In Bonn am Rhein gehen gerade nicht nur die Pegelstände nach oben, sondern auch die Augenbrauen. Dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder angesichts der Flutkatastrophe in seinem Bundesland sagte, “damit konnte keiner rechnen”, stößt bei den Klimafachleuten aus aller Welt auf eine Mischung aus Ärger, Zynismus und Verzweiflung. Denn hier auf der Klimakonferenz treffen sich die Leute, die genau die Modelle berechnen, auf deren Basis sie genau vor solchen extremen Wetterereignissen, wie sie Bayern und Baden-Württemberg gerade erleben, seit Jahrzehnten warnen.
Doch selbst aus solchen verheerenden Schäden werden viele Leute nicht klug, hat unsere Kollegin Lisa Kuner recherchiert: Sie schreibt darüber, wie wenig aus dem verheerenden Hochwasser im Ahrtal 2021 gelernt wurde, und wie man es eigentlich besser wissen könnte.
Das gilt auch am anderen Ende der Welt: Neuseeland hat eine neue Regierung und deshalb ein Problem mit der Klimapolitik: Die Konservativen finanzieren Steuernachlässe, indem sie Klimamaßnahmen streichen, schreibt unser Kollege Marc Daalder aus Wellington.
Daneben berichten wir von neuen Daten, nach denen das globale CO₂-Budget für 1,5 Grad weiter schrumpft, und darüber, und wie langsam es mit dem Ausbau der Erneuerbaren geht. Und all diese Herausforderungen bündelt dann UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einer bemerkenswerten Brandrede zum “Tag der Umwelt”: Die fossilen Industrien nennt er “Paten des Klimachaos” mit toxischen Geschäftsmodellen, die geächtet werden müssten, etwa durch ein Verbot von Werbung.
Sie sehen, es gibt genügend Aufreger in dieser Aufgabe. Und morgen wird es noch besser: Da kommt ein Climate.Table Spezial zur Europawahl. Also: Bleiben Sie dran!
Während in den Überflutungsgebieten in Süddeutschland die Pegelstände teilweise sinken und die Aufräumarbeiten anlaufen, wendet sich die Debatte den Schäden zu – und wie sie in Zukunft möglicherweise zu verhindern wären. Bislang sind fünf Todesopfer bekannt. Der Gesamtverband der Versicherer rechnet mit einem Großschadensereignis, teilt aber mit, es sei noch zu früh für eine valide Schadenschätzung. Für das Hochwasser vor wenigen Wochen im Saarland gehen die Saarland Versicherungen von einem Schaden von 200 bis 300 Millionen Euro aus.
Zur künftigen Absicherung angesichts der sich häufenden Überschwemmungen werden unterschiedliche Maßnahmen debattiert – manche sind auch bereits beschlossen oder werden teils schon umgesetzt:
Doch die Erfahrung aus vergangenen Katastrophen zeigt, wie schwierig der an künftige Klimarisiken angepasste Wiederaufbau nach Flutschäden häufig ist. Vor allem Bauverbote in Überflutungsbieten sind bisher schwer durchzusetzen.
Ein Blick zurück auf das Hochwasser im Ahrtal vor fast drei Jahren: Beim Wiederaufbau ist die Gefahr groß, dass “alte Fehler wiederholt werden”, wie Jürgen Herget im Gespräch mit Table.Briefings erklärt. Der Professor für Geographie an der Universität Bonn meint, konsequenter Schutz vor Hochwasser sei nur möglich, wenn man gefährdete Gebiete nicht mehr bebaue. Politisch sei das unter dem aktuellen Bebauungsdruck aber nicht durchzusetzen. “Wir müssen damit rechnen, dass ähnliche Hochwasser wie im Ahrtal wieder vorkommen”, doch wo und mit welcher Intensität, lasse sich nicht vorhersagen, sagt Herget – der vor den aktuellen Überflutungen mit Table.Briefings sprach.
Im Ahrtal war die Bilanz im Juli 2021 verheerend: Mehr als 180 Tote in Deutschland, unzählige zerstörte Häuser, Straßen, Schienen und Brücken sowie Gas- oder Stromleitungen. Laut Münchner Rück entstanden wirtschaftliche Schäden von 46 Milliarden Euro, 33 Milliarden davon in Deutschland. Die Regenfälle und die Fluten – ausgelöst durch das Tiefdruckgebiet “Bernd” im Juli 2021 – sind durch den Klimawandel 1,2 bis neun Mal wahrscheinlicher und bis zu 19 Prozent intensiver geworden, berechneten Forschende der World Weather Attribution.
Für Herget wird die Hochwassergefahr an vielen Stellen in Deutschland nur nachrangig berücksichtigt: Die erneuerte Hochwasserschutz-Mauer in Bonn etwas sei deutlich niedriger als vergangene Hochwassermarken. Die Kranhäuser im Kölner Rheinau-Hafen seien bei Hochwasser stark gefährdet. Bei beliebten Wohngegenden werde da Hochwasserschutz gerne mal hinten angestellt. “Das sind politische Entscheidungen.”
In den Flutgebieten von 2021 ist die steigende Hochwassergefahr den Behörden beim Wiederaufbau bewusst. Manche Häuser dürfen an ihrer ursprünglichen Stelle nicht mehr aufgebaut werden. Für den Wiederaufbau der Region stellt der Bund bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung. Um die Region zukunftsfest zu machen, soll die neue Infrastruktur möglichst “klimaresistent” sein.
Die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, die von den Fluten besonders betroffen war, teilt auf Anfrage mit, Klimaschutz und ans Hochwasser angepasstes Bauen spielten beim Wiederaufbau eine “übergeordnete Rolle”. Dafür wurden beispielsweise die HQ100-Gebiete, die statistisch gesehen einmal im Jahrhundert überflutet werden, vergrößert. An anderen Stellen wurden Auen renaturiert, um so natürliche Überflutungsflächen wiederherzustellen.
Gleichzeitig warnen Experten vor einer “Hochwasser-Demenz”: Die Gefahr von Hochwasser sei zwar kurzzeitig präsent, aber das Bewusstsein schwinde schnell wieder. Dann werde wieder in gefährdeten Gebieten gebaut oder Häuser seien nicht ausreichend versichert.
Wissenschaftlich begleitet wird der Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz von dem Projekt “Klima Anpassung Hochwasser Resilienz” (KAHR). 13 Akteure aus Wissenschaft und Praxis arbeiten dabei zusammen. Das Projekt formuliert zehn Empfehlungen für den zukunftsfähigen Wiederaufbau von flutbetroffenen Regionen. Eine davon ist die Tatsache, dass Brücken bei Hochwasser die Überflutungsgefahr erhöhen können. Sie müssten stärker in Planungen berücksichtigt werden, sagt Stefanie Wolf vom Projektbüro NRW im Rahmen des KAHR-Projekts zu Table.Briefings. Das zeige sich am Fall der Nepomuk-Brücke in Rech. Bei der Flut 2021 staute sich soviel Treibgut, dass der Wasserpegel schnell stieg und mindestens eine Frau in der Folge ums Leben kam. Weil die Brücke auch in Zukunft bei Hochwassern eine “Gefahr für die Menschen” darstellen könnte, wurde sie abgerissen.
Weitere Empfehlungen von KAHR für einen resilienten Wiederaufbau beinhalten:
Bemerkenswert ist laut Wolf, dass es auch das umstrittene Thema von Siedlungsrückzug in die Empfehlungen geschafft hat. “Resilienz, das bedeutet Leben mit dem Hochwasser”, sagt sie. Man könne sich nicht völlig dagegen absichern, dass eine nächste, unter Umständen stärkere Flut Infrastruktur wieder zerstöre. Man könne aber mit ganzheitlichen Planungen, die auch soziale Faktoren berücksichtigen, einiges besser machen.
Ein besonderer Knackpunkt: Der Schutz für kritische und sensible Infrastruktur, wie Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser. In einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung in Sinzig waren 2021 12 Menschen ertrunken. KAHR forderte neue Schutzstandards für solche Einrichtungen. Der Landkreis Ahrweiler will nun eine Förderschule in ein Gebiet ohne Hochwassergefahr verlegen. Der Bund will mit dem Förderprogramm “Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen” dafür sorgen, dass sich solche Einrichtungen besser vor Hochwasser und anderen Extremwettereignissen schützen können. Vertreter von Menschen mit Behinderung zweifeln, ob das reicht.
Jürgen Herget sagt, manche Entscheidungen seien politisch schwer zu vertreten – etwa die Aufgabe von Standorten für Häuser. Dann aber müsse man wenigstens mehr Bewusstsein schaffen, um Menschenleben zu retten: Die Bewohner sollten vorbereitet werden, bei Hochwasserwarnungen ihre Häuser schnell zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen.
Die neue Mitte-Rechts-Regierung in Neuseeland hat am 30. Mai ihren ersten Haushalt mit einem Gesamtumfang von etwa 140 Milliarden neuseeländischen Dollar (knapp 80 Milliarden Euro) vorgestellt. Er sieht keine neuen Mittel für Emissionsreduzierungen vor und kürzt klimarelevante Ausgaben um mehrere Milliarden NZ-Dollar.
Die vorherige Labour Party hatte Milliarden NZ-Dollar in die Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr sowie in Forschung zur Emissionsreduktion in der Landwirtschaft investiert. Die neue Koalition hält sich dabei zurück: Kernstück des Haushalts ist ein Steuersenkungspaket von 14 Milliarden NZ-Dollar für die Mittelklasse mit Kindern und Steuersenkungen für Vermieter. Finanziert wurde das teilweise durch weniger und umgewidmete öffentliche Ausgaben. Zuvor waren diese Gelder zu einem erheblichen Teil für die Klimapolitik vorgesehen. Die Labour Party bezifferte den Gesamtbetrag der gekürzten Klimamittel auf 3,7 Milliarden NZ-Dollar.
Auch auf der Liste der neuen Regierungsinitiativen fehlt das Klima. Es gibt keine neuen Gelder für die Finanzierung von Emissionsreduzierungen. Örtliche Klimaanpassungsmaßnahmen erhalten allerdings 200 Millionen NZ-Dollar. Ein großer Teil davon ist für die Reparatur der Schäden aus dem Zyklon Gabrielle vom Februar 2023 vorgesehen. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben seither ergeben, dass der Sturm durch den Klimawandel verstärkt wurde.
Drei mögliche Gründe könnten hinter der Kürzung der Klimamittel stecken:
Neuseeland verabschiedete im Jahr 2019 einen Zero Carbon Act, der eine Klimawandel-Kommission nach britischem Vorbild, eine Reihe von Emissionsbudgets und einen Plan für Null-Emissionen bis 2050 vorsieht. Bemerkenswert ist, dass das Netto-Null-Ziel die Methanemissionen aus Landwirtschaft und Abfall nicht berücksichtigt – dabei machen sie etwa die Hälfte der Emissionen des Landes aus. Stattdessen sollen die Methanemissionen bis 2050 auf 24 bis 47 Prozent unter das Niveau von 2017 sinken.
Die ersten wichtigen klimapolitischen Entscheidungen will die neue Regierung bis Ende des Jahres in Form des zweiten Emissionsreduktionsplans fällen. Er soll zeigen, wie Neuseeland sein zweites Emissionsbudget zwischen 2026 und 2030 erfüllen wird, und wird nun beraten. Einzelheiten sind bislang unbekannt – deshalb könnte es sein, dass der Plan klimapolitische Maßnahmen enthält, für die in kommenden Haushalten staatliche Finanzmittel vorgesehen sind. Da der Schwerpunkt des Plans auf dem Zeitraum 2026 bis 2030 liegt, könnten diese Maßnahmen noch etwa ein Jahr lang auf ihre Finanzierung warten.
Die jetzt gestrichenen klimapolitischen Maßnahmen werden das Land nicht daran hindern, sein erstes Emissionsbudget (2022-2025) einzuhalten, wie Regierungsbeamte mitteilten. Aber sie legten den Grundstein für eine systematische Abkehr von fossilen Brennstoffen in Industrie und Verkehr – und wenn sie nun wegfallen, wird der neue Plan der Regierung Ersatzmaßnahmen anbieten müssen.
Beobachter erwarten nicht, dass der Plan viele Maßnahmen zur Emissionsreduzierung enthalten wird. Denn die neue Regierung hat erklärt, sie wolle stärker auf das neuseeländische Emissionshandelssystem (NZETS) und nicht auf ergänzende Maßnahmen wie Subventionen für Industrie oder E-Autos setzen.
Das NZETS deckt alle Sektoren außer Landwirtschaft ab und funktioniert ähnlich wie das EU-Emissionshandelssystem. Theoretisch ist es möglich, mit ihm die Emissionen zu Netto-Null bis 2050 zu senken. Allerdings sind unbegrenzte Zertifikate aus der Forstwirtschaft zulässig. In den vergangenen Jahren hat es einen Boom bei der Anpflanzung von Bäumen gegeben, und die unabhängige Kommission für den Klimawandel hat argumentiert, dass dies den Anreiz für eine tatsächliche Dekarbonisierung zugunsten von Kohlenstoffkompensationen schwächt.
Die große Anzahl der Baumpflanzungen hat auch soziale und politische Auswirkungen. Große Flächen werden in exotische Kiefernwälder in Monokultur umgewandelt. Sie sind anfällig für Waldbrände und untergraben auch die Unterstützung auf dem Land für den Umbau des Systems. Mehrere der Parteien in der Regierungskoalition werden stark von Landwirten unterstützt, die gegen die Kohlenstoffaufforstung sind, während andere Politiker Spenden und Unterstützung von der Forstindustrie erhalten.
Falls die Regierung das Bäumepflanzen beschränkt, dürfte der Kohlenstoffpreis steigen. Das wäre ein Anreiz für die Dekarbonisierung, aber es erhöht auch die Kosten für die Haushalte in einem Land, in dem die jährliche Inflation im ersten Quartal 2024 immer noch über vier Prozent liegt. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung wegen der Lebenshaltungskosten gewählt wurde, wäre das eine schwer zu schluckende Pille.
Die Kritiker der Regierung sagen, dass der Zeitplan und der Rückgriff auf NZETS nur ein Feigenblatt seien, um Neuseelands Klimaziele zu reduzieren. Die zwei kleineren Parteien in der Koalition, New Zealand First und Act, haben in der Vergangenheit gegen die Klimapolitik gewettert. Shane Jones, der Erste Minister für Ressourcen, sagte bei einer Lobbyveranstaltung der fossilen Brennstoffindustrie im Februar, er sei “Neuseelands Nummer Eins als ungläubiger Thomas” beim Klimathema.
Um den Vorwurf der Klimaverzögerung oder -leugnung abzuwehren, hat Premierminister Christopher Luxon das Erreichen des neuseeländischen NDCs und Einhalten des Emissionsbudgets zu einem seiner neun großen Regierungsziele für das Jahr 2030 gemacht. Doch um das tatsächlich zu schaffen, ist wenig in Arbeit.
Die Einlösung eines Wahlkampfversprechens über Regelungen zu Offshore-Windparks hat sich um fast ein Jahr verzögert. Die Regierung arbeitet auch noch daran, Hindernisse für die Genehmigung erneuerbarer Energien abzubauen. Gleichzeitig hat sie die Genehmigung von Kohleminen erleichtert und angekündigt, sie wolle das von der Labour-Regierung verhängte Verbot der Offshore-Öl- und Gasexploration aufheben.
International will das Land auch unter der neuen Regierung eine führende Rolle einnehmen, hat der Minister für Klimawandel, Simon Watts, erklärt. Doch das wird durch den innenpolitischen Rückzieher in der Klimapolitik erschwert. Insbesondere der Plan zur Aufhebung des Öl- und Gasexplorationsverbots hat Neuseeland bereits die Kritik der pazifischen Länder eingebracht. Auf der COP28 erhielt das Land dafür den Negativpreis “Fossil of the Day”.
Zwar hat Neuseeland als eines der ersten Länder 20 Millionen NZ-Dollar als symbolischen Beitrag zur Finanzierung des Loss and Damage Funds angekündigt. Allerdings gibt es auch hier ein Haushaltsproblem. Neuseelands bisherige Klimahilfen in Höhe von 325 Millionen NZ-Dollar pro Jahr wurden weitgehend aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel gedeckt – doch sie wurden nun in das Steuersenkungspaket umgeleitet. Wenn die derzeitigen Mittel Ende 2025 auslaufen, muss die Regierung entweder eine neue Finanzierungsquelle finden oder den Betrag zur internationalen Klimafinanzierung reduzieren – und das genau zu dem Zeitpunkt, zu dem weltweit eine Aufstockung dieser Mittel gefordert wird.
6. bis 9. Juni
Wahl Europawahl
Vom 6. bis zum 9. Juni finden die Wahlen fürs Europäische Parlament statt.
6. Juni, 11.45 Uhr, Room Berlin, Bonn
Diskussion Climate Justice and Gender Equality: Addressing the Intersectional Impacts of Climate Change
Wie kann Geschlechtergerechtigkeit mit Klimagerechtigkeit zusammen gedacht werden? Darüber diskutieren verschiedene Akteure auf diesem Side-Event der SB60. Infos
6. Juni, 16.15 Room Bonn, Bonn
Diskussion NCQG: Bringing accountability, trust and developing country needs to climate finance
Auf diesem Side-Event der SB60 diskutieren verschiedene Akteure, wie ein NCQG für Entwicklungsländer aussehen müsste. Geleitet wird es von der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNTACD). Infos
9. bis 12. Juni, Berlin / Online
Konferenz What Works Climate Solutions Summit
Das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change richtet diese Konferenz aus, um über Klimalösungen zu diskutieren und Wissen zu teilen. Infos
10. Juni, 10.15 Uhr, Room Berlin, Bonn
Diskussion Why Innovative Sources of Finance & Financial System Reform Matter: A Moral Case
Auf diesem Side-Event der SB60 diskutieren mehrere NGOs, wie sich Klimafinanzarchitektur verändern muss, um verletzliche Communitys besser zu schützen. Infos
11. Juni, 10.15 Uhr, Room Berlin, Bonn
Diskussion Ocean-Climate-Society & Conventions: Adaptation. Mitigation & Governance opportunities and challenges
Verschiedene Experten diskutieren auf diesem Side-Event der SB60 über Möglichkeiten und Barrieren von Klimaschutz durch und für Ozeane. Infos
12. bis 13. Juni, Erfurt
Tagung Biodiversität, Klimaanpassung und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Das Netzwerk Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) veranstaltet diese Tagung, um zu diskutieren, wie Biodiversität, Klimaanpassung und gesellschaftlicher Zusammenhalt zusammenhängen. Infos
12. bis 13. Juni, Essen
Konferenz Handelsblatt Wasserstoff Gipfel 2024
Unter dem Motto “Die Wasserstoff-Revolution: Der Umbau hat begonnen” findet bei Thyssenkrupp dieser Wasserstoff-Gipfel statt. Hierbei sollen neuste Erkenntnisse und Lösungsansätze geteilt werden. Infos
13. Juni, 8.30 Uhr
Konferenz Jahreskonferenz DENEFF
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) diskutiert auf ihrer Jahrestagung über skalierbare Lösungen für Energieeffizienz. Infos
13. bis 15. Juni, Borgo Egnazia, Italien
Gipfeltreffen G7 Summit
Unter der Präsidentschaft von Italien findet das nächste Gipfeltreffen der G7 statt. Infos
Der globale Temperaturanstieg hat sich im vergangenen Jahr dramatisch beschleunigt: In jedem der vergangenen zwölf Monate war die Erhöhung im Vergleich zum vorindustriellen Level stärker als jemals zuvor; in elf der zwölf Monate betrug sie mehr als 1,5 Grad. Das geht aus Daten hervor, die der von der EU finanzierte Copernicus Climate Change Service am Mittwoch veröffentlicht hat. Der Mittelwert des Temperaturanstiegs lag bei 1,63 Grad; der laut Paris-Abkommen angestrebte Maximalwert von 1,5 Grad wurde damit überschritten.
Neue Rekordwerte zeigt auch eine am Mittwoch vorgestellte Studie des MCC. Demnach stieg die Temperatur zuletzt mit 0,26 Grad pro Jahrzehnt an, was die höchste Rate seit Beginn der Aufzeichnungen darstellt. Für das Jahr 2023 ermittelten die Forscherinnen und Forscher im Vergleich zur vorindustriellen Zeit einen Temperaturanstieg von 1,43 Grad, wovon 1,3 Grad aus menschlichen Aktivitäten resultieren. Getrieben wird die hohe Rate der Erhitzung “durch anhaltend hohe Treibhausgasemissionen von jährlich 53 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalenten”, schreibt das MCC.
Zu den besonders hohen Temperaturen der vergangenen Monate hat der World Meterological Association zufolge aber auch El Niño beigetragen. Die periodisch auftretende Wärmephase, die durch Veränderungen der Meeresströmungen im Pazifik hervorgerufen wird, hatte im vergangenen August begonnen; sie werde in diesem Sommer enden, teilte die WMO am Montag mit. Für die nächsten Monate wird darum mit einem deutlich geringeren Temperaturanstieg gerechnet; dies dürfe aber nicht als Entwarnung gedeutet werden, erklärte der stellvertretende WMO-Generalsekretär Ko Barrett: “Das Ende von El Niño bedeutet keine Pause im langfristigen Klimawandel, da sich unser Planet aufgrund der Treibhausgase weiter erwärmen wird.” mkr
Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, darf die Menschheit nur noch rund 200 Milliarden Tonnen CO₂ emittieren. Das entspricht etwa den aktuellen Emissionen von fünf Jahren. Zu dem Ergebnis kommt der Bericht “Indicators of Global Climate Change” (IGCC), der am Mittwoch von einer internationalen Forschungsgruppe um Piers Forster von der Universität Leeds im Journal “Earth System Science Data” veröffentlicht wurde.
Die Schätzung ist an gewisse Wahrscheinlichkeiten gekoppelt: Werden die 200 Milliarden Tonnen CO₂ noch emittiert, besteht den Forschenden zufolge eine 50-prozentige Chance, die 1,5-Grad-Grenze zu halten. Gelänge es hingegen, den CO₂-Ausstoß auf 100 Milliarden Tonnen zu begrenzen, läge die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, bei 83 Prozent. Falls aber 450 Milliarden Tonnen emittiert würden, schrumpft die Chance auf 17 Prozent.
Der Bericht zeigt auch, wie schnell das verbleibende CO₂-Budget schrumpft. Noch vor vier Jahren bezifferte der Weltklimarat IPCC das Budget für eine 50-prozentige Chance, die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, mit 500 Milliarden Tonnen. Die Spanne der Berechnungen reichte damals von 300 bis 900 Milliarden Tonnen CO₂.
Zudem schreitet dem Bericht zufolge die menschengemachte Klimaerwärmung so schnell voran, wie noch nie zuvor (siehe Klima in Zahlen). Es gibt aber auch einen kleinen Lichtblick: Es gebe Belege, “dass sich der Anstieg der CO₂-Emissionen im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu den 2000er-Jahren verlangsamt hat”, schreibt das Autorenteam. Je nach gesellschaftlicher Entscheidung könnte das aktuelle Jahrzehnt eine Umkehr einiger Zahlen des Berichts bringen. dpa/kul
UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat seine Kritik an der fossilen Industrie noch einmal verschärft und gefordert, die Werbung von Unternehmen der fossilen Energien zu verbieten. “Ich bitte dringend alle Staaten, Werbung von Unternehmen der fossilen Energien zu verbannen”, sagt Guterres bei einer Rede am 5. Juni, dem internationalen Tag der Umwelt. Immerhin untersagten Regierungen bereits die Werbung für Produkte wie Tabak, die die Gesundheit schädigen. Er fügte hinzu: “Und ich bitte dringend Nachrichtenmedien und Tech-Unternehmen, damit aufzuhören, Werbung für fossile Brennstoffe anzunehmen“.
Guterres hielt seine Rede am dritten Tag der Klimakonferenz SB60 in Bonn, wo Verhandler gerade um Fortschritte bei der Finanzierung des Klimaschutzes ringen. Der Generalsekretär beschwor – wie bereits öfter – die Gefahren der Klimakrise und redete Staaten und Politikern mit drastischen Worten ins Gewissen, Emissionen zu senken, die verwundbarsten Menschen zu schützen und dafür ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Klimahilfen seien “keine Wohltätigkeit, sondern aufgeklärtes Eigeninteresse” der Geberländer. Der Kampf für 1,5 Grad Erderwärmung werde “in den 2020er Jahren gewonnen oder verloren”.
Vor allem aber ging Guterres die fossile Industrie direkt an: Mit Worten wie “Paten des Klimachaos” rückte er sie in die Nähe von Verbrechern. Sie würden “Rekordgewinne einheimsen und Billionen von Subventionen aus Steuergeldern einfahren” und in Greenwashing investieren. Er forderte sie auf, ihr Geld stattdessen in grüne Technologien zu investieren.
Die Industriestaaten sollten bis 2030 aus der Kohlenutzung aussteigen und bis 2035 ihren Verbrauch von Öl und Gas um 60 Prozent senken. Alle anderen Staaten sollten bis 20240 aus der Kohle aussteigen. Die Menschen sollten die Hoffnung nicht verlieren: “Es heißt: Wir, die Menschen, gegen die Verschmutzer und Profiteure. Zusammen können wir gewinnen. Aber es ist Zeit für Anführer, um zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen.” bpo
Das ostdeutsche Braunkohle-Unternehmen Leag bekommt für den beschlossenen Kohleausstieg statt der von der Bundesregierung in Aussicht gestellten 1,75 Milliarden Euro zunächst nur 1,2 Milliarden Euro Entschädigung. Diese Summe soll die Mehrkosten abdecken, die durch den gesetzlich vereinbarten Ausstieg aus der Kohleverstromung auf jeden Fall anfallen. 600 Millionen davon sollen die Mehrkosten der Renaturierung der Tagebaue abdecken, weitere 600 Millionen sollen für die soziale Absicherung der bisherigen Beschäftigten verwendet werden. Das teilten Wirtschaftsminister Robert Habeck und Leag-Vorstand Thorsten Kramer am Dienstag mit.
Die restlichen 550 Millionen Euro wurden von der EU-Kommission, die die im Rahmen des Kohleausstiegs im Jahr 2019 vereinbarte Entschädigung als Beihilfe genehmigen muss, unter Vorbehalt gestellt. Mit ihnen soll die Leag für Gewinne entschädigt werden, die dem Unternehmen durch den früheren Kohleausstieg entgehen. Allerdings ist völlig unklar, ob es überhaupt entgangene Gewinne gibt; viele Experten gehen davon aus, dass die Kohlekraftwerke auch ohne politischen Beschluss allein aufgrund der Marktentwicklung vom Netz gehen würden.
Aus diesem Grund hat die EU-Kommission nun festgelegt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Stilllegung berechnet werden soll, wie viel Gewinn jedes Kraftwerk beim Weiterbetrieb noch hätte machen können. Habeck erklärte zwar, die Formel, mit der dies berechnet werde, sei “kein Geheimnis”. Doch auf Anfrage von Table.Briefings wurde sie weder vom Ministerium noch von der Kommission zur Verfügung gestellt, sodass derzeit keinerlei Aussage darüber möglich ist, wie viel Geld unter welchen Bedingungen fließen wird.
“Da die Gespräche mit der EU-Kommission noch fortgeführt werden und das Verfahren noch läuft, können wir noch keine Formel vorlegen”, teilte ein BMWK-Sprecher mit. Tatsächlich steht die Formel, mit der die entgangenen Gewinne berechnet werden, offenbar noch gar nicht fest. Denn bisher gibt es laut BMWK nur eine Grundsatzentscheidung; die Formel soll erst im finalen Genehmigungsentscheid stehen, der im Laufe des Jahres erwartet wird. “Die Arbeiten dazu laufen nun an”, hieß es aus dem Ministerium. mkr
Selbst wenn alle Länder ihre derzeitigen Pläne und Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien umsetzen, würden sie das globale Ziel zur Verdreifachung der Kapazität bis 2030 um 30 Prozent verfehlen. Das zeigen neue Daten der Internationalen Energieagentur (IEA). Laut IEA würden die nationalen Pläne zu einer Erneuerbaren-Kapazität von fast 8.000 Gigawatt im Jahr 2030 führen – für eine Verdreifachung und einen 1,5-Grad-Pfad wären aber über 11.000 Gigawatt nötig.
Und selbst die nationalen Ziele sind in Gefahr: Der IEA zufolge bauten nur China und lateinamerikanische Länder die Erneuerbaren im Jahr 2022 schnell genug aus. Die Volksrepublik könnte ihre Kapazität demnach bis 2030 im Vergleich zu 2022 um das 2,5-fache ausbauen – das entspricht 45 Prozent des Kapazitätswachstums, das erforderlich ist, um das globale Ziel zu erreichen. Nach Einschätzung der IEA wäre das ein ausreichend hoher Beitrag. Allerdings verbraucht China derzeit auch 30 Prozent des weltweit erzeugten Stroms.
Laut IEA müssten Europa, die Staaten der Asien-Pazifik-Region, die USA und Kanada den Ausbau um mehrere Dutzend Gigawatt pro Jahr beschleunigen. Im Nahen Osten, Nordafrika und Subsahara-Afrika müsste sich die Ausbaugeschwindigkeit verdoppeln – allerdings von einem sehr niedrigen Niveau -, um die nationalen Pläne zu erreichen.
Nur 14 Staaten weltweit haben in ihren offiziellen Klimaplänen (NDCs) konkrete Zielmarken für den Ausbau der erneuerbaren Energien festgehalten. Allerdings gibt es nationale Pläne, die ambitionierter sind als die NDCs. Dennoch sieht die IEA hier großes Potenzial, um den Ausbau zu beschleunigen. Die größten Herausforderungen seien Bürokratie und lange Wartezeiten für Genehmigungen, unzureichende Investitionen in das Stromnetz und hohe Finanzierungskosten, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. nib
Rund 2,2 Gigatonnen CO₂ werden jährlich weltweit aus der Atmosphäre entnommen – aber nur 0,1 Prozent oder 1,3 Millionen Tonnen dieser Entnahmen basieren auf neuartigen Methoden wie CCS oder beschleunigter Verwitterung. Der allergrößte Teil geht auf natürliche Senken zurück, etwa in der Forstwirtschaft. Bis Mitte des Jahrhunderts muss die weltweite CO₂-Entnahme auf sieben bis neun Gigatonnen pro Jahr ansteigen, um die Klimaziele zu erreichen und Restemissionen zu kompensieren. Doch am wichtigsten ist es, Emissionen zu reduzieren.
Das sind die wesentlichen Ergebnisse des zweiten State of Carbon Dioxide Removal Report 2024, den Forschende unter der Leitung der Smith School der University Oxford erstellt haben. Dabei handelt es sich um ein Update von einem ersten Bericht aus dem vergangenen Jahr. Der Hintergrund: Alle IPCC-Szenarien, die von einer Erderwärmung zwischen 1,5 und 2 Grad ausgehen, rechnen mit CO₂-Entnahmen aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR). Der aktuelle Report stellt nun fest, dass die CDR-Ziele, welche die Länder in ihren NDCs formuliert haben, nicht ausreichen, um die 1,5-Grad-kompatiblen Szenarien des IPCC zu erreichen.
Eine andere Studie war Ende Mai zu dem Ergebnis gekommen, dass ökosystembasierte Methoden für CDR in Deutschland vor relativ wenigen Umsetzungshürden stehen, aber auch ein eher geringeres Entnahmepotenzial haben. “High-Tech”-Optionen wie Bio-Energie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) oder Direct Air Capture (DACS) haben ein höheres Potenzial, aber auch größere technologische und institutionelle Hürden. “Wir sind so ein bisschen da, wo wir bei den erneuerbaren Energien vor 30 Jahren waren”, sagte Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Autorin der Studie. Jetzt sei es wichtig daran zu arbeiten, wie die technischen Lösungen schnell ausgebaut werden könnten.
Um die notwendigen Entnahmen zu erreichen, brauche es eine “Innovationsdynamik” und ein “breites Portfolio von Methoden”, meint Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik, der den State of Carbon Dioxide Removal Report mit verfasst hat. Geden sieht bereits Innovation in dem Bereich: Es gebe immer mehr Forschungsstipendien und große Demonstrationsprojekte.
Bisher komme die Nachfrage nach neuartigen Methoden hauptsächlich vom freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Eine Hochskalierung könne nur gelingen, wenn auch dafür Ziele in die Klimapolitik integriert würden, so Geden. Er begrüßt, dass die Bundesregierung mit der Klimaschutzgesetz-Novelle ab 2035 Unterziele für nicht forstwirtschaftliche CDR-Methoden setzen will. Zusätzlich brauche es aber robuste Maßnahmen zur Berichterstattung und Überprüfung von CDR. kul
China hat ein neues System für Messung und Management des CO₂-Fußabdrucks seiner Industrieprodukte angekündigt. Das neue “Kohlenstoff-Fußabdruck-Managementsystem” wird beim Umweltministerium aufgehängt sein und 2027 in Kraft treten, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Strategiepapier. Es solle Standards für die Messung der CO₂-Emissionen von etwa 100 Schlüsselprodukten der chinesischen Wirtschaft festlegen.
Die Standards sollen zuerst für Produkte mit hohem CO₂-Ausstoß wie Kohle und Erdgas gelten, sowie für Exportprodukte wie Stahl, Aluminium, Lithium-Ionen-Batterien und Elektrofahrzeuge. Das Umweltministerium erklärte, es hoffe, die Richtlinien bis 2030 auf 200 Produkte auszuweiten.
Erst vergangene Woche hatte der Staatsrat einen neuen Aktionsplan zur Emissionsreduktion für die Jahre 2024 und 2025 vorgelegt. Demnach sollen vor allem Schlüsselindustrien von der Stahlproduktion bis zum Transportwesen ihre CO₂-Emissionen senken. Das neue Fußabdruck-System ergänzt diese Pläne und könnte Analysten zufolge eine wichtige Rolle bei Chinas Bemühungen spielen, die Emissionen im verarbeitenden Gewerbe zu reduzieren – und somit auch Handelskonflikte sowie Einfuhrzölle im Rahmen des künftigen CO₂-Grenzausgleichs (CBAM) der EU vermeiden helfen.
Der Schritt zeige, dass China daran arbeitet, zu der EU-Gesetzgebung aufzuschließen, die bereits “klare Regeln für die Messung und Offenlegung des CO₂-Fußabdrucks von Produkten aufgestellt hat”, sagte Ma Jun, Direktor des unabhängigen Institute of Public and Environmental Affairs in Peking. “China ist in dieser Hinsicht ein Nachzügler, sodass es noch einige Lücken zu schließen gilt”, so Ma. Der CBAM soll 2026 in Kraft treten. rtr/ck
In Bonn am Rhein gehen gerade nicht nur die Pegelstände nach oben, sondern auch die Augenbrauen. Dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder angesichts der Flutkatastrophe in seinem Bundesland sagte, “damit konnte keiner rechnen”, stößt bei den Klimafachleuten aus aller Welt auf eine Mischung aus Ärger, Zynismus und Verzweiflung. Denn hier auf der Klimakonferenz treffen sich die Leute, die genau die Modelle berechnen, auf deren Basis sie genau vor solchen extremen Wetterereignissen, wie sie Bayern und Baden-Württemberg gerade erleben, seit Jahrzehnten warnen.
Doch selbst aus solchen verheerenden Schäden werden viele Leute nicht klug, hat unsere Kollegin Lisa Kuner recherchiert: Sie schreibt darüber, wie wenig aus dem verheerenden Hochwasser im Ahrtal 2021 gelernt wurde, und wie man es eigentlich besser wissen könnte.
Das gilt auch am anderen Ende der Welt: Neuseeland hat eine neue Regierung und deshalb ein Problem mit der Klimapolitik: Die Konservativen finanzieren Steuernachlässe, indem sie Klimamaßnahmen streichen, schreibt unser Kollege Marc Daalder aus Wellington.
Daneben berichten wir von neuen Daten, nach denen das globale CO₂-Budget für 1,5 Grad weiter schrumpft, und darüber, und wie langsam es mit dem Ausbau der Erneuerbaren geht. Und all diese Herausforderungen bündelt dann UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einer bemerkenswerten Brandrede zum “Tag der Umwelt”: Die fossilen Industrien nennt er “Paten des Klimachaos” mit toxischen Geschäftsmodellen, die geächtet werden müssten, etwa durch ein Verbot von Werbung.
Sie sehen, es gibt genügend Aufreger in dieser Aufgabe. Und morgen wird es noch besser: Da kommt ein Climate.Table Spezial zur Europawahl. Also: Bleiben Sie dran!
Während in den Überflutungsgebieten in Süddeutschland die Pegelstände teilweise sinken und die Aufräumarbeiten anlaufen, wendet sich die Debatte den Schäden zu – und wie sie in Zukunft möglicherweise zu verhindern wären. Bislang sind fünf Todesopfer bekannt. Der Gesamtverband der Versicherer rechnet mit einem Großschadensereignis, teilt aber mit, es sei noch zu früh für eine valide Schadenschätzung. Für das Hochwasser vor wenigen Wochen im Saarland gehen die Saarland Versicherungen von einem Schaden von 200 bis 300 Millionen Euro aus.
Zur künftigen Absicherung angesichts der sich häufenden Überschwemmungen werden unterschiedliche Maßnahmen debattiert – manche sind auch bereits beschlossen oder werden teils schon umgesetzt:
Doch die Erfahrung aus vergangenen Katastrophen zeigt, wie schwierig der an künftige Klimarisiken angepasste Wiederaufbau nach Flutschäden häufig ist. Vor allem Bauverbote in Überflutungsbieten sind bisher schwer durchzusetzen.
Ein Blick zurück auf das Hochwasser im Ahrtal vor fast drei Jahren: Beim Wiederaufbau ist die Gefahr groß, dass “alte Fehler wiederholt werden”, wie Jürgen Herget im Gespräch mit Table.Briefings erklärt. Der Professor für Geographie an der Universität Bonn meint, konsequenter Schutz vor Hochwasser sei nur möglich, wenn man gefährdete Gebiete nicht mehr bebaue. Politisch sei das unter dem aktuellen Bebauungsdruck aber nicht durchzusetzen. “Wir müssen damit rechnen, dass ähnliche Hochwasser wie im Ahrtal wieder vorkommen”, doch wo und mit welcher Intensität, lasse sich nicht vorhersagen, sagt Herget – der vor den aktuellen Überflutungen mit Table.Briefings sprach.
Im Ahrtal war die Bilanz im Juli 2021 verheerend: Mehr als 180 Tote in Deutschland, unzählige zerstörte Häuser, Straßen, Schienen und Brücken sowie Gas- oder Stromleitungen. Laut Münchner Rück entstanden wirtschaftliche Schäden von 46 Milliarden Euro, 33 Milliarden davon in Deutschland. Die Regenfälle und die Fluten – ausgelöst durch das Tiefdruckgebiet “Bernd” im Juli 2021 – sind durch den Klimawandel 1,2 bis neun Mal wahrscheinlicher und bis zu 19 Prozent intensiver geworden, berechneten Forschende der World Weather Attribution.
Für Herget wird die Hochwassergefahr an vielen Stellen in Deutschland nur nachrangig berücksichtigt: Die erneuerte Hochwasserschutz-Mauer in Bonn etwas sei deutlich niedriger als vergangene Hochwassermarken. Die Kranhäuser im Kölner Rheinau-Hafen seien bei Hochwasser stark gefährdet. Bei beliebten Wohngegenden werde da Hochwasserschutz gerne mal hinten angestellt. “Das sind politische Entscheidungen.”
In den Flutgebieten von 2021 ist die steigende Hochwassergefahr den Behörden beim Wiederaufbau bewusst. Manche Häuser dürfen an ihrer ursprünglichen Stelle nicht mehr aufgebaut werden. Für den Wiederaufbau der Region stellt der Bund bis zu 30 Milliarden Euro zur Verfügung. Um die Region zukunftsfest zu machen, soll die neue Infrastruktur möglichst “klimaresistent” sein.
Die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, die von den Fluten besonders betroffen war, teilt auf Anfrage mit, Klimaschutz und ans Hochwasser angepasstes Bauen spielten beim Wiederaufbau eine “übergeordnete Rolle”. Dafür wurden beispielsweise die HQ100-Gebiete, die statistisch gesehen einmal im Jahrhundert überflutet werden, vergrößert. An anderen Stellen wurden Auen renaturiert, um so natürliche Überflutungsflächen wiederherzustellen.
Gleichzeitig warnen Experten vor einer “Hochwasser-Demenz”: Die Gefahr von Hochwasser sei zwar kurzzeitig präsent, aber das Bewusstsein schwinde schnell wieder. Dann werde wieder in gefährdeten Gebieten gebaut oder Häuser seien nicht ausreichend versichert.
Wissenschaftlich begleitet wird der Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz von dem Projekt “Klima Anpassung Hochwasser Resilienz” (KAHR). 13 Akteure aus Wissenschaft und Praxis arbeiten dabei zusammen. Das Projekt formuliert zehn Empfehlungen für den zukunftsfähigen Wiederaufbau von flutbetroffenen Regionen. Eine davon ist die Tatsache, dass Brücken bei Hochwasser die Überflutungsgefahr erhöhen können. Sie müssten stärker in Planungen berücksichtigt werden, sagt Stefanie Wolf vom Projektbüro NRW im Rahmen des KAHR-Projekts zu Table.Briefings. Das zeige sich am Fall der Nepomuk-Brücke in Rech. Bei der Flut 2021 staute sich soviel Treibgut, dass der Wasserpegel schnell stieg und mindestens eine Frau in der Folge ums Leben kam. Weil die Brücke auch in Zukunft bei Hochwassern eine “Gefahr für die Menschen” darstellen könnte, wurde sie abgerissen.
Weitere Empfehlungen von KAHR für einen resilienten Wiederaufbau beinhalten:
Bemerkenswert ist laut Wolf, dass es auch das umstrittene Thema von Siedlungsrückzug in die Empfehlungen geschafft hat. “Resilienz, das bedeutet Leben mit dem Hochwasser”, sagt sie. Man könne sich nicht völlig dagegen absichern, dass eine nächste, unter Umständen stärkere Flut Infrastruktur wieder zerstöre. Man könne aber mit ganzheitlichen Planungen, die auch soziale Faktoren berücksichtigen, einiges besser machen.
Ein besonderer Knackpunkt: Der Schutz für kritische und sensible Infrastruktur, wie Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser. In einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung in Sinzig waren 2021 12 Menschen ertrunken. KAHR forderte neue Schutzstandards für solche Einrichtungen. Der Landkreis Ahrweiler will nun eine Förderschule in ein Gebiet ohne Hochwassergefahr verlegen. Der Bund will mit dem Förderprogramm “Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen” dafür sorgen, dass sich solche Einrichtungen besser vor Hochwasser und anderen Extremwettereignissen schützen können. Vertreter von Menschen mit Behinderung zweifeln, ob das reicht.
Jürgen Herget sagt, manche Entscheidungen seien politisch schwer zu vertreten – etwa die Aufgabe von Standorten für Häuser. Dann aber müsse man wenigstens mehr Bewusstsein schaffen, um Menschenleben zu retten: Die Bewohner sollten vorbereitet werden, bei Hochwasserwarnungen ihre Häuser schnell zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen.
Die neue Mitte-Rechts-Regierung in Neuseeland hat am 30. Mai ihren ersten Haushalt mit einem Gesamtumfang von etwa 140 Milliarden neuseeländischen Dollar (knapp 80 Milliarden Euro) vorgestellt. Er sieht keine neuen Mittel für Emissionsreduzierungen vor und kürzt klimarelevante Ausgaben um mehrere Milliarden NZ-Dollar.
Die vorherige Labour Party hatte Milliarden NZ-Dollar in die Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr sowie in Forschung zur Emissionsreduktion in der Landwirtschaft investiert. Die neue Koalition hält sich dabei zurück: Kernstück des Haushalts ist ein Steuersenkungspaket von 14 Milliarden NZ-Dollar für die Mittelklasse mit Kindern und Steuersenkungen für Vermieter. Finanziert wurde das teilweise durch weniger und umgewidmete öffentliche Ausgaben. Zuvor waren diese Gelder zu einem erheblichen Teil für die Klimapolitik vorgesehen. Die Labour Party bezifferte den Gesamtbetrag der gekürzten Klimamittel auf 3,7 Milliarden NZ-Dollar.
Auch auf der Liste der neuen Regierungsinitiativen fehlt das Klima. Es gibt keine neuen Gelder für die Finanzierung von Emissionsreduzierungen. Örtliche Klimaanpassungsmaßnahmen erhalten allerdings 200 Millionen NZ-Dollar. Ein großer Teil davon ist für die Reparatur der Schäden aus dem Zyklon Gabrielle vom Februar 2023 vorgesehen. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben seither ergeben, dass der Sturm durch den Klimawandel verstärkt wurde.
Drei mögliche Gründe könnten hinter der Kürzung der Klimamittel stecken:
Neuseeland verabschiedete im Jahr 2019 einen Zero Carbon Act, der eine Klimawandel-Kommission nach britischem Vorbild, eine Reihe von Emissionsbudgets und einen Plan für Null-Emissionen bis 2050 vorsieht. Bemerkenswert ist, dass das Netto-Null-Ziel die Methanemissionen aus Landwirtschaft und Abfall nicht berücksichtigt – dabei machen sie etwa die Hälfte der Emissionen des Landes aus. Stattdessen sollen die Methanemissionen bis 2050 auf 24 bis 47 Prozent unter das Niveau von 2017 sinken.
Die ersten wichtigen klimapolitischen Entscheidungen will die neue Regierung bis Ende des Jahres in Form des zweiten Emissionsreduktionsplans fällen. Er soll zeigen, wie Neuseeland sein zweites Emissionsbudget zwischen 2026 und 2030 erfüllen wird, und wird nun beraten. Einzelheiten sind bislang unbekannt – deshalb könnte es sein, dass der Plan klimapolitische Maßnahmen enthält, für die in kommenden Haushalten staatliche Finanzmittel vorgesehen sind. Da der Schwerpunkt des Plans auf dem Zeitraum 2026 bis 2030 liegt, könnten diese Maßnahmen noch etwa ein Jahr lang auf ihre Finanzierung warten.
Die jetzt gestrichenen klimapolitischen Maßnahmen werden das Land nicht daran hindern, sein erstes Emissionsbudget (2022-2025) einzuhalten, wie Regierungsbeamte mitteilten. Aber sie legten den Grundstein für eine systematische Abkehr von fossilen Brennstoffen in Industrie und Verkehr – und wenn sie nun wegfallen, wird der neue Plan der Regierung Ersatzmaßnahmen anbieten müssen.
Beobachter erwarten nicht, dass der Plan viele Maßnahmen zur Emissionsreduzierung enthalten wird. Denn die neue Regierung hat erklärt, sie wolle stärker auf das neuseeländische Emissionshandelssystem (NZETS) und nicht auf ergänzende Maßnahmen wie Subventionen für Industrie oder E-Autos setzen.
Das NZETS deckt alle Sektoren außer Landwirtschaft ab und funktioniert ähnlich wie das EU-Emissionshandelssystem. Theoretisch ist es möglich, mit ihm die Emissionen zu Netto-Null bis 2050 zu senken. Allerdings sind unbegrenzte Zertifikate aus der Forstwirtschaft zulässig. In den vergangenen Jahren hat es einen Boom bei der Anpflanzung von Bäumen gegeben, und die unabhängige Kommission für den Klimawandel hat argumentiert, dass dies den Anreiz für eine tatsächliche Dekarbonisierung zugunsten von Kohlenstoffkompensationen schwächt.
Die große Anzahl der Baumpflanzungen hat auch soziale und politische Auswirkungen. Große Flächen werden in exotische Kiefernwälder in Monokultur umgewandelt. Sie sind anfällig für Waldbrände und untergraben auch die Unterstützung auf dem Land für den Umbau des Systems. Mehrere der Parteien in der Regierungskoalition werden stark von Landwirten unterstützt, die gegen die Kohlenstoffaufforstung sind, während andere Politiker Spenden und Unterstützung von der Forstindustrie erhalten.
Falls die Regierung das Bäumepflanzen beschränkt, dürfte der Kohlenstoffpreis steigen. Das wäre ein Anreiz für die Dekarbonisierung, aber es erhöht auch die Kosten für die Haushalte in einem Land, in dem die jährliche Inflation im ersten Quartal 2024 immer noch über vier Prozent liegt. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung wegen der Lebenshaltungskosten gewählt wurde, wäre das eine schwer zu schluckende Pille.
Die Kritiker der Regierung sagen, dass der Zeitplan und der Rückgriff auf NZETS nur ein Feigenblatt seien, um Neuseelands Klimaziele zu reduzieren. Die zwei kleineren Parteien in der Koalition, New Zealand First und Act, haben in der Vergangenheit gegen die Klimapolitik gewettert. Shane Jones, der Erste Minister für Ressourcen, sagte bei einer Lobbyveranstaltung der fossilen Brennstoffindustrie im Februar, er sei “Neuseelands Nummer Eins als ungläubiger Thomas” beim Klimathema.
Um den Vorwurf der Klimaverzögerung oder -leugnung abzuwehren, hat Premierminister Christopher Luxon das Erreichen des neuseeländischen NDCs und Einhalten des Emissionsbudgets zu einem seiner neun großen Regierungsziele für das Jahr 2030 gemacht. Doch um das tatsächlich zu schaffen, ist wenig in Arbeit.
Die Einlösung eines Wahlkampfversprechens über Regelungen zu Offshore-Windparks hat sich um fast ein Jahr verzögert. Die Regierung arbeitet auch noch daran, Hindernisse für die Genehmigung erneuerbarer Energien abzubauen. Gleichzeitig hat sie die Genehmigung von Kohleminen erleichtert und angekündigt, sie wolle das von der Labour-Regierung verhängte Verbot der Offshore-Öl- und Gasexploration aufheben.
International will das Land auch unter der neuen Regierung eine führende Rolle einnehmen, hat der Minister für Klimawandel, Simon Watts, erklärt. Doch das wird durch den innenpolitischen Rückzieher in der Klimapolitik erschwert. Insbesondere der Plan zur Aufhebung des Öl- und Gasexplorationsverbots hat Neuseeland bereits die Kritik der pazifischen Länder eingebracht. Auf der COP28 erhielt das Land dafür den Negativpreis “Fossil of the Day”.
Zwar hat Neuseeland als eines der ersten Länder 20 Millionen NZ-Dollar als symbolischen Beitrag zur Finanzierung des Loss and Damage Funds angekündigt. Allerdings gibt es auch hier ein Haushaltsproblem. Neuseelands bisherige Klimahilfen in Höhe von 325 Millionen NZ-Dollar pro Jahr wurden weitgehend aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel gedeckt – doch sie wurden nun in das Steuersenkungspaket umgeleitet. Wenn die derzeitigen Mittel Ende 2025 auslaufen, muss die Regierung entweder eine neue Finanzierungsquelle finden oder den Betrag zur internationalen Klimafinanzierung reduzieren – und das genau zu dem Zeitpunkt, zu dem weltweit eine Aufstockung dieser Mittel gefordert wird.
6. bis 9. Juni
Wahl Europawahl
Vom 6. bis zum 9. Juni finden die Wahlen fürs Europäische Parlament statt.
6. Juni, 11.45 Uhr, Room Berlin, Bonn
Diskussion Climate Justice and Gender Equality: Addressing the Intersectional Impacts of Climate Change
Wie kann Geschlechtergerechtigkeit mit Klimagerechtigkeit zusammen gedacht werden? Darüber diskutieren verschiedene Akteure auf diesem Side-Event der SB60. Infos
6. Juni, 16.15 Room Bonn, Bonn
Diskussion NCQG: Bringing accountability, trust and developing country needs to climate finance
Auf diesem Side-Event der SB60 diskutieren verschiedene Akteure, wie ein NCQG für Entwicklungsländer aussehen müsste. Geleitet wird es von der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNTACD). Infos
9. bis 12. Juni, Berlin / Online
Konferenz What Works Climate Solutions Summit
Das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change richtet diese Konferenz aus, um über Klimalösungen zu diskutieren und Wissen zu teilen. Infos
10. Juni, 10.15 Uhr, Room Berlin, Bonn
Diskussion Why Innovative Sources of Finance & Financial System Reform Matter: A Moral Case
Auf diesem Side-Event der SB60 diskutieren mehrere NGOs, wie sich Klimafinanzarchitektur verändern muss, um verletzliche Communitys besser zu schützen. Infos
11. Juni, 10.15 Uhr, Room Berlin, Bonn
Diskussion Ocean-Climate-Society & Conventions: Adaptation. Mitigation & Governance opportunities and challenges
Verschiedene Experten diskutieren auf diesem Side-Event der SB60 über Möglichkeiten und Barrieren von Klimaschutz durch und für Ozeane. Infos
12. bis 13. Juni, Erfurt
Tagung Biodiversität, Klimaanpassung und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Das Netzwerk Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) veranstaltet diese Tagung, um zu diskutieren, wie Biodiversität, Klimaanpassung und gesellschaftlicher Zusammenhalt zusammenhängen. Infos
12. bis 13. Juni, Essen
Konferenz Handelsblatt Wasserstoff Gipfel 2024
Unter dem Motto “Die Wasserstoff-Revolution: Der Umbau hat begonnen” findet bei Thyssenkrupp dieser Wasserstoff-Gipfel statt. Hierbei sollen neuste Erkenntnisse und Lösungsansätze geteilt werden. Infos
13. Juni, 8.30 Uhr
Konferenz Jahreskonferenz DENEFF
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) diskutiert auf ihrer Jahrestagung über skalierbare Lösungen für Energieeffizienz. Infos
13. bis 15. Juni, Borgo Egnazia, Italien
Gipfeltreffen G7 Summit
Unter der Präsidentschaft von Italien findet das nächste Gipfeltreffen der G7 statt. Infos
Der globale Temperaturanstieg hat sich im vergangenen Jahr dramatisch beschleunigt: In jedem der vergangenen zwölf Monate war die Erhöhung im Vergleich zum vorindustriellen Level stärker als jemals zuvor; in elf der zwölf Monate betrug sie mehr als 1,5 Grad. Das geht aus Daten hervor, die der von der EU finanzierte Copernicus Climate Change Service am Mittwoch veröffentlicht hat. Der Mittelwert des Temperaturanstiegs lag bei 1,63 Grad; der laut Paris-Abkommen angestrebte Maximalwert von 1,5 Grad wurde damit überschritten.
Neue Rekordwerte zeigt auch eine am Mittwoch vorgestellte Studie des MCC. Demnach stieg die Temperatur zuletzt mit 0,26 Grad pro Jahrzehnt an, was die höchste Rate seit Beginn der Aufzeichnungen darstellt. Für das Jahr 2023 ermittelten die Forscherinnen und Forscher im Vergleich zur vorindustriellen Zeit einen Temperaturanstieg von 1,43 Grad, wovon 1,3 Grad aus menschlichen Aktivitäten resultieren. Getrieben wird die hohe Rate der Erhitzung “durch anhaltend hohe Treibhausgasemissionen von jährlich 53 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalenten”, schreibt das MCC.
Zu den besonders hohen Temperaturen der vergangenen Monate hat der World Meterological Association zufolge aber auch El Niño beigetragen. Die periodisch auftretende Wärmephase, die durch Veränderungen der Meeresströmungen im Pazifik hervorgerufen wird, hatte im vergangenen August begonnen; sie werde in diesem Sommer enden, teilte die WMO am Montag mit. Für die nächsten Monate wird darum mit einem deutlich geringeren Temperaturanstieg gerechnet; dies dürfe aber nicht als Entwarnung gedeutet werden, erklärte der stellvertretende WMO-Generalsekretär Ko Barrett: “Das Ende von El Niño bedeutet keine Pause im langfristigen Klimawandel, da sich unser Planet aufgrund der Treibhausgase weiter erwärmen wird.” mkr
Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, darf die Menschheit nur noch rund 200 Milliarden Tonnen CO₂ emittieren. Das entspricht etwa den aktuellen Emissionen von fünf Jahren. Zu dem Ergebnis kommt der Bericht “Indicators of Global Climate Change” (IGCC), der am Mittwoch von einer internationalen Forschungsgruppe um Piers Forster von der Universität Leeds im Journal “Earth System Science Data” veröffentlicht wurde.
Die Schätzung ist an gewisse Wahrscheinlichkeiten gekoppelt: Werden die 200 Milliarden Tonnen CO₂ noch emittiert, besteht den Forschenden zufolge eine 50-prozentige Chance, die 1,5-Grad-Grenze zu halten. Gelänge es hingegen, den CO₂-Ausstoß auf 100 Milliarden Tonnen zu begrenzen, läge die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, bei 83 Prozent. Falls aber 450 Milliarden Tonnen emittiert würden, schrumpft die Chance auf 17 Prozent.
Der Bericht zeigt auch, wie schnell das verbleibende CO₂-Budget schrumpft. Noch vor vier Jahren bezifferte der Weltklimarat IPCC das Budget für eine 50-prozentige Chance, die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, mit 500 Milliarden Tonnen. Die Spanne der Berechnungen reichte damals von 300 bis 900 Milliarden Tonnen CO₂.
Zudem schreitet dem Bericht zufolge die menschengemachte Klimaerwärmung so schnell voran, wie noch nie zuvor (siehe Klima in Zahlen). Es gibt aber auch einen kleinen Lichtblick: Es gebe Belege, “dass sich der Anstieg der CO₂-Emissionen im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu den 2000er-Jahren verlangsamt hat”, schreibt das Autorenteam. Je nach gesellschaftlicher Entscheidung könnte das aktuelle Jahrzehnt eine Umkehr einiger Zahlen des Berichts bringen. dpa/kul
UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat seine Kritik an der fossilen Industrie noch einmal verschärft und gefordert, die Werbung von Unternehmen der fossilen Energien zu verbieten. “Ich bitte dringend alle Staaten, Werbung von Unternehmen der fossilen Energien zu verbannen”, sagt Guterres bei einer Rede am 5. Juni, dem internationalen Tag der Umwelt. Immerhin untersagten Regierungen bereits die Werbung für Produkte wie Tabak, die die Gesundheit schädigen. Er fügte hinzu: “Und ich bitte dringend Nachrichtenmedien und Tech-Unternehmen, damit aufzuhören, Werbung für fossile Brennstoffe anzunehmen“.
Guterres hielt seine Rede am dritten Tag der Klimakonferenz SB60 in Bonn, wo Verhandler gerade um Fortschritte bei der Finanzierung des Klimaschutzes ringen. Der Generalsekretär beschwor – wie bereits öfter – die Gefahren der Klimakrise und redete Staaten und Politikern mit drastischen Worten ins Gewissen, Emissionen zu senken, die verwundbarsten Menschen zu schützen und dafür ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Klimahilfen seien “keine Wohltätigkeit, sondern aufgeklärtes Eigeninteresse” der Geberländer. Der Kampf für 1,5 Grad Erderwärmung werde “in den 2020er Jahren gewonnen oder verloren”.
Vor allem aber ging Guterres die fossile Industrie direkt an: Mit Worten wie “Paten des Klimachaos” rückte er sie in die Nähe von Verbrechern. Sie würden “Rekordgewinne einheimsen und Billionen von Subventionen aus Steuergeldern einfahren” und in Greenwashing investieren. Er forderte sie auf, ihr Geld stattdessen in grüne Technologien zu investieren.
Die Industriestaaten sollten bis 2030 aus der Kohlenutzung aussteigen und bis 2035 ihren Verbrauch von Öl und Gas um 60 Prozent senken. Alle anderen Staaten sollten bis 20240 aus der Kohle aussteigen. Die Menschen sollten die Hoffnung nicht verlieren: “Es heißt: Wir, die Menschen, gegen die Verschmutzer und Profiteure. Zusammen können wir gewinnen. Aber es ist Zeit für Anführer, um zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen.” bpo
Das ostdeutsche Braunkohle-Unternehmen Leag bekommt für den beschlossenen Kohleausstieg statt der von der Bundesregierung in Aussicht gestellten 1,75 Milliarden Euro zunächst nur 1,2 Milliarden Euro Entschädigung. Diese Summe soll die Mehrkosten abdecken, die durch den gesetzlich vereinbarten Ausstieg aus der Kohleverstromung auf jeden Fall anfallen. 600 Millionen davon sollen die Mehrkosten der Renaturierung der Tagebaue abdecken, weitere 600 Millionen sollen für die soziale Absicherung der bisherigen Beschäftigten verwendet werden. Das teilten Wirtschaftsminister Robert Habeck und Leag-Vorstand Thorsten Kramer am Dienstag mit.
Die restlichen 550 Millionen Euro wurden von der EU-Kommission, die die im Rahmen des Kohleausstiegs im Jahr 2019 vereinbarte Entschädigung als Beihilfe genehmigen muss, unter Vorbehalt gestellt. Mit ihnen soll die Leag für Gewinne entschädigt werden, die dem Unternehmen durch den früheren Kohleausstieg entgehen. Allerdings ist völlig unklar, ob es überhaupt entgangene Gewinne gibt; viele Experten gehen davon aus, dass die Kohlekraftwerke auch ohne politischen Beschluss allein aufgrund der Marktentwicklung vom Netz gehen würden.
Aus diesem Grund hat die EU-Kommission nun festgelegt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Stilllegung berechnet werden soll, wie viel Gewinn jedes Kraftwerk beim Weiterbetrieb noch hätte machen können. Habeck erklärte zwar, die Formel, mit der dies berechnet werde, sei “kein Geheimnis”. Doch auf Anfrage von Table.Briefings wurde sie weder vom Ministerium noch von der Kommission zur Verfügung gestellt, sodass derzeit keinerlei Aussage darüber möglich ist, wie viel Geld unter welchen Bedingungen fließen wird.
“Da die Gespräche mit der EU-Kommission noch fortgeführt werden und das Verfahren noch läuft, können wir noch keine Formel vorlegen”, teilte ein BMWK-Sprecher mit. Tatsächlich steht die Formel, mit der die entgangenen Gewinne berechnet werden, offenbar noch gar nicht fest. Denn bisher gibt es laut BMWK nur eine Grundsatzentscheidung; die Formel soll erst im finalen Genehmigungsentscheid stehen, der im Laufe des Jahres erwartet wird. “Die Arbeiten dazu laufen nun an”, hieß es aus dem Ministerium. mkr
Selbst wenn alle Länder ihre derzeitigen Pläne und Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien umsetzen, würden sie das globale Ziel zur Verdreifachung der Kapazität bis 2030 um 30 Prozent verfehlen. Das zeigen neue Daten der Internationalen Energieagentur (IEA). Laut IEA würden die nationalen Pläne zu einer Erneuerbaren-Kapazität von fast 8.000 Gigawatt im Jahr 2030 führen – für eine Verdreifachung und einen 1,5-Grad-Pfad wären aber über 11.000 Gigawatt nötig.
Und selbst die nationalen Ziele sind in Gefahr: Der IEA zufolge bauten nur China und lateinamerikanische Länder die Erneuerbaren im Jahr 2022 schnell genug aus. Die Volksrepublik könnte ihre Kapazität demnach bis 2030 im Vergleich zu 2022 um das 2,5-fache ausbauen – das entspricht 45 Prozent des Kapazitätswachstums, das erforderlich ist, um das globale Ziel zu erreichen. Nach Einschätzung der IEA wäre das ein ausreichend hoher Beitrag. Allerdings verbraucht China derzeit auch 30 Prozent des weltweit erzeugten Stroms.
Laut IEA müssten Europa, die Staaten der Asien-Pazifik-Region, die USA und Kanada den Ausbau um mehrere Dutzend Gigawatt pro Jahr beschleunigen. Im Nahen Osten, Nordafrika und Subsahara-Afrika müsste sich die Ausbaugeschwindigkeit verdoppeln – allerdings von einem sehr niedrigen Niveau -, um die nationalen Pläne zu erreichen.
Nur 14 Staaten weltweit haben in ihren offiziellen Klimaplänen (NDCs) konkrete Zielmarken für den Ausbau der erneuerbaren Energien festgehalten. Allerdings gibt es nationale Pläne, die ambitionierter sind als die NDCs. Dennoch sieht die IEA hier großes Potenzial, um den Ausbau zu beschleunigen. Die größten Herausforderungen seien Bürokratie und lange Wartezeiten für Genehmigungen, unzureichende Investitionen in das Stromnetz und hohe Finanzierungskosten, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. nib
Rund 2,2 Gigatonnen CO₂ werden jährlich weltweit aus der Atmosphäre entnommen – aber nur 0,1 Prozent oder 1,3 Millionen Tonnen dieser Entnahmen basieren auf neuartigen Methoden wie CCS oder beschleunigter Verwitterung. Der allergrößte Teil geht auf natürliche Senken zurück, etwa in der Forstwirtschaft. Bis Mitte des Jahrhunderts muss die weltweite CO₂-Entnahme auf sieben bis neun Gigatonnen pro Jahr ansteigen, um die Klimaziele zu erreichen und Restemissionen zu kompensieren. Doch am wichtigsten ist es, Emissionen zu reduzieren.
Das sind die wesentlichen Ergebnisse des zweiten State of Carbon Dioxide Removal Report 2024, den Forschende unter der Leitung der Smith School der University Oxford erstellt haben. Dabei handelt es sich um ein Update von einem ersten Bericht aus dem vergangenen Jahr. Der Hintergrund: Alle IPCC-Szenarien, die von einer Erderwärmung zwischen 1,5 und 2 Grad ausgehen, rechnen mit CO₂-Entnahmen aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR). Der aktuelle Report stellt nun fest, dass die CDR-Ziele, welche die Länder in ihren NDCs formuliert haben, nicht ausreichen, um die 1,5-Grad-kompatiblen Szenarien des IPCC zu erreichen.
Eine andere Studie war Ende Mai zu dem Ergebnis gekommen, dass ökosystembasierte Methoden für CDR in Deutschland vor relativ wenigen Umsetzungshürden stehen, aber auch ein eher geringeres Entnahmepotenzial haben. “High-Tech”-Optionen wie Bio-Energie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) oder Direct Air Capture (DACS) haben ein höheres Potenzial, aber auch größere technologische und institutionelle Hürden. “Wir sind so ein bisschen da, wo wir bei den erneuerbaren Energien vor 30 Jahren waren”, sagte Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Autorin der Studie. Jetzt sei es wichtig daran zu arbeiten, wie die technischen Lösungen schnell ausgebaut werden könnten.
Um die notwendigen Entnahmen zu erreichen, brauche es eine “Innovationsdynamik” und ein “breites Portfolio von Methoden”, meint Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik, der den State of Carbon Dioxide Removal Report mit verfasst hat. Geden sieht bereits Innovation in dem Bereich: Es gebe immer mehr Forschungsstipendien und große Demonstrationsprojekte.
Bisher komme die Nachfrage nach neuartigen Methoden hauptsächlich vom freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Eine Hochskalierung könne nur gelingen, wenn auch dafür Ziele in die Klimapolitik integriert würden, so Geden. Er begrüßt, dass die Bundesregierung mit der Klimaschutzgesetz-Novelle ab 2035 Unterziele für nicht forstwirtschaftliche CDR-Methoden setzen will. Zusätzlich brauche es aber robuste Maßnahmen zur Berichterstattung und Überprüfung von CDR. kul
China hat ein neues System für Messung und Management des CO₂-Fußabdrucks seiner Industrieprodukte angekündigt. Das neue “Kohlenstoff-Fußabdruck-Managementsystem” wird beim Umweltministerium aufgehängt sein und 2027 in Kraft treten, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Strategiepapier. Es solle Standards für die Messung der CO₂-Emissionen von etwa 100 Schlüsselprodukten der chinesischen Wirtschaft festlegen.
Die Standards sollen zuerst für Produkte mit hohem CO₂-Ausstoß wie Kohle und Erdgas gelten, sowie für Exportprodukte wie Stahl, Aluminium, Lithium-Ionen-Batterien und Elektrofahrzeuge. Das Umweltministerium erklärte, es hoffe, die Richtlinien bis 2030 auf 200 Produkte auszuweiten.
Erst vergangene Woche hatte der Staatsrat einen neuen Aktionsplan zur Emissionsreduktion für die Jahre 2024 und 2025 vorgelegt. Demnach sollen vor allem Schlüsselindustrien von der Stahlproduktion bis zum Transportwesen ihre CO₂-Emissionen senken. Das neue Fußabdruck-System ergänzt diese Pläne und könnte Analysten zufolge eine wichtige Rolle bei Chinas Bemühungen spielen, die Emissionen im verarbeitenden Gewerbe zu reduzieren – und somit auch Handelskonflikte sowie Einfuhrzölle im Rahmen des künftigen CO₂-Grenzausgleichs (CBAM) der EU vermeiden helfen.
Der Schritt zeige, dass China daran arbeitet, zu der EU-Gesetzgebung aufzuschließen, die bereits “klare Regeln für die Messung und Offenlegung des CO₂-Fußabdrucks von Produkten aufgestellt hat”, sagte Ma Jun, Direktor des unabhängigen Institute of Public and Environmental Affairs in Peking. “China ist in dieser Hinsicht ein Nachzügler, sodass es noch einige Lücken zu schließen gilt”, so Ma. Der CBAM soll 2026 in Kraft treten. rtr/ck