Bis 2030 sollen die Emissionen um 35 Prozent gegenüber 1990 sinken. 30 Prozent sollen mit eigenen Ressourcen gestemmt werden, fünf Prozent mithilfe internationaler Kooperationen.
Weil aber die Berechnungsrundlage geändert wurde und Transparenz fehlt, können 2030 höhere Emissionen als 2016 stehen, auch wenn die Ziele angeschärft wurden, kritisiert der Climate Action Tracker. Das NDC von 2020 setzte zudem ein Gericht aus, weil es wegen zu geringer Ambition gegen das Pariser Abkommen und gegen mexikanische Gesetze verstieß. Der Think-Tank stuft Mexikos Klimapolitik deshalb auf “kritisch ungenügend” herab.
Die Vorliebe für die Fossilen hat Gründe: Seit der linksnationalistische Präsident López Obrador 2018 sein Amt übernommen hat, konzentriert sich die Regierung energiepolitisch darauf, den schwer angeschlagenen ehemals halbstaatlichen Erdöl- und Gaskonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) und den Stromversorger Comisión Federal de Electricidad (CFE) zu stärken. Besonders bei Pemex ist das bei vielen Mexikanern populär. Das Unternehmen ist mit seiner Verstaatlichung 1938 zum Symbol für Souveränität und Prosperität des ölreichen Landes geworden.
Energiepolitik ist Sozialpolitik, heißt es heute aus den zuständigen Ministerien. In erster Linie soll die Bevölkerung günstig durch staatseigene fossile Energie versorgt werden. Doch dieser Linie steht eine Energiereform von López Obradors wirtschaftsliberalen Vorgänger Enrique Peña Nieto von 2013 im Weg. Der liberalisierte den Energiemarkt durch Öffnung, Wettbewerb und globale Integration.
Die Reform beendete das staatliche Monopol von Pemex und CFE und öffente die Betreibe für private Investoren. Zudem wurden Rahmenbedingungen geschaffen, damit Unternehmen ungehindert in andere privatwirtschaftliche Anlagen investieren und ihren Strom ins CFE-Netz einspeisen können. Das hat insvbesondere Projekte erneuerbarer Energien gestärkt: Solaranlagen, Windparks, Geothermie. Von 2017 bis 2022 wuchs die Stromerzeugung um zehn Prozent, fast nur durch Erneuerbare, die um fast 50 Prozent zulegten. Doch zwischen 2021 und 2022 sank der Anteil des sauberen Stroms laut Recherchen des politikwissenschaftlichen Instituts IMCO von 27,5 auf 26,1 Prozent.
Und gleichzeitig investierte López Obrador über 17 Milliarden US-Dollar in Dos Bocas und 600 Millionen US-Dollar in den Kauf einer Raffinerie in Texas. Für sechs Milliarden US-Dollar erwarb er 13 in Mexiko ansässige Kraftwerke von dem spanischen Betreiber Iberdrola – nur eines nicht-fossil.
Für López Obrador ist die Energiereform seines Vorgängers ein “neoliberaler Ausverkauf”. Private Investoren, so der Vorwurf, würden bevorzugt behandelt und agierten nicht im Interesse des Gemeinwohls. Indigene Gemeinden kritisierten Windparks in Tehehuantepec im Süden des Landes, weil die Bevölkerung entgegen internationalem Recht nicht zu dem Projekt auf ihrem Grund befragt worden sei. Auch habe es nicht wie versprochen günstigen Strom gegeben.
Obradores Versuch, die Reform mit einer Verfassungsänderung zu kippen, scheiterte aber 2022 an der nötigen Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Trotzdem hält die Regierung an ihrem Konzept fest. Behörden, die für privatwirtschaftliche Initiativen zuständig sind, finden bei der CFE-Stromeinspeisung wenig Beachtung, nachhaltige Energieprojekte werden blockiert, Ausschreibungen ausgesetzt. Ein unabhängiger Geldtopf für Klimapolitik wurde abgeschafft und die Finanzierungen der Regierung unterstellt. “Dadurch ist kaum mehr zu durchschauen, wie die Mittel genutzt werden”, kritisiert Carlos Asúnsolo von der Umweltorganisation Cemda.
In der Folge stagniert der Ausbau sauberer Energiegewinnung. “Viele Anträge für Windparks und Solaranlagen stecken mit verschiedenen Vorwänden fest, es gibt sehr wenige Genehmigungen”, erklärt der Experte für nachhaltige Entwicklung Victor Ramírez.
Das Energieministerium hat bereits im Juni 2022 eingeräumt, dass die für 2024 anvisierten 35 Prozent sauber produzierten Stroms erst 2031 erreicht würden. Dennoch verkündete López Obrador bei einem internationalen Energie- und Klimaforum im April 2023, man werde den Termin 2024 wie geplant einhalten. Er verwies dabei vor allem auf vier geplante Windparks in Tehuantepec und einen 1,6-Milliarden-Dollar teuren Solarpark im nördlichen Bundesstat Sonora mit 1.000 Megawatt.
Für Kritiker zeigen diese Projekte, dass sich in dem Land mit großen Potenzialen für Wind- und Solarkraft etwas bewegt. “Einzelne private Projekte erneuerbarer Energien wurden mittlerweile auf den Weg gebracht”, sagt Nachhaltigkeits-Experte Ramírez. Das dürfte vor allem auf internationalen Druck zurückgehen: Die USA und Kanada drohten Mexiko mit Klagen, weil durch die staatliche Kontrolle des Energiemarktes und die Benachteiligung ausländischer Investoren gegen das gemeinsame Handelsabkommen verstoßen werde.Wolf-Dieter Vogel, Mexiko-Stadt
Der US-Bundesstaat Texas bleibt trotz der jüngsten tödlichen Hitzewelle in der Energie- und Klimapolitik bei seinem Kurs: Es gibt auf der Ebene der Staatsregierung weiter keine explizite Debatte über den Klimawandel – weder wie man ihn verhindert, noch wie man sich auf ihn vorbereitet. Während Demokraten, Wissenschaftler und Umweltschützer seit Jahren einen solchen öffentlichen politischen Dialog fordern, verweigern sich die Republikaner.
Die brutale Hitze der letzten Wochen legte nahe, dass die texanische Regierung ihre langjährige Weigerung überdenken könnte, sich direkt mit den Bedrohungen durch den Klimawandel auseinanderzusetzen. Zeitungen berichteten darüber, wie Notaufnahmen in Krankenhäusern sich mit Hitzeopfern füllten und in den Gefängnissen ohne Klimaanlagen Insassen starben.
Doch der republikanische Gouverneur Greg Abbott machte klar, dass es keine Kursänderung geben wird. Als der Bundesstaat Ende Juni von gefährlich hohen Temperaturen heimgesucht wurde, unterzeichnete Abbott ein Gesetz, das es texanischen Städten verbietet, Bauarbeitern alle vier Stunden eine zehnminütige Wasserpause vorzuschreiben. Auch die Nichtreaktion des Staates auf die potenziell tödliche Hitze in den Gefängnissen ist ein Zeichen dafür, dass er weiterhin zur Tagesordnung übergeht.
“In diesem Jahr”, so berichtete die Texas Tribune letzte Woche in einem Bericht über Todesfälle in Gefängnissen, “hat der Gesetzgeber erneut beschlossen, trotz eines Haushaltsüberschusses von 32,7 Milliarden Dollar kein Geld für die Installation von Klimaanlagen in den gefährlich heißen Gefängnissen bereitzustellen.”
Dabei gibt es deutliche Warnungen: Die gemeinnützige Organisation Climate Central analysierte im Juni, der vom Menschen verursachte Klimawandel habe den Temperaturanstieg in Texas und Mexiko im vergangenen Monat “mindestens fünfmal wahrscheinlicher” gemacht. Andere Forscher waren zu dem Schluss gekommen, dass der Klimawandel auch die Dürre von 2011 und den Hurrikan Harvey von 2017 in Texas noch verheerender gemacht hat.
Auch die Untätigkeit der Gesetzgeber ist nichts Neues. Seit Jahren weigern sich die texanischen Gesetzgeber, explizite Gesetzesentwürfe zum Klimaschutz zu verabschieden und teilweise sogar in Ausschüssen zu diskutieren.
Einerseits sind auf der US-Bundesebene Dekarbonisierung und Klimaresilienz große Themen. Woche für Woche stellen Behörden dafür Milliarden von Dollar an Fördermitteln bereit. Andererseits konterkarieren viele Bundesstaaten, vor allem republikanisch regierte, diese US-Energiepolitik, indem fossile Brennstoffe gefördert und erneuerbare Energien behindert werden.
Im Parlament von Texas, dem Öl- und Gaszentrum der Nation, gab es in der vergangenen Legislaturperiode Siege sowohl für die fossilen als auch die erneuerbaren Energien:
Gleichzeitig verhinderte die Erneuerbaren-Lobby aber geplante Gesetze, um die boomende Wind- und Solarindustrie des Staates zu drosseln. Zu diesen Interessen gehören viele ländliche, stark republikanisch geprägte Gebiete, die von Wind- und Solarenergie profitieren. Verhindert wurden:
Nach Naturkatastrophen galten für Gouverneur Abbott und andere Befürworter der Fossilen bislang die Erneuerbaren öfter als Problem: Als der historische Wintersturm Uri im Jahr 2021 in Texas zu katastrophalen Stromausfällen führte, machten sie sofort Probleme mit den erneuerbaren Energien dafür verantwortlich. Unabhängige wissenschaftliche Experten kamen allerdings zu dem Schluss, dass die meisten Probleme durch Ausfälle der Erdgasinfrastruktur verursacht wurden.
Andere Katastrophen mit Klimabezug haben die Gesetzgeber zum Handeln veranlasst – ohne jedoch offen auf einen Zusammenhang mit dem Klimawandel hinzuweisen, den texanische Wissenschaftler betont hatten. Dazu gehören:
Auch wenn auf der Ebene des Staates weitreichende und spezifische Maßnahmen zum Klimawandel fehlen, ignoriert Texas keineswegs die Folgen des Klimawandels. Die größten Städte, die alle von Demokraten regiert werden, haben gehandelt. Houston reagierte auf die katastrophalen Überschwemmungen des Hurrikans Harvey mit neuen Klimamaßnahmen und Resilienzplänen.
Dabei reichen die schädlichen Auswirkungen der aktuellen extremen Hitze nicht annähernd an die Folgen von Ereignissen wie Harvey, der Dürre 2011 und den gigantischen Stromausfällen von 2021 heran. Die Temperaturen gehen jetzt etwa zurück, da sich der “Hitzedom” nach Osten verlagert hat. “Ich erwarte nicht, dass die Hitzewelle [im Juni] den Gouverneur oder den Vizegouverneur in Bezug auf den Klimawandel oder erneuerbare Energien umstimmen wird”, sagte Josh Busby, Professor für öffentliche Angelegenheiten an der Universität von Texas, der sich mit Klimapolitik beschäftigt. “Die Leistung der Solarenergie bei der Verhinderung von Stromausfällen während der Hitzewelle könnte es jedoch schwieriger machen, die erneuerbaren Energien zu bestrafen, wie es in der letzten Legislaturperiode versucht wurde.”
Andrew Dessler, ein Klimawissenschaftler und Experte für Klimapolitik an der Texas A&M Universität, äußerte sich ähnlich: “Ich erwarte nicht, dass die extreme Hitze in diesem Jahr zu wesentlichen Änderungen in der texanischen Energiepolitik führen wird. Es hat den Anschein, dass viele unserer Gesetzgeber sich in erster Linie auf Maßnahmen konzentrieren, die der Industrie für fossile Brennstoffe zugutekommen, anstatt sich mit den umfassenderen gesellschaftlichen Problemen im Zusammenhang mit unserem sich verändernden Klima zu befassen.” Bill Dawson, Houston
Die jüngst abgehaltenen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen gelten als “beachtlicher Erfolg der deutschen Klimadiplomatie”, so die Einschätzung von Germanwatch. China habe sich in der gemeinsamen Erklärung mit Deutschland “so deutlich wie selten zur Notwendigkeit beschleunigter Emissionsreduktionen noch in diesem Jahrzehnt” bekannt, schreibt die Umweltorganisation. Auch Jennifer Morgan war begeistert. “Wir haben geschafft, dass China gesagt hat: Wir sind bereit, mehr zu machen, mehr Ambitionen zu schaffen, eine Beschleunigung unserer Energiewende”, sagt die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt.
Doch die Zusammenarbeit konzentriert sich auf die Energiewende und die Dekarbonisierung der Industrie. Bei den Methanemissionen, von denen China weltweit am meisten verursacht, haben die beiden Seiten lediglich vereinbart, die Zusammenarbeit “perspektivisch auszubauen”. Das sei ein “notwendiger Schritt, da das chinesische NDC (nationaler Klimaplan) bisher nur Zielsetzungen zur Reduzierung von CO₂-Emissionen enthält”, so Morgan gegenüber Table.Media. Die Methanemissionen zu reduzieren, gilt als “schnellste Möglichkeit, die globale Erwärmung sofort zu verlangsamen”, schreibt der Environmental Defense Fund.
China wollte eigentlich schon Ende 2022 einen Aktionsplan zur Reduktion des Methan-Ausstoßes vorlegen. Doch das Dokument verzögert sich noch immer. Die Volksrepublik ist der größte Methan-Verursacher. Wirtschaftliche Interessen und die Abhängigkeit von der Kohle stehen einem ambitionierten Aktionsplan im Weg.
Methan richtet auf kurze Frist größere Klimaschäden an als CO₂:
Die Hälfte des Methanausstoßes Chinas geht auf den Energiesektor und hier vor allem die Kohleförderung zurück (90 bis 95 Prozent der Methanemissionen des Energiesektors). Die Landwirtschaft ist für weitere gut 30 Prozent der Emissionen verantwortlich – vor allem der Reisanbau. Schon während der COP27 im November 2022 kündigte Chinas Klimazar Xie Zhenhua einen Aktionsplan an. Er soll konkrete Maßnahmen zur Methan-Reduktion im Energie-, Landwirtschafts- und Abfallsektor enthalten. Doch Xie schränkte schon damals ein, Chinas Fähigkeiten, das Gas zu kontrollieren, seien “schwach”. Man konzentriere sich auf Ziele wie die Verbesserung der Überwachungsmöglichkeiten.
In den letzten Jahren war das Methan-Thema offenbar kaum auf der politischen Agenda Pekings. “Methan ist erst seit einem Jahr ein Thema mit gewisser Bedeutung”, sagt Cory Combs, Energy- und Klimaexperte der Beratungsfirma Trivium China. Und auch jetzt noch ist Energiesicherheit für Peking viel wichtiger. “Es gibt noch keinen systematischen Ansatz, um die Methan-Emissionen von Kohleminen zu verringern“, sagt Combs. Und auch der Gas-Sektor habe “keine konkreten Anreize”, das zu tun. Ganz im Gegenteil: Die chinesische Regierung versucht, die einheimische Gasförderung anzukurbeln. Maßnahmen zur Reduktion des Methanausstoßes würden dem im Weg stehen. “Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Peking zusätzlichen wirtschaftlichen Druck auf die Gasindustrie ausüben wird, während es versucht, die inländische Gasversorgung zu steigern”, sagt Combs.
Aus diesen Gründen ist China auch nicht Teil des Global Methane Pledge. Chinas Energieversorgung beruht zu großen Teilen auf der einheimischen Kohle. “Da direkte Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit befürchtet werden, macht China ungern globale Zusagen und Versprechungen“, so die Einschätzung von Lutz Weischer von Germanwatch. Zudem werde der Pledge als westliche Initiative wahrgenommen.
Aufgrund der hohen Kosten zur Reduktion von Methanemissionen gibt es auch kaum freiwillige Pläne der Kohleindustrie, die Emissionen zu senken. Und würden die Minenbetreiber diese Kosten an die Kohlekraftwerke weitergeben, könnte es erneut zu Energieengpässen kommen wie schon 2021. Damals hatten Kraftwerke aufgrund der hohen Rohstoffpreise ihre Kohlelager nicht ausreichend aufgefüllt, sodass es zu Engpässen und schließlich Stromrationierungen für den Industriesektor kam. Die Zentralregierung setzt alles daran, dass sich eine solche Stromkrise nicht wiederholt. “Ich rechne damit, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis Methan in der Praxis eine größere Bedeutung erlangt”, so Combs Einschätzung.
Auch die Methanemissionen aus der Landwirtschaft seien schwer zu reduzieren, so die Einschätzung von Weischer. Es werde befürchtet, dass eine Methanreduktion mit höheren Kosten einhergehe. Da die sichere Versorgung mit Lebensmitteln zu den Kernaufgaben der KP Chinas gehört, ist die Methanreduktion ein sensibles Thema.
Schon in der Vergangenheit gab es Pläne, die Methanemissionen im Energiesektor zu senken. Doch in den letzten 15 Jahren konnten die selbstgesteckten Ziele zum Auffangen von Methan im Kohlesektor nicht erreicht werden. Teilweise hätten die Minenbetreiber Regierungsvorschriften sogar umgangen. Gas mit einem Methangehalt von 30 Prozent sollte aufgefangen und genutzt werden. Doch es gibt Hinweise, dass Minenbetreiber das Gas verdünnt hätten, um es weiterhin einfach in die Atmosphäre abzulassen.
Da China auch in absehbarer Zukunft weiterhin sehr von der Kohle abhängig sein wird, ist es unabdingbar, die Methanemissionen dieses Sektors zu senken. Doch das ist schwieriger als in der Öl- und Gasindustrie:
Kommende Woche (12. Juli) wird das EU-Parlament über ein neues Gesetz zur Wiederherstellung der Natur abstimmen. Seit Wochen wird der Kommissionsvorschlag von zahlreichen Kontroversen begleitet. Die Christdemokraten der EVP plädieren dafür, den Vorschlag als Ganzes abzulehnen und setzten sich mit dieser Position in allen betroffenen Parlamentsausschüssen durch.
Die EVP erklärt, sie fürchte um zwei Dinge: Die Ernährungssicherheit Europas durch zu strenge Regeln für Landwirte; und um die Energiesicherheit durch eine Überbürokratisierung der Energiewende. Grüne, Sozialdemokraten und einige Liberale argumentieren dagegen, dass gerade Naturschutz und die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme mit Klimaschutz eng verbunden seien.
Die Abstimmung am nächsten Mittwoch steht auf Messers Schneide. Lehnt die Mehrheit des Parlaments den Vorschlag ab, ist das Gesetz vom Tisch. Die Kommission könnte dann einen neuen Vorschlag auflegen, will das aber nicht tun. Allerdings schreibt die Kommission selbst, dass die EU-Klimaziele nur mithilfe von Renaturierungsmaßnahmen erreichbar seien. Diese Einschätzung beruht auf mehreren Faktoren.
Um die Klimaziele der EU zu erreichen, setzen die 27 Mitgliedstaaten in erheblichem Ausmaß auf die Senkenleistung der Wälder, Moore und anderer Agrarflächen. Die LULUCF-Sektoren (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) sollen bis 2030 jährlich 310 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent speichern. Das sind fast zehn Prozent der jährlichen Gesamtemissionen der EU.
Die Hauptlast für die Treibhausgasspeicherung trägt der Wald. Allerdings sind laut europäischer Umweltagentur (EEA) nur 15 Prozent der Wälder in der EU in einem “guten Zustand” und 36 Prozent sogar in einem “schlechten”. Das Renaturierungsgesetz würde die Mitgliedstaaten verpflichten, die Zustände der Wälder zu verbessern, damit diese die erwartete Senkleistung überhaupt erbringen können. Auch Moore, die landwirtschaftlich genutzt werden, sollen renaturiert werden, um die Speicherfähigkeit zu erhöhen – 30 Prozent dieser Flächen bis 2030, wovon mindestens ein Viertel wiedervernässt werden soll.
Der Weltklimarat IPCC rät zu solchen Maßnahmen für den Klimaschutz: “Die Wiederherstellung natürlicher Wälder und entwässerter Torfgebiete und die nachhaltigere Bewirtschaftung von Wäldern erhöhen die Widerstandsfähigkeit der Kohlenstoffvorräte und -senken.”
Die jüngsten IPCC-Berichte legen ebenfalls nahe, dass die Wiederherstellung der Natur ein wichtiger Teil der Lösung sowohl zur Abschwächung des Klimawandels als auch zur Anpassung ist. “Die Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit ist eine der gängigsten Anpassungsmaßnahmen, die wirtschaftliche, institutionelle oder ökologische Vorteile bringt und die Empfindlichkeit [für Klimaschäden] verringert”, heißt es im IPCC-Report der Arbeitsgruppe II von Februar 2022.
Eine größere “genetische, artenbezogene und ökosystemare Vielfalt” trage dazu bei, das Risiko durch Klimaveränderungen zu verringern und Anpassungsoptionen offenzuhalten, bestätigt auch die UN-Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen (IPBES). So tragen beispielsweise intakte Küstenfeuchtgebiete und Korallenriffe enorm zum Schutz vor Fluten oder dem Anstieg des Meeresspiegels bei und Feuchtgebiete schützen vor Überschwemmungen an Land.
Die EEA schreibt, dass sich der Zustand der Meeres- und Küstenökosysteme in der Ostsee, im Schwarzen Meer, im Mittelmeer, im Nordostatlantik und insbesondere in den arktischen Meeren verschlechtert. Das sei eine Folge des menschlichen Eingriffs durch Überfischung, Verschmutzung und invasive Spezies. Das EU-Renaturierungsgesetz zielt darauf ab, in 30 Prozent der gefährdeten Flächen – und darunter auch Küstengebieten – Wiederherstellungsmaßnahmen zu entwickeln.
Doch Gegner des Renaturierungsgesetzes sehen auch hier einen massiven Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Lebensmittelkrise durch Inflation und hohe Weizenpreise ließen in der aktuellen Situation keine Maßnahmen zu, die die Lebensmittelsicherheit weiter gefährden könnten, heißt es.
Der Konflikt des Renaturierungsgesetzes mit den Zielen zum Ausbau der Erneuerbaren der EU im Rahmen des Repower-EU-Plans, mit dem die EU unabhängig von russischen Energieimporten werden will, spielt in der Debatte ebenfalls eine große Rolle – als Argument der Gegner des Gesetzes. Ein wesentlicher Pfeiler von Repower-EU ist der Bürokratieabbau und beschleunigte Genehmigungsverfahren beim Bau zusätzlicher Erneuerbaren-Kapazitäten.
Das Renaturierungsgesetz sieht dagegen eine Einzelfallprüfung von Ausnahmeregelungen von strengeren Naturschutz- und Wiederherstellungsauflagen vor. Zwar heißt es, dass solche Ausnahmen für Projekte von “übergeordnetem öffentlichem Interesse außerhalb von Natura-2000-Gebieten” möglich sind, doch eine Fall-zu-Fall-Überprüfung könnte den Genehmigungsprozess erheblich in die Länge ziehen.
Der Kommissionsvorschlag gefährde die Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien, sagt deshalb Peter Liese, klimapolitischer Sprecher der EVP. Auch die niederländische Regierung kritisiert, dass das im Gesetzesvorschlag beschriebene Verschlechterungsverbot für bestimmte Naturflächen zusätzliche Bürokratie beim Bau von Windkraftanlagen, PV und Wasserkraft nach sich ziehen würde.
Der Energieriese Vattenfall sowie der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke üben zwar auch Detailkritik am Kommissionsvorschlag, begrüßen ein derartiges Gesetz aber grundsätzlich. Der europäische Verband der Windindustrie (Windeurope) ist sogar ein klarer Befürworter des Renaturierungsgesetzes und sieht keinerlei Konflikte zwischen Energiewende und Naturschutz. Im Gegenteil: “Die Wiederherstellung der Natur und der Ausbau der Windenergie gehen Hand in Hand”, schreibt der Verband.
Man vermeide den Bau von Windparks während der Vogelbrut oder auf Routen von Zugvögeln. Bei der Errichtung von Offshore-Windparks reduziere man bereits die Lärmbelastung für Meerestiere durch Luftschleier und Hydroschalldämpfer. Windparkentwickler arbeiteten zudem bereits mit NGOs zusammen, um Wege zu finden, positive Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu hinterlassen, so Windeurope.
6. Juli, 15 Uhr, Online
Webinar What to Expect at the HLPF? Building Momentum towards the SDG Summit and Beyond
In diesem Webinar werden die wichtigsten Erwartungen an das diesjährige High-Level Political Forum on Sustainable Development (HLPF) erörtert, einschließlich der wichtigsten Ergebnisse aus zwei Berichten, die dem SDG-Gipfel zugrunde liegen werden: der “Globale Bericht über nachhaltige Entwicklung 2023” und der Bericht des hochrangigen Beratungsgremiums für eine wirksame und integrative Global Governance. Das Webinar wird vom International Institute for Sustainable Development organisiert. Infos
7. Juli, Wien
Konferenz OSCE High-Level Conference on Climate Change
Auf der Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stehen die möglichen Folgen des Klimawandels für Sicherheit und Stabilität im OSZE-Gebiet im Mittelpunkt. Infos
7. Juli, 9.30 Uhr, Lübbenau
Weiterbildung Grundwissen zum Thema Wasserstofftechnologien
Der Grundkurs des Qualifizierungsverbunds in der Lausitz für Erneuerbare Energien vermittelt ein Grundwissen zum Thema Wasserstoff und richtet sich gezielt an Teilnehmende ohne technischen Hintergrund. Ein interdisziplinärer Ansatz soll die wesentlichen technischen und wirtschaftlichen Aspekte der Wasserstofftechnologie aufzeigen. Infos
7. Juli, 11 Uhr/Berlin
Diskussion Eine neue industrielle Revolution? An der Schwelle zur klimaneutralen Wirtschaft
Die Diskussion gehört zur Gesprächsreihe “Forum Bellevue zur Transformation der Gesellschaft”, in der sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ab Juli 2023 den gesellschaftlichen Zukunftsthemen in Deutschland widmet. Auftaktveranstaltung ist eine Diskussion mit Christiane Benner, der zweiten Vorsitzenden der IG Metall, und Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Infos & Stream
7. bis 8. Juli, Berlin/Eberswalde
Seminar Klimakrise rückgängig machen mit Pyrolyse?
In Eberswalde ist seit diesem Jahr ein Pyrolysekraftwerk in Betrieb, das als Modell für eine zukünftige Energieversorgung auf dem Land dienen kann. Es ist nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimapositiv: Es soll zur Umkehr der Klimakrise beitragen. Aber wie funktioniert das genau? Darüber und über klimapositive Energieversorgung wird auf dem Seminar der Heinrich-Böll-Stiftung diskutiert. Infos
10.-19. Juli, New York
Forum High-Level Political Forum on Sustainable Development 2023
Das Motto des High-Level Political Forum (HLPF) des Wirtschafts- und Sozialrats der UN (ECOSOC) ist “Accelerating the recovery from the coronavirus disease (COVID-19) and the full implementation of the 2030 Agenda for Sustainable Development at all levels”. Ausführlich evaluiert werden SDG 6 (Wasser), 7 (Energie), 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur), 11 (Städte) und 17 (Partnerschaften). Infos
11, Juli, 13 Uhr, Online
Webinar What Does A Global Goal on Adaptation Mean For Africa?
Dieses Webinar des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zielt darauf ab, das Wissen und das Verständnis für das Globale Anpassungsziel (GGA) zu verbessern. Es bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, Einblicke in das Glasgow-Sharm el-Sheikh-Arbeitsprogramm zum GGA zu erhalten, regionale Prioritäten für die Anpassung zu diskutieren und die Möglichkeiten zu erkunden, die das GGA bietet. Infos
11. Juli, 17 Uhr, Hamburg
Diskussion Mehr Mut zur Transformation: Die Wirtschaft als Schlüssel der Klimawende
Die Stiftung KlimaWirtschaft und die Handelskammer Hamburg diskutieren auf diesem Event über die Rolle der Wirtschaft bei der Bekämpfung der Klimakrise. Infos
12. Juli, 18 Uhr, Online
Webinar Geothermie – Gamechanger für die Energiewende?
Auf der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung wird darüber diskutiert, welche Rolle Geothermie in der Energiewende spielt. Infos & Anmeldung
13. Juli, 15.30 Uhr, Online
Diskussion No Water, No Food – Glacier Loss Threats to US and Chinese Agriculture
Auf der Diskussion des Wilson Center geht es um die Auswirkungen des Abschmelzens am sogenannten “Dritten Pol” (Gletscher im Himalaya) und die Auswirkungen daraus auf die Landwirtschaft. Infos
Die UN-Behörde für Meteorologie (WMO) erwartet jetzt für den Pazifik offiziell das erste stärkere El Niño-Ereignis seit sieben Jahren. Die Behörde warnt vor “disruptiven Wetter- und Klimamustern” und stark steigenden globalen Temperaturen. Dadurch könne mit einer Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit auch zeitweilig bis zu einem Jahr die Grenze von 1,5 Grad Celsius überschritten werden, hieß es.
Das natürliche Wettermuster führt dazu, dass sich der östliche Teil des Südpazifik alle zwei bis sieben Jahre stark erwärmt. Dabei werden Regionen wie Südostasien und Lateinamerika jeweils von großer Hitze, Trockenheit oder andererseits von ungewöhnlichen Niederschlägen betroffen.
Die WMO erklärte, ihre Meldung sei ein “Signal an die Regierungen, Vorbereitungen zu treffen, um die Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft zu minimieren.” Vor allem die Länder in Südostasien treffen nun Vorkehrungen. Indonesien etwa warnt vor der Gefahr von Waldbränden und fürchtet um seine Ernte von Palmöl und Kaffee. Schon ein schwaches El Niño bescherte dem Land 2019 einen ökonomischen Schaden von etwa fünf Milliarden Dollar. Weite Teile von Sumatra und Borneo sind jetzt in Feuer-Alarmzustand versetzt worden. Die Bewohner werden aufgefordert, Vorräte an Atemmasken anzulegen, wenn der Rauch aus möglichen Wald- und Moorbränden über die Region zieht. Der Höhepunkt des El Niño wird dort für September erwartet.
Andere Länder wappnen sich gegen andere Gefahren: Thailand und Malaysia fürchten um ihre Ernten an Reis und Palmöl. Auch kleine Ausfälle in der Landwirtschaft könnten die Lebensmittelpreise nach oben treiben, warnen Analysten. Vietnam rechnet mit Trockenheit, die auch die Kaffeeproduktion um 20 Prozent reduzieren könnte. Auch plant das Land deshalb mit weniger Stromerzeugung aus der Wasserkraft – was die Fabriken betreffen könnte, die Zulieferer der Elektronikbranche etwa für Apple und Samsung sind. Die Philippinen rufen schon jetzt zum Wassersparen auf. bpo
Die Finanzmittel aus dem Bundeshaushalt für internationalen Klimaschutz könnten nach Berechnungen von Oxfam um etwa 500 Millionen Euro geringer ausfallen als bisher. Das geht aus einer ersten Analyse hervor, die Oxfam-Finanzexperte Jan Kowalzig auf Grundlage des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2024 erstellt hat. Der Haushalt wurde am Mittwoch im Kabinett verabschiedet und wird nun dem Bundestag vorgelegt.
Die Berechnung der “klimawirksamen Mittel” ist kompliziert, weil es nicht einen einzigen Haushaltstitel dafür gibt. Sie verteilen sich auf mehrere Ressorts und viele Töpfe; außerdem hängen sie teilweise davon ab, welche Projekte mit anderen Ländern vereinbart werden und wie viel Geld dafür wann abfließt. Genau gibt es diese Zahlen deshalb immer erst mit einigen Jahren Verspätung. Hauptgeldgeber ist das Entwicklungsministerium (BMZ), über das etwa 88 Prozent der Mittel fließen. Wichtig ist auch noch die “Internationale Klimaschutzinitiative” (IKI), die im Wirtschaftsministerium verortet ist.
Die letzten belastbaren Zahlen für die Klimafinanzen stammen aus dem Haushalt 2021, damals wurden 5,3 Milliarden Euro an Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt. Deutschland hat versprochen, spätestens ab 2025 “mindestens sechs Milliarden Euro” in die internationale Klima-Zusammenarbeit zu zahlen.
Die aktuellen Kalkulationen beruhten auf einer vorläufigen Analyse, betont Kowalzig. Dabei könne sich konkret noch vieles ändern, durch neue Projekte oder auch durch die Entscheidung im Parlament. Aber wenn er alles zusammenrechne “scheint der Haushalt eine halbe Milliarde Euro weniger Klimagelder herzugeben als bisher”, so der Finanzexperte. Die Ampelregierung drohe sich von ihrem Sechs-Milliarden-Ziel zu verabschieden.
Ein Sprecher des BMZ erklärte dagegen, es “lässt sich mit dem Wissen von heute nicht abschließend beantworten“, ob sich mit den Zahlen des Haushalts 2024 das Versprechen halten lasse, 2025 die sechs Milliarden zu erreichen. Es zeige sich aber bei den Verhandlungen mit anderen Ländern steigendes Interesse auch an Klimaprojekten. Und je mehr Projekte zu Klimaschutz und Anpassung die Partnerländer umsetzen wollten, “desto größer wird der Anteil des BMZ-Haushalts, der zur Klimafinanzierung zählt”, hieß es. Ob dadurch tatsächlich mehr Hilfe geleistet wird oder bei anderen Bereichen gekürzt wird, wird sich im Detail erst in der Rückschau zeigen. bpo
Die Bundesregierung hat Milliarden Euro an EU-Zuschüssen aus dem Corona-Aufbaufonds (Recovery and Resilience Facility) noch nicht abgerufen. Die Mittel sind auch für Klimaausgaben von Bedeutung: Mit ihrer Hilfe sollen nach der Pandemie der Umbau der Volkswirtschaft im Sinne des Green Deal vorangetrieben, die Abhängigkeit von Fossilen reduziert und die Digitalisierung beschleunigt werden.
Bislang ist es der Bundesregierung nicht gelungen, den Weg für die erste Teilauszahlung freizumachen. Auch das nötige “Operational Agreement” mit der EU-Kommission wurde nach Informationen von Table.Media noch nicht unterzeichnet. Dabei drängt die Zeit: Die Milliarden müssen bis Ende 2026 ausgegeben werden.
Deutschland hat Anspruch auf rund 30 Milliarden Euro aus dem Fonds. 42 Prozent der Mittel sollen in Deutschland auf Maßnahmen für den Klimaschutz entfallen, 52 Prozent der Digitalisierung zugutekommen. 2,3 Milliarden Euro wurden im August 2021 bereits als Vorfinanzierung an Berlin ausgezahlt, ohne an Bedingungen geknüpft zu sein. Die Auszahlung der nächsten Tranchen hängt nun aber davon ab, dass die Regierung die individuell mit der Kommission vereinbarten Meilensteine erreicht. Grundlage dafür ist der nationale Aufbau- und Resilienzplan.
Von den mit der Kommission vereinbarten 129 Meilensteinen und Zielen seien bisher 58 erreicht, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Allerdings ist die Bundesregierung bei einigen Reformen, die Deutschland erledigen muss, bis heute den Nachweis schuldig geblieben. Dazu zählen unter anderem schnellere Genehmigungsverfahren. Auch Maßnahmen zur Dekarbonisierung, der Aufbau einer Wirtschaft mit grünem Wasserstoff sowie nachhaltige Lösungen im Verkehr werden von Deutschland verlangt. mgr
Der CO₂-Preis, der in Deutschland für fossile Kraftstoffe im Verkehr und beim Heizen fällig wird, soll zum 1. Januar 2024 stärker ansteigen als derzeit vorgesehen: Von momentan 30 Euro pro Tonne soll er nicht auf 35 Euro klettern, wie aktuell im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) vorgesehen, sondern auf 45 Euro. Darauf hat sich die Koalition im Rahmen der Haushaltsberatungen geeinigt.
Nachdem Table.Media dies am Dienstag gemeldet hatte, dementierte Finanzminister Christian Lindner die Einigung zwar am Mittwoch: Er sagte, die zusätzliche Erhöhung sei “nicht in der Bundesregierung beschlossen”. Doch der gerade verabschiedete Haushaltsentwurf des Kabinetts sieht ausdrücklich eine “Erhöhung der Zertifikatspreise” vor und kündigt an, dass dafür das BEHG geändert werden soll. Das aber ist nur nötig, wenn der Preis auf einen anderen Betrag steigen soll als auf die bislang vorgesehenen 35 Euro. Der Haushaltsentwurf sieht auch vor, dass die Änderung erst “zu einem späteren Zeitpunkt beschlossen” werden soll.
Die 45 Euro waren ab 2024 ursprünglich schon einmal vorgesehen. Aufgrund des starken Energiepreisanstiegs in Folge des Ukraine-Kriegs hatte die Bundesregierung 2022 aber beschlossen, die für 2023 vorgesehene Anhebung von 30 auf 35 Euro auf 2024 zu verschieben. Der ursprünglich ab 2024 geplante Preis von 45 Euro sollte erst ab 2025 gelten. Nun soll auf den alten Preispfad zurückgekehrt werden.
Durch den Anstieg des CO₂-Preises würde sich ein Liter Benzin zum Jahreswechsel um rund vier Cent verteuern, bei Diesel und Heizöl sind es rund fünf Cent pro Liter und bei Erdgas 0,3 Cent pro Kilowattstunde. Die zusätzlichen Einnahmen kommen dem Klima- und Transformationsfonds zugute. Dort werden sie dringend benötigt, weil aus diesem Fonds auch die deutlich erhöhten staatlichen Zuschüsse für klimafreundliche Heizungen bezahlt werden. mkr
Auch in Zeiten von Ukraine-Krieg und Inflation bleibt der Klimaschutz für die Menschen in Deutschland ein wichtiges Thema. Das zeigen neue Daten des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers, das seit Anfang 2021 die in der Bevölkerung verbreiteten Einstellungen zur Energie- und Verkehrswende misst.
46 Prozent nennen laut der aktuellen Befragung den Krieg, verbunden mit Außenpolitik und Verteidigung, als wichtigstes oder zweitwichtigstes politisches Problem im Land. Darauf folgt an zweiter Stelle der Klima- und Umweltschutz mit 27 Prozent. Inflation und Energiewende belegen mit geringem Abstand Platz drei und vier.
Die Krisen hängen dabei zusammen: Zwei von fünf Befragten sagten, der Klimaschutz habe durch die Energiekrise für sie an Bedeutung gewonnen. Knapp die Hälfte wünscht sich eine Politik, die Energiepreis- und Klimakrise zugleich angeht. Einer Mehrheit geht die Energiewende zu langsam voran. Fast ebenso viele empfinden allerdings die Verkehrswende als zu schnell.
Die Zustimmung zu Windkraft- und Solarausbau in Wohnortnähe, einem Tempolimit auf Autobahnen, einer niedrigeren Raumtemperatur und einem CO₂-Preis ist laut Studie teils deutlich höher als gedacht. Um das zu messen, sollten die Befragten schätzen, wie hoch die Zustimmung zu jeder einzelnen Maßnahme in der Bevölkerung sei. Dann sollten sie angeben, ob sie selbst die Maßnahme befürworten. Besonders groß fiel der Unterschied bei der Windkraft aus: 59 Prozent der Befragten war für deren Ausbau in Wohnortnähe, doch die geschätzte Zustimmung lag bei 32 Prozent.
Sehr viele der Befragten kritisieren allerdings auch die praktische Ausführung der Energie- und Verkehrswende als bürgerfern, teuer und unverständlich – und sie empfinden sie als ungerecht. Auch die Entlastungspakete der Bundesregierung in der Energiepreiskrise werden von vielen als unfair wahrgenommen. Das könne die Befürwortung und Unterstützung der Energiewende gefährden, sagt Ingo Wolf, Sozialwissenschaftler am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) und Leitautor des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers. ae
Aufgrund begründeter Zweifel an ihren Selbstverpflichtungen sehen sich Unternehmen zunehmend mit Klagen vor nationalen und internationalen Gerichten konfrontiert. Solche Fälle seien nicht neu. Aber es gebe eine “explosionsartige Zunahme“, sagen die beiden Wissenschaftlerinnen Joana Setzer und Catherine Higham vom Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment an der Londoner School of Economis and Social Sience (LSE).
Setzer und Higham haben die Studie “Global Trends in Climate Change Litigation” verfasst. Demnach stellen Klagende den Wahrheitsgehalt von Klimazusagen von Unternehmen infrage, besonders, wenn diese ihre Absichten nicht durch angemessene Pläne und Strategien stützten.
Die Forscherinnen erwarten, dass sich künftige Klagen zunehmend auf die Rechenschaftspflicht von Firmen in Bezug auf ihre selbst vorgeschlagenen Klimalösungen konzentrieren werden. Damit bricht für Unternehmen eine neue Zeit an. Bislang konnten sie sich im Rahmen ihrer freiwilligen Selbstverpflichtungen soziale und ökologische Ziele setzen, ohne bei Nichteinhaltung Konsequenzen fürchten zu müssen.
In mehr als der Hälfte der Fälle resultierten aus den Klagen gerichtliche Folgen, die als positiv für den Klimaschutz zu bewerten seien, schreiben die Wissenschaftlerinnen. In einigen Fällen habe dies zu “gut dokumentierten Änderungen in der Politik geführt”. So muss etwa Shell nach einem Urteil in den Niederlanden seine CO₂-Emissionen deutlich senken. Konfliktpotenzial und damit Stoff für weitere Klagen sehen die Wissenschaftlerinnen in einer ganzen Reihe von Feldern: biologische Vielfalt, Schutz der Ozeane, extreme Wetterereignisse oder Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten. cd
Die Umstellung auf schwefelarme Schiffskraftstoffe hat laut einer Carbon-Brief-Analyse zur Erwärmung der Atmosphäre beigetragen. Bis zum Jahr 2050 könnte die Reduktion der Schwefel-Emissionen demnach zu einer zusätzlichen Erwärmung von 0,05 Grad führen – so viel, wie durch zwei weitere Jahre globaler Treibhausgas-Emissionen verursacht würde, so die Autoren.
In der Schifffahrt wird Schweröl mit Schadstoffen wie Schwefel eingesetzt. Dessen Verbrennungsprodukte im Schwefeldioxid reflektieren das Sonnenlicht und tragen zur Wolkenbildung bei. Beide Effekte kühlen das Klima. Allerdings sind die kleinen Schwefelpartikel, die durch das Verbrennen von schwefelhaltigen Schiffskraftstoffen auftreten, sehr gesundheitsschädigend. Laut Carbon Brief sind sie für 19.000 bis 91.000 vorzeitige Todesfälle in Küstenregionen verantwortlich.
Deshalb hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) 2020 neue Regulierungen verabschiedet. Der Schwefelanteil von Schiffskraftstoffen darf seitdem nur noch 0,5 Prozent statt wie zuvor 3,5 Prozent betragen. Durch diese Maßnahmen seien die weltweiten Schwefeldioxid-Emissionen um circa zehn Prozent gesunken, so Carbon Brief. Die daraus vermutlich resultierende zusätzliche Erwärmung erschwere die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zusätzlich, so die Autoren.
Die IMO verhandelt noch bis zum 7. Juli in London über neue Klimaziele für die Schifffahrt. Viele Staaten fordern, die Emissionen bis 2050 auf null zu senken, statt sie, wie bisher geplant, nur zu halbieren. Auch eine globale Steuer auf Schiffstreibstoffe wurde vorgeschlagen. Frankreich konnte 22 Unterstützer-Staaten dafür gewinnen. Große Staaten wie China sind jedoch gegen diese Vorschläge. Die größte Exportnation der Welt versucht, Entwicklungs- und Schwellenländer auf seine Seite zu ziehen. Stärkere Klimaziele und eine CO₂-Steuer seien im Interessen der reichen Staaten und würden “die Kosten von Lieferketten erheblich erhöhen und die Erholung der Weltwirtschaft behindern”, so China in einer diplomatischen Note an Entwicklungsländer, aus der die Financial Times zitiert.
Der internationale Schiffsverkehr ist für knapp drei Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. nib
Das European Climate Neutrality Observatory (ECNO) hat erstmals den sogenannten Flagship Report unter dem Titel “State of EU Progress to Climate Neutrality” vorgelegt. Er soll den aktuellen Stand der Transformation der EU auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050 dokumentieren. Danach bewege sich die EU zwar “in die richtige Richtung”, müsse aber “das Tempo des Wandels deutlich erhöhen”. Denn mit Ausnahme der politischen Rahmensetzung (“Governance”) hinke die EU dem Zeitplan in allen anderen Bereichen zum Teil deutlich hinterher.
Bei der Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre (CDR) und im Finanzsektor attestiert der Bericht sogar Rückschritte. So werde in der EU zu wenig öffentliches und privates Kapital in Maßnahmen gegen den Klimawandel investiert, während weiterhin zu viel Geld in fossile Brennstoffe fließe. “Kontraproduktive wirtschaftliche Anreize” blieben bestehen, einige würden sogar verstärkt, heißt es.
Für die Studie wurden 13 Bausteine einer klimaneutralen Zukunft definiert, darunter Elektrizität, Industrie, Landwirtschaft und Mobilität. Jedem dieser Bausteine sind zwei Ziele und sechs Voraussetzungen zugeordnet. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 104 ökonomische und soziale Indikatoren analysiert und in die Bewertung einbezogen. Der Bericht stützt sich vor allem auf Daten aus den Jahren 2015 bis 2021. Laut ECNO soll in Zukunft jährlich eine Art Fortschrittsbericht vorgelegt werden.
ECNO wird von der European Climate Foundation finanziert und ist ein Zusammenschluss führender europäischer Forschungseinrichtungen in den Bereichen Klima, Governance, Wirtschaft und Finanzen. Partner sind das New Climate Institute, das Ecologic Institute, Climact, das Reform Institute und das Institute for Climate Economics (I4CE). ch
Als Kind träumt Antje Boetius davon, möglichst viel Zeit auf dem Meer oder im U-Boot zu verbringen wie Jules Vernes Kapitän Nemo im Roman “20.000 Meilen unter dem Meer”. Inzwischen hat die Tiefsee- und Polarforscherin 50 Schiffsexpeditionen hinter sich und leitet das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Im November hat sie das Institut für weitere fünf Jahre als Direktorin berufen.
Wie wichtig die Forschung des AWI ist, zeigen aktuelle Nachrichten: Die Arktis könnte schon in den 2030er Jahre eisfreie Sommer erleben, wie neue Studien zeigen. Und die Oberflächentemperaturen im Atlantik befindet sich in diesem Jahre auf einem Rekord-Niveau. Boetius und das AWI untersuchen die Ursachen und Folgen solcher Ereignisse.
Mit 21 Jahren ist Boetius als Studentin zum ersten Mal auf einer Forschungsexpedition unterwegs, es geht darum, wie viel CO₂ der Ozean aufnehmen kann. “Gleich beim ersten Mal wusste ich, mein Kindheitstraum ist auch mein Lebenstraum”, sagt die 56-Jährige. Sie promoviert zu Tiefsee-Mikrobiologie und leitet seit 2008 eine Forschungsgruppe zu Tiefsee-Ökologie und -Technologie.
Boetius forscht an Mikroorganismen, Einzellern in der Tiefsee. Sie leben in Symbiose mit Korallenriffen oder Algen unter dem Meereis. “Von denen kennen wir nur ein paar Prozent”, sagt Boetius. Viel zu wenig, denn die Einzeller könnten die Folgen des Klimawandels noch beschleunigen: “Wenn es wärmer wird, tendieren Mikroorganismen zu einem schnelleren Metabolismus und geben mehr Klimagase ab.” Es könne also sein, dass die Folgen der Erderwärmung ohne die Einzeller noch unterschätzt würden. Antje Boetius untersucht, wie die Mikroorganismen den ganzen Ozean beeinflussen.
Der Ozean wirke wie ein Puffer für die Folgen der Klimakrise, er speichere rund 93 Prozent der menschengemachten Wärme und 25 Prozent des CO₂, sagt sie. Das Problem: Die Forscherinnen und Forscher beobachten einen positiven Rückkopplungseffekt. Je wärmer die Erde und je stärker das Meereis schmilzt, desto weniger CO₂ kann das Leben in der Arktis speichern.
Als Wissenschaftlerin sieht Boetius ihre Aufgabe auch darin, ihr Wissen zu vermitteln, “die Gesellschaft vor den Risiken, auch Folgen ihres Handelns zu warnen“. Sie erschaudere über die Gefühlslosigkeit, mit der viele über die Klimakrise sprächen: “Lebewesen werden ausgelöscht, Menschen sterben oder verlieren ihre Heimat, und ein paar Tage später sagt wieder jemand, es gebe ja dringlichere Themen.” Wissen bedeute auch, im Kopf mit dieser Bedrohung umgehen zu können. Deshalb wolle das AWI die Menschen möglichst ohne Verzögerung informieren.
Als Institutsdirektorin war Boetius selbst in den vergangenen Jahren wenig auf dem Meer unterwegs. Im August und September fährt sie auf die nächste große Forschungsreise in die Arktis, um das Meereis zu untersuchen – “sozusagen als Belohnung”. Jana Hemmersmeier