Table.Briefing: Climate

Kritik an britischer CCS-Förderung + Milliarden für Waldschutz + Konzerne verwässern Klimavorhaben

Liebe Leserin, lieber Leser,

kurz vor der COP29 nimmt der Diskurs rund um die CO₂-Speicherung und Abscheidung (CCS) wieder Fahrt auf: Großbritannien will den Sektor mit fast 22 Milliarden Pfund subventionieren und folgt damit dem Beispiel anderer Staaten. Umweltschützer warnen vor den Gefahren bei der CO₂-Speicherung. Nico Beckert analysiert das britische Subventionsprogramm und zeigt, in welchen Sektoren der Einsatz von CCS überhaupt sinnvoll ist.

Kritisch schauen wir in dieser Ausgabe auch auf das Deutschlandticket. Laut einer neuen Studie könnte der Klimanutzen durch die jüngst beschlossene Preiserhöhung zu einem großen Teil wieder zunichtegemacht werden. Und aus der Industrie gibt es aktuell einige eher düstere Klimasignale: Wir erklären, warum der Öl- und Gasriese BP seine Klimaziele zurücknimmt und Thyssenkrupp Investitionen in grünen Stahl überdenkt. Und die Energieökonomin Claudia Kemfert erklärt passend dazu, wie fossile Akteure die Kommunikation zur Energiewende sabotieren.

Etwas Hoffnung macht der Blick nach Afrika. Dort wurden in den letzten Jahren viele Mini-Stromnetze installiert – und anders als noch in der Vergangenheit basieren sie größtenteils auf erneuerbaren Energien und weniger auf Dieselgeneratoren, wie Samuel Ajala berichtet. Außerdem lesen Sie, wie Brasilien Milliarden für Waldschutz auftreiben will und wir stellen Ihnen Dan Jørgensen vor, der EU-Energiekommissar werden soll.

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Lisa Kuner
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Analyse

CO2-Speicher: Warum Milliarden-Subventionen Skepsis hervorrufen

Premierminister Keir Starmer, Schatzkanzlerin Rachel Reeves und der Minister für Energiesicherheit und Netto-Nullenergie Ed Miliband
Großbritannien will CCS-Projekte mit fast 22 Milliarden Pfund subventionieren. Die Ankündigung folgt dem Beispiel anderer Staaten

Einen Monat vor der nächsten Klimakonferenz in Baku (COP29) erhält eine der umstrittensten Klimatechnologien neuen Schwung: das Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS). Großbritannien will CCS-Projekte mit Subventionen von fast 22 Milliarden Pfund fördern. Norwegen hat mit dem Northern Lights-Projekt einen neuen CO₂-Speicher in Betrieb genommen. Und viele weitere Staaten haben Subventionsprogramme gestartet oder arbeiten an CCS-Strategien.

Schon auf der COP28 in Dubai war CCS eines der am stärksten diskutierten Themen. Doch Umweltschützer warnen vor den großen Gefahren. Ein neues Leck bei einem CCS-Projekt in den USA scheint ihre Sorgen zu bestätigen.

Viele Staaten subventionieren CCS

Mit 21,7 Milliarden Pfund will die britische Regierung in den nächsten 25 Jahren CCS-Projekte finanzieren, wie sie am Freitag bekanntgab. Die Regierung will damit zwei unterseeische CO₂-Speicher und die dazugehörige Infrastruktur sowie drei Projekte zum Abscheiden von CO₂ subventionieren: ein Gaskraftwerk, eine Müllverbrennungsanlage und eine Anlage zur Produktion von Wasserstoff.

Ab dem Jahr 2028 soll das erste CO₂ gespeichert werden. Zukünftig sollen die Speicherprojekte jährlich 8,5 Millionen Tonnen CO₂ speichern, wie die Financial Times berichtet. Zum Vergleich: Die jährlichen CO₂-Emissionen Großbritanniens liegen derzeit bei gut 320 Millionen Tonnen pro Jahr.

Das Abscheiden und Speichern von CO₂ wurde in jüngster Zeit von vielen Staaten vorangetrieben:

  • Norwegen hat kürzlich mit “Northern Lights” das erste Projekt fertiggestellt, das kommerziellen CO₂-Transport und -Speicherung als Dienstleistung anbietet. Ab 2025 sollen jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO₂ gespeichert werden. Zunächst für zwei Industrieprojekte in Norwegen, schon bald aber auch für die europäische Industrie. Das Projekt wurde staatlich unterstützt.
  • Die USA fördern das Auffangen und Speichern von CO₂ im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) mit Steuergutschriften in Höhe von 85 US-Dollar pro Tonne CO₂.
  • Deutschland entwickelt derzeit eine CCS-Strategie und setzt dabei stark auf Speicherorte in Norwegen und dem EU-Ausland.
  • Auch Dänemark (Projekt Greensand) und die Niederlande (Projekt Porthos) planen CCS-Infrastruktur und die Speicherung in der Nordsee.
  • Und fossile Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate nutzen die Klimakonferenzen, um CCS als vermeintliche Lösung zur weiteren Förderung von Öl- und Gas zu proklamieren.

CCS für alle oder nur für Sektoren mit wenig Alternativen?

Laut Internationaler Energieagentur (IEA) und dem britischen Climate Change Committee, das die Regierung in Klimafragen berät, ist CCS für die Einhaltung der Klimaziele zwar nötig. Doch laut IEA und vielen Kritikern sollte der Einsatz auf jene Sektoren beschränkt bleiben, die wenig Alternativen zur CO₂-Minderung haben – im Fachjargon werden sie “hard-to-abate”-Sektoren genannt.

Der britische Thinktank E3G hat eine “CCS-Leiter” entwickelt, um zu zeigen, in welchen Sektoren der Einsatz am sinnvollsten wäre und welche Sektoren kostengünstigere Alternativen haben. Der Einsatz in Gaskraftwerken, wie ihn die britische Regierung unterstützen will, gilt laut E3G eher als “finanzielle Belastung für den Emittenten”. Auch der Einsatz von CCS bei der Wasserstoffproduktion wird kritisch gesehen. Doug Parr, politischer Direktor von Greenpeace UK, kritisiert: “Wasserstoff aus Erdgas ist nicht kohlenstoffarm und es besteht die Gefahr, dass wir uns auf zweitklassige Lösungen festlegen.”

Kurzfristig (2030) sei CCS demnach für die Zement- und Kalkherstellung, einige Prozesse in der chemischen Industrie, die Ammoniakherstellung, die Müllverbrennung, einige Wasserstoff-Produktionsprozesse und einige Anwendungen im Stahlsektor sinnvoll, so E3G. Allerdings wird es bis 2030 kaum nennenswerte Speicherkapazitäten geben, da es weltweit erst sehr wenige CCS-Projekte gibt.

CCS langfristig nur bei wenigen Sektoren sinnvoll

Langfristig sei der Einsatz von CCS laut E3G nur in wenigen Sektoren wirtschaftlich sinnvoll, da es in vielen Bereichen Alternativen geben wird. Folgende Sektoren müssten demnach 2050 noch auf CCS setzen:

  • die Zement- und Kalkherstellung,
  • die Energiegewinnung durch Müllverbrennung,
  • die Papierherstellung und
  • einige Prozesse des chemischen Recyclings.

CCS-Kritik von Greenpeace und neues Leck in den USA

Doch so sehr die Staaten CCS als vermeintliche Klimalösung subventionieren, befindet sich die Technologie noch immer im Teststadium und es kommt regelmäßig zu Problemen. In den USA hat das Agri-Unternehmen Archer-Daniels-Midland kürzlich die Einspeicherung von CO₂ aus einer Ethanolfabrik im Untergrund gestoppt. Schon im März kam es zu CO₂-Lecks, und im September gab es erneut Probleme bei der Speicherung im Untergrund.

Laut einer aktuellen Greenpeace-Studie kam es bei vielen CCS-Projekten zu ähnlichen Problemen:

  • Gespeichertes CO₂ hat sich im Untergrund stärker bewegt als vorher angenommen und droht teilweise wieder an die Oberfläche zu gelangen.
  • Der Druck im Speichergestein stieg phasenweise stärker an als erwartet, was teilweise zum frühzeitigen Abbruch der CO₂-Speicherung führte. Im Extremfall könne es zu Erdbeben kommen, die die gesamte Speicherung gefährden.
  • Der Eintritt von Salzwasser und Sand in das Speichergestein erschweren die CO₂-Speicherung.

Greenpeace kritisiert, dass CCS-Projekte teuer bleiben, da sie kaum standardisierbar seien. “Jedes Projekt muss die individuelle Geologie der Lagerstätte mit großem Aufwand analysieren und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln”, so die Studie. Die Umweltschützer kritisieren: Wenn es schon “im Musterland Norwegen” bei dem “wohl am längsten vorbereiteten CCS-Projekt der Welt” (Sleipner) zu Problemen kommt, könne “man sich vorstellen, welche Risiken mit CCS-Projekten verbunden sein werden, die deutlich größer sind und stark profitorientiert arbeiten”.

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Südliches Afrika: Wie solare Mini-Netze die Stromversorgung revolutionieren

Installation einer Solaranlage in Karamoja, Uganda.

Dezentrale kleine Stromnetze auf Basis von Photovoltaikstrom (“Mini-Grids”) erleben weltweit einen Boom. Aber vor allem in Afrika südlich der Sahara verzeichnen sie ein besonders hohes Wachstum. Dort versorgen die kleinen Netze in entlegenen Gebieten die Menschen mit Elektrizität und leisten einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.

Das stellt ein neuer Bericht der Initiativen Sustainable Energy for All und Mini-Grids Partnership fest. Demnach wurden im letzten Jahr weltweit sechsmal so viele Mini-Grids aufgebaut wie noch im Jahr 2018 – ein konstanter Aufwärtstrend bei Mini-Grid-Installationen weltweit. Vor allem in Afrika kommen die kleinen Netze zum Einsatz.

466 Millionen Menschen mehr haben Strom, vor allem aus Solarkraft

Derzeit haben weltweit 684 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Mini-Grids können hier Abhilfe schaffen, und sie werden immer sauberer: Laut des Berichts sank zwischen 2018 und 2024 der Anteil der Dieselkapazitäten in Mini-Netzen von 42 Prozent auf 29 Prozent. Im Gegensatz dazu ist der Anteil von Solaranlagen im gleichen Zeitraum von 14 Prozent auf 59 Prozent gestiegen.

“In den letzten 15 Jahren wurden die Finanzmittel für den Mini-Grid-Sektor erheblich aufgestockt, wobei die afrikanischen Länder südlich der Sahara die meisten Mittel von privaten Investoren, Regierungen und Entwicklungspartnern erhalten haben”, heißt es. Die Autoren empfehlen, den Erfolg der Mini-Grids weiterzuführen. Finanzielle Zusagen und Auszahlungen für Mini-Grid-Netze sollten weiter steigen, unter anderem durch:

  • leichteren Zugang zu Zuschüssen,
  • die Verringerung des Investitionsrisikos und
  • eine effizientere Zusammenarbeit bei der Auszahlung zugesagter Mittel.

“Wendepunkt für afrikanische Energiepolitik”

Katlong Alex, Energieanalyst beim African Energy Council, erklärte im Gespräch mit Table.Briefings, dass das rasche Wachstum von Mini-Grid-Installationen in Subsahara-Afrika einen Wendepunkt für Afrika darstelle. Für Alex sind sie “eine praktische Lösung, um die Lücke des ungedeckten Energiebedarfs zu schließen”. Durch den dezentralen Zugang zu Energie müssten nicht erst große Investitionen in das Stromnetz getätigt werden. “Jüngste Fortschritte in der Photovoltaik-Technologie, bei Batteriespeichersystemen und anderen Mini-Grid-Komponenten haben die Kosten erheblich gesenkt und die Zuverlässigkeit erhöht”, so Alex.

Warum führt gerade Subsahara-Afrika bei dieser Entwicklung?

Viel Potenzial für Erneuerbare und geringe Kosten

Der Rückgang der Dieselnutzung in Mini-Grids geht laut Bericht auf Anstrengungen zum Klimaschutz, steigende Betriebskosten für Diesel und billigere Batteriespeicher zurück. Der Boom der Photovoltaik (PV) gründe sich dagegen auf “Fortschritte bei der Solartechnologie, bei Erschwinglichkeit, Skalierbarkeit und unterstützende politische Maßnahmen”. Hinzu kommt das große Potenzial für erneuerbare Energien: Der Kontinent ist reich an erneuerbaren Energieressourcen, insbesondere an Solar-, Wind- und Wasserkraft. Das sei eine solide Grundlage für die Entwicklung von Mini-Grids auf Basis von Erneuerbaren, sagt Desmond Dogara, Senior Manager of Energy Access bei Clean Technology Hub, erklärt im Gespräch mit Table.Briefings.

Für Energiewende-Experte Dogara ermöglicht der Stromzugang lokalen Unternehmen eine effizientere Arbeit und geringere Kosten durch Verzicht auf Dieselgeneratoren. “Dies kurbelt die lokale Wirtschaft an, schafft Arbeitsplätze und erhöht das Einkommensniveau. Mini-Netze versorgen Haushalte, Schulen und Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Gegenden zuverlässig mit Strom.” Das hätte zu besseren Bildungschancen, einer besseren Gesundheitsversorgung und einem insgesamt höheren Lebensstandard geführt.

Probleme: Finanzierung und Diebstahl

Der Bericht verweist auch auf zwei wichtige finanzielle Trends: Die gesamte Finanzierung für die Mini-Grids stieg 2023 auf über 2,5 Milliarden US-Dollar. Und die privaten Investitionen versechsfachten sich zwischen 2015 und 2022 auf fast 600 Millionen US-Dollar. Allerdings würden nur 60 Prozent der zugesagten Mittel tatsächlich ausgezahlt. Die Quote sei zwischen den Geldgebern sehr unterschiedlich. Das mache “es notwendig, den Prozess besser zu überwachen und die Auszahlung zu beschleunigen”.

Zunehmend suchen demnach Geldgeber nach Garantien, um das Währungsrisiko bei Investitionen in Mini-Netze zu mindern. “Diese Garantien gleichen die Einnahmen mit den Finanzierungskosten ab und verringern so die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen. Trotz ihrer Bedeutung bleibt die Finanzierung in lokaler Währung jedoch begrenzt, da nur wenige Geldgeber solche Optionen anbieten”, heißt es.

Und einen weiteren Nachteil hat der Boom auch: Laut Alex sind Solarmodule, Batterien und andere wertvolle Komponenten oft durch Diebstahl und Vandalismus gefährdet. Das führe zu höheren Kosten und Unterbrechungen der Stromversorgung. Überwachungs- und Alarmsysteme könnten zur Abschreckung beitragen.

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News

Deutschlandticket: So wirkt sich der höhere Preis auf den Klimanutzen aus

Die Preiserhöhung für das Deutschlandticket könnte den Klimanutzen fast halbieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue wissenschaftliche Auswertung durch Wissenschaftler des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC Berlin) im Rahmen des Ariadne-Projekts. Laut den Wissenschaftlern hat das Deutschlandticket die CO₂-Emissionen des Verkehrssektors im ersten Jahr seiner Einführung (Mai 2023 bis April 2024) um “etwa 6,7 Millionen Tonnen” gesenkt – das entspricht fast fünf Prozent der gesamten CO₂-Emissionen des Verkehrssektors. Die Anzahl der Zugfahrten über 30 Kilometer habe um 30 Prozent “deutlich zugenommen”. Die Nutzung des Autos habe – mit insgesamt 7,6 Prozent weniger gefahrener Autokilometer – deutlich abgenommen.

Durch die kürzlich beschlossene Preiserhöhung ab dem Jahr 2025 um neun Euro auf 58 Euro werden viele Bürger allerdings wieder auf das Auto umsteigen, so die Prognose. Laut Ariadne-Prognosen werden:

  • Die Fahrten im Zugverkehr wieder um etwa 14 Prozent zurückgehen.
  • Die gefahrenen Kilometer im Autoverkehr um etwa 3,5 Prozent zunehmen.
  • Die Emissionsminderung pro Jahr werde auf 3,6 Millionen Tonnen CO₂ zurückgehen.

Die Wissenschaftler haben Mobilitätsdaten ausgewertet und für ihre Studie ein modellhaftes Deutschland erstellt, in dem das Deutschlandticket nicht eingeführt wurde. Diese Methodik erlaube es, tatsächlich kausale Zusammenhänge zu untersuchen und Faktoren, die die Ergebnisse bei einem Vorher-Nachher-Vergleich beeinflussen könnten, zu vermeiden. nib

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1,5-Grad-Ziel: Deutsches Klima-Konsortium fordert offene Kommunikation über wahrscheinliche Verfehlung

Das “absehbare Überschreiten” von 1,5 Grad globaler Erwärmung “sollte offen kommuniziert werden”. Dafür plädiert das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) in einem Positionspapier, das Table.Briefings exklusiv vorliegt. Eine solche Kommunikation sei wichtig, da die “Gestaltung von Klimaanpassung von aktuell plausiblen Temperaturszenarien ausgehen und sich auf diese vorbereiten” solle. Das DKK mahnt, die bisher “getroffenen politischen Entscheidungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele” seien “unzureichend”. Vor allem die “große soziale Ungleichheit” stehe einer Dekarbonisierung bis 2050 im Weg, so das größte Netzwerk zur Selbstorganisation der deutschen Klimawissenschaft mit aktuell 27 Mitgliedsinstitutionen.

Kurz vor der nächsten Klimakonferenz (COP29) in Baku kritisiert das DKK vor allem die “immer noch erheblichen Investitionen in fossile Energieträger” wie Kohle- und Gaskraftwerke und neue Öl- und Gasvorkommen sowie klimaschädliche Subventionen. Netto-Null-Emissionen rückten in “immer weitere Ferne”. Laut DKK sei es zwar möglich, die globale Temperatur nach einem Anstieg über die 1,5-Grad-Schwelle durch negative Emissionen mittelfristig wieder unter 1,5 Grad zu drücken (Overshoot). Allerdings sei zweifelhaft, ob die technischen und politischen Voraussetzungen für die damit verbundene enorme CO₂-Entnahme überhaupt gegeben sind. Zudem würde die anschließende Absenkung der Temperatur auf 1,5-Grad nach einem Overshoot die negativen Folgen für Natur und Ökosysteme nicht rückgängig machen. Zerstörte Gletscher und Wälder würden dadurch nicht zurückkommen. nib

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Brasilien: So viel Geld könnte der TFFF-Fonds für Waldschutz bringen

Der Fonds der Tropical Forests Forever Facility (TFFF), der auf der COP28 von Brasilien vorgeschlagen wurde, befindet sich in der Endphase seiner Konzeption und könnte laut Schätzungen eines Experten jährlich bis zu vier Milliarden US-Dollar für den Schutz der Regenwälder bringen. Das berichtet die New York Times. Der TFFF hat das Ziel, ökonomische Anreize für den Schutz der Wälder zu setzen und damit die Entwaldung zu stoppen.

Der brasilianische Vorschlag sieht einen Fonds im Wert von 125 Milliarden US-Dollar vor, was ihn nach einigen Maßstäben zum weltweit größten Geldtopf für den Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust von Biodiversität machen würde. Der Green Climate Fund, der weltweit größte Klimafonds zur Finanzierung von Projekten in den Entwicklungsländern, verfügt über etwa die Hälfte des vorgeschlagenen Kapitals.

Funktionieren soll der TFFF folgendermaßen:

  • Reiche Länder und Stiftungen leihen dem Fonds 25 Milliarden Dollar, die später mit Zinsen zurückgezahlt werden.
  • Dadurch sollen weitere 100 Milliarden an Privatinvestitionen gehebelt werden.
  • Die 125-Milliarden sollen in ein breites Portfolio an Aktien und festverzinslichen Wertpapieren investiert werden. Der Gewinn daraus soll die Rückzahlungen an Investoren garantieren.
  • Mit dem übrigen Gewinn aus den Projekten sollen rund 70 Länder dafür bezahlt werden, ihren Wald zu erhalten.

Brasilien will das Konzept des Fonds noch in diesem Jahr abschließen und auch bekannt geben, wie er verwaltet werden soll. Im kommenden Jahr soll er eingeführt werden, feste finanzielle Zusagen gibt es noch nicht. kul

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Grüner Stahl: Thyssenkrupp überdenkt Drei-Milliarden-Projekt in Duisburg

Thyssenkrupp erwägt, ein Drei-Milliarden-Euro-Projekt zur Dekarbonisierung in Duisburg einzustellen. Der Geschäftsplan der Stahlsparte Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) – einschließlich der Pläne zur Herstellung von grünem Stahl – soll neu überprüft werden. Im Gespräch sei auch ein Stopp des wasserstoffbasierten Direktreduktionsprojekts, berichtete das Handelsblatt am Sonntag unter Berufung auf interne Dokumente.

Die TKSE steht im Rahmen der Dekarbonisierung vor einem großen Umbau. Bislang ist nur ein Viertel der Kapazitäten auf dem staatlich geförderten Transformationsweg, für den die traditionellen Hochöfen durch neue Anlagen ersetzt werden müssen. Für Duisburg steht demnächst eine neue Kostenabschätzung an, Thyssenkrupp geht aber weiter von einem Bau der Direktreduktionsanlage aus.

Die Muttergesellschaft Thyssenkrupp liegt seit längerem im Streit darüber, wie viel Geld das Stahlgeschäft braucht, um aus eigener Kraft zu überleben – ein Streit, der Ende August zum Rücktritt der Spartenleitung führte. Auch der Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky mit 20 Prozent an der TKSE könnte die Dekarbonisierung erschweren. Kretinsky besitzt unter anderem mehrere Medien im Czech News Center, die wiederholt mit Angriffen gegen die Klimabewegung und die deutsche Klimapolitik aufgefallen sind. rtr/lb

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Öl- und Gas: Darum streicht BP sein 2030-Klimaziel

Der britische Ölkonzern Beyond Petroleum (BP) schraubt seine Energiewende-Strategie zurück. BP streicht das Ziel, bis 2030 die Öl- und Gasproduktion zu reduzieren. Stattdessen strebt das Unternehmen neue fossile Investitionen im Nahen Osten an. CEO Murray Auchincloss reagiert damit auf verunsicherte Investoren. Zuletzt war der Aktienkurs gefallen.

Als BP im Jahr 2020 seine Strategie vorstellte, war sie die ehrgeizigste des Sektors. Sie sah vor, die Produktion bis 2030 um 40 Prozent zu senken und gleichzeitig die erneuerbaren Energien rasch auszubauen. Im Februar des vergangenen Jahres reduzierte BP das Ziel auf 25 Prozent, nun wird es gänzlich gestrichen. BP strebt stattdessen neue Investitionen im Nahen Osten und im Golf von Mexiko an, um seine Öl- und Gasproduktion zu steigern, so Quellen gegenüber Reuters. Eine aktualisierte Strategie soll im Februar 2025 auf einem Investorenmeeting vorgestellt werden.

Auch Shell schraubt Klimaziele zurück

Am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 hält BP weiterhin fest. In den letzten Monaten allerdings hatte Auchincloss etwa Investitionen in neue Offshore-Windkraft- und Biokraftstoffprojekte gestoppt und die Zahl der kohlenstoffarmen Wasserstoffprojekte von 30 auf zehn reduziert.

Auch Konkurrent Shell hat seit dem Amtsantritt von CEO Wael Sawan im Januar seine Klimaziele verwässert: Sawan verkaufte die Geschäftsbereiche Strom und erneuerbare Energien und gab Projekte im Bereich der Offshore-Windkraft, Biokraftstoffe und Wasserstoff auf. Der Wandel bei beiden Unternehmen erfolgt im Zuge einer erneuten Fokussierung auf die Energiesicherheit nach dem Angriffskrieg Russlands sowie aufgrund von Lieferkettenproblemen und einem starken Anstieg der Kosten und Zinssätze bei erneuerbaren Energien. rtr/lb

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Nationale Klimapläne: Ernährungswende bleibt oft außen vor

Maßnahmen für nachhaltige Ernährungssysteme – wie beispielsweise die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung oder eine auf pflanzlichem Protein basierende Ernährung – kommen bisher selten in den nationalen Klimaplänen der Länder (NDCs) vor. Auch andere wichtige Maßnahmen für nachhaltige Verhaltensänderungen wie die Reduzierung von Flugverkehr werden oft nicht genannt. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Arbeitspapier des World Resources Institute (WRI), das Maßnahmen zu Verhaltensänderungen in den NDCs der 20 Länder mit den höchsten Emissionen analysiert.

Am häufigsten werden demnach die Förderung von E-Autos, mehr öffentliche Verkehrsmittel und Energieeinsparungen in Haushalten in die NDCs eingebunden. Die in den NDCs priorisierten Maßnahmen stimmen dabei oft nicht mit Potenzial für Emissionsreduktionen überein: So könnte eine pflanzenbasierte Ernährung nach einer Studie beispielsweise die Emissionen des Ernährungssektors um bis zu 73 Prozent senken. Trotzdem werden Maßnahmen in Richtung einer Ernährungswende nur selten berücksichtigt.

In den untersuchten NDCs werden Verhaltensänderungen meist durch die Verbesserung der Infrastruktur und der Dienstleistungen gefördert. Das WRI empfiehlt darüber hinaus auch die Nutzung anderer Instrumente wie beispielsweise finanzielle Anreize oder die bessere Bereitstellung von Informationen etwa durch Energienachweise oder Label. kul

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EU-Klimaziel 2040: Geopolitische Instabilität könnte Ziele gefährden

Geopolitische Instabilität sowie soziale Ungleichheit bei der Einführung von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels in Europa seien die größten Herausforderungen beim Erreichen der europäischen Klimaziele. Eine Studie des Brüsseler Thinktanks Bruegel hat das Ziel der EU-Kommission untersucht, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Technisch seien die Ziele machbar, da viele saubere Technologien bereits marktreif sind und kostengünstiger seien.

Die Autoren identifizieren jedoch vier Hauptrisiken, die die Zielerreichung gefährden könnten:

  • Geopolitische Instabilität durch Handelskonflikte und erhöhte Zinssätze könnten Investitionen in saubere Technologien behindern
  • Technologische Innovationen, insbesondere bei CO2-Abscheidungs- und -Entfernungstechnologien, drohen nicht schnell genug voranzuschreiten.
  • Maßnahmen wie die CO₂-Bepreisung könnten ärmere Haushalte unverhältnismäßig stark belasten und soziale Ungleichheiten verschärfen, wenn keine gerechten Umverteilungsmechanismen wie die Klimadividende implementiert werden
  • Erreicht die EU ihre Klimaziele für 2030 nicht oder stoßen Klimamaßnahmen auf erhöhten Widerstand, droht ein Glaubwürdigkeitsverlust der EU-Klimapolitik. Investoren könnten abgeschreckt werden und den Übergang verlangsamen.

Die Autoren fordern daher, dass der klima- und energiepolitische Rahmen für 2040 so gestaltet wird, dass er gegen solche Risiken gewappnet ist. Die EU sollte Verteilungsfragen in den Mittelpunkt ihrer Klimapolitik stellen und eine Emissionsminderungsstrategie entwickeln, die geoökonomische und technologische Risikofaktoren überwacht. Darüber hinaus brauche es Notfallpläne, um zu verhindern, dass die genannten Risiken die Klimaziele gefährden. luk

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Presseschau

Guardian: Klimawandel verändert Flüsse. Der Klimawandel verändert Flüsse und trägt zu extremen Überschwemmungen und Dürren beizutragen. 2023 trockneten Flüsse so stark aus wie nie in den letzten 30 Jahren, jedes zweite Flussbett wies “abnormale Veränderungen” auf. Zum Artikel

New York Times: Fliehen vor Hurrikan Helene. Warum verlassen Menschen nicht Regionen, die wie im Fall des Hurrikans Helene massiv von Umweltkatastrophen betroffen sind? Dafür könnte es mehrere Gründe geben: Sie haben kein Geld, umzuziehen. Oder sie glauben nicht an den Klimawandel und rechnen damit, dass sich Katastrophen nicht wiederholen. Zum Artikel

Reuters: Kolumbien will eine einheitliche Klimaverpflichtung verfassen. Kolumbien möchte eine einheitliche Klima- und Biodiversitätsverpflichtung (“Pledge)” vorlegen und damit die Bemühungen zum Schutz der Natur mit denen zur Bekämpfung des Klimawandels vereinen. Der südamerikanische Staat wird in diesem Monat Gastgeber des UN-Biodiversitätsgipfels COP16 sein, dessen Ziel es ist, der rapiden Zerstörung der Natur Einhalt zu gebieten. Zum Artikel

AP: Mexiko setzt auf erneuerbare Energie. In ihren ersten Tagen als neue Präsidentin Mexikos machte Claudia Sheinbaum klar, dass sie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden will. Stattdessen will sie erneuerbare Energien fördern. Ziel sei es, dass die Erneuerbaren bis 2030 einen Anteil von 45 Prozent an der gesamten Stromproduktion haben werden. Zum Artikel

Standpunkt

Fossile Akteure sind nicht an konstruktivem Dialog interessiert

Von Claudia Kemfert
Porträtfoto von Claudia Kemfert, Energieökonomin am DIW, mit schwarzem Rollkragenpullover vor hellblauem Hintergrund.
Claudia Kemfert, Energieökonomin am DIW.

Theoretisch ist gelingende Kommunikation ein simples Vier-Stufen-Verfahren:

  • 1. Motivieren durch positive Zukunftsvisionen
  • 2. zielgruppenorientiert Akzeptanz herstellen
  • 3. Einfache kraftvolle Botschaften
  • 4. Vertrauen schaffen durch Erfolgserlebnisse

Wie in dieser Weise politische Kommunikation in einem demokratischen Wahlkampf erfolgreich gelingen kann, hat 2008 Barack Obama mit seiner erfolgreichen “Yes We Can”-Kampagne vorgeführt.

Auch in der Klima- und Energiewende-Kommunikation wird seit Jahrzehnten auf diese Weise kommuniziert. Wir blicken auf 50 Jahre Klimaforschung, die praktikable Lösungswege gegen die drohende Erderhitzung aufzeigt. Und wir blicken auf 30 Jahre Energiewende mit beeindruckenden Erfolgserlebnissen – 1994 prophezeite Angela Merkel als damalige Umweltministerin: “Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken”. Heute haben erneuerbare Energien an der Stromerzeugung in Deutschland einen Anteil von über 60 Prozent.

Doch von Erfolg kann nicht die Rede sein. Statt Vertrauen in die Chancen einer anderen Klimazukunft wuchs lediglich der Widerstand gegen jede Art von ökologischer Transformation. Deutschland hinkt vielen Klimazielen hinterher. “Die Grünen” gelten als Sündenbock für jegliche Art von Krise. Klima-Aktivist*innen werden zunehmend isoliert und teilweise kriminalisiert. Das kann ja nicht nur daran liegen, dass positive Bilder oder zielgruppengerechte Bezüge fehlen. Statt über die Ausgangsfrage “Wie kann die Kommunikation der Energiewende gelingen?” zu theoretisieren, sollten wir deswegen besser darüber reden, wie und warum die Energiewende-Kommunikation so schrecklich scheitert.

Milliardensummen für Irreführung der Öffentlichkeit

Die Antwort ist eigentlich nicht neu. Doch es dringt erst nach und nach ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, mit welch perfiden Methoden einige wenige, aber sehr mächtige Profiteure der fossilen Industrien den politischen (Dis-)Kurs weltweit beeinflussen.

2015 brachten investigative Medien ans Licht, dass Öl- und Gasunternehmen wie ExxonMobil bereits vor Jahrzehnten wussten, dass ihr Produkt katastrophale Auswirkungen auf das Klima haben würde. Doch anstatt die Welt zu warnen und ihr Geschäftsmodell zu verändern, gaben sie Milliarden aus, um die Öffentlichkeit irrezuführen und Klimaschutz zu blockieren. Sie betrieben gesellschaftliches “Klima-Gaslighting” – eine Form von manipulativem Verhalten, das permanent Zweifel an der Realität schürt.

Die perfiden Methoden dieser “Merchants of Doubts”, Händler des Zweifels, enthüllte die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes zuerst am Beispiel der US-Tabakindustrie. Die hatte seit den 1950er-Jahren die Öffentlichkeit über die Risiken des Rauchens getäuscht. In Folge von Oreskes Arbeit wurden die beteiligten Konzerne wegen organisierter Kriminalität von der US-Regierung verklagt und im August 2006 wegen jahrzehntelanger Verschwörung zum Betrug schuldig gesprochen.

Dieselben Methoden wendet auch die fossile Industrie an, allerdings mit einer erweiterten Toolbox. Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet nämlich Klimaschutz grundsätzlich. Deswegen werden die Menschen nun bei konkreten politischen Maßnahmen durch aggressive Störkommunikation verunsichert. Ganz gleich ob Verkehrs-, Energie- oder Wärmewende – immer ist das jeweilige Projekt “zu unausgereift”, “zu teuer”, “zu ideologisch”, “zu wenig marktfähig”, “zu elitär”, zu dies, zu das.

Debatten werden emotionalisiert

Zugleich werden Diskussionen über Sachfragen auf emotionale Konfliktebenen verlagert: Statt über (billige) Solarenergie anstelle von (teurer) Atomkraft, schimpfen die Leute auf reiche Zahnärzte und ihre Photovoltaik-gedeckten Villen; statt über moderne Wärmepumpe versus veraltete Ölheizung diskutiert die Öffentlichkeit über angeblich willkürliche “Heizungsverbote”.

An einem konstruktiven Dialog sind die fossilen Akteure nicht interessiert. Jede Debatte ist daher so sinnlos wie der Versuch, mit einer Taube Schach zu spielen: Die wird bloß alle Figuren (Argumente) umwerfen, aufs Brett (die Diskussion) kacken und herumstolzieren, als hätte sie gewonnen.

Meister dieser Art von Taubenschach ist Wladimir Putin, dessen Macht als Präsident vor allem auf Staatseinnahmen aus den gewaltigen fossilen Ressourcen Russlands basiert. Als stärkster Gegner einer globalen Klimapolitik nutzt er perfide Methoden, die vielfältigen Kräfte der offenen Gesellschaft durch Propaganda und Fake News gegeneinander auszuspielen. So sichert er seine (Markt-)Macht und schwächt die Abwehrkraft der westlichen Demokratien. Dabei sucht er die Allianz mit anderen fossilen Autokraten im Iran, in Venezuela, Aserbaidschan oder Turkmenistan und scheut auch keine völkerrechtswidrigen Kriege. So zahlt die Welt inzwischen den Preis für extremere Wetterereignisse und andere Klimakatastrophen; sie muss mit immer mehr Kriegs- und Fluchtfolgen fertig werden, während Big Oil & Gas Rekordgewinne einfährt.

Nein. Es geht schon lange nicht mehr um Klima- oder Energiewende-Kommunikation. Es geht um Politik und Macht. Es geht um Demokratie. Es geht um Frieden. Und wir brauchen endlich Strategien, damit das alles nicht auch scheitert.

Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität Lüneburg. Auf der Jahrestagung des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien (FEVV) spricht sie in dieser Woche darüber, warum Klimakommunikation bisher oft scheiterte und wie das besser werden kann.

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Heads

Dan Jørgensen: Europas Sales-Man soll Energiekommissar werden

Ein ständiger Gast auf den UN-Klimakonferenzen: Dan Jørgensen auf der COP28 in Dubai.

Dan Jørgensen kann Politik ordentlich verkaufen, sagt Linda Kalcher über den designierten Energiekommissar aus Dänemark. Kalcher ist Gründerin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives und kennt Jørgensen noch aus seiner Zeit als Europaabgeordneter. Sein Netzwerk reicht weit über die europäischen Grenzen hinaus, weshalb Jørgensen dem Portfolio womöglich eine stärkere Außenwirkung verpassen könnte.

Als Energiekommissar wird es seine Aufgabe sein, die Energieunion Europas zu vollenden und unabhängig von russischen Energielieferungen zu machen. Er soll die Netzinfrastruktur modernisieren und die Energiepreise senken, was sowohl Verbrauchern zugutekäme als auch die Industrie international wettbewerbsfähiger machen würde. Keine leichten Aufgaben, doch Jørgensen hat Erfahrung mit komplizierten Herausforderungen im Energiebereich.

Als Entwicklungsminister Dänemarks hat er Europas internationalen Energiepartnerschaften mitverantwortet. Zuvor als Klima- und Energieminister gründete er gemeinsam mit Costa Rica die Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) während der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26), um die Abkehr von fossilen Energieträgern in Industrie- und Entwicklungsländern voranzutreiben. Bei der COP28 in Dubai verhandelte er für Dänemark im Verbund mit den anderen europäischen Ministern sogar die Abkehr von fossilen Brennstoffen in das Abschlussdokument der Konferenz.

Atomkraft und CCS zählen zu Jørgensens Aufgaben

In seiner neuen Rolle wird Jørgensen eher in die EU hinein agieren müssen, statt nach außen. Doch unkomplizierter wird es dadurch keineswegs. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihm auch aufgetragen, den Hochlauf kleiner modularer Kernreaktoren (SMR) sowie der Verpressung und Lagerung von CO₂ (CCS) voranzutreiben. Vor allem die Nutzung und Förderung der Kernenergie sind in Europa heftig umstritten. Jørgensen wird vermitteln müssen, insbesondere zwischen Paris und Berlin. In der Vergangenheit hat er bereits bewiesen, dass er in der Broker-Rolle auch Ergebnisse erzielt.

Auf ministerieller Ebene leitete er im Vorfeld der COP28 in Dubai die Gespräche zum Global Stocktake, dem wichtigsten Text der letzten Klimakonferenz. Bis zu seiner Nominierung als EU-Kommissar agierte er zudem als Vermittler für das neue globale Klimafinanzziel, das wichtigste Dokument der nächsten COP in Baku. Die Krux bei diesen Vermittlerrollen – im COP-Jargon Facilitator genannt – ist es, zwischen sich diametral gegenüberstehenden Positionen zu vermitteln. “Das hat Jørgensen immer gut gemacht”, bescheinigt Kalcher. Er ist kommunikativ, spricht mit allen Seiten und setzt sich für Lösungen ein. Etwas, wofür seine Vorgängerin Kadri Simson nicht gerade bekannt war. Zudem sei er ein Arbeitstier, sagt Kalcher. “Er beginnt morgens um 6 und abends um 11 ist er erst fertig.”

Weniger vertraut ist er mit dem zweiten Teil seines Portfolios. Jørgensen ist auch Wohnungskommissar. Bezahlbarer Wohnraum, geringere Baukosten und der Aufbau einer paneuropäischen Investitionsplattform gehören dort zu seinen Aufgabenbereichen. Er wird sich einarbeiten müssen. Auch die Umsetzung der Pläne von der Leyens erfordert viel Geschick mit den Kompetenzen der europäischen Institutionen. Denn die Städtebau- und Wohnungspolitik liegt in der Hand der Mitgliedstaaten.

Ein Teamplayer in vertrautem Umfeld

Jørgensen wird vor allem mit der designierten Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera und Klimakommissar Wopke Hoekstra zusammenarbeiten. Beide kennt er gut. “Sie können gut miteinander”, sagt Kalcher. Bei der COP28 in Dubai verhandelten sie Seite an Seite für Europa. In Brüssel sollen sie nun gemeinsam an der Dekarbonisierung der europäischen Industrie arbeiten. Jørgensen wird Pläne für bezahlbare Energiepreise und die Elektrifizierung und Versorgung der Industrie mit sauberer Energie ausarbeiten müssen. Lukas Knigge

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    kurz vor der COP29 nimmt der Diskurs rund um die CO₂-Speicherung und Abscheidung (CCS) wieder Fahrt auf: Großbritannien will den Sektor mit fast 22 Milliarden Pfund subventionieren und folgt damit dem Beispiel anderer Staaten. Umweltschützer warnen vor den Gefahren bei der CO₂-Speicherung. Nico Beckert analysiert das britische Subventionsprogramm und zeigt, in welchen Sektoren der Einsatz von CCS überhaupt sinnvoll ist.

    Kritisch schauen wir in dieser Ausgabe auch auf das Deutschlandticket. Laut einer neuen Studie könnte der Klimanutzen durch die jüngst beschlossene Preiserhöhung zu einem großen Teil wieder zunichtegemacht werden. Und aus der Industrie gibt es aktuell einige eher düstere Klimasignale: Wir erklären, warum der Öl- und Gasriese BP seine Klimaziele zurücknimmt und Thyssenkrupp Investitionen in grünen Stahl überdenkt. Und die Energieökonomin Claudia Kemfert erklärt passend dazu, wie fossile Akteure die Kommunikation zur Energiewende sabotieren.

    Etwas Hoffnung macht der Blick nach Afrika. Dort wurden in den letzten Jahren viele Mini-Stromnetze installiert – und anders als noch in der Vergangenheit basieren sie größtenteils auf erneuerbaren Energien und weniger auf Dieselgeneratoren, wie Samuel Ajala berichtet. Außerdem lesen Sie, wie Brasilien Milliarden für Waldschutz auftreiben will und wir stellen Ihnen Dan Jørgensen vor, der EU-Energiekommissar werden soll.

    Bleiben Sie dran!

    Ihre
    Lisa Kuner
    Bild von Lisa  Kuner

    Analyse

    CO2-Speicher: Warum Milliarden-Subventionen Skepsis hervorrufen

    Premierminister Keir Starmer, Schatzkanzlerin Rachel Reeves und der Minister für Energiesicherheit und Netto-Nullenergie Ed Miliband
    Großbritannien will CCS-Projekte mit fast 22 Milliarden Pfund subventionieren. Die Ankündigung folgt dem Beispiel anderer Staaten

    Einen Monat vor der nächsten Klimakonferenz in Baku (COP29) erhält eine der umstrittensten Klimatechnologien neuen Schwung: das Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS). Großbritannien will CCS-Projekte mit Subventionen von fast 22 Milliarden Pfund fördern. Norwegen hat mit dem Northern Lights-Projekt einen neuen CO₂-Speicher in Betrieb genommen. Und viele weitere Staaten haben Subventionsprogramme gestartet oder arbeiten an CCS-Strategien.

    Schon auf der COP28 in Dubai war CCS eines der am stärksten diskutierten Themen. Doch Umweltschützer warnen vor den großen Gefahren. Ein neues Leck bei einem CCS-Projekt in den USA scheint ihre Sorgen zu bestätigen.

    Viele Staaten subventionieren CCS

    Mit 21,7 Milliarden Pfund will die britische Regierung in den nächsten 25 Jahren CCS-Projekte finanzieren, wie sie am Freitag bekanntgab. Die Regierung will damit zwei unterseeische CO₂-Speicher und die dazugehörige Infrastruktur sowie drei Projekte zum Abscheiden von CO₂ subventionieren: ein Gaskraftwerk, eine Müllverbrennungsanlage und eine Anlage zur Produktion von Wasserstoff.

    Ab dem Jahr 2028 soll das erste CO₂ gespeichert werden. Zukünftig sollen die Speicherprojekte jährlich 8,5 Millionen Tonnen CO₂ speichern, wie die Financial Times berichtet. Zum Vergleich: Die jährlichen CO₂-Emissionen Großbritanniens liegen derzeit bei gut 320 Millionen Tonnen pro Jahr.

    Das Abscheiden und Speichern von CO₂ wurde in jüngster Zeit von vielen Staaten vorangetrieben:

    • Norwegen hat kürzlich mit “Northern Lights” das erste Projekt fertiggestellt, das kommerziellen CO₂-Transport und -Speicherung als Dienstleistung anbietet. Ab 2025 sollen jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO₂ gespeichert werden. Zunächst für zwei Industrieprojekte in Norwegen, schon bald aber auch für die europäische Industrie. Das Projekt wurde staatlich unterstützt.
    • Die USA fördern das Auffangen und Speichern von CO₂ im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) mit Steuergutschriften in Höhe von 85 US-Dollar pro Tonne CO₂.
    • Deutschland entwickelt derzeit eine CCS-Strategie und setzt dabei stark auf Speicherorte in Norwegen und dem EU-Ausland.
    • Auch Dänemark (Projekt Greensand) und die Niederlande (Projekt Porthos) planen CCS-Infrastruktur und die Speicherung in der Nordsee.
    • Und fossile Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate nutzen die Klimakonferenzen, um CCS als vermeintliche Lösung zur weiteren Förderung von Öl- und Gas zu proklamieren.

    CCS für alle oder nur für Sektoren mit wenig Alternativen?

    Laut Internationaler Energieagentur (IEA) und dem britischen Climate Change Committee, das die Regierung in Klimafragen berät, ist CCS für die Einhaltung der Klimaziele zwar nötig. Doch laut IEA und vielen Kritikern sollte der Einsatz auf jene Sektoren beschränkt bleiben, die wenig Alternativen zur CO₂-Minderung haben – im Fachjargon werden sie “hard-to-abate”-Sektoren genannt.

    Der britische Thinktank E3G hat eine “CCS-Leiter” entwickelt, um zu zeigen, in welchen Sektoren der Einsatz am sinnvollsten wäre und welche Sektoren kostengünstigere Alternativen haben. Der Einsatz in Gaskraftwerken, wie ihn die britische Regierung unterstützen will, gilt laut E3G eher als “finanzielle Belastung für den Emittenten”. Auch der Einsatz von CCS bei der Wasserstoffproduktion wird kritisch gesehen. Doug Parr, politischer Direktor von Greenpeace UK, kritisiert: “Wasserstoff aus Erdgas ist nicht kohlenstoffarm und es besteht die Gefahr, dass wir uns auf zweitklassige Lösungen festlegen.”

    Kurzfristig (2030) sei CCS demnach für die Zement- und Kalkherstellung, einige Prozesse in der chemischen Industrie, die Ammoniakherstellung, die Müllverbrennung, einige Wasserstoff-Produktionsprozesse und einige Anwendungen im Stahlsektor sinnvoll, so E3G. Allerdings wird es bis 2030 kaum nennenswerte Speicherkapazitäten geben, da es weltweit erst sehr wenige CCS-Projekte gibt.

    CCS langfristig nur bei wenigen Sektoren sinnvoll

    Langfristig sei der Einsatz von CCS laut E3G nur in wenigen Sektoren wirtschaftlich sinnvoll, da es in vielen Bereichen Alternativen geben wird. Folgende Sektoren müssten demnach 2050 noch auf CCS setzen:

    • die Zement- und Kalkherstellung,
    • die Energiegewinnung durch Müllverbrennung,
    • die Papierherstellung und
    • einige Prozesse des chemischen Recyclings.

    CCS-Kritik von Greenpeace und neues Leck in den USA

    Doch so sehr die Staaten CCS als vermeintliche Klimalösung subventionieren, befindet sich die Technologie noch immer im Teststadium und es kommt regelmäßig zu Problemen. In den USA hat das Agri-Unternehmen Archer-Daniels-Midland kürzlich die Einspeicherung von CO₂ aus einer Ethanolfabrik im Untergrund gestoppt. Schon im März kam es zu CO₂-Lecks, und im September gab es erneut Probleme bei der Speicherung im Untergrund.

    Laut einer aktuellen Greenpeace-Studie kam es bei vielen CCS-Projekten zu ähnlichen Problemen:

    • Gespeichertes CO₂ hat sich im Untergrund stärker bewegt als vorher angenommen und droht teilweise wieder an die Oberfläche zu gelangen.
    • Der Druck im Speichergestein stieg phasenweise stärker an als erwartet, was teilweise zum frühzeitigen Abbruch der CO₂-Speicherung führte. Im Extremfall könne es zu Erdbeben kommen, die die gesamte Speicherung gefährden.
    • Der Eintritt von Salzwasser und Sand in das Speichergestein erschweren die CO₂-Speicherung.

    Greenpeace kritisiert, dass CCS-Projekte teuer bleiben, da sie kaum standardisierbar seien. “Jedes Projekt muss die individuelle Geologie der Lagerstätte mit großem Aufwand analysieren und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln”, so die Studie. Die Umweltschützer kritisieren: Wenn es schon “im Musterland Norwegen” bei dem “wohl am längsten vorbereiteten CCS-Projekt der Welt” (Sleipner) zu Problemen kommt, könne “man sich vorstellen, welche Risiken mit CCS-Projekten verbunden sein werden, die deutlich größer sind und stark profitorientiert arbeiten”.

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    Südliches Afrika: Wie solare Mini-Netze die Stromversorgung revolutionieren

    Installation einer Solaranlage in Karamoja, Uganda.

    Dezentrale kleine Stromnetze auf Basis von Photovoltaikstrom (“Mini-Grids”) erleben weltweit einen Boom. Aber vor allem in Afrika südlich der Sahara verzeichnen sie ein besonders hohes Wachstum. Dort versorgen die kleinen Netze in entlegenen Gebieten die Menschen mit Elektrizität und leisten einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.

    Das stellt ein neuer Bericht der Initiativen Sustainable Energy for All und Mini-Grids Partnership fest. Demnach wurden im letzten Jahr weltweit sechsmal so viele Mini-Grids aufgebaut wie noch im Jahr 2018 – ein konstanter Aufwärtstrend bei Mini-Grid-Installationen weltweit. Vor allem in Afrika kommen die kleinen Netze zum Einsatz.

    466 Millionen Menschen mehr haben Strom, vor allem aus Solarkraft

    Derzeit haben weltweit 684 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Mini-Grids können hier Abhilfe schaffen, und sie werden immer sauberer: Laut des Berichts sank zwischen 2018 und 2024 der Anteil der Dieselkapazitäten in Mini-Netzen von 42 Prozent auf 29 Prozent. Im Gegensatz dazu ist der Anteil von Solaranlagen im gleichen Zeitraum von 14 Prozent auf 59 Prozent gestiegen.

    “In den letzten 15 Jahren wurden die Finanzmittel für den Mini-Grid-Sektor erheblich aufgestockt, wobei die afrikanischen Länder südlich der Sahara die meisten Mittel von privaten Investoren, Regierungen und Entwicklungspartnern erhalten haben”, heißt es. Die Autoren empfehlen, den Erfolg der Mini-Grids weiterzuführen. Finanzielle Zusagen und Auszahlungen für Mini-Grid-Netze sollten weiter steigen, unter anderem durch:

    • leichteren Zugang zu Zuschüssen,
    • die Verringerung des Investitionsrisikos und
    • eine effizientere Zusammenarbeit bei der Auszahlung zugesagter Mittel.

    “Wendepunkt für afrikanische Energiepolitik”

    Katlong Alex, Energieanalyst beim African Energy Council, erklärte im Gespräch mit Table.Briefings, dass das rasche Wachstum von Mini-Grid-Installationen in Subsahara-Afrika einen Wendepunkt für Afrika darstelle. Für Alex sind sie “eine praktische Lösung, um die Lücke des ungedeckten Energiebedarfs zu schließen”. Durch den dezentralen Zugang zu Energie müssten nicht erst große Investitionen in das Stromnetz getätigt werden. “Jüngste Fortschritte in der Photovoltaik-Technologie, bei Batteriespeichersystemen und anderen Mini-Grid-Komponenten haben die Kosten erheblich gesenkt und die Zuverlässigkeit erhöht”, so Alex.

    Warum führt gerade Subsahara-Afrika bei dieser Entwicklung?

    Viel Potenzial für Erneuerbare und geringe Kosten

    Der Rückgang der Dieselnutzung in Mini-Grids geht laut Bericht auf Anstrengungen zum Klimaschutz, steigende Betriebskosten für Diesel und billigere Batteriespeicher zurück. Der Boom der Photovoltaik (PV) gründe sich dagegen auf “Fortschritte bei der Solartechnologie, bei Erschwinglichkeit, Skalierbarkeit und unterstützende politische Maßnahmen”. Hinzu kommt das große Potenzial für erneuerbare Energien: Der Kontinent ist reich an erneuerbaren Energieressourcen, insbesondere an Solar-, Wind- und Wasserkraft. Das sei eine solide Grundlage für die Entwicklung von Mini-Grids auf Basis von Erneuerbaren, sagt Desmond Dogara, Senior Manager of Energy Access bei Clean Technology Hub, erklärt im Gespräch mit Table.Briefings.

    Für Energiewende-Experte Dogara ermöglicht der Stromzugang lokalen Unternehmen eine effizientere Arbeit und geringere Kosten durch Verzicht auf Dieselgeneratoren. “Dies kurbelt die lokale Wirtschaft an, schafft Arbeitsplätze und erhöht das Einkommensniveau. Mini-Netze versorgen Haushalte, Schulen und Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Gegenden zuverlässig mit Strom.” Das hätte zu besseren Bildungschancen, einer besseren Gesundheitsversorgung und einem insgesamt höheren Lebensstandard geführt.

    Probleme: Finanzierung und Diebstahl

    Der Bericht verweist auch auf zwei wichtige finanzielle Trends: Die gesamte Finanzierung für die Mini-Grids stieg 2023 auf über 2,5 Milliarden US-Dollar. Und die privaten Investitionen versechsfachten sich zwischen 2015 und 2022 auf fast 600 Millionen US-Dollar. Allerdings würden nur 60 Prozent der zugesagten Mittel tatsächlich ausgezahlt. Die Quote sei zwischen den Geldgebern sehr unterschiedlich. Das mache “es notwendig, den Prozess besser zu überwachen und die Auszahlung zu beschleunigen”.

    Zunehmend suchen demnach Geldgeber nach Garantien, um das Währungsrisiko bei Investitionen in Mini-Netze zu mindern. “Diese Garantien gleichen die Einnahmen mit den Finanzierungskosten ab und verringern so die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen. Trotz ihrer Bedeutung bleibt die Finanzierung in lokaler Währung jedoch begrenzt, da nur wenige Geldgeber solche Optionen anbieten”, heißt es.

    Und einen weiteren Nachteil hat der Boom auch: Laut Alex sind Solarmodule, Batterien und andere wertvolle Komponenten oft durch Diebstahl und Vandalismus gefährdet. Das führe zu höheren Kosten und Unterbrechungen der Stromversorgung. Überwachungs- und Alarmsysteme könnten zur Abschreckung beitragen.

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    Deutschlandticket: So wirkt sich der höhere Preis auf den Klimanutzen aus

    Die Preiserhöhung für das Deutschlandticket könnte den Klimanutzen fast halbieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue wissenschaftliche Auswertung durch Wissenschaftler des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC Berlin) im Rahmen des Ariadne-Projekts. Laut den Wissenschaftlern hat das Deutschlandticket die CO₂-Emissionen des Verkehrssektors im ersten Jahr seiner Einführung (Mai 2023 bis April 2024) um “etwa 6,7 Millionen Tonnen” gesenkt – das entspricht fast fünf Prozent der gesamten CO₂-Emissionen des Verkehrssektors. Die Anzahl der Zugfahrten über 30 Kilometer habe um 30 Prozent “deutlich zugenommen”. Die Nutzung des Autos habe – mit insgesamt 7,6 Prozent weniger gefahrener Autokilometer – deutlich abgenommen.

    Durch die kürzlich beschlossene Preiserhöhung ab dem Jahr 2025 um neun Euro auf 58 Euro werden viele Bürger allerdings wieder auf das Auto umsteigen, so die Prognose. Laut Ariadne-Prognosen werden:

    • Die Fahrten im Zugverkehr wieder um etwa 14 Prozent zurückgehen.
    • Die gefahrenen Kilometer im Autoverkehr um etwa 3,5 Prozent zunehmen.
    • Die Emissionsminderung pro Jahr werde auf 3,6 Millionen Tonnen CO₂ zurückgehen.

    Die Wissenschaftler haben Mobilitätsdaten ausgewertet und für ihre Studie ein modellhaftes Deutschland erstellt, in dem das Deutschlandticket nicht eingeführt wurde. Diese Methodik erlaube es, tatsächlich kausale Zusammenhänge zu untersuchen und Faktoren, die die Ergebnisse bei einem Vorher-Nachher-Vergleich beeinflussen könnten, zu vermeiden. nib

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    1,5-Grad-Ziel: Deutsches Klima-Konsortium fordert offene Kommunikation über wahrscheinliche Verfehlung

    Das “absehbare Überschreiten” von 1,5 Grad globaler Erwärmung “sollte offen kommuniziert werden”. Dafür plädiert das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) in einem Positionspapier, das Table.Briefings exklusiv vorliegt. Eine solche Kommunikation sei wichtig, da die “Gestaltung von Klimaanpassung von aktuell plausiblen Temperaturszenarien ausgehen und sich auf diese vorbereiten” solle. Das DKK mahnt, die bisher “getroffenen politischen Entscheidungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele” seien “unzureichend”. Vor allem die “große soziale Ungleichheit” stehe einer Dekarbonisierung bis 2050 im Weg, so das größte Netzwerk zur Selbstorganisation der deutschen Klimawissenschaft mit aktuell 27 Mitgliedsinstitutionen.

    Kurz vor der nächsten Klimakonferenz (COP29) in Baku kritisiert das DKK vor allem die “immer noch erheblichen Investitionen in fossile Energieträger” wie Kohle- und Gaskraftwerke und neue Öl- und Gasvorkommen sowie klimaschädliche Subventionen. Netto-Null-Emissionen rückten in “immer weitere Ferne”. Laut DKK sei es zwar möglich, die globale Temperatur nach einem Anstieg über die 1,5-Grad-Schwelle durch negative Emissionen mittelfristig wieder unter 1,5 Grad zu drücken (Overshoot). Allerdings sei zweifelhaft, ob die technischen und politischen Voraussetzungen für die damit verbundene enorme CO₂-Entnahme überhaupt gegeben sind. Zudem würde die anschließende Absenkung der Temperatur auf 1,5-Grad nach einem Overshoot die negativen Folgen für Natur und Ökosysteme nicht rückgängig machen. Zerstörte Gletscher und Wälder würden dadurch nicht zurückkommen. nib

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    Brasilien: So viel Geld könnte der TFFF-Fonds für Waldschutz bringen

    Der Fonds der Tropical Forests Forever Facility (TFFF), der auf der COP28 von Brasilien vorgeschlagen wurde, befindet sich in der Endphase seiner Konzeption und könnte laut Schätzungen eines Experten jährlich bis zu vier Milliarden US-Dollar für den Schutz der Regenwälder bringen. Das berichtet die New York Times. Der TFFF hat das Ziel, ökonomische Anreize für den Schutz der Wälder zu setzen und damit die Entwaldung zu stoppen.

    Der brasilianische Vorschlag sieht einen Fonds im Wert von 125 Milliarden US-Dollar vor, was ihn nach einigen Maßstäben zum weltweit größten Geldtopf für den Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust von Biodiversität machen würde. Der Green Climate Fund, der weltweit größte Klimafonds zur Finanzierung von Projekten in den Entwicklungsländern, verfügt über etwa die Hälfte des vorgeschlagenen Kapitals.

    Funktionieren soll der TFFF folgendermaßen:

    • Reiche Länder und Stiftungen leihen dem Fonds 25 Milliarden Dollar, die später mit Zinsen zurückgezahlt werden.
    • Dadurch sollen weitere 100 Milliarden an Privatinvestitionen gehebelt werden.
    • Die 125-Milliarden sollen in ein breites Portfolio an Aktien und festverzinslichen Wertpapieren investiert werden. Der Gewinn daraus soll die Rückzahlungen an Investoren garantieren.
    • Mit dem übrigen Gewinn aus den Projekten sollen rund 70 Länder dafür bezahlt werden, ihren Wald zu erhalten.

    Brasilien will das Konzept des Fonds noch in diesem Jahr abschließen und auch bekannt geben, wie er verwaltet werden soll. Im kommenden Jahr soll er eingeführt werden, feste finanzielle Zusagen gibt es noch nicht. kul

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    Grüner Stahl: Thyssenkrupp überdenkt Drei-Milliarden-Projekt in Duisburg

    Thyssenkrupp erwägt, ein Drei-Milliarden-Euro-Projekt zur Dekarbonisierung in Duisburg einzustellen. Der Geschäftsplan der Stahlsparte Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) – einschließlich der Pläne zur Herstellung von grünem Stahl – soll neu überprüft werden. Im Gespräch sei auch ein Stopp des wasserstoffbasierten Direktreduktionsprojekts, berichtete das Handelsblatt am Sonntag unter Berufung auf interne Dokumente.

    Die TKSE steht im Rahmen der Dekarbonisierung vor einem großen Umbau. Bislang ist nur ein Viertel der Kapazitäten auf dem staatlich geförderten Transformationsweg, für den die traditionellen Hochöfen durch neue Anlagen ersetzt werden müssen. Für Duisburg steht demnächst eine neue Kostenabschätzung an, Thyssenkrupp geht aber weiter von einem Bau der Direktreduktionsanlage aus.

    Die Muttergesellschaft Thyssenkrupp liegt seit längerem im Streit darüber, wie viel Geld das Stahlgeschäft braucht, um aus eigener Kraft zu überleben – ein Streit, der Ende August zum Rücktritt der Spartenleitung führte. Auch der Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky mit 20 Prozent an der TKSE könnte die Dekarbonisierung erschweren. Kretinsky besitzt unter anderem mehrere Medien im Czech News Center, die wiederholt mit Angriffen gegen die Klimabewegung und die deutsche Klimapolitik aufgefallen sind. rtr/lb

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    Öl- und Gas: Darum streicht BP sein 2030-Klimaziel

    Der britische Ölkonzern Beyond Petroleum (BP) schraubt seine Energiewende-Strategie zurück. BP streicht das Ziel, bis 2030 die Öl- und Gasproduktion zu reduzieren. Stattdessen strebt das Unternehmen neue fossile Investitionen im Nahen Osten an. CEO Murray Auchincloss reagiert damit auf verunsicherte Investoren. Zuletzt war der Aktienkurs gefallen.

    Als BP im Jahr 2020 seine Strategie vorstellte, war sie die ehrgeizigste des Sektors. Sie sah vor, die Produktion bis 2030 um 40 Prozent zu senken und gleichzeitig die erneuerbaren Energien rasch auszubauen. Im Februar des vergangenen Jahres reduzierte BP das Ziel auf 25 Prozent, nun wird es gänzlich gestrichen. BP strebt stattdessen neue Investitionen im Nahen Osten und im Golf von Mexiko an, um seine Öl- und Gasproduktion zu steigern, so Quellen gegenüber Reuters. Eine aktualisierte Strategie soll im Februar 2025 auf einem Investorenmeeting vorgestellt werden.

    Auch Shell schraubt Klimaziele zurück

    Am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 hält BP weiterhin fest. In den letzten Monaten allerdings hatte Auchincloss etwa Investitionen in neue Offshore-Windkraft- und Biokraftstoffprojekte gestoppt und die Zahl der kohlenstoffarmen Wasserstoffprojekte von 30 auf zehn reduziert.

    Auch Konkurrent Shell hat seit dem Amtsantritt von CEO Wael Sawan im Januar seine Klimaziele verwässert: Sawan verkaufte die Geschäftsbereiche Strom und erneuerbare Energien und gab Projekte im Bereich der Offshore-Windkraft, Biokraftstoffe und Wasserstoff auf. Der Wandel bei beiden Unternehmen erfolgt im Zuge einer erneuten Fokussierung auf die Energiesicherheit nach dem Angriffskrieg Russlands sowie aufgrund von Lieferkettenproblemen und einem starken Anstieg der Kosten und Zinssätze bei erneuerbaren Energien. rtr/lb

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    Nationale Klimapläne: Ernährungswende bleibt oft außen vor

    Maßnahmen für nachhaltige Ernährungssysteme – wie beispielsweise die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung oder eine auf pflanzlichem Protein basierende Ernährung – kommen bisher selten in den nationalen Klimaplänen der Länder (NDCs) vor. Auch andere wichtige Maßnahmen für nachhaltige Verhaltensänderungen wie die Reduzierung von Flugverkehr werden oft nicht genannt. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktuelles Arbeitspapier des World Resources Institute (WRI), das Maßnahmen zu Verhaltensänderungen in den NDCs der 20 Länder mit den höchsten Emissionen analysiert.

    Am häufigsten werden demnach die Förderung von E-Autos, mehr öffentliche Verkehrsmittel und Energieeinsparungen in Haushalten in die NDCs eingebunden. Die in den NDCs priorisierten Maßnahmen stimmen dabei oft nicht mit Potenzial für Emissionsreduktionen überein: So könnte eine pflanzenbasierte Ernährung nach einer Studie beispielsweise die Emissionen des Ernährungssektors um bis zu 73 Prozent senken. Trotzdem werden Maßnahmen in Richtung einer Ernährungswende nur selten berücksichtigt.

    In den untersuchten NDCs werden Verhaltensänderungen meist durch die Verbesserung der Infrastruktur und der Dienstleistungen gefördert. Das WRI empfiehlt darüber hinaus auch die Nutzung anderer Instrumente wie beispielsweise finanzielle Anreize oder die bessere Bereitstellung von Informationen etwa durch Energienachweise oder Label. kul

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    EU-Klimaziel 2040: Geopolitische Instabilität könnte Ziele gefährden

    Geopolitische Instabilität sowie soziale Ungleichheit bei der Einführung von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels in Europa seien die größten Herausforderungen beim Erreichen der europäischen Klimaziele. Eine Studie des Brüsseler Thinktanks Bruegel hat das Ziel der EU-Kommission untersucht, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Technisch seien die Ziele machbar, da viele saubere Technologien bereits marktreif sind und kostengünstiger seien.

    Die Autoren identifizieren jedoch vier Hauptrisiken, die die Zielerreichung gefährden könnten:

    • Geopolitische Instabilität durch Handelskonflikte und erhöhte Zinssätze könnten Investitionen in saubere Technologien behindern
    • Technologische Innovationen, insbesondere bei CO2-Abscheidungs- und -Entfernungstechnologien, drohen nicht schnell genug voranzuschreiten.
    • Maßnahmen wie die CO₂-Bepreisung könnten ärmere Haushalte unverhältnismäßig stark belasten und soziale Ungleichheiten verschärfen, wenn keine gerechten Umverteilungsmechanismen wie die Klimadividende implementiert werden
    • Erreicht die EU ihre Klimaziele für 2030 nicht oder stoßen Klimamaßnahmen auf erhöhten Widerstand, droht ein Glaubwürdigkeitsverlust der EU-Klimapolitik. Investoren könnten abgeschreckt werden und den Übergang verlangsamen.

    Die Autoren fordern daher, dass der klima- und energiepolitische Rahmen für 2040 so gestaltet wird, dass er gegen solche Risiken gewappnet ist. Die EU sollte Verteilungsfragen in den Mittelpunkt ihrer Klimapolitik stellen und eine Emissionsminderungsstrategie entwickeln, die geoökonomische und technologische Risikofaktoren überwacht. Darüber hinaus brauche es Notfallpläne, um zu verhindern, dass die genannten Risiken die Klimaziele gefährden. luk

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    • Klima & Umwelt
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    Presseschau

    Guardian: Klimawandel verändert Flüsse. Der Klimawandel verändert Flüsse und trägt zu extremen Überschwemmungen und Dürren beizutragen. 2023 trockneten Flüsse so stark aus wie nie in den letzten 30 Jahren, jedes zweite Flussbett wies “abnormale Veränderungen” auf. Zum Artikel

    New York Times: Fliehen vor Hurrikan Helene. Warum verlassen Menschen nicht Regionen, die wie im Fall des Hurrikans Helene massiv von Umweltkatastrophen betroffen sind? Dafür könnte es mehrere Gründe geben: Sie haben kein Geld, umzuziehen. Oder sie glauben nicht an den Klimawandel und rechnen damit, dass sich Katastrophen nicht wiederholen. Zum Artikel

    Reuters: Kolumbien will eine einheitliche Klimaverpflichtung verfassen. Kolumbien möchte eine einheitliche Klima- und Biodiversitätsverpflichtung (“Pledge)” vorlegen und damit die Bemühungen zum Schutz der Natur mit denen zur Bekämpfung des Klimawandels vereinen. Der südamerikanische Staat wird in diesem Monat Gastgeber des UN-Biodiversitätsgipfels COP16 sein, dessen Ziel es ist, der rapiden Zerstörung der Natur Einhalt zu gebieten. Zum Artikel

    AP: Mexiko setzt auf erneuerbare Energie. In ihren ersten Tagen als neue Präsidentin Mexikos machte Claudia Sheinbaum klar, dass sie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden will. Stattdessen will sie erneuerbare Energien fördern. Ziel sei es, dass die Erneuerbaren bis 2030 einen Anteil von 45 Prozent an der gesamten Stromproduktion haben werden. Zum Artikel

    Standpunkt

    Fossile Akteure sind nicht an konstruktivem Dialog interessiert

    Von Claudia Kemfert
    Porträtfoto von Claudia Kemfert, Energieökonomin am DIW, mit schwarzem Rollkragenpullover vor hellblauem Hintergrund.
    Claudia Kemfert, Energieökonomin am DIW.

    Theoretisch ist gelingende Kommunikation ein simples Vier-Stufen-Verfahren:

    • 1. Motivieren durch positive Zukunftsvisionen
    • 2. zielgruppenorientiert Akzeptanz herstellen
    • 3. Einfache kraftvolle Botschaften
    • 4. Vertrauen schaffen durch Erfolgserlebnisse

    Wie in dieser Weise politische Kommunikation in einem demokratischen Wahlkampf erfolgreich gelingen kann, hat 2008 Barack Obama mit seiner erfolgreichen “Yes We Can”-Kampagne vorgeführt.

    Auch in der Klima- und Energiewende-Kommunikation wird seit Jahrzehnten auf diese Weise kommuniziert. Wir blicken auf 50 Jahre Klimaforschung, die praktikable Lösungswege gegen die drohende Erderhitzung aufzeigt. Und wir blicken auf 30 Jahre Energiewende mit beeindruckenden Erfolgserlebnissen – 1994 prophezeite Angela Merkel als damalige Umweltministerin: “Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken”. Heute haben erneuerbare Energien an der Stromerzeugung in Deutschland einen Anteil von über 60 Prozent.

    Doch von Erfolg kann nicht die Rede sein. Statt Vertrauen in die Chancen einer anderen Klimazukunft wuchs lediglich der Widerstand gegen jede Art von ökologischer Transformation. Deutschland hinkt vielen Klimazielen hinterher. “Die Grünen” gelten als Sündenbock für jegliche Art von Krise. Klima-Aktivist*innen werden zunehmend isoliert und teilweise kriminalisiert. Das kann ja nicht nur daran liegen, dass positive Bilder oder zielgruppengerechte Bezüge fehlen. Statt über die Ausgangsfrage “Wie kann die Kommunikation der Energiewende gelingen?” zu theoretisieren, sollten wir deswegen besser darüber reden, wie und warum die Energiewende-Kommunikation so schrecklich scheitert.

    Milliardensummen für Irreführung der Öffentlichkeit

    Die Antwort ist eigentlich nicht neu. Doch es dringt erst nach und nach ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, mit welch perfiden Methoden einige wenige, aber sehr mächtige Profiteure der fossilen Industrien den politischen (Dis-)Kurs weltweit beeinflussen.

    2015 brachten investigative Medien ans Licht, dass Öl- und Gasunternehmen wie ExxonMobil bereits vor Jahrzehnten wussten, dass ihr Produkt katastrophale Auswirkungen auf das Klima haben würde. Doch anstatt die Welt zu warnen und ihr Geschäftsmodell zu verändern, gaben sie Milliarden aus, um die Öffentlichkeit irrezuführen und Klimaschutz zu blockieren. Sie betrieben gesellschaftliches “Klima-Gaslighting” – eine Form von manipulativem Verhalten, das permanent Zweifel an der Realität schürt.

    Die perfiden Methoden dieser “Merchants of Doubts”, Händler des Zweifels, enthüllte die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes zuerst am Beispiel der US-Tabakindustrie. Die hatte seit den 1950er-Jahren die Öffentlichkeit über die Risiken des Rauchens getäuscht. In Folge von Oreskes Arbeit wurden die beteiligten Konzerne wegen organisierter Kriminalität von der US-Regierung verklagt und im August 2006 wegen jahrzehntelanger Verschwörung zum Betrug schuldig gesprochen.

    Dieselben Methoden wendet auch die fossile Industrie an, allerdings mit einer erweiterten Toolbox. Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet nämlich Klimaschutz grundsätzlich. Deswegen werden die Menschen nun bei konkreten politischen Maßnahmen durch aggressive Störkommunikation verunsichert. Ganz gleich ob Verkehrs-, Energie- oder Wärmewende – immer ist das jeweilige Projekt “zu unausgereift”, “zu teuer”, “zu ideologisch”, “zu wenig marktfähig”, “zu elitär”, zu dies, zu das.

    Debatten werden emotionalisiert

    Zugleich werden Diskussionen über Sachfragen auf emotionale Konfliktebenen verlagert: Statt über (billige) Solarenergie anstelle von (teurer) Atomkraft, schimpfen die Leute auf reiche Zahnärzte und ihre Photovoltaik-gedeckten Villen; statt über moderne Wärmepumpe versus veraltete Ölheizung diskutiert die Öffentlichkeit über angeblich willkürliche “Heizungsverbote”.

    An einem konstruktiven Dialog sind die fossilen Akteure nicht interessiert. Jede Debatte ist daher so sinnlos wie der Versuch, mit einer Taube Schach zu spielen: Die wird bloß alle Figuren (Argumente) umwerfen, aufs Brett (die Diskussion) kacken und herumstolzieren, als hätte sie gewonnen.

    Meister dieser Art von Taubenschach ist Wladimir Putin, dessen Macht als Präsident vor allem auf Staatseinnahmen aus den gewaltigen fossilen Ressourcen Russlands basiert. Als stärkster Gegner einer globalen Klimapolitik nutzt er perfide Methoden, die vielfältigen Kräfte der offenen Gesellschaft durch Propaganda und Fake News gegeneinander auszuspielen. So sichert er seine (Markt-)Macht und schwächt die Abwehrkraft der westlichen Demokratien. Dabei sucht er die Allianz mit anderen fossilen Autokraten im Iran, in Venezuela, Aserbaidschan oder Turkmenistan und scheut auch keine völkerrechtswidrigen Kriege. So zahlt die Welt inzwischen den Preis für extremere Wetterereignisse und andere Klimakatastrophen; sie muss mit immer mehr Kriegs- und Fluchtfolgen fertig werden, während Big Oil & Gas Rekordgewinne einfährt.

    Nein. Es geht schon lange nicht mehr um Klima- oder Energiewende-Kommunikation. Es geht um Politik und Macht. Es geht um Demokratie. Es geht um Frieden. Und wir brauchen endlich Strategien, damit das alles nicht auch scheitert.

    Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität Lüneburg. Auf der Jahrestagung des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien (FEVV) spricht sie in dieser Woche darüber, warum Klimakommunikation bisher oft scheiterte und wie das besser werden kann.

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    Dan Jørgensen: Europas Sales-Man soll Energiekommissar werden

    Ein ständiger Gast auf den UN-Klimakonferenzen: Dan Jørgensen auf der COP28 in Dubai.

    Dan Jørgensen kann Politik ordentlich verkaufen, sagt Linda Kalcher über den designierten Energiekommissar aus Dänemark. Kalcher ist Gründerin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives und kennt Jørgensen noch aus seiner Zeit als Europaabgeordneter. Sein Netzwerk reicht weit über die europäischen Grenzen hinaus, weshalb Jørgensen dem Portfolio womöglich eine stärkere Außenwirkung verpassen könnte.

    Als Energiekommissar wird es seine Aufgabe sein, die Energieunion Europas zu vollenden und unabhängig von russischen Energielieferungen zu machen. Er soll die Netzinfrastruktur modernisieren und die Energiepreise senken, was sowohl Verbrauchern zugutekäme als auch die Industrie international wettbewerbsfähiger machen würde. Keine leichten Aufgaben, doch Jørgensen hat Erfahrung mit komplizierten Herausforderungen im Energiebereich.

    Als Entwicklungsminister Dänemarks hat er Europas internationalen Energiepartnerschaften mitverantwortet. Zuvor als Klima- und Energieminister gründete er gemeinsam mit Costa Rica die Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) während der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26), um die Abkehr von fossilen Energieträgern in Industrie- und Entwicklungsländern voranzutreiben. Bei der COP28 in Dubai verhandelte er für Dänemark im Verbund mit den anderen europäischen Ministern sogar die Abkehr von fossilen Brennstoffen in das Abschlussdokument der Konferenz.

    Atomkraft und CCS zählen zu Jørgensens Aufgaben

    In seiner neuen Rolle wird Jørgensen eher in die EU hinein agieren müssen, statt nach außen. Doch unkomplizierter wird es dadurch keineswegs. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihm auch aufgetragen, den Hochlauf kleiner modularer Kernreaktoren (SMR) sowie der Verpressung und Lagerung von CO₂ (CCS) voranzutreiben. Vor allem die Nutzung und Förderung der Kernenergie sind in Europa heftig umstritten. Jørgensen wird vermitteln müssen, insbesondere zwischen Paris und Berlin. In der Vergangenheit hat er bereits bewiesen, dass er in der Broker-Rolle auch Ergebnisse erzielt.

    Auf ministerieller Ebene leitete er im Vorfeld der COP28 in Dubai die Gespräche zum Global Stocktake, dem wichtigsten Text der letzten Klimakonferenz. Bis zu seiner Nominierung als EU-Kommissar agierte er zudem als Vermittler für das neue globale Klimafinanzziel, das wichtigste Dokument der nächsten COP in Baku. Die Krux bei diesen Vermittlerrollen – im COP-Jargon Facilitator genannt – ist es, zwischen sich diametral gegenüberstehenden Positionen zu vermitteln. “Das hat Jørgensen immer gut gemacht”, bescheinigt Kalcher. Er ist kommunikativ, spricht mit allen Seiten und setzt sich für Lösungen ein. Etwas, wofür seine Vorgängerin Kadri Simson nicht gerade bekannt war. Zudem sei er ein Arbeitstier, sagt Kalcher. “Er beginnt morgens um 6 und abends um 11 ist er erst fertig.”

    Weniger vertraut ist er mit dem zweiten Teil seines Portfolios. Jørgensen ist auch Wohnungskommissar. Bezahlbarer Wohnraum, geringere Baukosten und der Aufbau einer paneuropäischen Investitionsplattform gehören dort zu seinen Aufgabenbereichen. Er wird sich einarbeiten müssen. Auch die Umsetzung der Pläne von der Leyens erfordert viel Geschick mit den Kompetenzen der europäischen Institutionen. Denn die Städtebau- und Wohnungspolitik liegt in der Hand der Mitgliedstaaten.

    Ein Teamplayer in vertrautem Umfeld

    Jørgensen wird vor allem mit der designierten Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera und Klimakommissar Wopke Hoekstra zusammenarbeiten. Beide kennt er gut. “Sie können gut miteinander”, sagt Kalcher. Bei der COP28 in Dubai verhandelten sie Seite an Seite für Europa. In Brüssel sollen sie nun gemeinsam an der Dekarbonisierung der europäischen Industrie arbeiten. Jørgensen wird Pläne für bezahlbare Energiepreise und die Elektrifizierung und Versorgung der Industrie mit sauberer Energie ausarbeiten müssen. Lukas Knigge

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