Table.Briefing: Climate

Klimawahl in der Türkei + US-CBAM + El Niño-Vorbereitung + IRA

Liebe Leserin, lieber Leser,

kann man mit ambitioniertem Klimaschutz Wahlen gewinnen? Welche Kosten und welches Tempo sind der breiten Bevölkerung zuzumuten? Mit der beschleunigten Klimakrise bekommen diese Fragen immer stärkere Bedeutung.

Auch die Wahlen in der Türkei sind Klimawahlen. Die Emissionen des Landes steigen rasant und liegen mittlerweile über denen Frankreichs oder Großbritanniens. Doch für Recep Tayyip Erdoğan, den Favoriten bei der Stichwahl Ende Mai, steht Wachstum vor Klimaschutz. Selin Ugurtas berichtet über die Klimapläne des amtierenden Präsidenten und der Oppositionsparteien.

In den USA soll Bidens Milliarden-Bazooka namens Inflation Reduction Act den Klima-Umschwung bringen und Klimaskeptiker in republikanischen Staaten beruhigen. Im Interview erklärt Bidens ehemalige Klimaberaterin, Gina McCarthy, ob ein zukünftiger republikanischer Präsident Bidens Klimaziele zurückstutzen könnte und warum das Land auf internationaler Ebene oft zögerlich agiert.

Auch zu einem nationalen Emissionshandel oder einem einheitlichen CO₂-Preis konnten sich die USA bisher nicht durchringen. Jetzt überlegen Senatoren beider großer Parteien einen CO₂-Grenzausgleich einzuführen. Doch die Pläne könnten an der politischen Spaltung des Landes scheitern – und an Wählern und Industrie, die einen “CO₂-Preis” ablehnen, wie Umair Irfan aus Washington berichtet.

Beste Grüße!

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Türkei-Wahl: Erdoğan setzt auf Fossile

Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan setzt weiter auf fossile Energien und will weiter nach neuen Gas-Vorkommen suchen lassen.

Bei der ersten Runde der türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am Sonntag hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit über 49 Prozent der Stimmen den ersten Platz belegt. Erdoğan wird seine 20-jährige Herrschaft bei der Stichwahl am 28. Mai sehr wahrscheinlich verlängern können. Seine Klimapolitik ist bisher nicht sehr ambitioniert. Ein Sieg seines Gegners Kemal Kılıçdaroğlu würde eine ehrgeizigere Klimapolitik versprechen.

Als Mittelmeerland ist die Türkei sehr anfällig für die Folgen des Klimawandels, was immer sichtbarer wird: 2021 erschütterten massive Waldbrände das Land, gefolgt von Sturzfluten, die im selben Monat 97 Menschen töteten. In jüngster Zeit lösten sintflutartige Regenfälle nach den tödlichen Erdbeben im Südosten des Landes Überschwemmungen aus, die 19 Menschen das Leben kosteten.

Solche verheerenden Katastrophen haben in der türkischen Öffentlichkeit eine zunehmende Sensibilität für den Klimawandel erzeugt. Laut einer öffentlichen Meinungsumfrage, die seit 2018 durchgeführt wird, liegt der Anteil der Menschen, die über den Klimawandel besorgt sind, derzeit bei 83 Prozent und nimmt stetig zu.

Veränderungen durch die Wahl?

Ein aktueller Bericht des Istanbul Policy Center analysiert die Klima-Versprechen der politischen Parteien und Bündnisse. Das Fazit: ein Sieg der Opposition könnte eine progressivere Klima- und Energiepolitik bedeuten.

Das auffälligste Versprechen der regierenden AKP – das auch in den Plänen der Opposition enthalten ist – ist die Einführung eines Mechanismus für einen CO₂-Preis. Dieser Schritt ist für die türkische Wirtschaft angesichts des CO₂-Grenzausgleichs (Carbon Border Adjustment Mechanism) der EU von entscheidender Bedeutung. Die AKP bietet jedoch nichts Neues an in Sachen Klimaschutz oder Energiewende.

Im Gegensatz zur Regierungspartei, die den Schwerpunkt auf Entwicklung und Wachstum legt, betont das Oppositionsbündnis das Thema “Gerechte Transformation” (Just Transition). Sie verspricht, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, das NDC der Türkei zu aktualisieren und einen realistischen Emissionsreduktionsplan auszuarbeiten. Die Zusicherung zum Ausstieg aus der Kohle ist Teil dieser Strategie.

Unterschiedliche Ansichten in Kılıçdaroğlus Bündnis

In einigen Fragen führten die unterschiedlichen Auffassungen der Partner des Oppositionsbündnisses zu widersprüchlichen Aussagen in dem gemeinsamen Einigungsdokument, und es ist schwer zu sagen, wie sich die Dinge schlussendlich entwickeln werden. Allerdings wird in verschiedenen Berichten behauptet, dass die CHP, die den fortschrittlichsten Energieplan hat, im Falle eines Wahlsiegs von Kılıçdaroğlu das Energieministerium erhalten würde.

In ihrem Energiestrategiepapier verpflichtet sich die CHP, die Kohleverstromung bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren und keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen. Sie bezeichnet Erdgas als Brückentechnologie. Dennoch will die Opposition weiterhin nach Erdgas bohren.

Das Bündnis betont außerdem, dass er die Energiemärkte liberalisieren und Subventionen abschaffen will, die das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Markt stören. Dies stützt sich vor allem auf die Kritik an der Regulierungsbehörde für den Energiemarkt (EPDK) des Landes, der vorgeworfen wird, politisiert zu sein und den Markt zu Ungunsten der erneuerbaren Energien zu verzerren.

Ein weiterer wichtiger Unterschied könnte die Atompolitik sein. Die Opposition verspricht, die Bedingungen eines Atomvertrags mit Rosatom neu zu verhandeln und die Pläne für zwei neue Kernkraftwerke in Sinop und in der westlichen Region Thrakien zu stoppen. Dennoch ist der Block nicht gänzlich gegen die Kernenergie, denn er plant die Einrichtung eines Kernforschungszentrums, um lokales Know-how zu entwickeln, und den Bau kleiner modularer Reaktoren.

Abhängig von fossilen Brennstoffen

Die Energiepolitik der Türkei ist von entscheidender Bedeutung, da der Energiesektor für etwa 85 Prozent der CO₂-Emissionen des Landes verantwortlich ist. Derzeit ist das Land noch stark von fossilen Brennstoffen abhängig. Ein Großteil davon wird importiert.

Während etwa 84 Prozent der Primärenergieversorgung des Landes auf fossilen Brennstoffen basieren, werden rund 70 Prozent der Energieträger importiert. Dies ist sowohl im Hinblick auf die Energiesicherheit als auch auf das wachsende Leistungsbilanzdefizit des Landes ein massives Problem. Die Energieimporte der Türkei beliefen sich im vergangenen Jahr auf 80 Milliarden US-Dollar und das Land wird immer abhängiger von Russland. Nicht nur bei Erdgas, sondern auch bei Kohle und Atomkraft.

  • Kohle: Im Jahr 2022 betrug der Anteil der Kohle an der türkischen Stromerzeugung rund 35 Prozent und wurde von Erdoğan weiterhin als einheimische Energiequelle gepriesen. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Nach Angaben von Ember entfällt ein Großteil der türkischen Kohleverstromung auf importierte Kohle. Der Anteil der Importkohle an der gesamten Stromerzeugung ist von sieben Prozent vor einem Jahrzehnt auf 20 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Etwa die Hälfte dieser Importe kommt inzwischen aus Russland, eine Verdopplung seit 2021.

Trotz ihrer erklärten Ziele subventioniert die Regierung weiterhin Kohle. Ein Kohleausstieg wurde bisher nicht angekündigt. Im Gegenteil: Der langfristige nationale Energieplan sieht eine Erhöhung der Kohlekapazität um 2,5 GW in den nächsten zwölf Jahren vor.

  • Erdgas: Die Türkei sucht zudem nach weiteren Erdgas-Vorkommen. Erdgas macht ein Viertel des Energiemixes des Landes aus und wird aus verschiedenen Ländern bezogen, allen voran aus Russland. Im Vorfeld der Wahlen kündigte Erdoğan einen großen Fund auf dem Sakarya-Gasfeld im Schwarzen Meer an und versprach, ein Jahr lang “kostenloses Gas” an die Haushalte zu liefern.

Während seiner Regierungszeit erwarb die Türkei vier Bohrschiffe, die alle nach osmanischen Sultanen benannt sind, und beabsichtigt, die Suche nach Gas-Vorkommen sowohl im Schwarzen Meer als auch im östlichen Mittelmeer fortzusetzen.

Pläne für AKWs und Solar-Ausbau

  • Kernenergie: Die Atomkraft ist in der türkischen Öffentlichkeit besonders unbeliebt: Rund 77 Prozent sind gegen den Bau von Kernkraftwerken. Dennoch wurde das erste Atomkraftwerk des Landes namens Akkuyu in der südlichen Küstenprovinz Mersin gebaut, und vor den Wahlen fand eine “Eröffnungsfeier” statt – obwohl das Kraftwerk erst in einigen Monaten in Betrieb gehen wird.

Neben Fragen der Sicherheit ist eine der Hauptsorgen im Zusammenhang mit der Akkuyu-Anlage die weitere Energieabhängigkeit von Russland. Die 20 Milliarden US-Dollar teure Anlage wird vom russischen Kernenergieunternehmen Rosatom gebaut und befindet sich in dessen Besitz. Die AKP plant den Bau eines zweiten Kernkraftwerks in der Schwarzmeerprovinz Sinop.

  • Solarenergie: Das Solarpotenzial der Türkei bleibt mit einem Anteil von 4,7 Prozent an der Stromerzeugung weitgehend ungenutzt – hauptsächlich aufgrund staatlicher Hindernisse. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern, denn der nationale Energieplan sieht eine Verfünffachung der Solarkapazität vor.

Mangelhafter Klimaplan der AKP

Nach der Ratifizierung des Pariser Klima-Abkommens im Jahr 2021 kündigte die Türkei auf der COP27 ein aktualisiertes NDC. Es gab Kritik, dass es nicht auf eine absolute Senkung der aktuellen Emissionswerte abzielt, sondern einen Anstieg der Emissionen um 30 Prozent bis 2030 zulässt. Erst 2038 sollen die türkischen Emissionen ihren Höhepunkt erreichen.

Die AKP kündigte auch ein Netto-Null-Ziel für 2053 an, aber die Präzision dieses Datums ist eher dem Willen der AKP zu verdanken, den 600. Jahrestag der Eroberung Konstantinopels zu würdigen, als einer sorgfältigen Planung. Das Fehlen eines ernsthaften Fahrplans, wie die Türkei ihre Ziele erreichen will, in Verbindung mit der fortgesetzten Unterstützung der AKP für fossile Brennstoffe, wirft die Frage auf, wie ernst es der Partei mit dem Klimawandel ist. Selin Ugurtas

  • Energiewende
  • NDC
  • Türkei

“Dieses Geld wird die USA verändern”

Gina McCarthy, bis 2022 Klimaberaterin im Weißen Haus.

Frau McCarthy, die USA sind unter demokratischen Präsidenten oft sehr ambitioniert beim nationalen Klimaschutz wie jetzt unter Joe Biden. Warum ist das international anders?

Gina McCarthy: Es stimmt, wir sind derzeit sehr aggressiv und erfolgreich beim Klimaschutz. Aber international ist das immer eine Herausforderung. Denn der Kongress, der die Gelder freigeben muss, hat das nicht autorisiert. Biden hat gerade eine Milliarde für den Grünen Klimafonds versprochen, aber das ist kaum die Summe, die der Präsident dafür gern hätte.

Der Kongress hat ja auch das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert und das Pariser Abkommen wurde extra so geschneidert, dass seine Beteiligung nicht nötig war. Warum sperrt sich das US-Parlament seit Jahrzehnten gegen den Klimaschutz?

Darauf habe ich keine einfache Antwort. Es war nicht immer so schwer, aber ich kann auch nicht erklären, warum der Kongress nicht Teil einer großen Lösung für ein großes globales Problem sein will. Die Biden-Administration muss also mit anderen Ländern arbeiten, um ihnen bessere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Da wird es vor allem um private Investments gehen.

“Das meiste IRA-Geld fließt in ‘rote’ Staaten”

Die Investitionen in grüne Industrien werden in den USA massiv durch Steuersenkungen angereizt. Was ist das wichtigste, um den “Inflation Reduction Act” mit fast 370 Milliarden Dollar erfolgreich zu machen?

Das war so erfolgreich, weil wir nach der Pandemie damit die Wirtschaft wieder ankurbeln und wieder Jobs schaffen konnten. Das ist sehr populär. Tatsächlich geht das meiste Geld in “rote” Staaten, die von Republikanern regiert werden. Denn da haben wir so viele Jobs und Einkommen in der Fertigungsindustrie verloren. Präsident Biden war klug genug, das für den Aufbau einer sauberen Industrie zu planen, aber es ist eben auch populär, weil es Jobs schafft, Energiekosten senkt, für saubere Luft und Gesundheit sorgt und das Leben besser macht. 40 Prozent der IRA-Ressourcen müssen in Gemeinden gehen, an denen bisher die Investitionen vorbeigegangen sind. Das ist eine Gelegenheit, den Regionen zu zeigen, dass sie direkt davon profitieren können. Es ist viel Geld über zehn Jahre und der Anfang des Umbaus zu sauberer Energie.

Biden sichert so ja auch seine Politik des grünen Umbaus ab, wenn das Geld vor allem in republikanisch regierte Staaten fließt. Wie viel davon könnte ein zukünftiger republikanischer Präsident wieder rückgängig machen?

Ich bin nicht sicher, dass der IRA mit der Idee entwickelt wurde, ihn auf diese Weise bei den Republikanern durchzusetzen. Aber wenn echtes Geld für echte Leute in deinen Wahlbezirk fließt, dann ist es sehr schwer, dagegen zu stimmen. Es gab keinen Kampf darüber, auch wenn viele Republikaner nicht dafür gestimmt haben. Es war gut, dass wir zuerst das parteiübergreifende Infrastrukturgesetz gemacht haben: Alle sind sich einig, wenn es um Breitband, sauberes Wasser oder ein effizientes Stromnetz geht, das wir für die grüne Energie brauchen. Dieses IRA-Geld wird die USA verändern. Und der Welt signalisieren: auch wenn wir es nicht schaffen, die öffentlichen Gelder für die internationalen Aufgaben aufzutreiben, können wir doch gute Akteure und Anführer sein.

Wie viel Schaden hat Trump angerichtet? Sie waren EPA-Chefin und er hat Ihre Behörde auseinandergenommen.

Er hat es versucht, aber die EPA ist wieder da. Und aktiver als zuvor. Sie bekommt eine Menge Geld und stellt wieder viele Leute ein. Aber es waren vier Jahre, die ich nicht genossen habe.

“Hoffnung, dass wir bei privaten Investitionen weiterkommen”

Präsident Biden, unter dem Sie als Klimaberaterin gedient haben, benutzt häufig den Begriff der “Klimagerechtigkeit” – im nationalen Bereich. Aber international bedeutet der Begriff größere Verantwortung der USA für Klimaschutz und Finanzierung. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?

Das ist nicht Bidens Widerspruch. Die Herausforderung ist eben, vom Kongress die Gelder für den internationalen Bereich zu bekommen. Aber es gibt Chancen für private Investitionen, in Afrika und Asien. Der globale Süden braucht Investitionen. Zur Klimagerechtigkeit: Ich würde gern sagen, wir sind bei Loss and Damage auf dem richtigen Weg, aber da sind wir eben nicht. Meine Hoffnung ist, dass wir bei privaten Investitionen vorankommen.

Aber der Privatsektor braucht dafür ein Geschäftsmodell. Das ist gut, etwa im Energiebereich, aber schwierig bei Anpassung. Damit macht man kein Geld.

Ja, der private Sektor gibt keine Spenden, sondern will Erträge aus seinen Investitionen. Aber es gibt viele Chancen dafür, wenn die Investitionen mit den Klimazielen der Länder übereinstimmen. Geschäftsmodelle etwa für Anpassung gab es früher mit den Carbon-Credits und mit Offsets, dieser Markt ist gerade sehr schwierig. Das müssen wir neu denken. Aber die Investoren erkennen, dass diese Länder wachsen wollen und müssen.

“Wenn die Fossilen am Markt nicht gewinnen, werden sie reduziert”

Wie sehr hat der russische Angriff auf die Ukraine die Lage verändert?

Wir haben seit dem Krieg realisiert: Es geht nicht nur ums Klima, sondern um nationale Sicherheit. Wir sollten ein großes Interesse daran haben, dass der globale Süden stabil ist. Die einzige Art, das zu tun, ist Infrastruktur aufzubauen und das Sicherheitsnetz, das die Länder brauchen. Wir können sie nicht zurücklassen und denken, alles ist ok. Wir wissen jetzt, dass ein Land und eine Entscheidung wirklich andere Länder destabilisieren können. Es ist deutlich, dass saubere Energie das System stabiler macht, aber große Investitionen braucht. Und der Krieg macht deutlich: Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bringt keine Stabilität. Das ist kein Weg, unsere Bedürfnisse zu decken.

Und trotzdem sind die USA der größte Öl-Produzent der Welt.

Wir produzieren seit langem Öl, und die Herausforderung für die Regierung ist, das zurückzufahren. Wir müssen auf jede neue fossile Entwicklung mit dem Blick schauen, wie minimieren wir das, und können wir uns aus diesen Investments zurückziehen. Wir haben das versucht, aber es gab dafür keinen legalen Weg. Die Gerichte haben es verhindert. Das sind alte Gesetze, aber sie gelten noch. Also wurde uns klar: Um das zu schaffen, müssen wir saubere Energien so weit aufbauen, dass sie die Fossilen ins Hintertreffen bringen. Wenn die Fossilen am Markt nicht gewinnen, werden sie reduziert. Das ist die beste Möglichkeit, die wir hatten, um unsere Ziele durchzusetzen.

Der effizienteste Weg wäre ein allgemeiner CO₂-Preis. Werden wir den in den USA im nächsten Jahrzehnt sehen?

Das wird derzeit mit mehr Nachdruck diskutiert. Aber auch dafür braucht man den Kongress. Und wie soll ich wissen, was da passiert?

  • Inflation Reduction Act
  • USA

Auch USA diskutieren CO2-Grenzausgleich

Auch im US-Kongress wird über CO₂-Importzölle debattiert.

Der Druck der EU beginnt offenbar zu wirken: Nun machen auch Politiker in den USA Pläne für einen CO₂-Grenzausgleich ähnlich dem europäischen Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte (CBAM). Doch noch ist unsicher, ob eine solche Maßnahme in den USA durchsetzbar wäre.

Schutz für die heimische Industrie ist beliebt

Die Idee, die heimische Produktion vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, findet in den USA bei beiden großen Parteien Anklang:

  • Der republikanische Senator Bill Cassidy arbeitet derzeit einen Vorschlag für einen CBAM aus, der von einigen anderen Mitgliedern seiner Partei unterstützt wird. Sie gehen davon aus, dass sie den Gesetzentwurf in einigen Monaten vorlegen werden. Cassidy hat jedoch bisher keine Einzelheiten zu seinem Vorschlag veröffentlicht.
  • Die Demokraten im Kongress haben dagegen ihre Konzepte für einen Kohlenstoffgrenzausgleich bereits vorgelegt. Der demokratische Senator Sheldon Whitehouse und andere Demokraten haben im vergangenen Jahr das Gesetz für einen sauberen Wettbewerb (Clean Competition Act) eingebracht, das eine Gebühr auf kohlenstoffintensive Importe erhebt und die Erforschung von Alternativen finanziert. Die Maßnahmen sollte 16 Milliarden Dollar einbringen. Der Gesetzentwurf wurde jedoch bisher nicht angenommen.

Demokraten schon lange für CO₂-Preis

Die Demokraten im Kongress versuchen jedoch schon seit 2009, importierte Kohlenstoffemissionen zu bepreisen. Damals war das Teil eines Vorschlags zum US-weiten Emissionshandel. “Den USA ist die Idee eines Kohlenstoffausgleichs an der Grenze nicht fremd“, sagt Aaron Cosbey vom International Institute for Sustainable Development, gegenüber Table.Media. “Jedes Mal, wenn es einen Gesetzesvorschlag für einen Kohlenstoffpreis gab, gab es immer eine Art von begleitendem Kohlenstoffausgleich an der Grenze. Natürlich war keine dieser Maßnahmen erfolgreich.”

Ein Kohlenstoff-Grenzausgleich erhebt Abgaben auf importierte Waren wie Metalle, Brennstoffe und Fertigprodukte, je nachdem, wie viel Treibhausgase bei ihrer Herstellung entstehen. Das soll “schmutzige” Importe verhindern, fairen Wettbewerb schaffen und Exporteuren Anreiz geben, ihre Emissionen ebenfalls zu senken.

Entscheidend: US-weiter Kohlenstoffpreis

Der Unterschied zwischen den Strategien der Demokraten und der Republikaner besteht darin, ob sie diese durch einen inländischen Kohlenstoffpreis ergänzen wollen. “Ohne einen Kohlenstoffpreis an der Grenze gibt es keinen Kohlenstoffausgleich”, so Cosbey. In den USA gibt es keinen landesweit gültigen Kohlenstoffpreis, und die Republikaner sind damit zufrieden. Aber Abgaben auf Importe ohne einen nationalen CO₂-Preis könnten zu Vorwürfen wegen unfairer Handelspraktiken vor der WTO führen.

Die Demokraten hingegen setzen in ihren Vorschlägen auf subtile Weise Kohlenstoffpreise fest, indem sie für bestimmte Produktkategorien Emissionsrichtwerte festlegen, die im Laufe der Zeit strenger werden. Sie nennen das nicht “Steuer”, weil der Begriff in den USA politisch vergiftet ist.

Der demokratische Senator Sheldon Whitehouse will eine Version seiner Gesetzgebung in der laufenden Sitzungsperiode erneut einbringen, teilte er Table.Media in einer E-Mail mit. “Ich bin optimistisch, dass es einen Weg gibt, einen parteiübergreifenden Kohlenstoffgrenzausgleich durch den Senat zu bringen”, schrieb er. “Kollegen auf beiden Seiten des politischen Spektrums sind sich einig, dass die USA einen CBAM brauchen, um die Kohlenstoffemissionen weltweit zu senken und die sauberen amerikanischen Hersteller zu fördern, die mit den großen Verschmutzern in China, Indien und anderswo konkurrieren.”

Problem: Innenpolitische Spaltung der USA

In den USA gibt es bereits erste Handelshemmnisse für “dreckige” Importe: Der Inflation Reduction Act von 2022 sieht vor, dass saubere Energiematerialien und -produkte im Inland gekauft werden müssen und nicht importiert werden dürfen. Das Gesetz sieht auch Subventionen und Kredite vor, um die US-Produzenten zu unterstützen. 

Bei all diesen Vorschlägen für ein CBAM müssen auch in den USA noch viele Details geklärt werden: Wie berechnet man die in einem Produkt enthaltenen Emissionen? Wie hoch wird die Steuer angesetzt? Wie verteidigt man sich gegen den Vorwurf des Protektionismus bei der Welthandelsorganisation?

Die größte Herausforderung für die Pläne ist allerdings die politische Spaltung in den USA: Klimapolitik ist entlang der Parteigrenzen geteilt. Seit Jahrzehnten scheitern Bemühungen im Kongress, einen Preis für Kohlenstoff oder einen Emissionshandel einzuführen. Könnte das bei einem Grenzausgleichsmechanismus anders sein?

Parteiübergreifend für den Schutz der Industrie?

Die Signale für eine parteiübergreifende Klimapolitik durch Handelspolitik sind gemischt. Ein wichtiges Signal für eine mögliche Koalition ist, dass ein republikanischer Senator einen eigenen CBAM-Vorschlag ausarbeitet. Einige republikanische Kongressabgeordnete stimmten außerdem für das Zweiparteien-Infrastrukturgesetz 2021, das 350 Milliarden Dollar für Umweltsanierung, den Bau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Übertragungsleitungen für erneuerbare Energien vorsieht. Der Inflation Reduction Act von 2022 wurde jedoch nur mit Stimmen der Demokraten verabschiedet. Mit 369 Milliarden Dollar für Initiativen wie den Einsatz von mehr Wind- und Solarenergie, die Förderung von E-Autos und den Aufbau grüner Industrien ist er die größte klimapolitische Maßnahme in der Geschichte der USA.

Trotzdem profitieren vor allem “rote” Staaten mit republikanischen Mehrheiten von den Investitionen. Ähnlich könnten auch bei einem CBAM regionale und nationale Vorteile überwiegen – Vorteile für die US-Industrie also vermeintliche Nachteile eines CBAM aufwiegen. So war es auch Ende 2022 bei der Annahme des Kigali-Amendment zum Montreal-Protokoll zur Abschaffung von ozonschädlichen Substanzen. Weil es US-Firmen begünstigt, stimmten Republikaner und Demokraten parteiübergreifend für die Ratifizierung. Umair Irfan, Washington

  • CBAM
  • USA

Experten fordern Vorbereitung auf El Niño

El Nino kann ich einigen Teilen der Welt zu extremer Trockenheit führen.
El Niño kann in einigen Teilen der Welt zu extremer Trockenheit führen.

Die Warnung kam Anfang Mai. Die World Meteorological Organization (WMO) veröffentlichte ein Update mit einer klaren Botschaft: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde spätestens im Herbst das Wetterphänomen “El Niño” beginnen. Es sei notwendig, sich darauf vorzubereiten.

“Die Welt sollte sich auf die Entwicklung von El Niño vorbereiten, das oft mit verstärkter Hitze, Dürre oder Niederschlägen in verschiedenen Teilen der Welt verbunden ist”, erklärte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Das Phänomen könne einerseits positive Auswirkungen haben – etwa eine Atempause von der Dürre am Horn von Afrika und anderen Auswirkungen des Wetterphänomens La-Niña, das mit Auftreten von El Niño endet. “Es kann aber auch weitere extreme Wetter- und Klimaereignisse auslösen”, so Taalas.

Extremwetterereignisse werden wahrscheinlicher

Welche Folgen genau El Niño haben wird, können Expertinnen und Experten aber nicht sagen: “El Niño beeinflusst die globalen Temperaturen und damit steigt die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse und auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit hoher Intensität auftreten”, sagt Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus Climate Change Service (C3S) der EU. “Wir können aber nicht vorhersagen, wann und wo sie auftreten”. Deshalb sei es auch schwierig, sich auf konkrete Folgen vorzubereiten.

El Niño führt typischerweise zu viel Regen in Südamerika, dem südlichen Teil der USA, dem Horn von Afrika und Zentralasien. Gleichzeitig ist das Phänomen mitverantwortlich für Dürren in Australien, Indonesien und im südlichen Asien. Außerdem kann es zu Hurrikans im Pazifischen Ozean führen. Die Folgen davon waren in der Vergangenheit Fluten, Waldbrände und Ernteausfälle. Am stärksten betroffen sind normalerweise Regionen an und um den Pazifik, also besonders Südamerika, Australien und Südostasien. “Je weiter es von diesem Zentrum weggeht, desto schwieriger ist es, genaue Vorhersagen über die Auswirkungen zu machen”, sagt Burgess.

Aus ihrer Sicht ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Politik, Forschungseinrichtungen und Wetterbeobachtungsdiensten nötig, um schnellst- und bestmöglich zu reagieren. “Je früher man reagiert, desto mehr Menschen kann man retten”. Beispiele für vorbeugendes Handeln könnten laut Kristina Fröhlich etwa sein, den Wasserhaushalt in der Landwirtschaft anzupassen, oder für bestimmte Regionen schon Lebensmittelvorräte anzulegen. Fröhlich ist beim Deutschen Wetterdienst (DWD) für saisonale Klimavorhersagen verantwortlich.

Das steckt hinter einem El Niño-Event

El Niño gehört zusammen mit “La Niña” zu der El Niño-Southern Oscillation (ENSO). Die beschreibt einen komplexen Zusammenhang zwischen Winden, Wassertemperatur im Pazifik und Wetter. “Aufgrund der riesigen Meeresoberfläche, die sich während eines El Niño-Ereignisses im tropischen Pazifik erwärmt und diese Wärme an die Atmosphäre abgibt, steigt damit zusätzlich die globale Mitteltemperatur der Erde an”, sagt Kristina Fröhlich.  

ENSO trägt dazu bei, dass manche Jahre wärmer und andere kälter sind: In den vergangenen drei Jahren hatte beispielsweise “La Niña” für eher mäßige Temperaturen gesorgt. Aktuell befindet sich die Welt in einer neutralen Übergangsphase. Später in diesem Jahr könnte es durch “El Niño” besonders warm werden. “Weil sich El Niño erst in den kommenden Wochen oder Monaten entwickelt, ist es wahrscheinlich, dass wir die stärksten Auswirkungen des Ereignisses erst 2024 beobachten“, sagt Samantha Burgess.

Temporäres Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze möglich

Die WMO analysiert, dass spätestens im September die Wahrscheinlichkeit für den Start von El Niño bei 80 Prozent liegt. Der amerikanische Klimavorhersagen-Dienst CPC spricht von einem El Niño-Ereignis, wenn die Meeresoberflächentemperatur in einer bestimmten Region des tropischen Pazifiks länger als ein halbes Jahr mindestens 0,5 Grad über dem Klimamittel liegt. “Bisher geht aus unseren Daten nicht hervor, dass es sich um ein besonders starkes El Niño Ereignis handeln wird”, meint Kristina Fröhlich. Allerdings seien die Vorhersagen über die Stärke des Ereignisses noch mit einer größeren Unsicherheit behaftet. 1998 und 2016 hatte es ein sogenanntes “Super El Niño”-Event mit einer besonders starken Erwärmung gegeben. Burgess denkt, dass man erst bis Ende des Jahres mehr Klarheit über die Intensität des bevorstehenden El Niño-Events haben wird. Aktuell lassen sich die Vorboten von El Niño beobachten. Burgess weist auf die gestiegene Oberflächentemperatur des Meers von Ecuador und Peru hin.

El Niño und seine Auswirkungen werden immer gefährlicher, weil sie sich mit den Auswirkungen des Klimawandels überlappen: Die höheren Temperaturen, die das El Niño-Ereignis mit sich bringt, fallen mit weltweiten Durchschnittstemperaturen zusammen, die sowieso schon rund 1,15 Grad höher sind als im vorindustriellen Zeitalter. “Während des Ereignisses ist es sehr schwierig zu analysieren, welche Extremwetterereignisse auf El Niño und welche auf den Klimawandel zurückgehen”, sagt Fröhlich. “Wir können aber von einer gegenseitigen Verstärkung ausgehen”. Samantha Burgess wird sogar noch konkreter: “Durch El Niño wird es möglich, dass wir dieses Jahr oder im kommenden Jahr die 1,5-Grad-Grenze temporär überschreiten“, sagt sie.

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  • El Nino
  • Klimaschutz

Termine

19. bis 21. Mai, Hiroshima, Japan
Gipfeltreffen G7
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA – also die G7 – treffen sich regelmäßig zu Gipfeltreffen. Dieses Jahr findet das Treffen in Hiroshima, Japan, statt.
Infos

22. bis 23. Mai, Berlin
Konferenz Berliner Energietage
Auf den Energietagen der Deutschen Umwelthilfe treffen sich im Mai Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Praxis, um sich branchenübergreifend über aktuelle Fragen von Energiewende und Klimaschutz zu informieren. Anfang Mai findet der digitale Teil des Kongresses statt, Ende des Monats dann die Präsenzveranstaltung in Berlin. Infos

23. Mai, 9.30, Genf/Online
Veröffentlichung Launch of the CGIAR Climate Security Observatory
Das Klima ist mit Konflikten verbunden, wirkt als Multiplikator und verschärft das Risiko von Krisen und Instabilität. Obwohl dies in der wissenschaftlich-politischen Landschaft weithin anerkannt ist, fehlt es an soliden, lokalen und politikrelevanten Erkenntnissen darüber, wie genau Klimasicherheitsrisiken in verschiedenen geografischen Kontexten entstehen können. Das Climate Security Observatory (CSO) soll diese Lücke füllen. Infos

23. Mai, 18.30 Uhr, Bonn
Podiumsdiskussion Adapting Governance and Infrastructure for Water Resilience
Anlässlich des 5. globalen Kongresses der Wasserversorger organisiert das German Institute of Development and Sustainability (IDOS) gemeinsam mit Bonn Water Network, UN Habitat, Global Water Operators’ Partnership Alliance (GWOPA) und der Stadt Bonn eine Sonderveranstaltung. Der Fokus liegt auf “Wasserresilienz” und der Frage, wie man sich besser auf Extremwetterereignisse vorbereiten kann. Infos

23.-25. Mai, Essen
Messe E-world Energy & Water
Die Messe ist ein Branchenevent der europäischen Energiewirtschaft. 800 Aussteller aus 700 Ländern werden dazu in Essen erwartet.  Infos

24. Mai, 14 Uhr, Berlin/Online
Seminar Klimaschutzziele 2030 und 2045 im Fokus – Was ist jetzt bei Gebäuden gefordert?
Der Gebäudesektor ist für 30 Prozent des CO₂-Ausstoßes und für 35 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Es sind jetzt überzeugende politische Impulse gefordert, um die Klimaschutzziele 2030 und 2045 erreichen zu können. Auf dem Event des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wird darüber diskutiert, wie die aussehen können. Infos

25. Mai, 12 Uhr, Brüssel
Seminar Hydrogen – Tale of the future or a real game changer?
Um die europäischen Ziele für erneuerbaren Wasserstoff weiter zu erhöhen, ergänzte die Europäische Kommission die Annahme der EU-Wasserstoffstrategie mit der Veröffentlichung des REPowerEU-Plans im Mai 2022. Diese Initiativen sollen die Einführung von erneuerbarem Wasserstoff, Ammoniak und anderen Derivaten in energieintensiven Industrieprozessen und schwer zu dekarbonisierenden Industrien beschleunigen. Bei dem runden Tisch von EurActiv wird darüber diskutiert, wie realistisch die Pläne sind.  Infos

25. Mai, 12.30 Uhr, Berlin/Online
Tagung Deutscher Ingenieurtag
Unter dem Motto “Zukunft gemeinsam gestalten – Innovationen für Mensch und Umwelt” findet der Deutsche Ingenieurtag statt. Unter anderem geht es auch um die Herausforderungen durch den Klimawandel. Infos

News

Klima in Zahlen – Geisterdebatte um CCUS?

Es ist der Traum vieler Öl- und Gasländer: Weiter fossile Energien nutzen und das anfallende CO₂ auffangen und speichern oder industriell nutzen. Auch Japan, Gastgeber des am 19. Mai startenden G7-Gipfels, setzt auf Carbon Capture (Utilization) and Storage (CCUS) – und zwar auch im Energiebereich und nicht nur bei schwer zu vermeidenden Emissionen wie in der Zement- oder Stahlindustrie. Und COP28-Präsident Sultan Al Jaber setzt auf die Technik, um weiter fossile Energieträger fördern zu können. Er will nur “aus den Emissionen aussteigen“.

Die Daten des Global CCS Institute zeigen: Obwohl seit Jahren viele CCS-Projekte in der Entwicklung sind, bleibt die Kapazität der CCS-Anlagen konstant auf einem recht geringen Level. Viele geplante Projekte sind wirtschaftlich nicht tragfähig.

Bisher gibt es weltweit erst 30 CCS-Projekte im kommerziellen Betrieb. Und selbst wenn alle geplanten Projekte in den kommenden Jahren realisiert werden, können diese CCS-Anlagen nur weniger als ein Prozent der CO₂-Emissionen auffangen, die 2022 weltweit verursacht wurden. Ist die Technologie also eine Sackgasse? Für definitive Aussagen ist es noch zu früh. Durch höhere CO₂-Preise und Kostenreduktionen durch eine Massenfertigung von Komponenten könnte CCS in Zukunft eine größere Rolle spielen – allerdings nur für einen Bruchteil der derzeitigen Emissionen. nib

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Kein Klima-Fokus beim G7-Gipfel: Scholz einmal mehr gefordert

Japan könnte beim anstehenden G7-Gipfel in Hiroshima versuchen, die klimapolitischen Aspekte der Verhandlungen in den Hintergrund zu rücken. Allzu schwer dürfte das nicht sein, angesichts der drängenden Themen auf der Agenda: Ukraine, Wirtschaftskrise, China-Beziehungen und die nukleare Abrüstung. Japan investiert zudem weiterhin in fossile Infrastruktur und hat daher wenig Interesse an ambitionierter Klimapolitik. Umso mehr sind die anderen G7-Staaten gefordert, die klimapolitischen Ziele bisheriger G7-Präsidentschaften zu unterstreichen.

Japan erhalte jedoch Unterstützung von Bundeskanzler Olaf Scholz, auch weiterhin Investitionen in die Gasförderung zu ermöglichen, kritisiert Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Die kritische Phase der Gasknappheit sei vorbei, Deutschland sei gut für den Winter gerüstet und es gebe keine Notwendigkeit für umfangreiche Investitionen in Gas, so Bals.

“Gas-Shopping” nicht gerechtfertigt

Er erwarte, dass die G7-Staats- und Regierungschefs fossile Subventionen auf ein Mindestmaß beschränken, wie es die Klima- und Energieminister vor wenigen Wochen beim Ministertreffen in Sapporo bereits beschlossen haben. In der Abschlusserklärung wurden Investitionen in den Gassektor gebilligt, sofern sie durch die derzeitige Energiekrise verursachte Marktdefizite ausgleichen, keine Lock-in-Effekte verursachen und mit den Klimazielen vereinbar sind. Scholz’ “Gas-Shopping” in Katar, USA und Senegal sei dadurch nicht gerechtfertigt, sagt Bals.

Ein Enddatum der Kohle ist ebenfalls nicht zu erwarten, da schon die Energieminister Mitte April an diesem Vorhaben gescheitert sind. Japan bremst hier abermals, da das Land nach wie vor selbst auf Kohlestrom und den Export von Kohlekraftwerken setzt. Fraglich ist, ob die europäischen G7-Staaten hier Druck ausüben werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel haben ihrerseits die Klimapolitik in ihren Statements im Vorfeld des Gipfels in Hiroshima gänzlich ausgespart. luk

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Venezuela: Eni und Repsol wollen LNG nach Europa exportieren

Die Mineralölkonzerne Repsol aus Spanien und Eni aus Italien haben Lizenzen zur Förderung von Erdgas in Venezuela erhalten. Das Gas soll in verflüssigter Form (LNG) nach Europa exportiert werden. Das berichten El País und Bloomberg. Demnach wurde bereits Anfang Mai ein Vertrag über die Förderung unterzeichnet.

Die Lizenzen sind ein erster Schritt, um Venezuela zu einem Gasexporteur zu machen. Bisher hat sich das Land hauptsächlich auf den Export von Öl konzentriert. Das Gas soll demnach im Proyecto Cardon IV im Golf von Venezuela gefördert werden. Schon seit 2019 waren die Fördermengen dort um 30 Prozent gestiegen. Laut Bloomberg werden dort in diesem Jahr rund 14 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag gefördert.

Auch Öl-Export nimmt zu

Aktuell wird auch wieder mehr Öl aus Venezuela exportiert. Im April dieses Jahres erreichte der Öl-Export mit 560.000 Barrel pro Tag den höchsten Wert in den vergangenen 16 Monaten. Trotzdem verfehlt die Regierung von Präsident Nicolás Maduro damit ihr Ziel, eine Million Barrel zu exportieren – selbst das wäre noch weniger als halb so viel wie 2013.

Repsol und Eni haben schon seit einiger Zeit auf die Erteilung der Lizenz gewartet. LNG aus Venezuela soll in Europa ein weiterer Baustein für eine neue Energielandschaft als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine werden. Wann die Förderung tatsächlich beginnt, hängt demnach davon ab, mit welcher Geschwindigkeit die Investitionsgelder fließen. kul

  • Fossile Brennstoffe
  • LNG

Afrikanische Kohleexporte nehmen stark zu 

Das Volumen der afrikanischen Kohleausfuhren hat seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs stark zugenommen. Durch internationale Sanktionen gegen den wichtigen Kohleexporteur Russland ist die Nachfrage nach Kohle aus alternativen Quellen gestiegen, auch aus Afrika. Dadurch haben sich die Kohleexporte Tansanias innerhalb eines Jahres versiebenfacht, berichtet die tansanische Zeitung The Citizen unter Berufung auf aktuelle Zahlen der tansanischen Zentralbank. 

Auch im südlichen Afrika macht sich der Kohleboom bemerkbar, etwa im mosambikanischen Maputo. Der dortige Hafen hat seine Umschlagskapazität verdreifacht, um die gestiegene Menge der dort verschifften südafrikanischen Kohle zu bewältigen. Botswana hat sich angesichts der hohen Nachfrage ebenfalls als Kohlelieferant positioniert und sogar eine neue Mine geplant. In Mosambik selbst wird ebenfalls mehr Kohle für den Export abgebaut.  

In Südafrika, dem wichtigsten Kohleproduzenten des Kontinents, hat das Exportvolumen sogar noch stärker zugelegt. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren die Kohleexporte in die EU um rund 720 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Auch zwischen Februar und März 2023 lag der allgemeine Exportzuwachs immer noch bei 40 Prozent. Größte europäische Abnehmer der südafrikanischen Kohle waren dabei Spanien und die Niederlande. ajs

  • Afrika
  • Kohle

Deutsche Bank: LNG-Geschäfte haben sich 2022 fast verdreifacht

Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der Deutschen Bank kritisiert die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald die anhaltende Finanzierung fossiler Energien. Laut dem von der Organisation mit herausgegebenen Bericht Banking on Climate Chaos hat sich das Finanzierungsvolumen allein im Bereich LNG zwischen 2021 und 2022 von 340 Millionen US-Dollar auf 907 Millionen US-Dollar fast verdreifacht. Damit belegt die Deutsche Bank im aktuellen Bericht Platz 11 im weltweiten LNG-Ranking. Insgesamt gehört sie mit 7,5 Milliarden US-Dollar auch 2022 zu den größten Finanzierern der fossilen Industrie.

Zu den von Urgewald kritisierten Geschäften gehört unter anderem ein Handelskredit für Flüssiggaslieferungen des Rohstoffhändlers Trafigura an das deutsche Unternehmen Sefe in Höhe von drei Milliarden Euro, den die Deutsche Bank zusammen mit einem Partner bereitgestellt hat und der staatlich abgesichert wurde.

Außerdem beteiligte sich die Frankfurter Bank an einem Kredit für Venture Global Plaquemines LNG. Venture Global will mit dem im Bau befindlichen Plaquemines-LNG-Terminal im US-Bundesstaat Louisiana neue Exportkapazitäten für Fracking-Gas schaffen. Das Projekt steht im Ruf, massive Auswirkungen auf die lokale Natur und Bevölkerung zu haben, da es Feuchtgebiete zerstört, die den umliegenden Gemeinden als Sturmschutz dienen.

Urgewald fordert daher generell strengere Richtlinien der Bank für Geschäfte mit Kohle, Gas und Öl. “Die Deutsche Bank muss ihrer Nachhaltigkeitsrhetorik endlich Taten folgen lassen und ihre fossilen Richtlinien dringend auf den Stand der Klimawissenschaft bringen”, sagt Anna Lena Samborski, Finanzexpertin von Urgewald. Das bedeute, den fossilen Ausbau nicht weiter zu unterstützen. Konkurrent BNP Paribas habe dies gerade getan und zumindest die direkte Finanzierung neuer Öl- und Gasfelder ausgeschlossen. ch/cd

  • Deutsche Bank
  • ESG
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Presseschau

Recherche: In den USA werden Klima-Missinformation in Gesetze gegossen Heated
Analyse: Chinas Emissionen erreichen ein Rekordniveau CarbonBrief
Analyse: Emissionen von Kraftwerken in den USA werden durch eine neue Klimainitiative in den Blick genommen The Wall Street Journal
Recherche: Wie Beamtenpensionen die Klimakrise befeuern Correctiv
Nachricht: Zyklon sorgt für Zerstörung in Myanmar Washington Post
Nachricht: Hitzewelle und Waldbrände in Kanada The Guardian
Analyse: Während es in Deutschland eher kühl ist, ist es an vielen anderen Orten der Welt schon sehr heiß Die Zeit
Analyse: So denken die Deutschen über CCS Der Spiegel
Recherche: Der Gardasee scheint auszutrocknen – Wie geht es dem See wirklich? Süddeutsche Zeitung
Interview: Sind die Aktivisten der Letzten Generation Helden? Die Tageszeitung

Heads

Özden Terli – zwischen Wetterbericht und Klimakrise

ZDF-Wettermoderator Özden Terli fordert mehr Konsequenz in der deutschen Klimapolitik.

Neulich stand ZDF-Wettermoderator Özden Terli in seiner Sendung neben der 3D-Animation eines Elefanten, an dessen Beispiel er das klimabedingte Artensterben erklärte. Derartige Animationen begeistern ihn, aber wie passend die Bildsprache war, das sei ihm erst später aufgefallen: “Macht nichts, benannt, haben wir den Elefanten im Raum ja nun wirklich zur Genüge”, sagt Terli.

Der sprichwörtliche elephant in the room – die Redensart bezeichnet ein Problem, das zwar klar erkennbar, aber nicht beachtet wird – ist für den Diplommeteorologen die Klimakrise: zum einen im Wetterbericht, wo klimabedingte Extremwetterereignisse es zunehmend unredlich machen, Klimaveränderungen zu ignorieren. Und zum anderen in der Politik, die sich mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 darauf verpflichtet hat, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Meteorologe über Umwege

“Was wir im Wetterbericht machen, ist eigentlich Wissenschaftskommunikation“, betont Terli. Für ihn bedeutet das: sachlich Fakten benennen, selbst dann, wenn diese Fakten nicht jedem politischen Lager passen.

Terli wurde 1971 in Köln geboren, seit seiner Kindheit ist er naturwissenschaftlich interessiert und politisch engagiert. Das hat auch mit seiner Biografie zu tun, erzählt er: Als Kind türkischer Einwanderer sei er schon immer für Rassismus sensibilisiert gewesen. Geprägt hat ihn auch das Reaktorunglück in Tschernobyl in den Achtzigerjahren; er erinnert sich noch gut daran, dass er und seine Mitschüler damals nicht auf den Schulhof durften. “Das war so ein Punkt, da wollte ich einfach mehr wissen und bin dann so richtig in Physik reingekommen.”

Terlis Interesse für Meteorologie und die Klimakrise wurde aber erst ein paar Jahre später geweckt – als er im Videotext über eine Konferenz zum Thema las. Daraufhin entschied er sich, sein Studium der Nachrichtentechnik abzubrechen, das Abitur nachzuholen und Meteorologie an der FU Berlin zu studieren: “Ich habe mir gesagt: entweder riskiere ich das jetzt oder ich werde unglücklich.”

Verzerrte Realität

Nach seinem Studium macht Terli 2007 seinen Nebenjob bei wetter.com zum Hauptberuf, 2013 wechselt er schließlich zum ZDF. Dort hat er “alle Freiheiten”, sagt Terli, der sich immer wieder rechten Shitstorms ausgesetzt sieht, weil er die Klimakrise thematisiert: “Die versuchen mich mundtot zu machen und mich zu diskreditieren.” Aber dagegen wehrt sich Terli deutlich: “Da knallt es dann schon auch mal auf Twitter.”

Zumal die Klimakatastrophe ja letztlich niemandem einen Vorteil bringe: “Das ist eine Lose-Lose-Situation“, sagt Terli. Da wäre es doch besser, man ziehe an einem Strang. Leider sei das Gegenteil der Fall. Teile der Politik trieben immer wieder eine “neue Sau durchs Dorf”, statt konsequente Klimapolitik anzustreben. Damit meint der Meteorologe Debatten ums Tempolimit oder die Debatte um E-Fuels, die jetzt das EU-Verbrenner-Aus bedroht. Derartiges ist für Terli “de facto Klimaleugnung” und er betont, dass es vor allem die Politik sei, die da nicht hinterherkomme. “Die Menschen und auch die Industrie sind schon viel weiter.” Martin Renz

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  • Klimapolitik
  • Klimaschutz

Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    kann man mit ambitioniertem Klimaschutz Wahlen gewinnen? Welche Kosten und welches Tempo sind der breiten Bevölkerung zuzumuten? Mit der beschleunigten Klimakrise bekommen diese Fragen immer stärkere Bedeutung.

    Auch die Wahlen in der Türkei sind Klimawahlen. Die Emissionen des Landes steigen rasant und liegen mittlerweile über denen Frankreichs oder Großbritanniens. Doch für Recep Tayyip Erdoğan, den Favoriten bei der Stichwahl Ende Mai, steht Wachstum vor Klimaschutz. Selin Ugurtas berichtet über die Klimapläne des amtierenden Präsidenten und der Oppositionsparteien.

    In den USA soll Bidens Milliarden-Bazooka namens Inflation Reduction Act den Klima-Umschwung bringen und Klimaskeptiker in republikanischen Staaten beruhigen. Im Interview erklärt Bidens ehemalige Klimaberaterin, Gina McCarthy, ob ein zukünftiger republikanischer Präsident Bidens Klimaziele zurückstutzen könnte und warum das Land auf internationaler Ebene oft zögerlich agiert.

    Auch zu einem nationalen Emissionshandel oder einem einheitlichen CO₂-Preis konnten sich die USA bisher nicht durchringen. Jetzt überlegen Senatoren beider großer Parteien einen CO₂-Grenzausgleich einzuführen. Doch die Pläne könnten an der politischen Spaltung des Landes scheitern – und an Wählern und Industrie, die einen “CO₂-Preis” ablehnen, wie Umair Irfan aus Washington berichtet.

    Beste Grüße!

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    Türkei-Wahl: Erdoğan setzt auf Fossile

    Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan setzt weiter auf fossile Energien und will weiter nach neuen Gas-Vorkommen suchen lassen.

    Bei der ersten Runde der türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am Sonntag hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit über 49 Prozent der Stimmen den ersten Platz belegt. Erdoğan wird seine 20-jährige Herrschaft bei der Stichwahl am 28. Mai sehr wahrscheinlich verlängern können. Seine Klimapolitik ist bisher nicht sehr ambitioniert. Ein Sieg seines Gegners Kemal Kılıçdaroğlu würde eine ehrgeizigere Klimapolitik versprechen.

    Als Mittelmeerland ist die Türkei sehr anfällig für die Folgen des Klimawandels, was immer sichtbarer wird: 2021 erschütterten massive Waldbrände das Land, gefolgt von Sturzfluten, die im selben Monat 97 Menschen töteten. In jüngster Zeit lösten sintflutartige Regenfälle nach den tödlichen Erdbeben im Südosten des Landes Überschwemmungen aus, die 19 Menschen das Leben kosteten.

    Solche verheerenden Katastrophen haben in der türkischen Öffentlichkeit eine zunehmende Sensibilität für den Klimawandel erzeugt. Laut einer öffentlichen Meinungsumfrage, die seit 2018 durchgeführt wird, liegt der Anteil der Menschen, die über den Klimawandel besorgt sind, derzeit bei 83 Prozent und nimmt stetig zu.

    Veränderungen durch die Wahl?

    Ein aktueller Bericht des Istanbul Policy Center analysiert die Klima-Versprechen der politischen Parteien und Bündnisse. Das Fazit: ein Sieg der Opposition könnte eine progressivere Klima- und Energiepolitik bedeuten.

    Das auffälligste Versprechen der regierenden AKP – das auch in den Plänen der Opposition enthalten ist – ist die Einführung eines Mechanismus für einen CO₂-Preis. Dieser Schritt ist für die türkische Wirtschaft angesichts des CO₂-Grenzausgleichs (Carbon Border Adjustment Mechanism) der EU von entscheidender Bedeutung. Die AKP bietet jedoch nichts Neues an in Sachen Klimaschutz oder Energiewende.

    Im Gegensatz zur Regierungspartei, die den Schwerpunkt auf Entwicklung und Wachstum legt, betont das Oppositionsbündnis das Thema “Gerechte Transformation” (Just Transition). Sie verspricht, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, das NDC der Türkei zu aktualisieren und einen realistischen Emissionsreduktionsplan auszuarbeiten. Die Zusicherung zum Ausstieg aus der Kohle ist Teil dieser Strategie.

    Unterschiedliche Ansichten in Kılıçdaroğlus Bündnis

    In einigen Fragen führten die unterschiedlichen Auffassungen der Partner des Oppositionsbündnisses zu widersprüchlichen Aussagen in dem gemeinsamen Einigungsdokument, und es ist schwer zu sagen, wie sich die Dinge schlussendlich entwickeln werden. Allerdings wird in verschiedenen Berichten behauptet, dass die CHP, die den fortschrittlichsten Energieplan hat, im Falle eines Wahlsiegs von Kılıçdaroğlu das Energieministerium erhalten würde.

    In ihrem Energiestrategiepapier verpflichtet sich die CHP, die Kohleverstromung bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren und keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen. Sie bezeichnet Erdgas als Brückentechnologie. Dennoch will die Opposition weiterhin nach Erdgas bohren.

    Das Bündnis betont außerdem, dass er die Energiemärkte liberalisieren und Subventionen abschaffen will, die das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Markt stören. Dies stützt sich vor allem auf die Kritik an der Regulierungsbehörde für den Energiemarkt (EPDK) des Landes, der vorgeworfen wird, politisiert zu sein und den Markt zu Ungunsten der erneuerbaren Energien zu verzerren.

    Ein weiterer wichtiger Unterschied könnte die Atompolitik sein. Die Opposition verspricht, die Bedingungen eines Atomvertrags mit Rosatom neu zu verhandeln und die Pläne für zwei neue Kernkraftwerke in Sinop und in der westlichen Region Thrakien zu stoppen. Dennoch ist der Block nicht gänzlich gegen die Kernenergie, denn er plant die Einrichtung eines Kernforschungszentrums, um lokales Know-how zu entwickeln, und den Bau kleiner modularer Reaktoren.

    Abhängig von fossilen Brennstoffen

    Die Energiepolitik der Türkei ist von entscheidender Bedeutung, da der Energiesektor für etwa 85 Prozent der CO₂-Emissionen des Landes verantwortlich ist. Derzeit ist das Land noch stark von fossilen Brennstoffen abhängig. Ein Großteil davon wird importiert.

    Während etwa 84 Prozent der Primärenergieversorgung des Landes auf fossilen Brennstoffen basieren, werden rund 70 Prozent der Energieträger importiert. Dies ist sowohl im Hinblick auf die Energiesicherheit als auch auf das wachsende Leistungsbilanzdefizit des Landes ein massives Problem. Die Energieimporte der Türkei beliefen sich im vergangenen Jahr auf 80 Milliarden US-Dollar und das Land wird immer abhängiger von Russland. Nicht nur bei Erdgas, sondern auch bei Kohle und Atomkraft.

    • Kohle: Im Jahr 2022 betrug der Anteil der Kohle an der türkischen Stromerzeugung rund 35 Prozent und wurde von Erdoğan weiterhin als einheimische Energiequelle gepriesen. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Nach Angaben von Ember entfällt ein Großteil der türkischen Kohleverstromung auf importierte Kohle. Der Anteil der Importkohle an der gesamten Stromerzeugung ist von sieben Prozent vor einem Jahrzehnt auf 20 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Etwa die Hälfte dieser Importe kommt inzwischen aus Russland, eine Verdopplung seit 2021.

    Trotz ihrer erklärten Ziele subventioniert die Regierung weiterhin Kohle. Ein Kohleausstieg wurde bisher nicht angekündigt. Im Gegenteil: Der langfristige nationale Energieplan sieht eine Erhöhung der Kohlekapazität um 2,5 GW in den nächsten zwölf Jahren vor.

    • Erdgas: Die Türkei sucht zudem nach weiteren Erdgas-Vorkommen. Erdgas macht ein Viertel des Energiemixes des Landes aus und wird aus verschiedenen Ländern bezogen, allen voran aus Russland. Im Vorfeld der Wahlen kündigte Erdoğan einen großen Fund auf dem Sakarya-Gasfeld im Schwarzen Meer an und versprach, ein Jahr lang “kostenloses Gas” an die Haushalte zu liefern.

    Während seiner Regierungszeit erwarb die Türkei vier Bohrschiffe, die alle nach osmanischen Sultanen benannt sind, und beabsichtigt, die Suche nach Gas-Vorkommen sowohl im Schwarzen Meer als auch im östlichen Mittelmeer fortzusetzen.

    Pläne für AKWs und Solar-Ausbau

    • Kernenergie: Die Atomkraft ist in der türkischen Öffentlichkeit besonders unbeliebt: Rund 77 Prozent sind gegen den Bau von Kernkraftwerken. Dennoch wurde das erste Atomkraftwerk des Landes namens Akkuyu in der südlichen Küstenprovinz Mersin gebaut, und vor den Wahlen fand eine “Eröffnungsfeier” statt – obwohl das Kraftwerk erst in einigen Monaten in Betrieb gehen wird.

    Neben Fragen der Sicherheit ist eine der Hauptsorgen im Zusammenhang mit der Akkuyu-Anlage die weitere Energieabhängigkeit von Russland. Die 20 Milliarden US-Dollar teure Anlage wird vom russischen Kernenergieunternehmen Rosatom gebaut und befindet sich in dessen Besitz. Die AKP plant den Bau eines zweiten Kernkraftwerks in der Schwarzmeerprovinz Sinop.

    • Solarenergie: Das Solarpotenzial der Türkei bleibt mit einem Anteil von 4,7 Prozent an der Stromerzeugung weitgehend ungenutzt – hauptsächlich aufgrund staatlicher Hindernisse. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern, denn der nationale Energieplan sieht eine Verfünffachung der Solarkapazität vor.

    Mangelhafter Klimaplan der AKP

    Nach der Ratifizierung des Pariser Klima-Abkommens im Jahr 2021 kündigte die Türkei auf der COP27 ein aktualisiertes NDC. Es gab Kritik, dass es nicht auf eine absolute Senkung der aktuellen Emissionswerte abzielt, sondern einen Anstieg der Emissionen um 30 Prozent bis 2030 zulässt. Erst 2038 sollen die türkischen Emissionen ihren Höhepunkt erreichen.

    Die AKP kündigte auch ein Netto-Null-Ziel für 2053 an, aber die Präzision dieses Datums ist eher dem Willen der AKP zu verdanken, den 600. Jahrestag der Eroberung Konstantinopels zu würdigen, als einer sorgfältigen Planung. Das Fehlen eines ernsthaften Fahrplans, wie die Türkei ihre Ziele erreichen will, in Verbindung mit der fortgesetzten Unterstützung der AKP für fossile Brennstoffe, wirft die Frage auf, wie ernst es der Partei mit dem Klimawandel ist. Selin Ugurtas

    • Energiewende
    • NDC
    • Türkei

    “Dieses Geld wird die USA verändern”

    Gina McCarthy, bis 2022 Klimaberaterin im Weißen Haus.

    Frau McCarthy, die USA sind unter demokratischen Präsidenten oft sehr ambitioniert beim nationalen Klimaschutz wie jetzt unter Joe Biden. Warum ist das international anders?

    Gina McCarthy: Es stimmt, wir sind derzeit sehr aggressiv und erfolgreich beim Klimaschutz. Aber international ist das immer eine Herausforderung. Denn der Kongress, der die Gelder freigeben muss, hat das nicht autorisiert. Biden hat gerade eine Milliarde für den Grünen Klimafonds versprochen, aber das ist kaum die Summe, die der Präsident dafür gern hätte.

    Der Kongress hat ja auch das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert und das Pariser Abkommen wurde extra so geschneidert, dass seine Beteiligung nicht nötig war. Warum sperrt sich das US-Parlament seit Jahrzehnten gegen den Klimaschutz?

    Darauf habe ich keine einfache Antwort. Es war nicht immer so schwer, aber ich kann auch nicht erklären, warum der Kongress nicht Teil einer großen Lösung für ein großes globales Problem sein will. Die Biden-Administration muss also mit anderen Ländern arbeiten, um ihnen bessere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Da wird es vor allem um private Investments gehen.

    “Das meiste IRA-Geld fließt in ‘rote’ Staaten”

    Die Investitionen in grüne Industrien werden in den USA massiv durch Steuersenkungen angereizt. Was ist das wichtigste, um den “Inflation Reduction Act” mit fast 370 Milliarden Dollar erfolgreich zu machen?

    Das war so erfolgreich, weil wir nach der Pandemie damit die Wirtschaft wieder ankurbeln und wieder Jobs schaffen konnten. Das ist sehr populär. Tatsächlich geht das meiste Geld in “rote” Staaten, die von Republikanern regiert werden. Denn da haben wir so viele Jobs und Einkommen in der Fertigungsindustrie verloren. Präsident Biden war klug genug, das für den Aufbau einer sauberen Industrie zu planen, aber es ist eben auch populär, weil es Jobs schafft, Energiekosten senkt, für saubere Luft und Gesundheit sorgt und das Leben besser macht. 40 Prozent der IRA-Ressourcen müssen in Gemeinden gehen, an denen bisher die Investitionen vorbeigegangen sind. Das ist eine Gelegenheit, den Regionen zu zeigen, dass sie direkt davon profitieren können. Es ist viel Geld über zehn Jahre und der Anfang des Umbaus zu sauberer Energie.

    Biden sichert so ja auch seine Politik des grünen Umbaus ab, wenn das Geld vor allem in republikanisch regierte Staaten fließt. Wie viel davon könnte ein zukünftiger republikanischer Präsident wieder rückgängig machen?

    Ich bin nicht sicher, dass der IRA mit der Idee entwickelt wurde, ihn auf diese Weise bei den Republikanern durchzusetzen. Aber wenn echtes Geld für echte Leute in deinen Wahlbezirk fließt, dann ist es sehr schwer, dagegen zu stimmen. Es gab keinen Kampf darüber, auch wenn viele Republikaner nicht dafür gestimmt haben. Es war gut, dass wir zuerst das parteiübergreifende Infrastrukturgesetz gemacht haben: Alle sind sich einig, wenn es um Breitband, sauberes Wasser oder ein effizientes Stromnetz geht, das wir für die grüne Energie brauchen. Dieses IRA-Geld wird die USA verändern. Und der Welt signalisieren: auch wenn wir es nicht schaffen, die öffentlichen Gelder für die internationalen Aufgaben aufzutreiben, können wir doch gute Akteure und Anführer sein.

    Wie viel Schaden hat Trump angerichtet? Sie waren EPA-Chefin und er hat Ihre Behörde auseinandergenommen.

    Er hat es versucht, aber die EPA ist wieder da. Und aktiver als zuvor. Sie bekommt eine Menge Geld und stellt wieder viele Leute ein. Aber es waren vier Jahre, die ich nicht genossen habe.

    “Hoffnung, dass wir bei privaten Investitionen weiterkommen”

    Präsident Biden, unter dem Sie als Klimaberaterin gedient haben, benutzt häufig den Begriff der “Klimagerechtigkeit” – im nationalen Bereich. Aber international bedeutet der Begriff größere Verantwortung der USA für Klimaschutz und Finanzierung. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?

    Das ist nicht Bidens Widerspruch. Die Herausforderung ist eben, vom Kongress die Gelder für den internationalen Bereich zu bekommen. Aber es gibt Chancen für private Investitionen, in Afrika und Asien. Der globale Süden braucht Investitionen. Zur Klimagerechtigkeit: Ich würde gern sagen, wir sind bei Loss and Damage auf dem richtigen Weg, aber da sind wir eben nicht. Meine Hoffnung ist, dass wir bei privaten Investitionen vorankommen.

    Aber der Privatsektor braucht dafür ein Geschäftsmodell. Das ist gut, etwa im Energiebereich, aber schwierig bei Anpassung. Damit macht man kein Geld.

    Ja, der private Sektor gibt keine Spenden, sondern will Erträge aus seinen Investitionen. Aber es gibt viele Chancen dafür, wenn die Investitionen mit den Klimazielen der Länder übereinstimmen. Geschäftsmodelle etwa für Anpassung gab es früher mit den Carbon-Credits und mit Offsets, dieser Markt ist gerade sehr schwierig. Das müssen wir neu denken. Aber die Investoren erkennen, dass diese Länder wachsen wollen und müssen.

    “Wenn die Fossilen am Markt nicht gewinnen, werden sie reduziert”

    Wie sehr hat der russische Angriff auf die Ukraine die Lage verändert?

    Wir haben seit dem Krieg realisiert: Es geht nicht nur ums Klima, sondern um nationale Sicherheit. Wir sollten ein großes Interesse daran haben, dass der globale Süden stabil ist. Die einzige Art, das zu tun, ist Infrastruktur aufzubauen und das Sicherheitsnetz, das die Länder brauchen. Wir können sie nicht zurücklassen und denken, alles ist ok. Wir wissen jetzt, dass ein Land und eine Entscheidung wirklich andere Länder destabilisieren können. Es ist deutlich, dass saubere Energie das System stabiler macht, aber große Investitionen braucht. Und der Krieg macht deutlich: Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bringt keine Stabilität. Das ist kein Weg, unsere Bedürfnisse zu decken.

    Und trotzdem sind die USA der größte Öl-Produzent der Welt.

    Wir produzieren seit langem Öl, und die Herausforderung für die Regierung ist, das zurückzufahren. Wir müssen auf jede neue fossile Entwicklung mit dem Blick schauen, wie minimieren wir das, und können wir uns aus diesen Investments zurückziehen. Wir haben das versucht, aber es gab dafür keinen legalen Weg. Die Gerichte haben es verhindert. Das sind alte Gesetze, aber sie gelten noch. Also wurde uns klar: Um das zu schaffen, müssen wir saubere Energien so weit aufbauen, dass sie die Fossilen ins Hintertreffen bringen. Wenn die Fossilen am Markt nicht gewinnen, werden sie reduziert. Das ist die beste Möglichkeit, die wir hatten, um unsere Ziele durchzusetzen.

    Der effizienteste Weg wäre ein allgemeiner CO₂-Preis. Werden wir den in den USA im nächsten Jahrzehnt sehen?

    Das wird derzeit mit mehr Nachdruck diskutiert. Aber auch dafür braucht man den Kongress. Und wie soll ich wissen, was da passiert?

    • Inflation Reduction Act
    • USA

    Auch USA diskutieren CO2-Grenzausgleich

    Auch im US-Kongress wird über CO₂-Importzölle debattiert.

    Der Druck der EU beginnt offenbar zu wirken: Nun machen auch Politiker in den USA Pläne für einen CO₂-Grenzausgleich ähnlich dem europäischen Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte (CBAM). Doch noch ist unsicher, ob eine solche Maßnahme in den USA durchsetzbar wäre.

    Schutz für die heimische Industrie ist beliebt

    Die Idee, die heimische Produktion vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, findet in den USA bei beiden großen Parteien Anklang:

    • Der republikanische Senator Bill Cassidy arbeitet derzeit einen Vorschlag für einen CBAM aus, der von einigen anderen Mitgliedern seiner Partei unterstützt wird. Sie gehen davon aus, dass sie den Gesetzentwurf in einigen Monaten vorlegen werden. Cassidy hat jedoch bisher keine Einzelheiten zu seinem Vorschlag veröffentlicht.
    • Die Demokraten im Kongress haben dagegen ihre Konzepte für einen Kohlenstoffgrenzausgleich bereits vorgelegt. Der demokratische Senator Sheldon Whitehouse und andere Demokraten haben im vergangenen Jahr das Gesetz für einen sauberen Wettbewerb (Clean Competition Act) eingebracht, das eine Gebühr auf kohlenstoffintensive Importe erhebt und die Erforschung von Alternativen finanziert. Die Maßnahmen sollte 16 Milliarden Dollar einbringen. Der Gesetzentwurf wurde jedoch bisher nicht angenommen.

    Demokraten schon lange für CO₂-Preis

    Die Demokraten im Kongress versuchen jedoch schon seit 2009, importierte Kohlenstoffemissionen zu bepreisen. Damals war das Teil eines Vorschlags zum US-weiten Emissionshandel. “Den USA ist die Idee eines Kohlenstoffausgleichs an der Grenze nicht fremd“, sagt Aaron Cosbey vom International Institute for Sustainable Development, gegenüber Table.Media. “Jedes Mal, wenn es einen Gesetzesvorschlag für einen Kohlenstoffpreis gab, gab es immer eine Art von begleitendem Kohlenstoffausgleich an der Grenze. Natürlich war keine dieser Maßnahmen erfolgreich.”

    Ein Kohlenstoff-Grenzausgleich erhebt Abgaben auf importierte Waren wie Metalle, Brennstoffe und Fertigprodukte, je nachdem, wie viel Treibhausgase bei ihrer Herstellung entstehen. Das soll “schmutzige” Importe verhindern, fairen Wettbewerb schaffen und Exporteuren Anreiz geben, ihre Emissionen ebenfalls zu senken.

    Entscheidend: US-weiter Kohlenstoffpreis

    Der Unterschied zwischen den Strategien der Demokraten und der Republikaner besteht darin, ob sie diese durch einen inländischen Kohlenstoffpreis ergänzen wollen. “Ohne einen Kohlenstoffpreis an der Grenze gibt es keinen Kohlenstoffausgleich”, so Cosbey. In den USA gibt es keinen landesweit gültigen Kohlenstoffpreis, und die Republikaner sind damit zufrieden. Aber Abgaben auf Importe ohne einen nationalen CO₂-Preis könnten zu Vorwürfen wegen unfairer Handelspraktiken vor der WTO führen.

    Die Demokraten hingegen setzen in ihren Vorschlägen auf subtile Weise Kohlenstoffpreise fest, indem sie für bestimmte Produktkategorien Emissionsrichtwerte festlegen, die im Laufe der Zeit strenger werden. Sie nennen das nicht “Steuer”, weil der Begriff in den USA politisch vergiftet ist.

    Der demokratische Senator Sheldon Whitehouse will eine Version seiner Gesetzgebung in der laufenden Sitzungsperiode erneut einbringen, teilte er Table.Media in einer E-Mail mit. “Ich bin optimistisch, dass es einen Weg gibt, einen parteiübergreifenden Kohlenstoffgrenzausgleich durch den Senat zu bringen”, schrieb er. “Kollegen auf beiden Seiten des politischen Spektrums sind sich einig, dass die USA einen CBAM brauchen, um die Kohlenstoffemissionen weltweit zu senken und die sauberen amerikanischen Hersteller zu fördern, die mit den großen Verschmutzern in China, Indien und anderswo konkurrieren.”

    Problem: Innenpolitische Spaltung der USA

    In den USA gibt es bereits erste Handelshemmnisse für “dreckige” Importe: Der Inflation Reduction Act von 2022 sieht vor, dass saubere Energiematerialien und -produkte im Inland gekauft werden müssen und nicht importiert werden dürfen. Das Gesetz sieht auch Subventionen und Kredite vor, um die US-Produzenten zu unterstützen. 

    Bei all diesen Vorschlägen für ein CBAM müssen auch in den USA noch viele Details geklärt werden: Wie berechnet man die in einem Produkt enthaltenen Emissionen? Wie hoch wird die Steuer angesetzt? Wie verteidigt man sich gegen den Vorwurf des Protektionismus bei der Welthandelsorganisation?

    Die größte Herausforderung für die Pläne ist allerdings die politische Spaltung in den USA: Klimapolitik ist entlang der Parteigrenzen geteilt. Seit Jahrzehnten scheitern Bemühungen im Kongress, einen Preis für Kohlenstoff oder einen Emissionshandel einzuführen. Könnte das bei einem Grenzausgleichsmechanismus anders sein?

    Parteiübergreifend für den Schutz der Industrie?

    Die Signale für eine parteiübergreifende Klimapolitik durch Handelspolitik sind gemischt. Ein wichtiges Signal für eine mögliche Koalition ist, dass ein republikanischer Senator einen eigenen CBAM-Vorschlag ausarbeitet. Einige republikanische Kongressabgeordnete stimmten außerdem für das Zweiparteien-Infrastrukturgesetz 2021, das 350 Milliarden Dollar für Umweltsanierung, den Bau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Übertragungsleitungen für erneuerbare Energien vorsieht. Der Inflation Reduction Act von 2022 wurde jedoch nur mit Stimmen der Demokraten verabschiedet. Mit 369 Milliarden Dollar für Initiativen wie den Einsatz von mehr Wind- und Solarenergie, die Förderung von E-Autos und den Aufbau grüner Industrien ist er die größte klimapolitische Maßnahme in der Geschichte der USA.

    Trotzdem profitieren vor allem “rote” Staaten mit republikanischen Mehrheiten von den Investitionen. Ähnlich könnten auch bei einem CBAM regionale und nationale Vorteile überwiegen – Vorteile für die US-Industrie also vermeintliche Nachteile eines CBAM aufwiegen. So war es auch Ende 2022 bei der Annahme des Kigali-Amendment zum Montreal-Protokoll zur Abschaffung von ozonschädlichen Substanzen. Weil es US-Firmen begünstigt, stimmten Republikaner und Demokraten parteiübergreifend für die Ratifizierung. Umair Irfan, Washington

    • CBAM
    • USA

    Experten fordern Vorbereitung auf El Niño

    El Nino kann ich einigen Teilen der Welt zu extremer Trockenheit führen.
    El Niño kann in einigen Teilen der Welt zu extremer Trockenheit führen.

    Die Warnung kam Anfang Mai. Die World Meteorological Organization (WMO) veröffentlichte ein Update mit einer klaren Botschaft: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde spätestens im Herbst das Wetterphänomen “El Niño” beginnen. Es sei notwendig, sich darauf vorzubereiten.

    “Die Welt sollte sich auf die Entwicklung von El Niño vorbereiten, das oft mit verstärkter Hitze, Dürre oder Niederschlägen in verschiedenen Teilen der Welt verbunden ist”, erklärte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Das Phänomen könne einerseits positive Auswirkungen haben – etwa eine Atempause von der Dürre am Horn von Afrika und anderen Auswirkungen des Wetterphänomens La-Niña, das mit Auftreten von El Niño endet. “Es kann aber auch weitere extreme Wetter- und Klimaereignisse auslösen”, so Taalas.

    Extremwetterereignisse werden wahrscheinlicher

    Welche Folgen genau El Niño haben wird, können Expertinnen und Experten aber nicht sagen: “El Niño beeinflusst die globalen Temperaturen und damit steigt die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse und auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit hoher Intensität auftreten”, sagt Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus Climate Change Service (C3S) der EU. “Wir können aber nicht vorhersagen, wann und wo sie auftreten”. Deshalb sei es auch schwierig, sich auf konkrete Folgen vorzubereiten.

    El Niño führt typischerweise zu viel Regen in Südamerika, dem südlichen Teil der USA, dem Horn von Afrika und Zentralasien. Gleichzeitig ist das Phänomen mitverantwortlich für Dürren in Australien, Indonesien und im südlichen Asien. Außerdem kann es zu Hurrikans im Pazifischen Ozean führen. Die Folgen davon waren in der Vergangenheit Fluten, Waldbrände und Ernteausfälle. Am stärksten betroffen sind normalerweise Regionen an und um den Pazifik, also besonders Südamerika, Australien und Südostasien. “Je weiter es von diesem Zentrum weggeht, desto schwieriger ist es, genaue Vorhersagen über die Auswirkungen zu machen”, sagt Burgess.

    Aus ihrer Sicht ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Politik, Forschungseinrichtungen und Wetterbeobachtungsdiensten nötig, um schnellst- und bestmöglich zu reagieren. “Je früher man reagiert, desto mehr Menschen kann man retten”. Beispiele für vorbeugendes Handeln könnten laut Kristina Fröhlich etwa sein, den Wasserhaushalt in der Landwirtschaft anzupassen, oder für bestimmte Regionen schon Lebensmittelvorräte anzulegen. Fröhlich ist beim Deutschen Wetterdienst (DWD) für saisonale Klimavorhersagen verantwortlich.

    Das steckt hinter einem El Niño-Event

    El Niño gehört zusammen mit “La Niña” zu der El Niño-Southern Oscillation (ENSO). Die beschreibt einen komplexen Zusammenhang zwischen Winden, Wassertemperatur im Pazifik und Wetter. “Aufgrund der riesigen Meeresoberfläche, die sich während eines El Niño-Ereignisses im tropischen Pazifik erwärmt und diese Wärme an die Atmosphäre abgibt, steigt damit zusätzlich die globale Mitteltemperatur der Erde an”, sagt Kristina Fröhlich.  

    ENSO trägt dazu bei, dass manche Jahre wärmer und andere kälter sind: In den vergangenen drei Jahren hatte beispielsweise “La Niña” für eher mäßige Temperaturen gesorgt. Aktuell befindet sich die Welt in einer neutralen Übergangsphase. Später in diesem Jahr könnte es durch “El Niño” besonders warm werden. “Weil sich El Niño erst in den kommenden Wochen oder Monaten entwickelt, ist es wahrscheinlich, dass wir die stärksten Auswirkungen des Ereignisses erst 2024 beobachten“, sagt Samantha Burgess.

    Temporäres Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze möglich

    Die WMO analysiert, dass spätestens im September die Wahrscheinlichkeit für den Start von El Niño bei 80 Prozent liegt. Der amerikanische Klimavorhersagen-Dienst CPC spricht von einem El Niño-Ereignis, wenn die Meeresoberflächentemperatur in einer bestimmten Region des tropischen Pazifiks länger als ein halbes Jahr mindestens 0,5 Grad über dem Klimamittel liegt. “Bisher geht aus unseren Daten nicht hervor, dass es sich um ein besonders starkes El Niño Ereignis handeln wird”, meint Kristina Fröhlich. Allerdings seien die Vorhersagen über die Stärke des Ereignisses noch mit einer größeren Unsicherheit behaftet. 1998 und 2016 hatte es ein sogenanntes “Super El Niño”-Event mit einer besonders starken Erwärmung gegeben. Burgess denkt, dass man erst bis Ende des Jahres mehr Klarheit über die Intensität des bevorstehenden El Niño-Events haben wird. Aktuell lassen sich die Vorboten von El Niño beobachten. Burgess weist auf die gestiegene Oberflächentemperatur des Meers von Ecuador und Peru hin.

    El Niño und seine Auswirkungen werden immer gefährlicher, weil sie sich mit den Auswirkungen des Klimawandels überlappen: Die höheren Temperaturen, die das El Niño-Ereignis mit sich bringt, fallen mit weltweiten Durchschnittstemperaturen zusammen, die sowieso schon rund 1,15 Grad höher sind als im vorindustriellen Zeitalter. “Während des Ereignisses ist es sehr schwierig zu analysieren, welche Extremwetterereignisse auf El Niño und welche auf den Klimawandel zurückgehen”, sagt Fröhlich. “Wir können aber von einer gegenseitigen Verstärkung ausgehen”. Samantha Burgess wird sogar noch konkreter: “Durch El Niño wird es möglich, dass wir dieses Jahr oder im kommenden Jahr die 1,5-Grad-Grenze temporär überschreiten“, sagt sie.

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    Termine

    19. bis 21. Mai, Hiroshima, Japan
    Gipfeltreffen G7
    Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA – also die G7 – treffen sich regelmäßig zu Gipfeltreffen. Dieses Jahr findet das Treffen in Hiroshima, Japan, statt.
    Infos

    22. bis 23. Mai, Berlin
    Konferenz Berliner Energietage
    Auf den Energietagen der Deutschen Umwelthilfe treffen sich im Mai Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Praxis, um sich branchenübergreifend über aktuelle Fragen von Energiewende und Klimaschutz zu informieren. Anfang Mai findet der digitale Teil des Kongresses statt, Ende des Monats dann die Präsenzveranstaltung in Berlin. Infos

    23. Mai, 9.30, Genf/Online
    Veröffentlichung Launch of the CGIAR Climate Security Observatory
    Das Klima ist mit Konflikten verbunden, wirkt als Multiplikator und verschärft das Risiko von Krisen und Instabilität. Obwohl dies in der wissenschaftlich-politischen Landschaft weithin anerkannt ist, fehlt es an soliden, lokalen und politikrelevanten Erkenntnissen darüber, wie genau Klimasicherheitsrisiken in verschiedenen geografischen Kontexten entstehen können. Das Climate Security Observatory (CSO) soll diese Lücke füllen. Infos

    23. Mai, 18.30 Uhr, Bonn
    Podiumsdiskussion Adapting Governance and Infrastructure for Water Resilience
    Anlässlich des 5. globalen Kongresses der Wasserversorger organisiert das German Institute of Development and Sustainability (IDOS) gemeinsam mit Bonn Water Network, UN Habitat, Global Water Operators’ Partnership Alliance (GWOPA) und der Stadt Bonn eine Sonderveranstaltung. Der Fokus liegt auf “Wasserresilienz” und der Frage, wie man sich besser auf Extremwetterereignisse vorbereiten kann. Infos

    23.-25. Mai, Essen
    Messe E-world Energy & Water
    Die Messe ist ein Branchenevent der europäischen Energiewirtschaft. 800 Aussteller aus 700 Ländern werden dazu in Essen erwartet.  Infos

    24. Mai, 14 Uhr, Berlin/Online
    Seminar Klimaschutzziele 2030 und 2045 im Fokus – Was ist jetzt bei Gebäuden gefordert?
    Der Gebäudesektor ist für 30 Prozent des CO₂-Ausstoßes und für 35 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Es sind jetzt überzeugende politische Impulse gefordert, um die Klimaschutzziele 2030 und 2045 erreichen zu können. Auf dem Event des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wird darüber diskutiert, wie die aussehen können. Infos

    25. Mai, 12 Uhr, Brüssel
    Seminar Hydrogen – Tale of the future or a real game changer?
    Um die europäischen Ziele für erneuerbaren Wasserstoff weiter zu erhöhen, ergänzte die Europäische Kommission die Annahme der EU-Wasserstoffstrategie mit der Veröffentlichung des REPowerEU-Plans im Mai 2022. Diese Initiativen sollen die Einführung von erneuerbarem Wasserstoff, Ammoniak und anderen Derivaten in energieintensiven Industrieprozessen und schwer zu dekarbonisierenden Industrien beschleunigen. Bei dem runden Tisch von EurActiv wird darüber diskutiert, wie realistisch die Pläne sind.  Infos

    25. Mai, 12.30 Uhr, Berlin/Online
    Tagung Deutscher Ingenieurtag
    Unter dem Motto “Zukunft gemeinsam gestalten – Innovationen für Mensch und Umwelt” findet der Deutsche Ingenieurtag statt. Unter anderem geht es auch um die Herausforderungen durch den Klimawandel. Infos

    News

    Klima in Zahlen – Geisterdebatte um CCUS?

    Es ist der Traum vieler Öl- und Gasländer: Weiter fossile Energien nutzen und das anfallende CO₂ auffangen und speichern oder industriell nutzen. Auch Japan, Gastgeber des am 19. Mai startenden G7-Gipfels, setzt auf Carbon Capture (Utilization) and Storage (CCUS) – und zwar auch im Energiebereich und nicht nur bei schwer zu vermeidenden Emissionen wie in der Zement- oder Stahlindustrie. Und COP28-Präsident Sultan Al Jaber setzt auf die Technik, um weiter fossile Energieträger fördern zu können. Er will nur “aus den Emissionen aussteigen“.

    Die Daten des Global CCS Institute zeigen: Obwohl seit Jahren viele CCS-Projekte in der Entwicklung sind, bleibt die Kapazität der CCS-Anlagen konstant auf einem recht geringen Level. Viele geplante Projekte sind wirtschaftlich nicht tragfähig.

    Bisher gibt es weltweit erst 30 CCS-Projekte im kommerziellen Betrieb. Und selbst wenn alle geplanten Projekte in den kommenden Jahren realisiert werden, können diese CCS-Anlagen nur weniger als ein Prozent der CO₂-Emissionen auffangen, die 2022 weltweit verursacht wurden. Ist die Technologie also eine Sackgasse? Für definitive Aussagen ist es noch zu früh. Durch höhere CO₂-Preise und Kostenreduktionen durch eine Massenfertigung von Komponenten könnte CCS in Zukunft eine größere Rolle spielen – allerdings nur für einen Bruchteil der derzeitigen Emissionen. nib

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    Kein Klima-Fokus beim G7-Gipfel: Scholz einmal mehr gefordert

    Japan könnte beim anstehenden G7-Gipfel in Hiroshima versuchen, die klimapolitischen Aspekte der Verhandlungen in den Hintergrund zu rücken. Allzu schwer dürfte das nicht sein, angesichts der drängenden Themen auf der Agenda: Ukraine, Wirtschaftskrise, China-Beziehungen und die nukleare Abrüstung. Japan investiert zudem weiterhin in fossile Infrastruktur und hat daher wenig Interesse an ambitionierter Klimapolitik. Umso mehr sind die anderen G7-Staaten gefordert, die klimapolitischen Ziele bisheriger G7-Präsidentschaften zu unterstreichen.

    Japan erhalte jedoch Unterstützung von Bundeskanzler Olaf Scholz, auch weiterhin Investitionen in die Gasförderung zu ermöglichen, kritisiert Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Die kritische Phase der Gasknappheit sei vorbei, Deutschland sei gut für den Winter gerüstet und es gebe keine Notwendigkeit für umfangreiche Investitionen in Gas, so Bals.

    “Gas-Shopping” nicht gerechtfertigt

    Er erwarte, dass die G7-Staats- und Regierungschefs fossile Subventionen auf ein Mindestmaß beschränken, wie es die Klima- und Energieminister vor wenigen Wochen beim Ministertreffen in Sapporo bereits beschlossen haben. In der Abschlusserklärung wurden Investitionen in den Gassektor gebilligt, sofern sie durch die derzeitige Energiekrise verursachte Marktdefizite ausgleichen, keine Lock-in-Effekte verursachen und mit den Klimazielen vereinbar sind. Scholz’ “Gas-Shopping” in Katar, USA und Senegal sei dadurch nicht gerechtfertigt, sagt Bals.

    Ein Enddatum der Kohle ist ebenfalls nicht zu erwarten, da schon die Energieminister Mitte April an diesem Vorhaben gescheitert sind. Japan bremst hier abermals, da das Land nach wie vor selbst auf Kohlestrom und den Export von Kohlekraftwerken setzt. Fraglich ist, ob die europäischen G7-Staaten hier Druck ausüben werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel haben ihrerseits die Klimapolitik in ihren Statements im Vorfeld des Gipfels in Hiroshima gänzlich ausgespart. luk

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    • Klimadiplomatie
    • Klimapolitik

    Venezuela: Eni und Repsol wollen LNG nach Europa exportieren

    Die Mineralölkonzerne Repsol aus Spanien und Eni aus Italien haben Lizenzen zur Förderung von Erdgas in Venezuela erhalten. Das Gas soll in verflüssigter Form (LNG) nach Europa exportiert werden. Das berichten El País und Bloomberg. Demnach wurde bereits Anfang Mai ein Vertrag über die Förderung unterzeichnet.

    Die Lizenzen sind ein erster Schritt, um Venezuela zu einem Gasexporteur zu machen. Bisher hat sich das Land hauptsächlich auf den Export von Öl konzentriert. Das Gas soll demnach im Proyecto Cardon IV im Golf von Venezuela gefördert werden. Schon seit 2019 waren die Fördermengen dort um 30 Prozent gestiegen. Laut Bloomberg werden dort in diesem Jahr rund 14 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag gefördert.

    Auch Öl-Export nimmt zu

    Aktuell wird auch wieder mehr Öl aus Venezuela exportiert. Im April dieses Jahres erreichte der Öl-Export mit 560.000 Barrel pro Tag den höchsten Wert in den vergangenen 16 Monaten. Trotzdem verfehlt die Regierung von Präsident Nicolás Maduro damit ihr Ziel, eine Million Barrel zu exportieren – selbst das wäre noch weniger als halb so viel wie 2013.

    Repsol und Eni haben schon seit einiger Zeit auf die Erteilung der Lizenz gewartet. LNG aus Venezuela soll in Europa ein weiterer Baustein für eine neue Energielandschaft als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine werden. Wann die Förderung tatsächlich beginnt, hängt demnach davon ab, mit welcher Geschwindigkeit die Investitionsgelder fließen. kul

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    Afrikanische Kohleexporte nehmen stark zu 

    Das Volumen der afrikanischen Kohleausfuhren hat seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs stark zugenommen. Durch internationale Sanktionen gegen den wichtigen Kohleexporteur Russland ist die Nachfrage nach Kohle aus alternativen Quellen gestiegen, auch aus Afrika. Dadurch haben sich die Kohleexporte Tansanias innerhalb eines Jahres versiebenfacht, berichtet die tansanische Zeitung The Citizen unter Berufung auf aktuelle Zahlen der tansanischen Zentralbank. 

    Auch im südlichen Afrika macht sich der Kohleboom bemerkbar, etwa im mosambikanischen Maputo. Der dortige Hafen hat seine Umschlagskapazität verdreifacht, um die gestiegene Menge der dort verschifften südafrikanischen Kohle zu bewältigen. Botswana hat sich angesichts der hohen Nachfrage ebenfalls als Kohlelieferant positioniert und sogar eine neue Mine geplant. In Mosambik selbst wird ebenfalls mehr Kohle für den Export abgebaut.  

    In Südafrika, dem wichtigsten Kohleproduzenten des Kontinents, hat das Exportvolumen sogar noch stärker zugelegt. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren die Kohleexporte in die EU um rund 720 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Auch zwischen Februar und März 2023 lag der allgemeine Exportzuwachs immer noch bei 40 Prozent. Größte europäische Abnehmer der südafrikanischen Kohle waren dabei Spanien und die Niederlande. ajs

    • Afrika
    • Kohle

    Deutsche Bank: LNG-Geschäfte haben sich 2022 fast verdreifacht

    Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der Deutschen Bank kritisiert die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald die anhaltende Finanzierung fossiler Energien. Laut dem von der Organisation mit herausgegebenen Bericht Banking on Climate Chaos hat sich das Finanzierungsvolumen allein im Bereich LNG zwischen 2021 und 2022 von 340 Millionen US-Dollar auf 907 Millionen US-Dollar fast verdreifacht. Damit belegt die Deutsche Bank im aktuellen Bericht Platz 11 im weltweiten LNG-Ranking. Insgesamt gehört sie mit 7,5 Milliarden US-Dollar auch 2022 zu den größten Finanzierern der fossilen Industrie.

    Zu den von Urgewald kritisierten Geschäften gehört unter anderem ein Handelskredit für Flüssiggaslieferungen des Rohstoffhändlers Trafigura an das deutsche Unternehmen Sefe in Höhe von drei Milliarden Euro, den die Deutsche Bank zusammen mit einem Partner bereitgestellt hat und der staatlich abgesichert wurde.

    Außerdem beteiligte sich die Frankfurter Bank an einem Kredit für Venture Global Plaquemines LNG. Venture Global will mit dem im Bau befindlichen Plaquemines-LNG-Terminal im US-Bundesstaat Louisiana neue Exportkapazitäten für Fracking-Gas schaffen. Das Projekt steht im Ruf, massive Auswirkungen auf die lokale Natur und Bevölkerung zu haben, da es Feuchtgebiete zerstört, die den umliegenden Gemeinden als Sturmschutz dienen.

    Urgewald fordert daher generell strengere Richtlinien der Bank für Geschäfte mit Kohle, Gas und Öl. “Die Deutsche Bank muss ihrer Nachhaltigkeitsrhetorik endlich Taten folgen lassen und ihre fossilen Richtlinien dringend auf den Stand der Klimawissenschaft bringen”, sagt Anna Lena Samborski, Finanzexpertin von Urgewald. Das bedeute, den fossilen Ausbau nicht weiter zu unterstützen. Konkurrent BNP Paribas habe dies gerade getan und zumindest die direkte Finanzierung neuer Öl- und Gasfelder ausgeschlossen. ch/cd

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    • ESG
    • LNG

    Presseschau

    Recherche: In den USA werden Klima-Missinformation in Gesetze gegossen Heated
    Analyse: Chinas Emissionen erreichen ein Rekordniveau CarbonBrief
    Analyse: Emissionen von Kraftwerken in den USA werden durch eine neue Klimainitiative in den Blick genommen The Wall Street Journal
    Recherche: Wie Beamtenpensionen die Klimakrise befeuern Correctiv
    Nachricht: Zyklon sorgt für Zerstörung in Myanmar Washington Post
    Nachricht: Hitzewelle und Waldbrände in Kanada The Guardian
    Analyse: Während es in Deutschland eher kühl ist, ist es an vielen anderen Orten der Welt schon sehr heiß Die Zeit
    Analyse: So denken die Deutschen über CCS Der Spiegel
    Recherche: Der Gardasee scheint auszutrocknen – Wie geht es dem See wirklich? Süddeutsche Zeitung
    Interview: Sind die Aktivisten der Letzten Generation Helden? Die Tageszeitung

    Heads

    Özden Terli – zwischen Wetterbericht und Klimakrise

    ZDF-Wettermoderator Özden Terli fordert mehr Konsequenz in der deutschen Klimapolitik.

    Neulich stand ZDF-Wettermoderator Özden Terli in seiner Sendung neben der 3D-Animation eines Elefanten, an dessen Beispiel er das klimabedingte Artensterben erklärte. Derartige Animationen begeistern ihn, aber wie passend die Bildsprache war, das sei ihm erst später aufgefallen: “Macht nichts, benannt, haben wir den Elefanten im Raum ja nun wirklich zur Genüge”, sagt Terli.

    Der sprichwörtliche elephant in the room – die Redensart bezeichnet ein Problem, das zwar klar erkennbar, aber nicht beachtet wird – ist für den Diplommeteorologen die Klimakrise: zum einen im Wetterbericht, wo klimabedingte Extremwetterereignisse es zunehmend unredlich machen, Klimaveränderungen zu ignorieren. Und zum anderen in der Politik, die sich mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 darauf verpflichtet hat, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.

    Meteorologe über Umwege

    “Was wir im Wetterbericht machen, ist eigentlich Wissenschaftskommunikation“, betont Terli. Für ihn bedeutet das: sachlich Fakten benennen, selbst dann, wenn diese Fakten nicht jedem politischen Lager passen.

    Terli wurde 1971 in Köln geboren, seit seiner Kindheit ist er naturwissenschaftlich interessiert und politisch engagiert. Das hat auch mit seiner Biografie zu tun, erzählt er: Als Kind türkischer Einwanderer sei er schon immer für Rassismus sensibilisiert gewesen. Geprägt hat ihn auch das Reaktorunglück in Tschernobyl in den Achtzigerjahren; er erinnert sich noch gut daran, dass er und seine Mitschüler damals nicht auf den Schulhof durften. “Das war so ein Punkt, da wollte ich einfach mehr wissen und bin dann so richtig in Physik reingekommen.”

    Terlis Interesse für Meteorologie und die Klimakrise wurde aber erst ein paar Jahre später geweckt – als er im Videotext über eine Konferenz zum Thema las. Daraufhin entschied er sich, sein Studium der Nachrichtentechnik abzubrechen, das Abitur nachzuholen und Meteorologie an der FU Berlin zu studieren: “Ich habe mir gesagt: entweder riskiere ich das jetzt oder ich werde unglücklich.”

    Verzerrte Realität

    Nach seinem Studium macht Terli 2007 seinen Nebenjob bei wetter.com zum Hauptberuf, 2013 wechselt er schließlich zum ZDF. Dort hat er “alle Freiheiten”, sagt Terli, der sich immer wieder rechten Shitstorms ausgesetzt sieht, weil er die Klimakrise thematisiert: “Die versuchen mich mundtot zu machen und mich zu diskreditieren.” Aber dagegen wehrt sich Terli deutlich: “Da knallt es dann schon auch mal auf Twitter.”

    Zumal die Klimakatastrophe ja letztlich niemandem einen Vorteil bringe: “Das ist eine Lose-Lose-Situation“, sagt Terli. Da wäre es doch besser, man ziehe an einem Strang. Leider sei das Gegenteil der Fall. Teile der Politik trieben immer wieder eine “neue Sau durchs Dorf”, statt konsequente Klimapolitik anzustreben. Damit meint der Meteorologe Debatten ums Tempolimit oder die Debatte um E-Fuels, die jetzt das EU-Verbrenner-Aus bedroht. Derartiges ist für Terli “de facto Klimaleugnung” und er betont, dass es vor allem die Politik sei, die da nicht hinterherkomme. “Die Menschen und auch die Industrie sind schon viel weiter.” Martin Renz

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    • Klimaschutz

    Climate.Table Redaktion

    REDAKTION CLIMATE.TABLE

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