morgen ist Finance Day auf der COP29. Nach den Foto- und Redeterminen der Staatschefs haben die ernsthaften Verhandlungen zum neuen globalen Klimafinanzziel NCQG begonnen. China und die Industriestaaten deuten mehr Flexibilität an als noch vor wenigen Wochen. Was Peking motivieren könnte, eine aktivere Rolle einzunehmen, analysiert Nico Beckert.
Alexandra Endres hat unterdessen die chilenische Umweltministerin Maisa Rojas zum Interview getroffen. Rojas fordert darin, “alle Finanzflüsse auf die Energiewende auszurichten” – und das müsse “sehr schnell geschehen”. Was die ehemalige IPCC-Autorin von der COP29 erwartet, lesen Sie im heutigen Briefing.
Teils erfreuliche Nachrichten gibt es aus Brasilien: Dort ist die Abholzung im Amazonas-Regenwald stark zurückgegangen. Brasilien stellte am Mittwoch sein neues Klimaziel (NDC) vor, die Reaktionen waren allerdings gemischt. In den News erfahren Sie zudem, was die High Ambition Coalition zur Klimafinanzierung fordert, wie viele Delegierte die Verhandlungen in Baku verfolgen und warum die argentinische Delegation bereits wieder abreist.
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!
Auf der COP29 haben nach den Foto- und Redeterminen der Regierungschefs die ernsthaften Verhandlungen zum neuen globalen Klimafinanzziel NCQG begonnen. Die zuständigen Verhandlungsführer präsentierten den Delegationen am Mittwoch einen neuen Text. Am Abend wurde der Vorschlag aber mit der Bitte um Straffung an die Verhandlungsführer zurückgesandt – Beobachter werten das als kleinen Rückschlag, der auf chaotische Verfahren zurückzuführen sei; aber alles sei noch im grünen Bereich.
Gleichzeitig sendeten die verschiedenen Gruppen Signale der Flexibilität: China machte zum ersten Mal formell Informationen über seine Klimafinanzierung öffentlich. Und die multilateralen Entwicklungsbanken (MDB) erklärten, sie wollten ihre Ausgaben für Klimafinanzierung bis 2030 deutlich aufstocken.
Für Aufmerksamkeit sorgte vor allem die Erklärung von Chinas Vizepremier Ding Xuexiang auf dem Leaders Summit. Er sagte, China habe seit 2016 insgesamt 24,5 Milliarden US-Dollar “an Klimafinanzierung für andere Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert”. Anders als bisher verwies er damit nicht auf die chinesischen Ausgaben für die “Süd-Süd-Kooperation”, sondern nutzte die auch vom Westen benutzten Begriffe “für Klimafinanzierung bereitgestellt und mobilisiert”.
Für Kate Logan vom Thinktank Asia Society zeige das Chinas “Fähigkeit und Bereitschaft, seine bisherigen Klimafinanzbeiträge im gleichen Kontext zu berechnen wie entwickelte Staaten”. Das demonstriere den “politischen Willen, transparenter bezüglich der eigenen Beiträge zu sein” – ein mögliches Zugeständnis beim Ringen um das NCQG.
Positive Zeichen kamen auch von den multilateralen Entwicklungsbanken der Industriestaaten. Sie schätzen, dass sie bis 2030 jährlich 120 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung für Entwicklungs- und Schwellenländer bereitstellen könnten – ein deutlicher Anstieg von den 74,7 Milliarden, die sie 2023 zur Finanzierung beitrugen. Außerdem erwarten sie, 65 Milliarden aus dem Privatsektor zu mobilisieren.
Die neuen Zahlen der Entwicklungsbanken “sollten den Geberländern eine gewisse Sicherheit für die Verhandlungen zum neuen Klimafinanzziel geben”, sagt Anja Gebel, Entwicklungsbank-Expertin von Germanwatch. Allerdings sei die Hebelwirkung der Weltbank-Mittel in der Vergangenheit überschätzt worden, so Gebel. Auch die “High Ambition Coalition” (HAC) von Klimavorreitern aus Industrie- und Entwicklungsländern drängten mit einer gemeinsamen Erklärung darauf, “dringend die Summe der Finanzierung von Klimaschutz zu erhöhen”.
Für die NCQG-Verhandlungen soll am Donnerstag eine neue Arbeitsgrundlage entstehen. Aus dem 34-seitigen Konzept der Verhandlungsführer – ein Konvolut von allen Ideen, Optionen und Forderungen – wird nun Schritt für Schritt ein Text entstehen, den die politische Ebene nächste Woche entscheiden kann. Eigentlich hatten die Verhandlungsführer die große Ideensammlung schon vor der COP auf ein kurzes Dokument mit neun Seiten reduziert. Das aber war für die Gruppe G77 und China nicht konsensfähig.
Westliche Staaten und China haben schon kurz vor der Klimakonferenz Kompromissbereitschaft beim NCQG signalisiert. “Seit September haben wir von beiden Seiten mehr Bereitschaft zur Flexibilität gehört”, sagt Li Shuo, Klimaexperte des Thinktanks Asia Society zu Table.Briefings. Germanwatch-Klimaexperte David Ryfisch bestätigt, dass China “anfängt, sich zu bewegen”.
Dafür gibt es mehrere Gründe:
Der Weg, “um ein NCQG-Ergebnis zu finden, das für China funktionieren könnte, besteht darin, das zu verankern und auf dem aufzubauen, was China bereits beigetragen hat“, sagt Li Shuo. Mehr Transparenz von Seiten Chinas könnte ein erster Kompromiss sein. “Die Verbesserung der Qualität der Berichterstattung ist ein unmittelbarer Schritt, den China unternehmen kann, um einen verantwortungsvolleren Beitrag zu leisten”, sagt auch Yao Zhe, Global Policy Advisor von Greenpeace Ostasien, gegenüber Table.Briefings
Eine offizielle chinesische Beteiligung am voraussichtlichen Kernziel des NCQG ist aber kaum wahrscheinlich. Das käme einem Paradigmenwechsel gleich. China sähe sich dann auch in anderen UN-Gremien und -Verhandlungen mit größeren Erwartungen konfrontiert. Laut Ryfisch braucht es eine “kreative Kombination mehrerer Aspekte”. Unter anderem sei es eine knifflige Frage, “wie chinesische Beiträge verpflichtend werden können, ohne dass China denselben Grad der Verpflichtung hat wie Industrieländer“.
China könnte sich dagegen bei den geplanten Investitionen im neuen NCQG hervortun. Durch die Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative (BRI)) mobilisiert China schon heute große Summen für Energie-Investitionen im Globalen Süden. In Zukunft will China bei der BRI einen größeren Fokus auf erneuerbare Energien legen.
Allerdings soll das NCQG neue Gelder bereitstellen und nicht alte Projekte neu etikettieren. Ryfisch sagt: “Eine Anrechnung der BRI-Investitionen innerhalb des breiteren Teils des NCQGs wäre aus meiner Sicht nicht ausreichend.” Gleichzeitig warnt Yao Zhe: Wenn die Industriestaaten auf dem “Thema der ,Beitragszahlerbasis’ beharrten, könnte die Tür für konstruktive Gespräche mit China geschlossen werden”.
China beim NCQG mit ins Boot zu holen, könnte auch andere Schwellenländer überzeugen, sich (stärker) zu beteiligen. “Es muss nicht nur eine Lösung mit China gefunden werden”, sagt Ryfisch. Aber China könne “ein Schlüssel dazu sein, damit auch Saudi-Arabien eine Einigung zur Erweiterung der Geberbasis mitträgt“.
Frau Ministerin, auf der COP29 in Baku wird vor allem das neue Klimafinanzziel NCQG verhandelt. Wie hoch muss es aus chilenischer Sicht sein?
Wir fordern keine feste Summe. Aber aus unserer Sicht sind drei Dinge klar: Es muss ein substanzieller Beitrag sein. Das Geld darf nicht nur in die Emissionsreduzierung fließen, sondern muss ebenso in die Anpassung an den Klimawandel gehen. Und es muss aus diversen Quellen kommen – staatliche Zusagen allein werden nicht ausreichend sein. Alle Finanzflüsse weltweit müssen in Einklang mit dem Klimaschutz gebracht werden. Das ist absolut entscheidend.
Wann wird Chile so weit sein, einen Beitrag zur globalen Klimafinanzierung zu leisten?
Chile nimmt hier die gleiche Position ein wie die G77: Der Kreis der zahlenden Länder kann nicht verändert werden.
Welche Erwartungen haben Sie insgesamt an diesen Klimagipfel?
Das Finanzthema ist offensichtlich entscheidend. Am allerwichtigsten ist für mich, dass wir eine Sache erreichen: Wirklich alle müssen ihre Finanzflüsse auf die Energiewende ausrichten, von den großen multilateralen Banken bis zur kleinsten Handelskammer im letzten Dorf, in jedem einzelnen Aspekt. Das ist wirklich das Allerwichtigste. Und es muss sehr schnell geschehen.
In Chile stehen im November 2025 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an. Was ist das wichtigste Ziel, das Sie im verbleibenden Jahr noch erreichen wollen?
Vor einem Jahr hat der chilenische Kongress ein Gesetz zum Schutz der Biodiversität Chiles verabschiedet. Dadurch haben wir ein nationales System von Schutzgebieten und eine Behörde für biologische Vielfalt geschaffen. Jetzt kommt es darauf an, das Gesetz in die Praxis umzusetzen und dem Land eine wirkungsvolle Schutzbehörde zu hinterlassen. Das wird unser größter Beitrag zu den Umweltinstitutionen des Landes sein. Es ist das wichtigste operative Ziel meines Ministeriums, aber nicht das einzige.
Was wollen Sie daneben noch umsetzen?
Wir sind gerade dabei, im Rahmen der nationalen Lithiumstrategie ein Netz von Salzseen unter Schutz zu stellen. Auch die nationale Strategie für einen gerechten sozioökonomischen Übergang muss fertig werden. Unsere Vision ist eine nachhaltige Entwicklung Chiles. Dafür brauchen wir eine gewisse Kontinuität. Chile hat 16 Jahre hinter sich, in denen gegensätzliche Parteien sich an der Regierung abwechselten. Wenn es darum ging, die Entwicklung des Landes voranzutreiben – ich rede hier noch gar nicht von der Umwelt, sondern von Renten, der Gesundheit, der Bildung -, dann war das ein Problem. Deshalb müssen wir daran arbeiten, dass auch die kommende Regierung aus unserer Koalition besteht.
Was bedeuten Ihre Pläne für die Klimapolitik?
Chiles Klimapolitik zielt ebenso auf die Senkung der Emissionen wie auf die Klima-Anpassung. Für beides ist der Erhalt unserer Natur zentral. Chiles NDC legt einen Schwerpunkt auf naturbasierte Lösungen. Das heißt, es gibt eine sehr konkrete Verbindung zwischen dem Schutz unserer Biodiversität und dem Klima. Eine besonders dramatische Auswirkung des Klimawandels in Chile war eine ausgedehnte Dürre in einem großen Teil des nationalen Territoriums. Um die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten, kann man nun die Quellgebiete der Gewässer mit natürlichen Baumarten aufforsten. Das hilft dem Klima ebenso wie der Biodiversität.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Dekarbonisierung der chilenischen Wirtschaft und eine klimafreundliche Transition?
Der Stromsektor durchläuft gerade eine Anpassungsphase. Chile verfügt bereits über einen hohen Prozentsatz an variabler Energie. Gerade geht es eher um eine sichere und ausreichende Energieversorgung – und um die Kosten des Energiesystems. Das liegt allerdings im Verantwortungsbereich des Energieministeriums.
Chiles Energiewende ist im Vergleich zu anderen Ländern weit fortgeschritten. Woran liegt das?
Dafür gibt es viele Gründe. Ein wichtiger ist, dass Chile über keine eigenen Vorkommen fossiler Brennstoffe verfügt und deshalb immer von Importen abhängig war. Die erneuerbaren Energien boten uns die Chance auf eine größere Energieunabhängigkeit.
Chile ist ein wirtschaftlich starkes Land, aber die Ungleichheit ist sehr hoch. Wer trägt die Kosten der klimafreundlichen Entwicklung?
Kohlenstoffneutralität zu erreichen ist für Chile kein Kostenfaktor. Umweltschutz ist eine Bedingung für wirtschaftliche Entwicklung, und kein Hindernis. Durch die Dekarbonisierung kann sich die chilenische Wirtschaftsleistung bis 2050 laut einer Weltbank-Studie um bis zu 4,4 Prozent erhöhen. Natürlich geht das zunächst mit Investitionen einher. Aber bisher haben wir unsere Energiewende ohne Subventionen geschafft – also allein durch privates Kapital. Unsere Strategie für einen gerechten sozioökonomischen Übergang folgt dem übergeordneten Gedanken, dass nicht jene Bevölkerungsgruppen für die Dekarbonisierung bezahlen, die historisch bereits die Kosten der schmutzigen Industrialisierung getragen haben.
Wie wichtig ist Deutschland als Partner in der Klimapolitik für Chile?
Wir haben traditionell eine wichtige Beziehung. Vor allem, wenn es um die Entwicklung des grünen Wasserstoffs geht, ist Deutschland derzeit ein wichtiger Partner und unterstützt Chile dabei, die Investitionen in diesem Bereich zu finanzieren.
Maisa Rojas ist Chiles Umweltministerin. Bevor sie ihr Regierungsamt antrat, leitete Rojas das Zentrum für Klima- und Resilienzforschung Chiles (CR)2. Sie war koordinierende Leitautorin des sechsten Sachstandsberichts des IPCC und Leitautorin des fünften Sachstandsberichts. Auf der COP27 vermittelte sie gemeinsam mit der deutschen Staatssekretärin Jennifer Morgan in den Verhandlungen zu “Loss and Damage“.
(Die Recherche in Chile wurde unterstützt durch Internationale Journalistenprogramme (IJP))
14. November, 8 Uhr, Nasimi Room
Special Event Launch of the third report of the Independent Expert Group on Climate Finance (IHLEG)
Dieser Bericht soll Informationen für die Verhandlungen zum Klimafinanzziel NCQG bereitstellen. Nach eröffnenden Worten von Generalsekretär Simon Still werden die wichtigsten Ergebnisse präsentiert und ein High-Level Panel diskutiert anschließend über die Treiber des Klima-Finanzsystems. INFOS
14. November, 10 Uhr, Nasimi Room
Presidency Event Global Financial System: Scaling Up Financing for Climate Action INFOS
14. November, 13.15 Uhr, Side Event Room 7
Side Event UNFCCC: High-Level Side Event on Climate Finance Needs of Developing Countries INFOS
14. November, 15.30 Uhr
German Pavillon NGFS Finance Day Event
Das Event, das von den Zentralbanken und dem Network for Greening the Financial System (NGFS) organisiert wird, bietet Perspektiven für ein grüneres Finanzsystem und zeigt den aktuellen Zustand. Der Fokus soll auf Lösungen liegen, die Diskussionen bringen wichtige Akteure aus Finanzwesen, Politik und NGOs sowie Entscheidungsträger zusammen. INFOS
Brasilien will seine Netto-Treibhausgasemissionen bis 2035 um 59 bis 67 Prozent unter den Stand von 2005 senken. Das besagt das neue Klimaziel (NDC), das Vizepräsident Geraldo Alckmin am Mittwoch auf der COP29 präsentierte. Laut der brasilianischen Regierung von Präsident Luiz Inácio “Lula” da Silva entspricht das einer Reduktion von 850 Millionen bis 1,05 Milliarden Tonnen CO₂e. Das neue NDC sei auf das 1,5-Grad-Limit des Pariser Abkommens abgestimmt und ermögliche es Brasilien, bis 2050 klimaneutral zu werden – und es stelle “eine entscheidende Etappe bei der Förderung eines neuen (kohlenstoffarmen) Entwicklungsmodells” dar, teilte die Regierung außerdem mit.
Ihren klimapolitischen Ehrgeiz unterstreicht Lulas Regierung durch aktuelle Erfolgsmeldungen im Waldschutz. Dabei beruft sie sich auf neue Zahlen des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (Inpe). Diese zeigen, dass die Entwaldung im brasilianischen Amazonas-Regenwald im laufenden Jahr stark zurückgegangen ist. Zwischen August 2023 und Juli 2024 lag sie demnach um 30 Prozent unter dem Vorjahreswert, wie die Grafik zeigt. Hinzu kommt: Auch im Cerrado, einem weiteren wichtigen Ökosystem Brasiliens, ist die Entwaldung zuletzt um 25,7 Prozent gesunken. Das ist der erste Rückgang seit fünf Jahren.
Als Gastgeberland des nächsten UN-Klimagipfels ist Brasilien besonders daran interessiert, sich mit guten Nachrichten auf der COP29 zu profilieren. Doch in Baku fielen die Reaktionen auf das neue Klimaziel gemischt aus. Einige NGOs sagten, sie hätten mehr Ehrgeiz erwartet. Die Klimaschutzorganisation 350.org kritisierte die weite Spanne der geplanten Emissionsreduktionen: Sie schaffe Unsicherheit und signalisiere, dass es Brasilien an vollem Engagement fehle.
Andere bemängelten die Öl- und Gasförderpläne des Landes. Das NDC zeige zwar Brasiliens Ehrgeiz “bei der Emissionsreduzierung”, sagte beispielsweise Shady Khalil, Politikstratege der NGO Oil Change International. Aber das Land könne “nicht von sich behaupten, an der Spitze der globalen Energiewende zu stehen, wenn es nicht unverzüglich neue Projekte für fossile Brennstoffe einstellt”. Derzeit plane Brasilien, seine Öl- und Gasproduktion bis 2035 um 36 Prozent zu steigern. Das neue NDC ignoriere diese Tatsache. ae
Sichtlich erleichtert konnten Deutschlands Vertreter in Baku am Mittwoch verkünden, dass Bundeskanzler Olaf Scholz das Leaders’ Statement der High Ambition Coalition (HAC) unterzeichnet hat. Nachdem die Bundesregierung vergangenes Jahr mehrere Erklärungen des Bündnisses aus Industrie- und Entwicklungsländern nicht unterzeichnet hatte, kehrte sie in Baku in den Kreis der ambitionierten Klimaschützer zurück.
BMZ-Staatssekretär Jochen Flasbarth machte keinen Hehl daraus, wer aus seiner Sicht verantwortlich war, dass Deutschland die HAC zwischenzeitlich lähmte. Die Bundesregierung habe mit dem Ende der Ampel zwar die Mehrheit verloren, aber auch ihre Komplexität reduziert, so Flasbarth. Der Fingerzeig in Richtung FDP und des ehemaligen Finanzminister Christian Lindner, der beim Ausstieg aus Fossilen stets auf “Technologieneutralität” und die Verwendung von CCS pochte, war offenkundig.
Das HAC-Statement beinhaltet zwar keine konkreten Forderungen für die aktuellen Verhandlungen auf der COP29, unterstreicht jedoch, worum es in Baku beim Thema Klimafinanzierung geht: Man müsse dringend mehr Mittel für Klimaschutz bereitstellen: “Es werden Billionen von Dollar benötigt.” Zuschüsse und konzessionäre Kredite, insbesondere für Anpassung sowie “Loss and Damage”, seien dabei entscheidend. Dabei müssten “die Industrieländer weiterhin die Führung übernehmen und die bestehenden Finanzierungszusagen einhalten”, schreiben die Staats- und Regierungschefs der HAC.
Das Statement von Ländern des Globalen Südens und Nordens sende “ein starkes Signal für ein ambitioniertes neues Klimafinanzierungsziel”, kommentierte Laura Schäfer, Co-Bereichsleiterin Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. “Dieser Schwung muss sich nun unverzüglich in einer weniger defensiven Verhandlungsposition niederschlagen“, fordert Linda Kalcher, Exekutivdirektorin beim Thinktank Stategic Perspectives. luk
Wenn alle Staaten, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, ihre freiwilligen Klimaziele für 2030 umsetzen (Nationally Determined Contributions, NDCs), dann würde sich die Erde bis 2100 um 2,6 Grad erwärmen. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Berechnung des Climate Action Tracker (CAT), die am Donnerstag auf der COP29 veröffentlicht wurde. Im vergangenen Jahr war der CAT noch bei 2,5 Grad Erwärmung gelandet, im Jahr zuvor bei 2,4 Grad.
Der Trend zeigt also in die falsche Richtung. Während die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energien weiter steigen, stagnierte in den letzten drei Jahren die globale Klimapolitik. “Wir versagen eindeutig dabei, die Kurve zu kriegen”, warnt die Leitautorin des Berichts, Sofia Gonzales-Zuñiga von Climate Analytics, einer CAT-Partnerorganisation. Laut Gonzales-Zuñiga führten die aktuellen Politikmaßnahmen zu einer Erwärmung von 2,7 Grad und es gebe ein zehnprozentiges Risiko, dass es sogar 3,6 Grad und mehr werden – eine “absolut katastrophale Erwärmung”.
Selbst das optimistische Szenario, in dem alle Staaten ihre NDCs, Klimaziele und Netto-Null-Versprechen erfüllen, führe zu einer Erwärmung von 1,9 Grad. Der Bericht rechnet damit, dass der Treibhausgasausstoß erst im Jahr 2030 seinen Höchststand erreichen werde. Zwar boomten Erneuerbare, und Investitionen in diese seien bereits doppelt so hoch wie in fossile Energien, doch gleichzeitig würden auch Rekordsubventionen für fossile Energien fließen. Die Präsidentschaft von Donald Trump dürfte zu einer zusätzlichen Erwärmung von 0,04 Grad führen, sollte er die Klimapolitik wie in den Plänen des Project 2025 beschrieben abschwächen. lb
Mehr als 65.000 Delegierte sowie 4.000 online registrierte Teilnehmende verfolgen aktuell die Klimaverhandlungen der COP29 in Baku, Aserbaidschan. Damit ist es nach dem Klimagipfel des Vorjahres in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate, VAE) die bisher zweitgrößte COP. Das zeigt eine Auswertung von Carbon Brief.
Unterdessen hat die französische Energie- und Klimaministerin Agnès Pannier-Runacher ihre Reise nach Baku abgesagt. Auf der Plattform X schrieb sie, die Erklärungen von Präsident Ilham Alijew gegen Frankreich “seien nicht zu rechtfertigen”. Argentinien, das seit Amtsantritt von Präsident Javier Milei über kein Umweltministerium verfügt und ohnehin nur eine kleine Delegation nach Baku geschickt hatte, zog seine Abordnung auf Mileis Anweisung komplett aus den Verhandlungen ab. Auch, “um die Verhandlungen und Entscheidungen, mit denen sie nicht einverstanden sind, nicht zu behindern”, wie die argentinische Tageszeitung Clarin meldete.
Gastgeber Aserbaidschan schickte laut Carbon Brief die größte Delegation mit 2.229 Teilnehmenden. Auf sie folgen die Türkei, die VAE und Brasilien, wo im nächsten Jahr die COP30 stattfindet. Die Türkei bewarb sich auf dem Leaders Summit erneut um die Austragung der COP31 im Jahr 2026. Die anderen drei Staaten bilden als Gastgeber von COP28, COP29 und COP30 zusammen die COP-Troika, die Ambitionen für das 1,5-Grad-Ziel vorantreiben soll.
Papua-Neuguinea blieb dem Klimagipfel dagegen gänzlich fern – und auch viele prominente Staatschefs fehlten. Nicht angereist war unter anderem Xi Jinping. China zeigt mit der fünftgrößten Delegation mit 969 Teilnehmenden aber Präsenz. Carbon Brief zufolge ist die chinesische Delegation zwar kleiner als auf der COP28, allerdings um ein Vielfaches größer als noch bei vorangegangenen Klimagipfeln.
Aus Deutschland sind 325 Teilnehmende registriert, aus den USA sind 405 Delegierte in Baku. 59 Prozent aller Teilnehmenden sind Männer, 41 Prozent Frauen. Die Zahlen beziehen sich auf registrierte Teilnehmende; offizielle Zahlen wird die UNFCCC nach Ende der COP29 veröffentlichen. lb
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Lachgas als Partydroge – seit einigen Jahren besonders unter jungen Leuten zunehmend beliebt – rasch verbieten. Dazu brachte er am Mittwoch einen Entwurf ins Kabinett ein. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen könnten ihn noch vor der vorgezogenen Neuwahl an ein anstehendes Gesetz anfügen.
Lachgas, also Distickstoffmonoxid (N₂O), ist nicht nur gesundheitlich gefährlich, wenn Konsumenten den euphorisierenden Stoff direkt aus Luftballons einatmen – es ist auch ein Treibhausgas. Zudem beschädigt es die Ozonschicht. Davor warnt das Global Nitrous Oxide Assessment, das am Mittwoch vom UN Umweltprogramm (UNEP) auf der COP29 vorgestellt wurde.
Der Bericht fordert eindringlich rasche Maßnahmen. Würde nichts unternommen, könne das 1,5-Grad-Limit alleine an den Lachgasemissionen scheitern. Eine ambitionierte Anti-Lachgas-Politik hingegen könnte die Lachgasemissionen in den kommenden Jahrzehnten um mehr als 40 Prozent unter das aktuelle Niveau senken und bis zu 20 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindern. Die nötigen Technologien seien großteils “kosteneffektiv” und würden “keine signifikanten Veränderungen” aktueller Produktionsprozesse erfordern.
Vorgeschlagen wird im Bericht etwa:
An dem Bericht haben mehr als 180 Regierungen, NGOs und internationale Organisationen in der Climate and Clean Air Coalition zusammengearbeitet. Es ist die erste umfassende globale Bewertung dieses besonders klimaschädlichen Schadstoffs. lb/dpa
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat eine Analyse veröffentlicht, die den Stand der Dekarbonisierung der 160 größten in Deutschland gelisteten Unternehmen aus DAX, MDAX und SDAX beschreibt. Obwohl es Fortschritte gibt, ist das Ergebnis insgesamt ernüchternd.
Zwar hätten die meisten Unternehmen transparente und ambitionierte Vorgaben. So bekennen sich 66 Prozent der Firmen langfristig zu Zielen bei ihren Scope-1- und Scope-2-Emissionen. Erstere sind die direkten Emissionen, zweitere berücksichtigen den indirekten CO₂-Ausstoß aus dem Einkauf von Energie. Doch über die Hälfte der Unternehmen (57 Prozent) hinkt den eigenen Zielen in Scope 1 und Scope 2 laut KPMG hinterher.
Im Branchenvergleich gibt es dabei größere Unterschiede: Während Finanzunternehmen ihren Zielen in Scope-1 und 2 noch am nächsten sind (66,7 Prozent), sind nur 16,7 Prozent aus der Chemie- und Materialwirtschaft nach eigener Einschätzung auf Zielkurs.
Das ist auch insofern bemerkenswert, als mehr als die Hälfte der befragten Industrieunternehmen glaubt, die Klimatransformation werde ihre Wettbewerbsposition verbessern. Dennoch zeigen zusätzliche Experteninterviews, dass ein Großteil der Unternehmen aus dem Industriesektor keine Prognose wagt, bis wann sie klimaneutral oder emissionsfrei sein könnten: 63 Prozent der 30 befragten Unternehmen haben kein konkretes Jahr festgelegt.
Dabei will Deutschland bis 2045 klimaneutral sein, die EU bis 2050.
Noch weniger ausgeprägt sind Engagement und Transparenz bei den Scope-3-Emmisionen. Nur rund ein Drittel (33 Prozent) der Firmen steckt sich klare Ziele, um Treibhausgasemissionen zu senken, die indirekt in ihren vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten entstehen, etwa beim Transport von Gütern oder der Nutzung ihrer Produkte. Dabei machen diese Emissionen mit 4,1 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalenten, die die 160 analysierten Unternehmen gemeldet haben, im Vergleich zu rund 293 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten (Scope 1 und 2) den Großteil aus.
Da nicht alle Unternehmen über Scope-3-Emissionen berichten, dürfte die tatsächliche Zahl die 4,1 Milliarden Tonnen aber deutlich übersteigen.
Viele Unternehmen täten nur das Nötigste zum Thema Klimawandel, lautet die Einschätzung der Studienautoren. Viele Firmen erkannten weiterhin nicht, dass sie mit der Klimatransformation einen Wettbewerbsvorteil erlangen könnten. “Die Klima-Transformation bleibt eine große Herausforderung”, sagt Benedikt Herles, Director und EMA Head of ESG Insights & Innovation bei KPMG in Deutschland. aga
Wirtschaftswoche: Ölkonzern sponsert COP29. Diskussionen um die Sponsoren der Klimakonferenzen gab es schon immer. Ob Sony, Microsoft oder Coca-Cola die Konferenz unterstützten, sie alle wurden wegen ihrer Umweltpolitik kritisiert. Doch dass bei der diesjährigen COP29 in Aserbaidschan mit SOCAR Green ein Ableger des riesigen staatlichen Ölkonzerns SOCAR zu den Geldgebern gehört, hat eine andere Qualität. Zum Artikel
RNZ: Tuvalu fordert gerechtere Klimafinanzierung. Tuvalus Premierminister Feleti Teo unterstützt die Forderungen nach einem gerechteren Klimafinanzierungssystem für kleine Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder. Er fordert einen besseren Zugang zu Klimageldern und drängt darauf, dass die von den Industriestaaten zugesagte Klimafinanzierung deutlich über das bisherige Ziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr hinausgeht. Zum Artikel
Financial Times: China will Klimadialog mit den USA. Während des UN-Klimagipfels COP29 in Baku hat China die USA zu einem konstruktiven Dialog zur zukünftigen Bekämpfung des Klimawandels aufgefordert. Im Gegensatz zur Haltung des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump, der den Klimawandel als Schwindel bezeichnet hat, ist China fest entschlossen, seine Kontrollen hinsichtlich Methan und anderer Schadstoffe zu verbessern. Zum Artikel
CNN: Schnell handeln, bevor Trump kommt. Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat eine der letzten noch ausstehenden Klimaschutzmaßnahmen der Biden-Regierung verabschiedet. Diese Maßnahme zielt darauf ab, den Austritt von Methan zu verhindern. Für die kommende Trump-Regierung könnte es schwierig werden, diese Regelung aufzuheben, da sie Teil von Bidens Klimagesetz ist, das 2022 vom Kongress verabschiedet wurde. Zum Artikel
The Hill: Bürger für Klimaschutz. In Kalifornien, Hawaii, Washington und Colorado haben die Bürger sich bei Abstimmungen für verschiedene Klimaschutzmaßnahmen ausgesprochen. So haben sie in Kalifornien für eine Klimaresilienzanleihe im Wert von 10 Milliarden US-Dollar gestimmt. Zum Artikel
Es gibt Urteile, die sind Meilensteine, obwohl auf dem Papier der Klimaschutz verliert. Ein Beispiel: Im Jahr 2020 wies das Verwaltungsgericht Berlin die Klage von drei Familien und Greenpeace auf mehr Klimaschutz ab – aber in seinem Urteil erkannte es das CO₂-Budget an und etablierte das Grundrecht auf Klimaschutz. Damit legte es die Basis dafür, dass ein Jahr später die gleichen Klagenden vor dem Bundesverfassungsgericht gewannen.
Mit dem Shell-Urteil des Berufungsgerichts in Den Haag verhält es sich ähnlich. Das weiß man auch in den Konzernzentralen der Welt. Wer also denkt, das Urteil würde dort gefeiert, irrt. Tatsächlich hat die fossile Industrie in den Haag verloren. Mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil aus dem Jahr 2021 hat sie vielleicht sogar ein Eigentor geschossen.
Ein kurzer Rückblick: Im Mai 2021 war Royal Dutch Shell (RDS) als global operierender Konzern auf Basis von Berechnungen des Weltklimarats IPCC dazu verurteilt worden, seine eigenen Emissionen (Scope 1 und 2) bis 2030 um 45 Prozent unter den Stand von 2019 zu reduzieren und sich bei den Scope-3-Emissionen – also Emissionen, die etwa durch die Verbrennung von RDS-Benzin in Autos und RDS-Öl in Heizungen entstehen – zumindest darum zu bemühen.
Das Gericht befand sehr klar: Auch Unternehmen haben eine Sorgfaltspflicht, auf deren Grundlage sie Klimaschutz betreiben müssen. Sie können die Verantwortung nicht einfach auf Staaten abwälzen.
Dieses Urteil ist vom Tisch. Aber das ist nur die Fassade. Kurzgefasst haben die Verbände um Miljeudefensie und Greenpeace verloren, weil RDS – so das Berufungsgericht – schon genug tue, um seine Scope-1- und Scope-2-Emissionen zu senken. Das Gericht glaubte hier der Selbstverpflichtung des Konzerns und befand, dass kein Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben drohe.
Zugleich aber bestätigte es die rechtliche Verpflichtung von RDS zum Klimaschutz – übrigens auch für die Scope-3-Emissionen. Was sie betrifft, fühlten sich die Richter nur nicht in der Lage, die auf dem IPCC basierenden Reduktionsverpflichtungen von 45 Prozent auf einzelne Wirtschaftsbereiche oder Unternehmen zu übertragen. Grundsätzlich aber bestätigte es: RDS ist auch hier weiterhin verpflichtet, seine Emissionen zu senken.
Das ist die gute Nachricht für das Klima, die im Urteil steckt: RDS unterliegt auch künftig einer Pflicht zum Klimaschutz. Man kann das Unternehmen per Klage zwingen, sie zu erfüllen.
Zudem ist der Konzern mit allen grundsätzlichen Angriffen gegen das erstinstanzliche Urteil gescheitert. Das Berufungsgericht hat bestätigt:
Diese Grundsätze aus dem Urteil können beispielsweise in Deutschland im noch schwebenden Verfahren gegen die Volkswagen AG entscheidend sein.
Und das Eigentor? Die Entwicklung neuer Öl- und Gasvorkommen, so das Gericht, verbiete sich, weil die dadurch vorhersehbaren Emissionen mit den Zielen von Paris unvereinbar seien. Dabei hatten die klagenden Verbände ein entsprechendes Verbot gar nicht beantragt. Doch andere Klagende in anderen Verfahren tun es – insgesamt gibt es wohl 25 vergleichbare Klagen weltweit.
Und mit diesem Ausspruch des Gerichts bekommen auch jene Delegationen und Umweltorganisationen Rückenwind, die auf der COP29 in Baku gerade ein globales Verbot der fossilen Energien fordern. Es käme jetzt genau richtig.
Roda Verheyen ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Klima- und Umweltrecht. Sie verklagt in Deutschland unter anderem mit Greenpeace die Volkswagen AG auf mehr Klimaschutz und die RWE AG auf Übernahme von Klimafolgekosten.
morgen ist Finance Day auf der COP29. Nach den Foto- und Redeterminen der Staatschefs haben die ernsthaften Verhandlungen zum neuen globalen Klimafinanzziel NCQG begonnen. China und die Industriestaaten deuten mehr Flexibilität an als noch vor wenigen Wochen. Was Peking motivieren könnte, eine aktivere Rolle einzunehmen, analysiert Nico Beckert.
Alexandra Endres hat unterdessen die chilenische Umweltministerin Maisa Rojas zum Interview getroffen. Rojas fordert darin, “alle Finanzflüsse auf die Energiewende auszurichten” – und das müsse “sehr schnell geschehen”. Was die ehemalige IPCC-Autorin von der COP29 erwartet, lesen Sie im heutigen Briefing.
Teils erfreuliche Nachrichten gibt es aus Brasilien: Dort ist die Abholzung im Amazonas-Regenwald stark zurückgegangen. Brasilien stellte am Mittwoch sein neues Klimaziel (NDC) vor, die Reaktionen waren allerdings gemischt. In den News erfahren Sie zudem, was die High Ambition Coalition zur Klimafinanzierung fordert, wie viele Delegierte die Verhandlungen in Baku verfolgen und warum die argentinische Delegation bereits wieder abreist.
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!
Auf der COP29 haben nach den Foto- und Redeterminen der Regierungschefs die ernsthaften Verhandlungen zum neuen globalen Klimafinanzziel NCQG begonnen. Die zuständigen Verhandlungsführer präsentierten den Delegationen am Mittwoch einen neuen Text. Am Abend wurde der Vorschlag aber mit der Bitte um Straffung an die Verhandlungsführer zurückgesandt – Beobachter werten das als kleinen Rückschlag, der auf chaotische Verfahren zurückzuführen sei; aber alles sei noch im grünen Bereich.
Gleichzeitig sendeten die verschiedenen Gruppen Signale der Flexibilität: China machte zum ersten Mal formell Informationen über seine Klimafinanzierung öffentlich. Und die multilateralen Entwicklungsbanken (MDB) erklärten, sie wollten ihre Ausgaben für Klimafinanzierung bis 2030 deutlich aufstocken.
Für Aufmerksamkeit sorgte vor allem die Erklärung von Chinas Vizepremier Ding Xuexiang auf dem Leaders Summit. Er sagte, China habe seit 2016 insgesamt 24,5 Milliarden US-Dollar “an Klimafinanzierung für andere Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert”. Anders als bisher verwies er damit nicht auf die chinesischen Ausgaben für die “Süd-Süd-Kooperation”, sondern nutzte die auch vom Westen benutzten Begriffe “für Klimafinanzierung bereitgestellt und mobilisiert”.
Für Kate Logan vom Thinktank Asia Society zeige das Chinas “Fähigkeit und Bereitschaft, seine bisherigen Klimafinanzbeiträge im gleichen Kontext zu berechnen wie entwickelte Staaten”. Das demonstriere den “politischen Willen, transparenter bezüglich der eigenen Beiträge zu sein” – ein mögliches Zugeständnis beim Ringen um das NCQG.
Positive Zeichen kamen auch von den multilateralen Entwicklungsbanken der Industriestaaten. Sie schätzen, dass sie bis 2030 jährlich 120 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung für Entwicklungs- und Schwellenländer bereitstellen könnten – ein deutlicher Anstieg von den 74,7 Milliarden, die sie 2023 zur Finanzierung beitrugen. Außerdem erwarten sie, 65 Milliarden aus dem Privatsektor zu mobilisieren.
Die neuen Zahlen der Entwicklungsbanken “sollten den Geberländern eine gewisse Sicherheit für die Verhandlungen zum neuen Klimafinanzziel geben”, sagt Anja Gebel, Entwicklungsbank-Expertin von Germanwatch. Allerdings sei die Hebelwirkung der Weltbank-Mittel in der Vergangenheit überschätzt worden, so Gebel. Auch die “High Ambition Coalition” (HAC) von Klimavorreitern aus Industrie- und Entwicklungsländern drängten mit einer gemeinsamen Erklärung darauf, “dringend die Summe der Finanzierung von Klimaschutz zu erhöhen”.
Für die NCQG-Verhandlungen soll am Donnerstag eine neue Arbeitsgrundlage entstehen. Aus dem 34-seitigen Konzept der Verhandlungsführer – ein Konvolut von allen Ideen, Optionen und Forderungen – wird nun Schritt für Schritt ein Text entstehen, den die politische Ebene nächste Woche entscheiden kann. Eigentlich hatten die Verhandlungsführer die große Ideensammlung schon vor der COP auf ein kurzes Dokument mit neun Seiten reduziert. Das aber war für die Gruppe G77 und China nicht konsensfähig.
Westliche Staaten und China haben schon kurz vor der Klimakonferenz Kompromissbereitschaft beim NCQG signalisiert. “Seit September haben wir von beiden Seiten mehr Bereitschaft zur Flexibilität gehört”, sagt Li Shuo, Klimaexperte des Thinktanks Asia Society zu Table.Briefings. Germanwatch-Klimaexperte David Ryfisch bestätigt, dass China “anfängt, sich zu bewegen”.
Dafür gibt es mehrere Gründe:
Der Weg, “um ein NCQG-Ergebnis zu finden, das für China funktionieren könnte, besteht darin, das zu verankern und auf dem aufzubauen, was China bereits beigetragen hat“, sagt Li Shuo. Mehr Transparenz von Seiten Chinas könnte ein erster Kompromiss sein. “Die Verbesserung der Qualität der Berichterstattung ist ein unmittelbarer Schritt, den China unternehmen kann, um einen verantwortungsvolleren Beitrag zu leisten”, sagt auch Yao Zhe, Global Policy Advisor von Greenpeace Ostasien, gegenüber Table.Briefings
Eine offizielle chinesische Beteiligung am voraussichtlichen Kernziel des NCQG ist aber kaum wahrscheinlich. Das käme einem Paradigmenwechsel gleich. China sähe sich dann auch in anderen UN-Gremien und -Verhandlungen mit größeren Erwartungen konfrontiert. Laut Ryfisch braucht es eine “kreative Kombination mehrerer Aspekte”. Unter anderem sei es eine knifflige Frage, “wie chinesische Beiträge verpflichtend werden können, ohne dass China denselben Grad der Verpflichtung hat wie Industrieländer“.
China könnte sich dagegen bei den geplanten Investitionen im neuen NCQG hervortun. Durch die Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative (BRI)) mobilisiert China schon heute große Summen für Energie-Investitionen im Globalen Süden. In Zukunft will China bei der BRI einen größeren Fokus auf erneuerbare Energien legen.
Allerdings soll das NCQG neue Gelder bereitstellen und nicht alte Projekte neu etikettieren. Ryfisch sagt: “Eine Anrechnung der BRI-Investitionen innerhalb des breiteren Teils des NCQGs wäre aus meiner Sicht nicht ausreichend.” Gleichzeitig warnt Yao Zhe: Wenn die Industriestaaten auf dem “Thema der ,Beitragszahlerbasis’ beharrten, könnte die Tür für konstruktive Gespräche mit China geschlossen werden”.
China beim NCQG mit ins Boot zu holen, könnte auch andere Schwellenländer überzeugen, sich (stärker) zu beteiligen. “Es muss nicht nur eine Lösung mit China gefunden werden”, sagt Ryfisch. Aber China könne “ein Schlüssel dazu sein, damit auch Saudi-Arabien eine Einigung zur Erweiterung der Geberbasis mitträgt“.
Frau Ministerin, auf der COP29 in Baku wird vor allem das neue Klimafinanzziel NCQG verhandelt. Wie hoch muss es aus chilenischer Sicht sein?
Wir fordern keine feste Summe. Aber aus unserer Sicht sind drei Dinge klar: Es muss ein substanzieller Beitrag sein. Das Geld darf nicht nur in die Emissionsreduzierung fließen, sondern muss ebenso in die Anpassung an den Klimawandel gehen. Und es muss aus diversen Quellen kommen – staatliche Zusagen allein werden nicht ausreichend sein. Alle Finanzflüsse weltweit müssen in Einklang mit dem Klimaschutz gebracht werden. Das ist absolut entscheidend.
Wann wird Chile so weit sein, einen Beitrag zur globalen Klimafinanzierung zu leisten?
Chile nimmt hier die gleiche Position ein wie die G77: Der Kreis der zahlenden Länder kann nicht verändert werden.
Welche Erwartungen haben Sie insgesamt an diesen Klimagipfel?
Das Finanzthema ist offensichtlich entscheidend. Am allerwichtigsten ist für mich, dass wir eine Sache erreichen: Wirklich alle müssen ihre Finanzflüsse auf die Energiewende ausrichten, von den großen multilateralen Banken bis zur kleinsten Handelskammer im letzten Dorf, in jedem einzelnen Aspekt. Das ist wirklich das Allerwichtigste. Und es muss sehr schnell geschehen.
In Chile stehen im November 2025 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an. Was ist das wichtigste Ziel, das Sie im verbleibenden Jahr noch erreichen wollen?
Vor einem Jahr hat der chilenische Kongress ein Gesetz zum Schutz der Biodiversität Chiles verabschiedet. Dadurch haben wir ein nationales System von Schutzgebieten und eine Behörde für biologische Vielfalt geschaffen. Jetzt kommt es darauf an, das Gesetz in die Praxis umzusetzen und dem Land eine wirkungsvolle Schutzbehörde zu hinterlassen. Das wird unser größter Beitrag zu den Umweltinstitutionen des Landes sein. Es ist das wichtigste operative Ziel meines Ministeriums, aber nicht das einzige.
Was wollen Sie daneben noch umsetzen?
Wir sind gerade dabei, im Rahmen der nationalen Lithiumstrategie ein Netz von Salzseen unter Schutz zu stellen. Auch die nationale Strategie für einen gerechten sozioökonomischen Übergang muss fertig werden. Unsere Vision ist eine nachhaltige Entwicklung Chiles. Dafür brauchen wir eine gewisse Kontinuität. Chile hat 16 Jahre hinter sich, in denen gegensätzliche Parteien sich an der Regierung abwechselten. Wenn es darum ging, die Entwicklung des Landes voranzutreiben – ich rede hier noch gar nicht von der Umwelt, sondern von Renten, der Gesundheit, der Bildung -, dann war das ein Problem. Deshalb müssen wir daran arbeiten, dass auch die kommende Regierung aus unserer Koalition besteht.
Was bedeuten Ihre Pläne für die Klimapolitik?
Chiles Klimapolitik zielt ebenso auf die Senkung der Emissionen wie auf die Klima-Anpassung. Für beides ist der Erhalt unserer Natur zentral. Chiles NDC legt einen Schwerpunkt auf naturbasierte Lösungen. Das heißt, es gibt eine sehr konkrete Verbindung zwischen dem Schutz unserer Biodiversität und dem Klima. Eine besonders dramatische Auswirkung des Klimawandels in Chile war eine ausgedehnte Dürre in einem großen Teil des nationalen Territoriums. Um die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten, kann man nun die Quellgebiete der Gewässer mit natürlichen Baumarten aufforsten. Das hilft dem Klima ebenso wie der Biodiversität.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Dekarbonisierung der chilenischen Wirtschaft und eine klimafreundliche Transition?
Der Stromsektor durchläuft gerade eine Anpassungsphase. Chile verfügt bereits über einen hohen Prozentsatz an variabler Energie. Gerade geht es eher um eine sichere und ausreichende Energieversorgung – und um die Kosten des Energiesystems. Das liegt allerdings im Verantwortungsbereich des Energieministeriums.
Chiles Energiewende ist im Vergleich zu anderen Ländern weit fortgeschritten. Woran liegt das?
Dafür gibt es viele Gründe. Ein wichtiger ist, dass Chile über keine eigenen Vorkommen fossiler Brennstoffe verfügt und deshalb immer von Importen abhängig war. Die erneuerbaren Energien boten uns die Chance auf eine größere Energieunabhängigkeit.
Chile ist ein wirtschaftlich starkes Land, aber die Ungleichheit ist sehr hoch. Wer trägt die Kosten der klimafreundlichen Entwicklung?
Kohlenstoffneutralität zu erreichen ist für Chile kein Kostenfaktor. Umweltschutz ist eine Bedingung für wirtschaftliche Entwicklung, und kein Hindernis. Durch die Dekarbonisierung kann sich die chilenische Wirtschaftsleistung bis 2050 laut einer Weltbank-Studie um bis zu 4,4 Prozent erhöhen. Natürlich geht das zunächst mit Investitionen einher. Aber bisher haben wir unsere Energiewende ohne Subventionen geschafft – also allein durch privates Kapital. Unsere Strategie für einen gerechten sozioökonomischen Übergang folgt dem übergeordneten Gedanken, dass nicht jene Bevölkerungsgruppen für die Dekarbonisierung bezahlen, die historisch bereits die Kosten der schmutzigen Industrialisierung getragen haben.
Wie wichtig ist Deutschland als Partner in der Klimapolitik für Chile?
Wir haben traditionell eine wichtige Beziehung. Vor allem, wenn es um die Entwicklung des grünen Wasserstoffs geht, ist Deutschland derzeit ein wichtiger Partner und unterstützt Chile dabei, die Investitionen in diesem Bereich zu finanzieren.
Maisa Rojas ist Chiles Umweltministerin. Bevor sie ihr Regierungsamt antrat, leitete Rojas das Zentrum für Klima- und Resilienzforschung Chiles (CR)2. Sie war koordinierende Leitautorin des sechsten Sachstandsberichts des IPCC und Leitautorin des fünften Sachstandsberichts. Auf der COP27 vermittelte sie gemeinsam mit der deutschen Staatssekretärin Jennifer Morgan in den Verhandlungen zu “Loss and Damage“.
(Die Recherche in Chile wurde unterstützt durch Internationale Journalistenprogramme (IJP))
14. November, 8 Uhr, Nasimi Room
Special Event Launch of the third report of the Independent Expert Group on Climate Finance (IHLEG)
Dieser Bericht soll Informationen für die Verhandlungen zum Klimafinanzziel NCQG bereitstellen. Nach eröffnenden Worten von Generalsekretär Simon Still werden die wichtigsten Ergebnisse präsentiert und ein High-Level Panel diskutiert anschließend über die Treiber des Klima-Finanzsystems. INFOS
14. November, 10 Uhr, Nasimi Room
Presidency Event Global Financial System: Scaling Up Financing for Climate Action INFOS
14. November, 13.15 Uhr, Side Event Room 7
Side Event UNFCCC: High-Level Side Event on Climate Finance Needs of Developing Countries INFOS
14. November, 15.30 Uhr
German Pavillon NGFS Finance Day Event
Das Event, das von den Zentralbanken und dem Network for Greening the Financial System (NGFS) organisiert wird, bietet Perspektiven für ein grüneres Finanzsystem und zeigt den aktuellen Zustand. Der Fokus soll auf Lösungen liegen, die Diskussionen bringen wichtige Akteure aus Finanzwesen, Politik und NGOs sowie Entscheidungsträger zusammen. INFOS
Brasilien will seine Netto-Treibhausgasemissionen bis 2035 um 59 bis 67 Prozent unter den Stand von 2005 senken. Das besagt das neue Klimaziel (NDC), das Vizepräsident Geraldo Alckmin am Mittwoch auf der COP29 präsentierte. Laut der brasilianischen Regierung von Präsident Luiz Inácio “Lula” da Silva entspricht das einer Reduktion von 850 Millionen bis 1,05 Milliarden Tonnen CO₂e. Das neue NDC sei auf das 1,5-Grad-Limit des Pariser Abkommens abgestimmt und ermögliche es Brasilien, bis 2050 klimaneutral zu werden – und es stelle “eine entscheidende Etappe bei der Förderung eines neuen (kohlenstoffarmen) Entwicklungsmodells” dar, teilte die Regierung außerdem mit.
Ihren klimapolitischen Ehrgeiz unterstreicht Lulas Regierung durch aktuelle Erfolgsmeldungen im Waldschutz. Dabei beruft sie sich auf neue Zahlen des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (Inpe). Diese zeigen, dass die Entwaldung im brasilianischen Amazonas-Regenwald im laufenden Jahr stark zurückgegangen ist. Zwischen August 2023 und Juli 2024 lag sie demnach um 30 Prozent unter dem Vorjahreswert, wie die Grafik zeigt. Hinzu kommt: Auch im Cerrado, einem weiteren wichtigen Ökosystem Brasiliens, ist die Entwaldung zuletzt um 25,7 Prozent gesunken. Das ist der erste Rückgang seit fünf Jahren.
Als Gastgeberland des nächsten UN-Klimagipfels ist Brasilien besonders daran interessiert, sich mit guten Nachrichten auf der COP29 zu profilieren. Doch in Baku fielen die Reaktionen auf das neue Klimaziel gemischt aus. Einige NGOs sagten, sie hätten mehr Ehrgeiz erwartet. Die Klimaschutzorganisation 350.org kritisierte die weite Spanne der geplanten Emissionsreduktionen: Sie schaffe Unsicherheit und signalisiere, dass es Brasilien an vollem Engagement fehle.
Andere bemängelten die Öl- und Gasförderpläne des Landes. Das NDC zeige zwar Brasiliens Ehrgeiz “bei der Emissionsreduzierung”, sagte beispielsweise Shady Khalil, Politikstratege der NGO Oil Change International. Aber das Land könne “nicht von sich behaupten, an der Spitze der globalen Energiewende zu stehen, wenn es nicht unverzüglich neue Projekte für fossile Brennstoffe einstellt”. Derzeit plane Brasilien, seine Öl- und Gasproduktion bis 2035 um 36 Prozent zu steigern. Das neue NDC ignoriere diese Tatsache. ae
Sichtlich erleichtert konnten Deutschlands Vertreter in Baku am Mittwoch verkünden, dass Bundeskanzler Olaf Scholz das Leaders’ Statement der High Ambition Coalition (HAC) unterzeichnet hat. Nachdem die Bundesregierung vergangenes Jahr mehrere Erklärungen des Bündnisses aus Industrie- und Entwicklungsländern nicht unterzeichnet hatte, kehrte sie in Baku in den Kreis der ambitionierten Klimaschützer zurück.
BMZ-Staatssekretär Jochen Flasbarth machte keinen Hehl daraus, wer aus seiner Sicht verantwortlich war, dass Deutschland die HAC zwischenzeitlich lähmte. Die Bundesregierung habe mit dem Ende der Ampel zwar die Mehrheit verloren, aber auch ihre Komplexität reduziert, so Flasbarth. Der Fingerzeig in Richtung FDP und des ehemaligen Finanzminister Christian Lindner, der beim Ausstieg aus Fossilen stets auf “Technologieneutralität” und die Verwendung von CCS pochte, war offenkundig.
Das HAC-Statement beinhaltet zwar keine konkreten Forderungen für die aktuellen Verhandlungen auf der COP29, unterstreicht jedoch, worum es in Baku beim Thema Klimafinanzierung geht: Man müsse dringend mehr Mittel für Klimaschutz bereitstellen: “Es werden Billionen von Dollar benötigt.” Zuschüsse und konzessionäre Kredite, insbesondere für Anpassung sowie “Loss and Damage”, seien dabei entscheidend. Dabei müssten “die Industrieländer weiterhin die Führung übernehmen und die bestehenden Finanzierungszusagen einhalten”, schreiben die Staats- und Regierungschefs der HAC.
Das Statement von Ländern des Globalen Südens und Nordens sende “ein starkes Signal für ein ambitioniertes neues Klimafinanzierungsziel”, kommentierte Laura Schäfer, Co-Bereichsleiterin Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. “Dieser Schwung muss sich nun unverzüglich in einer weniger defensiven Verhandlungsposition niederschlagen“, fordert Linda Kalcher, Exekutivdirektorin beim Thinktank Stategic Perspectives. luk
Wenn alle Staaten, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, ihre freiwilligen Klimaziele für 2030 umsetzen (Nationally Determined Contributions, NDCs), dann würde sich die Erde bis 2100 um 2,6 Grad erwärmen. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Berechnung des Climate Action Tracker (CAT), die am Donnerstag auf der COP29 veröffentlicht wurde. Im vergangenen Jahr war der CAT noch bei 2,5 Grad Erwärmung gelandet, im Jahr zuvor bei 2,4 Grad.
Der Trend zeigt also in die falsche Richtung. Während die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energien weiter steigen, stagnierte in den letzten drei Jahren die globale Klimapolitik. “Wir versagen eindeutig dabei, die Kurve zu kriegen”, warnt die Leitautorin des Berichts, Sofia Gonzales-Zuñiga von Climate Analytics, einer CAT-Partnerorganisation. Laut Gonzales-Zuñiga führten die aktuellen Politikmaßnahmen zu einer Erwärmung von 2,7 Grad und es gebe ein zehnprozentiges Risiko, dass es sogar 3,6 Grad und mehr werden – eine “absolut katastrophale Erwärmung”.
Selbst das optimistische Szenario, in dem alle Staaten ihre NDCs, Klimaziele und Netto-Null-Versprechen erfüllen, führe zu einer Erwärmung von 1,9 Grad. Der Bericht rechnet damit, dass der Treibhausgasausstoß erst im Jahr 2030 seinen Höchststand erreichen werde. Zwar boomten Erneuerbare, und Investitionen in diese seien bereits doppelt so hoch wie in fossile Energien, doch gleichzeitig würden auch Rekordsubventionen für fossile Energien fließen. Die Präsidentschaft von Donald Trump dürfte zu einer zusätzlichen Erwärmung von 0,04 Grad führen, sollte er die Klimapolitik wie in den Plänen des Project 2025 beschrieben abschwächen. lb
Mehr als 65.000 Delegierte sowie 4.000 online registrierte Teilnehmende verfolgen aktuell die Klimaverhandlungen der COP29 in Baku, Aserbaidschan. Damit ist es nach dem Klimagipfel des Vorjahres in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate, VAE) die bisher zweitgrößte COP. Das zeigt eine Auswertung von Carbon Brief.
Unterdessen hat die französische Energie- und Klimaministerin Agnès Pannier-Runacher ihre Reise nach Baku abgesagt. Auf der Plattform X schrieb sie, die Erklärungen von Präsident Ilham Alijew gegen Frankreich “seien nicht zu rechtfertigen”. Argentinien, das seit Amtsantritt von Präsident Javier Milei über kein Umweltministerium verfügt und ohnehin nur eine kleine Delegation nach Baku geschickt hatte, zog seine Abordnung auf Mileis Anweisung komplett aus den Verhandlungen ab. Auch, “um die Verhandlungen und Entscheidungen, mit denen sie nicht einverstanden sind, nicht zu behindern”, wie die argentinische Tageszeitung Clarin meldete.
Gastgeber Aserbaidschan schickte laut Carbon Brief die größte Delegation mit 2.229 Teilnehmenden. Auf sie folgen die Türkei, die VAE und Brasilien, wo im nächsten Jahr die COP30 stattfindet. Die Türkei bewarb sich auf dem Leaders Summit erneut um die Austragung der COP31 im Jahr 2026. Die anderen drei Staaten bilden als Gastgeber von COP28, COP29 und COP30 zusammen die COP-Troika, die Ambitionen für das 1,5-Grad-Ziel vorantreiben soll.
Papua-Neuguinea blieb dem Klimagipfel dagegen gänzlich fern – und auch viele prominente Staatschefs fehlten. Nicht angereist war unter anderem Xi Jinping. China zeigt mit der fünftgrößten Delegation mit 969 Teilnehmenden aber Präsenz. Carbon Brief zufolge ist die chinesische Delegation zwar kleiner als auf der COP28, allerdings um ein Vielfaches größer als noch bei vorangegangenen Klimagipfeln.
Aus Deutschland sind 325 Teilnehmende registriert, aus den USA sind 405 Delegierte in Baku. 59 Prozent aller Teilnehmenden sind Männer, 41 Prozent Frauen. Die Zahlen beziehen sich auf registrierte Teilnehmende; offizielle Zahlen wird die UNFCCC nach Ende der COP29 veröffentlichen. lb
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Lachgas als Partydroge – seit einigen Jahren besonders unter jungen Leuten zunehmend beliebt – rasch verbieten. Dazu brachte er am Mittwoch einen Entwurf ins Kabinett ein. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen könnten ihn noch vor der vorgezogenen Neuwahl an ein anstehendes Gesetz anfügen.
Lachgas, also Distickstoffmonoxid (N₂O), ist nicht nur gesundheitlich gefährlich, wenn Konsumenten den euphorisierenden Stoff direkt aus Luftballons einatmen – es ist auch ein Treibhausgas. Zudem beschädigt es die Ozonschicht. Davor warnt das Global Nitrous Oxide Assessment, das am Mittwoch vom UN Umweltprogramm (UNEP) auf der COP29 vorgestellt wurde.
Der Bericht fordert eindringlich rasche Maßnahmen. Würde nichts unternommen, könne das 1,5-Grad-Limit alleine an den Lachgasemissionen scheitern. Eine ambitionierte Anti-Lachgas-Politik hingegen könnte die Lachgasemissionen in den kommenden Jahrzehnten um mehr als 40 Prozent unter das aktuelle Niveau senken und bis zu 20 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindern. Die nötigen Technologien seien großteils “kosteneffektiv” und würden “keine signifikanten Veränderungen” aktueller Produktionsprozesse erfordern.
Vorgeschlagen wird im Bericht etwa:
An dem Bericht haben mehr als 180 Regierungen, NGOs und internationale Organisationen in der Climate and Clean Air Coalition zusammengearbeitet. Es ist die erste umfassende globale Bewertung dieses besonders klimaschädlichen Schadstoffs. lb/dpa
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat eine Analyse veröffentlicht, die den Stand der Dekarbonisierung der 160 größten in Deutschland gelisteten Unternehmen aus DAX, MDAX und SDAX beschreibt. Obwohl es Fortschritte gibt, ist das Ergebnis insgesamt ernüchternd.
Zwar hätten die meisten Unternehmen transparente und ambitionierte Vorgaben. So bekennen sich 66 Prozent der Firmen langfristig zu Zielen bei ihren Scope-1- und Scope-2-Emissionen. Erstere sind die direkten Emissionen, zweitere berücksichtigen den indirekten CO₂-Ausstoß aus dem Einkauf von Energie. Doch über die Hälfte der Unternehmen (57 Prozent) hinkt den eigenen Zielen in Scope 1 und Scope 2 laut KPMG hinterher.
Im Branchenvergleich gibt es dabei größere Unterschiede: Während Finanzunternehmen ihren Zielen in Scope-1 und 2 noch am nächsten sind (66,7 Prozent), sind nur 16,7 Prozent aus der Chemie- und Materialwirtschaft nach eigener Einschätzung auf Zielkurs.
Das ist auch insofern bemerkenswert, als mehr als die Hälfte der befragten Industrieunternehmen glaubt, die Klimatransformation werde ihre Wettbewerbsposition verbessern. Dennoch zeigen zusätzliche Experteninterviews, dass ein Großteil der Unternehmen aus dem Industriesektor keine Prognose wagt, bis wann sie klimaneutral oder emissionsfrei sein könnten: 63 Prozent der 30 befragten Unternehmen haben kein konkretes Jahr festgelegt.
Dabei will Deutschland bis 2045 klimaneutral sein, die EU bis 2050.
Noch weniger ausgeprägt sind Engagement und Transparenz bei den Scope-3-Emmisionen. Nur rund ein Drittel (33 Prozent) der Firmen steckt sich klare Ziele, um Treibhausgasemissionen zu senken, die indirekt in ihren vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten entstehen, etwa beim Transport von Gütern oder der Nutzung ihrer Produkte. Dabei machen diese Emissionen mit 4,1 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalenten, die die 160 analysierten Unternehmen gemeldet haben, im Vergleich zu rund 293 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten (Scope 1 und 2) den Großteil aus.
Da nicht alle Unternehmen über Scope-3-Emissionen berichten, dürfte die tatsächliche Zahl die 4,1 Milliarden Tonnen aber deutlich übersteigen.
Viele Unternehmen täten nur das Nötigste zum Thema Klimawandel, lautet die Einschätzung der Studienautoren. Viele Firmen erkannten weiterhin nicht, dass sie mit der Klimatransformation einen Wettbewerbsvorteil erlangen könnten. “Die Klima-Transformation bleibt eine große Herausforderung”, sagt Benedikt Herles, Director und EMA Head of ESG Insights & Innovation bei KPMG in Deutschland. aga
Wirtschaftswoche: Ölkonzern sponsert COP29. Diskussionen um die Sponsoren der Klimakonferenzen gab es schon immer. Ob Sony, Microsoft oder Coca-Cola die Konferenz unterstützten, sie alle wurden wegen ihrer Umweltpolitik kritisiert. Doch dass bei der diesjährigen COP29 in Aserbaidschan mit SOCAR Green ein Ableger des riesigen staatlichen Ölkonzerns SOCAR zu den Geldgebern gehört, hat eine andere Qualität. Zum Artikel
RNZ: Tuvalu fordert gerechtere Klimafinanzierung. Tuvalus Premierminister Feleti Teo unterstützt die Forderungen nach einem gerechteren Klimafinanzierungssystem für kleine Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder. Er fordert einen besseren Zugang zu Klimageldern und drängt darauf, dass die von den Industriestaaten zugesagte Klimafinanzierung deutlich über das bisherige Ziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr hinausgeht. Zum Artikel
Financial Times: China will Klimadialog mit den USA. Während des UN-Klimagipfels COP29 in Baku hat China die USA zu einem konstruktiven Dialog zur zukünftigen Bekämpfung des Klimawandels aufgefordert. Im Gegensatz zur Haltung des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump, der den Klimawandel als Schwindel bezeichnet hat, ist China fest entschlossen, seine Kontrollen hinsichtlich Methan und anderer Schadstoffe zu verbessern. Zum Artikel
CNN: Schnell handeln, bevor Trump kommt. Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat eine der letzten noch ausstehenden Klimaschutzmaßnahmen der Biden-Regierung verabschiedet. Diese Maßnahme zielt darauf ab, den Austritt von Methan zu verhindern. Für die kommende Trump-Regierung könnte es schwierig werden, diese Regelung aufzuheben, da sie Teil von Bidens Klimagesetz ist, das 2022 vom Kongress verabschiedet wurde. Zum Artikel
The Hill: Bürger für Klimaschutz. In Kalifornien, Hawaii, Washington und Colorado haben die Bürger sich bei Abstimmungen für verschiedene Klimaschutzmaßnahmen ausgesprochen. So haben sie in Kalifornien für eine Klimaresilienzanleihe im Wert von 10 Milliarden US-Dollar gestimmt. Zum Artikel
Es gibt Urteile, die sind Meilensteine, obwohl auf dem Papier der Klimaschutz verliert. Ein Beispiel: Im Jahr 2020 wies das Verwaltungsgericht Berlin die Klage von drei Familien und Greenpeace auf mehr Klimaschutz ab – aber in seinem Urteil erkannte es das CO₂-Budget an und etablierte das Grundrecht auf Klimaschutz. Damit legte es die Basis dafür, dass ein Jahr später die gleichen Klagenden vor dem Bundesverfassungsgericht gewannen.
Mit dem Shell-Urteil des Berufungsgerichts in Den Haag verhält es sich ähnlich. Das weiß man auch in den Konzernzentralen der Welt. Wer also denkt, das Urteil würde dort gefeiert, irrt. Tatsächlich hat die fossile Industrie in den Haag verloren. Mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil aus dem Jahr 2021 hat sie vielleicht sogar ein Eigentor geschossen.
Ein kurzer Rückblick: Im Mai 2021 war Royal Dutch Shell (RDS) als global operierender Konzern auf Basis von Berechnungen des Weltklimarats IPCC dazu verurteilt worden, seine eigenen Emissionen (Scope 1 und 2) bis 2030 um 45 Prozent unter den Stand von 2019 zu reduzieren und sich bei den Scope-3-Emissionen – also Emissionen, die etwa durch die Verbrennung von RDS-Benzin in Autos und RDS-Öl in Heizungen entstehen – zumindest darum zu bemühen.
Das Gericht befand sehr klar: Auch Unternehmen haben eine Sorgfaltspflicht, auf deren Grundlage sie Klimaschutz betreiben müssen. Sie können die Verantwortung nicht einfach auf Staaten abwälzen.
Dieses Urteil ist vom Tisch. Aber das ist nur die Fassade. Kurzgefasst haben die Verbände um Miljeudefensie und Greenpeace verloren, weil RDS – so das Berufungsgericht – schon genug tue, um seine Scope-1- und Scope-2-Emissionen zu senken. Das Gericht glaubte hier der Selbstverpflichtung des Konzerns und befand, dass kein Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben drohe.
Zugleich aber bestätigte es die rechtliche Verpflichtung von RDS zum Klimaschutz – übrigens auch für die Scope-3-Emissionen. Was sie betrifft, fühlten sich die Richter nur nicht in der Lage, die auf dem IPCC basierenden Reduktionsverpflichtungen von 45 Prozent auf einzelne Wirtschaftsbereiche oder Unternehmen zu übertragen. Grundsätzlich aber bestätigte es: RDS ist auch hier weiterhin verpflichtet, seine Emissionen zu senken.
Das ist die gute Nachricht für das Klima, die im Urteil steckt: RDS unterliegt auch künftig einer Pflicht zum Klimaschutz. Man kann das Unternehmen per Klage zwingen, sie zu erfüllen.
Zudem ist der Konzern mit allen grundsätzlichen Angriffen gegen das erstinstanzliche Urteil gescheitert. Das Berufungsgericht hat bestätigt:
Diese Grundsätze aus dem Urteil können beispielsweise in Deutschland im noch schwebenden Verfahren gegen die Volkswagen AG entscheidend sein.
Und das Eigentor? Die Entwicklung neuer Öl- und Gasvorkommen, so das Gericht, verbiete sich, weil die dadurch vorhersehbaren Emissionen mit den Zielen von Paris unvereinbar seien. Dabei hatten die klagenden Verbände ein entsprechendes Verbot gar nicht beantragt. Doch andere Klagende in anderen Verfahren tun es – insgesamt gibt es wohl 25 vergleichbare Klagen weltweit.
Und mit diesem Ausspruch des Gerichts bekommen auch jene Delegationen und Umweltorganisationen Rückenwind, die auf der COP29 in Baku gerade ein globales Verbot der fossilen Energien fordern. Es käme jetzt genau richtig.
Roda Verheyen ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Klima- und Umweltrecht. Sie verklagt in Deutschland unter anderem mit Greenpeace die Volkswagen AG auf mehr Klimaschutz und die RWE AG auf Übernahme von Klimafolgekosten.