Table.Briefing: Climate

Menschenrecht auf Klimaschutz? + Ökostrom: China kämpft um Klimaziele + Petersberg: Programm und Gäste

Liebe Leserin, lieber Leser,

“Gibt es ein Recht auf Klimaschutz?” – Weltweit gibt es zumindest immer mehr Klimaklagen, mit denen dafür gekämpft wird. Bisher betreffen besonders viele davon die USA, aber auch in Europa werden die Klagen häufiger. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg fällt dazu am heutigen Dienstag in gleich drei von ihnen wichtige Entscheidungen. Alexandra Endres erklärt für Sie, was auf dem Spiel steht und welche Auswirkungen die Urteile für Deutschland haben könnten.

Den nächsten Ansatz für Klimaklagen könnte dann direkt der Corporate Climate Responsibility Monitor liefern. Dessen neueste Ergebnisse zeigen, dass viele große Unternehmen in Sachen Klimaschutz noch immer nicht genug tun. Einige haben sogar Klimaziele wieder zurückgenommen.

Bei uns lesen Sie außerdem, wie China energieintensive Unternehmen dazu bringen möchte, mehr Erneuerbare nachzufragen. Und wir berichten Ihnen, was am Ende des Monats beim Petersberger Klimadialog auf dem Programm steht.

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Lisa Kuner
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Analyse

Recht auf besseren Klimaschutz? Darum geht es vor dem Gerichtshof für Menschenrechte

Recht auf Klimaschutz: Portugiesische Jugendliche klagen gegen ganz Europa.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird am Dienstag, 9. April, gleich über drei Klimaklagen befinden. Das Ergebnis der Verfahren könnte auch die deutsche Klimapolitik beeinflussen – obwohl die zugrundeliegenden Beschwerden aus Portugal, Frankreich und der Schweiz eingereicht wurden.

Das chronisch überlastete Gericht behandelt die Fälle mit Priorität. Dies deutet darauf hin, dass es Klimaschutzfragen eine besondere Relevanz zumisst. Ob und wie weit es den Argumenten der Kläger folgt, wird sich am Dienstag ab 10:30 Uhr zeigen. Dann verkündet die Große Kammer des EGMR in einer öffentlichen Anhörung ihre Entscheidung. Das Gericht stellt die Urteilsverkündung später als Video auf seine Webseite.

Portugiesische Jugendliche gegen ganz Europa

Die wohl ungewöhnlichste Beschwerde haben portugiesische Jugendliche und junge Erwachsene im September 2020 eingereicht. Sie fordern, der EGMR solle sämtliche Mitgliedsstaaten des Europarats zu einer ehrgeizigeren Klimapolitik verpflichten. Seit dem Ausschluss Russlands im März 2022 wegen des Angriffs auf die Ukraine blieben 32 Länder übrig.

Üblicherweise können Bürgerinnen und Bürger vor dem EGMR ihre Grundrechte von dem Staat einfordern, in dem sie leben. Nur wenn er sie ihnen versagt, steht ihnen der Weg zum EGMR offen. Doch die jungen Kläger argumentieren, alle Mitgliedsstaaten des Europarats gemeinsam seien verantwortlich für die Auswirkungen der Klimakrise. Dabei stützen sie sich auf Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Recht auf Leben garantiert, Artikel 8 (Recht auf ein Privat- und Familienleben) und Artikel 14 (Diskriminierungsverbot). Sie sehen ihre Gesundheit durch die Auswirkungen des Klimawandels – beispielsweise extreme Hitze – gefährdet, und zwar stärker als die Gesundheit älterer Menschen, die in aller Regel nicht mehr so lange leben wie sie.

Bedeutung für Deutschland

Weil sie den innerstaatlichen Rechtsweg – den sie in 32 Ländern hätten gehen müssen – nicht ausgeschöpft haben, scheinen ihre Erfolgsaussichten gering. “Auf Basis seiner bisherigen Rechtsprechung muss man damit rechnen, dass der EGMR die Zulässigkeit der portugiesischen Klimabeschwerde wegen der fehlenden Erschöpfung des nationalen Rechtswegs, also der vorherigen Anrufung nationaler Rechte, verneint“, sagt Christian Calliess, Umwelt- und Europarechtsexperte an der FU Berlin. Er will aber nicht ausschließen, dass auch der EGMR “innovative Wege geht” – so wie das Bundesverfassungsgericht in seinem überraschenden Klima-Urteil vor drei Jahren.

Gäbe das Gericht den portugiesischen Jugendlichen recht, wäre auch Deutschland verpflichtet, das Urteil umzusetzen. Es könnte “dazu führen, dass Deutschland seine Klimaschutzmaßnahmen verstärken muss”, sagt Sam Hunter Jones, Anwalt der Umweltrechtsorganisation Client Earth, die juristisch für mehr Klimaschutz arbeitet.

Die Hürden vor dem EGMR

Grundsätzlich müssen Klagen vor dem EGMR mehrere Hürden nehmen: Für die Zulässigkeit muss der heimische Rechtsweg ausgeschöpft sein. Dann müssen Beschwerdeführenden das Gericht davon überzeugen, dass Auswirkungen des mangelhaften Klimaschutzes sie persönlich betreffen – daran scheitern sehr viele Klagen.

Erst wenn die Beschwerden zulässig sind, prüft der EGMR inhaltlich: Hat der beklagte Staat seine Schutzpflichten gegenüber seinen Bürgern verletzt? Das sei sehr schwer zu belegen, sagt Calliess. “Die meisten Staaten haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und verfolgen irgendeine Art von Klimapolitik. Ob sie ausreicht, ist eine ganz andere Frage. Doch da hat der EGMR bisher immer den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten betont.”

Calliess schätzt deshalb auch die Erfolgsaussichten der Klimabeschwerden aus Frankreich und der Schweiz als eher gering ein – sofern der Gerichtshof nicht überraschend von seiner bisherigen Rechtsprechung abweiche.

Grüner MdEP gegen Frankreich

Die französische Beschwerde kommt von Damien Carême, einem grünen Europapolitiker und früheren Bürgermeister der Stadt Grande-Synthe, die am Ärmelkanal liegt. Auch er sieht seine in Artikel 2 und Artikel 8 der Menschenrechtskonvention garantierten Rechte verletzt. Dabei argumentiert er mit dem steigenden Überschwemmungsrisiko für seine Heimatstadt. Die Klimaklage der Kommune hatte das oberste Verwaltungsgericht Frankreichs zur Verhandlung zugelassen – die persönliche Betroffenheit Carêmes aber hielt es für nicht gegeben und wies ihn ab. Dagegen zog er im Januar 2021 vor den EGMR.

Seniorinnen gegen die Schweiz

Die dritte Beschwerde, eingereicht im November 2020, kommt aus der Schweiz, wo Hunderte Frauen im Pensionsalter im Verein “KlimaSeniorinnen” von ihrem Land eine strengere Klimapolitik erzwingen wollen. Unterstützt werden sie von Greenpeace und anderen Organisationen. Wie Carême haben sie den heimischen Rechtsweg ausgeschöpft. Für die persönliche Betroffenheit führen die Seniorinnen an, dass sie als ältere Menschen besonders stark unter den Folgen der Erderwärmung, beispielsweise unter Hitzewellen, litten. Das macht ihre Beschwerde besonders: Die meisten Klimaklagen auf Menschenrechtsbasis werden – wie im portugiesischen Fall – von jungen Leuten erhoben.

Auch die Seniorinnen verlangen von der Schweizer Regierung, ihr Recht auf Leben und ein Familienleben zu schützen, und stützen sich dabei ebenfalls auf Artikel 2 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zusätzlich führen sie an, ihr Recht auf einen fairen Prozess sei in den heimischen Verfahren nicht gewahrt worden.

Folgen für eine deutsche EGMR-Beschwerde

Falls sie vor dem EGMR Erfolg haben, hätte das wohl indirekt auch Auswirkungen auf Deutschland. Denn vor dem Gerichtshof liegt eine deutsche Klimabeschwerde auf Eis, die dieser im Licht des Schweizer Falls aufgreifen und entscheiden könnte. Eingereicht hat sie der Berliner Rechtsanwalt Remo Klinger, der selbst seit mehreren Jahren Klimaklagen auf diversen rechtlichen Ebenen vorantreibt.

Ähnlich wie die Schweizer Seniorinnen argumentieren Klinger und seine jungen Mandanten, dass die Klimakrise ihre grundlegenden Rechte gefährde und das deutsche Klimaschutzgesetz auch nach der Klimaschutzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinter dem Pariser Abkommen zurückbleibe. Außerdem seien strengere Klimaziele erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihre Forderung umstandslos abgewiesen. Jetzt hofft Klinger auf den EGMR: “Wenn die KlimaSeniorinnen Erfolg haben, dann spricht viel dafür, dass unsere Beschwerde ebenfalls erfolgreich ist“, sagt er.

“Wendepunkt für Klimaprozesse” in ganz Europa

Ein positives Urteil wäre “ein absoluter Wendepunkt für Klimaprozesse auf dem gesamten Kontinent”, sagt Vesselina Newman, Teamleiterin Menschenrechte bei Client Earth. “Wenn dieser Fall erfolgreich ist, wäre er einer der ersten Fälle, der eine Verbindung zwischen den Auswirkungen des Klimawandels auf Gesundheit und Wohlbefinden und den durch die Menschenrechtskonvention garantierten Rechten herstellt.” Client Earth hat als unbeteiligte dritte Partei in dem Schweizer Fall eine Stellungnahme beim EGMR eingereicht.

Für die Unterzeichnerstaaten der Menschenrechtskonvention sind EGMR-Urteile bindend. Damit müssten sie die Gerichte europaweit in ihrer Abwägung über Klimaklagen berücksichtigen. “In Deutschland müssten die Gerichte die Urteile heranziehen, sobald das hiesige Recht ihnen einen Auslegungsspielraum lässt”, erklärt Calliess.

Was das konkret bedeutet, hängt allerdings stark davon ab, wie weit der EGMR in seinen Urteilen geht. Calliess hält es für “unwahrscheinlich, dass er über das deutsche Klimaschutzgesetz hinausgeht. Bisher war er da eher restriktiv”. In dem Fall würden sich in Deutschland für den Klimaschutz wohl eher keine neuen Auslegungsspielräume eröffnen.  

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China kämpft um seine Klimaziele: Unternehmen sollen mehr Erneuerbare nachfragen

Stahlwerk nahe Shanghai
Chinas Industrie verursacht hohe CO₂-Emissionen. Die Regierung will das durch Vorschriften und Kontrollmaßnahmen ändern.

In dieser Woche treffen sich die führenden Klimadiplomaten der EU, Deutschlands, Frankreichs, Dänemarks und der Niederlande in Peking mit der chinesischen Führung. Ab dem kommenden Wochenende wird dort außerdem Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet. Auf der Themenliste dieser Treffen steht immer auch die Klimapolitik des derzeit größten CO₂-Emittenten. Denn China steht kurz davor, seine Ziele zu verfehlen.

Die Volksrepublik will deshalb Unternehmen aus Industrien mit hohem Energiebedarf dazu verpflichten, einen gewissen Anteil ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Die mächtige zentrale Planungsbehörde NDRC (Nationale Entwicklungs- und Reformkommission) hat die Provinzen kürzlich aufgerufen, Vorschriften zu erlassen, um das sicherzustellen.

Laut Experten ist diese neue NDRC-Richtlinie eine “wichtige Nachricht aus der chinesischen Klimapolitik”. Quoten für Erneuerbare nicht mehr nur auf die Stromerzeuger zu begrenzen, sondern auch die Nachfrager miteinzubeziehen, sei “eine bemerkenswerte Entscheidung“, schreibt David Fishman, Energieexperte der Beratungsfirma The Lantau Group auf der Plattform X. “Chinas Quoten für erneuerbare Energien versprechen, ein wichtiges Instrument zur Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren und ihrer Rentabilität zu sein”, ordnet Lauri Myllyvirta, China-Experte des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) die neue Richtlinie ein.

Wie wichtig solche neuen Ansätze sind, zeigen die aktuellen Klimadaten: Insgesamt droht China seine Klimaziele für die kommenden Jahre zu verfehlen. Bis 2025 müssten die Emissionen des Energiesektors um zuvor unerreichte vier bis sechs Prozent fallen, um die Regierungsziele zumindest erreichbar zu halten. Bei vielen Indikatoren ist China nicht auf dem richtigen Weg.

Viele Details bleiben unklar

Auch Yin Ming, Senior Advisor China Power von Agora Energiewende, sieht die neuen Vorgaben als guten Fortschritt: “Die neue Politik kann dazu beitragen, den Ersatz von fossilen Brennstoffen durch erneuerbare Energien in den Provinzen zu beschleunigen und auf diese Weise einen Beitrag zu Chinas Energiewende zu leisten.”

Allerdings sind noch viele Details der jüngst verabschiedeten Richtlinie unklar. Deshalb ist es fraglich, ob die Vorschriften zur Nutzung von erneuerbaren Energien schnell genug einen Unterschied machen können.

Chinas Industriesektor steht vor einer gewaltigen Transformation. Im Vergleich zu anderen G20-Staaten ist das produzierende Gewerbe des Landes noch sehr CO₂-intensiv. Zudem hat der Industriesektor noch immer eine sehr große wirtschaftliche Bedeutung: Allein die Emissionen im Eisen- und Stahlsektor sind fast so hoch wie die von ganz Russland, dem weltweit viertgrößten CO₂-Emittenten. Die Energiewende im Industriesektor zu forcieren, hat potenziell große Klimaschutzwirkung.

Inwieweit die neuen Vorgaben zur Reduktion der CO₂-Emissionen beitragen, ist allerdings noch unklar. “Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob die neue Politik die Gesamtemissionen reduzieren wird oder lediglich ein größerer Anstieg der Emissionen ausgeglichen wird”, sagt Fishman zu Table.Briefings. Derzeit gäbe es noch einige offene Fragen.

Wirksamer als der chinesische Emissionshandel

Die NDRC-Richtlinie überträgt viel Verantwortung an die einzelnen Provinzen, die eigene Zielmarken für den Verbrauch erneuerbarer Energien setzen werden, meint Fishman. Zudem sei es schwer, die Zielsetzungen der Provinzen einzuordnen und zu prüfen, ob sie zu niedrige Quoten ansetzen, da der Zugang zu Informationen fehle. Allerdings vermutet der Lantau-Experte, dass Behörden auf nationaler Ebene die Zielvorgaben der Provinzen überprüfen werden und durchwinken müssen. Das könnte den Spielraum der Provinzen einschränken. Yin Ming von Agora Energiewende sagt: “Eine strenge Aufsicht und Durchsetzung wird entscheidend sein, um sicherzustellen, dass die neuen Vorschriften den Übergang der Industrie zu sauberer Energie beschleunigen.”

Potenziell sind rund 20.000 produzierende Unternehmen und über eine Million Datencenter von den neuen Richtlinien betroffen. Die chinesische Regierung ordnet den “Industrien mit hohem Energiebedarf” rund 14.000 Unternehmen aus dem Eisen- und Stahlsektor, 4.000 Zementhersteller und mehrere hundert Chemieunternehmen sowie Aluminiumhersteller, Ölraffinerien, Glashersteller und die Datencenter zu. Derzeit ist noch unklar, ob letztere auch von der neuen Richtlinie erfasst werden.

Laut Myllyvirta werde die neue Maßnahme “sehr wahrscheinlich” eher zu Erfolgen führen als der chinesische Emissionshandel (ETS). Der ETS habe noch gravierende Konstruktionsfehler und setze laut dem China-Analysten des Centre for Research on Energy and Clean Air keinen CO₂-Preis fest. “Verwaltungsmaßnahmen, Zielvorgaben und Quoten” bleiben weiterhin wichtige Werkzeuge in Chinas Klimapolitik, schätzt Myllyvirtas.

Chinas Industrie: Elektrifizierung nicht ausreichend

Solche staatlichen Eingriffe sind wichtig, um die Emissionen des Industriesektors schnell genug zu senken. Zwar hat der Sektor einige Erfolge vorzuweisen:

  • Die Elektrifizierung des Industriesektors ist in den vergangenen Jahren etwas schneller vorangeschritten, als viele Übergangsszenarien zur Erreichung der Klimaziele vorsehen.
  • Auch der direkte Kohlekonsum der Industrieunternehmen ist gesunken.
  • Zudem wurden viele technische Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz schon ausgenutzt. Dazu trugen auch Vorgaben der Regierung bei. “Jede energieintensive Branche hat ihre eigenen Energieeffizienz-Richtwerte. Wenn ein Unternehmen den jeweiligen Richtwert nicht erreicht, unterliegt es strengeren Vorschriften. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass höhere Energietarife gezahlt werden müssen oder es dem Unternehmen verboten wird, zu expandieren”, sagt Yin Ming.

Insgesamt sind die Emissionen des Industriesektors allerdings noch zu hoch. Der industrielle Endverbrauch hat durch Konjunkturprogramme nach der COVID-Pandemie stark zugenommen. Und während die Elektrifizierung einen Fortschritt bedeutet, verlagert sie derzeit die Emissionen nur: Zwar werden vermehrt Kohlekraftwerke an Industriestandorten (“Captive Power Plants”) abgeschaltet. Doch weil der Industriesektor mehr Strom nachfragt und die Erneuerbaren die höhere Nachfrage noch nicht decken können, steigt der Kohleverbrauch im Energiesektor an – und damit auch die Emissionen.

  • China
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News

Petersberger Klimadialog: 40 Staaten und COP-Troika am 25. und 26. April in Berlin

Der 15. Petersberger Klimadialog wird in diesem Jahr am 25. und 26. April in Berlin stattfinden. Das Auswärtige Amt erwartet etwa 40 Ministerinnen und Minister aus wichtigen Staaten zu der informellen Konferenz. Auf ihr werden traditionell die diesjährigen Klimaverhandlungen in Bonn im Juni und im November bei der COP29 im Baku, Aserbaidschan vorbereitet.

Den Auftakt zum nicht-öffentlichen Austausch machen laut Planung der designierte COP29-Präsident, der aserbaidschanische Umwelt- und Ressourcenminister Mukhtar Babajew und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Im Gespräch sind außerdem Grußworte der Ministerpräsidentin von Barbados, Mia Mottley, und von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom.

Am zweiten Tag wird Bundeskanzler Olaf Scholz das Treffen besuchen. Er wird gemeinsam mit dem Präsidenten von Aserbaidschan, Ilham Alijew, auftreten. Die traditionelle Rede des deutschen Regierungschefs beim Petersberger Dialog wird in diesem Jahr besonders interessant. Noch vor einem Jahr hatte Scholz aus diesem Anlass das deutsche Versprechen von sechs Milliarden Euro Klimafinanzierung spätestens 2025 bekräftigt. Unter dem Druck der Haushaltslage wird es interessant, ob er diese Aussage wiederholt.

Vorgesehen sind auch Termine von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Chef des UNFCCC-Sekretariats Simon Stiell und von Entwicklungsministerin Svenja Schulze mit einem Vertreter Kenias. Auch die “Troika” aus Vertretern der Gastgeber von COP28, 29 und 30, Vereinigte Arabische Emirate, Aserbaidschan und Brasilien, soll eine wichtige Rolle spielen. bpo

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Bericht: Klimaziele von Unternehmen trotz Fortschritten zu niedrig für 1,5-Grad-Ziel

Keines der 51 untersuchten großen Unternehmen – darunter Adidas, Nestlé, Volkswagen und H&M – hat sich Klimaziele gesteckt, die mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel sind. Im Mittel verpflichten sie sich zu einer Reduktion ihrer Treibhausgase von 30 Prozent bis 2030 gegenüber dem Basisjahr 2019. Das seien 13 Prozentpunkte weniger als nötig, zeigt der jährliche Corporate Climate Responsibility Monitor (CCRM). Dieser wurde vom New Climate Institute und Carbon Market Watch am Dienstag veröffentlicht.

Zwar sieht der Bericht Fortschritte gegenüber dem Vorjahr. Damals wurden die Klimaziele von zwei Drittel der untersuchten Unternehmen mit “niedriger” oder “sehr niedriger Integrität” bewertet. Seither hätten einige Unternehmen ihre Klimaziele überarbeitet. 18 der 51 Unternehmen verpflichten sich nun einer tiefgreifenden Dekarbonisierung (mehr als 90 Prozent Emissionsreduktion).

Allerdings würden die meisten Unternehmen weiter “veraltete, intransparente, unklare oder limitierte Emissionsreduktionsziele” angeben. Volkswagen habe etwa seit dem vergangenen Bericht das Ziel für 2025 komplett gestrichen. Teils würden Unternehmen auch auf “falsche Lösungen” setzen: beispielsweise CO₂-Kompensation statt ambitionierter Emissionsreduktion oder CO₂-Speicherung im Stromsektor. Es brauche daher “klare Richtlinien für sektorspezifische Übergangspläne”, fordert Silke Mooldijk vom New Climate Institute.

Klimaziele von Adidas, Nestlé und Volkswagen mit “niedriger Integrität”

So haben einige ausgewählte untersuchte Unternehmen abgeschnitten:

  • “Hohe Integrität”: kein Unternehmen
  • “Ausreichende Integrität”: Enel und Iberdrola (beides Energieunternehmen)
  • “Moderate Integrität”: Danone, H&M, Inditex, Mars, Nike, Stellantis, Volvo
  • “Niedrige Integrität”: Adidas, Daimler Truck, Nestlé, Tesco, Volkswagen, Walmart
  • “Sehr niedrige Integrität”: Kepco, Toyota

Im Bericht wird zudem kritisiert, dass viele Unternehmen ihre Klimaziele von der Science Based Targets-Initiative und ähnlichen freiwilligen Anbietern überprüfen lassen – diese aber teils geschönte Zeugnisse ausstellen würden. lb

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März: Weltweit zehnter Monat in Folge mit Rekordwärme

Als zehnter Monat in Folge hat der März 2024 einen neuen Höchststand bei globalen Temperaturen gebracht. Laut Daten des EU-Klimadienstes Copernicus war der März der wärmste aller je gemessenen Märze, mit einer globalen Mitteltemperatur von 14,14 Grad, 0,73 Grad über dem Mittelwert von 1991 bis 2020 – und ganze 1,68 Grad wärmer als in der Zeit vor der Industrialisierung.

Damit ist der März der zehnte in einer Reihe von Monaten, die jeweils die wärmsten in ihrer Zeitspanne waren. Die globale Mitteltemperatur in den letzten zwölf Monaten lag um 1,58 Grad über der vorindustriellen Zeit – was bedeutet, dass zumindest in dieser Spanne die 1,5-Grad-Grenze überschritten wurde. In Europa lag dieser Wert sogar noch deutlich höher, bei 2,2 Grad. Und zu warm im langfristigen Mittel war es nach Copernicus-Daten auch an der Ostküste Nordamerikas, Grönland, dem östlichen Russland, Mittelamerika, Südaustralien und weiten Teilen von Afrika, Südamerika und der Antarktis. Obwohl sich das El-Niño-Phänomen abschwächt, blieben auch die Luft- und Wassertemperaturen in den Ozeanen ungewöhnlich hoch. bpo

  • Europa
  • Klimawandel

Experten warnen vor “extrem aktiver” Hurrikan-Saison

Fast zwei Dutzend benannte tropische Stürmedarunter elf Hurrikane – sagen Forschende der Colorado State University für die kommende Saison vorher. Sie warnen vor einer “extrem aktiven” Saison im Atlantik. Diese dauert offiziell von Anfang Juni bis Ende November. Im Durchschnitt gibt es jährlich 14 Zyklone, die stark genug sind, dass sie zu benannten tropischen Stürmen werden.

Die Accumulated Cyclone Energy (ACE) könnte dabei 170 Prozent über dem Durchschnitt liegen. ACE ist eine Einheit, die die Gesamtenergie eines Sturms über seine gesamte Lebensdauer beschreibt. Außerdem ist auch die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass mindestens einer der Stürme die Küste der USA trifft.

Das hat zwei Gründe: Durch die warmen Oberflächentemperaturen im Atlantikbecken kann der Ozean mehr Energie abgeben, aus der sich Stürme entwickeln. Hinzu kommt, dass vermutlich im zweiten Halbjahr das Wetterphänomen “La Niña” beginnen wird, das Stürme zusätzlich begünstigt. Wirbelsturmvorhersagen im April sind normalerweise nicht besonders sicher, aber aufgrund dieser Faktoren sind die Forschenden “überdurchschnittlich zuversichtlich”, was die Belastbarkeit ihrer Vorhersagen angeht. Wenn die Vorhersagen eintreten, ist es möglich, dass die Liste der 21 vorbereiteten Namen für tropische Stürme das zweite Mal in vier Jahren nicht ausreicht. In diesem Fall würde eine Zusatzliste genutzt werden. kul

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Illegale Klimagas-Importe trotz EU-Regulierung nicht gesunken

Große Mengen klimaerwärmender Kältemittelgase, unter anderem aus China und der Türkei, werden illegal nach Europa geschmuggelt. Das geht aus einem Bericht der in London ansässigen Environmental Investigation Agency (EIA) hervor. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich die Menge der illegal importierten teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) seit der letzten Untersuchung 2021 nicht verringert hat – trotz internationaler Abkommen und strengerer EU-Regulierung. Demnach würden die illegal nach Europa geschmuggelten HFKW weiterhin 20 bis 30 Prozent der legal gehandelten Mengen ausmachen. Das entspreche bis zu 30 Millionen Tonnen CO₂.

HFKW sind Chemikalien, die vor allem für die Kühlung zu Industrie- und Verbraucherzwecken verwendet werden, beispielsweise in Wärmepumpen und Klimaanlagen. Anders als mittlerweile verbotene Kältemittel greifen sie zwar nicht die Ozonschicht an, treiben aber den Treibhauseffekt in der Atmosphäre voran, da sie bis zu mehrere Tausend Mal klimawirksamer sind als CO₂.

Die verdeckten EIA-Ermittlungen zeigen, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Europäischen Union Schwierigkeiten haben, illegale Lieferungen zu verfolgen. Polen und Bulgarien wurden als Haupteinfallstore für illegale HFKW in die EU identifiziert, wobei die Gase selbst aus China, der Türkei, Russland, der Ukraine und Albanien stammen.

Hohe Preise bieten Anreiz zum Schmuggel

Im Rahmen der 2016 in Kigali beschlossenen Änderung des Montreal-Protokolls haben sich europäische und andere Industrieländer verpflichtet, den Einsatz von HFKW bis 2036 um 85 Prozent zu reduzieren. Um den schrittweisen Ausstieg zu ermöglichen, werden in der EU seit 2015 durch die Regulierung von fluorierten Gasen (F-Gasen) HFKW-Herstellern und -Verbrauchern Quoten zugeteilt. Da die Nachfrage jedoch nach wie vor groß ist, hat die Verknappung durch die Regulierung die Preise in die Höhe getrieben und Anreize für Schmuggler geschaffen, heißt es in dem Bericht.

Die kürzlich beschlossene Überarbeitung der F-Gas-Regulierung habe den Vollzugsbehörden zusätzliche Instrumente zur Bekämpfung des illegalen Handels an die Hand gegeben. “Aber sie werden nur funktionieren, wenn sie schnell und effektiv umgesetzt werden”, sagte Fin Walravens, Klimaexpertin bei der EIA. Die weitere Verknappung von Kältemitteln drohe den Bedarf für illegale HFKW noch weiter zu erhöhen.

Die EIA fordert die EU-Kommission und alle Mitgliedstaaten auf, die Umsetzung der neuen F-Gas-Verordnung zu priorisieren und die Maßnahmen zur Durchsetzung zu verstärken. “Der illegale Handel mit HFKW verschärft nicht nur den Klimawandel, sondern wird auch mit erheblicher Steuerhinterziehung in Verbindung gebracht”, warnt Walravens. luk

  • F-Gase
  • Klima & Umwelt
  • Treibhausgase

Green-Claims-Regeln könnten Carbon Farming schaden

Die Green-Claims-Richtlinie, über die EU-Parlament und Rat derzeit entscheiden, soll Greenwashing in der Werbung verhindern. Mit Klimaneutralität dürften Produkte demnach zum Beispiel nur noch dann werben, wenn das mit wissenschaftlich ermittelten Daten belegt werden kann. Dazu dürfen allerdings nach der Fassung, für die im Februar das EU-Parlament stimmte, im Regelfall keine CO₂-Kompensationen herangezogen werden.

Dadurch könnte die Richtlinie einem anderen Klimaschutzvorhaben der EU im Weg stehen: der Förderung von Carbon Farming. Denn dabei sollen Landwirte durch Humusaufbau auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen “CO₂-Entnahmezertifikate” generieren und auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten verkaufen können. Im Februar hatten sich Parlament und Rat im Trilog über das entsprechende “Carbon Removal Certification Framework (CFCR)geeinigt. Die finale Abstimmung im Parlament steht am Mittwoch an.

Thünen-Institut: Zahlungsbereitschaft für Klimaschutzprojekte könnte sinken

“Wir sind der Meinung, dass die starke Beschränkung des Einsatzes von CO₂-Gutschriften in der Produktwerbung Landwirte davon abhalten könnte, ins Carbon Farming einzusteigen, weil der Markt für ihre Gutschriften nicht rentabel sein wird”, warnt der EU-Bauerndachverband Copa-Cogeca im Gespräch mit Table.Briefings. Werde der Verkauf von CO₂-Gutschriften auf freiwilliger Basis durch strenge Beschränkungen faktisch verhindert, werde dem Markt ein wirksames Klimaschutzinstrument vorenthalten.

Auch beim Thünen-Institut rechnet man mit negativen Auswirkungen. “Wenn mit Klimaschutzprojekten im Bereich Carbon Farming nicht mehr so einfach geworben werden kann, wird auch die Zahlungsbereitschaft von Unternehmen zurückgehen, entsprechende Projekte zu finanzieren”, sagt Bernhard Osterburg, Leiter der Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität des Bundesforschungsinstituts, zu Table.Briefings. Die EU setze mit den Beschränkungen “ganz klar eine Bremse ein”.

Copa-Cogeca sieht Doppelbelastung

Copa-Cogeca kritisiert die Green-Claims-Richtlinie noch in einem weiteren Punkt: Landwirte, die bereits ein Prüfverfahren durchlaufen haben, um die freiwilligen Umweltpraktiken der GAP einzuhalten, müssten ein weiteres Verfahren für dieselben Sachverhalte absolvieren, um den Vorgaben der Green-Claims-Richtlinie zu genügen.

Zwar betrifft die Richtlinie in den wenigsten Fällen Landwirte. Doch wenn etwa ein Händler mit einem Green Claim werben wolle, dann müsse die Behauptung auch auf Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs überprüft werden. Der Verband hofft nun, dass seine Kritik in die anstehenden Trilog-Verhandlungen zur Green-Claims-Richtlinie aufgenommen wird. mo

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Deutschland: Milliarden für Wasserstoff-Kernnetz, Millionen für Bau von Elektrolyseuren

Bis 2037 soll in Deutschland ein Wasserstoff-Kernnetz von privaten Firmen aufgebaut und vollständig über Gebühren der Nutzer finanziert werden. Darauf hat sich die Bundesregierung am Freitag geeinigt. In den nächsten Wochen könnte das Vorhaben im Bundestag beraten und beschlossen werden. Es geht um Ausgaben von rund 20 Milliarden Euro für ein 10.000 Kilometer langes Netz. 60 Prozent des Netzes könnte über umgewidmete Erdgas-Röhren entstehen, der Rest müsse neu gebaut werden.

Neuigkeiten zum Thema Wasserstoff gab es am Freitag auch aus Brüssel: Die Bundesregierung darf den Bau von Elektrolyseuren in Deutschland mit 350 Millionen Euro fördern. Die Kommission habe die beihilferechtliche Genehmigung erteilt, teilte die Behörde mit. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager lobte die Fördermittel der Bundesrepublik als wichtigen Schritt für die Entwicklung von erneuerbarem Wasserstoff.

Angekündigt hatte das Bundeswirtschaftsministerium die Förderung bereits im vergangenen Dezember. Deutschland nutzt für die Ausschreibung der Elektrolyseure als erster EU-Staat die Europäische Wasserstoffbank. Gebote konnten bis zum 8. Februar eingereicht werden, die Auswertung laufe noch, hieß es am Freitag. Mit der bewilligten Summe könnten bis zu 90 Megawatt an Elektrolysekapazität gefördert werden – insgesamt will Deutschland bis 2030 mindestens zehn Gigawatt erreichen. rtr/ber/lb

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  • Grüner Wasserstoff
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Presseschau

Faktencheck: Warum die jüngste “Beschleunigung” der globalen Erwärmung den Erwartungen der Wissenschaftler entspricht CarbonBrief
Analyse: Was neue Tempolimits für die Umwelt bedeuten würden Redaktionsnetzwerk Deutschland
Analyse: CBAM stellt Deutsche Emissionshandelsstelle vor neue Herausforderungen Energate
Analyse: Globale Schwemme macht Solarpaneele zu einer Option für Gartenzäune Financial Times
Analyse: Die KI-Revolution wird ein Segen für die Erdgasindustrie sein, sagen die Chefs fossiler Brennstoffunternehmen Financial Times
Analyse: New York verklagt die weltweit größte Fleischfabrik The Guardian
Analyse: Weinregionen in Südamerika leider unter Hitzewelle The Economist
Analyse: Haben wir bald alle Heuschnupfen? Die Zeit
Nachricht: Simbabwe ruft Katastrophenzustand wegen Dürre aus Die Zeit
Reportage: Rhodos als Testlabor für klima- und ressourcenschonenden Tourismus Handelsblatt

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Den nächsten Ansatz für Klimaklagen könnte dann direkt der Corporate Climate Responsibility Monitor liefern. Dessen neueste Ergebnisse zeigen, dass viele große Unternehmen in Sachen Klimaschutz noch immer nicht genug tun. Einige haben sogar Klimaziele wieder zurückgenommen.

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    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird am Dienstag, 9. April, gleich über drei Klimaklagen befinden. Das Ergebnis der Verfahren könnte auch die deutsche Klimapolitik beeinflussen – obwohl die zugrundeliegenden Beschwerden aus Portugal, Frankreich und der Schweiz eingereicht wurden.

    Das chronisch überlastete Gericht behandelt die Fälle mit Priorität. Dies deutet darauf hin, dass es Klimaschutzfragen eine besondere Relevanz zumisst. Ob und wie weit es den Argumenten der Kläger folgt, wird sich am Dienstag ab 10:30 Uhr zeigen. Dann verkündet die Große Kammer des EGMR in einer öffentlichen Anhörung ihre Entscheidung. Das Gericht stellt die Urteilsverkündung später als Video auf seine Webseite.

    Portugiesische Jugendliche gegen ganz Europa

    Die wohl ungewöhnlichste Beschwerde haben portugiesische Jugendliche und junge Erwachsene im September 2020 eingereicht. Sie fordern, der EGMR solle sämtliche Mitgliedsstaaten des Europarats zu einer ehrgeizigeren Klimapolitik verpflichten. Seit dem Ausschluss Russlands im März 2022 wegen des Angriffs auf die Ukraine blieben 32 Länder übrig.

    Üblicherweise können Bürgerinnen und Bürger vor dem EGMR ihre Grundrechte von dem Staat einfordern, in dem sie leben. Nur wenn er sie ihnen versagt, steht ihnen der Weg zum EGMR offen. Doch die jungen Kläger argumentieren, alle Mitgliedsstaaten des Europarats gemeinsam seien verantwortlich für die Auswirkungen der Klimakrise. Dabei stützen sie sich auf Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Recht auf Leben garantiert, Artikel 8 (Recht auf ein Privat- und Familienleben) und Artikel 14 (Diskriminierungsverbot). Sie sehen ihre Gesundheit durch die Auswirkungen des Klimawandels – beispielsweise extreme Hitze – gefährdet, und zwar stärker als die Gesundheit älterer Menschen, die in aller Regel nicht mehr so lange leben wie sie.

    Bedeutung für Deutschland

    Weil sie den innerstaatlichen Rechtsweg – den sie in 32 Ländern hätten gehen müssen – nicht ausgeschöpft haben, scheinen ihre Erfolgsaussichten gering. “Auf Basis seiner bisherigen Rechtsprechung muss man damit rechnen, dass der EGMR die Zulässigkeit der portugiesischen Klimabeschwerde wegen der fehlenden Erschöpfung des nationalen Rechtswegs, also der vorherigen Anrufung nationaler Rechte, verneint“, sagt Christian Calliess, Umwelt- und Europarechtsexperte an der FU Berlin. Er will aber nicht ausschließen, dass auch der EGMR “innovative Wege geht” – so wie das Bundesverfassungsgericht in seinem überraschenden Klima-Urteil vor drei Jahren.

    Gäbe das Gericht den portugiesischen Jugendlichen recht, wäre auch Deutschland verpflichtet, das Urteil umzusetzen. Es könnte “dazu führen, dass Deutschland seine Klimaschutzmaßnahmen verstärken muss”, sagt Sam Hunter Jones, Anwalt der Umweltrechtsorganisation Client Earth, die juristisch für mehr Klimaschutz arbeitet.

    Die Hürden vor dem EGMR

    Grundsätzlich müssen Klagen vor dem EGMR mehrere Hürden nehmen: Für die Zulässigkeit muss der heimische Rechtsweg ausgeschöpft sein. Dann müssen Beschwerdeführenden das Gericht davon überzeugen, dass Auswirkungen des mangelhaften Klimaschutzes sie persönlich betreffen – daran scheitern sehr viele Klagen.

    Erst wenn die Beschwerden zulässig sind, prüft der EGMR inhaltlich: Hat der beklagte Staat seine Schutzpflichten gegenüber seinen Bürgern verletzt? Das sei sehr schwer zu belegen, sagt Calliess. “Die meisten Staaten haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und verfolgen irgendeine Art von Klimapolitik. Ob sie ausreicht, ist eine ganz andere Frage. Doch da hat der EGMR bisher immer den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten betont.”

    Calliess schätzt deshalb auch die Erfolgsaussichten der Klimabeschwerden aus Frankreich und der Schweiz als eher gering ein – sofern der Gerichtshof nicht überraschend von seiner bisherigen Rechtsprechung abweiche.

    Grüner MdEP gegen Frankreich

    Die französische Beschwerde kommt von Damien Carême, einem grünen Europapolitiker und früheren Bürgermeister der Stadt Grande-Synthe, die am Ärmelkanal liegt. Auch er sieht seine in Artikel 2 und Artikel 8 der Menschenrechtskonvention garantierten Rechte verletzt. Dabei argumentiert er mit dem steigenden Überschwemmungsrisiko für seine Heimatstadt. Die Klimaklage der Kommune hatte das oberste Verwaltungsgericht Frankreichs zur Verhandlung zugelassen – die persönliche Betroffenheit Carêmes aber hielt es für nicht gegeben und wies ihn ab. Dagegen zog er im Januar 2021 vor den EGMR.

    Seniorinnen gegen die Schweiz

    Die dritte Beschwerde, eingereicht im November 2020, kommt aus der Schweiz, wo Hunderte Frauen im Pensionsalter im Verein “KlimaSeniorinnen” von ihrem Land eine strengere Klimapolitik erzwingen wollen. Unterstützt werden sie von Greenpeace und anderen Organisationen. Wie Carême haben sie den heimischen Rechtsweg ausgeschöpft. Für die persönliche Betroffenheit führen die Seniorinnen an, dass sie als ältere Menschen besonders stark unter den Folgen der Erderwärmung, beispielsweise unter Hitzewellen, litten. Das macht ihre Beschwerde besonders: Die meisten Klimaklagen auf Menschenrechtsbasis werden – wie im portugiesischen Fall – von jungen Leuten erhoben.

    Auch die Seniorinnen verlangen von der Schweizer Regierung, ihr Recht auf Leben und ein Familienleben zu schützen, und stützen sich dabei ebenfalls auf Artikel 2 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zusätzlich führen sie an, ihr Recht auf einen fairen Prozess sei in den heimischen Verfahren nicht gewahrt worden.

    Folgen für eine deutsche EGMR-Beschwerde

    Falls sie vor dem EGMR Erfolg haben, hätte das wohl indirekt auch Auswirkungen auf Deutschland. Denn vor dem Gerichtshof liegt eine deutsche Klimabeschwerde auf Eis, die dieser im Licht des Schweizer Falls aufgreifen und entscheiden könnte. Eingereicht hat sie der Berliner Rechtsanwalt Remo Klinger, der selbst seit mehreren Jahren Klimaklagen auf diversen rechtlichen Ebenen vorantreibt.

    Ähnlich wie die Schweizer Seniorinnen argumentieren Klinger und seine jungen Mandanten, dass die Klimakrise ihre grundlegenden Rechte gefährde und das deutsche Klimaschutzgesetz auch nach der Klimaschutzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinter dem Pariser Abkommen zurückbleibe. Außerdem seien strengere Klimaziele erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihre Forderung umstandslos abgewiesen. Jetzt hofft Klinger auf den EGMR: “Wenn die KlimaSeniorinnen Erfolg haben, dann spricht viel dafür, dass unsere Beschwerde ebenfalls erfolgreich ist“, sagt er.

    “Wendepunkt für Klimaprozesse” in ganz Europa

    Ein positives Urteil wäre “ein absoluter Wendepunkt für Klimaprozesse auf dem gesamten Kontinent”, sagt Vesselina Newman, Teamleiterin Menschenrechte bei Client Earth. “Wenn dieser Fall erfolgreich ist, wäre er einer der ersten Fälle, der eine Verbindung zwischen den Auswirkungen des Klimawandels auf Gesundheit und Wohlbefinden und den durch die Menschenrechtskonvention garantierten Rechten herstellt.” Client Earth hat als unbeteiligte dritte Partei in dem Schweizer Fall eine Stellungnahme beim EGMR eingereicht.

    Für die Unterzeichnerstaaten der Menschenrechtskonvention sind EGMR-Urteile bindend. Damit müssten sie die Gerichte europaweit in ihrer Abwägung über Klimaklagen berücksichtigen. “In Deutschland müssten die Gerichte die Urteile heranziehen, sobald das hiesige Recht ihnen einen Auslegungsspielraum lässt”, erklärt Calliess.

    Was das konkret bedeutet, hängt allerdings stark davon ab, wie weit der EGMR in seinen Urteilen geht. Calliess hält es für “unwahrscheinlich, dass er über das deutsche Klimaschutzgesetz hinausgeht. Bisher war er da eher restriktiv”. In dem Fall würden sich in Deutschland für den Klimaschutz wohl eher keine neuen Auslegungsspielräume eröffnen.  

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    China kämpft um seine Klimaziele: Unternehmen sollen mehr Erneuerbare nachfragen

    Stahlwerk nahe Shanghai
    Chinas Industrie verursacht hohe CO₂-Emissionen. Die Regierung will das durch Vorschriften und Kontrollmaßnahmen ändern.

    In dieser Woche treffen sich die führenden Klimadiplomaten der EU, Deutschlands, Frankreichs, Dänemarks und der Niederlande in Peking mit der chinesischen Führung. Ab dem kommenden Wochenende wird dort außerdem Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet. Auf der Themenliste dieser Treffen steht immer auch die Klimapolitik des derzeit größten CO₂-Emittenten. Denn China steht kurz davor, seine Ziele zu verfehlen.

    Die Volksrepublik will deshalb Unternehmen aus Industrien mit hohem Energiebedarf dazu verpflichten, einen gewissen Anteil ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Die mächtige zentrale Planungsbehörde NDRC (Nationale Entwicklungs- und Reformkommission) hat die Provinzen kürzlich aufgerufen, Vorschriften zu erlassen, um das sicherzustellen.

    Laut Experten ist diese neue NDRC-Richtlinie eine “wichtige Nachricht aus der chinesischen Klimapolitik”. Quoten für Erneuerbare nicht mehr nur auf die Stromerzeuger zu begrenzen, sondern auch die Nachfrager miteinzubeziehen, sei “eine bemerkenswerte Entscheidung“, schreibt David Fishman, Energieexperte der Beratungsfirma The Lantau Group auf der Plattform X. “Chinas Quoten für erneuerbare Energien versprechen, ein wichtiges Instrument zur Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren und ihrer Rentabilität zu sein”, ordnet Lauri Myllyvirta, China-Experte des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) die neue Richtlinie ein.

    Wie wichtig solche neuen Ansätze sind, zeigen die aktuellen Klimadaten: Insgesamt droht China seine Klimaziele für die kommenden Jahre zu verfehlen. Bis 2025 müssten die Emissionen des Energiesektors um zuvor unerreichte vier bis sechs Prozent fallen, um die Regierungsziele zumindest erreichbar zu halten. Bei vielen Indikatoren ist China nicht auf dem richtigen Weg.

    Viele Details bleiben unklar

    Auch Yin Ming, Senior Advisor China Power von Agora Energiewende, sieht die neuen Vorgaben als guten Fortschritt: “Die neue Politik kann dazu beitragen, den Ersatz von fossilen Brennstoffen durch erneuerbare Energien in den Provinzen zu beschleunigen und auf diese Weise einen Beitrag zu Chinas Energiewende zu leisten.”

    Allerdings sind noch viele Details der jüngst verabschiedeten Richtlinie unklar. Deshalb ist es fraglich, ob die Vorschriften zur Nutzung von erneuerbaren Energien schnell genug einen Unterschied machen können.

    Chinas Industriesektor steht vor einer gewaltigen Transformation. Im Vergleich zu anderen G20-Staaten ist das produzierende Gewerbe des Landes noch sehr CO₂-intensiv. Zudem hat der Industriesektor noch immer eine sehr große wirtschaftliche Bedeutung: Allein die Emissionen im Eisen- und Stahlsektor sind fast so hoch wie die von ganz Russland, dem weltweit viertgrößten CO₂-Emittenten. Die Energiewende im Industriesektor zu forcieren, hat potenziell große Klimaschutzwirkung.

    Inwieweit die neuen Vorgaben zur Reduktion der CO₂-Emissionen beitragen, ist allerdings noch unklar. “Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob die neue Politik die Gesamtemissionen reduzieren wird oder lediglich ein größerer Anstieg der Emissionen ausgeglichen wird”, sagt Fishman zu Table.Briefings. Derzeit gäbe es noch einige offene Fragen.

    Wirksamer als der chinesische Emissionshandel

    Die NDRC-Richtlinie überträgt viel Verantwortung an die einzelnen Provinzen, die eigene Zielmarken für den Verbrauch erneuerbarer Energien setzen werden, meint Fishman. Zudem sei es schwer, die Zielsetzungen der Provinzen einzuordnen und zu prüfen, ob sie zu niedrige Quoten ansetzen, da der Zugang zu Informationen fehle. Allerdings vermutet der Lantau-Experte, dass Behörden auf nationaler Ebene die Zielvorgaben der Provinzen überprüfen werden und durchwinken müssen. Das könnte den Spielraum der Provinzen einschränken. Yin Ming von Agora Energiewende sagt: “Eine strenge Aufsicht und Durchsetzung wird entscheidend sein, um sicherzustellen, dass die neuen Vorschriften den Übergang der Industrie zu sauberer Energie beschleunigen.”

    Potenziell sind rund 20.000 produzierende Unternehmen und über eine Million Datencenter von den neuen Richtlinien betroffen. Die chinesische Regierung ordnet den “Industrien mit hohem Energiebedarf” rund 14.000 Unternehmen aus dem Eisen- und Stahlsektor, 4.000 Zementhersteller und mehrere hundert Chemieunternehmen sowie Aluminiumhersteller, Ölraffinerien, Glashersteller und die Datencenter zu. Derzeit ist noch unklar, ob letztere auch von der neuen Richtlinie erfasst werden.

    Laut Myllyvirta werde die neue Maßnahme “sehr wahrscheinlich” eher zu Erfolgen führen als der chinesische Emissionshandel (ETS). Der ETS habe noch gravierende Konstruktionsfehler und setze laut dem China-Analysten des Centre for Research on Energy and Clean Air keinen CO₂-Preis fest. “Verwaltungsmaßnahmen, Zielvorgaben und Quoten” bleiben weiterhin wichtige Werkzeuge in Chinas Klimapolitik, schätzt Myllyvirtas.

    Chinas Industrie: Elektrifizierung nicht ausreichend

    Solche staatlichen Eingriffe sind wichtig, um die Emissionen des Industriesektors schnell genug zu senken. Zwar hat der Sektor einige Erfolge vorzuweisen:

    • Die Elektrifizierung des Industriesektors ist in den vergangenen Jahren etwas schneller vorangeschritten, als viele Übergangsszenarien zur Erreichung der Klimaziele vorsehen.
    • Auch der direkte Kohlekonsum der Industrieunternehmen ist gesunken.
    • Zudem wurden viele technische Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz schon ausgenutzt. Dazu trugen auch Vorgaben der Regierung bei. “Jede energieintensive Branche hat ihre eigenen Energieeffizienz-Richtwerte. Wenn ein Unternehmen den jeweiligen Richtwert nicht erreicht, unterliegt es strengeren Vorschriften. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass höhere Energietarife gezahlt werden müssen oder es dem Unternehmen verboten wird, zu expandieren”, sagt Yin Ming.

    Insgesamt sind die Emissionen des Industriesektors allerdings noch zu hoch. Der industrielle Endverbrauch hat durch Konjunkturprogramme nach der COVID-Pandemie stark zugenommen. Und während die Elektrifizierung einen Fortschritt bedeutet, verlagert sie derzeit die Emissionen nur: Zwar werden vermehrt Kohlekraftwerke an Industriestandorten (“Captive Power Plants”) abgeschaltet. Doch weil der Industriesektor mehr Strom nachfragt und die Erneuerbaren die höhere Nachfrage noch nicht decken können, steigt der Kohleverbrauch im Energiesektor an – und damit auch die Emissionen.

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    Petersberger Klimadialog: 40 Staaten und COP-Troika am 25. und 26. April in Berlin

    Der 15. Petersberger Klimadialog wird in diesem Jahr am 25. und 26. April in Berlin stattfinden. Das Auswärtige Amt erwartet etwa 40 Ministerinnen und Minister aus wichtigen Staaten zu der informellen Konferenz. Auf ihr werden traditionell die diesjährigen Klimaverhandlungen in Bonn im Juni und im November bei der COP29 im Baku, Aserbaidschan vorbereitet.

    Den Auftakt zum nicht-öffentlichen Austausch machen laut Planung der designierte COP29-Präsident, der aserbaidschanische Umwelt- und Ressourcenminister Mukhtar Babajew und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Im Gespräch sind außerdem Grußworte der Ministerpräsidentin von Barbados, Mia Mottley, und von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom.

    Am zweiten Tag wird Bundeskanzler Olaf Scholz das Treffen besuchen. Er wird gemeinsam mit dem Präsidenten von Aserbaidschan, Ilham Alijew, auftreten. Die traditionelle Rede des deutschen Regierungschefs beim Petersberger Dialog wird in diesem Jahr besonders interessant. Noch vor einem Jahr hatte Scholz aus diesem Anlass das deutsche Versprechen von sechs Milliarden Euro Klimafinanzierung spätestens 2025 bekräftigt. Unter dem Druck der Haushaltslage wird es interessant, ob er diese Aussage wiederholt.

    Vorgesehen sind auch Termine von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Chef des UNFCCC-Sekretariats Simon Stiell und von Entwicklungsministerin Svenja Schulze mit einem Vertreter Kenias. Auch die “Troika” aus Vertretern der Gastgeber von COP28, 29 und 30, Vereinigte Arabische Emirate, Aserbaidschan und Brasilien, soll eine wichtige Rolle spielen. bpo

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    Bericht: Klimaziele von Unternehmen trotz Fortschritten zu niedrig für 1,5-Grad-Ziel

    Keines der 51 untersuchten großen Unternehmen – darunter Adidas, Nestlé, Volkswagen und H&M – hat sich Klimaziele gesteckt, die mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel sind. Im Mittel verpflichten sie sich zu einer Reduktion ihrer Treibhausgase von 30 Prozent bis 2030 gegenüber dem Basisjahr 2019. Das seien 13 Prozentpunkte weniger als nötig, zeigt der jährliche Corporate Climate Responsibility Monitor (CCRM). Dieser wurde vom New Climate Institute und Carbon Market Watch am Dienstag veröffentlicht.

    Zwar sieht der Bericht Fortschritte gegenüber dem Vorjahr. Damals wurden die Klimaziele von zwei Drittel der untersuchten Unternehmen mit “niedriger” oder “sehr niedriger Integrität” bewertet. Seither hätten einige Unternehmen ihre Klimaziele überarbeitet. 18 der 51 Unternehmen verpflichten sich nun einer tiefgreifenden Dekarbonisierung (mehr als 90 Prozent Emissionsreduktion).

    Allerdings würden die meisten Unternehmen weiter “veraltete, intransparente, unklare oder limitierte Emissionsreduktionsziele” angeben. Volkswagen habe etwa seit dem vergangenen Bericht das Ziel für 2025 komplett gestrichen. Teils würden Unternehmen auch auf “falsche Lösungen” setzen: beispielsweise CO₂-Kompensation statt ambitionierter Emissionsreduktion oder CO₂-Speicherung im Stromsektor. Es brauche daher “klare Richtlinien für sektorspezifische Übergangspläne”, fordert Silke Mooldijk vom New Climate Institute.

    Klimaziele von Adidas, Nestlé und Volkswagen mit “niedriger Integrität”

    So haben einige ausgewählte untersuchte Unternehmen abgeschnitten:

    • “Hohe Integrität”: kein Unternehmen
    • “Ausreichende Integrität”: Enel und Iberdrola (beides Energieunternehmen)
    • “Moderate Integrität”: Danone, H&M, Inditex, Mars, Nike, Stellantis, Volvo
    • “Niedrige Integrität”: Adidas, Daimler Truck, Nestlé, Tesco, Volkswagen, Walmart
    • “Sehr niedrige Integrität”: Kepco, Toyota

    Im Bericht wird zudem kritisiert, dass viele Unternehmen ihre Klimaziele von der Science Based Targets-Initiative und ähnlichen freiwilligen Anbietern überprüfen lassen – diese aber teils geschönte Zeugnisse ausstellen würden. lb

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    März: Weltweit zehnter Monat in Folge mit Rekordwärme

    Als zehnter Monat in Folge hat der März 2024 einen neuen Höchststand bei globalen Temperaturen gebracht. Laut Daten des EU-Klimadienstes Copernicus war der März der wärmste aller je gemessenen Märze, mit einer globalen Mitteltemperatur von 14,14 Grad, 0,73 Grad über dem Mittelwert von 1991 bis 2020 – und ganze 1,68 Grad wärmer als in der Zeit vor der Industrialisierung.

    Damit ist der März der zehnte in einer Reihe von Monaten, die jeweils die wärmsten in ihrer Zeitspanne waren. Die globale Mitteltemperatur in den letzten zwölf Monaten lag um 1,58 Grad über der vorindustriellen Zeit – was bedeutet, dass zumindest in dieser Spanne die 1,5-Grad-Grenze überschritten wurde. In Europa lag dieser Wert sogar noch deutlich höher, bei 2,2 Grad. Und zu warm im langfristigen Mittel war es nach Copernicus-Daten auch an der Ostküste Nordamerikas, Grönland, dem östlichen Russland, Mittelamerika, Südaustralien und weiten Teilen von Afrika, Südamerika und der Antarktis. Obwohl sich das El-Niño-Phänomen abschwächt, blieben auch die Luft- und Wassertemperaturen in den Ozeanen ungewöhnlich hoch. bpo

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    • Klimawandel

    Experten warnen vor “extrem aktiver” Hurrikan-Saison

    Fast zwei Dutzend benannte tropische Stürmedarunter elf Hurrikane – sagen Forschende der Colorado State University für die kommende Saison vorher. Sie warnen vor einer “extrem aktiven” Saison im Atlantik. Diese dauert offiziell von Anfang Juni bis Ende November. Im Durchschnitt gibt es jährlich 14 Zyklone, die stark genug sind, dass sie zu benannten tropischen Stürmen werden.

    Die Accumulated Cyclone Energy (ACE) könnte dabei 170 Prozent über dem Durchschnitt liegen. ACE ist eine Einheit, die die Gesamtenergie eines Sturms über seine gesamte Lebensdauer beschreibt. Außerdem ist auch die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass mindestens einer der Stürme die Küste der USA trifft.

    Das hat zwei Gründe: Durch die warmen Oberflächentemperaturen im Atlantikbecken kann der Ozean mehr Energie abgeben, aus der sich Stürme entwickeln. Hinzu kommt, dass vermutlich im zweiten Halbjahr das Wetterphänomen “La Niña” beginnen wird, das Stürme zusätzlich begünstigt. Wirbelsturmvorhersagen im April sind normalerweise nicht besonders sicher, aber aufgrund dieser Faktoren sind die Forschenden “überdurchschnittlich zuversichtlich”, was die Belastbarkeit ihrer Vorhersagen angeht. Wenn die Vorhersagen eintreten, ist es möglich, dass die Liste der 21 vorbereiteten Namen für tropische Stürme das zweite Mal in vier Jahren nicht ausreicht. In diesem Fall würde eine Zusatzliste genutzt werden. kul

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    Illegale Klimagas-Importe trotz EU-Regulierung nicht gesunken

    Große Mengen klimaerwärmender Kältemittelgase, unter anderem aus China und der Türkei, werden illegal nach Europa geschmuggelt. Das geht aus einem Bericht der in London ansässigen Environmental Investigation Agency (EIA) hervor. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich die Menge der illegal importierten teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) seit der letzten Untersuchung 2021 nicht verringert hat – trotz internationaler Abkommen und strengerer EU-Regulierung. Demnach würden die illegal nach Europa geschmuggelten HFKW weiterhin 20 bis 30 Prozent der legal gehandelten Mengen ausmachen. Das entspreche bis zu 30 Millionen Tonnen CO₂.

    HFKW sind Chemikalien, die vor allem für die Kühlung zu Industrie- und Verbraucherzwecken verwendet werden, beispielsweise in Wärmepumpen und Klimaanlagen. Anders als mittlerweile verbotene Kältemittel greifen sie zwar nicht die Ozonschicht an, treiben aber den Treibhauseffekt in der Atmosphäre voran, da sie bis zu mehrere Tausend Mal klimawirksamer sind als CO₂.

    Die verdeckten EIA-Ermittlungen zeigen, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Europäischen Union Schwierigkeiten haben, illegale Lieferungen zu verfolgen. Polen und Bulgarien wurden als Haupteinfallstore für illegale HFKW in die EU identifiziert, wobei die Gase selbst aus China, der Türkei, Russland, der Ukraine und Albanien stammen.

    Hohe Preise bieten Anreiz zum Schmuggel

    Im Rahmen der 2016 in Kigali beschlossenen Änderung des Montreal-Protokolls haben sich europäische und andere Industrieländer verpflichtet, den Einsatz von HFKW bis 2036 um 85 Prozent zu reduzieren. Um den schrittweisen Ausstieg zu ermöglichen, werden in der EU seit 2015 durch die Regulierung von fluorierten Gasen (F-Gasen) HFKW-Herstellern und -Verbrauchern Quoten zugeteilt. Da die Nachfrage jedoch nach wie vor groß ist, hat die Verknappung durch die Regulierung die Preise in die Höhe getrieben und Anreize für Schmuggler geschaffen, heißt es in dem Bericht.

    Die kürzlich beschlossene Überarbeitung der F-Gas-Regulierung habe den Vollzugsbehörden zusätzliche Instrumente zur Bekämpfung des illegalen Handels an die Hand gegeben. “Aber sie werden nur funktionieren, wenn sie schnell und effektiv umgesetzt werden”, sagte Fin Walravens, Klimaexpertin bei der EIA. Die weitere Verknappung von Kältemitteln drohe den Bedarf für illegale HFKW noch weiter zu erhöhen.

    Die EIA fordert die EU-Kommission und alle Mitgliedstaaten auf, die Umsetzung der neuen F-Gas-Verordnung zu priorisieren und die Maßnahmen zur Durchsetzung zu verstärken. “Der illegale Handel mit HFKW verschärft nicht nur den Klimawandel, sondern wird auch mit erheblicher Steuerhinterziehung in Verbindung gebracht”, warnt Walravens. luk

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    Green-Claims-Regeln könnten Carbon Farming schaden

    Die Green-Claims-Richtlinie, über die EU-Parlament und Rat derzeit entscheiden, soll Greenwashing in der Werbung verhindern. Mit Klimaneutralität dürften Produkte demnach zum Beispiel nur noch dann werben, wenn das mit wissenschaftlich ermittelten Daten belegt werden kann. Dazu dürfen allerdings nach der Fassung, für die im Februar das EU-Parlament stimmte, im Regelfall keine CO₂-Kompensationen herangezogen werden.

    Dadurch könnte die Richtlinie einem anderen Klimaschutzvorhaben der EU im Weg stehen: der Förderung von Carbon Farming. Denn dabei sollen Landwirte durch Humusaufbau auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen “CO₂-Entnahmezertifikate” generieren und auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten verkaufen können. Im Februar hatten sich Parlament und Rat im Trilog über das entsprechende “Carbon Removal Certification Framework (CFCR)geeinigt. Die finale Abstimmung im Parlament steht am Mittwoch an.

    Thünen-Institut: Zahlungsbereitschaft für Klimaschutzprojekte könnte sinken

    “Wir sind der Meinung, dass die starke Beschränkung des Einsatzes von CO₂-Gutschriften in der Produktwerbung Landwirte davon abhalten könnte, ins Carbon Farming einzusteigen, weil der Markt für ihre Gutschriften nicht rentabel sein wird”, warnt der EU-Bauerndachverband Copa-Cogeca im Gespräch mit Table.Briefings. Werde der Verkauf von CO₂-Gutschriften auf freiwilliger Basis durch strenge Beschränkungen faktisch verhindert, werde dem Markt ein wirksames Klimaschutzinstrument vorenthalten.

    Auch beim Thünen-Institut rechnet man mit negativen Auswirkungen. “Wenn mit Klimaschutzprojekten im Bereich Carbon Farming nicht mehr so einfach geworben werden kann, wird auch die Zahlungsbereitschaft von Unternehmen zurückgehen, entsprechende Projekte zu finanzieren”, sagt Bernhard Osterburg, Leiter der Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität des Bundesforschungsinstituts, zu Table.Briefings. Die EU setze mit den Beschränkungen “ganz klar eine Bremse ein”.

    Copa-Cogeca sieht Doppelbelastung

    Copa-Cogeca kritisiert die Green-Claims-Richtlinie noch in einem weiteren Punkt: Landwirte, die bereits ein Prüfverfahren durchlaufen haben, um die freiwilligen Umweltpraktiken der GAP einzuhalten, müssten ein weiteres Verfahren für dieselben Sachverhalte absolvieren, um den Vorgaben der Green-Claims-Richtlinie zu genügen.

    Zwar betrifft die Richtlinie in den wenigsten Fällen Landwirte. Doch wenn etwa ein Händler mit einem Green Claim werben wolle, dann müsse die Behauptung auch auf Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs überprüft werden. Der Verband hofft nun, dass seine Kritik in die anstehenden Trilog-Verhandlungen zur Green-Claims-Richtlinie aufgenommen wird. mo

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    Deutschland: Milliarden für Wasserstoff-Kernnetz, Millionen für Bau von Elektrolyseuren

    Bis 2037 soll in Deutschland ein Wasserstoff-Kernnetz von privaten Firmen aufgebaut und vollständig über Gebühren der Nutzer finanziert werden. Darauf hat sich die Bundesregierung am Freitag geeinigt. In den nächsten Wochen könnte das Vorhaben im Bundestag beraten und beschlossen werden. Es geht um Ausgaben von rund 20 Milliarden Euro für ein 10.000 Kilometer langes Netz. 60 Prozent des Netzes könnte über umgewidmete Erdgas-Röhren entstehen, der Rest müsse neu gebaut werden.

    Neuigkeiten zum Thema Wasserstoff gab es am Freitag auch aus Brüssel: Die Bundesregierung darf den Bau von Elektrolyseuren in Deutschland mit 350 Millionen Euro fördern. Die Kommission habe die beihilferechtliche Genehmigung erteilt, teilte die Behörde mit. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager lobte die Fördermittel der Bundesrepublik als wichtigen Schritt für die Entwicklung von erneuerbarem Wasserstoff.

    Angekündigt hatte das Bundeswirtschaftsministerium die Förderung bereits im vergangenen Dezember. Deutschland nutzt für die Ausschreibung der Elektrolyseure als erster EU-Staat die Europäische Wasserstoffbank. Gebote konnten bis zum 8. Februar eingereicht werden, die Auswertung laufe noch, hieß es am Freitag. Mit der bewilligten Summe könnten bis zu 90 Megawatt an Elektrolysekapazität gefördert werden – insgesamt will Deutschland bis 2030 mindestens zehn Gigawatt erreichen. rtr/ber/lb

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    Presseschau

    Faktencheck: Warum die jüngste “Beschleunigung” der globalen Erwärmung den Erwartungen der Wissenschaftler entspricht CarbonBrief
    Analyse: Was neue Tempolimits für die Umwelt bedeuten würden Redaktionsnetzwerk Deutschland
    Analyse: CBAM stellt Deutsche Emissionshandelsstelle vor neue Herausforderungen Energate
    Analyse: Globale Schwemme macht Solarpaneele zu einer Option für Gartenzäune Financial Times
    Analyse: Die KI-Revolution wird ein Segen für die Erdgasindustrie sein, sagen die Chefs fossiler Brennstoffunternehmen Financial Times
    Analyse: New York verklagt die weltweit größte Fleischfabrik The Guardian
    Analyse: Weinregionen in Südamerika leider unter Hitzewelle The Economist
    Analyse: Haben wir bald alle Heuschnupfen? Die Zeit
    Nachricht: Simbabwe ruft Katastrophenzustand wegen Dürre aus Die Zeit
    Reportage: Rhodos als Testlabor für klima- und ressourcenschonenden Tourismus Handelsblatt

    Climate.Table Redaktion

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