Table.Briefing: Climate

Klimafinanzierung in der Schuldenkrise + Schweiz stellt sich gegen Urteil zu Klimaseniorinnen + Ökobilanz der EM

Liebe Leserin, lieber Leser,

die globale Klimafinanzierung befindet sich in einer Zwickmühle: In den kommenden Jahren müssen hunderte Milliarden an finanzieller Unterstützung für den Klimaschutz im Globalen Süden fließen, gleichzeitig darf die Schuldenkrise vieler dieser Staaten nicht verschlimmert werden. Auf der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn spielte diese Zwickmühle eine große Rolle, auf der COP29 dürfte sie es ebenfalls tun. Wir analysieren heute Optionen, wie die Klimafinanzierung fließen kann, ohne die Staaten des Globalen Südens in den Ruin zu stürzen. Spoiler: Es gibt Lösungen, doch sie müssten schnell skaliert werden.

Einen Ausweg sucht auch die Schweizer Politik. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den “Klimaseniorinnen” recht gab und die Schweiz zu mehr Klimaschutz gemahnt hat, sucht sich die Mehrheit der Schweizer Regierungsvertreter aus der Affäre zu ziehen. Doch das könnte als schlechtes Vorbild dienen: Die Schweiz dürfe das Urteil nicht missachten und andere, weniger demokratische Länder dazu ermutigen, den Gerichtshof zu ignorieren, warnen einzelne Regierungsvertreter. Priscilla Imboden analysiert die Details und zeigt die Debatten in der Schweiz auf.

Und auch bei uns rollt der Ball: Marc Winkelmann untersucht die Ökobilanz der Fußball-Europameisterschaft und welche Rolle die Fans und ihre Mobilität spielen werden. In “Top of the Table” stellen wir Ihnen heute die zehn entscheidenden Akteure aus der Wirtschaft vor.

Beste Grüße

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Wie das neue Klimafinanzziel die Schuldenkrise verschlimmern könnte

Die Schuldenkrise erschwert es Entwicklungs- und Schwellenländern, in den Klimaschutz zu investieren. Protest auf der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn.

Bei den internationalen Verhandlungen über das neue Ziel für die Klimafinanzierung (New Collective Quantified Goal – NCQG) im UN-Rahmen zeichnet sich eine Gefahr ab: Wenn wie bisher ein großer Teil der Klimafinanzierung als Kredite fließt, könnte sich die akute Schuldenkrise vieler Entwicklungs- und Schwellenländer dadurch noch verschärfen. Auf der Bonner Klimazwischenkonferenz (3. bis 13. Juni) haben die Verhandler und Experten deshalb über Möglichkeiten debattiert, diese Schuldenfalle zu verhindern. Doch die Vorschläge dazu sind bislang schwer skalierbar, wenig verlässlich und können zu neuen Verteilungskonflikten führen.

Bei Zuschüssen kommt es auf Kompromisse an

Bei der COP29 in Baku soll beschlossen werden, wie hoch ab 2025 die Klimahilfen für die Entwicklungsländer sein sollen. Entwicklungs- und Schwellenländer fordern bis zu 1,3 Billionen US-Dollar pro Jahr. Fraglich ist allerdings, woher das Geld kommen soll, zu welchen Konditionen es gezahlt wird und wie es fließen kann. Um eine Verschärfung der Schuldenkrise zu verhindern, werden mehrere Möglichkeiten debattiert:

  • Mehr Zuschüsse vergeben und mehr stark vergünstigte Kredite statt Kredite zu Marktzinsen
  • Neue Finanzinstrumente wie Klimasteuern
  • Schuldenerlasse für Klima-Maßnahmen (Debt for Climate Swaps)
  • Kredite mit Pausen-Klauseln bei akuten Klimaschäden ausstatten
  • Verstärkte Entwicklungshilfe durch Auffüllung der IDA-Mittel bei der Weltbank

“Wenn das NCQG falsch gestaltet wird, kann es das Schuldenproblem verschärfen”, sagt David Ryfisch, Klimafinanzexperte bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zu Table.Briefings. In Bonn haben viele Beobachter und auch die Verhandler deshalb mehr Zuschüsse und stark vergünstigte Kredite gefordert. Auch Ryfisch sagt: “Zumindest für Anpassung und Loss and Damage müsste ein substanzieller Anteil des NCQG aus Zuschüssen (Grants) und hoch-konzessionären Krediten mit niedrigen Zinsen und langen Rückzahlungsfristen bestehen.”

Doch die Staatshaushalte der Geberstaaten sind schon heute ausgereizt. Zuschüsse und Kredite zu Vorzugsbedingungen haben schon beim 100-Milliarden-Ziel nur einen kleinen Anteil ausgemacht. Ryfisch glaubt, dass es bei den Zuschüssen auf Kompromisse ankomme: “Einen nennenswerten Anstieg bei den Zuschüssen wird es wahrscheinlich nur geben, wenn auch in anderen Bereichen Kompromisse erzielt werden, wenn sich beispielsweise neue Geber bereiterklären, auch einen Anteil beizutragen.” Bisher wehren sich diese potenziellen neuen Geber, beispielsweise China und Saudi-Arabien, sich an der Klimafinanzierung auf UN-Ebene zu beteiligen.

Verteilungskonflikte bei neuen Finanzquellen

Zuschüsse und vergünstigte Kredite werden nur einen Teil des NCQG ausmachen. Viele Verhandler fordern daher auch neue Finanzquellen abseits normaler Kredite. Laut Juan Pablo Hoffmaister, Finanzexperte des Environmental Defense Fund (EDF), könnten neuen Quellen wie eine CO₂-Abgabe auf den internationalen Schiffsverkehr oder die von Brasilien im Rahmen der G20 vorgebrachte globale Milliardärssteuer wichtige Bestandteile des NCQG sein.

Allerdings schränkt Ryfisch von Germanwatch ein: “Neue Finanzquellen wie eine Milliardärssteuer sind nicht so einfach in Klimafinanzierung zu übertragen. Die Steuern und Abgaben würden von den Staaten erhoben und dadurch sind neue Verteilungskonflikte zu erwarten.”

Debt for Climate Swaps und Klauseln für Schuldenpausen

Gaia Larsen vom Worlds Resources Institute (WRI) bringt im Gespräch mit Table.Briefings auch sogenannte Debt for Climate Swaps ins Gespräch. Dabei werden verschuldeten Staaten Schulden erlassen, wenn sie das dadurch gesparte Geld im Gegenzug in den Klimaschutz investieren. Diese Instrumente müssten aber in größerem Maßstab angewandt werden als bisher, so Larsen. “Wir müssen auf globaler Ebene eine Lösung für Debt for Climate Swaps finden, wie wir es mit der HIPC-Initiative zum Schuldenerlass getan haben”, fordert die WRI-Expertin. Hoffmaister sagt zu Table.Briefings: “Es gibt Möglichkeiten, Debt for Climate zu skalieren”. Doch er schränkt auch ein, dass es bisher “noch keine konzentrierten Bemühungen in diese Richtung gibt. Die Entwicklungsagenturen beginnen gerade erst, sich mit diesen Optionen zu befassen”.

Es wird voraussichtlich noch ein paar Jahre dauern, bis Debt for Climate Swaps ein wirksames Instrument in nennenswerter Höhe werden. Denn bisher gibt es nur vereinzelte Swaps und die Transaktionskosten sind sehr hoch. Zudem nutzen diese Instrumente nicht Staaten, die sich schon im Verschuldungsnotstand (debt distress) befinden, schränkt Larsen ein. Wenn diese Staaten kein Geld für den Schuldendienst haben, könne auch kein Geld in den Klimaschutz umgeleitet werden.

Eine weitere Option, um verschuldete Staaten zu entlasten, könnten Kreditklauseln sein. Im Rahmen des NCQG wird beispielsweise über “eine Klausel zum Pausieren der Rückzahlung von Schulden bei Extremwetterereignissen oder anderen Klimaschäden debattiert”, sagt Ryfisch. Solche Klauseln will auch die Weltbank vermehrt einsetzen. “Das würde den Staaten Raum zum Atmen geben, statt sie immer tiefer in einen Teufelskreis aus Klimakrise, kostspieligen Extremwetterereignissen und Schuldenkrise zu treiben”, so Ryfisch.

Weltbank, IWF und G20 in der Pflicht

“Wir müssen auf jeden Fall versuchen, die Schuldenkrise nicht durch die Klimafinanzierung zu verschärfen”, sagt Gaia Larsen vom WRI zu Table.Briefings. Allerdings sei es kaum möglich, die Schuldenproblematik im Rahmen der Klimaverhandlungen zu lösen, so Larsen. Die WRI-Expertin schaut vielmehr auf andere wichtige Akteure. So müssten die Weltbank-Geberstaaten auf ihrer Jahrestagung die IDA-Fonds für die ärmsten Staaten mit großen Summen auffüllen. Auch die Übergabe von IWF-Sonderziehungsrechten von den reichen an die ärmeren Staaten sei eine Möglichkeit. Und zu guter Letzt müsse die G20 aktiver werden. Brasilien hatte hier eine Milliardärssteuer ins Gespräch gebracht, um bis zu 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu mobilisieren. Auch Hoffmaister mahnt: “Wir brauchen mehr Koordination zwischen den verschiedenen Institutionen wie der Weltbank, dem IWF, nationalen Banken und der Klimagemeinschaft. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die NCQG die Schuldenkrise verschärfen könnte”.

Zins- und Tilgungszahlungen belasten Staatshaushalte

Wie akut diese Schuldenkrise schon heute ist, zeigt eine neue Studie des Projekts “Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery”:

  • Die externen Schulden vieler Schwellen- und Entwicklungsländer haben sich seit dem Jahr 2008 auf 3,1 Billionen US-Dollar mehr als verdoppelt.
  • Die Staaten müssen so viel für Zinsen und Tilgung zahlen wie zuletzt in den 1990er-Jahren, “als ein Großteil des Globalen Südens am Rande der Zahlungsunfähigkeit stand”.
  • Im Jahr 2023 mussten die Entwicklungs- und Schwellenländer demnach mehr als 400 Milliarden US-Dollar für den Schuldendienst aufwenden.

Der Studie zufolge könnten 47 Staaten in den nächsten fünf Jahren zahlungsunfähig werden, “wenn sie in dem Umfang investieren würden, der zur Erreichung der international vereinbarten Klima- und Entwicklungsziele erforderlich ist”. Weitere 19 Staaten würden in Liquiditätsprobleme kommen, da ihnen der nötige fiskalische Spielraum fehlt. “Horrende Schuldenrückzahlungen lassen die Mittel für den Klimaschutz versiegen”, mahnte auch UN-Generalsekretär António Guterres in einer Rede zum Weltumwelttag am 5. Juni.

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Klimaklage: Schweizer Parlament will Klimaseniorinnen-Urteil des EGMR nicht umsetzen

Die Klimaseniorinnen Schweiz hatten die erste Klimaklagen vor dem EGMR gewonnen.

Am 9. April verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Schweiz. Sie unternehme zu wenig, um den Klimawandel zu bekämpfen, befanden die Straßburger Richterinnen und Richter. Damit verletze die Schweiz die Menschenrechte der Klägerinnen, der sogenannten “Klimaseniorinnen”. Sie seien in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben sowie auf ein faires Verfahren berührt worden. Das bedeutet: Die Schweiz muss laut dem Urteil mehr gegen den Klimawandel tun.

In der Schweiz wurde das Urteil weitgehend kritisch aufgenommen. Das Schweizer Parlament hat nun vergangene Woche eine Erklärung mit dem Titel “Effektiver Grundrechtsschutz durch internationale Gerichte statt gerichtlicher Aktivismus” abgegeben. Damit ist gemeint, dass sich der EGMR auf Menschenrechtsthemen im engeren Sinn wie etwa das Folterverbot konzentrieren solle und dass Klimaschutz kein Menschenrecht sei. In der Erklärung weist das Parlament darauf hin, dass die Schweizer Bevölkerung vor einem Jahr einem Klimaschutzgesetz mit Netto-Null-Ziel bis 2050 zugestimmt hat. Es fordert die Landesregierung dazu auf, dem Urteil “keine weitere Folge zu geben”, ihm also nicht Folge zu leisten.

Populistische Tendenzen nehmen in der Schweiz zu

Für die Schweizer Regierung ist die Erklärung nicht bindend, sie hat eine rein symbolische Bedeutung. Der Bundesrat – das siebenköpfige Regierungsgremium – wird nach den Sommerferien offiziell zum EGMR-Urteil Stellung beziehen. Wie er dies tun wird, ist noch offen, eine Mehrheit der Regierungsmitglieder entstammt aber jenen Parteien, die das Urteil nicht akzeptieren wollen.

Die Erklärung ist ein Zeichen, dass auch in der Schweiz populistische Tendenzen zunehmen. Der sozialdemokratische Justizminister Beat Jans warnte das Parlament davor, ein Signal auszusenden, das andere, weniger demokratische Länder dazu ermutigen könnte, Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs zu missachten. Er sagte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio und Fernsehen SRF: “Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in die Schublade von Ländern kommen, die Entscheide nicht umsetzen”, so der Justizminister. Und weiter: “Wir sollten nicht als schlechtes Beispiel vorangehen und nicht akzeptieren, was Gerichte sagen.”

In der Schweizer Regierung gibt es unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage: In einer ersten Reaktion sagte der zuständige Umweltminister Albert Rösti von der SVP, das Urteil widerspreche der direkten Demokratie. Dieses Argument fußt darauf, dass die Schweizer Bevölkerung ein strengeres Klimaschutzgesetz im Jahr 2020 abgelehnt hatte. Er verwies außerdem darauf, dass das Schweizer Parlament dieses Jahr ein neues CO₂-Gesetz verabschiedet hat. Das möchte den CO₂-Ausstoß bis im Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990 halbieren, mit Maßnahmen wie Emissionsvorschriften für Autos und einer Beimischpflicht von nachhaltigem Treibstoff für Kerosin. Das dürfte allerdings nicht ausreichen, um das Klimaseniorinnen-Urteil umzusetzen, zumal das Gesetz im Vergleich zum bereits moderaten Vorschlag der Landesregierung im Parlament abgeschwächt wurde. Umweltschutzorganisationen wie der WWF monieren, dass dieses Gesetz nicht ausreicht, um die Verpflichtungen, die die Schweiz mit dem Pariser Klimaschutz-Abkommen eingegangen ist, zu erfüllen.

Kritische Reaktionen von Politik und Bevölkerung

In der Politik waren die Reaktionen auf die Verurteilung der Schweiz durch den EGMR mehrheitlich negativ. Das Urteil sei ein Skandal, teilte die wählerstärkste Partei mit, die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei SVP, die zwei Regierungsmitglieder stellt. Es handle sich um eine dreiste Einmischung in die Politik eines souveränen Landes. Die SVP forderte, dass die Schweiz aus dem Europarat austritt, was aber nicht mehrheitsfähig sein dürfte. Kritik kam auch aus der freisinnig-demokratischen Partei FDP, die ebenfalls zwei Bundesräte hat. Das Gericht mache Politik, erklärte die FDP. Es solle sich auf seine Kernaufgabe besinnen, nämlich den Schutz des Einzelnen vor staatlichen Übergriffen. Die Freisinnigen haben einen entsprechenden Vorstoß im Parlament eingereicht. Dieser verlangt, dass der Bundesrat mit anderen Vertragsstaaten der europäischen Menschenrechtskonvention darauf hinwirkt, dass in einem Protokoll festgehalten wird, dass der EGMR nicht “mittels ausufernder Auslegung der Grundrechte den legitimen Ermessensspielraum der Staaten einschränken” könne. Auch die Mittepartei, die eine Bundesrätin hat, kritisierte das Urteil. Das Urteil begrüßten die sozialdemokratische Partei, die zwei Vertreter in der Regierung hat, sowie die Grünen, die in der Regierung nicht vertreten sind.

Laut einer Umfrage wird das Klimaseniorinnen-Urteil auch in der Bevölkerung mehrheitlich kritisch bewertet. Die Klimaseniorinnen hingegen kritisieren die Erklärung des Parlamentes und haben bereits vorher angekündigt, dass sie eine mögliche Nichtumsetzung des Urteils beim Europarat melden würden. Cordelia Bär, Anwältin der Klimaseniorinnen, sagte gegenüber SRF: “Wir würden das Ministerkomitee des Europarats jederzeit über jegliche Entwicklungen, auch über Unterlassungen in der Schweiz, informieren.”

Die Klage wurde vom Umweltschutzverband Greenpeace initiiert, Klägerinnen sind die Klimaseniorinnen, ein Verein von rund 2.500 Rentnerinnen, der vor acht Jahren gegründet wurde. Sie verklagten die Schweizer Regierung und setzten sich landesweit für mehr Klimaschutz ein. Das Schweizer Bundesgericht sprach den Seniorinnen die besondere Betroffenheit ab, was zur Folge hat, dass sie nicht klageberechtigt sind. Sie zogen mit dem Fall deshalb weiter nach Straßburg. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen sein. Es ist das erste Mal, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt, dass es einen menschenrechtlich begründeten Anspruch auf Klimaschutz gibt.

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Das Verhalten der Fans entscheidet über die Ökobilanz der EURO 2024

Jetzt geht’s los: Schottische Fans auf dem Marienplatz in München

Mit Mittelmaß will sich Philipp Lahm nicht zufriedengeben. “Wir wollen Vorbild sein. Wir wollen für nachfolgende Sportgroßveranstaltungen auch in anderen Ländern Standards setzen.” Das sagte der Weltmeister von 2014 und Turnierdirektor der Euro 2024 im März vor dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. Das Thema müsse “in allen Bereichen mitgedacht werden”.

Das ist keine kleine Aufgabe. 2,7 Millionen Fans werden zu den 51 Spielen in den zehn auserwählten Stadien erwartet. Bei den Fanzonen, die Public Viewing anbieten, rechnen die Organisatoren mit bis zu zwölf Millionen Besuchern.

Anreise zu Spielen verursacht Hauptemissionen

Um die Belastungen für die Umwelt und das Klima zu kalkulieren, wurde das Öko-Institut vorab mit einer Analyse beauftragt. Demnach:

  • werden die Gesamtemissionen 490.000 Tonnen CO₂ betragen.
  • verursacht allein der Verkehr – ohne die Fahrten zu den Fanzonen – 350.000 Tonnen CO₂
  • schlagen die Fanzonen und die Übernachtungen der Gäste mit je etwas mehr als 50.000 Tonnen zu Buche – wobei die Emissionen der Fanzonen ebenfalls “weitgehend verkehrsbedingt” sind.
  • tragen alle anderen Bereiche “weniger als zwei Prozent zum Gesamtergebnis” bei, darunter: die Energieversorgung der Stadien und Medienzentren, das Catering, der Materialeinsatz und die Turnierorganisation.

Bei der Betrachtung des gesamten Verkehrs im Kontext der EM (inklusive Besuche der Fanzonen) stellten die Forscher fest, dass er 84 Prozent aller Emissionen ausmachen wird. Dabei entfallen 64 Prozent auf die Flüge und 14 Prozent auf private Pkw. Fernzüge, Reisebusse und der ÖPNV machen zusammen nur sechs Prozent aus.

Vorschläge des Öko-Instituts Teil der UEFA-Strategie

Nur 16 Prozent der Emissionen sind nicht verkehrsbedingt, davon entfallen auf Übernachtungen mehr als zwei Drittel. Oder anders ausgedrückt: Mehr als 98 Prozent der Gesamtemissionen entstehen in Scope 3, so die Studie.

Die Untersuchung fand vor mehr als zwei Jahren statt, als weder die teilnehmenden Teams bekannt waren noch der Turnierverlauf berücksichtigt werden konnte. Trotzdem sagen die Autoren, dass die Unsicherheiten in ihren Rechnungen überschaubar gewesen seien. Unterm Strich liege das Ergebnis nicht weit entfernt von den beiden vorigen Europameisterschaften.

Zur Verbesserung der Ökobilanz schlugen sie unter anderem die Ausweitung des ÖPNV, alternative Kraftstoffe für Flugzeuge, die Einführung einer BahnCard 100 für die EM und die Nutzung von Stadionparkplätzen für Photovoltaikanlagen vor. Dazu: ein Verzicht auf Dieselgeneratoren, den Verkauf von biologisch erzeugten, vegetarischen und veganen Speisen, die Abschaffung von Flyern und anderen Give-Aways sowie die ausschließliche Nutzung von Mehrwegartikeln.

Parkplatzangebot um Stadien wird reduziert

Ein Teil der Empfehlungen hat Eingang in die “ESG-Strategie” des Europäischen Fußballverbands (UEFA) gefunden. Damit das Turnier laut eigener Aussage “unter Einhaltung höchster Nachhaltigkeitsstandards” stattfindet, dürfen Ticketinhaber den ÖPNV vor und nach dem jeweiligen Spiel für 36 Stunden kostenlos nutzen, werden Fernverkehrsmittel günstiger sowie gesonderte Interrail-Pässe für das Turnier neu angeboten. Zudem wird das Parkplatzangebot rund um die Stadien reduziert und der Spielplan der Vorrunden geografisch so gruppiert, dass Mannschaften möglichst kurze Strecken fahren müssen. Die Verbände der teilnehmenden Nationalmannschaften sind zudem aufgefordert, schadstoffarm anzureisen.

Außerdem verlangt die UEFA erneuerbare Energien in allen Stadien, die Reduzierung des Wasserverbrauchs, verpackungsarme und verpackungsfreie Produkte, geschlechtsneutrale Toiletten, Fußballspiele für und von Menschen mit Behinderungen in den Fanzonen, “kulturell vielfältige Speisen”, “hochwertige barrierefreie Sitze”, Fahrradstellplätze vor und ein Rauchverbot in den Stadien, Aufrufe zur körperlichen Betätigung, die Einführung nachhaltiger Beschaffungsprozesse und eine Einbeziehung aller Interessenträger der Veranstaltung.

Extra-Klimafonds eingerichtet

Mit ihren Maßnahmen will die UEFA 230.000 der prognostizierten 490.000 Tonnen der gesamten CO₂-Emissionen eliminieren. Für die restlichen 260.000 Tonnen hat sie einen “Klimafonds” eingerichtet. Konkret: Pro Tonne landen 25 Euro in dem Topf, aus dem deutsche Fußballvereine noch bis Ende Juni Unterstützung für neue Solaranlagen oder andere Klimaschutzprojekte erhalten können. Insgesamt stehen sieben Millionen Euro zur Verfügung.

Imke Schmidt, Co-Leiterin des Forschungsbereichs Zirkulärer Wandel beim Wuppertal Institut, hält die Nachhaltigkeitsstrategie der Organisatoren grundsätzlich für geeignet. Sie lobt, dass die Relevanz des Verkehrs erkannt wurde, Bahntickets zu reduzierten Preisen erhältlich sind, die Team-Fahrten für die Gruppenphase gebündelt wurden und keine neuen Gebäude errichtet werden.

EM-Organisatoren schöpfen Möglichkeiten nicht aus

Allerdings reiche das nicht aus, sagt sie. “Das Potenzial wird nicht ausgeschöpft. Mir fehlt die Kommunikation mit den Fans.” Auf der Turnier-Homepage zum Beispiel finde man erst auf Unterseiten Informationen. “Eine größere Kampagne wäre wichtig, weil die Europameisterschaft über die Spiele hinaus gesellschaftlich wirken und Nachhaltigkeit in den Alltag tragen könnte”, so Schmidt. Den Klimafonds, der vom Öko-Institut entwickelt wurde und den die Veranstalter erstmals umsetzen, begrüßt sie. “Dieser Ansatz ist wirkungsvoller als die Kompensation von Treibhausgasen.” Aufforstungsprojekte etwa könnten ausgestoßene Emissionen nicht eins zu eins ausgleichen, die Klimawirkung sei nicht so eindeutig kalkulierbar. Die Annahme des Fußballverbands, fast die Hälfte der Gesamtemissionen vermeiden zu können, hält sie hingegen für ein “sehr positiv gerechnetes Szenario”. Schwer ausrechenbar sind die Fans. Niemand wisse, wie sie sich verhalten würden.

UEFA wählt den niedrigsten Preis für die CO₂-Kompensation

Nach Ansicht des WWF hätten die Organisatoren den Preis je Tonne CO₂ in dem Klimafonds deutlich höher ansetzen sollen als mit 25 Euro. “Die Preisempfehlung laut Umweltbundesamt für Deutschland lag 2022 bei 237 Euro pro Tonne, laut Weltbank sollte der Preis mindestens 80 US-Dollar betragen”, sagt Sprecherin Lea Vranicar. “Nur mit deutlich höheren Preisen nähert man sich den tatsächlichen Kosten an, die eine emittierte Tonne CO₂ an Schäden für die Gesellschaft verursacht.”

Das Öko-Institut hatte ursprünglich drei Preise zwischen 25 und 100 Euro pro Tonne CO₂ ins Spiel gebracht. Die UEFA, immerhin Unterzeichner des Sports for Climate Action Frameworks der UN, wählte den niedrigsten.

Emissionen dürften bei künftigen Turnieren steigen

Ob die Kalkulationen aufgehen und das Turnier weltweite Standards setzt, wie Turnierchef Philipp Lahm es sich wünscht, überprüfen im Anschluss die Sporthochschule Köln und die Uni Bielefeld in einem Verbundprojekt. Die Evaluation umfasst sowohl die ökonomische als auch die soziale und die ökologische Nachhaltigkeit. Für letzteren Part wurde das Unternehmen Dekra beauftragt: “Damit das gelingt, haben wir ein Netzwerk von Datenlieferanten aufgebaut, wozu unter anderem die EURO 2024 GmbH, die Stadionbetreiber und die Host Cities zählen, die die Fanzonen verantworten”, sagt Moritz Weißleder, Produktmanager Nachhaltigkeit in Sport und Event der Dekra. Die meiste Arbeit stecke in dem Thema Mobilität. “Wie die Besucher reisen und wo sie übernachten, werden wir über Online- und Vor-Ort-Befragungen ermitteln.” Für aussagekräftige Ergebnisse werde angestrebt, je zwischen zwei und fünf Prozent der Fanzonen-Besucher zu interviewen, so Weißleder.

Fest steht schon jetzt, dass Nachhaltigkeit nicht überall im Fußball hohe Priorität genießt. Laut der NGO Transport & Environment wollten sich sämtliche ausländische Verbände bis auf die Schweiz nicht zu einer Anreise per Bahn nach Deutschland bekennen. Und beim Weltverband FIFA entschied man sich bekanntlich dafür, die WM 2026 in drei Ländern sowie die WM 2030 in sechs Nationen auf drei Kontinenten zu veranstalten. Die Verkehrsemissionen dürften bei diesen Turnieren also noch weiter ansteigen.

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News

EU-Renaturierungsgesetz: Wie es nach dem Ja von Österreich weitergeht

Am Montag haben die Mitgliedsstaaten im EU-Umweltrat mit einer qualifizierten Mehrheit für das Renaturierungsgesetz gestimmt. Möglich gemacht hat dies ein Alleingang der österreichischen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), die trotz Protesten ihres Regierungspartners, der konservativen ÖVP, dem Gesetz zustimmte. Während in Österreich die Koalition bröckelt, ist nach zwei Jahren und 136 Änderungen im Gesetzestext der Weg frei, um bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landflächen in der EU zu renaturieren.

Gewessler begründete ihre Haltung auch mit den Gefahren durch Hochwasser, die im Klimawandel zunehmen: “Wenn es regnet, versickert im Asphalt kein Wasser.” Als Reaktion auf ihren Alleingang reichte die ÖVP am Montag gegen Gewessler eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs ein. Auch eine Nichtigkeitsklage beim EuGH soll eingebracht werden. Dass das Vorgehen von Gewessler rechtswidrig sei, bescheinigt unter anderem ein Rechtsgutachten im Auftrag des ÖVP-geführten Landwirtschaftsministeriums. Auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts komme zu diesem Schluss, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Pressekonferenz am Montagabend. Die Koalition wolle er aber fortsetzen, damit das Land “nicht im Chaos” versinke.

All das sei “juristisches Neuland”, sagte Walter Obwexer, Experte für Europäisches Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck, zur Austria Presse Agentur (APA). Die Chancen stünden “nicht schlecht”, dass der Ratsbeschluss vom EuGH wegen Formmängel aufgehoben werde. Mit einer Entscheidung sei in rund eineinhalb Jahren zu rechnen. Obwexer geht aber davon aus, dass der Beschluss im Amtstext veröffentlicht werde und damit die Vorgaben – zumindest vorerst – in Kraft treten werden.

Verfassungsjurist Peter Bußjäger, ebenfalls von der Universität Innsbruck, sprach gegenüber der APA von einer komplexen rechtlichen Lage. Er hält weder die angedrohte Nichtigkeitsklage noch die Zustimmung von Gewessler für schlüssig. Gewessler stützt sich wiederum auf vier Rechtsgutachten und Gespräche mit mehreren Juristen, darunter mit Daniel Ennöckl von der BOKU Universität in Wien, der ihr Vorgehen rechtlich abgesichert sieht. Die Grünen sehen möglichen rechtlichen Schritten gelassen entgegen. Auch der EU-Ratsvorsitz sieht Gewesslers Ja als zulässig.

Grüne begrüßen das Gesetz, EVP und Bauernverbände dagegen

In einer ersten Reaktion sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise. Auch Umweltverbände wie Greenpeace und WWF begrüßten das Gesetz. Zuvor hatten sich bereits Tausende Wissenschaftler in einem Offenen Brief dafür ausgesprochen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach von einer “ausgewogene Balance aller Interessen”. Die Bundesregierung hatte sich im März nach Protesten der FDP auf eine Zustimmung geeinigt, aber auf eine Entlastung von Landwirten gedrängt. Gegenstimmen gab es von Finnland, Schweden, Italien, Ungarn, Polen und den Niederlanden. Auch die EVP, Teile der Rechten und der extremen Rechten sowie einige Bauernverbände kritisierten das Gesetz – teils aber mit fadenscheinigen Argumenten. Jan-Christoph Oetjen, agrarpolitischer Sprecher der FDP und Vizepräsident des EU-Parlaments, sprach von einem “Schritt rückwärts”. dpa/lb

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Heizungsgesetz: Auch die CDU vollzieht eine Wärmewende

Die CDU rückt von ihrer Ankündigung ab, die im vergangenen Jahr von der Ampel-Koalition beschlossene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Fall eines Wahlsiegs komplett zu stoppen. Stattdessen sind nach Informationen aus Parteikreisen nur einzelne Anpassungen geplant; die Details dazu werden derzeit erarbeitet. Bei der Verabschiedung des Gesetzes im vergangenen September hatte CDU-Chef Friedrich Merz noch erklärt: “Wir werden dieses Heizungsgesetz wieder zurücknehmen.” Fraktionsvize Jens Spahn hatte einen angeblichen “Wärmepumpen-Zwang” kritisiert, der mit Kosten von “80.000 bis 100.000 Euro” einhergehe, und die Partei hatte mit einer Online-Unterschriftensammlung gegen den “Heizungs-Hammer der Ampel” protestiert.

Mittlerweile hat sich die Tonlage deutlich geändert. Bei der Eröffnung der “Wärmepumpen-Akademie”, in der das Unternehmen Enpal Montagehelfer für die Installation schult, gab Merz am Freitag ein klares Bekenntnis ab: “Wir, die Union, wir stehen voll und ganz hinter dieser Wärmewende”, sagte der CDU-Vorsitzende. Und das gelte auch für die Wärmepumpe: Deren Technologie sei “faszinierend” und “ein ganz wesentlicher Träger für diese Transformation”. Vertreter von Enpal und dem Wärmepumpen-Hersteller Bosch machten bei der Veranstaltung deutlich, dass sie die Ankündigung der Rücknahme der nach langem Streit verabschiedeten Gesetzesnovelle für keine gute Idee halten. “Von der Politik wünschen wir uns Verlässlichkeit, Klarheit und Planungssicherheit”, sagte Enpal-CEO Mario Kohle. Dieser Wunsch findet offenbar zunehmend Gehör.

Auf die Frage, was genau die Union beim GEG ändern wolle, sagte der für Klimapolitik zuständige Parteivize Andreas Jung zu Table.Briefings: “Wir werden den hemmenden Rucksack der Überregulierung abwerfen, den die Ampel mit ihrem Heizungsgesetz auf das GEG gepackt hat.” Das Gesetz solle unterschiedliche Technologien ermöglichen. Das könne “etwa der Anschluss an ein Wärmenetz sein, eine Wärmepumpe, Solarthermie, Geothermie, Holzpellets, eine Gasheizung, die auf Biomethan oder Wasserstoff umgestellt wird”, so Jung. Tatsächlich sind alle diese von Jung geforderten Optionen aber bereits im von der Ampel beschlossenen Gesetz vorgesehen; eine Änderung wäre darum nicht erforderlich, um sie zu ermöglichen. Als weitere Forderung nennt Jung, Pelletheizungen bei der Förderung mit Wärmepumpen komplett gleichzustellen. mkr

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Kohleausstieg: So viele Kraftwerke könnten rentabel stillgelegt werden

Für ein Zehntel der Kohlekraftwerke weltweit gibt es derzeit Pläne, sie bis 2030 abzuschalten. Einer neuen Studie zufolge könnten allerdings allein in Schwellenländern 800 Kohlekraftwerke – also ein Drittel aller Kohlekraftwerke weltweit – gewinnbringend stillgelegt und durch saubere Solarenergie ersetzt werden. Derzeit sind weltweit rund 2.400 Kohlekraftwerke in Betrieb. Sie verursachen jährlich 15,5 Milliarden Tonnen CO₂-Emissionen.

Die größte Herausforderung ist dem Bericht des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) zufolge, dass Kraftwerke noch Schulden abbezahlen müssten oder auf Jahrzehnte an Stromabnahmeverträge gebunden seien. Für die Umstellung von Kohle auf saubere Energien gebe es derzeit nur wenige “gut definierte, vertraglich festgelegte, bankfähige” Pläne, so Paul Jacobson, Hauptautor des Berichts. Regierungen sollten daher neue Möglichkeiten erkunden, beispielsweise den Energy Transition Mechanism der Asiatischen Entwicklungsbank.

Unter den 800 von der IEEFA ermittelten Kohlekraftwerken befinden sich etwa 600, die vor dreißig oder mehr Jahren gebaut wurden. Von ihnen haben viele bereits ihre Kredite zurückgezahlt und sind nicht mehr an langfristige Stromabnahmeverträge gebunden. Da die Gewinnspannen für Erneuerbare inzwischen ausreichten, könnten auch Kohlekraftwerke ersetzt werden, die erst vor 15 bis 30 Jahren gebaut wurden. Hindernisse, wie etwa fossile Subventionen, müssten dafür aber abgebaut werden. rtr/lb

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Studie: Wie die EU die Konsum-Emissionen verringern kann

In der EU gibt es ein großes Potenzial, Emissionen aus dem Konsum zu reduzieren. Dafür brauche es sowohl gezielte Maßnahmen zur Reduzierung von verbrauchsbedingten CO₂-Emissionen (consumption-based emissions, CBEs) als auch eine Reduktion des Konsums. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Stockholm Environment Institute (SEI).

Bisher hätten sich politische Maßnahmen vor allem auf sogenannte territoriale Emissionen aus Industrieproduktion oder Energie konzentriert und die Auswirkungen von Konsum seien unterschätzt worden. CBEs aus der EU machen ungefähr neun Prozent der globalen Emissionen aus.

Ernährung, Wohnen und Mobilität sind demnach die Bereiche mit besonders hohen konsumbedingten Emissionen und besonders großem Einsparpotenzial. Während es auf der Ebene der Staaten schon viel Engagement gebe, fehlten bisher koordinierte Maßnahmen auf EU-Level. Die sollten nicht nur auf Effizienzgewinne ausgerichtet sein, sondern auch Konsumreduktion und Suffizienz in den Blick nehmen.

Importierte Emissionen vor allem aus China

Ein Kernproblem sind laut Bericht “importierte Emissionen”: Seit 2015 ist die EU ein Netto-Importeur von CO₂-Emissionen. Die Emissionen, die sie über Güter und Leistungen importiert, übersteigen jene, die sie exportiert. Somit habe der europäische Konsum negative Auswirkungen auf ändere Länder. Die meisten Emissionen werden dabei aus China importiert. Um konsumbedingte Emissionen zu reduzieren, müssten daher auch Emissionen aus komplexen Lieferketten angegangen und mehr Transparenz geschaffen werden. 

Laut dem Bericht gibt es bei den konsumbedingten Emissionen große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten: Während sie in Dänemark oder Luxemburg bei 11 Tonnen CO₂e liegen, sind es in der Slowakei nur 4,6 Tonnen. In Deutschland sind es 9 Tonnen CO₂e, der EU-Schnitt liegt bei 8,1 Tonnen. kul

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Heads

Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Wirtschaft

Majid al Suwaidi

Majid al Suwaidi – CEO, Altérra

Majid al Suwaidi hat den Auftrag, die globale Energiewende zu finanzieren. Er ist der CEO des 2023 auf der COP28 in Dubai gegründeten Investmentfonds Altérra und damit des größten privaten Klima-Fonds weltweit: Altérra soll – Kapital von weiteren Investoren eingeschlossen – bis 2030 insgesamt 250 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung für die Entwicklungs- und Schwellenländer mobilisieren, etwa für erneuerbare Energien oder die Dekarbonisierung der Industrie. Al Suwaidi ist ein erfahrener Diplomat. Er war COP28-Generaldirektor, führte auf dem Pariser Klimagipfel die Verhandlungen für die Vereinigten Arabischen Emirate, war Botschafter in Spanien und im Vatikan sowie Generalkonsul in New York. Zu Beginn seiner Karriere arbeitete der Geologe und Erdwissenschaftler einige Jahre für den staatlichen Ölförderer Abu Dhabis, ADNOC.

Markus Krebber – Vorstandsvorsitzender, RWE

RWE stand lange für die alte Energiewelt aus Atomkraft, Kohle und Gas. Doch das ändert sich derzeit schnell: Zwar gehört der Energieriese aus dem Rheinland mit seinen Braunkohlekraftwerken noch immer zu den größten CO₂-Emittenten des Landes, aber damit ist es bald vorbei: Anders als die ostdeutsche LEAG hat RWE sich unter Krebbers Führung mit der Ampel-Regierung darauf geeinigt, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Auch die Forderung nach längeren AKW-Laufzeiten hatte der Ökonom, der 2012 zu RWE kam und zuvor für die Commerzbank und McKinsey tätig war, wiederholt zurückgewiesen. Stattdessen investiert das Unternehmen massiv in Wind- und Solarenergie – und drängt auf Tempo bei der Kraftwerksstrategie, um rechtzeitig zum Kohleausstieg wasserstofffähige Gaskraftwerke am Netz zu haben. Ein Porträt von Krebber finden Sie hier.

Gunter Erfurt – CEO, Meyer Burger

Meyer Burger hatte als letzter großer Hersteller in Deutschland – im sächsischen Freiberg – Solarmodule hergestellt. Aufgrund der deutlich günstigeren Konkurrenz aus China hatte das Unternehmen zuletzt wirtschaftliche Schwierigkeiten. Anfang des Jahres forderte Gunter Erfurt darum öffentliche Unterstützung und machte auch den Weiterbetrieb des Werkes davon abhängig. Als es im März von der Bundesregierung eine endgültige Absage dazu gab, verkündete er die Schließung des Werks in Freiberg. Bei Table.Today forderte er “faire Wettbewerbsbedingungen” für die Branche. Erfurt arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Solarbranche, seit 2020 ist er CEO von Meyer Burger.

Wael Sawan – CEO, Shell

Seit seinem Amtsantritt als CEO im Januar 2023 hat Wael Sawan den grünen Umbau des Ölriesen Shell gebremst. Er hat dem Unternehmen eine aktualisierte Energiewende-Strategie gegeben, die im Mai von den Aktionären angenommen wurde: Das Ziel, die CO₂-Intensität des Unternehmens bis 2035 um 45 Prozent zu senken, wurde fallengelassen. Schon im Sommer 2023 hatte Sawan das Klimaziel des Konzerns, die Ölförderung bis 2030 um 20 Prozent zu verringern, über den Haufen geworfen. Zuvor sagte er Investitionen in einige Offshore-Wind-, Wasserstoff- und Biokraftstoff-Projekte ab (zum Porträt).

Chuanfu Wang – CEO, BYD

Chuanfu Wang, 58, ist CEO von BYD, dem größten E-Auto-Hersteller der Welt. Mit seinem Unternehmen hat Wang die Mobilitätswende in China eingeleitet und strebt seit einigen Jahren auf den Weltmarkt. Im vergangenen Jahr konnte BYD weltweit drei Millionen Autos verkaufen und gehört somit zu den zehn größten Autoherstellern. In Ungarn errichtet BYD ein erstes europäisches Werk. Auch bei E-Bussen ist BYD führend. Wang gründete das Unternehmen mit 29 Jahren und stellte zunächst Handy-Akkus her. Seit 2003 baut BYD Autos. 2022 beendete BYD die Herstellung von Autos mit Verbrennungsmotor. Wang hat einen Master der Batterietechnologie und ist 18-facher Milliardär.

Carsten Spohr – Vorstandsvorsitzender, Lufthansa

Carsten Spohr ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa und arbeitet in einer Branche, der hohes Wachstum prognostiziert wird. Er muss das Unternehmen mittelfristig auf Klimaneutralität umbauen. Spohr glaubt zwar an das klimaneutrale Fliegen, kritisiert jedoch die europäischen Klimaschutzvorgaben für die Luftfahrt: für die Beimischung eines bestimmten Anteils synthetischer Kraftstoffe (SAF) gebe es noch zu wenig Angebot auf dem Markt, wodurch die Kosten zu stark stiegen. SAFs machen bei der Lufthansa aktuell einen Anteil von 0,2 Prozent aus. Spohr ist gelernter Ingenieur und selbst Pilot.

Bernhard Osburg

Bernhard Osburg – CEO, Thyssenkrupp Steel

Bernhard Osburg muss als CEO von Thyssenkrupp Steel die grüne Wende eines der größten CO₂-Emittenten Deutschlands einleiten. Der Stahlproduzent ist für rund 2,5 Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich. In Duisburg entstehen dafür Direktreduktionsanlagen, die ab 2029 Wasserstoff statt Kohle nutzen sollen. Die öffentliche Hand fördert die Anlagen mit bis zu zwei Milliarden Euro. Der grüne Umbau kostet Milliarden und die Werke sind schon heute nicht ausgelastet. 

Nils Aldag – Gründer und Chef, Sunfire

Mit seinem Dresdner Unternehmen Sunfire weckt Nils Aldag große Hoffnungen auf eine klimafreundliche Zukunft der deutschen Industrie. Sunfire, das Aldag 2010 gemeinsam mit Christian von Olshausen gründete, stellt Elektrolyseure her: tonnenschwere, zylinderförmige Maschinen aus Stahl, in deren Innern unter Strom gesetzte Membrane Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten. Falls der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt, geschieht das ohne Treibhausgasemissionen. Vor allem schwer zu dekarbonisierende Sektoren wie die Stahlindustrie oder die Grundstoffchemie werden künftig auf diesen grünen Wasserstoff angewiesen sein. Aldag, der BWL und Wirtschaftsrecht studiert hat, sagte kürzlich im Gespräch mit Table.Briefings: “Wir befinden uns in einer Branche, in der alle Pfeile nach oben zeigen.”

Dominik von Achten – Vorstandsvorsitzender, Heidelberg Materials

Der Zementsektor gehört zu den größten CO₂-Emittenten weltweit. Dominik von Achten will Heidelberg Materials zum Vorreiter in Sachen Dekarbonisierung der Branche machen: Dafür wurde der Konzern 2022 von Heidelberg Cement zu Heidelberg Materials umbenannt – und viele warfen dem Unternehmen Greenwashing vor. Im ersten Halbjahr 2025 will das Unternehmen den ersten Netto-Null-Zement auf dem Markt bringen, das CO₂ aus der Produktion soll dann mit CCS abgeschieden und unter dem norwegischen Meeresboden gelagert werden. Früher war von Achten bei der Boston Consulting Group. Seit 2007 ist er bei Heidelberg Materials, seit 2020 Vorstandsvorsitzender.

Markus Kamieth – Vorstandsvorsitzender, BASF

Seit 25 Jahren ist Markus Kamieth in unterschiedlichen Funktionen für BASF tätig, seit wenigen Wochen steht der Chemiker nun an der Spitze des Chemie-Riesen. Dort hat er sich viel vorgenommen: “Das bevorzugte Unternehmen für die grüne Transformation der Kunden” solle BASF werden, hatte er zum Start als Vorstandschef angekündigt. Gelingen soll das mit einer führenden Rolle in der Batterieproduktion und bei der Umstellung auf erneuerbare Rohstoffe und chemisches Recycling. Dabei setzt das Unternehmen trotz mancher Kritik weiter auf große Investitionen in China.

  • CCS
  • Elektrolyseure
  • Greenwashing

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die globale Klimafinanzierung befindet sich in einer Zwickmühle: In den kommenden Jahren müssen hunderte Milliarden an finanzieller Unterstützung für den Klimaschutz im Globalen Süden fließen, gleichzeitig darf die Schuldenkrise vieler dieser Staaten nicht verschlimmert werden. Auf der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn spielte diese Zwickmühle eine große Rolle, auf der COP29 dürfte sie es ebenfalls tun. Wir analysieren heute Optionen, wie die Klimafinanzierung fließen kann, ohne die Staaten des Globalen Südens in den Ruin zu stürzen. Spoiler: Es gibt Lösungen, doch sie müssten schnell skaliert werden.

    Einen Ausweg sucht auch die Schweizer Politik. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den “Klimaseniorinnen” recht gab und die Schweiz zu mehr Klimaschutz gemahnt hat, sucht sich die Mehrheit der Schweizer Regierungsvertreter aus der Affäre zu ziehen. Doch das könnte als schlechtes Vorbild dienen: Die Schweiz dürfe das Urteil nicht missachten und andere, weniger demokratische Länder dazu ermutigen, den Gerichtshof zu ignorieren, warnen einzelne Regierungsvertreter. Priscilla Imboden analysiert die Details und zeigt die Debatten in der Schweiz auf.

    Und auch bei uns rollt der Ball: Marc Winkelmann untersucht die Ökobilanz der Fußball-Europameisterschaft und welche Rolle die Fans und ihre Mobilität spielen werden. In “Top of the Table” stellen wir Ihnen heute die zehn entscheidenden Akteure aus der Wirtschaft vor.

    Beste Grüße

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    Wie das neue Klimafinanzziel die Schuldenkrise verschlimmern könnte

    Die Schuldenkrise erschwert es Entwicklungs- und Schwellenländern, in den Klimaschutz zu investieren. Protest auf der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn.

    Bei den internationalen Verhandlungen über das neue Ziel für die Klimafinanzierung (New Collective Quantified Goal – NCQG) im UN-Rahmen zeichnet sich eine Gefahr ab: Wenn wie bisher ein großer Teil der Klimafinanzierung als Kredite fließt, könnte sich die akute Schuldenkrise vieler Entwicklungs- und Schwellenländer dadurch noch verschärfen. Auf der Bonner Klimazwischenkonferenz (3. bis 13. Juni) haben die Verhandler und Experten deshalb über Möglichkeiten debattiert, diese Schuldenfalle zu verhindern. Doch die Vorschläge dazu sind bislang schwer skalierbar, wenig verlässlich und können zu neuen Verteilungskonflikten führen.

    Bei Zuschüssen kommt es auf Kompromisse an

    Bei der COP29 in Baku soll beschlossen werden, wie hoch ab 2025 die Klimahilfen für die Entwicklungsländer sein sollen. Entwicklungs- und Schwellenländer fordern bis zu 1,3 Billionen US-Dollar pro Jahr. Fraglich ist allerdings, woher das Geld kommen soll, zu welchen Konditionen es gezahlt wird und wie es fließen kann. Um eine Verschärfung der Schuldenkrise zu verhindern, werden mehrere Möglichkeiten debattiert:

    • Mehr Zuschüsse vergeben und mehr stark vergünstigte Kredite statt Kredite zu Marktzinsen
    • Neue Finanzinstrumente wie Klimasteuern
    • Schuldenerlasse für Klima-Maßnahmen (Debt for Climate Swaps)
    • Kredite mit Pausen-Klauseln bei akuten Klimaschäden ausstatten
    • Verstärkte Entwicklungshilfe durch Auffüllung der IDA-Mittel bei der Weltbank

    “Wenn das NCQG falsch gestaltet wird, kann es das Schuldenproblem verschärfen”, sagt David Ryfisch, Klimafinanzexperte bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zu Table.Briefings. In Bonn haben viele Beobachter und auch die Verhandler deshalb mehr Zuschüsse und stark vergünstigte Kredite gefordert. Auch Ryfisch sagt: “Zumindest für Anpassung und Loss and Damage müsste ein substanzieller Anteil des NCQG aus Zuschüssen (Grants) und hoch-konzessionären Krediten mit niedrigen Zinsen und langen Rückzahlungsfristen bestehen.”

    Doch die Staatshaushalte der Geberstaaten sind schon heute ausgereizt. Zuschüsse und Kredite zu Vorzugsbedingungen haben schon beim 100-Milliarden-Ziel nur einen kleinen Anteil ausgemacht. Ryfisch glaubt, dass es bei den Zuschüssen auf Kompromisse ankomme: “Einen nennenswerten Anstieg bei den Zuschüssen wird es wahrscheinlich nur geben, wenn auch in anderen Bereichen Kompromisse erzielt werden, wenn sich beispielsweise neue Geber bereiterklären, auch einen Anteil beizutragen.” Bisher wehren sich diese potenziellen neuen Geber, beispielsweise China und Saudi-Arabien, sich an der Klimafinanzierung auf UN-Ebene zu beteiligen.

    Verteilungskonflikte bei neuen Finanzquellen

    Zuschüsse und vergünstigte Kredite werden nur einen Teil des NCQG ausmachen. Viele Verhandler fordern daher auch neue Finanzquellen abseits normaler Kredite. Laut Juan Pablo Hoffmaister, Finanzexperte des Environmental Defense Fund (EDF), könnten neuen Quellen wie eine CO₂-Abgabe auf den internationalen Schiffsverkehr oder die von Brasilien im Rahmen der G20 vorgebrachte globale Milliardärssteuer wichtige Bestandteile des NCQG sein.

    Allerdings schränkt Ryfisch von Germanwatch ein: “Neue Finanzquellen wie eine Milliardärssteuer sind nicht so einfach in Klimafinanzierung zu übertragen. Die Steuern und Abgaben würden von den Staaten erhoben und dadurch sind neue Verteilungskonflikte zu erwarten.”

    Debt for Climate Swaps und Klauseln für Schuldenpausen

    Gaia Larsen vom Worlds Resources Institute (WRI) bringt im Gespräch mit Table.Briefings auch sogenannte Debt for Climate Swaps ins Gespräch. Dabei werden verschuldeten Staaten Schulden erlassen, wenn sie das dadurch gesparte Geld im Gegenzug in den Klimaschutz investieren. Diese Instrumente müssten aber in größerem Maßstab angewandt werden als bisher, so Larsen. “Wir müssen auf globaler Ebene eine Lösung für Debt for Climate Swaps finden, wie wir es mit der HIPC-Initiative zum Schuldenerlass getan haben”, fordert die WRI-Expertin. Hoffmaister sagt zu Table.Briefings: “Es gibt Möglichkeiten, Debt for Climate zu skalieren”. Doch er schränkt auch ein, dass es bisher “noch keine konzentrierten Bemühungen in diese Richtung gibt. Die Entwicklungsagenturen beginnen gerade erst, sich mit diesen Optionen zu befassen”.

    Es wird voraussichtlich noch ein paar Jahre dauern, bis Debt for Climate Swaps ein wirksames Instrument in nennenswerter Höhe werden. Denn bisher gibt es nur vereinzelte Swaps und die Transaktionskosten sind sehr hoch. Zudem nutzen diese Instrumente nicht Staaten, die sich schon im Verschuldungsnotstand (debt distress) befinden, schränkt Larsen ein. Wenn diese Staaten kein Geld für den Schuldendienst haben, könne auch kein Geld in den Klimaschutz umgeleitet werden.

    Eine weitere Option, um verschuldete Staaten zu entlasten, könnten Kreditklauseln sein. Im Rahmen des NCQG wird beispielsweise über “eine Klausel zum Pausieren der Rückzahlung von Schulden bei Extremwetterereignissen oder anderen Klimaschäden debattiert”, sagt Ryfisch. Solche Klauseln will auch die Weltbank vermehrt einsetzen. “Das würde den Staaten Raum zum Atmen geben, statt sie immer tiefer in einen Teufelskreis aus Klimakrise, kostspieligen Extremwetterereignissen und Schuldenkrise zu treiben”, so Ryfisch.

    Weltbank, IWF und G20 in der Pflicht

    “Wir müssen auf jeden Fall versuchen, die Schuldenkrise nicht durch die Klimafinanzierung zu verschärfen”, sagt Gaia Larsen vom WRI zu Table.Briefings. Allerdings sei es kaum möglich, die Schuldenproblematik im Rahmen der Klimaverhandlungen zu lösen, so Larsen. Die WRI-Expertin schaut vielmehr auf andere wichtige Akteure. So müssten die Weltbank-Geberstaaten auf ihrer Jahrestagung die IDA-Fonds für die ärmsten Staaten mit großen Summen auffüllen. Auch die Übergabe von IWF-Sonderziehungsrechten von den reichen an die ärmeren Staaten sei eine Möglichkeit. Und zu guter Letzt müsse die G20 aktiver werden. Brasilien hatte hier eine Milliardärssteuer ins Gespräch gebracht, um bis zu 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu mobilisieren. Auch Hoffmaister mahnt: “Wir brauchen mehr Koordination zwischen den verschiedenen Institutionen wie der Weltbank, dem IWF, nationalen Banken und der Klimagemeinschaft. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die NCQG die Schuldenkrise verschärfen könnte”.

    Zins- und Tilgungszahlungen belasten Staatshaushalte

    Wie akut diese Schuldenkrise schon heute ist, zeigt eine neue Studie des Projekts “Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery”:

    • Die externen Schulden vieler Schwellen- und Entwicklungsländer haben sich seit dem Jahr 2008 auf 3,1 Billionen US-Dollar mehr als verdoppelt.
    • Die Staaten müssen so viel für Zinsen und Tilgung zahlen wie zuletzt in den 1990er-Jahren, “als ein Großteil des Globalen Südens am Rande der Zahlungsunfähigkeit stand”.
    • Im Jahr 2023 mussten die Entwicklungs- und Schwellenländer demnach mehr als 400 Milliarden US-Dollar für den Schuldendienst aufwenden.

    Der Studie zufolge könnten 47 Staaten in den nächsten fünf Jahren zahlungsunfähig werden, “wenn sie in dem Umfang investieren würden, der zur Erreichung der international vereinbarten Klima- und Entwicklungsziele erforderlich ist”. Weitere 19 Staaten würden in Liquiditätsprobleme kommen, da ihnen der nötige fiskalische Spielraum fehlt. “Horrende Schuldenrückzahlungen lassen die Mittel für den Klimaschutz versiegen”, mahnte auch UN-Generalsekretär António Guterres in einer Rede zum Weltumwelttag am 5. Juni.

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    • NCQG
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    Klimaklage: Schweizer Parlament will Klimaseniorinnen-Urteil des EGMR nicht umsetzen

    Die Klimaseniorinnen Schweiz hatten die erste Klimaklagen vor dem EGMR gewonnen.

    Am 9. April verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Schweiz. Sie unternehme zu wenig, um den Klimawandel zu bekämpfen, befanden die Straßburger Richterinnen und Richter. Damit verletze die Schweiz die Menschenrechte der Klägerinnen, der sogenannten “Klimaseniorinnen”. Sie seien in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben sowie auf ein faires Verfahren berührt worden. Das bedeutet: Die Schweiz muss laut dem Urteil mehr gegen den Klimawandel tun.

    In der Schweiz wurde das Urteil weitgehend kritisch aufgenommen. Das Schweizer Parlament hat nun vergangene Woche eine Erklärung mit dem Titel “Effektiver Grundrechtsschutz durch internationale Gerichte statt gerichtlicher Aktivismus” abgegeben. Damit ist gemeint, dass sich der EGMR auf Menschenrechtsthemen im engeren Sinn wie etwa das Folterverbot konzentrieren solle und dass Klimaschutz kein Menschenrecht sei. In der Erklärung weist das Parlament darauf hin, dass die Schweizer Bevölkerung vor einem Jahr einem Klimaschutzgesetz mit Netto-Null-Ziel bis 2050 zugestimmt hat. Es fordert die Landesregierung dazu auf, dem Urteil “keine weitere Folge zu geben”, ihm also nicht Folge zu leisten.

    Populistische Tendenzen nehmen in der Schweiz zu

    Für die Schweizer Regierung ist die Erklärung nicht bindend, sie hat eine rein symbolische Bedeutung. Der Bundesrat – das siebenköpfige Regierungsgremium – wird nach den Sommerferien offiziell zum EGMR-Urteil Stellung beziehen. Wie er dies tun wird, ist noch offen, eine Mehrheit der Regierungsmitglieder entstammt aber jenen Parteien, die das Urteil nicht akzeptieren wollen.

    Die Erklärung ist ein Zeichen, dass auch in der Schweiz populistische Tendenzen zunehmen. Der sozialdemokratische Justizminister Beat Jans warnte das Parlament davor, ein Signal auszusenden, das andere, weniger demokratische Länder dazu ermutigen könnte, Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs zu missachten. Er sagte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio und Fernsehen SRF: “Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in die Schublade von Ländern kommen, die Entscheide nicht umsetzen”, so der Justizminister. Und weiter: “Wir sollten nicht als schlechtes Beispiel vorangehen und nicht akzeptieren, was Gerichte sagen.”

    In der Schweizer Regierung gibt es unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage: In einer ersten Reaktion sagte der zuständige Umweltminister Albert Rösti von der SVP, das Urteil widerspreche der direkten Demokratie. Dieses Argument fußt darauf, dass die Schweizer Bevölkerung ein strengeres Klimaschutzgesetz im Jahr 2020 abgelehnt hatte. Er verwies außerdem darauf, dass das Schweizer Parlament dieses Jahr ein neues CO₂-Gesetz verabschiedet hat. Das möchte den CO₂-Ausstoß bis im Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990 halbieren, mit Maßnahmen wie Emissionsvorschriften für Autos und einer Beimischpflicht von nachhaltigem Treibstoff für Kerosin. Das dürfte allerdings nicht ausreichen, um das Klimaseniorinnen-Urteil umzusetzen, zumal das Gesetz im Vergleich zum bereits moderaten Vorschlag der Landesregierung im Parlament abgeschwächt wurde. Umweltschutzorganisationen wie der WWF monieren, dass dieses Gesetz nicht ausreicht, um die Verpflichtungen, die die Schweiz mit dem Pariser Klimaschutz-Abkommen eingegangen ist, zu erfüllen.

    Kritische Reaktionen von Politik und Bevölkerung

    In der Politik waren die Reaktionen auf die Verurteilung der Schweiz durch den EGMR mehrheitlich negativ. Das Urteil sei ein Skandal, teilte die wählerstärkste Partei mit, die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei SVP, die zwei Regierungsmitglieder stellt. Es handle sich um eine dreiste Einmischung in die Politik eines souveränen Landes. Die SVP forderte, dass die Schweiz aus dem Europarat austritt, was aber nicht mehrheitsfähig sein dürfte. Kritik kam auch aus der freisinnig-demokratischen Partei FDP, die ebenfalls zwei Bundesräte hat. Das Gericht mache Politik, erklärte die FDP. Es solle sich auf seine Kernaufgabe besinnen, nämlich den Schutz des Einzelnen vor staatlichen Übergriffen. Die Freisinnigen haben einen entsprechenden Vorstoß im Parlament eingereicht. Dieser verlangt, dass der Bundesrat mit anderen Vertragsstaaten der europäischen Menschenrechtskonvention darauf hinwirkt, dass in einem Protokoll festgehalten wird, dass der EGMR nicht “mittels ausufernder Auslegung der Grundrechte den legitimen Ermessensspielraum der Staaten einschränken” könne. Auch die Mittepartei, die eine Bundesrätin hat, kritisierte das Urteil. Das Urteil begrüßten die sozialdemokratische Partei, die zwei Vertreter in der Regierung hat, sowie die Grünen, die in der Regierung nicht vertreten sind.

    Laut einer Umfrage wird das Klimaseniorinnen-Urteil auch in der Bevölkerung mehrheitlich kritisch bewertet. Die Klimaseniorinnen hingegen kritisieren die Erklärung des Parlamentes und haben bereits vorher angekündigt, dass sie eine mögliche Nichtumsetzung des Urteils beim Europarat melden würden. Cordelia Bär, Anwältin der Klimaseniorinnen, sagte gegenüber SRF: “Wir würden das Ministerkomitee des Europarats jederzeit über jegliche Entwicklungen, auch über Unterlassungen in der Schweiz, informieren.”

    Die Klage wurde vom Umweltschutzverband Greenpeace initiiert, Klägerinnen sind die Klimaseniorinnen, ein Verein von rund 2.500 Rentnerinnen, der vor acht Jahren gegründet wurde. Sie verklagten die Schweizer Regierung und setzten sich landesweit für mehr Klimaschutz ein. Das Schweizer Bundesgericht sprach den Seniorinnen die besondere Betroffenheit ab, was zur Folge hat, dass sie nicht klageberechtigt sind. Sie zogen mit dem Fall deshalb weiter nach Straßburg. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen sein. Es ist das erste Mal, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt, dass es einen menschenrechtlich begründeten Anspruch auf Klimaschutz gibt.

    • Europarat
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    • Klimaschutzgesetz
    • Menschenrechte
    • Schweiz
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    Das Verhalten der Fans entscheidet über die Ökobilanz der EURO 2024

    Jetzt geht’s los: Schottische Fans auf dem Marienplatz in München

    Mit Mittelmaß will sich Philipp Lahm nicht zufriedengeben. “Wir wollen Vorbild sein. Wir wollen für nachfolgende Sportgroßveranstaltungen auch in anderen Ländern Standards setzen.” Das sagte der Weltmeister von 2014 und Turnierdirektor der Euro 2024 im März vor dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. Das Thema müsse “in allen Bereichen mitgedacht werden”.

    Das ist keine kleine Aufgabe. 2,7 Millionen Fans werden zu den 51 Spielen in den zehn auserwählten Stadien erwartet. Bei den Fanzonen, die Public Viewing anbieten, rechnen die Organisatoren mit bis zu zwölf Millionen Besuchern.

    Anreise zu Spielen verursacht Hauptemissionen

    Um die Belastungen für die Umwelt und das Klima zu kalkulieren, wurde das Öko-Institut vorab mit einer Analyse beauftragt. Demnach:

    • werden die Gesamtemissionen 490.000 Tonnen CO₂ betragen.
    • verursacht allein der Verkehr – ohne die Fahrten zu den Fanzonen – 350.000 Tonnen CO₂
    • schlagen die Fanzonen und die Übernachtungen der Gäste mit je etwas mehr als 50.000 Tonnen zu Buche – wobei die Emissionen der Fanzonen ebenfalls “weitgehend verkehrsbedingt” sind.
    • tragen alle anderen Bereiche “weniger als zwei Prozent zum Gesamtergebnis” bei, darunter: die Energieversorgung der Stadien und Medienzentren, das Catering, der Materialeinsatz und die Turnierorganisation.

    Bei der Betrachtung des gesamten Verkehrs im Kontext der EM (inklusive Besuche der Fanzonen) stellten die Forscher fest, dass er 84 Prozent aller Emissionen ausmachen wird. Dabei entfallen 64 Prozent auf die Flüge und 14 Prozent auf private Pkw. Fernzüge, Reisebusse und der ÖPNV machen zusammen nur sechs Prozent aus.

    Vorschläge des Öko-Instituts Teil der UEFA-Strategie

    Nur 16 Prozent der Emissionen sind nicht verkehrsbedingt, davon entfallen auf Übernachtungen mehr als zwei Drittel. Oder anders ausgedrückt: Mehr als 98 Prozent der Gesamtemissionen entstehen in Scope 3, so die Studie.

    Die Untersuchung fand vor mehr als zwei Jahren statt, als weder die teilnehmenden Teams bekannt waren noch der Turnierverlauf berücksichtigt werden konnte. Trotzdem sagen die Autoren, dass die Unsicherheiten in ihren Rechnungen überschaubar gewesen seien. Unterm Strich liege das Ergebnis nicht weit entfernt von den beiden vorigen Europameisterschaften.

    Zur Verbesserung der Ökobilanz schlugen sie unter anderem die Ausweitung des ÖPNV, alternative Kraftstoffe für Flugzeuge, die Einführung einer BahnCard 100 für die EM und die Nutzung von Stadionparkplätzen für Photovoltaikanlagen vor. Dazu: ein Verzicht auf Dieselgeneratoren, den Verkauf von biologisch erzeugten, vegetarischen und veganen Speisen, die Abschaffung von Flyern und anderen Give-Aways sowie die ausschließliche Nutzung von Mehrwegartikeln.

    Parkplatzangebot um Stadien wird reduziert

    Ein Teil der Empfehlungen hat Eingang in die “ESG-Strategie” des Europäischen Fußballverbands (UEFA) gefunden. Damit das Turnier laut eigener Aussage “unter Einhaltung höchster Nachhaltigkeitsstandards” stattfindet, dürfen Ticketinhaber den ÖPNV vor und nach dem jeweiligen Spiel für 36 Stunden kostenlos nutzen, werden Fernverkehrsmittel günstiger sowie gesonderte Interrail-Pässe für das Turnier neu angeboten. Zudem wird das Parkplatzangebot rund um die Stadien reduziert und der Spielplan der Vorrunden geografisch so gruppiert, dass Mannschaften möglichst kurze Strecken fahren müssen. Die Verbände der teilnehmenden Nationalmannschaften sind zudem aufgefordert, schadstoffarm anzureisen.

    Außerdem verlangt die UEFA erneuerbare Energien in allen Stadien, die Reduzierung des Wasserverbrauchs, verpackungsarme und verpackungsfreie Produkte, geschlechtsneutrale Toiletten, Fußballspiele für und von Menschen mit Behinderungen in den Fanzonen, “kulturell vielfältige Speisen”, “hochwertige barrierefreie Sitze”, Fahrradstellplätze vor und ein Rauchverbot in den Stadien, Aufrufe zur körperlichen Betätigung, die Einführung nachhaltiger Beschaffungsprozesse und eine Einbeziehung aller Interessenträger der Veranstaltung.

    Extra-Klimafonds eingerichtet

    Mit ihren Maßnahmen will die UEFA 230.000 der prognostizierten 490.000 Tonnen der gesamten CO₂-Emissionen eliminieren. Für die restlichen 260.000 Tonnen hat sie einen “Klimafonds” eingerichtet. Konkret: Pro Tonne landen 25 Euro in dem Topf, aus dem deutsche Fußballvereine noch bis Ende Juni Unterstützung für neue Solaranlagen oder andere Klimaschutzprojekte erhalten können. Insgesamt stehen sieben Millionen Euro zur Verfügung.

    Imke Schmidt, Co-Leiterin des Forschungsbereichs Zirkulärer Wandel beim Wuppertal Institut, hält die Nachhaltigkeitsstrategie der Organisatoren grundsätzlich für geeignet. Sie lobt, dass die Relevanz des Verkehrs erkannt wurde, Bahntickets zu reduzierten Preisen erhältlich sind, die Team-Fahrten für die Gruppenphase gebündelt wurden und keine neuen Gebäude errichtet werden.

    EM-Organisatoren schöpfen Möglichkeiten nicht aus

    Allerdings reiche das nicht aus, sagt sie. “Das Potenzial wird nicht ausgeschöpft. Mir fehlt die Kommunikation mit den Fans.” Auf der Turnier-Homepage zum Beispiel finde man erst auf Unterseiten Informationen. “Eine größere Kampagne wäre wichtig, weil die Europameisterschaft über die Spiele hinaus gesellschaftlich wirken und Nachhaltigkeit in den Alltag tragen könnte”, so Schmidt. Den Klimafonds, der vom Öko-Institut entwickelt wurde und den die Veranstalter erstmals umsetzen, begrüßt sie. “Dieser Ansatz ist wirkungsvoller als die Kompensation von Treibhausgasen.” Aufforstungsprojekte etwa könnten ausgestoßene Emissionen nicht eins zu eins ausgleichen, die Klimawirkung sei nicht so eindeutig kalkulierbar. Die Annahme des Fußballverbands, fast die Hälfte der Gesamtemissionen vermeiden zu können, hält sie hingegen für ein “sehr positiv gerechnetes Szenario”. Schwer ausrechenbar sind die Fans. Niemand wisse, wie sie sich verhalten würden.

    UEFA wählt den niedrigsten Preis für die CO₂-Kompensation

    Nach Ansicht des WWF hätten die Organisatoren den Preis je Tonne CO₂ in dem Klimafonds deutlich höher ansetzen sollen als mit 25 Euro. “Die Preisempfehlung laut Umweltbundesamt für Deutschland lag 2022 bei 237 Euro pro Tonne, laut Weltbank sollte der Preis mindestens 80 US-Dollar betragen”, sagt Sprecherin Lea Vranicar. “Nur mit deutlich höheren Preisen nähert man sich den tatsächlichen Kosten an, die eine emittierte Tonne CO₂ an Schäden für die Gesellschaft verursacht.”

    Das Öko-Institut hatte ursprünglich drei Preise zwischen 25 und 100 Euro pro Tonne CO₂ ins Spiel gebracht. Die UEFA, immerhin Unterzeichner des Sports for Climate Action Frameworks der UN, wählte den niedrigsten.

    Emissionen dürften bei künftigen Turnieren steigen

    Ob die Kalkulationen aufgehen und das Turnier weltweite Standards setzt, wie Turnierchef Philipp Lahm es sich wünscht, überprüfen im Anschluss die Sporthochschule Köln und die Uni Bielefeld in einem Verbundprojekt. Die Evaluation umfasst sowohl die ökonomische als auch die soziale und die ökologische Nachhaltigkeit. Für letzteren Part wurde das Unternehmen Dekra beauftragt: “Damit das gelingt, haben wir ein Netzwerk von Datenlieferanten aufgebaut, wozu unter anderem die EURO 2024 GmbH, die Stadionbetreiber und die Host Cities zählen, die die Fanzonen verantworten”, sagt Moritz Weißleder, Produktmanager Nachhaltigkeit in Sport und Event der Dekra. Die meiste Arbeit stecke in dem Thema Mobilität. “Wie die Besucher reisen und wo sie übernachten, werden wir über Online- und Vor-Ort-Befragungen ermitteln.” Für aussagekräftige Ergebnisse werde angestrebt, je zwischen zwei und fünf Prozent der Fanzonen-Besucher zu interviewen, so Weißleder.

    Fest steht schon jetzt, dass Nachhaltigkeit nicht überall im Fußball hohe Priorität genießt. Laut der NGO Transport & Environment wollten sich sämtliche ausländische Verbände bis auf die Schweiz nicht zu einer Anreise per Bahn nach Deutschland bekennen. Und beim Weltverband FIFA entschied man sich bekanntlich dafür, die WM 2026 in drei Ländern sowie die WM 2030 in sechs Nationen auf drei Kontinenten zu veranstalten. Die Verkehrsemissionen dürften bei diesen Turnieren also noch weiter ansteigen.

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    • Ökobilanz

    News

    EU-Renaturierungsgesetz: Wie es nach dem Ja von Österreich weitergeht

    Am Montag haben die Mitgliedsstaaten im EU-Umweltrat mit einer qualifizierten Mehrheit für das Renaturierungsgesetz gestimmt. Möglich gemacht hat dies ein Alleingang der österreichischen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), die trotz Protesten ihres Regierungspartners, der konservativen ÖVP, dem Gesetz zustimmte. Während in Österreich die Koalition bröckelt, ist nach zwei Jahren und 136 Änderungen im Gesetzestext der Weg frei, um bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landflächen in der EU zu renaturieren.

    Gewessler begründete ihre Haltung auch mit den Gefahren durch Hochwasser, die im Klimawandel zunehmen: “Wenn es regnet, versickert im Asphalt kein Wasser.” Als Reaktion auf ihren Alleingang reichte die ÖVP am Montag gegen Gewessler eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs ein. Auch eine Nichtigkeitsklage beim EuGH soll eingebracht werden. Dass das Vorgehen von Gewessler rechtswidrig sei, bescheinigt unter anderem ein Rechtsgutachten im Auftrag des ÖVP-geführten Landwirtschaftsministeriums. Auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts komme zu diesem Schluss, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Pressekonferenz am Montagabend. Die Koalition wolle er aber fortsetzen, damit das Land “nicht im Chaos” versinke.

    All das sei “juristisches Neuland”, sagte Walter Obwexer, Experte für Europäisches Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck, zur Austria Presse Agentur (APA). Die Chancen stünden “nicht schlecht”, dass der Ratsbeschluss vom EuGH wegen Formmängel aufgehoben werde. Mit einer Entscheidung sei in rund eineinhalb Jahren zu rechnen. Obwexer geht aber davon aus, dass der Beschluss im Amtstext veröffentlicht werde und damit die Vorgaben – zumindest vorerst – in Kraft treten werden.

    Verfassungsjurist Peter Bußjäger, ebenfalls von der Universität Innsbruck, sprach gegenüber der APA von einer komplexen rechtlichen Lage. Er hält weder die angedrohte Nichtigkeitsklage noch die Zustimmung von Gewessler für schlüssig. Gewessler stützt sich wiederum auf vier Rechtsgutachten und Gespräche mit mehreren Juristen, darunter mit Daniel Ennöckl von der BOKU Universität in Wien, der ihr Vorgehen rechtlich abgesichert sieht. Die Grünen sehen möglichen rechtlichen Schritten gelassen entgegen. Auch der EU-Ratsvorsitz sieht Gewesslers Ja als zulässig.

    Grüne begrüßen das Gesetz, EVP und Bauernverbände dagegen

    In einer ersten Reaktion sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise. Auch Umweltverbände wie Greenpeace und WWF begrüßten das Gesetz. Zuvor hatten sich bereits Tausende Wissenschaftler in einem Offenen Brief dafür ausgesprochen.

    Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach von einer “ausgewogene Balance aller Interessen”. Die Bundesregierung hatte sich im März nach Protesten der FDP auf eine Zustimmung geeinigt, aber auf eine Entlastung von Landwirten gedrängt. Gegenstimmen gab es von Finnland, Schweden, Italien, Ungarn, Polen und den Niederlanden. Auch die EVP, Teile der Rechten und der extremen Rechten sowie einige Bauernverbände kritisierten das Gesetz – teils aber mit fadenscheinigen Argumenten. Jan-Christoph Oetjen, agrarpolitischer Sprecher der FDP und Vizepräsident des EU-Parlaments, sprach von einem “Schritt rückwärts”. dpa/lb

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    Heizungsgesetz: Auch die CDU vollzieht eine Wärmewende

    Die CDU rückt von ihrer Ankündigung ab, die im vergangenen Jahr von der Ampel-Koalition beschlossene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Fall eines Wahlsiegs komplett zu stoppen. Stattdessen sind nach Informationen aus Parteikreisen nur einzelne Anpassungen geplant; die Details dazu werden derzeit erarbeitet. Bei der Verabschiedung des Gesetzes im vergangenen September hatte CDU-Chef Friedrich Merz noch erklärt: “Wir werden dieses Heizungsgesetz wieder zurücknehmen.” Fraktionsvize Jens Spahn hatte einen angeblichen “Wärmepumpen-Zwang” kritisiert, der mit Kosten von “80.000 bis 100.000 Euro” einhergehe, und die Partei hatte mit einer Online-Unterschriftensammlung gegen den “Heizungs-Hammer der Ampel” protestiert.

    Mittlerweile hat sich die Tonlage deutlich geändert. Bei der Eröffnung der “Wärmepumpen-Akademie”, in der das Unternehmen Enpal Montagehelfer für die Installation schult, gab Merz am Freitag ein klares Bekenntnis ab: “Wir, die Union, wir stehen voll und ganz hinter dieser Wärmewende”, sagte der CDU-Vorsitzende. Und das gelte auch für die Wärmepumpe: Deren Technologie sei “faszinierend” und “ein ganz wesentlicher Träger für diese Transformation”. Vertreter von Enpal und dem Wärmepumpen-Hersteller Bosch machten bei der Veranstaltung deutlich, dass sie die Ankündigung der Rücknahme der nach langem Streit verabschiedeten Gesetzesnovelle für keine gute Idee halten. “Von der Politik wünschen wir uns Verlässlichkeit, Klarheit und Planungssicherheit”, sagte Enpal-CEO Mario Kohle. Dieser Wunsch findet offenbar zunehmend Gehör.

    Auf die Frage, was genau die Union beim GEG ändern wolle, sagte der für Klimapolitik zuständige Parteivize Andreas Jung zu Table.Briefings: “Wir werden den hemmenden Rucksack der Überregulierung abwerfen, den die Ampel mit ihrem Heizungsgesetz auf das GEG gepackt hat.” Das Gesetz solle unterschiedliche Technologien ermöglichen. Das könne “etwa der Anschluss an ein Wärmenetz sein, eine Wärmepumpe, Solarthermie, Geothermie, Holzpellets, eine Gasheizung, die auf Biomethan oder Wasserstoff umgestellt wird”, so Jung. Tatsächlich sind alle diese von Jung geforderten Optionen aber bereits im von der Ampel beschlossenen Gesetz vorgesehen; eine Änderung wäre darum nicht erforderlich, um sie zu ermöglichen. Als weitere Forderung nennt Jung, Pelletheizungen bei der Förderung mit Wärmepumpen komplett gleichzustellen. mkr

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    Kohleausstieg: So viele Kraftwerke könnten rentabel stillgelegt werden

    Für ein Zehntel der Kohlekraftwerke weltweit gibt es derzeit Pläne, sie bis 2030 abzuschalten. Einer neuen Studie zufolge könnten allerdings allein in Schwellenländern 800 Kohlekraftwerke – also ein Drittel aller Kohlekraftwerke weltweit – gewinnbringend stillgelegt und durch saubere Solarenergie ersetzt werden. Derzeit sind weltweit rund 2.400 Kohlekraftwerke in Betrieb. Sie verursachen jährlich 15,5 Milliarden Tonnen CO₂-Emissionen.

    Die größte Herausforderung ist dem Bericht des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) zufolge, dass Kraftwerke noch Schulden abbezahlen müssten oder auf Jahrzehnte an Stromabnahmeverträge gebunden seien. Für die Umstellung von Kohle auf saubere Energien gebe es derzeit nur wenige “gut definierte, vertraglich festgelegte, bankfähige” Pläne, so Paul Jacobson, Hauptautor des Berichts. Regierungen sollten daher neue Möglichkeiten erkunden, beispielsweise den Energy Transition Mechanism der Asiatischen Entwicklungsbank.

    Unter den 800 von der IEEFA ermittelten Kohlekraftwerken befinden sich etwa 600, die vor dreißig oder mehr Jahren gebaut wurden. Von ihnen haben viele bereits ihre Kredite zurückgezahlt und sind nicht mehr an langfristige Stromabnahmeverträge gebunden. Da die Gewinnspannen für Erneuerbare inzwischen ausreichten, könnten auch Kohlekraftwerke ersetzt werden, die erst vor 15 bis 30 Jahren gebaut wurden. Hindernisse, wie etwa fossile Subventionen, müssten dafür aber abgebaut werden. rtr/lb

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    Studie: Wie die EU die Konsum-Emissionen verringern kann

    In der EU gibt es ein großes Potenzial, Emissionen aus dem Konsum zu reduzieren. Dafür brauche es sowohl gezielte Maßnahmen zur Reduzierung von verbrauchsbedingten CO₂-Emissionen (consumption-based emissions, CBEs) als auch eine Reduktion des Konsums. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Stockholm Environment Institute (SEI).

    Bisher hätten sich politische Maßnahmen vor allem auf sogenannte territoriale Emissionen aus Industrieproduktion oder Energie konzentriert und die Auswirkungen von Konsum seien unterschätzt worden. CBEs aus der EU machen ungefähr neun Prozent der globalen Emissionen aus.

    Ernährung, Wohnen und Mobilität sind demnach die Bereiche mit besonders hohen konsumbedingten Emissionen und besonders großem Einsparpotenzial. Während es auf der Ebene der Staaten schon viel Engagement gebe, fehlten bisher koordinierte Maßnahmen auf EU-Level. Die sollten nicht nur auf Effizienzgewinne ausgerichtet sein, sondern auch Konsumreduktion und Suffizienz in den Blick nehmen.

    Importierte Emissionen vor allem aus China

    Ein Kernproblem sind laut Bericht “importierte Emissionen”: Seit 2015 ist die EU ein Netto-Importeur von CO₂-Emissionen. Die Emissionen, die sie über Güter und Leistungen importiert, übersteigen jene, die sie exportiert. Somit habe der europäische Konsum negative Auswirkungen auf ändere Länder. Die meisten Emissionen werden dabei aus China importiert. Um konsumbedingte Emissionen zu reduzieren, müssten daher auch Emissionen aus komplexen Lieferketten angegangen und mehr Transparenz geschaffen werden. 

    Laut dem Bericht gibt es bei den konsumbedingten Emissionen große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten: Während sie in Dänemark oder Luxemburg bei 11 Tonnen CO₂e liegen, sind es in der Slowakei nur 4,6 Tonnen. In Deutschland sind es 9 Tonnen CO₂e, der EU-Schnitt liegt bei 8,1 Tonnen. kul

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    Die entscheidenden Köpfe der Klima-Szene – Wirtschaft

    Majid al Suwaidi

    Majid al Suwaidi – CEO, Altérra

    Majid al Suwaidi hat den Auftrag, die globale Energiewende zu finanzieren. Er ist der CEO des 2023 auf der COP28 in Dubai gegründeten Investmentfonds Altérra und damit des größten privaten Klima-Fonds weltweit: Altérra soll – Kapital von weiteren Investoren eingeschlossen – bis 2030 insgesamt 250 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung für die Entwicklungs- und Schwellenländer mobilisieren, etwa für erneuerbare Energien oder die Dekarbonisierung der Industrie. Al Suwaidi ist ein erfahrener Diplomat. Er war COP28-Generaldirektor, führte auf dem Pariser Klimagipfel die Verhandlungen für die Vereinigten Arabischen Emirate, war Botschafter in Spanien und im Vatikan sowie Generalkonsul in New York. Zu Beginn seiner Karriere arbeitete der Geologe und Erdwissenschaftler einige Jahre für den staatlichen Ölförderer Abu Dhabis, ADNOC.

    Markus Krebber – Vorstandsvorsitzender, RWE

    RWE stand lange für die alte Energiewelt aus Atomkraft, Kohle und Gas. Doch das ändert sich derzeit schnell: Zwar gehört der Energieriese aus dem Rheinland mit seinen Braunkohlekraftwerken noch immer zu den größten CO₂-Emittenten des Landes, aber damit ist es bald vorbei: Anders als die ostdeutsche LEAG hat RWE sich unter Krebbers Führung mit der Ampel-Regierung darauf geeinigt, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Auch die Forderung nach längeren AKW-Laufzeiten hatte der Ökonom, der 2012 zu RWE kam und zuvor für die Commerzbank und McKinsey tätig war, wiederholt zurückgewiesen. Stattdessen investiert das Unternehmen massiv in Wind- und Solarenergie – und drängt auf Tempo bei der Kraftwerksstrategie, um rechtzeitig zum Kohleausstieg wasserstofffähige Gaskraftwerke am Netz zu haben. Ein Porträt von Krebber finden Sie hier.

    Gunter Erfurt – CEO, Meyer Burger

    Meyer Burger hatte als letzter großer Hersteller in Deutschland – im sächsischen Freiberg – Solarmodule hergestellt. Aufgrund der deutlich günstigeren Konkurrenz aus China hatte das Unternehmen zuletzt wirtschaftliche Schwierigkeiten. Anfang des Jahres forderte Gunter Erfurt darum öffentliche Unterstützung und machte auch den Weiterbetrieb des Werkes davon abhängig. Als es im März von der Bundesregierung eine endgültige Absage dazu gab, verkündete er die Schließung des Werks in Freiberg. Bei Table.Today forderte er “faire Wettbewerbsbedingungen” für die Branche. Erfurt arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Solarbranche, seit 2020 ist er CEO von Meyer Burger.

    Wael Sawan – CEO, Shell

    Seit seinem Amtsantritt als CEO im Januar 2023 hat Wael Sawan den grünen Umbau des Ölriesen Shell gebremst. Er hat dem Unternehmen eine aktualisierte Energiewende-Strategie gegeben, die im Mai von den Aktionären angenommen wurde: Das Ziel, die CO₂-Intensität des Unternehmens bis 2035 um 45 Prozent zu senken, wurde fallengelassen. Schon im Sommer 2023 hatte Sawan das Klimaziel des Konzerns, die Ölförderung bis 2030 um 20 Prozent zu verringern, über den Haufen geworfen. Zuvor sagte er Investitionen in einige Offshore-Wind-, Wasserstoff- und Biokraftstoff-Projekte ab (zum Porträt).

    Chuanfu Wang – CEO, BYD

    Chuanfu Wang, 58, ist CEO von BYD, dem größten E-Auto-Hersteller der Welt. Mit seinem Unternehmen hat Wang die Mobilitätswende in China eingeleitet und strebt seit einigen Jahren auf den Weltmarkt. Im vergangenen Jahr konnte BYD weltweit drei Millionen Autos verkaufen und gehört somit zu den zehn größten Autoherstellern. In Ungarn errichtet BYD ein erstes europäisches Werk. Auch bei E-Bussen ist BYD führend. Wang gründete das Unternehmen mit 29 Jahren und stellte zunächst Handy-Akkus her. Seit 2003 baut BYD Autos. 2022 beendete BYD die Herstellung von Autos mit Verbrennungsmotor. Wang hat einen Master der Batterietechnologie und ist 18-facher Milliardär.

    Carsten Spohr – Vorstandsvorsitzender, Lufthansa

    Carsten Spohr ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa und arbeitet in einer Branche, der hohes Wachstum prognostiziert wird. Er muss das Unternehmen mittelfristig auf Klimaneutralität umbauen. Spohr glaubt zwar an das klimaneutrale Fliegen, kritisiert jedoch die europäischen Klimaschutzvorgaben für die Luftfahrt: für die Beimischung eines bestimmten Anteils synthetischer Kraftstoffe (SAF) gebe es noch zu wenig Angebot auf dem Markt, wodurch die Kosten zu stark stiegen. SAFs machen bei der Lufthansa aktuell einen Anteil von 0,2 Prozent aus. Spohr ist gelernter Ingenieur und selbst Pilot.

    Bernhard Osburg

    Bernhard Osburg – CEO, Thyssenkrupp Steel

    Bernhard Osburg muss als CEO von Thyssenkrupp Steel die grüne Wende eines der größten CO₂-Emittenten Deutschlands einleiten. Der Stahlproduzent ist für rund 2,5 Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich. In Duisburg entstehen dafür Direktreduktionsanlagen, die ab 2029 Wasserstoff statt Kohle nutzen sollen. Die öffentliche Hand fördert die Anlagen mit bis zu zwei Milliarden Euro. Der grüne Umbau kostet Milliarden und die Werke sind schon heute nicht ausgelastet. 

    Nils Aldag – Gründer und Chef, Sunfire

    Mit seinem Dresdner Unternehmen Sunfire weckt Nils Aldag große Hoffnungen auf eine klimafreundliche Zukunft der deutschen Industrie. Sunfire, das Aldag 2010 gemeinsam mit Christian von Olshausen gründete, stellt Elektrolyseure her: tonnenschwere, zylinderförmige Maschinen aus Stahl, in deren Innern unter Strom gesetzte Membrane Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten. Falls der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt, geschieht das ohne Treibhausgasemissionen. Vor allem schwer zu dekarbonisierende Sektoren wie die Stahlindustrie oder die Grundstoffchemie werden künftig auf diesen grünen Wasserstoff angewiesen sein. Aldag, der BWL und Wirtschaftsrecht studiert hat, sagte kürzlich im Gespräch mit Table.Briefings: “Wir befinden uns in einer Branche, in der alle Pfeile nach oben zeigen.”

    Dominik von Achten – Vorstandsvorsitzender, Heidelberg Materials

    Der Zementsektor gehört zu den größten CO₂-Emittenten weltweit. Dominik von Achten will Heidelberg Materials zum Vorreiter in Sachen Dekarbonisierung der Branche machen: Dafür wurde der Konzern 2022 von Heidelberg Cement zu Heidelberg Materials umbenannt – und viele warfen dem Unternehmen Greenwashing vor. Im ersten Halbjahr 2025 will das Unternehmen den ersten Netto-Null-Zement auf dem Markt bringen, das CO₂ aus der Produktion soll dann mit CCS abgeschieden und unter dem norwegischen Meeresboden gelagert werden. Früher war von Achten bei der Boston Consulting Group. Seit 2007 ist er bei Heidelberg Materials, seit 2020 Vorstandsvorsitzender.

    Markus Kamieth – Vorstandsvorsitzender, BASF

    Seit 25 Jahren ist Markus Kamieth in unterschiedlichen Funktionen für BASF tätig, seit wenigen Wochen steht der Chemiker nun an der Spitze des Chemie-Riesen. Dort hat er sich viel vorgenommen: “Das bevorzugte Unternehmen für die grüne Transformation der Kunden” solle BASF werden, hatte er zum Start als Vorstandschef angekündigt. Gelingen soll das mit einer führenden Rolle in der Batterieproduktion und bei der Umstellung auf erneuerbare Rohstoffe und chemisches Recycling. Dabei setzt das Unternehmen trotz mancher Kritik weiter auf große Investitionen in China.

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    • Greenwashing

    Climate.Table Redaktion

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