Table.Briefing: Climate

Loss/Damage: Daher kommt das Geld + Methan: Chinas schwache Ziele + UK: Vorreiter am Ende

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Klimaschutz gilt eine einfache Rechnung: Um die Klimaziele erreichen zu können, dürfen keine neuen fossilen Projekte mehr gestartet werden und der Ausstieg aus der Produktion von Kohle, Öl und Gas muss schneller gehen.

Doch der Ausstiegspfad ist unklar und steinig. Deshalb schauen wir kurz vor der COP28 genauer hin: Wir berichten davon, wie Großbritannien einen Schritt weg vom Ausstieg macht und Öl und Gas einfacher fördern will. Wir zeigen, welche Staaten die größten Pläne zur Ausweitung der Produktion haben. Außerdem analysieren wir, wie Europa damit ringt, einen Ausweg aus den Fossilen zu finden: Das EU-Parlament fordert, fossile Subventionen zu streichen. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ein großer Teil der weltweit schmutzigsten Projekte zur Förderung von Fossilen wird von europäischen Unternehmen finanziert.

Bernhard Pötter hat zudem recherchiert, aus welchen Quellen sich der Loss and Damage Fonds füllen könnte, dessen Strukturen auf der COP entschieden werden. Und Nico Beckert analysiert kurz vor dem Xi-Biden-Gipfel die neue Methan-Strategie Chinas und was sie für die COP28 und die US-China-Klimakooperation bedeuten könnte.

Bleiben Sie dran.

Beste Grüße

Ihre
Lisa Kuner
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Analyse

Loss and Damage: So kann das Geld für den neuen Fonds fließen

Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht Dörfer an der Küste von Indonesien.

Nachdem sich am vergangenen Wochenende das “Übergangskomitee” der Klimaverhandler auf einen Entwurf für die Struktur des “Loss and Damage Fonds” (LDF) geeinigt hat, rückt jetzt die Frage in den Fokus, woher das Geld für den Fonds stammen könnte. Mehrere hundert Milliarden US-Dollar jährlich könnten über verschiedene Instrumente mobilisiert werden, die etwa von Steuern auf fossile Brennstoffe, einer Abgabe für Fliegen und Schifffahrt, einen globalen CO₂-Preis bis zu Steuermitteln oder einem Abbau von Subventionen reichen. Das geht aus einem aktuellen Bericht der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) hervor.

Nötig: 150 Milliarden – Zugesagt: 300 Millionen

Die bisherigen Mittel für den Ausgleich von “Verlusten und Schäden” (Loss and Damage) in der Klimakrise sind demnach “nicht angemessen“, heißt es dort. 2022 betrugen demnach die Schäden in den Entwicklungsländern 109 Milliarden US-Dollar, darin nicht enthalten waren kleinere Schäden, Verluste durch langsame Prozesse und nicht-ökonomische Verluste.

Insgesamt nimmt die UNCTAD “Schäden und Verluste” von etwa 435 Milliarden US-Dollar für 2020 und 580 Milliarden für 2030 an. Darin nicht enthalten sind die Kosten für Pandemiefolgen und Inflation, der Betrag kann also noch deutlich höher liegen. Die UNCTAD schlägt deshalb vor, den LDF mit anfänglich 150 Milliarden US-Dollar zu füllen und ihn 2030 auf 300 Milliarden anwachsen zu lassen. Das Geld solle vor allem als Zuschüsse, nicht als Kredite fließen. Bislang sind von den Industrieländern nur Mittel in Höhe von etwa 300 Millionen US-Dollar zugesagt.

Finanzierungsvorschläge

Versicherungslösungen, die es bereits teilweise gibt, nennt der Bericht “unzureichende Instrumente”. Stattdessen listet er die möglichen Geldquellen für den LDF auf:

  • Ein Auslaufen der fossilen Subventionen, vor allem in den Industrieländern: Im letzten Jahrzehnt betrugen diese Staatshilfen weltweit 527 Milliarden US-Dollar jährlich, allein in den G20-Staaten waren es 215 Milliarden. Ein Ende dieser Staatshilfen würde gleichzeitig den Ausstieg aus den Fossilen beschleunigen und Erneuerbare attraktiver machen.
  • Eine CO₂-Abgabe auf Schiffstreibstoffe in Übereinstimmung mit den Netto-Null-Plänen der UN-Schifffahrtsorganisation IMO könnte 60 bis 80 Milliarden US-Dollar für 2030 bringen.
  • Eine Steuer auf die Produktion fossiler Brennstoffe, wie von Umweltgruppen gefordert, könnte bei einem Aufpreis von sechs US-Dollar pro Tonne CO₂ insgesamt 150 Milliarden liefern.
  • Eine Steuer auf Finanztransaktionen würde weltweit jährliche Einnahmen zwischen circa 240 und 420 Milliarden US-Dollar garantieren.
  • Eine Abgabe für Flugpassagiere von zwei Prozent des Ticketpreises könnte etwa 17 Milliarden US-Dollar jährlich erbringen.
  • Das Abschöpfen von “Zufallsgewinnen” der Öl-, Gas- und Kohleindustrie könnte 300 Milliarden US-Dollar jährlich einbringen, wenn die Gewinne der Industrie mit zehn Prozent besteuert würden. Im Schnitt betrugen die Profite der Energieunternehmen von 1970 bis 2020 jährlich eine Billion US-Dollar.
  • Durch eine Umwidmung von zwei Prozent der IWF-Sonderziehungsrechte der Industriestaaten könnte außerdem Kapital in Höhe von 11,6 Milliarden US-Dollar mobilisiert werden.
  • Eine Anhebung der staatlichen Entwicklungshilfe in den Industrieländern auf die schon lange zugesagte Quote von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung brächte 193 Milliarden US-Dollar zusätzliches Geld.

Welche Vorschläge sind realistisch?

Von wem die Vorschläge stammen, wer von ihrer Umsetzung betroffen wäre, was sie für die nationalen Volkswirtschaften bedeuten würden und wie gezielt sie für den LDF eingesetzt werden könnten, ist sehr unterschiedlich. Deshalb gibt der Report auch eine eigene Bewertung ab, wie realistisch die unterschiedlichen Ideen sind:

Fonds: Dominiert von Entwicklungsländern, verwaltet von der Weltbank

Am Wochenende hatte sich das “Übergangskomitee” (TC) nach langen und schwierigen Verhandlungen in einer außerplanmäßigen fünften Sitzung auf einen Entwurf für die Strukturen des LDF geeinigt. Nachdem es lange an Details etwa zur Stellung des Fonds gehakt hatte, sieht der Beschluss nun vor:

  • Den LDF für zunächst vier Jahre organisatorisch bei der Weltbank anzusiedeln. Allerdings soll sichergestellt werden, dass arme Länder dadurch nicht benachteiligt werden und ungehindert Zugang zu den Leistungen haben. Alle vier Jahre soll die COP das Konstrukt begutachten.
  • Der Fonds soll ein Sekretariat bekommen. Wo es anzusiedeln ist, bleibt vorerst offen. Für die Einrichtung des Fonds sollen die Industrieländer zahlen.
  • Der LDF soll von einem 26-köpfigen Aufsichtsrat geführt werden, bei dem die Entwicklungsländer mit 14 Sitzen die Mehrheit haben. Aber nicht-staatliche Gruppen sitzen nicht in dem Gremium, dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
  • Wer den Fonds mit Geld auffüllt, bleibt offen. An der entscheidenden Stelle im Text heißt es, die COP “heißt die Angebote von XXX willkommen, zum Fonds beizutragen.” Allerdings werden die Industrieländer “gedrängt”, weiter für Loss and Damage zu zahlen – und “andere Parteien” werden “ermutigt, auf freiwilliger Basis” Unterstützung zu leisten. Damit ist die Formulierung über die sonst übliche Konzentration nur auf die Industrieländer aufgeweitet. Auch die ursprünglich von Entwicklungsländern geforderten 100 Milliarden US-Dollar als Inhalt des Fonds wurden nicht festgeschrieben. Ebenso fehlt das Kriterium der Beachtung der Menschenrechte.
  • Zugang zu den Geldern des Fonds haben alle Entwicklungsländer. Allerdings wurden Passagen eingebaut, die einen Mindestbetrag für die am wenigsten Entwickelten und die kleinen Inselstaaten reservieren. Hilfen für andere Länder werden gedeckelt und von ihren Kapazitäten abhängig gemacht, sich selbst zu helfen.

Unklare Haltung der USA

Der designierte COP-Präsident Sultan al Jaber zeigte sich erleichtert: Die “klare und starke Empfehlung” des Komitees bereite den Weg für einen Erfolg der COP28. Für die “Loss and Damage Collaboration” von Gruppen der Zivilgesellschaft dagegen erfüllt der Text nicht die Erwartungen. Er zeige “Business as Usual” oder eher “Vermeidung wie gewöhnlich“, wo es um fehlende Geldzusagen der reichen Länder gehe.

Unklarheit gab es über die Rolle der USA. Deren Verhandlerin hatte den Raum verlassen, als der Beschluss gefasst wurde. Später erklärte sie deshalb, es sei “kein Papier im Konsens” entschieden worden. Beobachter werten das als politischen Schachzug der Biden-Administration: So haben die USA den Fonds nicht verhindert. Gleichzeitig aber kann Biden sich in den USA beim unpopulären Thema von Kompensationszahlungen an den Globalen Süden vom Fonds distanzieren. Der hart erarbeitete Konsens soll nun auf der COP28 in Dubai dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt werden.

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China: Schwacher Methan-Plan als Auftakt der COP-Diplomatie

Sie sprechen wieder miteinander und China zeigt guten Willen. Was nach wenig klingt, könnte für die anstehende Klimakonferenz in Dubai von großer Relevanz sein. Die Klimagesandten der USA und Chinas, John Kerry und Xie Zhenhua, haben in den letzten Tagen den APEC-Gipfel in Kalifornien (11.-17. November) vorbereitet, auf dem sich die Präsidenten Joe Biden und Xi Jinping treffen werden. Die Veröffentlichung der chinesischen Methan-Strategie kurz nach dem Kerry-Xie-Treffen gilt als wichtiges Zeichen.

Die Reduktion der Methan-Emissionen war immer wieder Thema zwischen den Klimasupermächten. Auf der COP26 in Glasgow 2021 einigten sich beide Staaten auf mehr Anstrengungen zur Reduktion des kurzlebigen, aber sehr klimaschädlichen Methans – damals sagte China die Entwicklung einer Methan-Strategie zu. In Sharm el-Sheikh, auf der COP27, sprach Xie überraschend vor einem Ministerial Meeting des Global Methane Pledge, den China nicht mitträgt. Die Veröffentlichung der chinesischen Methan-Strategie könnte den Ball auch bei anderen Themen ins Rollen bringen. Sie wurde von COP-Präsident Al Jaber als “ein entscheidender Schritt für globale Klimaschutzmaßnahmen” begrüßt.

Chinas Methan-Plan: Viele “weiche Ziele”, nichts Konkretes

China ist der weltweit größte Methan-Emittent. Das Land stößt fast doppelt so viel Treibhausgas aus wie die USA oder Indien. Das Klimagas ist auf 20 Jahre betrachtet 80 Mal schädlicher als CO₂. Seine Reduktion gilt deshalb als “schnellste Möglichkeit, die globale Erwärmung sofort zu verlangsamen”, schreibt der Environmental Defense Fund.

Chinas Methan-Plan liegt als Entwurf schon seit gut einem Jahr unveröffentlicht in den Schubladen des chinesischen Umweltministeriums. Allerdings herrschte seit Xies Aussagen dazu im November 2022 Funkstille. Es wurde nicht mal ein “nennenswerter Kommentar” zu dem Plan veröffentlicht, kritisiert ein Analyst gegenüber Table.Media.

Der jetzt vorgelegte Plan ist allerdings nicht sehr ehrgeizig:

  • Der Plan setzt keine messbaren Ziele zur Reduktion der Methan-Emissionen Chinas fest.
  • China will das Methan auffangen und als Energieträger nutzen: Beispielsweise soll weniger Grubengas aus Kohleminen in die Atmosphäre gelangen. Stattdessen sollen bis 2025 sechs Milliarden Kubikmeter Grubengas energetisch genutzt werden. Bisher gab es jedoch “noch keinen systematischen Ansatz, um die Methan-Emissionen von Kohleminen zu verringern“, sagte Cory Combs, Energie- und Klimaexperte der Beratungsfirma Trivium China schon im Sommer zu Table.Media. Schon in den letzten 15 Jahren konnten die selbstgesteckten Ziele zum Auffangen von Methan im Kohlesektor nicht erreicht werden.
  • Auch soll der Methan-Ausstoß der Gas- und Ölindustrie kontrolliert werden. Das Ablassen von Methan soll verringert werden und Methan genutzt oder verbrannt werden (“flaring”). Hier will China “internationale Standards” erreichen, ohne jedoch ins Detail zu gehen.
  • In der Landwirtschaft und im Abfallbereich sollen die Methan-Emissionen ebenfalls gesenkt werden. Allerdings fehlen auch hier konkrete und nachprüfbare Zielmarken.

“Weiche Ziele” oder ein Schritt in die richtige Richtung?

“Die im Plan genannten Ziele sind zu mehrdeutig und enthalten hauptsächlich beschreibenden Text”, sagt Yan Qin, Energieexpertin der Analysefirma Refinitiv zu Reuters. Auch der Analyst Lauri Myllyvirta kritisiert die “weichen Ziele” des Plans. Der Plan besage lediglich, dass China die Einrichtung eines Systems zur Messung, Meldung und Überprüfung von Methan “prüfen” oder “anstreben” werde, schreibt der Analyst des Centre for Research on Energy and Clean Air auf X. Klare Zusagen und ein Zeitplan fehlten, kritisiert er.

Zhang Kai, stellvertretender Programmdirektor im Pekinger Büro von Greenpeace Ostasien, sieht den Plan allerdings als “positiven Schritt, um die Methan-Emissionen zu senken”, wie er auf X schreibt. Die Kontrolle von Methan-Emissionen im Kohlesektor müsse priorisiert werden, schreibt Zhang.

China steht bei der Reduktion der Methan-Emissionen vor großen Herausforderungen, da ein Großteil der Emissionen aus dem Kohlesektor kommt. Diese Emissionen sind schwieriger zu kontrollieren als im Gas- und Ölsektor. Allerdings spielen bei Chinas Methan-Plänen nicht nur wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Das Land will sich nicht von den USA zu mehr Klimaengagement drängen lassen – zu groß wäre der Gesichtsverlust vor dem heimischen Publikum, wenn der große Systemrivale konkrete Ziele und Pläne einfordern könnte. Doch China ist sehr stark vom Klimawandel bedroht. Es liegt also im eigenen Interesse des Landes, die Emissionen zu senken.

Al Jaber verfolgt schwache Methan-Ziele auf COP

Auch COP-Präsident Sultan Al Jaber hat sich die Reduktion der Methan-Emissionen auf die Fahne geschrieben. Doch ein von ihm vorgeschlagener Vorstoß trifft auf viel Kritik. Al Jaber möchte die großen Öl- und Gasproduzenten in der sogenannten Oil and Gas Decarbonisation Alliance (OGDA) zusammenbringen. Sie sollen die Methan-Emissionen, die bei Produktion und Beförderung der fossilen Rohstoffe entstehen, bis 2030 auf “fast null” senken. Bisher befänden sich mehr als 20 Unternehmen in Gesprächen, um der OGDA beizutreten, sagt Al Jaber der Financial Times.

Allerdings ist die OGDA-Allianz keine neue Idee. Schon in der Vergangenheit wurden ähnliche Allianzen verkündet. Schon 2022 haben Unternehmen die “Aiming for Zero Methane Emissions Initiative” ins Leben gerufen. Auch sie hat das Ziel, die Methan-Emissionen des Sektors (Scope 1 und 2) bis 2030 auf “nahe Null” zu senken. Und im selben Jahr schlossen sich die USA, Kanada, Saudi-Arabien, Norwegen und Katar zum “Net Zero Producers Forum” zusammen, um die Treibhausgasemissionen des Sektors zu senken.

Allerdings machen die Methan-Emissionen in der Lieferkette von Öl- und Gasfirmen nur einen kleinen Teil der Treibhausgase dieses Sektors aus. Der größte Anteil entsteht beim Verbrennen der Rohstoffe. Diese sogenannten Scope 3-Emissionen sind von der OGDA nicht erfasst. Und die VAE und andere Staaten wollen die Produktion fossiler Rohstoffe massiv ausweiten (siehe “Klima in Zahlen”). Beobachter bezeichnen die OGDA deshalb auch als Vorhaben ohne klare Ziele und mit viel Intransparenz.

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Großbritannien: Mehr Öl und Gas, Klimaziele verschoben

Protest gegen die Pläne der Regierung im September.

Vor zwei Jahren positionierte sich Großbritannien als Gastgeber der COP26 in Glasgow als globaler Klimavorreiter. Seit Boris Johnson im Juni 2023 aus dem Amt des britischen Premierministers ausgeschieden ist, haben seine Nachfolger allerdings Rhetorik und Maßnahmen zum Klimaschutz abgeschwächt. Diese Tendenz setzt sich fort. Am Dienstag, nur wenige Wochen vor der COP28, verlas König Charles bei der Eröffnung der neuen britischen Legislaturperiode die Pläne der Regierung für Öl- und Gasbohrlizenzen in der Nordsee.

2021 stellte die Internationale Energieagentur vor der COP26 klar, dass jede neue Öl- und Gasexpansion nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sei. In der Konsequenz trug Großbritannien als COP-Gastgeber dazu bei, dass in einem globalen Klimaabkommen erstmals erwähnt wurde, ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sei nötig. Doch nur wenige Monate später diskutierte die britische Regierung bereits über neue Öl- und Gaslizenzen in der Nordsee im “Schnellverfahren”.

Neue Lizenzen waren auch bisher immer möglich

Diese Tendenz gipfelt nun in der neuen Gesetzgebung, die der König in dieser Woche angekündigt hat. Sie wird es ermöglichen, jedes Jahr neue Lizenzvergaberunden für Öl und Gas aus der Nordsee abzuhalten. In Wirklichkeit ändert diese Ankündigung allerdings nicht viel. Auch bisher waren die Minister nicht daran gehindert, jährliche Genehmigungsrunden für neue Öl- und Gasförderungen in der Nordsee abzuhalten. Jess Ralston, Leiterin des Bereichs Energie bei der Denkfabrik Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU), bezeichnete die Änderungen bei den Nordsee-Lizenzen als “politisches Theater”. Das Ganze werde weder dem Klima noch den Energierechnungen der Bürger zugutekommen. 

Labour-Oppositionsführer Keir Starmer, der sich im Falle seiner Wahl bei den nächsten Parlamentswahlen verpflichtet hat, keine neuen Explorationslizenzen zuzulassen, sagte: “Das ist ein Gesetzentwurf, von dem jeder im Energiesektor weiß, dass es sich um eine politische Spielerei handelt. Selbst der Energieminister gibt zu, dass es niemanden auch nur einen einzigen Penny kosten wird.” Tatsächlich sagte die britische Energieministerin Claire Coutinho, dass die Genehmigung von mehr Öl- und Gaslizenzen “nicht unbedingt zu einer Senkung der Energierechnungen führen würde”.

Keine Hilfe gegen hohe Energiekosten

Ralston sagte, das sei ein doppelter Schlag für die britischen Steuerzahler. Weil mehr Öl und Gas die Rechnungen nicht senken würden, und zusätzlich die Streichung der Standards für die Isolierung von Häusern durch private Vermieter bestätigt wurde. “Es hat den Anschein, dass die Regierung sich fest auf die Seite der Vermieter stellt und nicht auf die der Mieter. Das ist ein harter Schlag für diejenigen, die immer noch mit den hohen Energierechnungen zu kämpfen haben”, kommentierte sie.

Die Absenkung der Standards zur Wärmedämmung ist eine der Maßnahmen, die Sunak im September angekündigt hatte. Sie schwächen die bisherigen Klimaziele ab, sollen aber das Netto-Null-Ziel bis 2050 nicht gefährden. Dazu gehörte auch die Verschiebung des Termins, zu dem neue Autos mit Verbrennungsmotoren verboten werden sollen. In Sunaks September-Rede wurde auch das 2035 geltende Verbot für neue Gasheizungen gelockert. Es gibt nun neue Ausnahmen für ärmere Haushalte und einen neuen Zuschuss in Höhe von 7.500 britischen Pfund, wenn ein alter Gaskessel durch einen neuen ersetzt wird.

“Die Behauptung, dass wir durch die Förderung von Öl und Gas zum Nulltarif kommen, ist so, als ob man ein Feuer mit einer Zapfsäule löschen würde”, kommentierte Leo Murray. Er ist Co-Direktor der Klimaschutzorganisation Possible. “Wir wissen, dass dies weder die Rechnungen senken noch die Energiesicherheit verbessern wird – nur rasche Investitionen und der Ausbau der erneuerbaren Energien werden die Aufgabe erfüllen.”

Trotz mehr Gasförderung abhängig vom Import

Selbst wenn man die umstrittene Frage der neuen Lizenzen beiseite lässt, sagt die Energiebehörde North Sea Oil and Gas Transition Authority voraus, dass die Förderung aus dem Nordseebecken rückläufig ist. Sie geht davon aus, dass die jährlich zur Förderung verfügbare Gasmenge in Großbritannien bis 2040 um 85 Prozent sinken wird. Das heißt: Wenn die Nachfrage auf dem heutigen Niveau bleibt, müssten dann 90 Prozent des Gases importiert werden, so ECIU.

“Einfach ausgedrückt: Wenn wir unseren Gasverbrauch nicht durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Isolierung von Häusern und die Umstellung auf elektrische Wärmepumpen senken, werden wir zunehmend von Gasimporten aus dem Ausland abhängig werden. Aber bei allen drei Maßnahmen gibt es nur langsame Fortschritte”, meint Alasdair Johnstone von ECIU.

Warnung: Das Land verpasst die grüne Wirtschaft

Paweł Czyżak, Analyst bei dem gemeinnützigen Energieunternehmen Ember, ist der Auffassung, die Ankündigung der Öl- und Gaslizenzen sei ein weiteres Zeichen dafür, dass “das Vereinigte Königreich zurückfällt, während der Rest der Welt auf die Vorteile einer grünen Wirtschaft zusteuert”.

Czyżak warnt: “Verwirrende Signale in Bezug auf Netto-Null-Emissionen riskieren Auswirkungen auf die führenden grünen Industrien Großbritanniens, einschließlich des Energiesektors. Denn Investoren verlieren das Vertrauen in den zunehmend verwirrenden Ansatz der Regierung”.

Im September kündigte die Regierung außerdem an, das britische Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselautos von 2030 auf 2035 zu verschieben. Das hat den Unmut der Autohersteller erregt, die massiv in Elektrofahrzeuge investiert haben. Lisa Brankin, Vorsitzende von Ford UK, sagte: “Vor drei Jahren kündigte die Regierung an, dass das Vereinigte Königreich ab 2030 auf den Verkauf von Elektroautos und -transportern umsteigen wird. Die Autoindustrie investiert, um diese Herausforderung zu meistern”. Ford hat weltweit 50 Milliarden US-Dollar investiert, um eine neue Palette von Elektroautos und -transportern auf den Markt zu bringen.

Es bleibt jedoch abzuwarten, wie stark sich die Verzögerung auswirken wird. Die Regierung bestätigte nämlich, dass ihr Mandat für emissionsfreie Fahrzeuge bestehen bleibt. Dieses Mandat besagt, dass ab Januar 2024 22 Prozent der in Großbritannien verkauften Fahrzeuge elektrisch sein sollen, was bis 2030 auf 80 Prozent ansteigen soll. Hersteller, die dieses Ziel nicht erreichen, können mit einer Geldstrafe von bis zu 15.000 britischen Pfund (ca. 17.200 Euro) pro Fahrzeug belegt werden.

Ganz allgemein hat sich Sunak gegen den sogenannten “Krieg gegen Autofahrer” ausgesprochen. Auf dem Parteitag der Konservativen im Oktober versprach der Premierminister, er wolle die Einführung von 20-Meilen-Tempolimits und von Umweltzonen begrenzen. Allerdings enthielt die aktuelle Rede des Königs keine diesbezüglichen Gesetzesvorschläge.

CCC zur Klimapolitik: Fortschritte konterkariert

Sunak hat seine Teilnahme an der COP28 zugesagt und besteht darauf, dass das Vereinigte Königreich auf dem Weg zum Netto-Null-Emissionshandel ist. Allerdings ist das “Climate Change Committee”, das wichtigste Beratungsgremium zu dem Thema, davon nicht überzeugt. Im Juni äußerte der Ausschuss gegenüber dem Parlament Bedenken hinsichtlich des Tempos der Veränderungen, die erforderlich sind, um die Klimaziele Großbritanniens zu erreichen. Seitdem hat es “greifbare positive politische Fortschritte” gegeben, wie das Mandat für emissionsfreie Fahrzeuge, sagte Piers Forster, der Vorsitzende des Ausschusses, im Oktober.

“Aber der Premierminister hat auch wichtige Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Gebäuden und Verkehr gelockert und der Wirtschaft und dem internationalen Publikum signalisiert, dass er dem Vereinigten Königreich mehr Zeit für den Übergang zu sauberen Schlüsseltechnologien einräumen wird”, so Forster. Diese Schritte hätten jedoch die positiven Fortschritte anderer Ankündigungen konterkariert.

Dem Ausschuss zufolge gibt es für etwa ein Fünftel der erforderlichen Emissionsreduzierungen bis 2030 Pläne, die er für “unzureichend” hält. Forster forderte die Regierung auf, “in der entscheidenden Zeit vor der COP28 eine starke britische Führungsrolle beim Klimawandel zu bekräftigen”. Die Ankündigung neuer Öl- und Gaslizenzen wird wahrscheinlich nicht als angemessene Antwort auf diese Forderung angesehen. Daran ändert auch die gleichzeitige Zusage, “ein Rekordniveau an Investitionen in erneuerbare Energiequellen anzustreben und Netzanschlüsse zu reformieren” aus der Rede des Königs wenig. Philippa Nutall-Jones

  • Großbritannien
  • Netto-Null-Ziele

Termine

9. November, 14.30 Uhr, Online
Webinar Responding to the Climate Crisis in Times of Uncertainty: A Clarion Call for Climate Leadership
Auf dem Webinar des World Resources Institute (WRI) wird darüber diskutiert, wie Klima-Leadership zu einem positiven Ausgang der COP beitragen kann.  Infos

13. bis 17. November, Jahor, Malaysia
Konferenz Asia Pacific Climate Week 2023
Die Asia Pacific Climate Week 2023 gehört zu den regionalen Klimakonferenzen, die im Vorfeld der COP als Vorbereitung für den Global Stocktake stattfinden.  Infos

13. bis 14. November, Berlin
Kongress dena Energiewendekongress 2023
Der Kongress der Deutschen Energie-Agentur (dena) findet in diesem Jahr unter dem Motto “Konsequent umsetzen – gemeinsam” statt. Bei der Veranstaltung geht es branchenübergreifend um Energiewende und Klimaschutz. Infos

14. bis 16. November, San Francisco
Gipfeltreffen APEC CEO Summit
Das Jahrestreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) bringt Führungskräfte aus der Region zusammen. Das Motto ist in diesem Jahr “Creating Economic Opportunity”.  Infos

15. November, 11.30 Uhr, Brüssel/Online
Seminar Wind Power Package – Winds of Change?
In ihrer Rede zur Lage der Union 2023 betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die entscheidende Rolle der Windindustrie bei der Umsetzung des EU-Green-Deals, wies aber auch darauf hin, dass die Branche vor besonderen Herausforderungen steht. Bei der Diskussion von EURACTIV geht es um das Wind Power Package und die Frage, wo die EU beim Ausbau von Windkraft steht.  Infos

15. November, 9.30 Uhr, Berlin
Konferenz Konferenz zu Geschäftsmodellen für Windparks am Ende der Förderdauer
Das Deutsch-französische Büro für die Energiewende (DFBEW) veranstaltet seine nächste Wind-Konferenz zum Thema “Geschäftsmodelle für Windparks am Ende der Förderdauer: Weiterbetrieb, Repowering oder Rückbau?”. Sie findet im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Berlin statt.  Infos

16. November, 9 Uhr, Berlin
Forum Energate-Forum: Energieinfrastruktur im Wandel
Bei dem Forum von Energate treffen sich Policy-Maker aus der Energiewelt. Im Fokus stehen die Rollen von Gas- und Stromnetzen für die Energiewende.  Infos

16. November, 9 Uhr, Brüssel
Seminar Combatting Energy Poverty in Europe
Das European Economic and Social Commitee diskutiert in Brüssel über Energiewende und Energiearmut. Infos

16. bis 17. November, Berlin
Konferenz Kommunale Klimakonferenz 2023
Am 16. und 17. November 2023 sind Akteure des kommunalen Klimaschutzes zur Kommunalen Klimakonferenz 2023 nach Berlin eingeladen, um sich über Neuigkeiten aus der Community zu informieren. Im Fokus der diesjährigen Konferenz steht das Thema “Klimakommunikation”. Infos

16. November 2023, 15 Uhr, Online
Webinar Hydrogen Emissions – What Implications for the Green Transition?
Auf dem Event von EURACTIV geht es um Emissionen aus dem Wasserstoffsektor und wie sie am besten gemanagt werden können. Außerdem geht es um technologische Entwicklungen in dem Sektor. Infos

News

Klima in Zahlen: Staatliche Pläne für Fossile torpedieren 1,5-Grad-Ziel

Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA und zahlreiche andere Produzenten fossiler Rohstoffe wollen die Förderung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ausweiten. Das geht aus dem Global Production Gap Report hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach wollen die 20 untersuchten Produzentenländer die Kohleförderung noch bis zum Jahr 2030 steigern und die Öl- und Gasförderung sogar bis mindestens zum Jahr 2050.

Die Regierungen planen, im Jahr 2030 etwa 110 Prozent mehr fossile Brennstoffe zu produzieren, als es mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad vereinbar wäre, so die Studie. Sie wurde von mehr als 80 Experten aus 30 Staaten und von den Organisationen Stockholm Environmental Institute (SEI), Climate Analytics, E3G, IISD und UNEP herausgegeben.

Vor allem Investitionen in neue Kohleprojekte könnten zu verlorenen Vermögenswerten (Stranded Assets) werden, warnen die Studienautoren. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) erreicht die Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas bis spätestens zum Jahr 2030 einen Höhepunkt. Die Nachfrage nach Kohle werde danach stark sinken. Allerdings bleibe die Nachfrage nach Öl und Gas laut IEA-Szenario bis 2050 auf einem konstant hohen Niveau.

64 Milliarden US-Dollar Subventionen

Die Autoren und Autorinnen des Global Production Gap Reports kritisieren:

  • Eine große Diskrepanz zwischen politischen Zielen und der Realität: 17 der 20 untersuchten Staaten hätten sich zwar Netto-Null-Ziele gesetzt und nähmen teilweise an Initiativen zur Reduktion der Emissionen aus der Förderung teil. Doch kein Staat verfolge Maßnahmen, um die Kohle-, Öl- und Gasförderung zu senken.
  • Die politische und finanzielle Unterstützung der Kohle-, Öl- und Gasförderung. Im Jahr 2021 hätten die Staaten 64 Milliarden US-Dollar an Subventionen ausgezahlt, 17 Prozent mehr als im Jahr 2019.
  • Erdgas werde als Übergangsbrennstoff bezeichnet, aber es gäbe keine Pläne für einen späteren Erdgasausstieg. China und die USA wollten ihre Kohleförderung senken, investieren dafür aber massiv in die Gasproduktion.

Der Bericht zeigt, wie schwierig eine Einigung auf ein Auslaufen der fossilen Energien bei der anstehenden Klimakonferenz (COP28) wird. Die Autoren warnen vor großen “Risiken und Unklarheiten” bei Technologien zum Abscheiden und Speichern von CO₂ (CCS). Deswegen sollten sich die Staaten auf der COP auf einen “nahezu vollständigen Ausstieg aus der Nutzung und Förderung von Kohle bis 2040” und eine Reduktion der Öl- und Gasproduktion und -nutzung um 75 Prozent bis 2050 einigen. nib

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Forscher: 2023 mit “großer Sicherheit” heißestes Jahr

Das Jahr 2023 ist mit “großer Sicherheit” das heißeste Jahr seit Datenaufzeichnung. Das geht aus Daten des Copernicus Climate Change Service (C3S) hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurden. Demnach lagen die Durchschnittstemperaturen in den ersten zehn Monaten 1,43 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). “Wenn wir unsere Daten mit denen des IPCC kombinieren, dann können wir sagen, dass dies das wärmste Jahr der letzten 125.000 Jahre ist”, sagte Samantha Burgess stellvertretende Direktorin von C3S gegenüber Reuters.

Auch der Oktober 2023 war ein Rekordmonat. Die durchschnittliche Temperatur lag bei 15,3 Grad. Der bisherige Rekord aus dem Oktober 2019 wurde um 0,4 Grad übertroffen – der Oktober-Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 um 0,9 Grad. Das El Niño-Phänomen ist in diesem Jahr demnach schwächer als in den Jahren mit historisch starkem El Niño (2015 und 1997). Auch die globale durchschnittliche Meerestemperatur zwischen 60 Grad nördlicher und 60 Grad südlicher Breite lag im Oktober auf Rekordniveau (20,79 Grad). nib

  • Klimakrise

Bericht: EU-Unternehmen finanzieren ein Viertel der “Kohlenstoffbomben”

Mindestens 107 der 425 weltweit größten Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe werden von in der EU ansässigen Unternehmen wie Total Energies, Shell, RWE und ENI betrieben oder von großen europäischen Banken finanziert. Dies zeigt ein Bericht, der am Dienstag von CAN Europe, Friends of the Earth Europe und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht wurde. Sie fordern rechtlich verbindliche Klimaziele für Unternehmen und den EU-Finanzsektor im EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD).

Die 425 als “Kohlenstoffbomben” bekannten Projekte wurden 2022 in einer Studie identifiziert. Sie haben das Potenzial, jeweils mehr als eine Gigatonne Kohlendioxid (GtCO₂) freizusetzen. Laut dem IPCC-Forschungsstand beträgt das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, etwa 500 Gigatonnen Kohlendioxid. Für ein Zwei-Grad-Szenario sind es 1.150 Gigatonnen.

Sorgfaltspflichtengesetz soll Unternehmen zu Übergangsplänen verpflichten

Die Beteiligung von EU-Unternehmen und Banken an diesen Projekten untergrabe das Ziel der EU, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, da ein großer Teil der Emissionen als Scope-3-Emissionen in die EU zurückgelange, heißt es in dem Bericht. Allein die prognostizierten Gesamtemissionen der 107 mit der EU verbundenen Projekte betragen nach der Gewinnung und Verbrennung 334 Gigatonnen Kohlendioxid. Dies sei das 17-fache der Emissionen, die die EU bis 2030 ausstoßen dürfe.

Zu den genannten Projekten gehört das Athabasca Ölsand-Projekt in Kanada, an dem sich mindestens 15 Unternehmen aus der EU als Investoren beteiligen, darunter BNP Paribas, Shell plc und Total Energies SE. Daneben zählt der Bericht weitere Öl- und Gasfelder in Libyen, Kasachstan, Norwegen und Argentinien auf.

Die NGO fordern, die entsprechenden Projekte zu stoppen. Die Tatsache, dass die Mehrheit dieser Projekte außerhalb Europas angesiedelt ist, dürfe nicht als Entschuldigung für Untätigkeit dienen. Darüber hinaus fordern sie, eine Verpflichtung für Unternehmen in der EU, glaubwürdige Übergangspläne mit konkreten und absoluten Emissionsminderungszielen im Einklang mit dem Pariser Abkommen im EU-Sorgfaltspflichtengesetz festzulegen.

Das Sorgfaltspflichtengesetz wird zurzeit in Brüssel verhandelt. Anders als die EU-Kommission und der Rat fordert das Parlament ebenfalls Klimaübergangspläne für Unternehmen. Am 22. November findet das nächste hochrangige Trilog-Treffen statt. Nach Informationen von Table.Media könnte es bei diesem Treffen oder spätestens Anfang Dezember zu einer Einigung kommen. leo

  • Europa
  • Fossile Brennstoffe
  • Klimapolitik

EU-Parlament fordert Subventions-Stopp für Fossile für 2025

Mit großer Mehrheit hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments am Dienstag eine Resolution mit den Forderungen der Abgeordneten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Monats (COP28) angenommen. Darin plädieren sie für ein Ende der direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene. Das Ende der finanziellen Förderung solle “so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 2025” umgesetzt werden. Auch die Mitgliedstaaten wollen sich in Dubai für ein Ende der Subventionen für Fossile einsetzen. Sie legten jedoch in ihrem Verhandlungsmandat keine Jahreszahl fest.

Die Umwelt- und Klimapolitiker der EU fordern zudem, dass der Fonds für Verluste und Schäden (Loss and Damage) in Dubai einsatzbereit gemacht wird. Dafür sollen alle großen Emittenten, einschließlich der EU-Staaten, Gelder für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder bereitstellen. Darüber hinaus unterstützt sie ein globales Ziel für die Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 und fordern einen “greifbaren Ausstieg aus fossilen Brennstoffen so bald wie möglich”.

An den internationalen Klimaverhandlungen auf der COP28 nimmt eine Delegation aus Europaabgeordneten als Beobachter teil. Verhandelt wird jedoch im Kreise der Staaten, weshalb die Position des Parlaments lediglich den Charakter eines Appells hat. In Dubai wollen die MEPs jedoch erstmals auch an den täglichen Koordinierungstreffen der EU-Länder teilnehmen, in denen verhandlungsstrategische Entscheidungen während der COP getroffen werden. Die Resolution muss im Novemberplenum (20. bis 23. November) noch bestätigt werden. luk

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Größter öffentlicher US-Pensionsfonds verdoppelt Klimainvestitionen

CalPERS, der größte öffentliche Pensionsfonds der USA, will bis 2030 weitere 53 Milliarden US-Dollar in die Energiewende stecken. Damit würden sich die klimafreundlichen Investitionen des Pensionsfonds der öffentlich Beschäftigten in Kalifornien auf 100 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Gleichzeitig sollen Aktien von Unternehmen verkauft werden, die “keinen glaubwürdigen Netto-Null-Plan” für Emissionen vorlegen. Ziel ist es, die “Emissionsintensität” des Portfolios zu halbieren, so die neuen Richtlinien.

“Wir glauben, dass der Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft viele Chancen bietet”, sagte Peter Cashion, Head of Sustainable Investment bei CalPERS, Ende letzter Woche gegenüber der Presse. Der nun eingeschlagene Weg würde die Klimaziele mit der Verpflichtung zur Maximierung der Renditen des Pensionsfonds in Einklang bringen. Das California Public Employees’ Retirement System verwaltet die Pensionsbeiträge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Kalifornien. Das Gesamtvolumen des Fonds beläuft sich auf mehr als 450 Milliarden US-Dollar.

Freiwilligkeit statt Divestment-Gesetz

Mit den nun beschlossenen freiwilligen Maßnahmen reagiert CalPERS auf den Druck der kalifornischen Politik, die von der Demokratischen Partei dominiert wird. Sie favorisiert ein Divestment-Gesetz, das SB 252, das CalPERS und CalSTRS, den Pensionsfonds der kalifornischen Lehrer, verpflichtet hätte, sich von Investitionen im Wert von rund 15 Milliarden US-Dollar in Unternehmen des fossilen Sektors zu trennen. Die Fonds hatten argumentiert, dass eine zu strikte Vorgehensweise ihre Rendite gefährden könnte. SB 252 wurde deshalb bis 2024 auf Eis gelegt. Im Geschäftsjahr 2022/2023 belief sich die Rendite von CalPERS auf 5,8 Prozent.

Der von CalPERS jetzt eingeschlagene Kurs trifft bei progressiven Demokraten allerdings nur auf verhaltene Zustimmung. Lena Gonzalez, State Senatorin von Los Angeles County, die zu den Initiatoren des Divestment-Gesetzes gehört, äußerte sich gegenüber der Wirtschaftsagentur Bloomberg entsprechend zurückhaltend. “Aus bundespolitischer Sicht sieht das sehr fortschrittlich aus, aber für Kalifornien reicht es nicht”, sagte sie. “Ich bin sehr skeptisch, ob das so funktionieren wird.” ch

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UN: Verletzliche Staaten ohne Anpassungspläne

Jedes sechste Land hat noch immer keinen Klimaadaptionsplan. Die meisten dieser 29 Länder seien gleichzeitig besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels und bräuchten deshalb zusätzliche Unterstützung. Allerdings gibt es auch Fortschritte bei der Klimaanpassung: Die meisten Staaten planen inzwischen die Klimaanpassung, und 25 Prozent von ihnen haben bereits rechtlich bindende Instrumente für die Adaptation eingeführt. Zu diesem Ergebnis kommt der Adaptation Gap Report 2023 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), der jüngst publiziert wurde. Darüber hinaus kritisiert der Bericht, dass die Gleichstellung der Geschlechter und die soziale Inklusion in den Adaptionsplänen nicht genügend berücksichtigt werden.

Die Autorinnen und Autoren fanden außerdem heraus, dass die Finanzierungslücke für Klimaadaption noch größer als bisher vermutet ist und zwischen 194 und 366 Milliarden US-Dollar beträgt. In früheren Hochrechnungen war man von der Hälfte ausgegangen. Adaption bräuchte demnach zehn bis 18 Mal so viele Mittel wie die aktuell zugesagten 21 Milliarden US-Dollar. Wenn nicht genügend in Klimaanpassung investiert wird, könnten die unwiederbringlichen Schäden und Verluste (Loss and Damage) durch den Klimawandel noch größer werden. kul

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Klimaschutzgesetz: Breite Expertenkritik lässt Grüne “sehr nachdenklich” zurück

Als an diesem Dienstag im Ausschuss für Wirtschaft und Klimaschutz die geplante Änderung des Klimaschutzgesetzes diskutiert wurde, haben fast alle Sachverständigen massive Kritik an den Plänen der Ampel-Koalition geübt – normalerweise tun das nur diejenigen, die von der Opposition eingeladen wurden.

Die Kritik richtete sich vor allem dagegen, dass es künftig keine verbindlichen Klimaziele für einzelne Sektoren und verpflichtende Sofortprogramme der zuständigen Ministerien beim Überschreiten dieser Ziele mehr geben soll, sondern nur noch das Gesamtbudget entscheidend ist. Nicht nur Christoph Bals von der Klimaschutz-Organisation Germanwatch sieht ein “Riesenproblem” in diesem Vorschlag, der auf die FDP zurückgeht. “Wenn alle verantwortlich sind, ist keiner verantwortlich”, sagte er. Auch der von der SPD eingeladene DGB-Vertreter Leon Krüger erklärte, der Plan “schwächt ein Stück weit die Ressortverantwortung ab”.

Vielfach kritisiert wurde zudem, dass künftig erst nachgesteuert werden muss, wenn die Gesamtziele in zwei Jahren in Folge verfehlt werden müssen, sodass die Regierung in dieser Legislaturperiode keine weiteren Maßnahmen beschließen muss. Die ohnehin schon bestehende Lücke beim Klimaziel für 2030 werde die Novelle dadurch “eher vergrößern”, warnte Leopoldina-Präsident Gerald Hermann Haug. Mehrere Sachverständige, darunter die von den Grünen eingeladene Kerstin Andreae vom Energieversorgerverband BDEW, warnten zudem vor drohenden Milliardenzahlungen, weil die Novelle nicht mit den EU-Klimavorgaben verzahnt sei.

“Verfassungsrechtlich äußerst problematisch”

Mehrere Sachverständige stellten zudem die Rechtmäßigkeit des Gesetzentwurfs infrage. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem wegweisenden Beschluss von 2021 klargemacht, dass Klimaschutz nicht zu weit in die Zukunft verschoben werden darf, um die Rechte künftiger Generationen zu schützen. Vor diesem Hintergrund warnte die auf Vorschlag der SPD eingeladene Umweltrechtlerin Roda Verheyen, der Entwurf sei “verfassungsrechtlich außerordentlich problematisch”.

Grünen-Obfrau Lisa Badum zeigte sich beeindruckt von der massiven und fast einhelligen Kritik der geladenen Experten. “Die Ausführungen lassen mich sehr nachdenklich zurück”, sagte sie gegen Ende der Befragung – und stellte in Aussicht, dass die Koaltion an einigen Punkten noch “nachsteuern” werde. Der CDU-Klimapolitiker Thomas Heilmann, der schon im Vorfeld massive Kritik an den Ampel-Plänen geübt hatte, drängte darauf, das Gesetz nicht abzuschwächen. “Ich hoffe, diese Nachdenklichkeit materialisiert sich auch”, sagte er an Badum gerichtet. Sofern der Zeitplan nicht geändert wird, bleibt dafür aber nicht viel Zeit: Die zweite und dritte Lesung sollen bereits in der nächsten Woche stattfinden. Badum zeigte sich dennoch optimistisch, noch Änderungen zu erreichen. “Wir gehen grundsätzlich mal davon aus, dass alle Koalitionspartner ein Interesse daran haben, das Klimaziel 2030 zu erreichen”, sagte sie Table.Media zur Begründung. mkr

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Presseschau

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Kommentar: Wie die größten Städte der Welt ihre Transportemissionen um mehr als 20 Prozent kürzen könnten CarbonBrief
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Reportage: Wie Hoboken am Hudson River wasserspeichernde Infrastruktur nutzt New York Times
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Die Zeit

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Gavin Newsom: Klima-Gouverneur will ins Weiße Haus

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom traf den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping Ende Oktober.

Es ist ein großes Motto, dem sich Gavin Newsom verschrieben hat: aus Kalifornien in die Welt. Vor wenigen Wochen erst reiste der Gouverneur des einwohnerstärksten US-Bundesstaates ins ferne China, traf dort sogar Staatspräsident Xi Jinping. Für die große Volksrepublik hatte der kleine US-Landesherr auch eine Botschaft mitgebracht. “Wir sind hier, um unsere Klimaziele deutlich zu machen und lassen nicht zu, dass Schweigen das lauteste Geräusch ist”, erklärte der 56-Jährige.

Newsom hat wie kaum ein anderer das Klima ins Zentrum seiner Politik gestellt. Geht es nach dem umtriebigen Demokraten, sollen sich nicht nur die USA ein Vorbild an seinem Golden State nehmen, sondern auch andere Länder rund um den Globus. Seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren hat er ein beachtliches Tempo vorgelegt. Bis zum Jahr 2035 müssen in Kalifornien alle verkauften Neuwagen emissionsfrei sein. Bis 2045 soll der Bundesstaat gänzlich klimaneutral sein. Und die Ölindustrie, die dem Bundesstaat einst zum wirtschaftlichen Aufschwung verholfen hatte, erklärt Newsom zu seinem Hauptgegner. “Seit mehr als 50 Jahren belügt uns Big Oil und vertuscht die Tatsache, dass sie schon lange wissen, wie gefährlich die von ihnen produzierten fossilen Brennstoffe für unseren Planeten sind”, sagte der studierte Politikwissenschaftler kürzlich.

Durch Fischotter zum Klimaschützer

Für den in San Francisco aufgewachsenen Newsom spielte die Natur schon in jungen Jahren eine große Rolle. Sein Vater, ein renommierter Anwalt und Richter, war überzeugter Umweltschützer und saß in den Vorständen verschiedener Umweltorganisationen. Er soll seinen Sohn Gavin schon früh auf Wandertouren entlang der kalifornischen Flüsse mitgenommen haben. Es sei aber vor allem das außergewöhnliche Haustier der Familie gewesen, das den heutigen Gouverneur zum Klimaschützer machte: ein Fischotter. So zumindest erzählte es der vierfache Familienvater laut US-Medien einst einer Schulklasse in Paradise, wo zuvor verheerende Waldbrände gewütet hatten. Der natürliche Lebensraum der Nager ist durch den Klimawandel stark bedroht. “Wenn ich an den Klimawandel denke, denke ich an Tiere. Ich denke an Pflanzen”, sagte er. Newsom hat heute selbst vier Kinder im Alter zwischen sieben und 14 Jahren. Er ist in zweiter Ehe mit der amerikanischen Filmemacherin und Schauspielerin Jennifer Siebel verheiratet. Die Familie lebt in Fair Oaks, einem verschlafenen Ort im Nordosten der kalifornischen Hauptstadt Sacramento.

Seine Geschichten kommen an. Beim “Klima-Ehrgeiz-Gipfel” der UN im September war Newsom der einzig eingeladene Redner aus der US-Politik. Für seine Ansprache auf der Weltbühne erntete der Gouverneur viel Applaus. Die Erwartungen sind groß, dass Newsom auch auf der anstehenden COP28 in Dubai für Aufmerksamkeit sorgen wird. Ob er teilnehmen wird, ist noch nicht offiziell verkündet worden.

Sein ambitioniertes Vorgehen hat allerdings auch einen Preis. Laut einer Analyse der Hoover Institution an der Stanford University haben zwischen 2018 und 2021 insgesamt 352 Unternehmen ihren Hauptsitz aus Kalifornien heraus verlegt – Tendenz steigend. Die strikte Regulatorik und hohe Abgabenlast machten ihnen zu schaffen. Zu den Abtrünnigen zählen auch Unternehmen, die eigentlich zur Klimaidentität des Bundesstaates passen. “Kalifornien war einmal das Land der Möglichkeiten” kommentierte etwa Elon Musk. Jetzt werde es immer mehr zu einem Land der “Überregulierung und Überbesteuerung”. Vor knapp zwei Jahren hatte auch der Tesla-Chef den Hauptsitz des E-Autobauers von Palo Alto nach Austin in Texas verlegt.

Für Newsom könnte die Klimapolitik aber auch politisches Kalkül sein. Es gilt als offenes Geheimnis, dass der Gouverneur große Ambitionen auf das Präsidentenamt im Jahr 2028 hegt. Sein Auftreten als kompromissloser Kämpfer für das Klima dürfte ihm vor allem bei der jüngeren Generation viel Zuspruch einbringen – und damit bei jener Gruppe, die die Wählerschaft in fünf Jahren dominieren wird. Aus Kalifornien in die Welt – das wäre für Newsom dann nicht mehr nur ein Motto. Im Weißen Haus würde es zu seiner Hauptaufgabe werden. Laurin Meyer

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Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    im Klimaschutz gilt eine einfache Rechnung: Um die Klimaziele erreichen zu können, dürfen keine neuen fossilen Projekte mehr gestartet werden und der Ausstieg aus der Produktion von Kohle, Öl und Gas muss schneller gehen.

    Doch der Ausstiegspfad ist unklar und steinig. Deshalb schauen wir kurz vor der COP28 genauer hin: Wir berichten davon, wie Großbritannien einen Schritt weg vom Ausstieg macht und Öl und Gas einfacher fördern will. Wir zeigen, welche Staaten die größten Pläne zur Ausweitung der Produktion haben. Außerdem analysieren wir, wie Europa damit ringt, einen Ausweg aus den Fossilen zu finden: Das EU-Parlament fordert, fossile Subventionen zu streichen. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ein großer Teil der weltweit schmutzigsten Projekte zur Förderung von Fossilen wird von europäischen Unternehmen finanziert.

    Bernhard Pötter hat zudem recherchiert, aus welchen Quellen sich der Loss and Damage Fonds füllen könnte, dessen Strukturen auf der COP entschieden werden. Und Nico Beckert analysiert kurz vor dem Xi-Biden-Gipfel die neue Methan-Strategie Chinas und was sie für die COP28 und die US-China-Klimakooperation bedeuten könnte.

    Bleiben Sie dran.

    Beste Grüße

    Ihre
    Lisa Kuner
    Bild von Lisa  Kuner

    Analyse

    Loss and Damage: So kann das Geld für den neuen Fonds fließen

    Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht Dörfer an der Küste von Indonesien.

    Nachdem sich am vergangenen Wochenende das “Übergangskomitee” der Klimaverhandler auf einen Entwurf für die Struktur des “Loss and Damage Fonds” (LDF) geeinigt hat, rückt jetzt die Frage in den Fokus, woher das Geld für den Fonds stammen könnte. Mehrere hundert Milliarden US-Dollar jährlich könnten über verschiedene Instrumente mobilisiert werden, die etwa von Steuern auf fossile Brennstoffe, einer Abgabe für Fliegen und Schifffahrt, einen globalen CO₂-Preis bis zu Steuermitteln oder einem Abbau von Subventionen reichen. Das geht aus einem aktuellen Bericht der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) hervor.

    Nötig: 150 Milliarden – Zugesagt: 300 Millionen

    Die bisherigen Mittel für den Ausgleich von “Verlusten und Schäden” (Loss and Damage) in der Klimakrise sind demnach “nicht angemessen“, heißt es dort. 2022 betrugen demnach die Schäden in den Entwicklungsländern 109 Milliarden US-Dollar, darin nicht enthalten waren kleinere Schäden, Verluste durch langsame Prozesse und nicht-ökonomische Verluste.

    Insgesamt nimmt die UNCTAD “Schäden und Verluste” von etwa 435 Milliarden US-Dollar für 2020 und 580 Milliarden für 2030 an. Darin nicht enthalten sind die Kosten für Pandemiefolgen und Inflation, der Betrag kann also noch deutlich höher liegen. Die UNCTAD schlägt deshalb vor, den LDF mit anfänglich 150 Milliarden US-Dollar zu füllen und ihn 2030 auf 300 Milliarden anwachsen zu lassen. Das Geld solle vor allem als Zuschüsse, nicht als Kredite fließen. Bislang sind von den Industrieländern nur Mittel in Höhe von etwa 300 Millionen US-Dollar zugesagt.

    Finanzierungsvorschläge

    Versicherungslösungen, die es bereits teilweise gibt, nennt der Bericht “unzureichende Instrumente”. Stattdessen listet er die möglichen Geldquellen für den LDF auf:

    • Ein Auslaufen der fossilen Subventionen, vor allem in den Industrieländern: Im letzten Jahrzehnt betrugen diese Staatshilfen weltweit 527 Milliarden US-Dollar jährlich, allein in den G20-Staaten waren es 215 Milliarden. Ein Ende dieser Staatshilfen würde gleichzeitig den Ausstieg aus den Fossilen beschleunigen und Erneuerbare attraktiver machen.
    • Eine CO₂-Abgabe auf Schiffstreibstoffe in Übereinstimmung mit den Netto-Null-Plänen der UN-Schifffahrtsorganisation IMO könnte 60 bis 80 Milliarden US-Dollar für 2030 bringen.
    • Eine Steuer auf die Produktion fossiler Brennstoffe, wie von Umweltgruppen gefordert, könnte bei einem Aufpreis von sechs US-Dollar pro Tonne CO₂ insgesamt 150 Milliarden liefern.
    • Eine Steuer auf Finanztransaktionen würde weltweit jährliche Einnahmen zwischen circa 240 und 420 Milliarden US-Dollar garantieren.
    • Eine Abgabe für Flugpassagiere von zwei Prozent des Ticketpreises könnte etwa 17 Milliarden US-Dollar jährlich erbringen.
    • Das Abschöpfen von “Zufallsgewinnen” der Öl-, Gas- und Kohleindustrie könnte 300 Milliarden US-Dollar jährlich einbringen, wenn die Gewinne der Industrie mit zehn Prozent besteuert würden. Im Schnitt betrugen die Profite der Energieunternehmen von 1970 bis 2020 jährlich eine Billion US-Dollar.
    • Durch eine Umwidmung von zwei Prozent der IWF-Sonderziehungsrechte der Industriestaaten könnte außerdem Kapital in Höhe von 11,6 Milliarden US-Dollar mobilisiert werden.
    • Eine Anhebung der staatlichen Entwicklungshilfe in den Industrieländern auf die schon lange zugesagte Quote von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung brächte 193 Milliarden US-Dollar zusätzliches Geld.

    Welche Vorschläge sind realistisch?

    Von wem die Vorschläge stammen, wer von ihrer Umsetzung betroffen wäre, was sie für die nationalen Volkswirtschaften bedeuten würden und wie gezielt sie für den LDF eingesetzt werden könnten, ist sehr unterschiedlich. Deshalb gibt der Report auch eine eigene Bewertung ab, wie realistisch die unterschiedlichen Ideen sind:

    Fonds: Dominiert von Entwicklungsländern, verwaltet von der Weltbank

    Am Wochenende hatte sich das “Übergangskomitee” (TC) nach langen und schwierigen Verhandlungen in einer außerplanmäßigen fünften Sitzung auf einen Entwurf für die Strukturen des LDF geeinigt. Nachdem es lange an Details etwa zur Stellung des Fonds gehakt hatte, sieht der Beschluss nun vor:

    • Den LDF für zunächst vier Jahre organisatorisch bei der Weltbank anzusiedeln. Allerdings soll sichergestellt werden, dass arme Länder dadurch nicht benachteiligt werden und ungehindert Zugang zu den Leistungen haben. Alle vier Jahre soll die COP das Konstrukt begutachten.
    • Der Fonds soll ein Sekretariat bekommen. Wo es anzusiedeln ist, bleibt vorerst offen. Für die Einrichtung des Fonds sollen die Industrieländer zahlen.
    • Der LDF soll von einem 26-köpfigen Aufsichtsrat geführt werden, bei dem die Entwicklungsländer mit 14 Sitzen die Mehrheit haben. Aber nicht-staatliche Gruppen sitzen nicht in dem Gremium, dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
    • Wer den Fonds mit Geld auffüllt, bleibt offen. An der entscheidenden Stelle im Text heißt es, die COP “heißt die Angebote von XXX willkommen, zum Fonds beizutragen.” Allerdings werden die Industrieländer “gedrängt”, weiter für Loss and Damage zu zahlen – und “andere Parteien” werden “ermutigt, auf freiwilliger Basis” Unterstützung zu leisten. Damit ist die Formulierung über die sonst übliche Konzentration nur auf die Industrieländer aufgeweitet. Auch die ursprünglich von Entwicklungsländern geforderten 100 Milliarden US-Dollar als Inhalt des Fonds wurden nicht festgeschrieben. Ebenso fehlt das Kriterium der Beachtung der Menschenrechte.
    • Zugang zu den Geldern des Fonds haben alle Entwicklungsländer. Allerdings wurden Passagen eingebaut, die einen Mindestbetrag für die am wenigsten Entwickelten und die kleinen Inselstaaten reservieren. Hilfen für andere Länder werden gedeckelt und von ihren Kapazitäten abhängig gemacht, sich selbst zu helfen.

    Unklare Haltung der USA

    Der designierte COP-Präsident Sultan al Jaber zeigte sich erleichtert: Die “klare und starke Empfehlung” des Komitees bereite den Weg für einen Erfolg der COP28. Für die “Loss and Damage Collaboration” von Gruppen der Zivilgesellschaft dagegen erfüllt der Text nicht die Erwartungen. Er zeige “Business as Usual” oder eher “Vermeidung wie gewöhnlich“, wo es um fehlende Geldzusagen der reichen Länder gehe.

    Unklarheit gab es über die Rolle der USA. Deren Verhandlerin hatte den Raum verlassen, als der Beschluss gefasst wurde. Später erklärte sie deshalb, es sei “kein Papier im Konsens” entschieden worden. Beobachter werten das als politischen Schachzug der Biden-Administration: So haben die USA den Fonds nicht verhindert. Gleichzeitig aber kann Biden sich in den USA beim unpopulären Thema von Kompensationszahlungen an den Globalen Süden vom Fonds distanzieren. Der hart erarbeitete Konsens soll nun auf der COP28 in Dubai dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt werden.

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    China: Schwacher Methan-Plan als Auftakt der COP-Diplomatie

    Sie sprechen wieder miteinander und China zeigt guten Willen. Was nach wenig klingt, könnte für die anstehende Klimakonferenz in Dubai von großer Relevanz sein. Die Klimagesandten der USA und Chinas, John Kerry und Xie Zhenhua, haben in den letzten Tagen den APEC-Gipfel in Kalifornien (11.-17. November) vorbereitet, auf dem sich die Präsidenten Joe Biden und Xi Jinping treffen werden. Die Veröffentlichung der chinesischen Methan-Strategie kurz nach dem Kerry-Xie-Treffen gilt als wichtiges Zeichen.

    Die Reduktion der Methan-Emissionen war immer wieder Thema zwischen den Klimasupermächten. Auf der COP26 in Glasgow 2021 einigten sich beide Staaten auf mehr Anstrengungen zur Reduktion des kurzlebigen, aber sehr klimaschädlichen Methans – damals sagte China die Entwicklung einer Methan-Strategie zu. In Sharm el-Sheikh, auf der COP27, sprach Xie überraschend vor einem Ministerial Meeting des Global Methane Pledge, den China nicht mitträgt. Die Veröffentlichung der chinesischen Methan-Strategie könnte den Ball auch bei anderen Themen ins Rollen bringen. Sie wurde von COP-Präsident Al Jaber als “ein entscheidender Schritt für globale Klimaschutzmaßnahmen” begrüßt.

    Chinas Methan-Plan: Viele “weiche Ziele”, nichts Konkretes

    China ist der weltweit größte Methan-Emittent. Das Land stößt fast doppelt so viel Treibhausgas aus wie die USA oder Indien. Das Klimagas ist auf 20 Jahre betrachtet 80 Mal schädlicher als CO₂. Seine Reduktion gilt deshalb als “schnellste Möglichkeit, die globale Erwärmung sofort zu verlangsamen”, schreibt der Environmental Defense Fund.

    Chinas Methan-Plan liegt als Entwurf schon seit gut einem Jahr unveröffentlicht in den Schubladen des chinesischen Umweltministeriums. Allerdings herrschte seit Xies Aussagen dazu im November 2022 Funkstille. Es wurde nicht mal ein “nennenswerter Kommentar” zu dem Plan veröffentlicht, kritisiert ein Analyst gegenüber Table.Media.

    Der jetzt vorgelegte Plan ist allerdings nicht sehr ehrgeizig:

    • Der Plan setzt keine messbaren Ziele zur Reduktion der Methan-Emissionen Chinas fest.
    • China will das Methan auffangen und als Energieträger nutzen: Beispielsweise soll weniger Grubengas aus Kohleminen in die Atmosphäre gelangen. Stattdessen sollen bis 2025 sechs Milliarden Kubikmeter Grubengas energetisch genutzt werden. Bisher gab es jedoch “noch keinen systematischen Ansatz, um die Methan-Emissionen von Kohleminen zu verringern“, sagte Cory Combs, Energie- und Klimaexperte der Beratungsfirma Trivium China schon im Sommer zu Table.Media. Schon in den letzten 15 Jahren konnten die selbstgesteckten Ziele zum Auffangen von Methan im Kohlesektor nicht erreicht werden.
    • Auch soll der Methan-Ausstoß der Gas- und Ölindustrie kontrolliert werden. Das Ablassen von Methan soll verringert werden und Methan genutzt oder verbrannt werden (“flaring”). Hier will China “internationale Standards” erreichen, ohne jedoch ins Detail zu gehen.
    • In der Landwirtschaft und im Abfallbereich sollen die Methan-Emissionen ebenfalls gesenkt werden. Allerdings fehlen auch hier konkrete und nachprüfbare Zielmarken.

    “Weiche Ziele” oder ein Schritt in die richtige Richtung?

    “Die im Plan genannten Ziele sind zu mehrdeutig und enthalten hauptsächlich beschreibenden Text”, sagt Yan Qin, Energieexpertin der Analysefirma Refinitiv zu Reuters. Auch der Analyst Lauri Myllyvirta kritisiert die “weichen Ziele” des Plans. Der Plan besage lediglich, dass China die Einrichtung eines Systems zur Messung, Meldung und Überprüfung von Methan “prüfen” oder “anstreben” werde, schreibt der Analyst des Centre for Research on Energy and Clean Air auf X. Klare Zusagen und ein Zeitplan fehlten, kritisiert er.

    Zhang Kai, stellvertretender Programmdirektor im Pekinger Büro von Greenpeace Ostasien, sieht den Plan allerdings als “positiven Schritt, um die Methan-Emissionen zu senken”, wie er auf X schreibt. Die Kontrolle von Methan-Emissionen im Kohlesektor müsse priorisiert werden, schreibt Zhang.

    China steht bei der Reduktion der Methan-Emissionen vor großen Herausforderungen, da ein Großteil der Emissionen aus dem Kohlesektor kommt. Diese Emissionen sind schwieriger zu kontrollieren als im Gas- und Ölsektor. Allerdings spielen bei Chinas Methan-Plänen nicht nur wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Das Land will sich nicht von den USA zu mehr Klimaengagement drängen lassen – zu groß wäre der Gesichtsverlust vor dem heimischen Publikum, wenn der große Systemrivale konkrete Ziele und Pläne einfordern könnte. Doch China ist sehr stark vom Klimawandel bedroht. Es liegt also im eigenen Interesse des Landes, die Emissionen zu senken.

    Al Jaber verfolgt schwache Methan-Ziele auf COP

    Auch COP-Präsident Sultan Al Jaber hat sich die Reduktion der Methan-Emissionen auf die Fahne geschrieben. Doch ein von ihm vorgeschlagener Vorstoß trifft auf viel Kritik. Al Jaber möchte die großen Öl- und Gasproduzenten in der sogenannten Oil and Gas Decarbonisation Alliance (OGDA) zusammenbringen. Sie sollen die Methan-Emissionen, die bei Produktion und Beförderung der fossilen Rohstoffe entstehen, bis 2030 auf “fast null” senken. Bisher befänden sich mehr als 20 Unternehmen in Gesprächen, um der OGDA beizutreten, sagt Al Jaber der Financial Times.

    Allerdings ist die OGDA-Allianz keine neue Idee. Schon in der Vergangenheit wurden ähnliche Allianzen verkündet. Schon 2022 haben Unternehmen die “Aiming for Zero Methane Emissions Initiative” ins Leben gerufen. Auch sie hat das Ziel, die Methan-Emissionen des Sektors (Scope 1 und 2) bis 2030 auf “nahe Null” zu senken. Und im selben Jahr schlossen sich die USA, Kanada, Saudi-Arabien, Norwegen und Katar zum “Net Zero Producers Forum” zusammen, um die Treibhausgasemissionen des Sektors zu senken.

    Allerdings machen die Methan-Emissionen in der Lieferkette von Öl- und Gasfirmen nur einen kleinen Teil der Treibhausgase dieses Sektors aus. Der größte Anteil entsteht beim Verbrennen der Rohstoffe. Diese sogenannten Scope 3-Emissionen sind von der OGDA nicht erfasst. Und die VAE und andere Staaten wollen die Produktion fossiler Rohstoffe massiv ausweiten (siehe “Klima in Zahlen”). Beobachter bezeichnen die OGDA deshalb auch als Vorhaben ohne klare Ziele und mit viel Intransparenz.

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    Großbritannien: Mehr Öl und Gas, Klimaziele verschoben

    Protest gegen die Pläne der Regierung im September.

    Vor zwei Jahren positionierte sich Großbritannien als Gastgeber der COP26 in Glasgow als globaler Klimavorreiter. Seit Boris Johnson im Juni 2023 aus dem Amt des britischen Premierministers ausgeschieden ist, haben seine Nachfolger allerdings Rhetorik und Maßnahmen zum Klimaschutz abgeschwächt. Diese Tendenz setzt sich fort. Am Dienstag, nur wenige Wochen vor der COP28, verlas König Charles bei der Eröffnung der neuen britischen Legislaturperiode die Pläne der Regierung für Öl- und Gasbohrlizenzen in der Nordsee.

    2021 stellte die Internationale Energieagentur vor der COP26 klar, dass jede neue Öl- und Gasexpansion nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sei. In der Konsequenz trug Großbritannien als COP-Gastgeber dazu bei, dass in einem globalen Klimaabkommen erstmals erwähnt wurde, ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sei nötig. Doch nur wenige Monate später diskutierte die britische Regierung bereits über neue Öl- und Gaslizenzen in der Nordsee im “Schnellverfahren”.

    Neue Lizenzen waren auch bisher immer möglich

    Diese Tendenz gipfelt nun in der neuen Gesetzgebung, die der König in dieser Woche angekündigt hat. Sie wird es ermöglichen, jedes Jahr neue Lizenzvergaberunden für Öl und Gas aus der Nordsee abzuhalten. In Wirklichkeit ändert diese Ankündigung allerdings nicht viel. Auch bisher waren die Minister nicht daran gehindert, jährliche Genehmigungsrunden für neue Öl- und Gasförderungen in der Nordsee abzuhalten. Jess Ralston, Leiterin des Bereichs Energie bei der Denkfabrik Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU), bezeichnete die Änderungen bei den Nordsee-Lizenzen als “politisches Theater”. Das Ganze werde weder dem Klima noch den Energierechnungen der Bürger zugutekommen. 

    Labour-Oppositionsführer Keir Starmer, der sich im Falle seiner Wahl bei den nächsten Parlamentswahlen verpflichtet hat, keine neuen Explorationslizenzen zuzulassen, sagte: “Das ist ein Gesetzentwurf, von dem jeder im Energiesektor weiß, dass es sich um eine politische Spielerei handelt. Selbst der Energieminister gibt zu, dass es niemanden auch nur einen einzigen Penny kosten wird.” Tatsächlich sagte die britische Energieministerin Claire Coutinho, dass die Genehmigung von mehr Öl- und Gaslizenzen “nicht unbedingt zu einer Senkung der Energierechnungen führen würde”.

    Keine Hilfe gegen hohe Energiekosten

    Ralston sagte, das sei ein doppelter Schlag für die britischen Steuerzahler. Weil mehr Öl und Gas die Rechnungen nicht senken würden, und zusätzlich die Streichung der Standards für die Isolierung von Häusern durch private Vermieter bestätigt wurde. “Es hat den Anschein, dass die Regierung sich fest auf die Seite der Vermieter stellt und nicht auf die der Mieter. Das ist ein harter Schlag für diejenigen, die immer noch mit den hohen Energierechnungen zu kämpfen haben”, kommentierte sie.

    Die Absenkung der Standards zur Wärmedämmung ist eine der Maßnahmen, die Sunak im September angekündigt hatte. Sie schwächen die bisherigen Klimaziele ab, sollen aber das Netto-Null-Ziel bis 2050 nicht gefährden. Dazu gehörte auch die Verschiebung des Termins, zu dem neue Autos mit Verbrennungsmotoren verboten werden sollen. In Sunaks September-Rede wurde auch das 2035 geltende Verbot für neue Gasheizungen gelockert. Es gibt nun neue Ausnahmen für ärmere Haushalte und einen neuen Zuschuss in Höhe von 7.500 britischen Pfund, wenn ein alter Gaskessel durch einen neuen ersetzt wird.

    “Die Behauptung, dass wir durch die Förderung von Öl und Gas zum Nulltarif kommen, ist so, als ob man ein Feuer mit einer Zapfsäule löschen würde”, kommentierte Leo Murray. Er ist Co-Direktor der Klimaschutzorganisation Possible. “Wir wissen, dass dies weder die Rechnungen senken noch die Energiesicherheit verbessern wird – nur rasche Investitionen und der Ausbau der erneuerbaren Energien werden die Aufgabe erfüllen.”

    Trotz mehr Gasförderung abhängig vom Import

    Selbst wenn man die umstrittene Frage der neuen Lizenzen beiseite lässt, sagt die Energiebehörde North Sea Oil and Gas Transition Authority voraus, dass die Förderung aus dem Nordseebecken rückläufig ist. Sie geht davon aus, dass die jährlich zur Förderung verfügbare Gasmenge in Großbritannien bis 2040 um 85 Prozent sinken wird. Das heißt: Wenn die Nachfrage auf dem heutigen Niveau bleibt, müssten dann 90 Prozent des Gases importiert werden, so ECIU.

    “Einfach ausgedrückt: Wenn wir unseren Gasverbrauch nicht durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Isolierung von Häusern und die Umstellung auf elektrische Wärmepumpen senken, werden wir zunehmend von Gasimporten aus dem Ausland abhängig werden. Aber bei allen drei Maßnahmen gibt es nur langsame Fortschritte”, meint Alasdair Johnstone von ECIU.

    Warnung: Das Land verpasst die grüne Wirtschaft

    Paweł Czyżak, Analyst bei dem gemeinnützigen Energieunternehmen Ember, ist der Auffassung, die Ankündigung der Öl- und Gaslizenzen sei ein weiteres Zeichen dafür, dass “das Vereinigte Königreich zurückfällt, während der Rest der Welt auf die Vorteile einer grünen Wirtschaft zusteuert”.

    Czyżak warnt: “Verwirrende Signale in Bezug auf Netto-Null-Emissionen riskieren Auswirkungen auf die führenden grünen Industrien Großbritanniens, einschließlich des Energiesektors. Denn Investoren verlieren das Vertrauen in den zunehmend verwirrenden Ansatz der Regierung”.

    Im September kündigte die Regierung außerdem an, das britische Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselautos von 2030 auf 2035 zu verschieben. Das hat den Unmut der Autohersteller erregt, die massiv in Elektrofahrzeuge investiert haben. Lisa Brankin, Vorsitzende von Ford UK, sagte: “Vor drei Jahren kündigte die Regierung an, dass das Vereinigte Königreich ab 2030 auf den Verkauf von Elektroautos und -transportern umsteigen wird. Die Autoindustrie investiert, um diese Herausforderung zu meistern”. Ford hat weltweit 50 Milliarden US-Dollar investiert, um eine neue Palette von Elektroautos und -transportern auf den Markt zu bringen.

    Es bleibt jedoch abzuwarten, wie stark sich die Verzögerung auswirken wird. Die Regierung bestätigte nämlich, dass ihr Mandat für emissionsfreie Fahrzeuge bestehen bleibt. Dieses Mandat besagt, dass ab Januar 2024 22 Prozent der in Großbritannien verkauften Fahrzeuge elektrisch sein sollen, was bis 2030 auf 80 Prozent ansteigen soll. Hersteller, die dieses Ziel nicht erreichen, können mit einer Geldstrafe von bis zu 15.000 britischen Pfund (ca. 17.200 Euro) pro Fahrzeug belegt werden.

    Ganz allgemein hat sich Sunak gegen den sogenannten “Krieg gegen Autofahrer” ausgesprochen. Auf dem Parteitag der Konservativen im Oktober versprach der Premierminister, er wolle die Einführung von 20-Meilen-Tempolimits und von Umweltzonen begrenzen. Allerdings enthielt die aktuelle Rede des Königs keine diesbezüglichen Gesetzesvorschläge.

    CCC zur Klimapolitik: Fortschritte konterkariert

    Sunak hat seine Teilnahme an der COP28 zugesagt und besteht darauf, dass das Vereinigte Königreich auf dem Weg zum Netto-Null-Emissionshandel ist. Allerdings ist das “Climate Change Committee”, das wichtigste Beratungsgremium zu dem Thema, davon nicht überzeugt. Im Juni äußerte der Ausschuss gegenüber dem Parlament Bedenken hinsichtlich des Tempos der Veränderungen, die erforderlich sind, um die Klimaziele Großbritanniens zu erreichen. Seitdem hat es “greifbare positive politische Fortschritte” gegeben, wie das Mandat für emissionsfreie Fahrzeuge, sagte Piers Forster, der Vorsitzende des Ausschusses, im Oktober.

    “Aber der Premierminister hat auch wichtige Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Gebäuden und Verkehr gelockert und der Wirtschaft und dem internationalen Publikum signalisiert, dass er dem Vereinigten Königreich mehr Zeit für den Übergang zu sauberen Schlüsseltechnologien einräumen wird”, so Forster. Diese Schritte hätten jedoch die positiven Fortschritte anderer Ankündigungen konterkariert.

    Dem Ausschuss zufolge gibt es für etwa ein Fünftel der erforderlichen Emissionsreduzierungen bis 2030 Pläne, die er für “unzureichend” hält. Forster forderte die Regierung auf, “in der entscheidenden Zeit vor der COP28 eine starke britische Führungsrolle beim Klimawandel zu bekräftigen”. Die Ankündigung neuer Öl- und Gaslizenzen wird wahrscheinlich nicht als angemessene Antwort auf diese Forderung angesehen. Daran ändert auch die gleichzeitige Zusage, “ein Rekordniveau an Investitionen in erneuerbare Energiequellen anzustreben und Netzanschlüsse zu reformieren” aus der Rede des Königs wenig. Philippa Nutall-Jones

    • Großbritannien
    • Netto-Null-Ziele

    Termine

    9. November, 14.30 Uhr, Online
    Webinar Responding to the Climate Crisis in Times of Uncertainty: A Clarion Call for Climate Leadership
    Auf dem Webinar des World Resources Institute (WRI) wird darüber diskutiert, wie Klima-Leadership zu einem positiven Ausgang der COP beitragen kann.  Infos

    13. bis 17. November, Jahor, Malaysia
    Konferenz Asia Pacific Climate Week 2023
    Die Asia Pacific Climate Week 2023 gehört zu den regionalen Klimakonferenzen, die im Vorfeld der COP als Vorbereitung für den Global Stocktake stattfinden.  Infos

    13. bis 14. November, Berlin
    Kongress dena Energiewendekongress 2023
    Der Kongress der Deutschen Energie-Agentur (dena) findet in diesem Jahr unter dem Motto “Konsequent umsetzen – gemeinsam” statt. Bei der Veranstaltung geht es branchenübergreifend um Energiewende und Klimaschutz. Infos

    14. bis 16. November, San Francisco
    Gipfeltreffen APEC CEO Summit
    Das Jahrestreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) bringt Führungskräfte aus der Region zusammen. Das Motto ist in diesem Jahr “Creating Economic Opportunity”.  Infos

    15. November, 11.30 Uhr, Brüssel/Online
    Seminar Wind Power Package – Winds of Change?
    In ihrer Rede zur Lage der Union 2023 betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die entscheidende Rolle der Windindustrie bei der Umsetzung des EU-Green-Deals, wies aber auch darauf hin, dass die Branche vor besonderen Herausforderungen steht. Bei der Diskussion von EURACTIV geht es um das Wind Power Package und die Frage, wo die EU beim Ausbau von Windkraft steht.  Infos

    15. November, 9.30 Uhr, Berlin
    Konferenz Konferenz zu Geschäftsmodellen für Windparks am Ende der Förderdauer
    Das Deutsch-französische Büro für die Energiewende (DFBEW) veranstaltet seine nächste Wind-Konferenz zum Thema “Geschäftsmodelle für Windparks am Ende der Förderdauer: Weiterbetrieb, Repowering oder Rückbau?”. Sie findet im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Berlin statt.  Infos

    16. November, 9 Uhr, Berlin
    Forum Energate-Forum: Energieinfrastruktur im Wandel
    Bei dem Forum von Energate treffen sich Policy-Maker aus der Energiewelt. Im Fokus stehen die Rollen von Gas- und Stromnetzen für die Energiewende.  Infos

    16. November, 9 Uhr, Brüssel
    Seminar Combatting Energy Poverty in Europe
    Das European Economic and Social Commitee diskutiert in Brüssel über Energiewende und Energiearmut. Infos

    16. bis 17. November, Berlin
    Konferenz Kommunale Klimakonferenz 2023
    Am 16. und 17. November 2023 sind Akteure des kommunalen Klimaschutzes zur Kommunalen Klimakonferenz 2023 nach Berlin eingeladen, um sich über Neuigkeiten aus der Community zu informieren. Im Fokus der diesjährigen Konferenz steht das Thema “Klimakommunikation”. Infos

    16. November 2023, 15 Uhr, Online
    Webinar Hydrogen Emissions – What Implications for the Green Transition?
    Auf dem Event von EURACTIV geht es um Emissionen aus dem Wasserstoffsektor und wie sie am besten gemanagt werden können. Außerdem geht es um technologische Entwicklungen in dem Sektor. Infos

    News

    Klima in Zahlen: Staatliche Pläne für Fossile torpedieren 1,5-Grad-Ziel

    Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA und zahlreiche andere Produzenten fossiler Rohstoffe wollen die Förderung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ausweiten. Das geht aus dem Global Production Gap Report hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach wollen die 20 untersuchten Produzentenländer die Kohleförderung noch bis zum Jahr 2030 steigern und die Öl- und Gasförderung sogar bis mindestens zum Jahr 2050.

    Die Regierungen planen, im Jahr 2030 etwa 110 Prozent mehr fossile Brennstoffe zu produzieren, als es mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad vereinbar wäre, so die Studie. Sie wurde von mehr als 80 Experten aus 30 Staaten und von den Organisationen Stockholm Environmental Institute (SEI), Climate Analytics, E3G, IISD und UNEP herausgegeben.

    Vor allem Investitionen in neue Kohleprojekte könnten zu verlorenen Vermögenswerten (Stranded Assets) werden, warnen die Studienautoren. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) erreicht die Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas bis spätestens zum Jahr 2030 einen Höhepunkt. Die Nachfrage nach Kohle werde danach stark sinken. Allerdings bleibe die Nachfrage nach Öl und Gas laut IEA-Szenario bis 2050 auf einem konstant hohen Niveau.

    64 Milliarden US-Dollar Subventionen

    Die Autoren und Autorinnen des Global Production Gap Reports kritisieren:

    • Eine große Diskrepanz zwischen politischen Zielen und der Realität: 17 der 20 untersuchten Staaten hätten sich zwar Netto-Null-Ziele gesetzt und nähmen teilweise an Initiativen zur Reduktion der Emissionen aus der Förderung teil. Doch kein Staat verfolge Maßnahmen, um die Kohle-, Öl- und Gasförderung zu senken.
    • Die politische und finanzielle Unterstützung der Kohle-, Öl- und Gasförderung. Im Jahr 2021 hätten die Staaten 64 Milliarden US-Dollar an Subventionen ausgezahlt, 17 Prozent mehr als im Jahr 2019.
    • Erdgas werde als Übergangsbrennstoff bezeichnet, aber es gäbe keine Pläne für einen späteren Erdgasausstieg. China und die USA wollten ihre Kohleförderung senken, investieren dafür aber massiv in die Gasproduktion.

    Der Bericht zeigt, wie schwierig eine Einigung auf ein Auslaufen der fossilen Energien bei der anstehenden Klimakonferenz (COP28) wird. Die Autoren warnen vor großen “Risiken und Unklarheiten” bei Technologien zum Abscheiden und Speichern von CO₂ (CCS). Deswegen sollten sich die Staaten auf der COP auf einen “nahezu vollständigen Ausstieg aus der Nutzung und Förderung von Kohle bis 2040” und eine Reduktion der Öl- und Gasproduktion und -nutzung um 75 Prozent bis 2050 einigen. nib

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    Forscher: 2023 mit “großer Sicherheit” heißestes Jahr

    Das Jahr 2023 ist mit “großer Sicherheit” das heißeste Jahr seit Datenaufzeichnung. Das geht aus Daten des Copernicus Climate Change Service (C3S) hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurden. Demnach lagen die Durchschnittstemperaturen in den ersten zehn Monaten 1,43 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). “Wenn wir unsere Daten mit denen des IPCC kombinieren, dann können wir sagen, dass dies das wärmste Jahr der letzten 125.000 Jahre ist”, sagte Samantha Burgess stellvertretende Direktorin von C3S gegenüber Reuters.

    Auch der Oktober 2023 war ein Rekordmonat. Die durchschnittliche Temperatur lag bei 15,3 Grad. Der bisherige Rekord aus dem Oktober 2019 wurde um 0,4 Grad übertroffen – der Oktober-Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 um 0,9 Grad. Das El Niño-Phänomen ist in diesem Jahr demnach schwächer als in den Jahren mit historisch starkem El Niño (2015 und 1997). Auch die globale durchschnittliche Meerestemperatur zwischen 60 Grad nördlicher und 60 Grad südlicher Breite lag im Oktober auf Rekordniveau (20,79 Grad). nib

    • Klimakrise

    Bericht: EU-Unternehmen finanzieren ein Viertel der “Kohlenstoffbomben”

    Mindestens 107 der 425 weltweit größten Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe werden von in der EU ansässigen Unternehmen wie Total Energies, Shell, RWE und ENI betrieben oder von großen europäischen Banken finanziert. Dies zeigt ein Bericht, der am Dienstag von CAN Europe, Friends of the Earth Europe und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht wurde. Sie fordern rechtlich verbindliche Klimaziele für Unternehmen und den EU-Finanzsektor im EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD).

    Die 425 als “Kohlenstoffbomben” bekannten Projekte wurden 2022 in einer Studie identifiziert. Sie haben das Potenzial, jeweils mehr als eine Gigatonne Kohlendioxid (GtCO₂) freizusetzen. Laut dem IPCC-Forschungsstand beträgt das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, etwa 500 Gigatonnen Kohlendioxid. Für ein Zwei-Grad-Szenario sind es 1.150 Gigatonnen.

    Sorgfaltspflichtengesetz soll Unternehmen zu Übergangsplänen verpflichten

    Die Beteiligung von EU-Unternehmen und Banken an diesen Projekten untergrabe das Ziel der EU, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, da ein großer Teil der Emissionen als Scope-3-Emissionen in die EU zurückgelange, heißt es in dem Bericht. Allein die prognostizierten Gesamtemissionen der 107 mit der EU verbundenen Projekte betragen nach der Gewinnung und Verbrennung 334 Gigatonnen Kohlendioxid. Dies sei das 17-fache der Emissionen, die die EU bis 2030 ausstoßen dürfe.

    Zu den genannten Projekten gehört das Athabasca Ölsand-Projekt in Kanada, an dem sich mindestens 15 Unternehmen aus der EU als Investoren beteiligen, darunter BNP Paribas, Shell plc und Total Energies SE. Daneben zählt der Bericht weitere Öl- und Gasfelder in Libyen, Kasachstan, Norwegen und Argentinien auf.

    Die NGO fordern, die entsprechenden Projekte zu stoppen. Die Tatsache, dass die Mehrheit dieser Projekte außerhalb Europas angesiedelt ist, dürfe nicht als Entschuldigung für Untätigkeit dienen. Darüber hinaus fordern sie, eine Verpflichtung für Unternehmen in der EU, glaubwürdige Übergangspläne mit konkreten und absoluten Emissionsminderungszielen im Einklang mit dem Pariser Abkommen im EU-Sorgfaltspflichtengesetz festzulegen.

    Das Sorgfaltspflichtengesetz wird zurzeit in Brüssel verhandelt. Anders als die EU-Kommission und der Rat fordert das Parlament ebenfalls Klimaübergangspläne für Unternehmen. Am 22. November findet das nächste hochrangige Trilog-Treffen statt. Nach Informationen von Table.Media könnte es bei diesem Treffen oder spätestens Anfang Dezember zu einer Einigung kommen. leo

    • Europa
    • Fossile Brennstoffe
    • Klimapolitik

    EU-Parlament fordert Subventions-Stopp für Fossile für 2025

    Mit großer Mehrheit hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments am Dienstag eine Resolution mit den Forderungen der Abgeordneten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Monats (COP28) angenommen. Darin plädieren sie für ein Ende der direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene. Das Ende der finanziellen Förderung solle “so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 2025” umgesetzt werden. Auch die Mitgliedstaaten wollen sich in Dubai für ein Ende der Subventionen für Fossile einsetzen. Sie legten jedoch in ihrem Verhandlungsmandat keine Jahreszahl fest.

    Die Umwelt- und Klimapolitiker der EU fordern zudem, dass der Fonds für Verluste und Schäden (Loss and Damage) in Dubai einsatzbereit gemacht wird. Dafür sollen alle großen Emittenten, einschließlich der EU-Staaten, Gelder für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder bereitstellen. Darüber hinaus unterstützt sie ein globales Ziel für die Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 und fordern einen “greifbaren Ausstieg aus fossilen Brennstoffen so bald wie möglich”.

    An den internationalen Klimaverhandlungen auf der COP28 nimmt eine Delegation aus Europaabgeordneten als Beobachter teil. Verhandelt wird jedoch im Kreise der Staaten, weshalb die Position des Parlaments lediglich den Charakter eines Appells hat. In Dubai wollen die MEPs jedoch erstmals auch an den täglichen Koordinierungstreffen der EU-Länder teilnehmen, in denen verhandlungsstrategische Entscheidungen während der COP getroffen werden. Die Resolution muss im Novemberplenum (20. bis 23. November) noch bestätigt werden. luk

    • COP28
    • Europa
    • Subventionen

    Größter öffentlicher US-Pensionsfonds verdoppelt Klimainvestitionen

    CalPERS, der größte öffentliche Pensionsfonds der USA, will bis 2030 weitere 53 Milliarden US-Dollar in die Energiewende stecken. Damit würden sich die klimafreundlichen Investitionen des Pensionsfonds der öffentlich Beschäftigten in Kalifornien auf 100 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Gleichzeitig sollen Aktien von Unternehmen verkauft werden, die “keinen glaubwürdigen Netto-Null-Plan” für Emissionen vorlegen. Ziel ist es, die “Emissionsintensität” des Portfolios zu halbieren, so die neuen Richtlinien.

    “Wir glauben, dass der Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft viele Chancen bietet”, sagte Peter Cashion, Head of Sustainable Investment bei CalPERS, Ende letzter Woche gegenüber der Presse. Der nun eingeschlagene Weg würde die Klimaziele mit der Verpflichtung zur Maximierung der Renditen des Pensionsfonds in Einklang bringen. Das California Public Employees’ Retirement System verwaltet die Pensionsbeiträge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Kalifornien. Das Gesamtvolumen des Fonds beläuft sich auf mehr als 450 Milliarden US-Dollar.

    Freiwilligkeit statt Divestment-Gesetz

    Mit den nun beschlossenen freiwilligen Maßnahmen reagiert CalPERS auf den Druck der kalifornischen Politik, die von der Demokratischen Partei dominiert wird. Sie favorisiert ein Divestment-Gesetz, das SB 252, das CalPERS und CalSTRS, den Pensionsfonds der kalifornischen Lehrer, verpflichtet hätte, sich von Investitionen im Wert von rund 15 Milliarden US-Dollar in Unternehmen des fossilen Sektors zu trennen. Die Fonds hatten argumentiert, dass eine zu strikte Vorgehensweise ihre Rendite gefährden könnte. SB 252 wurde deshalb bis 2024 auf Eis gelegt. Im Geschäftsjahr 2022/2023 belief sich die Rendite von CalPERS auf 5,8 Prozent.

    Der von CalPERS jetzt eingeschlagene Kurs trifft bei progressiven Demokraten allerdings nur auf verhaltene Zustimmung. Lena Gonzalez, State Senatorin von Los Angeles County, die zu den Initiatoren des Divestment-Gesetzes gehört, äußerte sich gegenüber der Wirtschaftsagentur Bloomberg entsprechend zurückhaltend. “Aus bundespolitischer Sicht sieht das sehr fortschrittlich aus, aber für Kalifornien reicht es nicht”, sagte sie. “Ich bin sehr skeptisch, ob das so funktionieren wird.” ch

    • Finanzen
    • Klimaziele
    • USA

    UN: Verletzliche Staaten ohne Anpassungspläne

    Jedes sechste Land hat noch immer keinen Klimaadaptionsplan. Die meisten dieser 29 Länder seien gleichzeitig besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels und bräuchten deshalb zusätzliche Unterstützung. Allerdings gibt es auch Fortschritte bei der Klimaanpassung: Die meisten Staaten planen inzwischen die Klimaanpassung, und 25 Prozent von ihnen haben bereits rechtlich bindende Instrumente für die Adaptation eingeführt. Zu diesem Ergebnis kommt der Adaptation Gap Report 2023 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), der jüngst publiziert wurde. Darüber hinaus kritisiert der Bericht, dass die Gleichstellung der Geschlechter und die soziale Inklusion in den Adaptionsplänen nicht genügend berücksichtigt werden.

    Die Autorinnen und Autoren fanden außerdem heraus, dass die Finanzierungslücke für Klimaadaption noch größer als bisher vermutet ist und zwischen 194 und 366 Milliarden US-Dollar beträgt. In früheren Hochrechnungen war man von der Hälfte ausgegangen. Adaption bräuchte demnach zehn bis 18 Mal so viele Mittel wie die aktuell zugesagten 21 Milliarden US-Dollar. Wenn nicht genügend in Klimaanpassung investiert wird, könnten die unwiederbringlichen Schäden und Verluste (Loss and Damage) durch den Klimawandel noch größer werden. kul

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    • Anpassung
    • Klimafinanzierung
    • Loss and Damage

    Klimaschutzgesetz: Breite Expertenkritik lässt Grüne “sehr nachdenklich” zurück

    Als an diesem Dienstag im Ausschuss für Wirtschaft und Klimaschutz die geplante Änderung des Klimaschutzgesetzes diskutiert wurde, haben fast alle Sachverständigen massive Kritik an den Plänen der Ampel-Koalition geübt – normalerweise tun das nur diejenigen, die von der Opposition eingeladen wurden.

    Die Kritik richtete sich vor allem dagegen, dass es künftig keine verbindlichen Klimaziele für einzelne Sektoren und verpflichtende Sofortprogramme der zuständigen Ministerien beim Überschreiten dieser Ziele mehr geben soll, sondern nur noch das Gesamtbudget entscheidend ist. Nicht nur Christoph Bals von der Klimaschutz-Organisation Germanwatch sieht ein “Riesenproblem” in diesem Vorschlag, der auf die FDP zurückgeht. “Wenn alle verantwortlich sind, ist keiner verantwortlich”, sagte er. Auch der von der SPD eingeladene DGB-Vertreter Leon Krüger erklärte, der Plan “schwächt ein Stück weit die Ressortverantwortung ab”.

    Vielfach kritisiert wurde zudem, dass künftig erst nachgesteuert werden muss, wenn die Gesamtziele in zwei Jahren in Folge verfehlt werden müssen, sodass die Regierung in dieser Legislaturperiode keine weiteren Maßnahmen beschließen muss. Die ohnehin schon bestehende Lücke beim Klimaziel für 2030 werde die Novelle dadurch “eher vergrößern”, warnte Leopoldina-Präsident Gerald Hermann Haug. Mehrere Sachverständige, darunter die von den Grünen eingeladene Kerstin Andreae vom Energieversorgerverband BDEW, warnten zudem vor drohenden Milliardenzahlungen, weil die Novelle nicht mit den EU-Klimavorgaben verzahnt sei.

    “Verfassungsrechtlich äußerst problematisch”

    Mehrere Sachverständige stellten zudem die Rechtmäßigkeit des Gesetzentwurfs infrage. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem wegweisenden Beschluss von 2021 klargemacht, dass Klimaschutz nicht zu weit in die Zukunft verschoben werden darf, um die Rechte künftiger Generationen zu schützen. Vor diesem Hintergrund warnte die auf Vorschlag der SPD eingeladene Umweltrechtlerin Roda Verheyen, der Entwurf sei “verfassungsrechtlich außerordentlich problematisch”.

    Grünen-Obfrau Lisa Badum zeigte sich beeindruckt von der massiven und fast einhelligen Kritik der geladenen Experten. “Die Ausführungen lassen mich sehr nachdenklich zurück”, sagte sie gegen Ende der Befragung – und stellte in Aussicht, dass die Koaltion an einigen Punkten noch “nachsteuern” werde. Der CDU-Klimapolitiker Thomas Heilmann, der schon im Vorfeld massive Kritik an den Ampel-Plänen geübt hatte, drängte darauf, das Gesetz nicht abzuschwächen. “Ich hoffe, diese Nachdenklichkeit materialisiert sich auch”, sagte er an Badum gerichtet. Sofern der Zeitplan nicht geändert wird, bleibt dafür aber nicht viel Zeit: Die zweite und dritte Lesung sollen bereits in der nächsten Woche stattfinden. Badum zeigte sich dennoch optimistisch, noch Änderungen zu erreichen. “Wir gehen grundsätzlich mal davon aus, dass alle Koalitionspartner ein Interesse daran haben, das Klimaziel 2030 zu erreichen”, sagte sie Table.Media zur Begründung. mkr

    • Deutschland
    • Klimaschutzgesetz

    Presseschau

    Analyse: Offshore Wind hat ein Problem mit den Unterwasserkabeln Semafor
    Analyse: Das Klimaziel der USA ist noch in Reichweite Bloomberg
    Kommentar: Wie die größten Städte der Welt ihre Transportemissionen um mehr als 20 Prozent kürzen könnten CarbonBrief
    Nachricht: Die Anpassungslücke ist 50 Prozent höher als gedacht Reuters
    Nachricht: Stau am Panamakanal Bloomberg
    Analyse: Warum es in Hawaii so viele Klimaklagen gibt Bloomberg
    Analyse: Sodium-Batterien als mögliche Alternative für das seltene Lithium The Economist
    Hintergrund: Die Dürre in der Amazonas-Region streut Angst davor, den Kipppunkt des Waldes zu erreichen Financial Times
    Reportage: Wie Hoboken am Hudson River wasserspeichernde Infrastruktur nutzt New York Times
    Analyse: Sollten auf Fleischgerichten Warnhinweise zum Klimawandel stehen?
    Die Zeit

    Heads

    Gavin Newsom: Klima-Gouverneur will ins Weiße Haus

    Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom traf den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping Ende Oktober.

    Es ist ein großes Motto, dem sich Gavin Newsom verschrieben hat: aus Kalifornien in die Welt. Vor wenigen Wochen erst reiste der Gouverneur des einwohnerstärksten US-Bundesstaates ins ferne China, traf dort sogar Staatspräsident Xi Jinping. Für die große Volksrepublik hatte der kleine US-Landesherr auch eine Botschaft mitgebracht. “Wir sind hier, um unsere Klimaziele deutlich zu machen und lassen nicht zu, dass Schweigen das lauteste Geräusch ist”, erklärte der 56-Jährige.

    Newsom hat wie kaum ein anderer das Klima ins Zentrum seiner Politik gestellt. Geht es nach dem umtriebigen Demokraten, sollen sich nicht nur die USA ein Vorbild an seinem Golden State nehmen, sondern auch andere Länder rund um den Globus. Seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren hat er ein beachtliches Tempo vorgelegt. Bis zum Jahr 2035 müssen in Kalifornien alle verkauften Neuwagen emissionsfrei sein. Bis 2045 soll der Bundesstaat gänzlich klimaneutral sein. Und die Ölindustrie, die dem Bundesstaat einst zum wirtschaftlichen Aufschwung verholfen hatte, erklärt Newsom zu seinem Hauptgegner. “Seit mehr als 50 Jahren belügt uns Big Oil und vertuscht die Tatsache, dass sie schon lange wissen, wie gefährlich die von ihnen produzierten fossilen Brennstoffe für unseren Planeten sind”, sagte der studierte Politikwissenschaftler kürzlich.

    Durch Fischotter zum Klimaschützer

    Für den in San Francisco aufgewachsenen Newsom spielte die Natur schon in jungen Jahren eine große Rolle. Sein Vater, ein renommierter Anwalt und Richter, war überzeugter Umweltschützer und saß in den Vorständen verschiedener Umweltorganisationen. Er soll seinen Sohn Gavin schon früh auf Wandertouren entlang der kalifornischen Flüsse mitgenommen haben. Es sei aber vor allem das außergewöhnliche Haustier der Familie gewesen, das den heutigen Gouverneur zum Klimaschützer machte: ein Fischotter. So zumindest erzählte es der vierfache Familienvater laut US-Medien einst einer Schulklasse in Paradise, wo zuvor verheerende Waldbrände gewütet hatten. Der natürliche Lebensraum der Nager ist durch den Klimawandel stark bedroht. “Wenn ich an den Klimawandel denke, denke ich an Tiere. Ich denke an Pflanzen”, sagte er. Newsom hat heute selbst vier Kinder im Alter zwischen sieben und 14 Jahren. Er ist in zweiter Ehe mit der amerikanischen Filmemacherin und Schauspielerin Jennifer Siebel verheiratet. Die Familie lebt in Fair Oaks, einem verschlafenen Ort im Nordosten der kalifornischen Hauptstadt Sacramento.

    Seine Geschichten kommen an. Beim “Klima-Ehrgeiz-Gipfel” der UN im September war Newsom der einzig eingeladene Redner aus der US-Politik. Für seine Ansprache auf der Weltbühne erntete der Gouverneur viel Applaus. Die Erwartungen sind groß, dass Newsom auch auf der anstehenden COP28 in Dubai für Aufmerksamkeit sorgen wird. Ob er teilnehmen wird, ist noch nicht offiziell verkündet worden.

    Sein ambitioniertes Vorgehen hat allerdings auch einen Preis. Laut einer Analyse der Hoover Institution an der Stanford University haben zwischen 2018 und 2021 insgesamt 352 Unternehmen ihren Hauptsitz aus Kalifornien heraus verlegt – Tendenz steigend. Die strikte Regulatorik und hohe Abgabenlast machten ihnen zu schaffen. Zu den Abtrünnigen zählen auch Unternehmen, die eigentlich zur Klimaidentität des Bundesstaates passen. “Kalifornien war einmal das Land der Möglichkeiten” kommentierte etwa Elon Musk. Jetzt werde es immer mehr zu einem Land der “Überregulierung und Überbesteuerung”. Vor knapp zwei Jahren hatte auch der Tesla-Chef den Hauptsitz des E-Autobauers von Palo Alto nach Austin in Texas verlegt.

    Für Newsom könnte die Klimapolitik aber auch politisches Kalkül sein. Es gilt als offenes Geheimnis, dass der Gouverneur große Ambitionen auf das Präsidentenamt im Jahr 2028 hegt. Sein Auftreten als kompromissloser Kämpfer für das Klima dürfte ihm vor allem bei der jüngeren Generation viel Zuspruch einbringen – und damit bei jener Gruppe, die die Wählerschaft in fünf Jahren dominieren wird. Aus Kalifornien in die Welt – das wäre für Newsom dann nicht mehr nur ein Motto. Im Weißen Haus würde es zu seiner Hauptaufgabe werden. Laurin Meyer

    • COP28
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    • USA

    Climate.Table Redaktion

    REDAKTION CLIMATE.TABLE

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