Table.Briefing: Climate

Los Angeles: Brände bedrohen Versicherungen + Faktencheck zur Wahl: CCS + EU: Verkehrs-Emissionen vor Höhepunkt

Liebe Leserin, lieber Leser,

Die Bilder aus Los Angeles und der Umgebung wirken wie aus einer der schlimmsten Klimakatastrophen-Dystopien. Aber was haben die Waldbrände überhaupt mit der Klimakrise zu tun? Bernhard Pötter analysiert das heute. Aber auch die Frage, die sich in Kalifornien laut stellt: Sprengen Klimaschäden selbst in reichen Ländern die Versicherungssysteme?

In unserer Serie mit Klima-Faktenchecks zur Bundestagswahl schauen wir heute auf die Vorschläge und Diskussionen rund um CCS. Nico Beckert fasst den Stand der Debatte zusammen und erklärt, warum sogar der Kohlekonzern LEAG wenig von CCS bei Kohlekraftwerken hält.

Manuel Berkel erklärt außerdem die aktuellen Debatten um den Ausbau der Erneuerbaren in der EU und welche Probleme es auf europäischer Ebene mit dem Ausbau von Windenergie gibt.

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Lisa Kuner
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Analyse

Feuer in Los Angeles: Warum sie das Versicherungssystem bedrohen

Viele Schäden sind nicht versichert: Zerstörung in Altadena, Los Angeles.

Die verheerenden Waldbrände in Los Angeles haben nicht nur viele Menschen getötet und die Infrastruktur der Stadtlandschaft verwüstet. Die Feuer entwickeln sich auch zu einer der teuersten Naturkatastrophen in der US-Geschichte. Sie lassen die Frage aufkommen, ob die Risiken der Klimakrise selbst in einer reichen Gegend eines der reichsten Länder der Welt noch von Versicherungen abzudecken sind. Denn die immensen materiellen Schäden bedrohen in Kalifornien und anderen US-Staaten akut das System von Versicherung und Rückversicherung von Immobilienwerten.

Die vielen Brände im Großraum Los Angeles haben nach Angaben der Behörden bis zum Montagnachmittag 24 Menschenleben gekostet, etwa 12.000 Gebäude zerstört und etwa 150.000 Menschen in die Flucht geschlagen. 7.500 Feuerwehrleute und Helfer kämpfen gegen die Flammen, die von ungewöhnlich starken Winden aus den Bergen angefacht werden. Nach einer kurzen Erholung sollten diese Winde und damit möglicherweise auch die Feuer ab Dienstag wieder zunehmen.

Schäden: 50 bis 250 Milliarden US-Dollar?

Ein erster Überblick zeigt, dass die Schäden wohl mit mehr als 50 Milliarden US-Dollar weit über allen bisherigen Verlusten durch Wald- und Buschbrände in den USA liegen könnten. Im Gegensatz zu den etwa 20 Milliarden US-Dollar an Schäden durch die Brände 2018 rechnet der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, damit, dass das Feuer die “schlimmste Naturkatastrophe” der USA werden könne, was die Kosten angehe. Der Wetterdienst AccuWeather rechnet sogar insgesamt mit Schäden von 250 bis 275 Milliarden Dollar, wenn sekundäre Effekte wie versäumte Arbeitszeit oder unterbrochene Lieferketten mit einbezogen werden.

Dazu kommt, dass viele Hauseigentümer nicht oder nicht mehr gegen Feuer versichert sind – auch, weil ihre Versicherungen dieses Risiko nicht mehr tragen wollen. Seit Jahren – und vor allem nach der Feuerkatastrophe von “Camp Fire” 2018 – reduzieren die beiden Versicherungskonzerne State Farm und Allstate nach einem Bericht des “New Yorker” ihre Verträge für Feuerversicherungen in Kalifornien. Erst im vergangenen Jahr beendeten sie etwa 1.500 Verträge im Stadtteil Pacific Palisades, wo jetzt eines der verheerenden Feuer begann.

Krise der Feuerversicherungen in Kalifornien

Im vergangenen Jahr hatten die großen Versicherer in Kalifornien zehntausenden von Eigentümern ihre Feuerversicherung gekündigt oder nicht erneuert – unter ihnen viele in den jetzt betroffenen Gegenden. Der Grund: Steigende Schäden einerseits und andererseits gesetzliche Regeln, die den Versicherern enge Grenzen setzen, was ihre Preisbildung betrifft. Der staatliche Regulierer Ricardo Lara hat erst kurz vor dem Jahreswechsel diese restriktiven Regeln geändert. Nun dürfen Versicherer anders als bisher:

  • für die Berechnung ihrer Prämien nicht nur die Schäden der Vergangenheit zugrunde legen, sondern auch mit Modellen für zukünftige Katastrophen kalkulieren;
  • ihre entstehenden Kosten an die Rückversicherer weitergeben, um sich abzusichern.

Diese Maßnahmen sollten den Markt für private Immobilienversicherungen in Kalifornien wiederbeleben. Die Katastrophe von L.A. kommt also auch ökonomisch zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt.

Muss der Staat als Versicherer einspringen?

Ähnlich wie in anderen US-Staaten zogen und ziehen sich die Unternehmen vor allem wegen steigender klimabedingter Risiken zunehmend aus den Versicherungen gegen Feuer, aber auch gegen Hochwasser und Stürme etwa in US-Staaten an der Ostküste zurück. Einspringen müssen dann öffentlich geförderte Versicherungen – doch auch deren Wirtschaftlichkeit ist teilweise bedroht.

In Kalifornien sollte das staatlich gestützte Versicherungsprogramm FAIR diese Lücke schließen. Allein seit 2023 hat es die Zahl seiner Verträge um 40 Prozent gesteigert – Eigentümer, die bei privaten Programmen scheiterten, fanden hier Schutz. FAIR deckt nun 450 Milliarden US-Dollar an Werten und steht vor der Frage, ob es die Policen für die einzelnen Eigentümer deutlich teurer machen soll, oder ob letztlich der Staat mit Steuergeld diese privaten Immobilienrisiken absichern soll – und ob das finanziell machbar ist. Eine ähnliche Debatte gibt es auch in Deutschland und Europa, wo es um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden geht – die mit einer neuen, potenziell CDU-geführten Bundesregierung deutlich näher rückt, wie Table.Briefings beschrieben hat.

Hintergrund: Die Klimakrise

Die Schäden in Kalifornien steigen nicht nur durch zunehmende Wetter-Extreme – sondern auch durch die Immobilienentwicklung: Immer mehr Menschen ziehen in Gegenden, die von Waldbränden bedroht sind. Die Schadenssummen steigen auch, weil immer mehr wertvolle Güter versichert werden. Als weitere Brandursachen gelten das sorglose Umgehen mit Feuer oder nicht genügend Mittel und Fahrzeuge für die Feuerwehren.

Eine wichtige Ursache der Feuerkatastrophe von Los Angeles sind für die meisten Experten die Klimaveränderungen, die sich besonders in Kalifornien zeigen. Zwar gibt es Berichte, nach denen der Klimawandel nicht schuld an der Katastrophe sei, und der zukünftige US-Präsident Donald Trump, der die Klimapolitik seines Vorgängers abwickeln will, macht Inkompetenz der demokratischen Regierung in Kalifornien für die Katastrophe verantwortlich.

Tendenzen passen ins globale Muster

Doch die Katastrophe von Los Angeles passt ins globale Muster: 2024 wurde zum ersten Mal weltweit die Erwärmungsgrenze von 1,5 Grad Celsius überschritten. Die Schäden durch Extremwetter nehmen weltweit zu, der “Klimawandel zeigt seine Krallen”, wie es die Münchener Rückversicherung formuliert. Auch in Kalifornien sprechen die grundlegenden Daten eine deutliche Sprache:

  • Unter den Bedingungen des Klimawandels verschiebt sich offenbar die Regensaison in Kalifornien. Damit steigt auch wie jetzt im Winter die Gefahr von Dürre und Feuer – eine wärmere und feuchtere Atmosphäre trocknet den Boden aus. Der Staat ist seit Jahren immer wieder im Zustand einer “Mega-Dürre“.
  • Das “Aufschaukeln” von langen Dürreperioden mit ungewöhnlichen Regenperioden hat zu der Dynamik einer “Wetterpeitsche” geführt: Ungewöhnlich viel Regen wie in den letzten beiden Wintern lässt viel Vegetation wachsen. Lange Dürren wie derzeit, wo es seit neun Monaten nicht geregnet hat, machen daraus extrem trockenen potenziellen Brennstoff. Diese Veränderung der Wettermuster führen Wissenschaftler auch auf Störungen der “atmosphärischen Flüsse” zurück, die etwa durch ein verändertes Jetstream-Muster bedingt werden.
  • Dadurch habe sich die Anzahl der “Feuertage” in einer ohnehin von Dürre und Feuer bedrohten Landschaft langfristig um mehr als 60 Tage im Jahr erhöht. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die verbrannte Fläche im Staat verfünffacht, vor allem wegen der Klimakrise, zeigen Studien.
  • Andere Faktoren wie ungewöhnlich starke Winde, Nachlässigkeit der Anwohner und schlecht vorbereitete Behörden kommen dann erschwerend dazu.
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Faktencheck zur Wahl: CO₂-Abscheidung für Kohlekraftwerke

Jens Spahn und die CDU/CSU-Fraktion wollen CO₂ auch bei Kohlekraftwerken abscheiden und speichern.

Schon die Ampel-Koalition wollte die CO₂-Abscheidung und -Speicherung aus Industrie und Stromsektor regulieren. Ihre Carbon-Management-Strategie hängt jedoch noch im parlamentarischen Verfahren fest – es ist unklar, ob sie noch mithilfe der CDU/CSU beschlossen wird.

Die Forderung

Die CDU/CSU will CCS auch für den Energiebereich “rechtlich ermöglichen”, um CO₂ “in nennenswerten Mengen” abzuscheiden. Die Partei will “CCS-Technologien und Anwendungen energisch voranbringen” und bezeichnet sie als technologisch ausgereifte und umsetzbare Option”, wie aus einem Diskussionspapier der Fraktion hervorgeht. Jens Spahn (CDU) hatte zur Carbon-Management-Strategie der Ampel-Koalition gesagt, CCS solle auch bei Kohlekraftwerken genutzt werden. Auch die FDP will CCS “diskriminierungsfrei als Klimaschutz-Option ermöglichen”. Das hieße: Einsatz auch über die schwierig zu dekarbonisierenden Sektoren (“hard-to-abate”) hinaus, also auch beispielsweise bei Kohlekraftwerken.

Mögliche Umsetzung und politische Hürden

Ein CCS-Gesetz oder eine Carbon-Management-Strategie wären mit einfacher Mehrheit im Bundestag umzusetzen. Die CDU/CSU hat jüngst signalisiert, der Carbon Management Strategie der zerbrochenen Ampel-Regierung im Bundestag noch zuzustimmen. Allerdings scheinen Teile der SPD und der Grünen den Einsatz von CCS bei Gaskraftwerken, den die Strategie vorsieht, nicht mehr zu unterstützen. In der Ampel hatte die FDP darauf gedrungen. Wirtschaftsminister Robert Habeck war den Liberalen diesen Schritt entgegengekommen.

Die Carbon-Management-Strategie der Ampel sieht CCS bei Kohlekraftwerken nicht vor. Diese Forderung wäre in einer schwarz-grünen Koalition ein großer Streitpunkt. Die Grünen würden sehr wahrscheinlich nicht mitziehen, da der Einsatz bei Kohlekraftwerken dem Kohleausstieg widersprechen würde. Auch in einer CDU/CSU-SPD-Koalition wäre ein breiter Einsatz von CCS umstritten. Die SPD plädiert in ihrem Programm für “CO₂-Vermeidung vor Abscheidung”.

Das würde es bedeuten

CCS gilt unter Experten nicht als ausgereifte Technologie. Weltweit sind lediglich 50 Anlagen in Betrieb. Bei Gas- und Kohlekraftwerken sind es lediglich fünf Anlagen, wie das industrienahe Global CCS Institute in seinem Statusbericht vom November 2024 schreibt. Viele CCS-Projekte sind weniger effektiv als geplant: Eine CCS-Anlage an einem Kohlekraftwerk in Houston hat nur sieben Prozent der CO₂-Emissionen des Kraftwerks abgeschieden, geplant waren 90 Prozent. In Kanada hat eine Kohle-CCS-Anlage laut Betreibern circa 50 Prozent abgeschieden – geplant waren 90 Prozent.

Da der Aufbau der CCS-Infrastruktur einige Jahre dauern wird, sind kurzfristig keine Emissionsreduktionen zu erwarten. Falls Unternehmen für CCS Investitionen in andere Dekarbonisierungstechnologien zurückhalten, könnten solche Reduktionen sogar verzögert werden.

Je größer bei steigender Nachfrage die CO₂-Transportinfrastruktur und die Speicherstätten würden, desto mehr steigen Kosten und die Gefahr von Lecks. Die Carbon-Management-Strategie der Ampel-Koalition sieht ein privatwirtschaftlich betriebenes Pipeline-Netz vor. Offizielle Angaben über die Länge gibt es nicht, eine Studie des Vereins Deutscher Zementwerke findet 4.800 Kilometer notwendig.

Der Transport und die Speicherung im Meeresboden ist mit großen Kosten verbunden. Industrieverbände wie der BDI schlagen daher auch eine Speicherung an Land vor, da sie um rund 50 Prozent günstiger wäre. Die ist unter Umweltschützern und Anwohnern allerdings höchst umstritten, sodass es wahrscheinlich zu Konflikten und Protesten kommen würde. Derzeit ist eine Speicherung von CO₂ in Deutschland und der CO₂-Export noch verboten. Wirtschaftsminister Robert Habeck wollte eine Offshore-Speicherung in Deutschland ermöglichen. Für den Transport ins Ausland müsste Deutschland eine Änderung des sogenannten London-Protokolls ratifizieren. Norwegen hat kürzlich das “Northern Lights”-Projekt fertiggestellt, um auch CO₂ aus der europäischen Industrie importieren und speichern zu können.

Genaue Daten zur Lage von möglichen deutschen CO₂-Speichern veröffentlicht die Bundesregierung nicht. Bis Ende vergangenen Jahres hätte Deutschland wie alle EU-Staaten Daten über mögliche Speicherstätten laut Net-Zero Industry Act (NZIA) melden müssen. Die Bundesregierung hat diese Frist verstreichen lassen, wie das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage von Table.Briefings bestätigte, weil “nach geltendem Recht derartige Speicherstätten gegenwärtig nicht genehmigt werden könnten”, teilte eine Sprecherin mit.

Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Der Klimanutzen für CCS an Kohlekraftwerken wäre fraglich und möglicherweise mit hohen Investitionskosten verbunden. Der Vorstandsvorsitzende der Leag, Torsten Kramer, lehnt die Technik bei Kohlekraftwerken daher ab: “Für die reine Braunkohleverstromung ist die Debatte beendet. Die Volumen, die bei uns an CO₂ ausgestoßen werden, […] könnte man nur über ein exklusives Pipeline-Netz abtransportieren. Das sind Kosten, Investitionsgrößen, die kann man gar nicht mehr beherrschen.”

Andere Akteure sehen das anders: Vergangene Woche forderte der Verein der Kohlenimporteure, die CO₂-Abscheidung auch für Steinkohlekraftwerke zu ermöglichen: Es sei nicht einzusehen, CCS/CCU für den Betrieb von Gaskraftwerken zuzulassen, bei Kohlekraftwerken aber nicht. Zu dem Verband gehören auch große Energieunternehmen wie EnBW, Uniper, Steag und Trianel, der Chemieparkbetreiber Currenta und die Deutsche Bahn.

Die FDP will negative Emissionen in den Emissionshandel aufnehmen und “kostenfreie Zertifikate” für Unternehmen, die “der Atmosphäre durch Aufforstung oder technische Methoden Treibhausgase entnehmen”. Allerdings liegen die Kosten für eine Tonne abgeschiedenes CCS höher als die Preise für CO₂-Zertifikate.

Bisher fehlt ein Geschäftsmodell für CCS. Für den Aufbau der Transportinfrastruktur und die Speicheranlagen wären langfristige Subventionen nötig, sagen Experten. Greenpeace geht in einer Studie von Kosten in Höhe von 39 bis 81 Milliarden Euro bis 2045 aus. Zudem sollten die Risiken von CO₂-Lecks bei Transport und Speicherung vom Staat abgesichert werden. Großbritannien etwa will in den nächsten 25 Jahren fast 22 Milliarden Pfund für den Aufbau der Infrastruktur und zwei CO₂-Speicher in der Nordsee bereitstellen.

Fazit

Eine Anwendung von CCS in Kohlekraftwerken ist unrealistisch. Eine teure Nachrüstung für Kohlemeiler, die ohnehin nur noch ein paar Jahre am Netz bleiben, ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und würde weder die Strompreise drücken, noch die CO₂-Emissionen der Kraftwerke merklich senken. Ob neben den schwer zu dekarbonisierenden Industriesektoren (Zement und Kalk, Müllverbrennung, Teile der chemischen Industrie, Flugindustrie) auch andere Industriesektoren auf CCS setzen würden, ist unklar. In der Stahl- und Chemieindustrie könnten Innovationen CCS unnötig machen. Pläne für CCS an Land würden wahrscheinlich große Proteste nach sich ziehen. Mitarbeit: Manuel Berkel

Weitere Teile der Faktencheck-Serie: “Klimaziel 2045 auf 2050 verschieben.

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Erneuerbare: EVP-Abgeordnete wollen Ziel für 2040 streichen

In der EU wurden 2024 weniger Windkraftanlagen gebaut als im Vorjahr.

Abgeordnete der EVP haben sich bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wegen eines Zugeständnisses an die Grünen im Mission Letter für den neuen Energiekommissar Dan Jørgensen beschwert. Jørgensen hatte sich bei seiner parlamentarischen Anhörung offen für ein Erneuerbaren-Ziel für 2040 gezeigt.

Nach der Bestätigung des Kollegiums durch die Abgeordneten hatte von der Leyen mehrere Mission Letter geändert und auch das Ziel für Erneuerbare festgeschrieben. Gewertet wurde das als Entgegenkommen gegenüber den Grünen, um die Wiederwahl von der Leyens abzusichern.

“Diese Änderung untergräbt somit die Gültigkeit der Herrn Jørgensen erteilten Bestätigung. Es ist zwingend erforderlich, seinen Mission Letter in der Fassung wiederherzustellen, die zum Zeitpunkt seiner Anhörung vorlag”, schreiben 14 Industriepolitiker der EVP um den französischen Abgeordneten François-Xavier Bellamy. Zu den Unterzeichnern gehören auch die CDU-Abgeordneten Andrea Wechsler und Hildegard Bentele.

Wechsler: CCS wird bedeutende Rolle spielen

Eine Absage an ein neues Erneuerbaren-Ziel für 2040 hatten auch Frankreich und andere Atomstaaten im Rat gefordert. Die Parlamentarier argumentieren ebenfalls mit dem Prinzip der Technologieneutralität und dem Recht der Mitgliedstaaten, ihren Energiemix frei zu bestimmen – auch bei der Dekarbonisierung. “Sie müssen in der Lage sein, dieses Ziel zu erreichen, indem sie auf andere kohlenstoffarme Energieträger als die erneuerbaren Energien zurückgreifen”, heißt es in dem Brief.

Wechsler setzt insbesondere auf die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. “Wir werden uns mit CCS auseinandersetzen müssen, weil CCS eine bedeutende Rolle bei der Dekarbonisierung in Europa spielen muss”, sagte Wechsler zu Table.Briefings. Zur Energieerzeugung hat sich die Union bislang für CCS bei Gaskraftwerken und bei der Herstellung von blauem Wasserstoff ausgesprochen.

Energie- und Chemieunternehmen wollen CCS für Kohlekraftwerke

Die Technologieoffenheit weckt allerdings Begehrlichkeiten. Am Freitag forderte der Verein der Kohlenimporteure, die CO2-Abscheidung auch für Steinkohlekraftwerke zu ermöglichen: Es sei nicht einzusehen, CCS/CCU für den Betrieb von Gaskraftwerken zuzulassen, bei Kohlekraftwerken aber nicht. Zu dem Verein gehören Energieunternehmen wie EnBW, Uniper, Steag und Trianel, der Chemieparkbetreiber Currenta und die Deutsche Bahn.

Im vergangenen Jahr wurde der Ausbau der Erneuerbaren in der EU bereits eingebremst. Die Solarenergie verzeichnete mit 65,5 Gigawatt (GW) zwar noch einen Anstieg, allerdings ging die Wachstumsrate nach Angaben von SolarPower Europe stark zurück. Am Freitag meldete dann WindEurope einen Rückgang der Installationszahlen.

20 Prozent weniger Windkraft installiert

Wurden 2023 in der EU noch 16,2 GW zugebaut, waren es im vergangenen Jahr nur noch 13 GW. Damit die EU ihre Energieziele erreicht, müssten es nach Angaben des Verbandes eigentlich 30 GW pro Jahr sein. In Deutschland hatten dagegen zumindest die Genehmigungen für Windkraftanlagen zuletzt deutlich zugelegt – auch wegen verkürzter Planungsverfahren.

EU-weit habe sich die Genehmigungssituation 2024 aber sogar verschlechtert, stellt WindEurope ernüchtert fest. Viele Mitgliedstaaten hätten die neuen Erleichterungen durch die Erneuerbaren-Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt.

500 GW warten auf Netzanbindung

Mehr als 500 GW an Windprojekten in der EU warteten derzeit außerdem auf Zusagen für eine Netzanbindung. Ein prominentes Beispiel sei der fertige Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 3. Tennet könne ihn erst 2026 ans Netz anschließen.

Zudem hält die Elektrifizierung nicht Schritt mit dem Ausbau der Erneuerbaren, weshalb es immer häufiger zu negativen Börsenpreisen kommt. Für viele Erneuerbaren-Projekte stehe die Wirtschaftlichkeit deshalb infrage, sagte der CEO von Axpo, Christoph Brand, der Agentur Bloomberg. Der von der EU-Kommission angekündigte Elektrifizierungsplan könne gar nicht schnell genug kommen, bekräftigte WindEurope am Freitag.

2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

Denn der ebenfalls am Freitag veröffentlichte Copernicus Global Climate Highlights Report 2024 zeigt, dass das vergangene Jahr das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Und es wird das erste Jahr sein, in dem die jährliche globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt.

Das vergangene Jahr war auch das wärmste für alle kontinentalen Regionen, einschließlich Europa, mit Ausnahme der Antarktis und Australasiens. Dabei hat sich der europäische Kontinent seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt und ist damit der sich am schnellsten erwärmende Kontinent der Erde.

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Bundestag: Bei welchen Energiegesetzen eine Einigung noch möglich ist

Zwei Sitzungswochen bleiben dem Bundestag vor der Wahl noch, um wichtige energiepolitische Gesetze zu verabschieden. Bei einigen gibt es nach Angaben aus den Fraktionen durchaus noch Einigungschancen. Entscheidend dürften in vielen Fällen die vier Sachverständigen-Anhörungen sein, die den Energie- und Klimaausschuss des Bundestags an diesem Mittwoch von 9 bis 17.30 Uhr durchgehend beschäftigen werden. Anschließend soll auf Ebene der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden versucht werden, eine Einigung zu erreichen.

Verhandelt wird unter anderem über einen Gesetzentwurf von SPD und Grünen für eine Anschlussförderung für Biogas-Kraftwerke, die aus der EEG-Förderung fallen. Die Union teile dieses Anliegen, sehe nach Rückmeldungen aus der Branche aber erheblichen Änderungsbedarf, sagte CDU-Vize Andreas Jung Table.Briefings. Hier scheint eine Verständigung möglich, denn auch die SPD sehe noch die Notwendigkeit, den Entwurf nachzubessern, sagte SPD-Energiepolitikerin Nina Scheer.

Differenzen über genaue Ausgestaltung

Auch bei der Verlängerung der Förderung von KWK-Kraftwerken, wozu die Union einen Gesetzentwurf eingebracht hat, gibt es Einigkeit über das Ziel, aber Differenzen über die genaue Ausgestaltung. Ähnliches gilt für einen Entwurf von SPD und Grünen zur Regelbarkeit neuer Solaranlagen, die als wichtig gilt, um künftig eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern. “Was bei diesen Gesetzen noch möglich ist, hängt vor allem von den Ergebnissen der Anhörung ab”, sagt CDU-Vize Jung. Auch die Grünen zeigen sich vorsichtig optimistisch: “Wir sind in konstruktiven Gesprächen”, sagte Fraktionsvize Julia Verlinden.

Schwieriger könnte eine Einigung über Beschränkungen beim Windkraftbau werden. Die schwarz-grüne Regierung in NRW drängt auf eine Festlegung, dass Windkraftwerke außerhalb der geplanten Vorranggebiete erschwert werden. Im Bundeskabinett hatte es darüber aber keine Einigung gegeben; ein daraufhin von der Union eingebrachter Gesetzentwurf geht der SPD deutlich zu weit. “Das ist mit uns nicht zu machen, weil es bundesweit gelten und den Wind-Ausbau stark behindern würde”, sagt Scheer.

Widerstand gegen CCS bei Gaskraftwerken

Auch beim CCS-Gesetz, zu dem die Expertenanhörung bereits im November stattgefunden hatte, gibt es noch größere Vorbehalte. Die Union hat mit dem Gesetzentwurf der Ampel-Regierung zwar keine Probleme. “Wir würden ihm in der vorliegenden Form sofort zustimmen”, sagt Jung. “Habeck und Scholz müssen nur eine Mehrheit dafür in ihren Fraktionen organisieren.” Doch bei SPD und Grünen gibt es Widerstand dagegen, CCS auch bei Gaskraftwerken zuzulassen – was auf Druck der FDP ins Gesetz aufgenommen worden war. “In dieser Form ist das Gesetz für uns nicht zustimmungsfähig“, sagt SPD-Frau Scheer.

Keinerlei Chance auf Einigung gibt es offenbar bei der Senkung der Netzentgelte. Diese wird zwar parteiübergreifend gefordert, doch die Union will dem Gesetzentwurf von SPD und Grünen nicht zustimmen, sagt Jung – unter anderem, weil mangels eines Haushalts für 2025 die Finanzierung der Maßnahme ungeklärt ist. Und auch mehrere andere Gesetze, die schon vor längeren Zeit ins Parlament eingebracht wurden – darunter das Geothermie-Beschleunigungsgesetz, das Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz und die Umsetzung der europäischen RED-III-Richtlinie – werden voraussichtlich nicht mehr final abgestimmt. Das liege auch daran, dass die Union erst über Inhalte verhandeln wollte, nachdem der Kanzler die Vertrauensfrage gestellt hat, kritisiert Grünen-Fraktionsvize Verlinden. “Dadurch ist viel Zeit verloren worden.” mkr

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Chile: Europäische Südsternwarte fürchtet Lichtverschmutzung durch Wasserstoffprojekt

Ein großes Wasserstoffprojekt, das im Norden Chiles geplant ist, könnte die astronomische Forschung dort gravierend und unumkehrbar beeinträchtigen, warnt die Europäische Südsternwarte (ESO). In einer Mitteilung schreibt sie: Das Vorhaben bedrohe “den makellosen Himmel über dem Paranal-Observatorium in der chilenischen Atacama-Wüste, dem dunkelsten und klarsten aller astronomischen Observatorien der Welt”, das seit seiner Gründung 1999 “zu bedeutenden Durchbrüchen in der Astronomie geführt” habe.

Das Projekt namens Inna gehört zum Portfolio des Stromversorgers AES Chile/AES Andes, einem Tochterunternehmen der US-Gesellschaft AES Corporation. Laut dem Unternehmen soll Inna sich auf die Herstellung von grünem Wasserstoff für Export und heimischen Bedarf konzentrieren. Möglich sei auch die Produktion von Ammoniak und daneben die Errichtung von Solar- und Windkraftanlagen sowie Batteriespeichern, um den chilenischen Strombedarf zu decken. Noch sei nicht endgültig über die Investition entschieden. Aber am 24. Dezember 2024 hat AES Chile die nötige Umweltverträglichkeitsprüfung bei den chilenischen Behörden beantragt – worauf die EOS nun mit ihrer Warnung reagiert hat.

Die Organisation fürchtet vor allem Lichtverschmutzung durch den Komplex, der laut ihrer Mitteilung nur in fünf bis elf Kilometern Entfernung vom Observatorium entfernt errichtet werden soll. Die ESO sei keineswegs gegen das Projekt selbst, “sondern nur gegen seinen geplanten Standort so nahe an unserem Observatorium”, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage von Table.Briefings. “Es mindestens 50 Kilometer entfernt zu errichten, würde den erheblichen Schaden begrenzen.”

Ein Sprecher des chilenischen Umweltministeriums sagte auf Anfrage, er könne das Projekt selbst nicht kommentieren. Er verwies jedoch auf eine für das Genehmigungsverfahren relevante Umweltnorm, die “norma lumínica”. Sie legt Grenzwerte für den künstlichen Lichteintrag bei Nacht fest und schützt astronomisch genutzte Himmelsregionen besonders. ae

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EU-Verkehrsemissionen: Warum sie 2025 den höchsten Punkt erreichen könnten

In der Europäischen Union ist der Verkehr der einzige große Wirtschaftszweig, in dem die CO₂-Emissionen seit 1990 gestiegen sind – doch dieser Trend könnte sich ändern. Neue Prognosen deuten darauf hin, dass die CO₂-Emissionen des Straßenverkehrs aufgrund kürzlich verabschiedeter Vorschriften bereits in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichen werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein am Montag veröffentlichter Bericht der gemeinnützigen Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT). Vorausgesetzt, bestehende CO₂-Standards blieben bestehen.

Die Ergebnisse des Berichts zeigen die Auswirkungen der in den vergangenen drei Jahren beschlossenen Maßnahmen der EU. Die Emissionen des Straßenverkehrs werden den Prognosen zufolge im Jahr 2025 mit fast 800 Millionen Tonnen CO₂ ihren Höchststand erreichen und danach bis 2035 um etwa ein Viertel zurückgehen. Dieser beschleunigte Rückgang stellt eine erhebliche Abweichung von früheren Prognosen dar und spiegelt die Auswirkungen des Übergangs von konventionellen Verbrenner-Fahrzeugen zu E-Autos wider.

Die Lücke zwischen einem Business-as-Usual-Szenario mit Ausgangsjahr 2021 und einem Emissionspfad, der mit dem Pariser Abkommen kompatibel ist, konnte demnach durch neuere EU-Vorschriften um 73 Prozent verkleinert werden. Es gebe auch weitere Einsparungsmöglichkeiten durch einen beschleunigten Umstieg auf sogenannte “Zero-emission Vehicles” (ZEV).

Der ICCT rechnet in seinem Bericht mit den Tank-to-Wheel (TTW)-Emissionen. Jene Emissionen in anderen Phasen des Lebenszyklus von Fahrzeugen (wie etwa die Herstellung) werden nicht mit eingerechnet. kul

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Kernfusion: Weshalb die Erwartungen zu hoch sind 

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) hat in einer aktuellen Studie die Potenziale und Herausforderungen der Kernfusion untersucht. Das Ergebnis: Mit Fusionskraftwerken ist erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu rechnen. Ob sie dann einen nennenswerten Beitrag zur Stromerzeugung leisten können, sei fraglich, schreiben die Autoren. 

FDP und Union nennen Kernfusion bereits als Option  

Damit dämpfen die Politikberater vom TAB die teils hohen Erwartungen der Politik deutlich. In ihren Wahlprogrammen für die anstehende Bundestagswahl nennen FDP und Union die Kernfusion als Option für die künftige Energieversorgung in Deutschland. Doch auch wenn Politiker wie Bettina Stark-Watzinger oder Kanzlerkandidat Friedrich Merz erste Fusionskraftwerke bereits in zehn bis 15 Jahren sehen, sieht die Realität anders aus.  

Zwar habe es in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte gegeben und auch das BMBF hatte angekündigt, die Fusionsforschung umfangreich zu fördern. Aber es bestünden weiterhin große Herausforderungen, schreibt das TAB. Dazu gehörten insbesondere “die Entwicklung (fusions)kraftwerkstauglicher Materialien, das Tritiummanagement sowie die Integration aller Teile in ein Gesamtsystem”.  

Die Politik müsste jetzt den Startschuss geben 

Christian Linsmeier, Direktor des Institute of Fusion Energy and Nuclear Waste Management am Forschungszentrum Jülich vermutet in einem Statement für das Science Media Center, dass “ein erster Fusionsreaktor in 20 bis 25 Jahren mehr Energie erzeugt, als er verbraucht. Dafür müsste die Politik jetzt den Startschuss geben und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie im großen Maßstab fördern.”  

Bis eine erste Industriegeneration einsatzbereit sei, werde es seiner Einschätzung nach mindestens weitere 10 Jahre dauern. Linsmeier teilt auch die Einschätzung des TAB, dass der erste funktionsfähige Reaktor die Fusion unter Magneteinschluss umsetzt. “Die Laserfusion steht auf dem Weg zu einem Reaktorkonzept noch vor weitaus größeren Herausforderungen.” 

Debatte über die Rolle der Kernfusion im Energiesystem 

Ähnlich skeptisch wie die Experten der Akademien im vergangenen Dezember sieht das TAB die Rolle, die Fusionskraftwerke in einem von Solar- und Windenergie geprägten Energiesystem spielen können. Um deren fluktuierende Einspeisung auszugleichen, seien schnell regelbare Kraftwerke mit geringen Investitionskosten notwendig.  “Fusionskraftwerke können diese Aufgabe absehbar nicht erfüllen”, schreiben die Autoren. “Als Pilotmärkte für Fusionsenergie könnten sich Anwendungen wie Meerwasserentsalzung, industrielle Prozesswärme oder Wasserstoffherstellung ggf. besser als der Stromsektor eignen.” 

Optimistischer zeigte sich Sybille Günter vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik: “Fusionskraftwerke können in einem künftigen Strommarkt sehr gut und sinnvoll mit den Erneuerbaren zusammenspielen”, sagte sie. “Wenn man davon ausgeht, dass Fusionskraftwerke sowohl bei Bedarf Strom zur Verfügung stellen und in anderen Zeiten chemische Energiespeicher wie Wasserstoff produzieren, passen sie auch gut in ein Energiesystem der Zukunft.” mw 

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Must-Reads

taz: Preisschock durch Emissionshandel. Der Europäische Emissionshandel (ETS) bildet das Herzstück der europäischen Klimapolitik. Die EU strebt Klimaneutralität an, indem sie Treibhausgasemissionen verteuert, sodass Kohle, Öl und Gas weniger attraktiv werden. Ab Januar 2027 wird das Heizen in Deutschland erheblich teurer werden. Ohne soziale Abfederung könnte dies zu einem Preisschock führen. Zum Artikel

Neue Osnabrücker Zeitung: Klimapolitik ist kein Luxusgedöns. Der Ökonom und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat die Ignoranz gegenüber dem Klimawandel im Bundestagswahlkampf kritisiert. Einige Politiker täten so, als sei Klimaschutz “Luxusgedöns”. Dabei sei die Tatsache, dass der ungebremste Klimawandel bereits massive Schäden verursache, in diesem Wahlkampf in Vergessenheit geraten. Zum Artikel

Bloomberg: Wie heiß wird 2025? 2024 war das bislang wärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Ob die Rekordtemperaturen ein Zeichen für die Erderwärmung sind und diese sogar noch gefährlicher ist als in den Modellen prognostiziert, ist allerdings noch immer unklar. Sicher ist allerdings, dass die meisten Staaten immer noch zu wenig gegen den massiven Ausstoß von CO₂ unternehmen. Zum Artikel

Financial Times: Kaltes London. In den kommenden Jahrzehnten wird es in London wahrscheinlich immer wärmer. Aber diese Entwicklung könnte Mitte des Jahrhunderts umgekehrt werden, wenn der Golfstrom nicht mehr für ein mildes Klima sorgt. London könnte dann unter Kälte leiden. Das gewohnte Leben wäre kaum mehr möglich. Zum Artikel

Washington Post: Politische Klima-Show. BlackRock hat die Initiative Net Zero Asset Managers (NZAM) verlassen und ist damit Teil eines breiteren Exodus aus grünen Finanzgruppen, die von Banken und Investoren vor einigen Jahren ins Leben gerufen worden waren. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Finanzunternehmen weiterhin grüne Investitionen fördern werden und vieles davon nur politische Show ist. Zum Artikel

Standpunkt

Nächste Bundesregierung: So kann sie Wohnen bezahlbar und klimafreundlich machen

Von Kolja Zajicek
Kolja Zajicek, Senior Referent für Politik bei der Stiftung KlimaWirtschaft.

Einer der Schlüsselsektoren bei der Erreichung der Klimaziele ist der Bausektor. Gerade er zählt immer noch zu den größten Verursachern von CO₂-Emissionen. Bereits das vierte Jahr in Folge wurden in Deutschland die Sektorziele auf dem Weg zur Klimaneutralität gerissen. Das ist die erste schlechte Nachricht.

Die zweite lautet: Auch wirtschaftlich geht es dem Bausektor schlecht, und das hat ebenfalls Folgen für die Klimaziele. Denn wenn wir zu wenig bauen und sanieren, scheitert die Transformation des Sektors.

Gründe für die schlechte Lage

Für die schlechte Lage gibt es viele Gründe. Zu den wichtigsten zählen hohe Preise und Zinsen, komplizierte Bauvorschriften, kaum überschaubare Förderprogramme und nicht zuletzt die Verunsicherung durch politische Debatten.

In den vergangenen zehn Jahren sind die Baupreise für Wohngebäude um 65 Prozent gestiegen. Nirgendwo sonst in Europa sind die Baunebenkosten höher. Als wäre das noch nicht genug, ist Bauen in Deutschland auch zu kompliziert: Der Sektor ertrinkt in einer Flut aus Vorschriften und Normen. Zu den knapp 3.900 Baunormen kommen 16 Landesbauordnungen und eine unüberschaubare Anzahl kommunaler Vorschriften. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik schätzt, dass sich die Vorgaben am Bau seit 1990 vervierfacht haben.

Wer sich als Unternehmen oder Privatperson davon nicht abschrecken lässt, muss sich noch eine Übersicht über die überkomplexe Förderlandschaft mit mehr als 3.000 verschiedenen Förderprogrammen verschaffen. Hinzu kommen die gestiegenen Zinskosten in Folge der Energiepreiskrise und die Verunsicherung durch die Debatte zum Gebäude-Energie-Gesetz (GEG). Im Ergebnis werden aktuell die meisten Bau- oder Sanierungsvorhaben beerdigt.

Planungssicherheit für Investitionen

In den vergangenen drei Jahren haben Dürren und Überschwemmungen in Deutschland etwa 90 Milliarden Euro an Immobilienwerten zerstört. Das entspricht den Kosten für eine Vollsanierung von etwa 300.000 Häusern. Immer mehr Banken und Versicherer stellen fest, dass Klimarisikoanalysetools Schwächen im Abgleich zwischen Datenbank-Ergebnissen und realen Klimaereignissen zeigen – das heißt: Die Risiken des Klimawandels werden unterschätzt.

Dabei sind sich Experten längst einig: Wenn wir die Bauwirtschaft ankurbeln, die Anzahl der Bausanierungen vorantreiben und die Klimaziele wieder in greifbare Nähe rücken wollen, muss die Branche von der Politik wieder Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen erhalten. Wie das gelingen kann, zeigt die Stiftung KlimaWirtschaft in einem neuen, in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP erstellten Positionspapier:

Was die neue Regierung tun muss

2024 wurde die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) verabschiedet. Die EPBD bildet den europaweiten Rahmen für die Transformation des Sektors und enthält eine Fülle von Vorschriften, die bis Mai 2026 in deutsches Recht überführt werden müssen. Das erfordert eine Reform des GEG.

Ein seriöses Wahlversprechen an die Baubranche wäre es, in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung einen schlüssigen Zeitplan für die Implementierung der Richtlinie aufzuzeigen und somit privaten Bauherren und Unternehmen die dringend benötigte Planungssicherheit zu liefern. Die vielfach geforderte Rückabwicklung des Heizungsgesetzes wäre für die Branche hingegen mittelfristig ein fatales Signal.

Die nächste Bundesregierung sollte außerdem die finanzielle Unterstützung für die klimaneutrale Transformation des Gebäudesektors vereinfachen und planbar ausgestalten. In den vergangenen Jahren wurden einzelne Förderprogramme immer wieder über Nacht eingestellt, andere wiederum kaum abgerufen. Deswegen benötigt es eine übersichtliche Anzahl von schlagkräftigen Förderprogrammen, die über einen Zeitraum von mindestens 36 Monaten bestehen. Auch das sorgt bei Unternehmen, privaten Bauherren, Energieberatern und Architekten für ausreichend Planungssicherheit. Und es wird verhindert, dass die einkalkulierte Förderung bei Baustart nicht mehr zur Verfügung steht.

Deutsche Unternehmen stehen bereit

Bereits heute denken viele Unternehmen die Bauwende in Deutschland vor. Sie investieren in Digitalisierung, KI, neue Fertigungs- und Montageprozesse sowie innovative, kreislauffähige Bauprodukte. Mit diesen Bauprodukten, Baumaterialien, Bauweisen und -prozessen könnten wir eine globale Vorreiterrolle deutscher Baustoffproduzenten und Bauunternehmen etablieren.

Es wird Zeit, den progressiven Unternehmen eine klare Perspektive aufzuzeigen und sie gezielt zu unterstützen, anstatt durch zähe politische Debatten um den Heizungskeller die Branche weiter zu verunsichern.

Kolja Zajicek ist Senior Referent für Politik bei der Stiftung KlimaWirtschaft. Er arbeitet schwerpunktmäßig zur Transformation der Wirtschaft, zur Klimagesetzgebung und zum Gebäudesektor.

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Die Bilder aus Los Angeles und der Umgebung wirken wie aus einer der schlimmsten Klimakatastrophen-Dystopien. Aber was haben die Waldbrände überhaupt mit der Klimakrise zu tun? Bernhard Pötter analysiert das heute. Aber auch die Frage, die sich in Kalifornien laut stellt: Sprengen Klimaschäden selbst in reichen Ländern die Versicherungssysteme?

    In unserer Serie mit Klima-Faktenchecks zur Bundestagswahl schauen wir heute auf die Vorschläge und Diskussionen rund um CCS. Nico Beckert fasst den Stand der Debatte zusammen und erklärt, warum sogar der Kohlekonzern LEAG wenig von CCS bei Kohlekraftwerken hält.

    Manuel Berkel erklärt außerdem die aktuellen Debatten um den Ausbau der Erneuerbaren in der EU und welche Probleme es auf europäischer Ebene mit dem Ausbau von Windenergie gibt.

    Bleiben Sie mit uns dran!

    Ihre
    Lisa Kuner
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    Analyse

    Feuer in Los Angeles: Warum sie das Versicherungssystem bedrohen

    Viele Schäden sind nicht versichert: Zerstörung in Altadena, Los Angeles.

    Die verheerenden Waldbrände in Los Angeles haben nicht nur viele Menschen getötet und die Infrastruktur der Stadtlandschaft verwüstet. Die Feuer entwickeln sich auch zu einer der teuersten Naturkatastrophen in der US-Geschichte. Sie lassen die Frage aufkommen, ob die Risiken der Klimakrise selbst in einer reichen Gegend eines der reichsten Länder der Welt noch von Versicherungen abzudecken sind. Denn die immensen materiellen Schäden bedrohen in Kalifornien und anderen US-Staaten akut das System von Versicherung und Rückversicherung von Immobilienwerten.

    Die vielen Brände im Großraum Los Angeles haben nach Angaben der Behörden bis zum Montagnachmittag 24 Menschenleben gekostet, etwa 12.000 Gebäude zerstört und etwa 150.000 Menschen in die Flucht geschlagen. 7.500 Feuerwehrleute und Helfer kämpfen gegen die Flammen, die von ungewöhnlich starken Winden aus den Bergen angefacht werden. Nach einer kurzen Erholung sollten diese Winde und damit möglicherweise auch die Feuer ab Dienstag wieder zunehmen.

    Schäden: 50 bis 250 Milliarden US-Dollar?

    Ein erster Überblick zeigt, dass die Schäden wohl mit mehr als 50 Milliarden US-Dollar weit über allen bisherigen Verlusten durch Wald- und Buschbrände in den USA liegen könnten. Im Gegensatz zu den etwa 20 Milliarden US-Dollar an Schäden durch die Brände 2018 rechnet der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, damit, dass das Feuer die “schlimmste Naturkatastrophe” der USA werden könne, was die Kosten angehe. Der Wetterdienst AccuWeather rechnet sogar insgesamt mit Schäden von 250 bis 275 Milliarden Dollar, wenn sekundäre Effekte wie versäumte Arbeitszeit oder unterbrochene Lieferketten mit einbezogen werden.

    Dazu kommt, dass viele Hauseigentümer nicht oder nicht mehr gegen Feuer versichert sind – auch, weil ihre Versicherungen dieses Risiko nicht mehr tragen wollen. Seit Jahren – und vor allem nach der Feuerkatastrophe von “Camp Fire” 2018 – reduzieren die beiden Versicherungskonzerne State Farm und Allstate nach einem Bericht des “New Yorker” ihre Verträge für Feuerversicherungen in Kalifornien. Erst im vergangenen Jahr beendeten sie etwa 1.500 Verträge im Stadtteil Pacific Palisades, wo jetzt eines der verheerenden Feuer begann.

    Krise der Feuerversicherungen in Kalifornien

    Im vergangenen Jahr hatten die großen Versicherer in Kalifornien zehntausenden von Eigentümern ihre Feuerversicherung gekündigt oder nicht erneuert – unter ihnen viele in den jetzt betroffenen Gegenden. Der Grund: Steigende Schäden einerseits und andererseits gesetzliche Regeln, die den Versicherern enge Grenzen setzen, was ihre Preisbildung betrifft. Der staatliche Regulierer Ricardo Lara hat erst kurz vor dem Jahreswechsel diese restriktiven Regeln geändert. Nun dürfen Versicherer anders als bisher:

    • für die Berechnung ihrer Prämien nicht nur die Schäden der Vergangenheit zugrunde legen, sondern auch mit Modellen für zukünftige Katastrophen kalkulieren;
    • ihre entstehenden Kosten an die Rückversicherer weitergeben, um sich abzusichern.

    Diese Maßnahmen sollten den Markt für private Immobilienversicherungen in Kalifornien wiederbeleben. Die Katastrophe von L.A. kommt also auch ökonomisch zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt.

    Muss der Staat als Versicherer einspringen?

    Ähnlich wie in anderen US-Staaten zogen und ziehen sich die Unternehmen vor allem wegen steigender klimabedingter Risiken zunehmend aus den Versicherungen gegen Feuer, aber auch gegen Hochwasser und Stürme etwa in US-Staaten an der Ostküste zurück. Einspringen müssen dann öffentlich geförderte Versicherungen – doch auch deren Wirtschaftlichkeit ist teilweise bedroht.

    In Kalifornien sollte das staatlich gestützte Versicherungsprogramm FAIR diese Lücke schließen. Allein seit 2023 hat es die Zahl seiner Verträge um 40 Prozent gesteigert – Eigentümer, die bei privaten Programmen scheiterten, fanden hier Schutz. FAIR deckt nun 450 Milliarden US-Dollar an Werten und steht vor der Frage, ob es die Policen für die einzelnen Eigentümer deutlich teurer machen soll, oder ob letztlich der Staat mit Steuergeld diese privaten Immobilienrisiken absichern soll – und ob das finanziell machbar ist. Eine ähnliche Debatte gibt es auch in Deutschland und Europa, wo es um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden geht – die mit einer neuen, potenziell CDU-geführten Bundesregierung deutlich näher rückt, wie Table.Briefings beschrieben hat.

    Hintergrund: Die Klimakrise

    Die Schäden in Kalifornien steigen nicht nur durch zunehmende Wetter-Extreme – sondern auch durch die Immobilienentwicklung: Immer mehr Menschen ziehen in Gegenden, die von Waldbränden bedroht sind. Die Schadenssummen steigen auch, weil immer mehr wertvolle Güter versichert werden. Als weitere Brandursachen gelten das sorglose Umgehen mit Feuer oder nicht genügend Mittel und Fahrzeuge für die Feuerwehren.

    Eine wichtige Ursache der Feuerkatastrophe von Los Angeles sind für die meisten Experten die Klimaveränderungen, die sich besonders in Kalifornien zeigen. Zwar gibt es Berichte, nach denen der Klimawandel nicht schuld an der Katastrophe sei, und der zukünftige US-Präsident Donald Trump, der die Klimapolitik seines Vorgängers abwickeln will, macht Inkompetenz der demokratischen Regierung in Kalifornien für die Katastrophe verantwortlich.

    Tendenzen passen ins globale Muster

    Doch die Katastrophe von Los Angeles passt ins globale Muster: 2024 wurde zum ersten Mal weltweit die Erwärmungsgrenze von 1,5 Grad Celsius überschritten. Die Schäden durch Extremwetter nehmen weltweit zu, der “Klimawandel zeigt seine Krallen”, wie es die Münchener Rückversicherung formuliert. Auch in Kalifornien sprechen die grundlegenden Daten eine deutliche Sprache:

    • Unter den Bedingungen des Klimawandels verschiebt sich offenbar die Regensaison in Kalifornien. Damit steigt auch wie jetzt im Winter die Gefahr von Dürre und Feuer – eine wärmere und feuchtere Atmosphäre trocknet den Boden aus. Der Staat ist seit Jahren immer wieder im Zustand einer “Mega-Dürre“.
    • Das “Aufschaukeln” von langen Dürreperioden mit ungewöhnlichen Regenperioden hat zu der Dynamik einer “Wetterpeitsche” geführt: Ungewöhnlich viel Regen wie in den letzten beiden Wintern lässt viel Vegetation wachsen. Lange Dürren wie derzeit, wo es seit neun Monaten nicht geregnet hat, machen daraus extrem trockenen potenziellen Brennstoff. Diese Veränderung der Wettermuster führen Wissenschaftler auch auf Störungen der “atmosphärischen Flüsse” zurück, die etwa durch ein verändertes Jetstream-Muster bedingt werden.
    • Dadurch habe sich die Anzahl der “Feuertage” in einer ohnehin von Dürre und Feuer bedrohten Landschaft langfristig um mehr als 60 Tage im Jahr erhöht. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die verbrannte Fläche im Staat verfünffacht, vor allem wegen der Klimakrise, zeigen Studien.
    • Andere Faktoren wie ungewöhnlich starke Winde, Nachlässigkeit der Anwohner und schlecht vorbereitete Behörden kommen dann erschwerend dazu.
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    Faktencheck zur Wahl: CO₂-Abscheidung für Kohlekraftwerke

    Jens Spahn und die CDU/CSU-Fraktion wollen CO₂ auch bei Kohlekraftwerken abscheiden und speichern.

    Schon die Ampel-Koalition wollte die CO₂-Abscheidung und -Speicherung aus Industrie und Stromsektor regulieren. Ihre Carbon-Management-Strategie hängt jedoch noch im parlamentarischen Verfahren fest – es ist unklar, ob sie noch mithilfe der CDU/CSU beschlossen wird.

    Die Forderung

    Die CDU/CSU will CCS auch für den Energiebereich “rechtlich ermöglichen”, um CO₂ “in nennenswerten Mengen” abzuscheiden. Die Partei will “CCS-Technologien und Anwendungen energisch voranbringen” und bezeichnet sie als technologisch ausgereifte und umsetzbare Option”, wie aus einem Diskussionspapier der Fraktion hervorgeht. Jens Spahn (CDU) hatte zur Carbon-Management-Strategie der Ampel-Koalition gesagt, CCS solle auch bei Kohlekraftwerken genutzt werden. Auch die FDP will CCS “diskriminierungsfrei als Klimaschutz-Option ermöglichen”. Das hieße: Einsatz auch über die schwierig zu dekarbonisierenden Sektoren (“hard-to-abate”) hinaus, also auch beispielsweise bei Kohlekraftwerken.

    Mögliche Umsetzung und politische Hürden

    Ein CCS-Gesetz oder eine Carbon-Management-Strategie wären mit einfacher Mehrheit im Bundestag umzusetzen. Die CDU/CSU hat jüngst signalisiert, der Carbon Management Strategie der zerbrochenen Ampel-Regierung im Bundestag noch zuzustimmen. Allerdings scheinen Teile der SPD und der Grünen den Einsatz von CCS bei Gaskraftwerken, den die Strategie vorsieht, nicht mehr zu unterstützen. In der Ampel hatte die FDP darauf gedrungen. Wirtschaftsminister Robert Habeck war den Liberalen diesen Schritt entgegengekommen.

    Die Carbon-Management-Strategie der Ampel sieht CCS bei Kohlekraftwerken nicht vor. Diese Forderung wäre in einer schwarz-grünen Koalition ein großer Streitpunkt. Die Grünen würden sehr wahrscheinlich nicht mitziehen, da der Einsatz bei Kohlekraftwerken dem Kohleausstieg widersprechen würde. Auch in einer CDU/CSU-SPD-Koalition wäre ein breiter Einsatz von CCS umstritten. Die SPD plädiert in ihrem Programm für “CO₂-Vermeidung vor Abscheidung”.

    Das würde es bedeuten

    CCS gilt unter Experten nicht als ausgereifte Technologie. Weltweit sind lediglich 50 Anlagen in Betrieb. Bei Gas- und Kohlekraftwerken sind es lediglich fünf Anlagen, wie das industrienahe Global CCS Institute in seinem Statusbericht vom November 2024 schreibt. Viele CCS-Projekte sind weniger effektiv als geplant: Eine CCS-Anlage an einem Kohlekraftwerk in Houston hat nur sieben Prozent der CO₂-Emissionen des Kraftwerks abgeschieden, geplant waren 90 Prozent. In Kanada hat eine Kohle-CCS-Anlage laut Betreibern circa 50 Prozent abgeschieden – geplant waren 90 Prozent.

    Da der Aufbau der CCS-Infrastruktur einige Jahre dauern wird, sind kurzfristig keine Emissionsreduktionen zu erwarten. Falls Unternehmen für CCS Investitionen in andere Dekarbonisierungstechnologien zurückhalten, könnten solche Reduktionen sogar verzögert werden.

    Je größer bei steigender Nachfrage die CO₂-Transportinfrastruktur und die Speicherstätten würden, desto mehr steigen Kosten und die Gefahr von Lecks. Die Carbon-Management-Strategie der Ampel-Koalition sieht ein privatwirtschaftlich betriebenes Pipeline-Netz vor. Offizielle Angaben über die Länge gibt es nicht, eine Studie des Vereins Deutscher Zementwerke findet 4.800 Kilometer notwendig.

    Der Transport und die Speicherung im Meeresboden ist mit großen Kosten verbunden. Industrieverbände wie der BDI schlagen daher auch eine Speicherung an Land vor, da sie um rund 50 Prozent günstiger wäre. Die ist unter Umweltschützern und Anwohnern allerdings höchst umstritten, sodass es wahrscheinlich zu Konflikten und Protesten kommen würde. Derzeit ist eine Speicherung von CO₂ in Deutschland und der CO₂-Export noch verboten. Wirtschaftsminister Robert Habeck wollte eine Offshore-Speicherung in Deutschland ermöglichen. Für den Transport ins Ausland müsste Deutschland eine Änderung des sogenannten London-Protokolls ratifizieren. Norwegen hat kürzlich das “Northern Lights”-Projekt fertiggestellt, um auch CO₂ aus der europäischen Industrie importieren und speichern zu können.

    Genaue Daten zur Lage von möglichen deutschen CO₂-Speichern veröffentlicht die Bundesregierung nicht. Bis Ende vergangenen Jahres hätte Deutschland wie alle EU-Staaten Daten über mögliche Speicherstätten laut Net-Zero Industry Act (NZIA) melden müssen. Die Bundesregierung hat diese Frist verstreichen lassen, wie das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage von Table.Briefings bestätigte, weil “nach geltendem Recht derartige Speicherstätten gegenwärtig nicht genehmigt werden könnten”, teilte eine Sprecherin mit.

    Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

    Der Klimanutzen für CCS an Kohlekraftwerken wäre fraglich und möglicherweise mit hohen Investitionskosten verbunden. Der Vorstandsvorsitzende der Leag, Torsten Kramer, lehnt die Technik bei Kohlekraftwerken daher ab: “Für die reine Braunkohleverstromung ist die Debatte beendet. Die Volumen, die bei uns an CO₂ ausgestoßen werden, […] könnte man nur über ein exklusives Pipeline-Netz abtransportieren. Das sind Kosten, Investitionsgrößen, die kann man gar nicht mehr beherrschen.”

    Andere Akteure sehen das anders: Vergangene Woche forderte der Verein der Kohlenimporteure, die CO₂-Abscheidung auch für Steinkohlekraftwerke zu ermöglichen: Es sei nicht einzusehen, CCS/CCU für den Betrieb von Gaskraftwerken zuzulassen, bei Kohlekraftwerken aber nicht. Zu dem Verband gehören auch große Energieunternehmen wie EnBW, Uniper, Steag und Trianel, der Chemieparkbetreiber Currenta und die Deutsche Bahn.

    Die FDP will negative Emissionen in den Emissionshandel aufnehmen und “kostenfreie Zertifikate” für Unternehmen, die “der Atmosphäre durch Aufforstung oder technische Methoden Treibhausgase entnehmen”. Allerdings liegen die Kosten für eine Tonne abgeschiedenes CCS höher als die Preise für CO₂-Zertifikate.

    Bisher fehlt ein Geschäftsmodell für CCS. Für den Aufbau der Transportinfrastruktur und die Speicheranlagen wären langfristige Subventionen nötig, sagen Experten. Greenpeace geht in einer Studie von Kosten in Höhe von 39 bis 81 Milliarden Euro bis 2045 aus. Zudem sollten die Risiken von CO₂-Lecks bei Transport und Speicherung vom Staat abgesichert werden. Großbritannien etwa will in den nächsten 25 Jahren fast 22 Milliarden Pfund für den Aufbau der Infrastruktur und zwei CO₂-Speicher in der Nordsee bereitstellen.

    Fazit

    Eine Anwendung von CCS in Kohlekraftwerken ist unrealistisch. Eine teure Nachrüstung für Kohlemeiler, die ohnehin nur noch ein paar Jahre am Netz bleiben, ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und würde weder die Strompreise drücken, noch die CO₂-Emissionen der Kraftwerke merklich senken. Ob neben den schwer zu dekarbonisierenden Industriesektoren (Zement und Kalk, Müllverbrennung, Teile der chemischen Industrie, Flugindustrie) auch andere Industriesektoren auf CCS setzen würden, ist unklar. In der Stahl- und Chemieindustrie könnten Innovationen CCS unnötig machen. Pläne für CCS an Land würden wahrscheinlich große Proteste nach sich ziehen. Mitarbeit: Manuel Berkel

    Weitere Teile der Faktencheck-Serie: “Klimaziel 2045 auf 2050 verschieben.

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    Erneuerbare: EVP-Abgeordnete wollen Ziel für 2040 streichen

    In der EU wurden 2024 weniger Windkraftanlagen gebaut als im Vorjahr.

    Abgeordnete der EVP haben sich bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wegen eines Zugeständnisses an die Grünen im Mission Letter für den neuen Energiekommissar Dan Jørgensen beschwert. Jørgensen hatte sich bei seiner parlamentarischen Anhörung offen für ein Erneuerbaren-Ziel für 2040 gezeigt.

    Nach der Bestätigung des Kollegiums durch die Abgeordneten hatte von der Leyen mehrere Mission Letter geändert und auch das Ziel für Erneuerbare festgeschrieben. Gewertet wurde das als Entgegenkommen gegenüber den Grünen, um die Wiederwahl von der Leyens abzusichern.

    “Diese Änderung untergräbt somit die Gültigkeit der Herrn Jørgensen erteilten Bestätigung. Es ist zwingend erforderlich, seinen Mission Letter in der Fassung wiederherzustellen, die zum Zeitpunkt seiner Anhörung vorlag”, schreiben 14 Industriepolitiker der EVP um den französischen Abgeordneten François-Xavier Bellamy. Zu den Unterzeichnern gehören auch die CDU-Abgeordneten Andrea Wechsler und Hildegard Bentele.

    Wechsler: CCS wird bedeutende Rolle spielen

    Eine Absage an ein neues Erneuerbaren-Ziel für 2040 hatten auch Frankreich und andere Atomstaaten im Rat gefordert. Die Parlamentarier argumentieren ebenfalls mit dem Prinzip der Technologieneutralität und dem Recht der Mitgliedstaaten, ihren Energiemix frei zu bestimmen – auch bei der Dekarbonisierung. “Sie müssen in der Lage sein, dieses Ziel zu erreichen, indem sie auf andere kohlenstoffarme Energieträger als die erneuerbaren Energien zurückgreifen”, heißt es in dem Brief.

    Wechsler setzt insbesondere auf die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. “Wir werden uns mit CCS auseinandersetzen müssen, weil CCS eine bedeutende Rolle bei der Dekarbonisierung in Europa spielen muss”, sagte Wechsler zu Table.Briefings. Zur Energieerzeugung hat sich die Union bislang für CCS bei Gaskraftwerken und bei der Herstellung von blauem Wasserstoff ausgesprochen.

    Energie- und Chemieunternehmen wollen CCS für Kohlekraftwerke

    Die Technologieoffenheit weckt allerdings Begehrlichkeiten. Am Freitag forderte der Verein der Kohlenimporteure, die CO2-Abscheidung auch für Steinkohlekraftwerke zu ermöglichen: Es sei nicht einzusehen, CCS/CCU für den Betrieb von Gaskraftwerken zuzulassen, bei Kohlekraftwerken aber nicht. Zu dem Verein gehören Energieunternehmen wie EnBW, Uniper, Steag und Trianel, der Chemieparkbetreiber Currenta und die Deutsche Bahn.

    Im vergangenen Jahr wurde der Ausbau der Erneuerbaren in der EU bereits eingebremst. Die Solarenergie verzeichnete mit 65,5 Gigawatt (GW) zwar noch einen Anstieg, allerdings ging die Wachstumsrate nach Angaben von SolarPower Europe stark zurück. Am Freitag meldete dann WindEurope einen Rückgang der Installationszahlen.

    20 Prozent weniger Windkraft installiert

    Wurden 2023 in der EU noch 16,2 GW zugebaut, waren es im vergangenen Jahr nur noch 13 GW. Damit die EU ihre Energieziele erreicht, müssten es nach Angaben des Verbandes eigentlich 30 GW pro Jahr sein. In Deutschland hatten dagegen zumindest die Genehmigungen für Windkraftanlagen zuletzt deutlich zugelegt – auch wegen verkürzter Planungsverfahren.

    EU-weit habe sich die Genehmigungssituation 2024 aber sogar verschlechtert, stellt WindEurope ernüchtert fest. Viele Mitgliedstaaten hätten die neuen Erleichterungen durch die Erneuerbaren-Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt.

    500 GW warten auf Netzanbindung

    Mehr als 500 GW an Windprojekten in der EU warteten derzeit außerdem auf Zusagen für eine Netzanbindung. Ein prominentes Beispiel sei der fertige Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 3. Tennet könne ihn erst 2026 ans Netz anschließen.

    Zudem hält die Elektrifizierung nicht Schritt mit dem Ausbau der Erneuerbaren, weshalb es immer häufiger zu negativen Börsenpreisen kommt. Für viele Erneuerbaren-Projekte stehe die Wirtschaftlichkeit deshalb infrage, sagte der CEO von Axpo, Christoph Brand, der Agentur Bloomberg. Der von der EU-Kommission angekündigte Elektrifizierungsplan könne gar nicht schnell genug kommen, bekräftigte WindEurope am Freitag.

    2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

    Denn der ebenfalls am Freitag veröffentlichte Copernicus Global Climate Highlights Report 2024 zeigt, dass das vergangene Jahr das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Und es wird das erste Jahr sein, in dem die jährliche globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt.

    Das vergangene Jahr war auch das wärmste für alle kontinentalen Regionen, einschließlich Europa, mit Ausnahme der Antarktis und Australasiens. Dabei hat sich der europäische Kontinent seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt und ist damit der sich am schnellsten erwärmende Kontinent der Erde.

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    Bundestag: Bei welchen Energiegesetzen eine Einigung noch möglich ist

    Zwei Sitzungswochen bleiben dem Bundestag vor der Wahl noch, um wichtige energiepolitische Gesetze zu verabschieden. Bei einigen gibt es nach Angaben aus den Fraktionen durchaus noch Einigungschancen. Entscheidend dürften in vielen Fällen die vier Sachverständigen-Anhörungen sein, die den Energie- und Klimaausschuss des Bundestags an diesem Mittwoch von 9 bis 17.30 Uhr durchgehend beschäftigen werden. Anschließend soll auf Ebene der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden versucht werden, eine Einigung zu erreichen.

    Verhandelt wird unter anderem über einen Gesetzentwurf von SPD und Grünen für eine Anschlussförderung für Biogas-Kraftwerke, die aus der EEG-Förderung fallen. Die Union teile dieses Anliegen, sehe nach Rückmeldungen aus der Branche aber erheblichen Änderungsbedarf, sagte CDU-Vize Andreas Jung Table.Briefings. Hier scheint eine Verständigung möglich, denn auch die SPD sehe noch die Notwendigkeit, den Entwurf nachzubessern, sagte SPD-Energiepolitikerin Nina Scheer.

    Differenzen über genaue Ausgestaltung

    Auch bei der Verlängerung der Förderung von KWK-Kraftwerken, wozu die Union einen Gesetzentwurf eingebracht hat, gibt es Einigkeit über das Ziel, aber Differenzen über die genaue Ausgestaltung. Ähnliches gilt für einen Entwurf von SPD und Grünen zur Regelbarkeit neuer Solaranlagen, die als wichtig gilt, um künftig eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern. “Was bei diesen Gesetzen noch möglich ist, hängt vor allem von den Ergebnissen der Anhörung ab”, sagt CDU-Vize Jung. Auch die Grünen zeigen sich vorsichtig optimistisch: “Wir sind in konstruktiven Gesprächen”, sagte Fraktionsvize Julia Verlinden.

    Schwieriger könnte eine Einigung über Beschränkungen beim Windkraftbau werden. Die schwarz-grüne Regierung in NRW drängt auf eine Festlegung, dass Windkraftwerke außerhalb der geplanten Vorranggebiete erschwert werden. Im Bundeskabinett hatte es darüber aber keine Einigung gegeben; ein daraufhin von der Union eingebrachter Gesetzentwurf geht der SPD deutlich zu weit. “Das ist mit uns nicht zu machen, weil es bundesweit gelten und den Wind-Ausbau stark behindern würde”, sagt Scheer.

    Widerstand gegen CCS bei Gaskraftwerken

    Auch beim CCS-Gesetz, zu dem die Expertenanhörung bereits im November stattgefunden hatte, gibt es noch größere Vorbehalte. Die Union hat mit dem Gesetzentwurf der Ampel-Regierung zwar keine Probleme. “Wir würden ihm in der vorliegenden Form sofort zustimmen”, sagt Jung. “Habeck und Scholz müssen nur eine Mehrheit dafür in ihren Fraktionen organisieren.” Doch bei SPD und Grünen gibt es Widerstand dagegen, CCS auch bei Gaskraftwerken zuzulassen – was auf Druck der FDP ins Gesetz aufgenommen worden war. “In dieser Form ist das Gesetz für uns nicht zustimmungsfähig“, sagt SPD-Frau Scheer.

    Keinerlei Chance auf Einigung gibt es offenbar bei der Senkung der Netzentgelte. Diese wird zwar parteiübergreifend gefordert, doch die Union will dem Gesetzentwurf von SPD und Grünen nicht zustimmen, sagt Jung – unter anderem, weil mangels eines Haushalts für 2025 die Finanzierung der Maßnahme ungeklärt ist. Und auch mehrere andere Gesetze, die schon vor längeren Zeit ins Parlament eingebracht wurden – darunter das Geothermie-Beschleunigungsgesetz, das Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz und die Umsetzung der europäischen RED-III-Richtlinie – werden voraussichtlich nicht mehr final abgestimmt. Das liege auch daran, dass die Union erst über Inhalte verhandeln wollte, nachdem der Kanzler die Vertrauensfrage gestellt hat, kritisiert Grünen-Fraktionsvize Verlinden. “Dadurch ist viel Zeit verloren worden.” mkr

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    Chile: Europäische Südsternwarte fürchtet Lichtverschmutzung durch Wasserstoffprojekt

    Ein großes Wasserstoffprojekt, das im Norden Chiles geplant ist, könnte die astronomische Forschung dort gravierend und unumkehrbar beeinträchtigen, warnt die Europäische Südsternwarte (ESO). In einer Mitteilung schreibt sie: Das Vorhaben bedrohe “den makellosen Himmel über dem Paranal-Observatorium in der chilenischen Atacama-Wüste, dem dunkelsten und klarsten aller astronomischen Observatorien der Welt”, das seit seiner Gründung 1999 “zu bedeutenden Durchbrüchen in der Astronomie geführt” habe.

    Das Projekt namens Inna gehört zum Portfolio des Stromversorgers AES Chile/AES Andes, einem Tochterunternehmen der US-Gesellschaft AES Corporation. Laut dem Unternehmen soll Inna sich auf die Herstellung von grünem Wasserstoff für Export und heimischen Bedarf konzentrieren. Möglich sei auch die Produktion von Ammoniak und daneben die Errichtung von Solar- und Windkraftanlagen sowie Batteriespeichern, um den chilenischen Strombedarf zu decken. Noch sei nicht endgültig über die Investition entschieden. Aber am 24. Dezember 2024 hat AES Chile die nötige Umweltverträglichkeitsprüfung bei den chilenischen Behörden beantragt – worauf die EOS nun mit ihrer Warnung reagiert hat.

    Die Organisation fürchtet vor allem Lichtverschmutzung durch den Komplex, der laut ihrer Mitteilung nur in fünf bis elf Kilometern Entfernung vom Observatorium entfernt errichtet werden soll. Die ESO sei keineswegs gegen das Projekt selbst, “sondern nur gegen seinen geplanten Standort so nahe an unserem Observatorium”, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage von Table.Briefings. “Es mindestens 50 Kilometer entfernt zu errichten, würde den erheblichen Schaden begrenzen.”

    Ein Sprecher des chilenischen Umweltministeriums sagte auf Anfrage, er könne das Projekt selbst nicht kommentieren. Er verwies jedoch auf eine für das Genehmigungsverfahren relevante Umweltnorm, die “norma lumínica”. Sie legt Grenzwerte für den künstlichen Lichteintrag bei Nacht fest und schützt astronomisch genutzte Himmelsregionen besonders. ae

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    EU-Verkehrsemissionen: Warum sie 2025 den höchsten Punkt erreichen könnten

    In der Europäischen Union ist der Verkehr der einzige große Wirtschaftszweig, in dem die CO₂-Emissionen seit 1990 gestiegen sind – doch dieser Trend könnte sich ändern. Neue Prognosen deuten darauf hin, dass die CO₂-Emissionen des Straßenverkehrs aufgrund kürzlich verabschiedeter Vorschriften bereits in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichen werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein am Montag veröffentlichter Bericht der gemeinnützigen Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT). Vorausgesetzt, bestehende CO₂-Standards blieben bestehen.

    Die Ergebnisse des Berichts zeigen die Auswirkungen der in den vergangenen drei Jahren beschlossenen Maßnahmen der EU. Die Emissionen des Straßenverkehrs werden den Prognosen zufolge im Jahr 2025 mit fast 800 Millionen Tonnen CO₂ ihren Höchststand erreichen und danach bis 2035 um etwa ein Viertel zurückgehen. Dieser beschleunigte Rückgang stellt eine erhebliche Abweichung von früheren Prognosen dar und spiegelt die Auswirkungen des Übergangs von konventionellen Verbrenner-Fahrzeugen zu E-Autos wider.

    Die Lücke zwischen einem Business-as-Usual-Szenario mit Ausgangsjahr 2021 und einem Emissionspfad, der mit dem Pariser Abkommen kompatibel ist, konnte demnach durch neuere EU-Vorschriften um 73 Prozent verkleinert werden. Es gebe auch weitere Einsparungsmöglichkeiten durch einen beschleunigten Umstieg auf sogenannte “Zero-emission Vehicles” (ZEV).

    Der ICCT rechnet in seinem Bericht mit den Tank-to-Wheel (TTW)-Emissionen. Jene Emissionen in anderen Phasen des Lebenszyklus von Fahrzeugen (wie etwa die Herstellung) werden nicht mit eingerechnet. kul

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    Kernfusion: Weshalb die Erwartungen zu hoch sind 

    Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) hat in einer aktuellen Studie die Potenziale und Herausforderungen der Kernfusion untersucht. Das Ergebnis: Mit Fusionskraftwerken ist erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu rechnen. Ob sie dann einen nennenswerten Beitrag zur Stromerzeugung leisten können, sei fraglich, schreiben die Autoren. 

    FDP und Union nennen Kernfusion bereits als Option  

    Damit dämpfen die Politikberater vom TAB die teils hohen Erwartungen der Politik deutlich. In ihren Wahlprogrammen für die anstehende Bundestagswahl nennen FDP und Union die Kernfusion als Option für die künftige Energieversorgung in Deutschland. Doch auch wenn Politiker wie Bettina Stark-Watzinger oder Kanzlerkandidat Friedrich Merz erste Fusionskraftwerke bereits in zehn bis 15 Jahren sehen, sieht die Realität anders aus.  

    Zwar habe es in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte gegeben und auch das BMBF hatte angekündigt, die Fusionsforschung umfangreich zu fördern. Aber es bestünden weiterhin große Herausforderungen, schreibt das TAB. Dazu gehörten insbesondere “die Entwicklung (fusions)kraftwerkstauglicher Materialien, das Tritiummanagement sowie die Integration aller Teile in ein Gesamtsystem”.  

    Die Politik müsste jetzt den Startschuss geben 

    Christian Linsmeier, Direktor des Institute of Fusion Energy and Nuclear Waste Management am Forschungszentrum Jülich vermutet in einem Statement für das Science Media Center, dass “ein erster Fusionsreaktor in 20 bis 25 Jahren mehr Energie erzeugt, als er verbraucht. Dafür müsste die Politik jetzt den Startschuss geben und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie im großen Maßstab fördern.”  

    Bis eine erste Industriegeneration einsatzbereit sei, werde es seiner Einschätzung nach mindestens weitere 10 Jahre dauern. Linsmeier teilt auch die Einschätzung des TAB, dass der erste funktionsfähige Reaktor die Fusion unter Magneteinschluss umsetzt. “Die Laserfusion steht auf dem Weg zu einem Reaktorkonzept noch vor weitaus größeren Herausforderungen.” 

    Debatte über die Rolle der Kernfusion im Energiesystem 

    Ähnlich skeptisch wie die Experten der Akademien im vergangenen Dezember sieht das TAB die Rolle, die Fusionskraftwerke in einem von Solar- und Windenergie geprägten Energiesystem spielen können. Um deren fluktuierende Einspeisung auszugleichen, seien schnell regelbare Kraftwerke mit geringen Investitionskosten notwendig.  “Fusionskraftwerke können diese Aufgabe absehbar nicht erfüllen”, schreiben die Autoren. “Als Pilotmärkte für Fusionsenergie könnten sich Anwendungen wie Meerwasserentsalzung, industrielle Prozesswärme oder Wasserstoffherstellung ggf. besser als der Stromsektor eignen.” 

    Optimistischer zeigte sich Sybille Günter vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik: “Fusionskraftwerke können in einem künftigen Strommarkt sehr gut und sinnvoll mit den Erneuerbaren zusammenspielen”, sagte sie. “Wenn man davon ausgeht, dass Fusionskraftwerke sowohl bei Bedarf Strom zur Verfügung stellen und in anderen Zeiten chemische Energiespeicher wie Wasserstoff produzieren, passen sie auch gut in ein Energiesystem der Zukunft.” mw 

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    Must-Reads

    taz: Preisschock durch Emissionshandel. Der Europäische Emissionshandel (ETS) bildet das Herzstück der europäischen Klimapolitik. Die EU strebt Klimaneutralität an, indem sie Treibhausgasemissionen verteuert, sodass Kohle, Öl und Gas weniger attraktiv werden. Ab Januar 2027 wird das Heizen in Deutschland erheblich teurer werden. Ohne soziale Abfederung könnte dies zu einem Preisschock führen. Zum Artikel

    Neue Osnabrücker Zeitung: Klimapolitik ist kein Luxusgedöns. Der Ökonom und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat die Ignoranz gegenüber dem Klimawandel im Bundestagswahlkampf kritisiert. Einige Politiker täten so, als sei Klimaschutz “Luxusgedöns”. Dabei sei die Tatsache, dass der ungebremste Klimawandel bereits massive Schäden verursache, in diesem Wahlkampf in Vergessenheit geraten. Zum Artikel

    Bloomberg: Wie heiß wird 2025? 2024 war das bislang wärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Ob die Rekordtemperaturen ein Zeichen für die Erderwärmung sind und diese sogar noch gefährlicher ist als in den Modellen prognostiziert, ist allerdings noch immer unklar. Sicher ist allerdings, dass die meisten Staaten immer noch zu wenig gegen den massiven Ausstoß von CO₂ unternehmen. Zum Artikel

    Financial Times: Kaltes London. In den kommenden Jahrzehnten wird es in London wahrscheinlich immer wärmer. Aber diese Entwicklung könnte Mitte des Jahrhunderts umgekehrt werden, wenn der Golfstrom nicht mehr für ein mildes Klima sorgt. London könnte dann unter Kälte leiden. Das gewohnte Leben wäre kaum mehr möglich. Zum Artikel

    Washington Post: Politische Klima-Show. BlackRock hat die Initiative Net Zero Asset Managers (NZAM) verlassen und ist damit Teil eines breiteren Exodus aus grünen Finanzgruppen, die von Banken und Investoren vor einigen Jahren ins Leben gerufen worden waren. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Finanzunternehmen weiterhin grüne Investitionen fördern werden und vieles davon nur politische Show ist. Zum Artikel

    Standpunkt

    Nächste Bundesregierung: So kann sie Wohnen bezahlbar und klimafreundlich machen

    Von Kolja Zajicek
    Kolja Zajicek, Senior Referent für Politik bei der Stiftung KlimaWirtschaft.

    Einer der Schlüsselsektoren bei der Erreichung der Klimaziele ist der Bausektor. Gerade er zählt immer noch zu den größten Verursachern von CO₂-Emissionen. Bereits das vierte Jahr in Folge wurden in Deutschland die Sektorziele auf dem Weg zur Klimaneutralität gerissen. Das ist die erste schlechte Nachricht.

    Die zweite lautet: Auch wirtschaftlich geht es dem Bausektor schlecht, und das hat ebenfalls Folgen für die Klimaziele. Denn wenn wir zu wenig bauen und sanieren, scheitert die Transformation des Sektors.

    Gründe für die schlechte Lage

    Für die schlechte Lage gibt es viele Gründe. Zu den wichtigsten zählen hohe Preise und Zinsen, komplizierte Bauvorschriften, kaum überschaubare Förderprogramme und nicht zuletzt die Verunsicherung durch politische Debatten.

    In den vergangenen zehn Jahren sind die Baupreise für Wohngebäude um 65 Prozent gestiegen. Nirgendwo sonst in Europa sind die Baunebenkosten höher. Als wäre das noch nicht genug, ist Bauen in Deutschland auch zu kompliziert: Der Sektor ertrinkt in einer Flut aus Vorschriften und Normen. Zu den knapp 3.900 Baunormen kommen 16 Landesbauordnungen und eine unüberschaubare Anzahl kommunaler Vorschriften. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik schätzt, dass sich die Vorgaben am Bau seit 1990 vervierfacht haben.

    Wer sich als Unternehmen oder Privatperson davon nicht abschrecken lässt, muss sich noch eine Übersicht über die überkomplexe Förderlandschaft mit mehr als 3.000 verschiedenen Förderprogrammen verschaffen. Hinzu kommen die gestiegenen Zinskosten in Folge der Energiepreiskrise und die Verunsicherung durch die Debatte zum Gebäude-Energie-Gesetz (GEG). Im Ergebnis werden aktuell die meisten Bau- oder Sanierungsvorhaben beerdigt.

    Planungssicherheit für Investitionen

    In den vergangenen drei Jahren haben Dürren und Überschwemmungen in Deutschland etwa 90 Milliarden Euro an Immobilienwerten zerstört. Das entspricht den Kosten für eine Vollsanierung von etwa 300.000 Häusern. Immer mehr Banken und Versicherer stellen fest, dass Klimarisikoanalysetools Schwächen im Abgleich zwischen Datenbank-Ergebnissen und realen Klimaereignissen zeigen – das heißt: Die Risiken des Klimawandels werden unterschätzt.

    Dabei sind sich Experten längst einig: Wenn wir die Bauwirtschaft ankurbeln, die Anzahl der Bausanierungen vorantreiben und die Klimaziele wieder in greifbare Nähe rücken wollen, muss die Branche von der Politik wieder Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen erhalten. Wie das gelingen kann, zeigt die Stiftung KlimaWirtschaft in einem neuen, in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP erstellten Positionspapier:

    Was die neue Regierung tun muss

    2024 wurde die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) verabschiedet. Die EPBD bildet den europaweiten Rahmen für die Transformation des Sektors und enthält eine Fülle von Vorschriften, die bis Mai 2026 in deutsches Recht überführt werden müssen. Das erfordert eine Reform des GEG.

    Ein seriöses Wahlversprechen an die Baubranche wäre es, in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung einen schlüssigen Zeitplan für die Implementierung der Richtlinie aufzuzeigen und somit privaten Bauherren und Unternehmen die dringend benötigte Planungssicherheit zu liefern. Die vielfach geforderte Rückabwicklung des Heizungsgesetzes wäre für die Branche hingegen mittelfristig ein fatales Signal.

    Die nächste Bundesregierung sollte außerdem die finanzielle Unterstützung für die klimaneutrale Transformation des Gebäudesektors vereinfachen und planbar ausgestalten. In den vergangenen Jahren wurden einzelne Förderprogramme immer wieder über Nacht eingestellt, andere wiederum kaum abgerufen. Deswegen benötigt es eine übersichtliche Anzahl von schlagkräftigen Förderprogrammen, die über einen Zeitraum von mindestens 36 Monaten bestehen. Auch das sorgt bei Unternehmen, privaten Bauherren, Energieberatern und Architekten für ausreichend Planungssicherheit. Und es wird verhindert, dass die einkalkulierte Förderung bei Baustart nicht mehr zur Verfügung steht.

    Deutsche Unternehmen stehen bereit

    Bereits heute denken viele Unternehmen die Bauwende in Deutschland vor. Sie investieren in Digitalisierung, KI, neue Fertigungs- und Montageprozesse sowie innovative, kreislauffähige Bauprodukte. Mit diesen Bauprodukten, Baumaterialien, Bauweisen und -prozessen könnten wir eine globale Vorreiterrolle deutscher Baustoffproduzenten und Bauunternehmen etablieren.

    Es wird Zeit, den progressiven Unternehmen eine klare Perspektive aufzuzeigen und sie gezielt zu unterstützen, anstatt durch zähe politische Debatten um den Heizungskeller die Branche weiter zu verunsichern.

    Kolja Zajicek ist Senior Referent für Politik bei der Stiftung KlimaWirtschaft. Er arbeitet schwerpunktmäßig zur Transformation der Wirtschaft, zur Klimagesetzgebung und zum Gebäudesektor.

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