Ende der vergangenen Woche hat auch der Bundesrat die umstrittene Novelle des Klimaschutzgesetz (KSG) gebilligt, seine Abschwächung ist damit trotz aller Kritik und allen Protests besiegelt. Bei uns analysieren Alexandra Endres und Malte Kreutzfeldt für Sie, warum die aktuellen Klimaurteile aus Berlin auch nach der Abschwächung des KSGs noch relevant bleiben. Zudem lesen Sie, warum Klimaschützer jetzt an den Bundespräsidenten appellieren, das Gesetz nicht zu unterzeichnen.
Während die Bundesrepublik den Klimaschutz so abschwächt, ringt die EU damit, stärkere Vorgaben für den Klimaschutz in der Landwirtschaft zu machen. Bisher hatte sich die Branche immer erfolgreich dagegen gewehrt. Lukas Scheid und Julia Dahm diskutieren, wie ein CO₂-Preis im Agrar-Sektor aussehen könnte. Mit Blick auf Europa erklären wir außerdem, warum “Carbon Leakage” weiterhin ein Problem ist und welche Auswirkungen die US-amerikanischen Zölle auf die Batterieindustrie haben könnten.
Zudem berichten wir darüber, warum notwendige Anpassung für manche Bevölkerungsgruppen in Deutschland kaum leistbar ist. Und in unserem Standpunkt fordern die Experten Nicolás Aguila und Joscha Wullweber eine grüne Geldpolitik von Zentralbanken.
Wir behalten für Sie den Überblick!
Beste Grüße
Nach den jüngsten Urteilen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg wird die Bundesregierung ihre Klimapolitik nach Einschätzung von Experten nachschärfen müssen. Daran ändert auch die gerade beschlossene Novelle des Klimaschutzgesetzes nichts – denn wesentliche Kritikpunkte des Gerichts bleiben davon unberührt. Dass die Regierung das Urteil ignoriert, kann sich der Kläger-Anwalt Remo Klinger nicht vorstellen; was in diesem Fall geschehen würde, ist derzeit unklar.
Am Donnerstag hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zwei Klagen gewonnen: In der ersten forderte die Organisation ein “ausreichendes Klimaschutzprogramm”, um die vom Klimaschutzgesetz in seiner bisherigen Fassung verbindlich vorgeschriebenen Sektorziele in den Bereichen Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr nicht zu überschreiten. In der zweiten forderte sie ein ebenso “ausreichendes Klimaschutzprogramm”, um die Ziele im Landnutzungssektor (LULUCF) zu erreichen. Hier geht es allerdings nicht um zulässige Höchstemissionsmengen, sondern um natürliche Senken wie Wälder, Moore, Wiesen und Weiden, die jährlich eine bestimmte Menge CO₂ aufnehmen und speichern sollen, um klimaschädliche Emissionen auszugleichen.
Das Gericht kam zum Ergebnis, dass das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung aus dem Jahr 2023 den gesetzlichen Anforderungen in beiden Fällen nicht genüge. Laut seinem Urteil ist die Ampel nun verpflichtet, das Klimaschutzprogramm so zu ergänzen, dass
Außerdem urteilt das Gericht, “dass das Klimaschutzprogramm 2023 an methodischen Mängeln leide und teilweise auf unrealistischen Annahmen beruhe“.
Welche rechtlichen Folgen das Urteil im Detail haben wird, ist noch nicht ganz klar. Die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus. Allgemein wird erwartet, dass die Bundesregierung Revision einlegt – so wie sie das auch bei einem früheren Urteil des OVG getan hat, das sie im vergangenen Jahr verpflichtete, Klimaschutz-Sofortprogramme für die Sektoren Gebäude und Verkehr vorzulegen.
Eine BMWK-Sprecherin ließ diese Frage am Freitag offen. “Wir müssen uns dieses Urteil und seine Begründungen nun erst einmal genau anschauen und es auswerten”, erklärte sie. Im wahrscheinlichen Fall einer Revision wird vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt, und bis zu einem endgültigen Urteil würde noch einige Zeit vergehen. Erst, wenn es vorliegt, müsste die Bundesregierung handeln.
In dem Fall wäre bereits die Neufassung des Klimaschutzgesetzes in Kraft, die am Freitag den Bundesrat passierte. Und diese käme dann voraussichtlich auch zur Anwendung, meint Niklas Täuber, Umweltjurist an der FU Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kompetenznetzwerks “Zukunftsherausforderungen des Umweltrechts”. Wahrscheinlich ist nach etablierten Grundsätzen eine Urteilsfindung auf der Basis des novellierten Gesetzes”, sagte Täuber Table.Briefings.
Das sieht Umweltjurist Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertreten hat, genauso. “Ich gehe davon aus, dass im Revisionsverfahren das neue Gesetz gilt, weil es um ein Programm für die Zukunft geht”, sagte Klinger Table.Briefings. Viel würde sich dadurch aber nicht ändern, denn zwei der drei wesentlichen Urteilsgründe seien von der Novelle gar nicht betroffen. “Das LULUCF-Ziel und das Gesamtziel für 2030 bleiben dadurch ja unverändert.”
Auswirkungen hätte der neue Gesetzestext demnach nur auf das Verfehlen der Sektorziele. Dieser Punkt wäre nicht mehr relevant, weil diese durch die Novelle ihre rechtliche Verbindlichkeit verlieren. Maßgeblich bleiben würden aber das übergeordnete Emissionsziel von minus 65 Prozent bis 2030 sowie die LULUCF-Ziele, die recht eindeutig verfehlt werden: Statt 40 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr zu speichern, wie im Gesetz vorgesehen, werden Landnutzungsänderungen dem jüngsten Projektionsbericht zufolge nach 2040 sogar Treibhausgase freisetzen.
Im Verfahren wird dann wichtig sein, wie das Bundesverwaltungsgericht die Emissionsprognosen der Regierung für die kommenden Jahre bis 2030 bewertet. In ihrem 2023er-Projektionsbericht hatte die Ampel selbst eingeräumt, dass eine Lücke von rund 200 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten bleibe. Inzwischen gibt es aber neue Projektionen aus dem April 2024, die ein Einhalten des Gesamtziels für möglich halten. Diese hatte das OVG aber nicht berücksichtigt. In der mündlichen Urteilsbegründung hatte es kritisiert, dass diese unter anderem die Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) nicht berücksichtigten – sprich: Der aktuelle Projektionsbericht schätzt die zu erwartenden Emissionsminderungen zu optimistisch ein.
Inwieweit das stimmt, wird derzeit vom Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen geprüft. Doch Brigitte Knopf, die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, sagte in der Verhandlung vor dem OVG: Etwa die Hälfte der Maßnahmen im Klimaschutzprogramm seien finanzielle Förderprogramme – und durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehle es nun an Geld. Deshalb werde die Wirkung der von der Regierung angestrebten Klimaschutzmaßnahmen eher geringer ausfallen als bisher angenommen.
Zur Frage, was passieren müsste, um das Urteil umzusetzen, haben Umweltverbände klare Vorstellungen. Um das Gesamtziel bis 2030 zu erreichen, müsse vor allem im Verkehrssektor mehr passieren, meint DUH-Co-Chef Resch. Der zuständige Minister Volker Wissing dürfe nicht länger “Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen oder ein Stopp der Förderung klimaschädlicher Dienstwagen verweigern”. Und um die Ziele im LULUCF-Sektor zu erreichen, seien zusätzliche Finanzmittel erforderlich. “Angesichts der bevorstehenden Haushaltsverhandlungen fordern wir die Bundesregierung auf, endlich umfänglich klima- und umweltschädliche Subventionen abzubauen und wichtige Förderinstrumente wie das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz von weiteren Kürzungen auszunehmen“, sagt Florian Schöne, Geschäftsführer des Umwelt-Dachverbands DNR.
Diskutiert wird aufgrund der jüngsten Urteile auch über die Frage, was passiert, wenn die Regierung die Forderung des Gerichts nach einer Verschärfung der Klimaziele nicht nachkommt. Umweltjurist Täuber geht davon aus, dass sich ohne den entsprechenden politischen Willen wenig bewegen dürfte. “Folgt ein Bürger einem gerichtlichen Urteil nicht, dann kann der Staat es nötigenfalls mit Gewalt vollstrecken”, sagt Umweltjurist Täuber. “Wenn ein Gerichtsurteil jedoch einen staatlichen Akteur verpflichtet, wie hier die Bundesregierung, und dieser leistet dem nicht Folge, dann gibt es keine vergleichbaren Zwangsmöglichkeiten.”
DUH-Anwalt Klinger findet dagegen schon die Frage befremdlich, was passiert, wenn die Regierung das Urteil ignoriert. “Solange wir keine populistische Regierung haben, halte ich diese Diskussion für Unsinn”, sagt er. “Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass die Bundesregierung sich an höchstrichterliche Entscheidungen hält.”
Was passieren kann, wenn Behörden das nicht tun, ist vor ein paar Jahren deutlich geworden, als sich das Land Bayern weigerte, ein Urteil umzusetzen, das effektive Luftreinhaltung durch Diesel-Fahrverbote forderte. Damals waren zunächst Zwangsgelder verhängt worden. Dieses Mittel sei aber “letztlich folgenlos”, weil dadurch staatliches Geld nur “von einem Topf in den anderen wandert”, meint Täuber.
Ein noch härteres Mittel, nämlich Erzwingungshaft gegen die Verantwortlichen, sei – sofern rechtlich überhaupt zulässig – “schwierig durchsetzbar, jedenfalls aber politisch nicht tragbar”. DUH-Anwalt Klinger will über diese Möglichkeit nicht spekulieren, aber er dürfte die Details dazu gut kennen: Im Verfahren der DUH gegen das Land Bayern war er es seinerzeit, der die rechtliche Möglichkeit von Erzwingungshaft überprüfen ließ und diese später beantragte.
Die Zollerhöhung der USA auf chinesische E-Auto-Batterien wird eine Verlagerung chinesischer Exporte nach Europa nach sich ziehen. Vergangene Woche hatte US-Präsident Joe Biden weitere Zölle auf chinesische E-Auto-Batterien, Batterieteile, E-Autos und Solarpaneele beschlossen, um die Schwemme chinesischer Überkapazitäten zu Billigpreisen zu kontern.
Die Zölle für E-Auto-Batterien wurden auf das Dreifache gesteigert und liegen jetzt bei 25 Prozent. Im Jahr 2026 sollen auch die Zölle für Lithium-Ionen-Batterien angehoben werden, die in anderen Anwendungen zum Einsatz kommen, beispielsweise als Stromspeicher im Energiesystem. “Sollte Europa nicht nachziehen und ähnliche Zölle erheben, werden die chinesischen Batterien für Europa noch günstiger werden, denn die Überkapazitäten müssen ja irgendwohin“, sagt Dirk Uwe Sauer, Professor an der RWTH Aachen, zu Table.Briefings.
Für die europäischen Hersteller bedeutet das noch mehr Wettbewerb. “Für die Bemühungen von ACC, Northvolt, und VW beziehungsweise PowerCo, eigene Batterien in Europa herzustellen, wird das eine besondere Belastung”, sagt Sauer. Der Hochlauf neuer Fabriken falle dann in die Zeit eines absoluten Preiskampfs, und das mache es den Newcomern natürlich besonders schwer.
Auf dem Batteriemarkt gibt es schon heute gigantische Überkapazitäten. Allein China hat Produktionskapazitäten, die ausreichen würden, um die weltweite Nachfrage zu decken. Die Volksrepublik dominiert alle Schritte der Lieferkette. Experten warnen, dass die Überkapazitäten weiter steigen könnten. Denn in Europa, den USA und in China investieren viele Unternehmen weiterhin Milliarden-Summen.
Ende 2025 könnte es weltweit 7,9 Terawattstunden an Batterie-Produktionskapazität geben, haben Analysten von BloombergNEF (BNEF) errechnet. Die Nachfrage werde allerdings nur bei 1,6 Terawattstunden liegen. Selbst wenn viele dieser neuen Fabriken nicht aus dem Planungsstand herauskommen, “steuert der Markt auf ein noch größeres Überangebot zu” als ohnehin schon besteht, schreiben die BNEF-Experten.
Auch andere Experten gehen davon aus, dass die neuen US-Zölle “chinesische Batteriezellen nach Europa treiben könnten”, wie der Batterieexperte Andy Leyland von der Beratungsfirma Benchmark Minerals auf der Plattform X schreibt. Anfang des Jahres war Leyland noch optimistischer, was westliche Batteriehersteller angeht. “Die Auftragsbücher von [westlichen] Unternehmen wie Northvolt, LG Chem und Panasonic sind für Jahre gut gefüllt“, schrieb er.
Ihm zufolge befindet sich vielmehr China “in einer problematischen Lage”. Das Land müsse die Überkapazitäten in “chinesischen E-Autos, Elektronik und als Batterien für Stromspeicher exportieren”, sagt Leyland. Der Markt für Energiespeichersysteme werde ein gewaltiges zusätzliches Angebot von Batterien zur Ergänzung von Solar- und Windspeichern erleben. “Das ist ein schöner Schub für die Energiewende”, lautet Leylands Einschätzung.
Batterien sind eine der wichtigsten Zukunftstechnologien. Sie werden als das “neue Erdöl” betrachtet und gelten als “Schlüsseltechnologie” (“Master Key”), um den Umbau des Energie- und Verkehrssystems zu beschleunigen. Die Staaten, die im Batteriesektor führend sind, könnten zukünftig “große industrielle Gewinne” erzielen, wie die Internationale Energieagentur (IEA) in einem kürzlich veröffentlichten Bericht schreibt. Derzeit ist China noch führend in der Batterieindustrie. Europa ist zwar noch sehr abhängig von China, holt aber dank staatlicher Förderung und großer Investitionen auf.
Batterien gelten aus vielen Gründen als Schlüsseltechnologie:
Derzeit dominiert China noch große Teile der Batterielieferkette:
Die USA und Europa holen allerdings auf und konnten in den letzten Jahren zahlreiche Fabriken ansiedeln. Zudem befinden sich noch viele Fabriken im Planungsstadium. Laut IEA könnten die USA und Europa ihre Batterienachfrage bis 2030 aus eigener Produktion decken. Der NGO Transport and Environment (T&E) zufolge wäre das eventuell schon 2026 möglich.
Bei wichtigen Bauteilen wie den Kathoden und Anoden bleibt die chinesische Dominanz aber wohl auch in Zukunft bestehen, so die IEA. Auch T&E kritisiert, dass es in Europa erst zwei Fabriken für Kathoden gäbe, obwohl der Kontinent über viel Potenzial verfüge und mehr als die Hälfte der Nachfrage durch eigene Produktion decken könnte.
Chinas Marktdominanz geht auf eine langjährige Industriepolitik und Subventionen für Batteriehersteller zurück. Die Hersteller in der Volksrepublik gehören technologisch zu den führenden Unternehmen. Durch geringere Energie- und Lohnkosten als in Europa kann China große Mengen zu günstigen Preisen herstellen.
Wie sich die Hersteller in Europa am Markt bewähren können, wird auch von der Politik abhängen. Europa hat hier besonders große Wettbewerbsnachteile. In Europa sind “sowohl die Investitionsausgaben (CAPEX) als auch die Betriebskosten (OPEX) für den Bau und den Betrieb von Batteriezellen-, Komponenten- und Materialfabriken” besonders hoch, schreibt Transport and Environment. Würde Europa die gleiche staatliche Unterstützung anbieten wie die USA im Rahmen ihres Inflation Reduction Acts (IRA), kämen allein für die Betriebskosten von Batteriefabriken jährlich 2,6 Milliarden Euro an Kosten zusammen, rechnet die Organisation vor.
Doch es gibt auch andere Mittel, um die Industrie zu unterstützen: “Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards werden entscheidend sein, wenn es darum geht, Marktgewinner und -verlierer zu bestimmen”, schreibt die IEA. T&E fordert beispielsweise ein sicheres Investitionsumfeld und ein Festhalten am Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Zudem brauche es Investitionshilfen auf EU-Ebene und “stärkere Made in EU“-Anforderungen bei öffentlichen Ausschreibungen, Subventionen und EU-Zuschüssen und -Darlehen für EV- und Batteriehersteller.
Die Landwirtschaft verursacht nach Angaben der Europäischen Kommission mehr als zehn Prozent der EU-Treibhausgasemissionen. Der Ausstoß des Sektors sinkt seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Wie angesichts der EU-Klimaziele mit den Emissionen des Sektors umgegangen wird, könnte sich in der kommenden Legislaturperiode zu einer wichtigen Streitfrage entwickeln.
Umstritten ist vor allem, ob und wie die Landwirtschaft in den verpflichtenden EU-Emissionshandel einbezogen werden soll. Derzeit ist der Agrarsektor der einzige klimapolitisch relevante Sektor, dessen Treibhausgas-Ausstoß keiner Bepreisung unterworfen ist. Doch das Thema spaltet die Gemüter, selbst innerhalb der Europäischen Kommission.
Auf der einen Seite steht die Generaldirektion für Klimapolitik (CLIMA). Im vergangenen Jahr stieß sie die Debatte an, indem sie eine Studie zur CO₂-Bepreisung in der Landwirtschaft und ihrer Wertschöpfungskette in Auftrag gab. Die Studie solle auch zur politischen Debatte rund ums Klimaziel für 2040 beitragen, erklärte DG CLIMA zu deren Veröffentlichung im November.
Zurückhaltender zeigt man sich in der Generaldirektion Landwirtschaft (AGRI). Der Druck, die Emissionen des Agrarsektors zu reduzieren, sei hoch. Die Debatte um eine CO₂-Bepreisung nehme langsam Fahrt auf, räumte AGRI-Generaldirektor Wolfgang Burtscher kürzlich bei einer Veranstaltung in Brüssel ein. Aber: “Man kann stichhaltig dagegen argumentieren, dass Emissionen auch reduziert werden können, indem wir über die Gemeinsame Agrarpolitik inkrementelle Maßnahmen anreizen.”
Bisher hat das nicht funktioniert: Ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs von 2021 kommt zu dem Schluss, dass die GAP trotz hoher Fördersummen kaum zur Emissionsreduktion beigetragen hat. Bremsen dürfte die Debatte auch das politische Klima rund um die Bauernproteste. Im Februar hatte die Kommission in ihrer Empfehlung für das EU-Klimaziel 2040 die Passage zum Agrarsektor gegenüber früheren Entwürfen deutlich abgeschwächt. Und die Idee eines verpflichtenden Emissionshandels stößt auf wenig Gegenliebe in der Branche.
Die Einbeziehung in den gesetzlichen Emissionshandel sei “aufgrund der Struktur der Landwirtschaft, der Art der Emissionen auf Basis von natürlichen Prozessen” und administrativer Hürden “nicht möglich“, schreibt der Deutsche Bauernverband (DBV) in einem Positionspapier. Stattdessen setzt die Branche auf die freiwillige Vergütung von CO₂-Senken und auf positive finanzielle Anreize für Emissionsreduktionen. Ähnlich sieht es der EVP-Abgeordnete und Berichterstatter für den Emissionshandel, Peter Liese, der den Nutzen der Landwirte in den Vordergrund rücken will.
Doch die DG CLIMA gibt das Thema nicht auf: Die Generaldirektion hat eine neue Studie in Auftrag gegeben, die ab Mitte des Jahres erarbeitet werden soll. Damit könnten die Ergebnisse rechtzeitig vorliegen, wenn nach der Wahl die Pläne zum Klimaziel 2040 in ein Gesetz gegossen werden sollen und eine Folgenabschätzung für einen CO₂-Preis in der Landwirtschaft gebraucht würde.
Die Debatte ist in vollem Gang, in welcher Form Agraremissionen bepreist werden können, um das Verursacherprinzip auch auf die Landwirtschaft anzuwenden, wie es der Europäische Rechnungshof fordert. Eine Möglichkeit wäre eine CO₂-Steuer – die direkteste Form der CO₂-Bepreisung. Allerdings gilt diese wegen der Länderhoheit bei Steuerfragen als schwer umsetzbar.
Denkbar wäre, die Landwirtschaft in das bestehende Emissionshandelssystem der EU für Industrieanlagen einzubeziehen. Der Markt und die Struktur existieren bereits, die rechtliche Umsetzung wäre vergleichsweise einfach. Allerdings besteht der Agrarsektor aus mehr als neun Millionen landwirtschaftlichen Betrieben mit Emissionen von rund 400 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Die Auswirkungen von deren Einbeziehung auf die Preisstabilität im ETS wären nur schwer kalkulierbar und womöglich kontraproduktiv für den Klimaschutz.
Der Anreiz für Emissionsreduzierungen in den Sektoren, die bereits unter das ETS fallen, könnte sich durch sinkende Preise verringern, warnt Hugh McDonald. Er ist Fellow am Ecologic Institute und einer der Autoren der ersten Studie zur CO₂-Bepreisung im Agrarsektor für die DG CLIMA. “2050 ist es vielleicht sinnvoll, einen einzigen Preis für alle zu haben, aber wir sprechen im Moment über die nächsten zehn bis 15 Jahre.“
Außerdem müsse es für Landwirte und Landbesitzer auch Vorteile geben, sagt McDonald. “Sonst wird es schwierig, diese Politik durchzusetzen.” Gemeint ist die Belohnung des Kohlendioxidabbaus durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF). Möglich wäre, die Bepreisung von ausgestoßenen Treibhausgasen mit Vergütungen für versenkte Emissionen zu verknüpfen.
Mit einem solchen Modell käme die Kommission auch den Forderungen namhafter Ökonomen sowie des EU-Rechnungshofes nach, Landwirte für den CO₂-Abbau zu belohnen. Und man denkt offenbar auch schon in Brüssel darüber nach. Die Aufträge für die Erarbeitung der beiden Studien für ein Agrar-ETS kamen aus der Abteilung innerhalb der DG CLIMA, die für CO₂-Entnahmen zuständig ist, statt von den Emissionshandelsexperten der Generaldirektion.
Fraglich ist, ob die beiden Aktivitäten – Emittieren und Entnehmen – in einem einzigen System verknüpft werden können oder in zwei separaten. McDonald hält mittelfristig ein getrenntes System für sinnvoller. So könne man zwei getrennte Ziele haben – eins für die Emissionsreduzierung, eins für CO₂-Entnahmen. “Das Risiko bei einem kombinierten System besteht darin, dass es für die Landwirte billiger sein könnte, minderwertige Entnahme-Zertifikate zu kaufen, anstatt ihre eigenen Emissionen zu reduzieren.”
McDonald mahnt jedoch, sich in der Debatte nicht nur auf einen Agrar-ETS zu beschränken. Es gebe eine Reihe anderer politischer Maßnahmen, die einfacher und schneller umzusetzen seien und daher effektiver für die Verringerung der Agrarmissionen. Der Ökonom sieht nach wie vor großes Potenzial in der Neugestaltung der 60 Milliarden Euro schweren GAP-Subventionen als Klimaschutzinstrument. “Änderungen an der GAP sind politisch sehr schwierig, aber auf technischer Ebene haben wir bereits eine Struktur und all das Geld, das in das System fließt.”
Ein neues System wie ein ETS inklusive Vergütung für CO₂-Entnahmen müsste mit den riesigen Summen aus der GAP konkurrieren. Daher käme man ohnehin nicht um die Neugestaltung der GAP herum, wenn man die Emissionen aus der Landwirtschaft reduzieren will, glaubt McDonald. Auch das ist eine Aufgabe der nächsten Legislaturperiode: Im kommenden Jahr werden erste Ideen der Kommission dazu erwartet, wie die GAP nach Ende der aktuellen Förderperiode aussehen soll. Die derzeitige GAP läuft noch bis 2027, könnte aber verlängert werden.
Die Appelle von Umweltverbänden und dem CDU-Klimaexperten Andreas Jung (siehe Climate.Table von Donnerstag) haben nichts genützt: Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat die umstrittene Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSG) gebilligt. In der Sitzung am Freitag verzichteten die Ländervertreter darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das hatten im Vorfeld mehrere Umweltverbände gefordert.
Zudem war in der vergangenen Woche ein formaler Fehler im Gesetzestext bekannt geworden. Der Versuch, diesen ohne erneute Abstimmung zu korrigieren, war am Widerstand der Union gescheitert. Sie hatte gefordert, die Abstimmung im Bundesrat abzusetzen und das Gesetz zunächst erneut im Bundestag zu behandeln. Stattdessen wurde nun das fehlerhafte Gesetz ohne Debatte im Bundesrat angenommen. Der Fehler soll später in einem gesonderten Verfahren korrigiert werden.
Letzte Hürde ist nun die bei jedem Gesetz erforderliche Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten. Normalerweise ist dies eine reine Formalie; in diesem Fall hofft die Deutsche Umwelthilfe aber, dass Frank-Walter Steinmeier das Gesetz aufgrund des Fehlers und verfassungsrechtlicher Bedenken nicht unterzeichnet.
In einem Brief an den Bundespräsidenten führt DUH-Anwalt Remo Klinger detailliert aus, warum die Novelle seiner Einschätzung nach im Widerspruch zum von ihm mit erstrittenen Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 steht. Da die Gesetzesänderung, so endet das Schreiben, “aus den hier genannten Gründen verfassungswidrig ist, bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, das Gesetz nicht auszufertigen”. mkr
Der Einsatz von “sauberem Wasserstoff” könnte die Kosten der weltweiten Dekarbonisierung um 15 bis 22 Prozent senken. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie. Dafür haben die Forschenden das Global Change Analysis Model (GCAM) weiterentwickelt und Kosten und Nutzen von Einsatz von Wasserstoff in 24 Szenarien, in denen das Energiesystem 2050 klimaneutral ist, analysiert. Die Szenarien unterscheiden sich in den Annahmen bezüglich der sozioökonomischen Entwicklung sowie der Verfügbarkeit von Wasserstoff, Batterien und Netto-Negativ-Technologien (DACCS und BECCS).
Aufgrund von teuren, technischen Hindernissen kann Wasserstoff demnach bis 2050 nur drei bis neun Prozent der globalen Energieversorgung sicherstellen. Allerdings ist das Erreichen von Klimaneutralität in Szenarien mit Wasserstoff günstiger als in Szenarien ohne Wasserstoff. Gerade in schwer zu elektrifizierenden Sektoren wie Beispiel dem internationalen Schiffsverkehr oder bei Lasttransporten durch LKW führe sein Einsatz zu einer Kostenersparnis.
“Sauberer Wasserstoff” ist für die Forschenden nicht nur grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren, sondern auch sogenannter “blauer Wasserstoff”, bei dessen Herstellung Emissionen durch CCS aufgefangen werden sollen. Das sehen viele Experten kritisch: “Blauer Wasserstoff mit CCS ist aus Klimasicht keine vernünftige Lösung”, sagt Johan Lilliestam, Professor für Sustainability Transition Policy an Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zum einen könne damit nicht alles CO₂ in der Produktion abgefangen werden, zum anderen bestehe auch weiterhin das Problem mit Emissionen durch Pipelinelecks. kul
Um die langfristigen EU-Klimaziele zu erreichen, ist ein CO₂-Preis besser geeignet als ordnungspolitische Klimaschutzauflagen und nach Klimaschutzkriterien gesteuerte Subventionen. Das ist das Ergebnis eines Berichts des Centrums für Europäische Politik (Cep). Der Handel mit Emissionsrechten sei ökologisch wirksamer, wirtschaftlich kosteneffizienter, sozial akzeptabel und auch in Krisenzeiten politisch stabiler.
Die Experten empfehlen daher auch, das bestehende Emissionshandelssystem der EU für Energie und Industrie (ETS 1), auf die Sektoren Agrar und Landnutzung (LULUCF) auszuweiten. Zudem sollte das ETS 1 mit dem ETS 2 für Gebäudeheizung und Verkehr zusammengeführt werden. Zwei parallele Systeme seien vorübergehend zwar sinnvoll, doch mittel- bis langfristig schwäche dies Anreize für Emissionsreduzierungen, da es unterschiedliche Reduktionspfade gebe und somit unterschiedliche CO₂-Preise entstünden.
Darüber hinaus sehe die EU-Klimapolitik nach wie vor kein wirksames und umfassendes System zur Vermeidung der Verlagerung von CO₂-Emissionen (Carbon Leakage) vor. Das Fit-for-55-Paket schaffe keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen. Hintergrund ist, dass im internationalen Wettbewerb stehende europäische Produzenten künftig einem CO₂-Preis unterliegen, die internationalen Konkurrenten größtenteils jedoch nicht. Daher müsse die Lösung des Carbon-Leakage-Dilemmas “dringend ganz oben auf der EU-Agenda 2024-2029 stehen”, fordern die Cep-Experten.
Unilaterale Handelsmaßnahmen wie der CO₂-Grenzausgleich CBAM seien nur die “zweitbeste” Lösung und könnten sich sogar als kontraproduktiv erweisen. CBAM könnte umgangen werden, indem statt Rohstoffen, die CBAM unterliegen, bereits verarbeitete Produkte importiert werden, die nicht vom CBAM erfasst sind. Die EU solle stattdessen multilaterale Lösungen anstreben, beispielsweise durch internationale Klimaclubs oder gemeinsame Emissionshandelssysteme mit Drittländern. luk
Sanktionen gegen die Einfuhr von fossilen russischen Energieträgern in die EU sollten nach Ansicht der polnischen Regierung schneller und wirksamer umgesetzt werden. Das sagte Urszula Zielińska, Staatssekretärin aus dem polnischen Klima- und Umweltministerium, am Freitag beim Deutsch-Polnischen Energiewendeforum im Auswärtigen Amt in Berlin.
Insbesondere kritisierte die grüne Staatssekretärin, dass weiterhin die Einfuhr von verarbeiteten Ölprodukten wie Diesel aus russischem Rohöl über Drittstaaten wie Indien und die Türkei möglich sei. “Unter diesen Umständen hat die Klimapolitik der EU mit der Abkehr von Kohle, Erdgas und Öl hin zu sauberen Energiequellen eine neue Dimension angenommen”, sagte die Stellvertreterin von Ministerin Paulina Hennig-Kloska. Zielińska warf Russland vor, in Polen, Deutschland und anderen EU-Staaten Desinformationskampagnen zur Klimapolitik zu betreiben.
Als ein Thema für Kooperationen nannte Udo Philipp, Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium, den Bau von Offshore-Windparks. Polen habe im Bau von Fundamenten mehr Erfahrung als Deutschland: “Durch unsere Koordinierung könnten wir auch Infrastruktur wie Häfen und Schiffe effizienter nutzen.” Polen habe zudem Potenziale für Wasserstoffspeicher und die Flexibilisierung der Nachfrage. Zu letzterem Punkt hat das BMWK bereits eine Initiative mit Frankreich gestartet, um Erzeugungsspitzen erneuerbarer Energien besser in den europäischen Strommarkt zu integrieren. ber
Die Stiftung Klimaneutralität arbeitet mit Blick auf die Klimawende an einer Erfassung der sozialen Verhältnisse in Deutschland und den Folgen für die Auswahl geeigneter politischer Instrumente. Erste Ergebnisse wurden in der vergangene Woche vorgestellt. Sie beruhen auf 14 Datenkategorien (unter anderem Alter, Einkommen, Eigentumsform) und 20 gebildeten Clustern.
Zudem wurden 16 unterschiedliche Typen von Personen identifiziert (“Personas”). Die als “Generation Wärmepumpe” klassifizierte Gruppe von Bürgern, drei Prozent der Bevölkerung, hat in den vergangenen 20 Jahren am Rande einer Kleinstadt ein Haus gebaut oder neu gekauft. Der Energiebedarf sei schon gering und es seien für die Wärmewende keine großen Investitionen mehr notwendig. Aufgrund einer “ordentlichen finanziellen Situation” mit einer Kaufkraft hätten sie auch schon mit dem Umstieg auf E-Mobilität begonnen.
Ganz anders ist die Situation der “prekären Aufbaugeneration”, 15 Prozent der Bevölkerung. Die Menschen seien im Schnitt 79 Jahre alt und wohnten in oft sehr alten Eigenheimen. Diese könnten sie auch mit einem großen Förderprogramm “aus eigener Kraft nicht klimaneutral” machen. Für diese Menschen seien weder E-Autos noch ÖPNV realistische Alternativen für eine klimaneutrale Mobilität.
Notwendig sei für die Bürger mit schlechter Anpassungsfähigkeit ein Ausbau der Daseinsvorsorge, also der Ausbau von Wärmenetzen und der öffentliche Personennahverkehr. Wichtig sei auch:
Ein großes Gefälle gibt es hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit der Bürger zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen Städten selbst (siehe Grafik). Entsprechend unterschiedlich sind die regionalen Bedarfe bei der Klima- und Mobilitätswende. cd
Angesichts der höchsten Inflation seit mehr als vier Jahrzehnten haben die Zentralbanken der wichtigsten Volkswirtschaften seit 2022 schrittweise die Zinssätze erhöht und eine Politik der quantitativen Straffung (QT) eingeleitet.
In unserem jüngsten Artikel argumentieren wir, dass Leitzinserhöhungen die umweltbedingten Ursachen der Inflation nicht berücksichtigen und sogar die langfristige Inflation verschärfen können, da sie die notwendigen Investitionen für den grünen Wandel verteuern und damit verzögern.
Stattdessen ist ein geldpolitischer Rahmen erforderlich, der sowohl die Inflation als auch die Umweltkrise bekämpfen kann. Fabio Panetta, der derzeitige Gouverneur der Bank von Italien und ehemaliges EZB-Direktoriumsmitglied, nannte solche Ansätze “grüner und billiger“.
Zinserhöhungen wirken sich auf nachhaltige Investitionen im Vergleich zu kohlenstoffintensiven Investitionen überproportional stark aus. Nachhaltige Investitionen sind kapitalintensiver, erfordern größere Vorleistungen und benötigen eine größere Fremdfinanzierung. Folglich reagieren sie empfindlicher auf Kostensteigerungen (insbesondere bei den Kreditkosten) als ihre kohlenstoffintensiven Konkurrenten.
Darüber hinaus hat QT auch das Potenzial der quantitativen Lockerung (QE) zur Unterstützung grüner Investitionen durch einfachere Finanzierung und niedrigere Kreditkosten deutlich verringert. Höhere Zinssätze können also den grünen Übergang verzögern, indem sie die Kosten für nachhaltige Investitionen erhöhen. Diese Politik ist daher nicht nur klimapolitisch kurzsichtig, sondern verschlechtert zugleich auch die Aussichten auf Preisstabilität.
Empirische Studien zeigen, dass die Umweltkrise auch eine Quelle der Inflation darstellt. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel nennt drei Arten von Schocks, die sich auf die Preise auswirken können:
Das gegenwärtige makroökonomische Umfeld erfordert einen geldpolitischen Ansatz, der die Klima- und Umweltkrise adressiert und gleichzeitig die Inflation bekämpft. Dies ist nicht nur aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen notwendig, sondern steht auch im Einklang mit dem Hauptauftrag der Zentralbanken.
In der Fachliteratur werden zahlreiche Instrumente diskutiert, die zu diesem Zweck eingesetzt werden könnten, darunter Ankäufe von Vermögenswerten, Kreditvergabepolitik und Finanzvorschriften. Ein besonders vielversprechender Ansatz ist die direkte Kreditvergabe, die früher in fortgeschrittenen Volkswirtschaften üblich war und auch heute noch in einigen Entwicklungsländern angewendet wird. Hierbei lenken die Zentralbanken die Kreditvergabepraxis in eine grüne Richtung. Es gibt eine Vielzahl an Instrumenten, die zu diesem Zweck herangezogen werden können, die positive Effekte auf Banken, Unternehmen und Regierung haben. Dazu zählen
Darüber hinaus wurde die Politik der Kreditsteuerung in der Vergangenheit erfolgreich zur Bekämpfung der Inflation eingesetzt.
Obwohl es zahlreiche Belege dafür gibt, dass die derzeitige Inflation nicht nur auf die Fossilflation, sondern auch auf angebotsseitige Faktoren wie die Unterbrechung der Lieferketten infolge von COVID, den Krieg in der Ukraine und den Anstieg der Unternehmensgewinne zurückzuführen ist, orientieren sich die Zentralbanken bei ihrer Geldpolitik nach wie vor an den gängigen Modellen. Diese gehen davon aus, dass die Inflation vor allem durch einen Überschuss der Gesamtnachfrage zu erklären ist.
Wenn die Zentralbanken nicht auch andere Inflationsursachen und die dafür erforderlichen Gegenmaßnahmen in Betracht ziehen, werden sie mit der Zinserhöhung den Preisanstieg nicht in den Griff bekommen. Außerdem fügen sie der Wirtschaft unnötigen Schaden zu, indem sie die Arbeitslosigkeit erhöhen und die Finanzstabilität gefährden. Die EZB hatte Umwelt- und Klimafaktoren bislang vor allem als Risiken für die Finanzstabilität betrachtet. In jüngster Zeit hat sie jedoch damit begonnen, auch die Auswirkungen dieser Phänomene auf die Preisstabilität in ihre Analyse miteinzubeziehen. Diese Überlegungen müssen jedoch noch in eine neue Geldpolitik umgesetzt werden.
Mit der Verschärfung der Umwelt- und Klimakrise wird es immer dringlicher, den grünen Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft zu beschleunigen. Allein die Änderung der Anreizstruktur innerhalb desselben Rahmens wird nicht ausreichen, um die finanziellen Ressourcen zu mobilisieren, die für den grünen Wandel erforderlich sind. Eine nachhaltige Umgestaltung des Staates und des Finanzsystems setzt jedoch voraus, dass die Zentralbanken selbst mutiger eingreifen und sich als Akteure des Wandels begreifen. Würde die EZB eine solche Rolle übernehmen, wäre sie in der Lage, effektiv und gezielt Kredite in Richtung kohlenstoffarmer oder -freier Investitionen zu lenken und könnte auf diese Weise die nachhaltige Transformation maßgeblich und entscheidend unterstützen.
Nicolás Aguila ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Witten/Herdecke.
Joscha Wullweber ist Heisenberg-Professor für Politische Ökonomie, Transformation und Nachhaltigkeit sowie Direktor des Internationalen Zentrums für nachhaltige und gerechte Transformation an der Universität Witten/Herdecke.
Ende der vergangenen Woche hat auch der Bundesrat die umstrittene Novelle des Klimaschutzgesetz (KSG) gebilligt, seine Abschwächung ist damit trotz aller Kritik und allen Protests besiegelt. Bei uns analysieren Alexandra Endres und Malte Kreutzfeldt für Sie, warum die aktuellen Klimaurteile aus Berlin auch nach der Abschwächung des KSGs noch relevant bleiben. Zudem lesen Sie, warum Klimaschützer jetzt an den Bundespräsidenten appellieren, das Gesetz nicht zu unterzeichnen.
Während die Bundesrepublik den Klimaschutz so abschwächt, ringt die EU damit, stärkere Vorgaben für den Klimaschutz in der Landwirtschaft zu machen. Bisher hatte sich die Branche immer erfolgreich dagegen gewehrt. Lukas Scheid und Julia Dahm diskutieren, wie ein CO₂-Preis im Agrar-Sektor aussehen könnte. Mit Blick auf Europa erklären wir außerdem, warum “Carbon Leakage” weiterhin ein Problem ist und welche Auswirkungen die US-amerikanischen Zölle auf die Batterieindustrie haben könnten.
Zudem berichten wir darüber, warum notwendige Anpassung für manche Bevölkerungsgruppen in Deutschland kaum leistbar ist. Und in unserem Standpunkt fordern die Experten Nicolás Aguila und Joscha Wullweber eine grüne Geldpolitik von Zentralbanken.
Wir behalten für Sie den Überblick!
Beste Grüße
Nach den jüngsten Urteilen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg wird die Bundesregierung ihre Klimapolitik nach Einschätzung von Experten nachschärfen müssen. Daran ändert auch die gerade beschlossene Novelle des Klimaschutzgesetzes nichts – denn wesentliche Kritikpunkte des Gerichts bleiben davon unberührt. Dass die Regierung das Urteil ignoriert, kann sich der Kläger-Anwalt Remo Klinger nicht vorstellen; was in diesem Fall geschehen würde, ist derzeit unklar.
Am Donnerstag hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zwei Klagen gewonnen: In der ersten forderte die Organisation ein “ausreichendes Klimaschutzprogramm”, um die vom Klimaschutzgesetz in seiner bisherigen Fassung verbindlich vorgeschriebenen Sektorziele in den Bereichen Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr nicht zu überschreiten. In der zweiten forderte sie ein ebenso “ausreichendes Klimaschutzprogramm”, um die Ziele im Landnutzungssektor (LULUCF) zu erreichen. Hier geht es allerdings nicht um zulässige Höchstemissionsmengen, sondern um natürliche Senken wie Wälder, Moore, Wiesen und Weiden, die jährlich eine bestimmte Menge CO₂ aufnehmen und speichern sollen, um klimaschädliche Emissionen auszugleichen.
Das Gericht kam zum Ergebnis, dass das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung aus dem Jahr 2023 den gesetzlichen Anforderungen in beiden Fällen nicht genüge. Laut seinem Urteil ist die Ampel nun verpflichtet, das Klimaschutzprogramm so zu ergänzen, dass
Außerdem urteilt das Gericht, “dass das Klimaschutzprogramm 2023 an methodischen Mängeln leide und teilweise auf unrealistischen Annahmen beruhe“.
Welche rechtlichen Folgen das Urteil im Detail haben wird, ist noch nicht ganz klar. Die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus. Allgemein wird erwartet, dass die Bundesregierung Revision einlegt – so wie sie das auch bei einem früheren Urteil des OVG getan hat, das sie im vergangenen Jahr verpflichtete, Klimaschutz-Sofortprogramme für die Sektoren Gebäude und Verkehr vorzulegen.
Eine BMWK-Sprecherin ließ diese Frage am Freitag offen. “Wir müssen uns dieses Urteil und seine Begründungen nun erst einmal genau anschauen und es auswerten”, erklärte sie. Im wahrscheinlichen Fall einer Revision wird vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt, und bis zu einem endgültigen Urteil würde noch einige Zeit vergehen. Erst, wenn es vorliegt, müsste die Bundesregierung handeln.
In dem Fall wäre bereits die Neufassung des Klimaschutzgesetzes in Kraft, die am Freitag den Bundesrat passierte. Und diese käme dann voraussichtlich auch zur Anwendung, meint Niklas Täuber, Umweltjurist an der FU Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kompetenznetzwerks “Zukunftsherausforderungen des Umweltrechts”. Wahrscheinlich ist nach etablierten Grundsätzen eine Urteilsfindung auf der Basis des novellierten Gesetzes”, sagte Täuber Table.Briefings.
Das sieht Umweltjurist Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertreten hat, genauso. “Ich gehe davon aus, dass im Revisionsverfahren das neue Gesetz gilt, weil es um ein Programm für die Zukunft geht”, sagte Klinger Table.Briefings. Viel würde sich dadurch aber nicht ändern, denn zwei der drei wesentlichen Urteilsgründe seien von der Novelle gar nicht betroffen. “Das LULUCF-Ziel und das Gesamtziel für 2030 bleiben dadurch ja unverändert.”
Auswirkungen hätte der neue Gesetzestext demnach nur auf das Verfehlen der Sektorziele. Dieser Punkt wäre nicht mehr relevant, weil diese durch die Novelle ihre rechtliche Verbindlichkeit verlieren. Maßgeblich bleiben würden aber das übergeordnete Emissionsziel von minus 65 Prozent bis 2030 sowie die LULUCF-Ziele, die recht eindeutig verfehlt werden: Statt 40 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr zu speichern, wie im Gesetz vorgesehen, werden Landnutzungsänderungen dem jüngsten Projektionsbericht zufolge nach 2040 sogar Treibhausgase freisetzen.
Im Verfahren wird dann wichtig sein, wie das Bundesverwaltungsgericht die Emissionsprognosen der Regierung für die kommenden Jahre bis 2030 bewertet. In ihrem 2023er-Projektionsbericht hatte die Ampel selbst eingeräumt, dass eine Lücke von rund 200 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten bleibe. Inzwischen gibt es aber neue Projektionen aus dem April 2024, die ein Einhalten des Gesamtziels für möglich halten. Diese hatte das OVG aber nicht berücksichtigt. In der mündlichen Urteilsbegründung hatte es kritisiert, dass diese unter anderem die Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) nicht berücksichtigten – sprich: Der aktuelle Projektionsbericht schätzt die zu erwartenden Emissionsminderungen zu optimistisch ein.
Inwieweit das stimmt, wird derzeit vom Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen geprüft. Doch Brigitte Knopf, die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, sagte in der Verhandlung vor dem OVG: Etwa die Hälfte der Maßnahmen im Klimaschutzprogramm seien finanzielle Förderprogramme – und durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehle es nun an Geld. Deshalb werde die Wirkung der von der Regierung angestrebten Klimaschutzmaßnahmen eher geringer ausfallen als bisher angenommen.
Zur Frage, was passieren müsste, um das Urteil umzusetzen, haben Umweltverbände klare Vorstellungen. Um das Gesamtziel bis 2030 zu erreichen, müsse vor allem im Verkehrssektor mehr passieren, meint DUH-Co-Chef Resch. Der zuständige Minister Volker Wissing dürfe nicht länger “Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen oder ein Stopp der Förderung klimaschädlicher Dienstwagen verweigern”. Und um die Ziele im LULUCF-Sektor zu erreichen, seien zusätzliche Finanzmittel erforderlich. “Angesichts der bevorstehenden Haushaltsverhandlungen fordern wir die Bundesregierung auf, endlich umfänglich klima- und umweltschädliche Subventionen abzubauen und wichtige Förderinstrumente wie das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz von weiteren Kürzungen auszunehmen“, sagt Florian Schöne, Geschäftsführer des Umwelt-Dachverbands DNR.
Diskutiert wird aufgrund der jüngsten Urteile auch über die Frage, was passiert, wenn die Regierung die Forderung des Gerichts nach einer Verschärfung der Klimaziele nicht nachkommt. Umweltjurist Täuber geht davon aus, dass sich ohne den entsprechenden politischen Willen wenig bewegen dürfte. “Folgt ein Bürger einem gerichtlichen Urteil nicht, dann kann der Staat es nötigenfalls mit Gewalt vollstrecken”, sagt Umweltjurist Täuber. “Wenn ein Gerichtsurteil jedoch einen staatlichen Akteur verpflichtet, wie hier die Bundesregierung, und dieser leistet dem nicht Folge, dann gibt es keine vergleichbaren Zwangsmöglichkeiten.”
DUH-Anwalt Klinger findet dagegen schon die Frage befremdlich, was passiert, wenn die Regierung das Urteil ignoriert. “Solange wir keine populistische Regierung haben, halte ich diese Diskussion für Unsinn”, sagt er. “Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass die Bundesregierung sich an höchstrichterliche Entscheidungen hält.”
Was passieren kann, wenn Behörden das nicht tun, ist vor ein paar Jahren deutlich geworden, als sich das Land Bayern weigerte, ein Urteil umzusetzen, das effektive Luftreinhaltung durch Diesel-Fahrverbote forderte. Damals waren zunächst Zwangsgelder verhängt worden. Dieses Mittel sei aber “letztlich folgenlos”, weil dadurch staatliches Geld nur “von einem Topf in den anderen wandert”, meint Täuber.
Ein noch härteres Mittel, nämlich Erzwingungshaft gegen die Verantwortlichen, sei – sofern rechtlich überhaupt zulässig – “schwierig durchsetzbar, jedenfalls aber politisch nicht tragbar”. DUH-Anwalt Klinger will über diese Möglichkeit nicht spekulieren, aber er dürfte die Details dazu gut kennen: Im Verfahren der DUH gegen das Land Bayern war er es seinerzeit, der die rechtliche Möglichkeit von Erzwingungshaft überprüfen ließ und diese später beantragte.
Die Zollerhöhung der USA auf chinesische E-Auto-Batterien wird eine Verlagerung chinesischer Exporte nach Europa nach sich ziehen. Vergangene Woche hatte US-Präsident Joe Biden weitere Zölle auf chinesische E-Auto-Batterien, Batterieteile, E-Autos und Solarpaneele beschlossen, um die Schwemme chinesischer Überkapazitäten zu Billigpreisen zu kontern.
Die Zölle für E-Auto-Batterien wurden auf das Dreifache gesteigert und liegen jetzt bei 25 Prozent. Im Jahr 2026 sollen auch die Zölle für Lithium-Ionen-Batterien angehoben werden, die in anderen Anwendungen zum Einsatz kommen, beispielsweise als Stromspeicher im Energiesystem. “Sollte Europa nicht nachziehen und ähnliche Zölle erheben, werden die chinesischen Batterien für Europa noch günstiger werden, denn die Überkapazitäten müssen ja irgendwohin“, sagt Dirk Uwe Sauer, Professor an der RWTH Aachen, zu Table.Briefings.
Für die europäischen Hersteller bedeutet das noch mehr Wettbewerb. “Für die Bemühungen von ACC, Northvolt, und VW beziehungsweise PowerCo, eigene Batterien in Europa herzustellen, wird das eine besondere Belastung”, sagt Sauer. Der Hochlauf neuer Fabriken falle dann in die Zeit eines absoluten Preiskampfs, und das mache es den Newcomern natürlich besonders schwer.
Auf dem Batteriemarkt gibt es schon heute gigantische Überkapazitäten. Allein China hat Produktionskapazitäten, die ausreichen würden, um die weltweite Nachfrage zu decken. Die Volksrepublik dominiert alle Schritte der Lieferkette. Experten warnen, dass die Überkapazitäten weiter steigen könnten. Denn in Europa, den USA und in China investieren viele Unternehmen weiterhin Milliarden-Summen.
Ende 2025 könnte es weltweit 7,9 Terawattstunden an Batterie-Produktionskapazität geben, haben Analysten von BloombergNEF (BNEF) errechnet. Die Nachfrage werde allerdings nur bei 1,6 Terawattstunden liegen. Selbst wenn viele dieser neuen Fabriken nicht aus dem Planungsstand herauskommen, “steuert der Markt auf ein noch größeres Überangebot zu” als ohnehin schon besteht, schreiben die BNEF-Experten.
Auch andere Experten gehen davon aus, dass die neuen US-Zölle “chinesische Batteriezellen nach Europa treiben könnten”, wie der Batterieexperte Andy Leyland von der Beratungsfirma Benchmark Minerals auf der Plattform X schreibt. Anfang des Jahres war Leyland noch optimistischer, was westliche Batteriehersteller angeht. “Die Auftragsbücher von [westlichen] Unternehmen wie Northvolt, LG Chem und Panasonic sind für Jahre gut gefüllt“, schrieb er.
Ihm zufolge befindet sich vielmehr China “in einer problematischen Lage”. Das Land müsse die Überkapazitäten in “chinesischen E-Autos, Elektronik und als Batterien für Stromspeicher exportieren”, sagt Leyland. Der Markt für Energiespeichersysteme werde ein gewaltiges zusätzliches Angebot von Batterien zur Ergänzung von Solar- und Windspeichern erleben. “Das ist ein schöner Schub für die Energiewende”, lautet Leylands Einschätzung.
Batterien sind eine der wichtigsten Zukunftstechnologien. Sie werden als das “neue Erdöl” betrachtet und gelten als “Schlüsseltechnologie” (“Master Key”), um den Umbau des Energie- und Verkehrssystems zu beschleunigen. Die Staaten, die im Batteriesektor führend sind, könnten zukünftig “große industrielle Gewinne” erzielen, wie die Internationale Energieagentur (IEA) in einem kürzlich veröffentlichten Bericht schreibt. Derzeit ist China noch führend in der Batterieindustrie. Europa ist zwar noch sehr abhängig von China, holt aber dank staatlicher Förderung und großer Investitionen auf.
Batterien gelten aus vielen Gründen als Schlüsseltechnologie:
Derzeit dominiert China noch große Teile der Batterielieferkette:
Die USA und Europa holen allerdings auf und konnten in den letzten Jahren zahlreiche Fabriken ansiedeln. Zudem befinden sich noch viele Fabriken im Planungsstadium. Laut IEA könnten die USA und Europa ihre Batterienachfrage bis 2030 aus eigener Produktion decken. Der NGO Transport and Environment (T&E) zufolge wäre das eventuell schon 2026 möglich.
Bei wichtigen Bauteilen wie den Kathoden und Anoden bleibt die chinesische Dominanz aber wohl auch in Zukunft bestehen, so die IEA. Auch T&E kritisiert, dass es in Europa erst zwei Fabriken für Kathoden gäbe, obwohl der Kontinent über viel Potenzial verfüge und mehr als die Hälfte der Nachfrage durch eigene Produktion decken könnte.
Chinas Marktdominanz geht auf eine langjährige Industriepolitik und Subventionen für Batteriehersteller zurück. Die Hersteller in der Volksrepublik gehören technologisch zu den führenden Unternehmen. Durch geringere Energie- und Lohnkosten als in Europa kann China große Mengen zu günstigen Preisen herstellen.
Wie sich die Hersteller in Europa am Markt bewähren können, wird auch von der Politik abhängen. Europa hat hier besonders große Wettbewerbsnachteile. In Europa sind “sowohl die Investitionsausgaben (CAPEX) als auch die Betriebskosten (OPEX) für den Bau und den Betrieb von Batteriezellen-, Komponenten- und Materialfabriken” besonders hoch, schreibt Transport and Environment. Würde Europa die gleiche staatliche Unterstützung anbieten wie die USA im Rahmen ihres Inflation Reduction Acts (IRA), kämen allein für die Betriebskosten von Batteriefabriken jährlich 2,6 Milliarden Euro an Kosten zusammen, rechnet die Organisation vor.
Doch es gibt auch andere Mittel, um die Industrie zu unterstützen: “Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards werden entscheidend sein, wenn es darum geht, Marktgewinner und -verlierer zu bestimmen”, schreibt die IEA. T&E fordert beispielsweise ein sicheres Investitionsumfeld und ein Festhalten am Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Zudem brauche es Investitionshilfen auf EU-Ebene und “stärkere Made in EU“-Anforderungen bei öffentlichen Ausschreibungen, Subventionen und EU-Zuschüssen und -Darlehen für EV- und Batteriehersteller.
Die Landwirtschaft verursacht nach Angaben der Europäischen Kommission mehr als zehn Prozent der EU-Treibhausgasemissionen. Der Ausstoß des Sektors sinkt seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Wie angesichts der EU-Klimaziele mit den Emissionen des Sektors umgegangen wird, könnte sich in der kommenden Legislaturperiode zu einer wichtigen Streitfrage entwickeln.
Umstritten ist vor allem, ob und wie die Landwirtschaft in den verpflichtenden EU-Emissionshandel einbezogen werden soll. Derzeit ist der Agrarsektor der einzige klimapolitisch relevante Sektor, dessen Treibhausgas-Ausstoß keiner Bepreisung unterworfen ist. Doch das Thema spaltet die Gemüter, selbst innerhalb der Europäischen Kommission.
Auf der einen Seite steht die Generaldirektion für Klimapolitik (CLIMA). Im vergangenen Jahr stieß sie die Debatte an, indem sie eine Studie zur CO₂-Bepreisung in der Landwirtschaft und ihrer Wertschöpfungskette in Auftrag gab. Die Studie solle auch zur politischen Debatte rund ums Klimaziel für 2040 beitragen, erklärte DG CLIMA zu deren Veröffentlichung im November.
Zurückhaltender zeigt man sich in der Generaldirektion Landwirtschaft (AGRI). Der Druck, die Emissionen des Agrarsektors zu reduzieren, sei hoch. Die Debatte um eine CO₂-Bepreisung nehme langsam Fahrt auf, räumte AGRI-Generaldirektor Wolfgang Burtscher kürzlich bei einer Veranstaltung in Brüssel ein. Aber: “Man kann stichhaltig dagegen argumentieren, dass Emissionen auch reduziert werden können, indem wir über die Gemeinsame Agrarpolitik inkrementelle Maßnahmen anreizen.”
Bisher hat das nicht funktioniert: Ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs von 2021 kommt zu dem Schluss, dass die GAP trotz hoher Fördersummen kaum zur Emissionsreduktion beigetragen hat. Bremsen dürfte die Debatte auch das politische Klima rund um die Bauernproteste. Im Februar hatte die Kommission in ihrer Empfehlung für das EU-Klimaziel 2040 die Passage zum Agrarsektor gegenüber früheren Entwürfen deutlich abgeschwächt. Und die Idee eines verpflichtenden Emissionshandels stößt auf wenig Gegenliebe in der Branche.
Die Einbeziehung in den gesetzlichen Emissionshandel sei “aufgrund der Struktur der Landwirtschaft, der Art der Emissionen auf Basis von natürlichen Prozessen” und administrativer Hürden “nicht möglich“, schreibt der Deutsche Bauernverband (DBV) in einem Positionspapier. Stattdessen setzt die Branche auf die freiwillige Vergütung von CO₂-Senken und auf positive finanzielle Anreize für Emissionsreduktionen. Ähnlich sieht es der EVP-Abgeordnete und Berichterstatter für den Emissionshandel, Peter Liese, der den Nutzen der Landwirte in den Vordergrund rücken will.
Doch die DG CLIMA gibt das Thema nicht auf: Die Generaldirektion hat eine neue Studie in Auftrag gegeben, die ab Mitte des Jahres erarbeitet werden soll. Damit könnten die Ergebnisse rechtzeitig vorliegen, wenn nach der Wahl die Pläne zum Klimaziel 2040 in ein Gesetz gegossen werden sollen und eine Folgenabschätzung für einen CO₂-Preis in der Landwirtschaft gebraucht würde.
Die Debatte ist in vollem Gang, in welcher Form Agraremissionen bepreist werden können, um das Verursacherprinzip auch auf die Landwirtschaft anzuwenden, wie es der Europäische Rechnungshof fordert. Eine Möglichkeit wäre eine CO₂-Steuer – die direkteste Form der CO₂-Bepreisung. Allerdings gilt diese wegen der Länderhoheit bei Steuerfragen als schwer umsetzbar.
Denkbar wäre, die Landwirtschaft in das bestehende Emissionshandelssystem der EU für Industrieanlagen einzubeziehen. Der Markt und die Struktur existieren bereits, die rechtliche Umsetzung wäre vergleichsweise einfach. Allerdings besteht der Agrarsektor aus mehr als neun Millionen landwirtschaftlichen Betrieben mit Emissionen von rund 400 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Die Auswirkungen von deren Einbeziehung auf die Preisstabilität im ETS wären nur schwer kalkulierbar und womöglich kontraproduktiv für den Klimaschutz.
Der Anreiz für Emissionsreduzierungen in den Sektoren, die bereits unter das ETS fallen, könnte sich durch sinkende Preise verringern, warnt Hugh McDonald. Er ist Fellow am Ecologic Institute und einer der Autoren der ersten Studie zur CO₂-Bepreisung im Agrarsektor für die DG CLIMA. “2050 ist es vielleicht sinnvoll, einen einzigen Preis für alle zu haben, aber wir sprechen im Moment über die nächsten zehn bis 15 Jahre.“
Außerdem müsse es für Landwirte und Landbesitzer auch Vorteile geben, sagt McDonald. “Sonst wird es schwierig, diese Politik durchzusetzen.” Gemeint ist die Belohnung des Kohlendioxidabbaus durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF). Möglich wäre, die Bepreisung von ausgestoßenen Treibhausgasen mit Vergütungen für versenkte Emissionen zu verknüpfen.
Mit einem solchen Modell käme die Kommission auch den Forderungen namhafter Ökonomen sowie des EU-Rechnungshofes nach, Landwirte für den CO₂-Abbau zu belohnen. Und man denkt offenbar auch schon in Brüssel darüber nach. Die Aufträge für die Erarbeitung der beiden Studien für ein Agrar-ETS kamen aus der Abteilung innerhalb der DG CLIMA, die für CO₂-Entnahmen zuständig ist, statt von den Emissionshandelsexperten der Generaldirektion.
Fraglich ist, ob die beiden Aktivitäten – Emittieren und Entnehmen – in einem einzigen System verknüpft werden können oder in zwei separaten. McDonald hält mittelfristig ein getrenntes System für sinnvoller. So könne man zwei getrennte Ziele haben – eins für die Emissionsreduzierung, eins für CO₂-Entnahmen. “Das Risiko bei einem kombinierten System besteht darin, dass es für die Landwirte billiger sein könnte, minderwertige Entnahme-Zertifikate zu kaufen, anstatt ihre eigenen Emissionen zu reduzieren.”
McDonald mahnt jedoch, sich in der Debatte nicht nur auf einen Agrar-ETS zu beschränken. Es gebe eine Reihe anderer politischer Maßnahmen, die einfacher und schneller umzusetzen seien und daher effektiver für die Verringerung der Agrarmissionen. Der Ökonom sieht nach wie vor großes Potenzial in der Neugestaltung der 60 Milliarden Euro schweren GAP-Subventionen als Klimaschutzinstrument. “Änderungen an der GAP sind politisch sehr schwierig, aber auf technischer Ebene haben wir bereits eine Struktur und all das Geld, das in das System fließt.”
Ein neues System wie ein ETS inklusive Vergütung für CO₂-Entnahmen müsste mit den riesigen Summen aus der GAP konkurrieren. Daher käme man ohnehin nicht um die Neugestaltung der GAP herum, wenn man die Emissionen aus der Landwirtschaft reduzieren will, glaubt McDonald. Auch das ist eine Aufgabe der nächsten Legislaturperiode: Im kommenden Jahr werden erste Ideen der Kommission dazu erwartet, wie die GAP nach Ende der aktuellen Förderperiode aussehen soll. Die derzeitige GAP läuft noch bis 2027, könnte aber verlängert werden.
Die Appelle von Umweltverbänden und dem CDU-Klimaexperten Andreas Jung (siehe Climate.Table von Donnerstag) haben nichts genützt: Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat die umstrittene Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSG) gebilligt. In der Sitzung am Freitag verzichteten die Ländervertreter darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das hatten im Vorfeld mehrere Umweltverbände gefordert.
Zudem war in der vergangenen Woche ein formaler Fehler im Gesetzestext bekannt geworden. Der Versuch, diesen ohne erneute Abstimmung zu korrigieren, war am Widerstand der Union gescheitert. Sie hatte gefordert, die Abstimmung im Bundesrat abzusetzen und das Gesetz zunächst erneut im Bundestag zu behandeln. Stattdessen wurde nun das fehlerhafte Gesetz ohne Debatte im Bundesrat angenommen. Der Fehler soll später in einem gesonderten Verfahren korrigiert werden.
Letzte Hürde ist nun die bei jedem Gesetz erforderliche Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten. Normalerweise ist dies eine reine Formalie; in diesem Fall hofft die Deutsche Umwelthilfe aber, dass Frank-Walter Steinmeier das Gesetz aufgrund des Fehlers und verfassungsrechtlicher Bedenken nicht unterzeichnet.
In einem Brief an den Bundespräsidenten führt DUH-Anwalt Remo Klinger detailliert aus, warum die Novelle seiner Einschätzung nach im Widerspruch zum von ihm mit erstrittenen Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 steht. Da die Gesetzesänderung, so endet das Schreiben, “aus den hier genannten Gründen verfassungswidrig ist, bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, das Gesetz nicht auszufertigen”. mkr
Der Einsatz von “sauberem Wasserstoff” könnte die Kosten der weltweiten Dekarbonisierung um 15 bis 22 Prozent senken. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie. Dafür haben die Forschenden das Global Change Analysis Model (GCAM) weiterentwickelt und Kosten und Nutzen von Einsatz von Wasserstoff in 24 Szenarien, in denen das Energiesystem 2050 klimaneutral ist, analysiert. Die Szenarien unterscheiden sich in den Annahmen bezüglich der sozioökonomischen Entwicklung sowie der Verfügbarkeit von Wasserstoff, Batterien und Netto-Negativ-Technologien (DACCS und BECCS).
Aufgrund von teuren, technischen Hindernissen kann Wasserstoff demnach bis 2050 nur drei bis neun Prozent der globalen Energieversorgung sicherstellen. Allerdings ist das Erreichen von Klimaneutralität in Szenarien mit Wasserstoff günstiger als in Szenarien ohne Wasserstoff. Gerade in schwer zu elektrifizierenden Sektoren wie Beispiel dem internationalen Schiffsverkehr oder bei Lasttransporten durch LKW führe sein Einsatz zu einer Kostenersparnis.
“Sauberer Wasserstoff” ist für die Forschenden nicht nur grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren, sondern auch sogenannter “blauer Wasserstoff”, bei dessen Herstellung Emissionen durch CCS aufgefangen werden sollen. Das sehen viele Experten kritisch: “Blauer Wasserstoff mit CCS ist aus Klimasicht keine vernünftige Lösung”, sagt Johan Lilliestam, Professor für Sustainability Transition Policy an Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zum einen könne damit nicht alles CO₂ in der Produktion abgefangen werden, zum anderen bestehe auch weiterhin das Problem mit Emissionen durch Pipelinelecks. kul
Um die langfristigen EU-Klimaziele zu erreichen, ist ein CO₂-Preis besser geeignet als ordnungspolitische Klimaschutzauflagen und nach Klimaschutzkriterien gesteuerte Subventionen. Das ist das Ergebnis eines Berichts des Centrums für Europäische Politik (Cep). Der Handel mit Emissionsrechten sei ökologisch wirksamer, wirtschaftlich kosteneffizienter, sozial akzeptabel und auch in Krisenzeiten politisch stabiler.
Die Experten empfehlen daher auch, das bestehende Emissionshandelssystem der EU für Energie und Industrie (ETS 1), auf die Sektoren Agrar und Landnutzung (LULUCF) auszuweiten. Zudem sollte das ETS 1 mit dem ETS 2 für Gebäudeheizung und Verkehr zusammengeführt werden. Zwei parallele Systeme seien vorübergehend zwar sinnvoll, doch mittel- bis langfristig schwäche dies Anreize für Emissionsreduzierungen, da es unterschiedliche Reduktionspfade gebe und somit unterschiedliche CO₂-Preise entstünden.
Darüber hinaus sehe die EU-Klimapolitik nach wie vor kein wirksames und umfassendes System zur Vermeidung der Verlagerung von CO₂-Emissionen (Carbon Leakage) vor. Das Fit-for-55-Paket schaffe keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen. Hintergrund ist, dass im internationalen Wettbewerb stehende europäische Produzenten künftig einem CO₂-Preis unterliegen, die internationalen Konkurrenten größtenteils jedoch nicht. Daher müsse die Lösung des Carbon-Leakage-Dilemmas “dringend ganz oben auf der EU-Agenda 2024-2029 stehen”, fordern die Cep-Experten.
Unilaterale Handelsmaßnahmen wie der CO₂-Grenzausgleich CBAM seien nur die “zweitbeste” Lösung und könnten sich sogar als kontraproduktiv erweisen. CBAM könnte umgangen werden, indem statt Rohstoffen, die CBAM unterliegen, bereits verarbeitete Produkte importiert werden, die nicht vom CBAM erfasst sind. Die EU solle stattdessen multilaterale Lösungen anstreben, beispielsweise durch internationale Klimaclubs oder gemeinsame Emissionshandelssysteme mit Drittländern. luk
Sanktionen gegen die Einfuhr von fossilen russischen Energieträgern in die EU sollten nach Ansicht der polnischen Regierung schneller und wirksamer umgesetzt werden. Das sagte Urszula Zielińska, Staatssekretärin aus dem polnischen Klima- und Umweltministerium, am Freitag beim Deutsch-Polnischen Energiewendeforum im Auswärtigen Amt in Berlin.
Insbesondere kritisierte die grüne Staatssekretärin, dass weiterhin die Einfuhr von verarbeiteten Ölprodukten wie Diesel aus russischem Rohöl über Drittstaaten wie Indien und die Türkei möglich sei. “Unter diesen Umständen hat die Klimapolitik der EU mit der Abkehr von Kohle, Erdgas und Öl hin zu sauberen Energiequellen eine neue Dimension angenommen”, sagte die Stellvertreterin von Ministerin Paulina Hennig-Kloska. Zielińska warf Russland vor, in Polen, Deutschland und anderen EU-Staaten Desinformationskampagnen zur Klimapolitik zu betreiben.
Als ein Thema für Kooperationen nannte Udo Philipp, Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium, den Bau von Offshore-Windparks. Polen habe im Bau von Fundamenten mehr Erfahrung als Deutschland: “Durch unsere Koordinierung könnten wir auch Infrastruktur wie Häfen und Schiffe effizienter nutzen.” Polen habe zudem Potenziale für Wasserstoffspeicher und die Flexibilisierung der Nachfrage. Zu letzterem Punkt hat das BMWK bereits eine Initiative mit Frankreich gestartet, um Erzeugungsspitzen erneuerbarer Energien besser in den europäischen Strommarkt zu integrieren. ber
Die Stiftung Klimaneutralität arbeitet mit Blick auf die Klimawende an einer Erfassung der sozialen Verhältnisse in Deutschland und den Folgen für die Auswahl geeigneter politischer Instrumente. Erste Ergebnisse wurden in der vergangene Woche vorgestellt. Sie beruhen auf 14 Datenkategorien (unter anderem Alter, Einkommen, Eigentumsform) und 20 gebildeten Clustern.
Zudem wurden 16 unterschiedliche Typen von Personen identifiziert (“Personas”). Die als “Generation Wärmepumpe” klassifizierte Gruppe von Bürgern, drei Prozent der Bevölkerung, hat in den vergangenen 20 Jahren am Rande einer Kleinstadt ein Haus gebaut oder neu gekauft. Der Energiebedarf sei schon gering und es seien für die Wärmewende keine großen Investitionen mehr notwendig. Aufgrund einer “ordentlichen finanziellen Situation” mit einer Kaufkraft hätten sie auch schon mit dem Umstieg auf E-Mobilität begonnen.
Ganz anders ist die Situation der “prekären Aufbaugeneration”, 15 Prozent der Bevölkerung. Die Menschen seien im Schnitt 79 Jahre alt und wohnten in oft sehr alten Eigenheimen. Diese könnten sie auch mit einem großen Förderprogramm “aus eigener Kraft nicht klimaneutral” machen. Für diese Menschen seien weder E-Autos noch ÖPNV realistische Alternativen für eine klimaneutrale Mobilität.
Notwendig sei für die Bürger mit schlechter Anpassungsfähigkeit ein Ausbau der Daseinsvorsorge, also der Ausbau von Wärmenetzen und der öffentliche Personennahverkehr. Wichtig sei auch:
Ein großes Gefälle gibt es hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit der Bürger zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen Städten selbst (siehe Grafik). Entsprechend unterschiedlich sind die regionalen Bedarfe bei der Klima- und Mobilitätswende. cd
Angesichts der höchsten Inflation seit mehr als vier Jahrzehnten haben die Zentralbanken der wichtigsten Volkswirtschaften seit 2022 schrittweise die Zinssätze erhöht und eine Politik der quantitativen Straffung (QT) eingeleitet.
In unserem jüngsten Artikel argumentieren wir, dass Leitzinserhöhungen die umweltbedingten Ursachen der Inflation nicht berücksichtigen und sogar die langfristige Inflation verschärfen können, da sie die notwendigen Investitionen für den grünen Wandel verteuern und damit verzögern.
Stattdessen ist ein geldpolitischer Rahmen erforderlich, der sowohl die Inflation als auch die Umweltkrise bekämpfen kann. Fabio Panetta, der derzeitige Gouverneur der Bank von Italien und ehemaliges EZB-Direktoriumsmitglied, nannte solche Ansätze “grüner und billiger“.
Zinserhöhungen wirken sich auf nachhaltige Investitionen im Vergleich zu kohlenstoffintensiven Investitionen überproportional stark aus. Nachhaltige Investitionen sind kapitalintensiver, erfordern größere Vorleistungen und benötigen eine größere Fremdfinanzierung. Folglich reagieren sie empfindlicher auf Kostensteigerungen (insbesondere bei den Kreditkosten) als ihre kohlenstoffintensiven Konkurrenten.
Darüber hinaus hat QT auch das Potenzial der quantitativen Lockerung (QE) zur Unterstützung grüner Investitionen durch einfachere Finanzierung und niedrigere Kreditkosten deutlich verringert. Höhere Zinssätze können also den grünen Übergang verzögern, indem sie die Kosten für nachhaltige Investitionen erhöhen. Diese Politik ist daher nicht nur klimapolitisch kurzsichtig, sondern verschlechtert zugleich auch die Aussichten auf Preisstabilität.
Empirische Studien zeigen, dass die Umweltkrise auch eine Quelle der Inflation darstellt. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel nennt drei Arten von Schocks, die sich auf die Preise auswirken können:
Das gegenwärtige makroökonomische Umfeld erfordert einen geldpolitischen Ansatz, der die Klima- und Umweltkrise adressiert und gleichzeitig die Inflation bekämpft. Dies ist nicht nur aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen notwendig, sondern steht auch im Einklang mit dem Hauptauftrag der Zentralbanken.
In der Fachliteratur werden zahlreiche Instrumente diskutiert, die zu diesem Zweck eingesetzt werden könnten, darunter Ankäufe von Vermögenswerten, Kreditvergabepolitik und Finanzvorschriften. Ein besonders vielversprechender Ansatz ist die direkte Kreditvergabe, die früher in fortgeschrittenen Volkswirtschaften üblich war und auch heute noch in einigen Entwicklungsländern angewendet wird. Hierbei lenken die Zentralbanken die Kreditvergabepraxis in eine grüne Richtung. Es gibt eine Vielzahl an Instrumenten, die zu diesem Zweck herangezogen werden können, die positive Effekte auf Banken, Unternehmen und Regierung haben. Dazu zählen
Darüber hinaus wurde die Politik der Kreditsteuerung in der Vergangenheit erfolgreich zur Bekämpfung der Inflation eingesetzt.
Obwohl es zahlreiche Belege dafür gibt, dass die derzeitige Inflation nicht nur auf die Fossilflation, sondern auch auf angebotsseitige Faktoren wie die Unterbrechung der Lieferketten infolge von COVID, den Krieg in der Ukraine und den Anstieg der Unternehmensgewinne zurückzuführen ist, orientieren sich die Zentralbanken bei ihrer Geldpolitik nach wie vor an den gängigen Modellen. Diese gehen davon aus, dass die Inflation vor allem durch einen Überschuss der Gesamtnachfrage zu erklären ist.
Wenn die Zentralbanken nicht auch andere Inflationsursachen und die dafür erforderlichen Gegenmaßnahmen in Betracht ziehen, werden sie mit der Zinserhöhung den Preisanstieg nicht in den Griff bekommen. Außerdem fügen sie der Wirtschaft unnötigen Schaden zu, indem sie die Arbeitslosigkeit erhöhen und die Finanzstabilität gefährden. Die EZB hatte Umwelt- und Klimafaktoren bislang vor allem als Risiken für die Finanzstabilität betrachtet. In jüngster Zeit hat sie jedoch damit begonnen, auch die Auswirkungen dieser Phänomene auf die Preisstabilität in ihre Analyse miteinzubeziehen. Diese Überlegungen müssen jedoch noch in eine neue Geldpolitik umgesetzt werden.
Mit der Verschärfung der Umwelt- und Klimakrise wird es immer dringlicher, den grünen Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft zu beschleunigen. Allein die Änderung der Anreizstruktur innerhalb desselben Rahmens wird nicht ausreichen, um die finanziellen Ressourcen zu mobilisieren, die für den grünen Wandel erforderlich sind. Eine nachhaltige Umgestaltung des Staates und des Finanzsystems setzt jedoch voraus, dass die Zentralbanken selbst mutiger eingreifen und sich als Akteure des Wandels begreifen. Würde die EZB eine solche Rolle übernehmen, wäre sie in der Lage, effektiv und gezielt Kredite in Richtung kohlenstoffarmer oder -freier Investitionen zu lenken und könnte auf diese Weise die nachhaltige Transformation maßgeblich und entscheidend unterstützen.
Nicolás Aguila ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Witten/Herdecke.
Joscha Wullweber ist Heisenberg-Professor für Politische Ökonomie, Transformation und Nachhaltigkeit sowie Direktor des Internationalen Zentrums für nachhaltige und gerechte Transformation an der Universität Witten/Herdecke.