rund 100 Milliarden US-Dollar an Hilfen für die ärmsten Länder – es klingt erst einmal nicht schlecht, was für die Weltbank-Tochter International Development Association (IDA) vergangene Woche an Kapital für die nächsten drei Jahre zusammengekommen ist. Doch wer die Details von globalen Hilfszahlungen und Schuldenkrise kennt, der ist vorsichtig beim Jubeln. Und wir haben mit jemandem gesprochen, der Experte für diese Zusammenhänge ist und deshalb sagt: Den größten Teil der Klimaschutz-Anstrengungen schultern die Armen ganz allein. Achim Steiner, Chef des Entwicklungsprogramms UNDP, liest den G20-Staaten die Leviten. Wie und warum, das lesen Sie bei uns.
Auch anderswo blicken wir hinter die Schlagzeilen: Wo verbergen sich beim neuen Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Ländern in Lateinamerika die Risiken und Chancen für die Klimapolitik? Wie sollte sich die EU zum umstrittenen Thema “Solar Radiation Modification” verhalten? Und wie könnte eine Vermögenssteuer in Deutschland dem Klimaschutz helfen?
Auf alle diese Fragen und noch mehr liefern wir Ihnen Antworten. Und wünschen viel Spaß beim Lesen.
Auch nach der Unterzeichnung des EU-Mercosur-Freihandelsvertrags reißt die Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen an dem Abkommen nicht ab. Sie fürchten, es werde die Klimakrise weiter verschärfen. Dagegen hofft das Bundeswirtschaftsministerium, der Freihandel könne den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft weiter vorantreiben. Die letzten Details sind noch nicht bekannt, aber die Kommission hat angekündigt, den gesamten Vertrag binnen weniger Tage zu veröffentlichen. Bis das Abkommen rechtskräftig ist, kann es noch dauern.
Forschende aus Brasilien warnen derweil: Unter keinen Umständen dürfe der Freihandelsvertrag die Entwaldung im Amazonasgebiet weiter vorantreiben. Entscheidend sei, wie der vorliegende Text nun umgesetzt werde.
Für die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten geht es dabei nicht nur um Freihandel. Angesichts globaler Machtverschiebungen – dem Aufstieg Chinas und dem Bedeutungsverlust der USA, deren Verlässlichkeit zugleich durch die Wahl Donald Trumps zum nächsten Präsidenten sinkt – sucht die EU nach neuen geopolitischen Allianzen. Lateinamerika bietet sich an. “EU-Mercosur spiegelt unsere Werte und unsere Verpflichtung für den Klimaschutz wider”, wirbt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Kritische NGOs hatten sich bis zuletzt gegen den Freihandelsvertrag gewandt. Fast 400 im “Netzwerk gerechter Welthandel” zusammengeschlossene Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Europa und Lateinamerika warnten: Das Abkommen werde “die Entwaldung beschleunigen, die Klimakrise verschärfen und unsere Regionen weiter von Klimagerechtigkeit entfernen”. Sie fürchten vor allem schädliche Folgen für die Ökosysteme des Amazonas, Gran Chaco und Cerrado, die jetzt schon stark unter der Entwaldung leiden.
Audrey Changoe, Koordinatorin für Handels- und Investitionspolitik des europäischen Climate Action Network (CAN Europe), kritisierte die aus ihrer Sicht intransparenten Verhandlungen. Es sei “ein Skandal, dass sich die Kommission bis zur letzten Minute geweigert hat, detaillierte Informationen über die Verhandlungen und Verhandlungsdokumente offenzulegen” – zu einem Abkommen, das rund 750 Millionen Menschen betrifft. Allerdings liegt der Vertrag an sich bereits seit 2019 vor. Seither wurden noch die Ergänzungen zur Nachhaltigkeit eingefügt.
CAN Europe sieht gerade Rindfleisch, Geflügel, Zucker und weitere Agrarprodukte, deren Einfuhren nach Europa durch den Freihandelsvertrag steigen dürften, als die “größten Treiber von Entwaldung, Treibhausgasemissionen und Verlust von Biodiversität”. Die nachträglich eingefügten Umweltbestimmungen wertet die Organisation als Greenwashing. Dabei stützt sie sich auf ein juristisches Gutachten, das im Frühjahr 2023 im Auftrag des Umweltinstituts München erstellt wurde.
Wie der Freihandelsvertrag auf die Umwelt wirkt, werde von seiner Umsetzung abhängen, sagt hingegen Flavia Loss de Araujo, Professorin für Internationale Beziehungen am brasilianischen Instituto Mauá de Tecnología (IMT) zu Table.Briefings. Zwar gingen Studien von “einem erheblichen Anstieg der Kohlenstoffemissionen” aus – doch das gelte nur, wenn man die im Vertragstext beschriebenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen außer Acht lasse.
“Der Text des Abkommens enthält ausreichende Garantien”, findet Loss de Araujo. Werde der Freihandelsvertrag klug implementiert, habe er das Potenzial, “Nachhaltigkeit in beispielloser Weise in den Mittelpunkt von Handelsgesprächen zu stellen” und könne in schwierigen Zeiten zu einem positiven Beispiel für den Multilateralismus werden. Doch um das zu schaffen, brauche es “mehr als Verweise auf internationale Regelungen im Text”, nämlich gemeinsame Arbeit der Vertragsparteien an Umsetzung und Finanzierung.
Ob mit oder ohne Freihandel: Die Entwaldung in Brasilien müsse schnellstmöglich auf null, fordert der brasilianische Klimawissenschaftler Carlos Nobre, der sein Berufsleben der Erforschung des Amazonas gewidmet hat. “Der Amazonas ist kurz davor, zu kippen”, sagt Nobre. “Ich bin sehr besorgt.” Der Forscher lobt die EU-Entwaldungsverordnung als “sehr gut”, und sagt: “Wir müssen auch die USA und China überzeugen, dass sie keine Produkte von entwaldetem Land mehr kaufen”. China ist derzeit der wichtigste Handelspartner Brasiliens.
Das jetzt ausgehandelte Abkommen enthält deutlich schärfere Nachhaltigkeitsverpflichtungen für die Mercosur-Staaten als die Fassung von 2019. Das gilt insbesondere für den Klimaschutz. Die EU-Kommission setzte durch, dass die Achtung des Pariser Abkommens als “essential element” in den Vertrag aufgenommen wird. Sprich: Sollte etwa Argentinien unter Präsident Milei aus dem Paris-Abkommen austreten oder dessen Ziele nicht mehr ernsthaft umsetzen, könnte die EU die Zollvergünstigungen des Mercosur-Abkommens außer Kraft setzen.
Etwas weniger hart sind die Verpflichtungen zum Waldschutz. In der Kommission verweist man darauf, dass sich die Mercosur-Länder nun zum ersten Mal in einem internationalen bindenden Vertrag verpflichtet hätten, bis 2030 die Entwaldung zu stoppen. Bislang gab es dazu nur politische Verpflichtungen, etwa im Rahmen der Glasgow Declaration. Doch die Entwaldungsklausel ist kein “essential element”. Sie kann als Teil des Nachhaltigkeitskapitels nicht mithilfe der Rücknahme der Zollerleichterungen durchgesetzt werden. Ein solcher Sanktionsmechanismus sei für Brasilien und Co nicht akzeptabel gewesen und werde oft als “neuer Imperialismus der Industriestaaten” gesehen, sagt ein EU-Beamter. Stattdessen greift ein spezieller Streitschlichtungsmechanismus, der Verhandlungen im Rahmen eines Expertenpanels vorsieht.
Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass die EU ihre Entwaldungsverordnung gerade um ein Jahr verschoben hat. Sie könnte fast ein Drittel der brasilianischen Exporte in die EU betreffen und war einer der größten Streitpunkte in den Mercosur-Verhandlungen. Brasilien und die anderen Mercosur-Länder kritisierten sie als protektionistische Maßnahme. Und auch unter dem Pariser Klimaschutzabkommen sind die Regeln zum Waldschutz weniger stark, als die EU ursprünglich angestrebt hatte: Vor wenigen Wochen gab sie auf der COP29 in Baku ihren Widerstand gegen laxe Regeln für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Pariser Abkommens auf. Solche Gutschriften können unter anderem aus Waldprojekten stammen.
Die Bundesregierung betont, dass Deutschland sich besonders für strenge Klima- und Waldschutzbestimmungen im Freihandelsvertrag eingesetzt habe. Die derzeit hohen Abholzungsraten insbesondere im Amazonasgebiet dürften “durch das Mercosur-Abkommen nicht gesteigert werden”, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Auf den ersten Blick sei im Freihandelsvertrag gerade für den Klimaschutz viel erreicht worden. “Wir schauen uns den Text aber natürlich noch genau an.”
Im Ministerium erhofft man sich von dem Abkommen auch einen leichteren Zugang zu Rohstoffen wie Lithium und Kupfer, die für die Energiewende benötigt werden – und perspektivisch auch zu Wasserstoff. Die Mercosur-Region könnte zudem ein wichtiger Abnehmer für klimafreundliche Technologien aus Deutschland werden.
Die Kommission prüft derzeit, ob sie das Mercosur-Abkommen in einen Handelsteil und einen politischen Teil aufspalten will. Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck drängen darauf, weil die Zustimmungshürden für die Handelserleichterungen dann niedriger wären: Die Handelsfragen sind reine EU-Zuständigkeit (“EU only”) und könnten mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten und mit Zustimmung des Europaparlaments vorläufig in Kraft gesetzt werden. Der politische Teil berührt hingegen auch die Kompetenzen der EU-Staaten und muss deshalb von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden – was oft Jahre dauert.
Die Klauseln zum Schutz des Paris-Abkommens würden aber auch im Fall einer Aufspaltung greifen. “Da gibt es keine Lücke”, versichert ein EU-Beamter. Selbst wenn der Handelsteil zuerst vorläufig angewendet werde: Die Klauseln zum Pariser Klimaschutzabkommen, die im politischen Teil des Abkommens enthalten sind, würden gelten.
Herr Steiner, ist der Beschluss von Baku zu Finanzhilfen von 300 Milliarden US-Dollar für die Entwicklungsländer in 2035 ein Erfolg für diese Länder oder ein “Pflaster auf eine Schusswunde”, wie es eine NGO nannte?
100 Milliarden sind ja der Mindestbetrag. Deshalb war es wichtig, dass es in Baku eine bedeutende Erhöhung der Finanzzusagen gab. Jeder wusste, dass das vor dem Hintergrund der gegenwärtigen finanziellen wie politischen Turbulenzen schwierig werden würde. Die Entwicklungsländer haben mit Bezug auf internationale Studien eine Summe von 1,3 Billionen Dollar gefordert, es war aber auch klar, dass diese Summe nicht allein aus öffentlichen Mitteln kommen kann. Am Ende war die Dynamik bei den Verhandlungen zu sehr von den weit auseinanderliegenden Erwartungen geprägt. Trotzdem sind 300 Milliarden ein wichtiger nächster Schritt.
Entscheiden diese 300 Milliarden über den Kurs im globalen Klimaschutz?
Das ist eine Wegmarke, an der niemand vorbeikommt. Sollten wir im kommenden Jahr nicht weiterkommen, kann das schnell dazu führen, dass Länder weniger ambitionierte Ziele in ihren nationalen Plänen vorsehen. Wichtig wird auch, wie sich das weltweit auf die Energiemärkte und Investitionen auswirkt. Was im Weißen Haus mit einem Präsidenten Trump passiert, schafft weiter Unsicherheit. Aber der Rest der Welt hat in Baku noch einmal bekräftigt, gemeinsam voranzugehen. Und da geht es deutlich in Richtung Erneuerbare und weg von den fossilen Investitionen. Das Pariser Abkommen lebt. Und nicht zu vergessen: In Baku gab es Entscheidungen über die Kohlenstoffmärkte nach Artikel 6 des Pariser Abkommens. Auch das hat das Potenzial für mehr Finanzierung, aus Sicht der Entwicklungsländer.
Bis zur nächsten COP soll es zur Finanzierung eine “Road to Belem” geben. Was erwarten Sie davon?
Zu den 300 Milliarden muss es klare Zusagen von Staaten oder Finanzierungsmöglichkeiten geben. Die abstrakte Summe wird nicht ausreichen, vor allem, weil schon das alte Versprechen mit den 100 Milliarden aus Sicht der Entwicklungsländer nicht eingehalten wurde. Die 300 Milliarden sind erst einmal eine sehr hohe Zahl. Was aber in der westlichen Öffentlichkeit oft übersehen wird: Die Entwicklungsländer finanzieren bereits einen beträchtlichen Anteil ihrer Klimapolitik selbst. Sie zahlen schon jetzt ein Vielfaches der 300 Milliarden für eigene Klimamaßnahmen. Das sind hunderte von Milliarden Dollar, die diese Länder aus ihren eigenen öffentlichen und privaten Mitteln aufbringen. Die Gelder aus den Industrieländern müssen vor allem für die ärmeren Entwicklungsländer dazukommen, aber das sind ja Investitionen, die uns allen zugutekommen. Wir müssen endlich rauskommen aus der verzerrten Wahrnehmung seitens der Industrieländer, dass sie die einzigen sind, die Klimapolitik finanzieren.
Schon seit Jahren leiden die ärmsten Länder unter einer Schuldenkrise, die auch Klimainvestitionen verhindert. Hat sich daran etwas geändert?
Im Prinzip Nein. Die Verschuldungsproblematik ist eher noch ernster geworden. Die G20 haben sich bislang geweigert, dieses Problem konsequent anzugehen, weil sie andere Prioritäten haben. Aus Sicht vieler G20-Staaten ist die Verschuldungskrise in den ärmsten Länder keine akute Bedrohung für die Stabilität der globalen Finanzmärkte. Angesichts ihrer eigenen Haushaltslage und dem politischen Druck zuhause wird das Problem an den Rand geschoben. Einziger Lichtblick sind die Entwicklungsbanken, die zur Zeit ihre Kreditvergabe für Klimaprogramme in Entwicklungsländern aufstocken. Aber auch das hilft den ärmsten Ländern nur bedingt, weil es letztlich noch mehr Schulden bedeutet.
Weltbank und IWF haben gerade Entwarnung gegeben: Die Weltwirtschaft werde ein “soft landing” hinlegen, hieß es, also ein sanftes Ende der Krisen.
Für manche Länder mag das zutreffen. Aber für 50 Entwicklungsländer ist das Gegenteil Realität. Sie zahlen inzwischen zehn Prozent oder mehr ihres Budgets nur für Zinstilgung. Sie gehen nur deswegen nicht pleite, weil sie die Gelder in ihren Haushalten, die eigentlich für Gesundheit und Bildung vorgesehen sind, für den Schuldendienst ausgeben. Und diese Länder können auch nicht in dringend nötige Vorsorge oder Infrastruktur investieren, die mit den Klimaproblemen einhergehen. Von einem “soft landing” sind diese Ärmsten der Armen weit entfernt.
Unter den jetzt versprochenen 300 Milliarden US-Dollar im Jahr werden viele Kredite sein. Werden sie dieses Problem nicht noch verschärfen?
Das muss man differenziert sehen. Eine ganze Reihe von Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen können es sich leisten, dieses Geld durch Kredite zu finanzieren. Ihnen helfen diese günstigen Kredite durchaus. Die größten Volkswirtschaften wie China und Indien finanzieren die Erneuerbaren-Infrastruktur, die bei ihnen entsteht, ohnehin aus ihrem eigenen Haushalt und auf ihren eigenen Finanzmärkten. Aber für die ärmsten Entwicklungsländer, also auch die etwa 50, die am Rand des Staatsbankrotts balancieren, kann in der Tat ein Finanzierungssystem über Kredite und Anleihen die Verschuldung verschlimmern.
Was muss sich in den Ländern des Globalen Südens verändern, damit diese Hilfe effektiv ankommen?
Wir sollten erst einmal anerkennen, dass viele Entwicklungsländer in diesem Bereich vorangehen. Die Vorreiter im Klimaschutz sind nicht mehr Deutschland, Europa oder die anderen sogenannten Industrieländer. Die Länder, die heute führend bei Erneuerbaren sind, sind immer häufiger Schwellen- und Entwicklungsländer. China hat ein Riesenprogramm für Erneuerbare, Indien will in den nächsten Jahren 300 Gigawatt Solarenergie aufbauen, das ist mehr als die gesamte deutsche Kapazität von etwa 250 Gigawatt. Das ist eine ungeheuer große Leistung. Länder wie Kenia und Uruguay sind inzwischen bei 80 oder 90 Prozent erneuerbarer Stromversorgung. Ganz Lateinamerika produziert zusammengenommen 60 Prozent seines Strombedarfs mit sauberen Energiequellen.
In anderen Ländern, etwa in Afrika, kommen dagegen sehr wenig Investitionen an.
Ja, und das muss sich dringend ändern. Dafür gibt es strukturelle Gründe (kleine Volkswirtschaften, fehlende Rahmenbedingungen und Investitionsanreize) aber auch mangelnde Bereitschaft seitens Investoren und Finanzmärkten, in Afrika zu investieren. Kenia, das in den letzten Jahren seine Kapazitäten zur Erzeugung von grünem Strom verdreifacht hat, bleibt hier eine Ausnahme. Manchmal stecken in diesen Staaten die Ordnungspolitik zu Energiefragen oder die Regeln für die Strommärkte auch noch in den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts fest. Und dann fehlt es oft an einer Vernetzung der Stromnetze über Ländergrenzen hinweg, um ein erneuerbares System stabil und rentabel zu machen. Da sind auch wir als UNDP stark engagiert, indem wir Angebote poolen, um kritische Größen zu erreichen, Investitionen weniger risikoreich zu machen und echte oder wahrgenommene Risiken für Investoren abzubauen. Derzeit fließen nur zwei Prozent der Investitionen in Erneuerbare in afrikanische Länder. So kann es nicht weitergehen: Wir zwingen Afrika, sich an die Kohlenstoffwirtschaft zu verkaufen.
In Baku wurde auch der Anfang gemacht, dass die Geberbasis für die Klimafinanzierung über die traditionellen Industrieländer hinaus erweitert wird. Wird das die Debatte verändern, etwa weil China ein großer Gläubiger der Entwicklungsländer ist?
Wir können die nächsten Jahre damit verbringen, uns gegenseitig zu kritisieren: Industrie- gegen Entwicklungsländer, der Westen gegen China, China gegen den Westen. Das bringt uns aber nicht weiter. De facto hat sich die Geberbasis schon verändert. Wenn sich Chinas Zahlen bestätigen, hat das Land mehr als 40 Milliarden Dollar für Klimapolitik und Energiewende in Entwicklungsländern investiert. Das würde bestätigen, was viele Entwicklungsländer sagen. Ich habe vor einigen Jahren in Äthiopien eine Windfarm besucht, die in chinesischer Kooperation entstanden ist, das war vergleichbar mit Projekten aus den Industrieländern. Aber auch die Staaten der Golfregion stellen Millionen und Milliarden an Investitionen in Aussicht. Wir sollten also eher schauen, wie wir diese Finanzierungsströme als Klimahilfen anerkennen, obwohl sie nicht durch das gleiche Muster wie bisher berechnet laufen. So kommen wir dem Gesamtrahmen von 2,4 Billionen Dollar jährlicher Investitionen auch näher, um in die Nähe des Klimaziels von 1,5 Grad zu kommen.
Aber gerade in dieser kritischen Phase fallen wohl die USA als größter Verschmutzer und potenzieller Finanzier aus.
Meine Erwartung ist: China, Indien und die Golfstaaten werden sich schon aus kommerziellem Interesse viel stärker bei der Energiewende in den Entwicklungsländern engagieren. Aber es wäre fatal, wenn sich die Industrieländer jetzt zurückziehen. Und genau das müssen wir im Moment befürchten: Wenn die USA sich weigern, ihre Co-Finanzierung mitzutragen, geht das genau in die falsche Richtung. Die OECD-Länder müssen schnell klären: Wo sollen die 300 Milliarden verlässlich herkommen? Das wird eine Voraussetzung dafür, dass bei der COP30 in Belem mit neuen NDCs wieder die Art von Ambition zurückkommt, die wir für die Erreichung der Klimaziele brauchen. Aber diese Chance gibt es nur, wenn wir sie nicht mit theoretischen Zahlen und rückwärtsgewandten Trends vergeuden.
Achim Steiner, Jahrgang 1961, ist der derzeit ranghöchste deutsche UN-Beamte. Der deutsch-brasilianische Politiker ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und seit 2017 Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Bis 2016 leitete er das UN-Umweltprogramm UNEP.
Stellen Sie sich Zehntausende von Hightech-Segelschiffen vor, die auf den Weltmeeren unterwegs sind und die Kraft des Windes in grünen, sauberen Wasserstoff umwandeln. Das ist der Traum von Ben Medland, einem britischen Ingenieur. Er hat früher bei BAE Systems und Accenture gearbeitet und danach das Unternehmen Drift Energy gegründet, um genau solche Segelschiffe zu bauen.
“Unsere Vision ist eine Flottille auf jedem Ozean, die in der Lage ist, bis zum Jahr 2050 eine Gigatonne an CO₂ zu reduzieren”, sagte er zu Table.Briefings. Die Treibhausgas-Einsparungen ergeben sich aus der Substitution fossiler Brennstoffe durch Wasserstoff, beispielsweise im Hafenbetrieb, in der weltweiten Flotte von Containerschiffen und in Küstenstädten und -gemeinden, insbesondere auf kleinen Inseln und in Entwicklungsländern. Die Schiffe sollen den Wasserstoff an Bord speichern und, wenn sie voll beladen sind, Häfen versorgen oder große Schiffe auf See betanken können.
Die Technologie funktioniert so, dass Windkraft eine propellerähnliche Turbine antreibt und mithilfe des so erzeugten Stroms Meerwasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Sie wurde bereits mit einem Katamaran im Hafen von Plymouth an der Südküste Englands getestet. Medland sagt aber, der eigentliche Durchbruch sei der digitale Algorithmus, der das Schiff anweise, an Orte mit starken Windgeschwindigkeiten zu segeln und dann die Wasserstoff-Ernte genau dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird.
Risikokapitalgeber unter der Führung der europäischen Risikokapitalgesellschaft Octopus Ventures haben Drift Energy gerade 4,65 Millionen britische Pfund zugesagt, um die Erfindung weiterzuentwickeln. Der nächste Schritt besteht darin, das Design zunächst auf ein Schiff mit ein bis zwei Megawatt zu skalieren. Das soll bis spätestens 2027 geschehen. Dann sollen noch größere Schiffe gebaut werden, um die Ziele des Unternehmens zu erreichen.
Medland, dessen Firma ihren Sitz im englischen Bath hat, sagt, die Technologie von Drift Energy ziele nicht darauf ab, konventionelle erneuerbare Energien wie Offshore-Windturbinen oder Solarenergie zu ersetzen. “Drift arbeitet am Rande der Energiewende und kümmert sich um schwer zu reduzierende Sektoren wie die Schifffahrt und schwer zugängliche Orte wie abgelegene Küstengemeinden und Inseln”, sagte er. Er betont aber auch die Vorteile, die darin bestehen, nicht auf Netzanschlüsse warten zu müssen und in Bewegung zu bleiben, anstatt eine statische erneuerbare Energiequelle zu sein.
Zu den Unterstützern von Drift Energy gehören der America’s-Cup-Yachtdesigner Daniel Bernasconi und der Blue Action Accelerator, der die nachhaltige Entwicklung von Küstengemeinden unterstützt. Madadh MacLaine, Generalsekretärin der Zero Emissions Ship Technology Association in Großbritannien – ein Verband, der sich zum Ziel gesetzt hat, die rasche und breite Einführung der emissionsfreien Schiffstechnologie zu fördern -, sagte Table.Briefings: “Die gesamte Energie, die die Seeschifffahrt benötigt, befindet sich auf See. Für unseren Verband ist die Lösung von Drift Energy der Schlüssel zur Eliminierung der Treibhausgasemissionen in der Schifffahrt, ohne mit den Anforderungen an saubere Energie auf der Erde in Konflikt zu geraten.”
Um 100 Milliarden US-Dollar wollen die Geberländer den Weltbankfonds für die ärmsten Länder aufstocken. Mit der Rekordsumme für die dreijährige Wiederauffüllung des Fonds wird eine wichtige Unterstützung im Kampf gegen Schulden, Klimakatastrophen, Inflation und Konflikte im Globalen Süden geschaffen. Die Weltbank gab dies am Freitag in Seoul auf einer Geberkonferenz für die International Development Association (IDA) bekannt, die 78 Ländern mit niedrigem Einkommen Zuschüsse und sehr zinsgünstige Darlehen gewährt. Bei der letzten Aufstockung der IDA im Dezember 2021 wurden noch 93 Milliarden Dollar bereitgestellt.
Die Länder werden 23,7 Milliarden US-Dollar direkt in die IDA einzahlen, was gegenüber den 2021 zugesagten 23,5 Milliarden nur eine geringfügige Erhöhung bedeutet. Der Fonds wird jedoch Anleihen ausgeben und andere finanzielle Hebel einsetzen, um die angestrebten 100 Milliarden an Zuschüssen und Darlehen bis Mitte 2028 zu erreichen. Auf der zweitägigen Geberkonferenz wurde das von den afrikanischen Staatsoberhäuptern geforderte Ziel von 120 Milliarden Dollar nicht erreicht.
Bereits beim G20-Gipfel in Brasilien im November erhöhte Norwegen seine Zusage ab 2021 um 50 Prozent auf 5,024 Milliarden norwegische Kronen (rund 430 Millionen Euro). Südkorea erhöhte seine Zusage um 45 Prozent auf 846 Milliarden Won (560 Millionen Euro), Großbritannien um 40 Prozent auf 1,8 Milliarden britische Pfund (2,2 Milliarden Euro) und Spanien um 37 Prozent auf 400 Millionen Euro. US-Präsident Joe Biden sagte einen Beitrag von vier Milliarden US-Dollar zu (3,8 Milliarden Euro), gegenüber 3,5 Milliarden in der vorherigen Runde.
Die Weltbank gab die Beträge der anderen Zusagen nicht sofort bekannt, teilte aber mit, dass 17 Geberländer eine Erhöhung ihrer Beiträge um mehr als 25 Prozent zugesagt hätten, wobei zehn Länder eine Erhöhung um 40 Prozent oder mehr angegeben hätten. “Während einige Geber einige sehr wichtige Erhöhungen vorgenommen haben, haben viele der traditionell großen IDA-Geber dies nicht getan”, sagte Clemence Landers, Senior Policy Fellow am Center for Global Development, einem Thinktank in Washington. “Dies ist ein Zeichen der Zeit: Für viele Regierungen sind globale Armutsfragen im eigenen Land oft schwer zu verkaufen.”
Der Präsident der Weltbank, Ajay Banga, sagte in einer Erklärung, dass die IDA in der Lage sein wird, die neuen Zusagen weiter zu strecken. In den letzten zwei Jahren habe die IDA an der Optimierung der Bilanz des Entwicklungsfinanzierers gearbeitet und ihre Kreditvergabekapazität über einen Zeitraum von zehn Jahren um etwa 150 Milliarden US-Dollar erhöht. Die Fähigkeit der Bank zur Hebelung der Beiträge wird “bescheidene Beiträge in lebensverändernde Investitionen” verwandeln, so Banga in einem offenen Brief an die Aktionäre und Kundenländer.
Etwa 35 Länder sind mittlerweile zu Gebern aufgestiegen, darunter China, Südkorea, Chile, Jordanien und die Türkei. Banga sagte, die Mittel würden es der Bank ermöglichen, die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen, auch wenn sie sich mit dem Klimawandel und anderen globalen Krisen befasse. “In diesem Zusammenhang ist die IDA nicht nur ein Finanzinstrument, sondern auch ein Katalysator für die Schaffung von Arbeitsplätzen”, sagte Banga. “Sie stellt den Ländern die Mittel zur Verfügung, um die Infrastruktur aufzubauen, die Bildungs- und Gesundheitssysteme zu verbessern und das Wachstum des Privatsektors zu fördern.” rtr
Die Zunahme von hitzebedingten Todesfällen durch den Klimawandel könnte Menschen unter 35 Jahren überproportional stark treffen. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Anzahl der Hitzetoten in dieser Altersgruppe um 35 Prozent zunehmen, wenn die Treibhausgasemissionen nicht stark zurückgehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die im Fachmagazin Sciences Advances veröffentlicht wurde.
Für die Studie wurden Daten aus Mexiko ausgewertet und modelliert. Dafür wurden sogenannte “Wet-Bulb”-Temperaturen einbezogen, das ist eine Messung, bei der die Luftfeuchtigkeit berücksichtigt wird, um den Grad der Hitzebelastung für Menschen zu ermitteln.
Die bisherige Forschung war davon ausgegangen, dass vor allem ältere Menschen anfällig für Hitze sind. Auf die Frage, warum das Risiko gerade für junge Menschen steigt, gibt es noch keine eindeutige Antwort, berichtet der Guardian. Wahrscheinlich sei, dass es unterschiedliche Gründe gebe. Beispielsweise physiologische Faktoren, wie die Tatsache, dass Babys nicht schwitzen können oder berufliche Risiken, wie der Umstand, dass junge Menschen häufiger in der Landwirtschaft oder auf dem Bau im Freien arbeiten. kul
Wissenschaftler warnen vor gravierenden ökologischen, sozialen und geopolitischen Risiken von Sonnenstrahlungsmodifikation (Solar Radiation Modification/SRM). Die Group of Chief Scientific Advisors (GCSA), das zentrale wissenschaftliche Beratungsgremium der EU-Kommission, veröffentlichte am Montag einen Bericht zur Bewertung von SRM inklusive Politikempfehlungen. SRM bekämpfe die Symptome statt der Ursachen des Klimawandels, schreiben sie. Die Technologie würde die Erwärmung bestenfalls vorübergehend und auf lokaler Ebene verringern, während die Treibhausgaskonzentrationen und die Versauerung der Ozeane weiter zunehmen.
Durch SRM soll durch gezielte Reflexion von Sonnenlicht – beispielsweise durch Injektion stratosphärischer Aerosole, Wolkenaufhellung und -ausdünnung oder Weltraumspiegel – die globale Erwärmung temporär reduziert werden. Die Technologie ist jedoch hochumstritten.
Die EU-Experten empfehlen, SRM-Einsätze vorerst zu verbieten und stattdessen proaktiv internationale Regulierungen voranzutreiben. Eine verantwortungsvolle Forschung solle mögliche Auswirkungen und ethische Fragen in regelmäßigen Abständen umfassend beleuchten, ohne andere Klimaschutzmaßnahmen zu verdrängen. Der Bericht könne dazu beitragen, “dringend benötigte transparente und verantwortliche Forschung” zu gewährleisten, kommentiert Matthias Honegger, Direktor für Klimainterventionen beim Centre for Future Generations.
Umweltorganisationen sehen SRM als Ablenkung von dringend notwendigen Emissionsreduktionen und fürchten die Legitimation von Geo-Engineering, sollte über einen internationalen Regulierungsrahmen verhandelt werden. Die EU solle sich stattdessen gemeinsam mit Regierungen aus Afrika und dem Pazifikraum für eine klare und robuste internationale Nichtnutzungsvereinbarung einsetzen, fordert Linda Schneider, Referentin für Internationale Klima- und Energiepolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung. luk
Anfang 2025 wird das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) ins Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) integriert. Damit wird das PIK im Rahmen eines “Sondertatbestands” strategisch erweitert. In Zukunft sollen so am PIK dann Gemeingüter innerhalb der planetaren Grenzen noch besser erforscht und wenig beforschte und zukunftsweisende Themen gezielt gestärkt werden. Dabei sollen zusätzliche Kapazitäten für die drei Themen Erdsystemresilienz, maschinelles Lernen sowie Ungleichheit und Wohlergehen aufgebaut werden.
Die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern beschloss inzwischen formell die dafür nötige Erhöhung der dauerhaften staatlichen Grundfinanzierung: Das PIK erhält im Jahr nun 3,8 Millionen Euro zusätzlicher Grundfinanzierung. Die Zahl der Beschäftigten am PIK steigt durch die Erweiterung von 400 auf 480. Manja Schüle, Wissenschaftsministerin von Brandenburg, ist froh über die “Stärkung von Brandenburg als Wissenschaftsstandort”. kul
Eine am Montag aus Anlass des “Stahlgipfels” der Bundesregierung erschienene Studie des Thinktanks Epico Klimainnovation kritisiert den deutschen “Low-emission Steel Standard” (Less). Es bestehe die Gefahr des Greenwashings, denn Less benachteilige die besonders CO₂-arme Stahlproduktion aus Schrott und verschleiere die tatsächlichen CO₂-Emissionen der Herstellung aus neu abgebautem Eisenerz. Die Studie empfiehlt der Europäischen Union, bei der Entwicklung eines Grünstahl-Labels stattdessen eine technologisch neutrale CO₂-Berechnungsmethode anzuwenden. Außerdem sollte ein EU-Standard Umwelt- und Sozialkosten des Eisenerzabbaus berücksichtigen.
Less wurde von der Wirtschaftsvereinigung Stahl und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorangetrieben. Der Thinktank kritisiert, dass Less bei der Berechnung von CO₂-Emissionen eine gleitende Skala zugrunde legt: je höher der Anteil von Stahlschrott, desto strenger sind die Grenzwerte für CO₂-Emissionen, um den Standard zu erfüllen. Im Umkehrschluss gelten für Stahl aus neu gefördertem Eisenerz weniger strenge CO₂-Regelungen. Dadurch werde das Sammeln und Recycling von Stahlschrott im Sinne einer Kreislaufwirtschaft behindert, denn die Verwendung von Primäreisen werde dadurch potenziell billiger als die Wiederverwertung, sagte Studienkoautor Julian Parodi zu Table.Briefings.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl begründet die gleitende Skala mit der begrenzten Verfügbarkeit von Stahlschrott. “Klimaziele können nicht allein über den Mehreinsatz von Schrott erreicht werden”, sagte Martin Theuringer, Geschäftsführer der WV Stahl zu Table.Briefings. Zudem müssten “Anreize zur Dekarbonisierung der Primärstahlroute gesetzt werden”.
Gemeint sind die sehr hohen Investitionskosten für weniger klimaschädliche Verfahren bei der Verarbeitung von Eisenerz zu Stahl. Dafür planen die vier größten Stahlkonzerne in Deutschland, einzelne Hochöfen mit teuren Direktreduktionsanlagen zu ersetzen. Darin kann statt Kokskohle “grüner” Wasserstoff verwendet werden. Stahlschrott wird hingegen in bereits existierenden Elektrolichtbogenöfen wiederverwertet. Die Less-Berechnungsmethode, so Theuringer, ermögliche “die Transformationsherausforderungen in der Stahlproduktion technologieoffen” für beide Produktionswege “in einem einheitlichen Label abzubilden”. av
Greenpeace schlägt eine Steuer auf sehr große Vermögen vor. Zum Konzept gehört auch eine Klimakomponente. Damit würden Hochvermögende zusätzlich belastet, sofern sie ihren ökologischen Fußabdruck nicht senken. Damit erweitert die Umweltorganisation das Milliardärssteuer-Konzept des französischen Ökonomen Gabriel Zucman, den sich die Staatschefs der G20 im November zu eigen gemacht haben. Die am Freitag erscheinende Studie lag Table.Briefings vorab vor.
“Mit einem Strafmalus für klimaschädliche Vermögen würde ein spürbarer Anreiz für grüne Investitionen geschaffen”, schreibt Studien-Coautor Mauricio Vargas. Wer keine Verantwortung für den ökologischen Fußabdruck seiner Anlagen übernehme, werde hingegen “verursachergerecht belastet”. Der ökologische Fußabdruck von Hochvermögenden sei signifikant höher als bei Durchschnittsbürgern. Verantwortlich dafür wären vor allem “Investitionsemissionen” aus Unternehmensbeteiligungen und anderen Vermögenswerten wie Immobilien.
Das Zucman-Konzept sieht eine jährliche Zwei-Prozent-Steuer auf Vermögen ab einer Milliarde US-Dollar vor. Der zusätzliche Klimamalus sollte laut Greenpeace zusätzlich ein halbes Prozent betragen. Im Unterschied zu Zucman will Greenpeace die Steuer schon auf Vermögen ab 100 Millionen Euro erheben. Die deutschen Finanzämter könnten so von 2025 bis 2030 staatliche Einnahmen von rund 200 Milliarden Euro generieren. Das Geld soll nach den Vorstellungen der NGO in Dekarbonisierung und Klimaanpassung investiert werden.
Der Erhebungsaufwand sei gering angesichts der nur etwa 4.700 hochvermögenden Haushalte. Die Berechnung von Investitionsemissionen sei durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) von Unternehmen zunehmend einfacher. Superreiche sollten den Klimamalus durch jährliche Dekarbonisierungsraten verringern können, die sich an den Pariser Klimazielen oder den EU-Klimazielen orientieren. av
Wasserkraftprojekte in Tibet können den jährlichen Energiebedarf in Deutschland decken. Eine neue Studie der International Campaign for Tibet (ICT) dokumentiert 193 Projekte, die bereits in Betrieb sind, sich im Bau befinden oder in der Planung. Bei Fertigstellung können die Anlagen eine Gesamtleitung von 270 Gigawatt produzieren. Das entspricht dem Energieverbrauch in Deutschland des Jahres 2022.
Die Auswirkungen auf Menschen und Natur sind kaum abzusehen. Experten befürchten, dass viele der Projekte trotz drohender Gefahren vollendet werden und massive Schäden der Umwelt verursachen können. Die Wasserkraftprojekte rücken zudem immer näher an die Gletscher des Himalayas, die klimabedingt abschmelzen und Sturzfluten und Erdrutsche auslösen können. Die Region ist auch seismisch stark gefährdet. Zunehmend viele Wasserkraftwerke und deren Staudämme stehen damit auf unsicherem Terrain.
“Das Ausmaß der Wasserkraft- und Staudammprojekte in Tibet ist erschreckend. Die Kommunistische Partei treibt diese Projekte ohne Rücksicht auf Mensch und Natur voran”, sagt ICT-Präsidentin Tencho Gyatso. Die Studie schätzt die Zahl derjenigen, die den Wasserkraftwerken Platz machen und umsiedeln müssen, auf bis zu 1,2 Millionen Menschen. Hunderte Dörfer werden überflutet und mit ihnen versinken auch unschätzbar wertvolle Kulturgüter wie jahrhundertealte Kloster.
“Pekings Missachtung der Rechte des tibetischen Volkes und der Interessen seiner Nachbarn könnte nicht deutlicher sein. China muss seinen Kurs in Tibet ändern, und wirklich effektiven Klimaschutz umsetzen, und nicht länger an der starren Ideologie der KP festhalten”, sagt Gyatso.
Doch nicht nur das Leben der Tibeter ist vom Bau der Wasserkraftwerke betroffen. Die meisten großen Flüsse Süd- und Südostasiens entspringen im tibetischen Hochland. Durch den Bau der Staudämme geraten die Anrainerstaaten in Abhängigkeit der chinesischen Behörden, die künftig die Wassermengen kontrollieren können, die mit den großen Strömen Brahmaputra, Irrawady oder Menkong nach Süden transportiert werden. Entlang der Flüsse leben etwa 1,8 Milliarden Menschen. Diese Abhängigkeit könnte der chinesischen Geostrategie in die Karten spielen. grz
Correctiv: Gas und Öl statt Klimaschutz. Organisationen wie das Institut der deutschen Wirtschaft oder das vom FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gegründete Prometheus Institut arbeiten daran, Gas und Öl in Deutschland wieder salonfähig zu machen. Zum Artikel
Financial Times: Ørsted unter Druck. Das dänische Öl- und Gasunternehmen Ørsted galt einst als Vorreiter in der Ökologisierung der Branche. Aufgrund steigender Kosten sah sich das Unternehmen jedoch gezwungen, bedeutende Projekte aufzugeben oder auszusetzen – sowohl im Bereich Offshore-Wind als auch im Bereich Wasserstoff und grüne Kraftstoffe. Zum Artikel
Scientific American: Warnung vor Kipppunkten. Wissenschaftler warnen, dass durch den Eisverlust in der Antarktis oder das Versiegen des Golfstroms Kipppunkte im Klimasystem der Erde bald erreicht werden, wenn die globalen Temperaturen weiterhin ungebremst steigen. Allerdings besteht weiterhin erhebliche Unsicherheit darüber, wie und wann diese gefährlichen Schwellen überschritten werden könnten. Zum Artikel
Independent: Briten auf Stürme vorbereiten. Klimaexpertin Emma Pinchbeck warnt, dass die britische Regierung besser auf Wettereignisse wie den Sturm Darragh vorbereitet sein müsse. Der Sturm Darragh brachte am Samstag in einigen Teilen des Landes Böen von 150 Kilometer pro Stunde mit sich, und Millionen von Menschen wurden aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Zum Artikel
Taz: Soziologische Waldforschung. Das 2023 gegründete “Netzwerk Soziologische Waldforschung” blickt auf das Verhältnis der Gesellschaft zu den Wäldern. Der Wald ist ein Symbol für die Verbindung der Menschen zur Natur und gleichzeitig ein Sinnbild für die problematische Beziehung zur Natur und den Klimawandel. Zum Artikel
rund 100 Milliarden US-Dollar an Hilfen für die ärmsten Länder – es klingt erst einmal nicht schlecht, was für die Weltbank-Tochter International Development Association (IDA) vergangene Woche an Kapital für die nächsten drei Jahre zusammengekommen ist. Doch wer die Details von globalen Hilfszahlungen und Schuldenkrise kennt, der ist vorsichtig beim Jubeln. Und wir haben mit jemandem gesprochen, der Experte für diese Zusammenhänge ist und deshalb sagt: Den größten Teil der Klimaschutz-Anstrengungen schultern die Armen ganz allein. Achim Steiner, Chef des Entwicklungsprogramms UNDP, liest den G20-Staaten die Leviten. Wie und warum, das lesen Sie bei uns.
Auch anderswo blicken wir hinter die Schlagzeilen: Wo verbergen sich beim neuen Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Ländern in Lateinamerika die Risiken und Chancen für die Klimapolitik? Wie sollte sich die EU zum umstrittenen Thema “Solar Radiation Modification” verhalten? Und wie könnte eine Vermögenssteuer in Deutschland dem Klimaschutz helfen?
Auf alle diese Fragen und noch mehr liefern wir Ihnen Antworten. Und wünschen viel Spaß beim Lesen.
Auch nach der Unterzeichnung des EU-Mercosur-Freihandelsvertrags reißt die Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen an dem Abkommen nicht ab. Sie fürchten, es werde die Klimakrise weiter verschärfen. Dagegen hofft das Bundeswirtschaftsministerium, der Freihandel könne den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft weiter vorantreiben. Die letzten Details sind noch nicht bekannt, aber die Kommission hat angekündigt, den gesamten Vertrag binnen weniger Tage zu veröffentlichen. Bis das Abkommen rechtskräftig ist, kann es noch dauern.
Forschende aus Brasilien warnen derweil: Unter keinen Umständen dürfe der Freihandelsvertrag die Entwaldung im Amazonasgebiet weiter vorantreiben. Entscheidend sei, wie der vorliegende Text nun umgesetzt werde.
Für die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten geht es dabei nicht nur um Freihandel. Angesichts globaler Machtverschiebungen – dem Aufstieg Chinas und dem Bedeutungsverlust der USA, deren Verlässlichkeit zugleich durch die Wahl Donald Trumps zum nächsten Präsidenten sinkt – sucht die EU nach neuen geopolitischen Allianzen. Lateinamerika bietet sich an. “EU-Mercosur spiegelt unsere Werte und unsere Verpflichtung für den Klimaschutz wider”, wirbt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Kritische NGOs hatten sich bis zuletzt gegen den Freihandelsvertrag gewandt. Fast 400 im “Netzwerk gerechter Welthandel” zusammengeschlossene Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Europa und Lateinamerika warnten: Das Abkommen werde “die Entwaldung beschleunigen, die Klimakrise verschärfen und unsere Regionen weiter von Klimagerechtigkeit entfernen”. Sie fürchten vor allem schädliche Folgen für die Ökosysteme des Amazonas, Gran Chaco und Cerrado, die jetzt schon stark unter der Entwaldung leiden.
Audrey Changoe, Koordinatorin für Handels- und Investitionspolitik des europäischen Climate Action Network (CAN Europe), kritisierte die aus ihrer Sicht intransparenten Verhandlungen. Es sei “ein Skandal, dass sich die Kommission bis zur letzten Minute geweigert hat, detaillierte Informationen über die Verhandlungen und Verhandlungsdokumente offenzulegen” – zu einem Abkommen, das rund 750 Millionen Menschen betrifft. Allerdings liegt der Vertrag an sich bereits seit 2019 vor. Seither wurden noch die Ergänzungen zur Nachhaltigkeit eingefügt.
CAN Europe sieht gerade Rindfleisch, Geflügel, Zucker und weitere Agrarprodukte, deren Einfuhren nach Europa durch den Freihandelsvertrag steigen dürften, als die “größten Treiber von Entwaldung, Treibhausgasemissionen und Verlust von Biodiversität”. Die nachträglich eingefügten Umweltbestimmungen wertet die Organisation als Greenwashing. Dabei stützt sie sich auf ein juristisches Gutachten, das im Frühjahr 2023 im Auftrag des Umweltinstituts München erstellt wurde.
Wie der Freihandelsvertrag auf die Umwelt wirkt, werde von seiner Umsetzung abhängen, sagt hingegen Flavia Loss de Araujo, Professorin für Internationale Beziehungen am brasilianischen Instituto Mauá de Tecnología (IMT) zu Table.Briefings. Zwar gingen Studien von “einem erheblichen Anstieg der Kohlenstoffemissionen” aus – doch das gelte nur, wenn man die im Vertragstext beschriebenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen außer Acht lasse.
“Der Text des Abkommens enthält ausreichende Garantien”, findet Loss de Araujo. Werde der Freihandelsvertrag klug implementiert, habe er das Potenzial, “Nachhaltigkeit in beispielloser Weise in den Mittelpunkt von Handelsgesprächen zu stellen” und könne in schwierigen Zeiten zu einem positiven Beispiel für den Multilateralismus werden. Doch um das zu schaffen, brauche es “mehr als Verweise auf internationale Regelungen im Text”, nämlich gemeinsame Arbeit der Vertragsparteien an Umsetzung und Finanzierung.
Ob mit oder ohne Freihandel: Die Entwaldung in Brasilien müsse schnellstmöglich auf null, fordert der brasilianische Klimawissenschaftler Carlos Nobre, der sein Berufsleben der Erforschung des Amazonas gewidmet hat. “Der Amazonas ist kurz davor, zu kippen”, sagt Nobre. “Ich bin sehr besorgt.” Der Forscher lobt die EU-Entwaldungsverordnung als “sehr gut”, und sagt: “Wir müssen auch die USA und China überzeugen, dass sie keine Produkte von entwaldetem Land mehr kaufen”. China ist derzeit der wichtigste Handelspartner Brasiliens.
Das jetzt ausgehandelte Abkommen enthält deutlich schärfere Nachhaltigkeitsverpflichtungen für die Mercosur-Staaten als die Fassung von 2019. Das gilt insbesondere für den Klimaschutz. Die EU-Kommission setzte durch, dass die Achtung des Pariser Abkommens als “essential element” in den Vertrag aufgenommen wird. Sprich: Sollte etwa Argentinien unter Präsident Milei aus dem Paris-Abkommen austreten oder dessen Ziele nicht mehr ernsthaft umsetzen, könnte die EU die Zollvergünstigungen des Mercosur-Abkommens außer Kraft setzen.
Etwas weniger hart sind die Verpflichtungen zum Waldschutz. In der Kommission verweist man darauf, dass sich die Mercosur-Länder nun zum ersten Mal in einem internationalen bindenden Vertrag verpflichtet hätten, bis 2030 die Entwaldung zu stoppen. Bislang gab es dazu nur politische Verpflichtungen, etwa im Rahmen der Glasgow Declaration. Doch die Entwaldungsklausel ist kein “essential element”. Sie kann als Teil des Nachhaltigkeitskapitels nicht mithilfe der Rücknahme der Zollerleichterungen durchgesetzt werden. Ein solcher Sanktionsmechanismus sei für Brasilien und Co nicht akzeptabel gewesen und werde oft als “neuer Imperialismus der Industriestaaten” gesehen, sagt ein EU-Beamter. Stattdessen greift ein spezieller Streitschlichtungsmechanismus, der Verhandlungen im Rahmen eines Expertenpanels vorsieht.
Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass die EU ihre Entwaldungsverordnung gerade um ein Jahr verschoben hat. Sie könnte fast ein Drittel der brasilianischen Exporte in die EU betreffen und war einer der größten Streitpunkte in den Mercosur-Verhandlungen. Brasilien und die anderen Mercosur-Länder kritisierten sie als protektionistische Maßnahme. Und auch unter dem Pariser Klimaschutzabkommen sind die Regeln zum Waldschutz weniger stark, als die EU ursprünglich angestrebt hatte: Vor wenigen Wochen gab sie auf der COP29 in Baku ihren Widerstand gegen laxe Regeln für den Handel mit Emissionsminderungsgutschriften unter Artikel 6 des Pariser Abkommens auf. Solche Gutschriften können unter anderem aus Waldprojekten stammen.
Die Bundesregierung betont, dass Deutschland sich besonders für strenge Klima- und Waldschutzbestimmungen im Freihandelsvertrag eingesetzt habe. Die derzeit hohen Abholzungsraten insbesondere im Amazonasgebiet dürften “durch das Mercosur-Abkommen nicht gesteigert werden”, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Auf den ersten Blick sei im Freihandelsvertrag gerade für den Klimaschutz viel erreicht worden. “Wir schauen uns den Text aber natürlich noch genau an.”
Im Ministerium erhofft man sich von dem Abkommen auch einen leichteren Zugang zu Rohstoffen wie Lithium und Kupfer, die für die Energiewende benötigt werden – und perspektivisch auch zu Wasserstoff. Die Mercosur-Region könnte zudem ein wichtiger Abnehmer für klimafreundliche Technologien aus Deutschland werden.
Die Kommission prüft derzeit, ob sie das Mercosur-Abkommen in einen Handelsteil und einen politischen Teil aufspalten will. Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck drängen darauf, weil die Zustimmungshürden für die Handelserleichterungen dann niedriger wären: Die Handelsfragen sind reine EU-Zuständigkeit (“EU only”) und könnten mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten und mit Zustimmung des Europaparlaments vorläufig in Kraft gesetzt werden. Der politische Teil berührt hingegen auch die Kompetenzen der EU-Staaten und muss deshalb von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden – was oft Jahre dauert.
Die Klauseln zum Schutz des Paris-Abkommens würden aber auch im Fall einer Aufspaltung greifen. “Da gibt es keine Lücke”, versichert ein EU-Beamter. Selbst wenn der Handelsteil zuerst vorläufig angewendet werde: Die Klauseln zum Pariser Klimaschutzabkommen, die im politischen Teil des Abkommens enthalten sind, würden gelten.
Herr Steiner, ist der Beschluss von Baku zu Finanzhilfen von 300 Milliarden US-Dollar für die Entwicklungsländer in 2035 ein Erfolg für diese Länder oder ein “Pflaster auf eine Schusswunde”, wie es eine NGO nannte?
100 Milliarden sind ja der Mindestbetrag. Deshalb war es wichtig, dass es in Baku eine bedeutende Erhöhung der Finanzzusagen gab. Jeder wusste, dass das vor dem Hintergrund der gegenwärtigen finanziellen wie politischen Turbulenzen schwierig werden würde. Die Entwicklungsländer haben mit Bezug auf internationale Studien eine Summe von 1,3 Billionen Dollar gefordert, es war aber auch klar, dass diese Summe nicht allein aus öffentlichen Mitteln kommen kann. Am Ende war die Dynamik bei den Verhandlungen zu sehr von den weit auseinanderliegenden Erwartungen geprägt. Trotzdem sind 300 Milliarden ein wichtiger nächster Schritt.
Entscheiden diese 300 Milliarden über den Kurs im globalen Klimaschutz?
Das ist eine Wegmarke, an der niemand vorbeikommt. Sollten wir im kommenden Jahr nicht weiterkommen, kann das schnell dazu führen, dass Länder weniger ambitionierte Ziele in ihren nationalen Plänen vorsehen. Wichtig wird auch, wie sich das weltweit auf die Energiemärkte und Investitionen auswirkt. Was im Weißen Haus mit einem Präsidenten Trump passiert, schafft weiter Unsicherheit. Aber der Rest der Welt hat in Baku noch einmal bekräftigt, gemeinsam voranzugehen. Und da geht es deutlich in Richtung Erneuerbare und weg von den fossilen Investitionen. Das Pariser Abkommen lebt. Und nicht zu vergessen: In Baku gab es Entscheidungen über die Kohlenstoffmärkte nach Artikel 6 des Pariser Abkommens. Auch das hat das Potenzial für mehr Finanzierung, aus Sicht der Entwicklungsländer.
Bis zur nächsten COP soll es zur Finanzierung eine “Road to Belem” geben. Was erwarten Sie davon?
Zu den 300 Milliarden muss es klare Zusagen von Staaten oder Finanzierungsmöglichkeiten geben. Die abstrakte Summe wird nicht ausreichen, vor allem, weil schon das alte Versprechen mit den 100 Milliarden aus Sicht der Entwicklungsländer nicht eingehalten wurde. Die 300 Milliarden sind erst einmal eine sehr hohe Zahl. Was aber in der westlichen Öffentlichkeit oft übersehen wird: Die Entwicklungsländer finanzieren bereits einen beträchtlichen Anteil ihrer Klimapolitik selbst. Sie zahlen schon jetzt ein Vielfaches der 300 Milliarden für eigene Klimamaßnahmen. Das sind hunderte von Milliarden Dollar, die diese Länder aus ihren eigenen öffentlichen und privaten Mitteln aufbringen. Die Gelder aus den Industrieländern müssen vor allem für die ärmeren Entwicklungsländer dazukommen, aber das sind ja Investitionen, die uns allen zugutekommen. Wir müssen endlich rauskommen aus der verzerrten Wahrnehmung seitens der Industrieländer, dass sie die einzigen sind, die Klimapolitik finanzieren.
Schon seit Jahren leiden die ärmsten Länder unter einer Schuldenkrise, die auch Klimainvestitionen verhindert. Hat sich daran etwas geändert?
Im Prinzip Nein. Die Verschuldungsproblematik ist eher noch ernster geworden. Die G20 haben sich bislang geweigert, dieses Problem konsequent anzugehen, weil sie andere Prioritäten haben. Aus Sicht vieler G20-Staaten ist die Verschuldungskrise in den ärmsten Länder keine akute Bedrohung für die Stabilität der globalen Finanzmärkte. Angesichts ihrer eigenen Haushaltslage und dem politischen Druck zuhause wird das Problem an den Rand geschoben. Einziger Lichtblick sind die Entwicklungsbanken, die zur Zeit ihre Kreditvergabe für Klimaprogramme in Entwicklungsländern aufstocken. Aber auch das hilft den ärmsten Ländern nur bedingt, weil es letztlich noch mehr Schulden bedeutet.
Weltbank und IWF haben gerade Entwarnung gegeben: Die Weltwirtschaft werde ein “soft landing” hinlegen, hieß es, also ein sanftes Ende der Krisen.
Für manche Länder mag das zutreffen. Aber für 50 Entwicklungsländer ist das Gegenteil Realität. Sie zahlen inzwischen zehn Prozent oder mehr ihres Budgets nur für Zinstilgung. Sie gehen nur deswegen nicht pleite, weil sie die Gelder in ihren Haushalten, die eigentlich für Gesundheit und Bildung vorgesehen sind, für den Schuldendienst ausgeben. Und diese Länder können auch nicht in dringend nötige Vorsorge oder Infrastruktur investieren, die mit den Klimaproblemen einhergehen. Von einem “soft landing” sind diese Ärmsten der Armen weit entfernt.
Unter den jetzt versprochenen 300 Milliarden US-Dollar im Jahr werden viele Kredite sein. Werden sie dieses Problem nicht noch verschärfen?
Das muss man differenziert sehen. Eine ganze Reihe von Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen können es sich leisten, dieses Geld durch Kredite zu finanzieren. Ihnen helfen diese günstigen Kredite durchaus. Die größten Volkswirtschaften wie China und Indien finanzieren die Erneuerbaren-Infrastruktur, die bei ihnen entsteht, ohnehin aus ihrem eigenen Haushalt und auf ihren eigenen Finanzmärkten. Aber für die ärmsten Entwicklungsländer, also auch die etwa 50, die am Rand des Staatsbankrotts balancieren, kann in der Tat ein Finanzierungssystem über Kredite und Anleihen die Verschuldung verschlimmern.
Was muss sich in den Ländern des Globalen Südens verändern, damit diese Hilfe effektiv ankommen?
Wir sollten erst einmal anerkennen, dass viele Entwicklungsländer in diesem Bereich vorangehen. Die Vorreiter im Klimaschutz sind nicht mehr Deutschland, Europa oder die anderen sogenannten Industrieländer. Die Länder, die heute führend bei Erneuerbaren sind, sind immer häufiger Schwellen- und Entwicklungsländer. China hat ein Riesenprogramm für Erneuerbare, Indien will in den nächsten Jahren 300 Gigawatt Solarenergie aufbauen, das ist mehr als die gesamte deutsche Kapazität von etwa 250 Gigawatt. Das ist eine ungeheuer große Leistung. Länder wie Kenia und Uruguay sind inzwischen bei 80 oder 90 Prozent erneuerbarer Stromversorgung. Ganz Lateinamerika produziert zusammengenommen 60 Prozent seines Strombedarfs mit sauberen Energiequellen.
In anderen Ländern, etwa in Afrika, kommen dagegen sehr wenig Investitionen an.
Ja, und das muss sich dringend ändern. Dafür gibt es strukturelle Gründe (kleine Volkswirtschaften, fehlende Rahmenbedingungen und Investitionsanreize) aber auch mangelnde Bereitschaft seitens Investoren und Finanzmärkten, in Afrika zu investieren. Kenia, das in den letzten Jahren seine Kapazitäten zur Erzeugung von grünem Strom verdreifacht hat, bleibt hier eine Ausnahme. Manchmal stecken in diesen Staaten die Ordnungspolitik zu Energiefragen oder die Regeln für die Strommärkte auch noch in den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts fest. Und dann fehlt es oft an einer Vernetzung der Stromnetze über Ländergrenzen hinweg, um ein erneuerbares System stabil und rentabel zu machen. Da sind auch wir als UNDP stark engagiert, indem wir Angebote poolen, um kritische Größen zu erreichen, Investitionen weniger risikoreich zu machen und echte oder wahrgenommene Risiken für Investoren abzubauen. Derzeit fließen nur zwei Prozent der Investitionen in Erneuerbare in afrikanische Länder. So kann es nicht weitergehen: Wir zwingen Afrika, sich an die Kohlenstoffwirtschaft zu verkaufen.
In Baku wurde auch der Anfang gemacht, dass die Geberbasis für die Klimafinanzierung über die traditionellen Industrieländer hinaus erweitert wird. Wird das die Debatte verändern, etwa weil China ein großer Gläubiger der Entwicklungsländer ist?
Wir können die nächsten Jahre damit verbringen, uns gegenseitig zu kritisieren: Industrie- gegen Entwicklungsländer, der Westen gegen China, China gegen den Westen. Das bringt uns aber nicht weiter. De facto hat sich die Geberbasis schon verändert. Wenn sich Chinas Zahlen bestätigen, hat das Land mehr als 40 Milliarden Dollar für Klimapolitik und Energiewende in Entwicklungsländern investiert. Das würde bestätigen, was viele Entwicklungsländer sagen. Ich habe vor einigen Jahren in Äthiopien eine Windfarm besucht, die in chinesischer Kooperation entstanden ist, das war vergleichbar mit Projekten aus den Industrieländern. Aber auch die Staaten der Golfregion stellen Millionen und Milliarden an Investitionen in Aussicht. Wir sollten also eher schauen, wie wir diese Finanzierungsströme als Klimahilfen anerkennen, obwohl sie nicht durch das gleiche Muster wie bisher berechnet laufen. So kommen wir dem Gesamtrahmen von 2,4 Billionen Dollar jährlicher Investitionen auch näher, um in die Nähe des Klimaziels von 1,5 Grad zu kommen.
Aber gerade in dieser kritischen Phase fallen wohl die USA als größter Verschmutzer und potenzieller Finanzier aus.
Meine Erwartung ist: China, Indien und die Golfstaaten werden sich schon aus kommerziellem Interesse viel stärker bei der Energiewende in den Entwicklungsländern engagieren. Aber es wäre fatal, wenn sich die Industrieländer jetzt zurückziehen. Und genau das müssen wir im Moment befürchten: Wenn die USA sich weigern, ihre Co-Finanzierung mitzutragen, geht das genau in die falsche Richtung. Die OECD-Länder müssen schnell klären: Wo sollen die 300 Milliarden verlässlich herkommen? Das wird eine Voraussetzung dafür, dass bei der COP30 in Belem mit neuen NDCs wieder die Art von Ambition zurückkommt, die wir für die Erreichung der Klimaziele brauchen. Aber diese Chance gibt es nur, wenn wir sie nicht mit theoretischen Zahlen und rückwärtsgewandten Trends vergeuden.
Achim Steiner, Jahrgang 1961, ist der derzeit ranghöchste deutsche UN-Beamte. Der deutsch-brasilianische Politiker ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und seit 2017 Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Bis 2016 leitete er das UN-Umweltprogramm UNEP.
Stellen Sie sich Zehntausende von Hightech-Segelschiffen vor, die auf den Weltmeeren unterwegs sind und die Kraft des Windes in grünen, sauberen Wasserstoff umwandeln. Das ist der Traum von Ben Medland, einem britischen Ingenieur. Er hat früher bei BAE Systems und Accenture gearbeitet und danach das Unternehmen Drift Energy gegründet, um genau solche Segelschiffe zu bauen.
“Unsere Vision ist eine Flottille auf jedem Ozean, die in der Lage ist, bis zum Jahr 2050 eine Gigatonne an CO₂ zu reduzieren”, sagte er zu Table.Briefings. Die Treibhausgas-Einsparungen ergeben sich aus der Substitution fossiler Brennstoffe durch Wasserstoff, beispielsweise im Hafenbetrieb, in der weltweiten Flotte von Containerschiffen und in Küstenstädten und -gemeinden, insbesondere auf kleinen Inseln und in Entwicklungsländern. Die Schiffe sollen den Wasserstoff an Bord speichern und, wenn sie voll beladen sind, Häfen versorgen oder große Schiffe auf See betanken können.
Die Technologie funktioniert so, dass Windkraft eine propellerähnliche Turbine antreibt und mithilfe des so erzeugten Stroms Meerwasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Sie wurde bereits mit einem Katamaran im Hafen von Plymouth an der Südküste Englands getestet. Medland sagt aber, der eigentliche Durchbruch sei der digitale Algorithmus, der das Schiff anweise, an Orte mit starken Windgeschwindigkeiten zu segeln und dann die Wasserstoff-Ernte genau dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird.
Risikokapitalgeber unter der Führung der europäischen Risikokapitalgesellschaft Octopus Ventures haben Drift Energy gerade 4,65 Millionen britische Pfund zugesagt, um die Erfindung weiterzuentwickeln. Der nächste Schritt besteht darin, das Design zunächst auf ein Schiff mit ein bis zwei Megawatt zu skalieren. Das soll bis spätestens 2027 geschehen. Dann sollen noch größere Schiffe gebaut werden, um die Ziele des Unternehmens zu erreichen.
Medland, dessen Firma ihren Sitz im englischen Bath hat, sagt, die Technologie von Drift Energy ziele nicht darauf ab, konventionelle erneuerbare Energien wie Offshore-Windturbinen oder Solarenergie zu ersetzen. “Drift arbeitet am Rande der Energiewende und kümmert sich um schwer zu reduzierende Sektoren wie die Schifffahrt und schwer zugängliche Orte wie abgelegene Küstengemeinden und Inseln”, sagte er. Er betont aber auch die Vorteile, die darin bestehen, nicht auf Netzanschlüsse warten zu müssen und in Bewegung zu bleiben, anstatt eine statische erneuerbare Energiequelle zu sein.
Zu den Unterstützern von Drift Energy gehören der America’s-Cup-Yachtdesigner Daniel Bernasconi und der Blue Action Accelerator, der die nachhaltige Entwicklung von Küstengemeinden unterstützt. Madadh MacLaine, Generalsekretärin der Zero Emissions Ship Technology Association in Großbritannien – ein Verband, der sich zum Ziel gesetzt hat, die rasche und breite Einführung der emissionsfreien Schiffstechnologie zu fördern -, sagte Table.Briefings: “Die gesamte Energie, die die Seeschifffahrt benötigt, befindet sich auf See. Für unseren Verband ist die Lösung von Drift Energy der Schlüssel zur Eliminierung der Treibhausgasemissionen in der Schifffahrt, ohne mit den Anforderungen an saubere Energie auf der Erde in Konflikt zu geraten.”
Um 100 Milliarden US-Dollar wollen die Geberländer den Weltbankfonds für die ärmsten Länder aufstocken. Mit der Rekordsumme für die dreijährige Wiederauffüllung des Fonds wird eine wichtige Unterstützung im Kampf gegen Schulden, Klimakatastrophen, Inflation und Konflikte im Globalen Süden geschaffen. Die Weltbank gab dies am Freitag in Seoul auf einer Geberkonferenz für die International Development Association (IDA) bekannt, die 78 Ländern mit niedrigem Einkommen Zuschüsse und sehr zinsgünstige Darlehen gewährt. Bei der letzten Aufstockung der IDA im Dezember 2021 wurden noch 93 Milliarden Dollar bereitgestellt.
Die Länder werden 23,7 Milliarden US-Dollar direkt in die IDA einzahlen, was gegenüber den 2021 zugesagten 23,5 Milliarden nur eine geringfügige Erhöhung bedeutet. Der Fonds wird jedoch Anleihen ausgeben und andere finanzielle Hebel einsetzen, um die angestrebten 100 Milliarden an Zuschüssen und Darlehen bis Mitte 2028 zu erreichen. Auf der zweitägigen Geberkonferenz wurde das von den afrikanischen Staatsoberhäuptern geforderte Ziel von 120 Milliarden Dollar nicht erreicht.
Bereits beim G20-Gipfel in Brasilien im November erhöhte Norwegen seine Zusage ab 2021 um 50 Prozent auf 5,024 Milliarden norwegische Kronen (rund 430 Millionen Euro). Südkorea erhöhte seine Zusage um 45 Prozent auf 846 Milliarden Won (560 Millionen Euro), Großbritannien um 40 Prozent auf 1,8 Milliarden britische Pfund (2,2 Milliarden Euro) und Spanien um 37 Prozent auf 400 Millionen Euro. US-Präsident Joe Biden sagte einen Beitrag von vier Milliarden US-Dollar zu (3,8 Milliarden Euro), gegenüber 3,5 Milliarden in der vorherigen Runde.
Die Weltbank gab die Beträge der anderen Zusagen nicht sofort bekannt, teilte aber mit, dass 17 Geberländer eine Erhöhung ihrer Beiträge um mehr als 25 Prozent zugesagt hätten, wobei zehn Länder eine Erhöhung um 40 Prozent oder mehr angegeben hätten. “Während einige Geber einige sehr wichtige Erhöhungen vorgenommen haben, haben viele der traditionell großen IDA-Geber dies nicht getan”, sagte Clemence Landers, Senior Policy Fellow am Center for Global Development, einem Thinktank in Washington. “Dies ist ein Zeichen der Zeit: Für viele Regierungen sind globale Armutsfragen im eigenen Land oft schwer zu verkaufen.”
Der Präsident der Weltbank, Ajay Banga, sagte in einer Erklärung, dass die IDA in der Lage sein wird, die neuen Zusagen weiter zu strecken. In den letzten zwei Jahren habe die IDA an der Optimierung der Bilanz des Entwicklungsfinanzierers gearbeitet und ihre Kreditvergabekapazität über einen Zeitraum von zehn Jahren um etwa 150 Milliarden US-Dollar erhöht. Die Fähigkeit der Bank zur Hebelung der Beiträge wird “bescheidene Beiträge in lebensverändernde Investitionen” verwandeln, so Banga in einem offenen Brief an die Aktionäre und Kundenländer.
Etwa 35 Länder sind mittlerweile zu Gebern aufgestiegen, darunter China, Südkorea, Chile, Jordanien und die Türkei. Banga sagte, die Mittel würden es der Bank ermöglichen, die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen, auch wenn sie sich mit dem Klimawandel und anderen globalen Krisen befasse. “In diesem Zusammenhang ist die IDA nicht nur ein Finanzinstrument, sondern auch ein Katalysator für die Schaffung von Arbeitsplätzen”, sagte Banga. “Sie stellt den Ländern die Mittel zur Verfügung, um die Infrastruktur aufzubauen, die Bildungs- und Gesundheitssysteme zu verbessern und das Wachstum des Privatsektors zu fördern.” rtr
Die Zunahme von hitzebedingten Todesfällen durch den Klimawandel könnte Menschen unter 35 Jahren überproportional stark treffen. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Anzahl der Hitzetoten in dieser Altersgruppe um 35 Prozent zunehmen, wenn die Treibhausgasemissionen nicht stark zurückgehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die im Fachmagazin Sciences Advances veröffentlicht wurde.
Für die Studie wurden Daten aus Mexiko ausgewertet und modelliert. Dafür wurden sogenannte “Wet-Bulb”-Temperaturen einbezogen, das ist eine Messung, bei der die Luftfeuchtigkeit berücksichtigt wird, um den Grad der Hitzebelastung für Menschen zu ermitteln.
Die bisherige Forschung war davon ausgegangen, dass vor allem ältere Menschen anfällig für Hitze sind. Auf die Frage, warum das Risiko gerade für junge Menschen steigt, gibt es noch keine eindeutige Antwort, berichtet der Guardian. Wahrscheinlich sei, dass es unterschiedliche Gründe gebe. Beispielsweise physiologische Faktoren, wie die Tatsache, dass Babys nicht schwitzen können oder berufliche Risiken, wie der Umstand, dass junge Menschen häufiger in der Landwirtschaft oder auf dem Bau im Freien arbeiten. kul
Wissenschaftler warnen vor gravierenden ökologischen, sozialen und geopolitischen Risiken von Sonnenstrahlungsmodifikation (Solar Radiation Modification/SRM). Die Group of Chief Scientific Advisors (GCSA), das zentrale wissenschaftliche Beratungsgremium der EU-Kommission, veröffentlichte am Montag einen Bericht zur Bewertung von SRM inklusive Politikempfehlungen. SRM bekämpfe die Symptome statt der Ursachen des Klimawandels, schreiben sie. Die Technologie würde die Erwärmung bestenfalls vorübergehend und auf lokaler Ebene verringern, während die Treibhausgaskonzentrationen und die Versauerung der Ozeane weiter zunehmen.
Durch SRM soll durch gezielte Reflexion von Sonnenlicht – beispielsweise durch Injektion stratosphärischer Aerosole, Wolkenaufhellung und -ausdünnung oder Weltraumspiegel – die globale Erwärmung temporär reduziert werden. Die Technologie ist jedoch hochumstritten.
Die EU-Experten empfehlen, SRM-Einsätze vorerst zu verbieten und stattdessen proaktiv internationale Regulierungen voranzutreiben. Eine verantwortungsvolle Forschung solle mögliche Auswirkungen und ethische Fragen in regelmäßigen Abständen umfassend beleuchten, ohne andere Klimaschutzmaßnahmen zu verdrängen. Der Bericht könne dazu beitragen, “dringend benötigte transparente und verantwortliche Forschung” zu gewährleisten, kommentiert Matthias Honegger, Direktor für Klimainterventionen beim Centre for Future Generations.
Umweltorganisationen sehen SRM als Ablenkung von dringend notwendigen Emissionsreduktionen und fürchten die Legitimation von Geo-Engineering, sollte über einen internationalen Regulierungsrahmen verhandelt werden. Die EU solle sich stattdessen gemeinsam mit Regierungen aus Afrika und dem Pazifikraum für eine klare und robuste internationale Nichtnutzungsvereinbarung einsetzen, fordert Linda Schneider, Referentin für Internationale Klima- und Energiepolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung. luk
Anfang 2025 wird das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) ins Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) integriert. Damit wird das PIK im Rahmen eines “Sondertatbestands” strategisch erweitert. In Zukunft sollen so am PIK dann Gemeingüter innerhalb der planetaren Grenzen noch besser erforscht und wenig beforschte und zukunftsweisende Themen gezielt gestärkt werden. Dabei sollen zusätzliche Kapazitäten für die drei Themen Erdsystemresilienz, maschinelles Lernen sowie Ungleichheit und Wohlergehen aufgebaut werden.
Die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern beschloss inzwischen formell die dafür nötige Erhöhung der dauerhaften staatlichen Grundfinanzierung: Das PIK erhält im Jahr nun 3,8 Millionen Euro zusätzlicher Grundfinanzierung. Die Zahl der Beschäftigten am PIK steigt durch die Erweiterung von 400 auf 480. Manja Schüle, Wissenschaftsministerin von Brandenburg, ist froh über die “Stärkung von Brandenburg als Wissenschaftsstandort”. kul
Eine am Montag aus Anlass des “Stahlgipfels” der Bundesregierung erschienene Studie des Thinktanks Epico Klimainnovation kritisiert den deutschen “Low-emission Steel Standard” (Less). Es bestehe die Gefahr des Greenwashings, denn Less benachteilige die besonders CO₂-arme Stahlproduktion aus Schrott und verschleiere die tatsächlichen CO₂-Emissionen der Herstellung aus neu abgebautem Eisenerz. Die Studie empfiehlt der Europäischen Union, bei der Entwicklung eines Grünstahl-Labels stattdessen eine technologisch neutrale CO₂-Berechnungsmethode anzuwenden. Außerdem sollte ein EU-Standard Umwelt- und Sozialkosten des Eisenerzabbaus berücksichtigen.
Less wurde von der Wirtschaftsvereinigung Stahl und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorangetrieben. Der Thinktank kritisiert, dass Less bei der Berechnung von CO₂-Emissionen eine gleitende Skala zugrunde legt: je höher der Anteil von Stahlschrott, desto strenger sind die Grenzwerte für CO₂-Emissionen, um den Standard zu erfüllen. Im Umkehrschluss gelten für Stahl aus neu gefördertem Eisenerz weniger strenge CO₂-Regelungen. Dadurch werde das Sammeln und Recycling von Stahlschrott im Sinne einer Kreislaufwirtschaft behindert, denn die Verwendung von Primäreisen werde dadurch potenziell billiger als die Wiederverwertung, sagte Studienkoautor Julian Parodi zu Table.Briefings.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl begründet die gleitende Skala mit der begrenzten Verfügbarkeit von Stahlschrott. “Klimaziele können nicht allein über den Mehreinsatz von Schrott erreicht werden”, sagte Martin Theuringer, Geschäftsführer der WV Stahl zu Table.Briefings. Zudem müssten “Anreize zur Dekarbonisierung der Primärstahlroute gesetzt werden”.
Gemeint sind die sehr hohen Investitionskosten für weniger klimaschädliche Verfahren bei der Verarbeitung von Eisenerz zu Stahl. Dafür planen die vier größten Stahlkonzerne in Deutschland, einzelne Hochöfen mit teuren Direktreduktionsanlagen zu ersetzen. Darin kann statt Kokskohle “grüner” Wasserstoff verwendet werden. Stahlschrott wird hingegen in bereits existierenden Elektrolichtbogenöfen wiederverwertet. Die Less-Berechnungsmethode, so Theuringer, ermögliche “die Transformationsherausforderungen in der Stahlproduktion technologieoffen” für beide Produktionswege “in einem einheitlichen Label abzubilden”. av
Greenpeace schlägt eine Steuer auf sehr große Vermögen vor. Zum Konzept gehört auch eine Klimakomponente. Damit würden Hochvermögende zusätzlich belastet, sofern sie ihren ökologischen Fußabdruck nicht senken. Damit erweitert die Umweltorganisation das Milliardärssteuer-Konzept des französischen Ökonomen Gabriel Zucman, den sich die Staatschefs der G20 im November zu eigen gemacht haben. Die am Freitag erscheinende Studie lag Table.Briefings vorab vor.
“Mit einem Strafmalus für klimaschädliche Vermögen würde ein spürbarer Anreiz für grüne Investitionen geschaffen”, schreibt Studien-Coautor Mauricio Vargas. Wer keine Verantwortung für den ökologischen Fußabdruck seiner Anlagen übernehme, werde hingegen “verursachergerecht belastet”. Der ökologische Fußabdruck von Hochvermögenden sei signifikant höher als bei Durchschnittsbürgern. Verantwortlich dafür wären vor allem “Investitionsemissionen” aus Unternehmensbeteiligungen und anderen Vermögenswerten wie Immobilien.
Das Zucman-Konzept sieht eine jährliche Zwei-Prozent-Steuer auf Vermögen ab einer Milliarde US-Dollar vor. Der zusätzliche Klimamalus sollte laut Greenpeace zusätzlich ein halbes Prozent betragen. Im Unterschied zu Zucman will Greenpeace die Steuer schon auf Vermögen ab 100 Millionen Euro erheben. Die deutschen Finanzämter könnten so von 2025 bis 2030 staatliche Einnahmen von rund 200 Milliarden Euro generieren. Das Geld soll nach den Vorstellungen der NGO in Dekarbonisierung und Klimaanpassung investiert werden.
Der Erhebungsaufwand sei gering angesichts der nur etwa 4.700 hochvermögenden Haushalte. Die Berechnung von Investitionsemissionen sei durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) von Unternehmen zunehmend einfacher. Superreiche sollten den Klimamalus durch jährliche Dekarbonisierungsraten verringern können, die sich an den Pariser Klimazielen oder den EU-Klimazielen orientieren. av
Wasserkraftprojekte in Tibet können den jährlichen Energiebedarf in Deutschland decken. Eine neue Studie der International Campaign for Tibet (ICT) dokumentiert 193 Projekte, die bereits in Betrieb sind, sich im Bau befinden oder in der Planung. Bei Fertigstellung können die Anlagen eine Gesamtleitung von 270 Gigawatt produzieren. Das entspricht dem Energieverbrauch in Deutschland des Jahres 2022.
Die Auswirkungen auf Menschen und Natur sind kaum abzusehen. Experten befürchten, dass viele der Projekte trotz drohender Gefahren vollendet werden und massive Schäden der Umwelt verursachen können. Die Wasserkraftprojekte rücken zudem immer näher an die Gletscher des Himalayas, die klimabedingt abschmelzen und Sturzfluten und Erdrutsche auslösen können. Die Region ist auch seismisch stark gefährdet. Zunehmend viele Wasserkraftwerke und deren Staudämme stehen damit auf unsicherem Terrain.
“Das Ausmaß der Wasserkraft- und Staudammprojekte in Tibet ist erschreckend. Die Kommunistische Partei treibt diese Projekte ohne Rücksicht auf Mensch und Natur voran”, sagt ICT-Präsidentin Tencho Gyatso. Die Studie schätzt die Zahl derjenigen, die den Wasserkraftwerken Platz machen und umsiedeln müssen, auf bis zu 1,2 Millionen Menschen. Hunderte Dörfer werden überflutet und mit ihnen versinken auch unschätzbar wertvolle Kulturgüter wie jahrhundertealte Kloster.
“Pekings Missachtung der Rechte des tibetischen Volkes und der Interessen seiner Nachbarn könnte nicht deutlicher sein. China muss seinen Kurs in Tibet ändern, und wirklich effektiven Klimaschutz umsetzen, und nicht länger an der starren Ideologie der KP festhalten”, sagt Gyatso.
Doch nicht nur das Leben der Tibeter ist vom Bau der Wasserkraftwerke betroffen. Die meisten großen Flüsse Süd- und Südostasiens entspringen im tibetischen Hochland. Durch den Bau der Staudämme geraten die Anrainerstaaten in Abhängigkeit der chinesischen Behörden, die künftig die Wassermengen kontrollieren können, die mit den großen Strömen Brahmaputra, Irrawady oder Menkong nach Süden transportiert werden. Entlang der Flüsse leben etwa 1,8 Milliarden Menschen. Diese Abhängigkeit könnte der chinesischen Geostrategie in die Karten spielen. grz
Correctiv: Gas und Öl statt Klimaschutz. Organisationen wie das Institut der deutschen Wirtschaft oder das vom FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gegründete Prometheus Institut arbeiten daran, Gas und Öl in Deutschland wieder salonfähig zu machen. Zum Artikel
Financial Times: Ørsted unter Druck. Das dänische Öl- und Gasunternehmen Ørsted galt einst als Vorreiter in der Ökologisierung der Branche. Aufgrund steigender Kosten sah sich das Unternehmen jedoch gezwungen, bedeutende Projekte aufzugeben oder auszusetzen – sowohl im Bereich Offshore-Wind als auch im Bereich Wasserstoff und grüne Kraftstoffe. Zum Artikel
Scientific American: Warnung vor Kipppunkten. Wissenschaftler warnen, dass durch den Eisverlust in der Antarktis oder das Versiegen des Golfstroms Kipppunkte im Klimasystem der Erde bald erreicht werden, wenn die globalen Temperaturen weiterhin ungebremst steigen. Allerdings besteht weiterhin erhebliche Unsicherheit darüber, wie und wann diese gefährlichen Schwellen überschritten werden könnten. Zum Artikel
Independent: Briten auf Stürme vorbereiten. Klimaexpertin Emma Pinchbeck warnt, dass die britische Regierung besser auf Wettereignisse wie den Sturm Darragh vorbereitet sein müsse. Der Sturm Darragh brachte am Samstag in einigen Teilen des Landes Böen von 150 Kilometer pro Stunde mit sich, und Millionen von Menschen wurden aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Zum Artikel
Taz: Soziologische Waldforschung. Das 2023 gegründete “Netzwerk Soziologische Waldforschung” blickt auf das Verhältnis der Gesellschaft zu den Wäldern. Der Wald ist ein Symbol für die Verbindung der Menschen zur Natur und gleichzeitig ein Sinnbild für die problematische Beziehung zur Natur und den Klimawandel. Zum Artikel