die Klimakrise drängt im noch jungen Jahr mit voller Wucht ins Zentrum der Debatten. Gefühlt steht halb Niedersachsen unter Wasser, Experten des World Economic Forums sehen Wetterextreme als größte Gefahr der kommenden Jahre und Klimawissenschaftlerinnen warnen: Wir sind zu wenig vorbereitet.
Trotz dieser Schreckensmeldungen und in ihrer eigenen Haushaltskrise kürzt die Bundesregierung im neuen Haushalt massiv beim Klimaschutz, wie Malte Kreutzfeld und Bernhard Pötter berichten. Betroffen sind beispielsweise die internationale Klimafinanzierung, der natürliche Klimaschutz und Auslandsprogramme des Wirtschafts- und Außenministeriums.
Im Interview erläutert der Hochwasserexperte Daniel Bachmann, warum sich Deutschland auf Extremwetter besser vorbereiten muss und was wir von den Niederländern lernen können. Aus den USA berichtet Umair Irfan darüber, wie der Klimaschutz im Vorwahlkampf die Lager spaltet. Und wir stellen den nächsten COP-Präsidenten Mukhtar Babayev vor. Der Umweltminister Aserbaidschans ist wieder mal ein Öl- und Gasmanager an der Spitze der Klimakonferenz.
Einen kleinen Lichtblick gibt es bei aller Krisenstimmung aber auch: In den USA sind die Emissionen im vergangenen Jahr erstmals nach zwei Jahren wieder gesunken – und das, obwohl die Wirtschaft wächst.
Beste Grüße
Vor knapp vier Wochen traten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner gemeinsam vor die Presse, um eine Einigung über den Klima- und Transformationsfonds und den Bundeshaushalt 2024 zu verkünden. Doch wo genau bei diesen Ausgaben gekürzt wird, war lange nicht klar. Nun gibt es darüber größtenteils Gewissheit: Auch in weiten Bereichen der deutschen Klimapolitik setzt die Regierung den Rotstift an.
Fest stand zunächst lediglich, welche der aus dem Klima- und Transformationsfonds finanzierten Förderprogramme zusammengestrichen werden:
Mittlerweile steht fest, dass auch in anderen wichtigen Feldern der Klimapolitik stark gekürzt werden muss, etwa beim “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz”. Für dieses Programm – das Kernstück dessen, was an Klimapolitik im Bundesumweltministerium von Steffi Lemke verblieben ist – waren im vergangenen Sommer zunächst 4 Milliarden Euro bis 2026 angekündigt worden. Durch eine Ausdehnung ins Jahr 2027 und die Integration von BMEL-Mitteln für den Waldschutz in Höhe von 525 Millionen Euro wurden daraus rund 5 Milliarden Euro.
Finanziert werden sollen damit Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren und der klimaverträgliche Waldumbau ebenso wie die Schaffung von Überschwemmungsflächen gegen Hochwasser. So schaffe man “Anreize und Angebote, um Ökosysteme wiederherzustellen und widerstandsfähiger zu machen”, hatte Lemke erklärt. “Das ist ein echter Paradigmenwechsel hin zur Wiederherstellung von Natur und eine gute Nachricht für den Klimaschutz, für die Natur, für Tiere, Pflanzen und natürliche Lebensräume.”
Diese gute Nachricht wird jetzt nur teilweise umgesetzt: Laut BMUV-Angaben werden von den Mitteln 30 Prozent gestrichen, also 1,5 Milliarden. Allein für 2024 sind das 350 Millionen, geht aus der am Mittwoch vom Finanzministerium verschickten Bereinigungsvorlage für den Haushaltsausschuss hervor. Der Protest dagegen fällt verhalten aus. Die Kürzung sei zwar “fachlich schmerzhaft”, hieß es aus dem Umweltministerium, bewege sich aber “in einem haushaltspolitisch begründbaren Rahmen”.
Auch auf die internationale Klimafinanzierung dürften die Haushaltsbeschlüsse Einfluss haben. Denn die Mittel für das internationale Engagement sollen im Haushalt 2024 insgesamt um 800 Millionen Euro gekürzt werden. Der Großteil davon entfällt auf das Entwicklungsministerium BMZ, das 400 Millionen Euro zusätzlich schultern muss. Diese wurden in der Bereinigungsvorlage auf viele verschiedene Programme aufgeteilt; mit 176 Millionen Euro finden sich die größten Einsparungen in der bilateralen Zusammenarbeit, die über die KfW abgewickelt wird. Noch sei nicht festgelegt, wo die Einsparungen im Einzelnen vorgenommen werden, hieß es aus dem Ministerium. Das entscheide sich in den nächsten Monaten, wenn die Planungen gemeinsam mit den Partnerländern konkreter werden. Weil dort die Nachfrage nach Klimahilfen groß ist, könnten diese Kürzungen auch Klimavorhaben treffen.
Offiziell steht Deutschland weiter zu seinen Ankündigungen für die internationale Klimafinanzierung. Erst bei der COP28 in Dubai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz verkündet, seine Regierung wolle die zugesagten 6 Milliarden Euro im Jahr dafür weiter bereitstellen. Woher das Geld kommen soll, ist allerdings unklar. Denn im Vergleich zum 2023 schrumpft der Haushalt des BMZ sogar um fast eine Milliarde Euro. “Die Einschnitte sind sehr schmerzhaft und werden in vielen Bereichen zu spüren sein”, sagte eine Sprecherin des Ministeriums zu Table.Media. “Welche Folgen es für das 6-Milliarden-Klimafinanzierungs-Ziel gibt, lässt sich heute noch nicht prognostizieren und hängt neben dem Entwicklungs-Etat auch von Haushaltsentscheidungen in BMWK und AA ab.”
Im Wirtschaftsministerium und im Auswärtigen Amt müssen jeweils 200 Millionen zusätzlich eingespart werden. Im BMWK geht das zumindest teilweise zulasten des Klimaschutzes: Gekürzt werden sollen die kompletten 200 Millionen bei den “Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität im Ausland“, für die damit in diesem Jahr statt 935 nur 735 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Im AA sollen die 200 Millionen bei humanitären Hilfsmaßnahmen im Ausland gestrichen werden; für diese Aufgabe verblieben gut 2,2 von ursprünglich 2,4 Milliarden Euro im Haushalt des Ministeriums.
Herr Bachmann, die Hochwasserpegel in Deutschland sinken wieder. Ist die Gefahr einer noch größeren Katastrophe damit gebannt?
Die größte Gefahr ist erst einmal überstanden. Das Wetter sieht gut aus: Für die kommenden Tage sind keine weiteren Niederschläge angekündigt, die Pegel werden weiter sinken. Der Frost ist gut für die Deiche, der Boden ist steinhart.
Durch den Klimawandel werden extreme Niederschläge in Deutschland häufiger und Überschwemmungen wahrscheinlicher. Wie gut hat der Hochwasserschutz diesmal funktioniert?
Insgesamt sind die Schäden relativ niedrig geblieben. Vielerorts waren die Pegel gar nicht so hoch – sieht man einmal von Niedersachsen und dem südlichen Sachsen-Anhalt ab. Zwar sind an manchen Orten Keller vollgelaufen, oder das Wasser stand im Erdgeschoss. Natürlich kann das einzelne Familien sehr hart treffen. Es gab ein paar regionale Hotspots, wo die Lage zeitweise kritisch war, aber alles in allem sind wir noch glimpflich davongekommen.
Heißt das, die Hochwasserregionen waren gut auf die Notlage vorbereitet? Oder war es einfach Glück, dass das Wasser gerade rechtzeitig nicht mehr weiter anstieg?
Beides. Wir hatten Glück, dass das Wasser in diesem Winter aufgrund der Topografie in den betroffenen Einzugsgebieten eher langsam anstieg – anders als im Ahrtal 2021, als die Flut sehr schnell kam. Dadurch ließ sich dieses Mal recht gut vorhersagen, wie sich die Hochwasserlage örtlich entwickelt, und der Katastrophenschutz hatte ausreichend Zeit, um zu reagieren.
Was hat noch gut funktioniert?
Die Talsperren wurden recht gut gesteuert. Zwar liefen sie im Harz teilweise so voll, dass sie entlasten mussten. Aber sie haben auch – gerade für Niedersachsen – einen beträchtlichen Teil des Hochwassers aufgefangen.
Gab es auch Dinge, die nicht so gut gelaufen sind?
Dadurch, dass das Hochwasser so lange in der Landschaft stand, waren die Deiche am Ende sehr stark aufgeweicht. Es hat sich gezeigt, dass viele Flussdeiche in Deutschland – besonders an mittleren und kleinen Flüssen – nicht im besten Zustand sind. Heute baut man standardmäßig Drei-Zonen-Deiche: Vorne, dort wo das Wasser aufläuft, muss der Deich beispielsweise durch Ton abgedichtet werden. Dahinter kommt der sogenannte Stützkörper, der die Kräfte abträgt. Darauf folgt eine Schicht, in die das Wasser versickern kann. Aber gerade an kleinen Flüssen, die vom aktuellen Hochwasser besonders betroffen waren, sind die Deiche oft nur simple Erdwälle. Sie müssten dringend saniert werden. Auf manchen Deichen stehen auch Bäume, die dort überhaupt nicht hingehören.
Warum?
Stellen Sie sich einen völlig durchweichten Deich im Sturm vor. Irgendwann kann der Boden den Wurzeln eines Baums keinen Halt mehr geben. Der Baum fällt und reißt ein Loch in die Deichkrone. Deiche sind Bauwerke, die eine Funktion zu erfüllen haben, und Bäume haben auf ihnen nichts zu suchen.
Wie können wir unser Wassermanagement auf lange Sicht gut an den Klimawandel anpassen?
Insgesamt brauchen wir eine kluge Mischung aus Infrastruktur – Deiche, Wasserleitungen, Talsperren – und naturnahen Lösungen. Lange war es zum Beispiel in der Landwirtschaft selbstverständlich, Wasser so schnell wie möglich vom Feld wegzuleiten. Man hat also drainiert, drainiert, drainiert. Aber genau davon kommt man jetzt ab. Denn wenn der Boden einen nennenswerten Teil der Niederschläge aufnehmen kann und sie nicht sofort über Gräben, Bäche oder Flüsse wieder abgibt, dann hilft das einerseits gegen Überschwemmungen – aber es ist auch ein Schutz gegen künftige Trockenheit, das andere Wetterextrem, auf das wir uns wegen des Klimawandels einstellen müssen. Wir müssen das Wasser also stärker in der Landschaft halten als bisher. In den Städten geht es dabei eher darum, Flächen zu entsiegeln.
Irgendwann ist aber selbst die saugfähigste Schwammlandschaft mit Wasser gesättigt. Was dann?
Dann brauche ich Deiche und Talsperren. Eine der effektivsten Hochwasserschutzmaßnahmen ist für mich aber die Raumplanung. Noch immer darf in den Überflutungsflächen der Flüsse gebaut werden. Die Elbe beispielsweise hat mehr als 80 Prozent ihrer früheren Überflutungsflächen verloren. Kein Wunder, dass sie nun in die Wohngebiete läuft, wenn ihr Pegel steigt. Man muss den Flüssen also wieder mehr Raum geben. Mancherorts hat man damit schon begonnen.
Was muss sich noch verändern, damit der Ausgleich zwischen den beiden Extremen Trockenheit und Hochwasser besser gelingt?
Das wird eine Herausforderung sein. In Berlin wird bereits darüber diskutiert, Wasser von der Elbe in die Spree umzuleiten, damit der künftige Wasserbedarf der Hauptstadt gedeckt werden kann. Wer bekommt wie viel Wasser woher? Darüber wird es Konflikte geben. Zudem wird das Wassermanagement insgesamt schwieriger werden. Ein Beispiel dafür sind die Talsperren. Sie sollen nicht nur vor Hochwasser schützen, sondern auch die Trinkwasserversorgung großer Regionen sicherstellen, manchmal erzeugen sie per Wasserkraft Strom, oder sie sind beliebte Ausflugsziele. Wie schwierig es sein kann, all das zu vereinbaren, hat sich in der aktuellen Hochwasserlage gezeigt.
Inwiefern?
Die Talsperren im Harz waren schon einigermaßen voll, bevor im Dezember die extremen Niederschläge einsetzten. Deshalb konnten sie teilweise wenig zusätzliches Wasser aufnehmen, und es gab viel Kritik an den Betreibern. Aber an diesen Talsperren hängt die Trinkwasserversorgung bis Bremen. Wären sie nicht so voll gewesen, und hätte es in diesem Winter nicht so viel geregnet, wäre dann im kommenden Sommer das Trinkwasser knapp geworden – dann wären die Betreiber erst recht kritisiert worden.
Sie sagen, man muss Geld in die Hand nehmen, um das Wassermanagement in Deutschland an den Klimawandel anzupassen. Lässt sich das mit der Schuldenbremse vereinbaren?
Ich persönlich denke, es geht nicht nur um Geld. Der Fachkräftemangel wird uns ebenfalls beschäftigen. Wir merken an den Universitäten gerade, dass die Zahl der Studierenden in unseren Fächern nicht unbedingt steigt. Die überbordende Bürokratie ist ein weiterer hemmender Faktor. Interessenkonflikte müssen befriedet werden, auch das dauert.
Bevor Sie an die Hochschule kamen, haben Sie als beratender Ingenieur für eine niederländische Non-Profit-Organisation im Bereich Wasser, Boden und Infrastruktur gearbeitet. Was kann Deutschland im Wassermanagement von den Niederlanden lernen?
Es gibt dort einen Deltakommissar, dessen Aufgabe die Hochwasservorsorge ist. Das Amt ist im Grunde unabhängig von der Politik, ähnlich wie die Europäische Zentralbank es in der Geldpolitik ist, und auf mehrere Jahre hinaus mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Das scheint mir sehr sinnvoll.
Am wichtigsten finde ich aber die völlig andere Haltung, die ich dort kennengelernt habe. In Deutschland reagiert man eher auf Katastrophen, aber in den Niederlanden betreibt man vorausschauenden Hochwasserschutz – davon kann Deutschland noch viel lernen. Natürlich ist der Anreiz dafür in den Niederlanden auch viel größer, immerhin liegt ein Drittel des Landes unter dem Meeresspiegel. Diese Fläche ist sehr dicht besiedelt, und es gibt dort viel Hightechindustrie. Würde sie überflutet, es wäre wirklich eine nationale Katastrophe. Dennoch würde ich mir auch in Deutschland wünschen, dass wir viel stärker proaktiv vorsorgen, statt erst einmal abzuwarten.
Im Wahljahr 2024 wird in den USA der Klimawandel zu einem wichtigen Thema: Präsident Joe Biden hat Klimapolitik zu einem zentralen Thema seiner Amtszeit gemacht. Die Republikaner dagegen weigern sich weiterhin, das Thema überhaupt ernst zu nehmen und wollen Bidens Pläne rückgängig machen. Doch die Erderhitzung könnte sich 2024 von allein auf die Tagesordnung setzen.
Denn diese Wahl findet statt, nachdem in vielen Teilen der USA die höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen, noch nie dagewesene Regenfälle, schwere Dürren und apokalyptische Waldbrände verzeichnet wurden. Diese Extreme haben die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt, das Stromnetz an seine Belastungsgrenze gebracht und zu Hunderten von Todesfällen beigetragen. Und für 2024 wird eine noch größere Hitze erwartet.
Ob das Thema allerdings zentral wird, hängt davon ab, auf welcher Seite man steht. Der Präsident kann mit einigen Errungenschaften prahlen, darunter das Bipartisan Infrastructure Law und der Inflation Reduction Act (IRA), Gesetze, die zu den größten Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels in der Geschichte der USA geführt haben. Die Gelder fließen inzwischen in Projekte wie den Bau von Batteriefabriken und die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Allerdings stoßen einige dieser Initiativen auf Probleme, wie etwa die schleppende Bearbeitung von Genehmigungsanträgen.
In seiner Wahlkampagne betont Biden seine Erfolge: Seine Rhetorik konzentriert sich mehr auf die Arbeitsplätze und die wirtschaftlichen Vorteile der Umstellung auf saubere Energie als auf die Vorteile für die Umwelt. “Wenn ich Klima höre, denke ich an Arbeitsplätze“, sagte Biden letztes Jahr beim Besuch einer Windturbinenfabrik. Die Beschäftigung nimmt in den USA weiter zu, wobei die Arbeitsplätze im Bereich der sauberen Energie den größten Anteil ausmachen.
Noch in diesem Jahr will der Präsident Vorschriften verabschieden, darunter neue Beschränkungen für CO₂-Emissionen von Autos und Lastwagen sowie für Kraftwerke. Die Bundesbehörden sind jedoch in Verzug geraten und haben Fristen versäumt. Daher besteht die Gefahr, dass diese Punkte vor der Wahl nicht mehr fertiggestellt werden.
Die Republikaner hingegen sind nach wie vor nicht bereit, sich überhaupt mit dem Klimawandel zu befassen. Bei einer Debatte im letzten Jahr hob keiner der republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf der Bühne die Hand, als er gefragt wurde, ob der Mensch den Klimawandel verursacht.
Wenn Biden also auf den republikanischen Kandidaten trifft, werden sie den Klimawandel wahrscheinlich nur als Mittel nutzen, um sich in der Wirtschaftspolitik zu unterscheiden – wenn das Thema überhaupt zur Sprache kommt. Die Republikaner sagen, dass sie sich weiterhin dafür einsetzen, Bidens Klimaprogramm rückgängig zu machen. Allerdings haben sie auch gerne die Lorbeeren für Klimagesetze geerntet, gegen die sie gestimmt haben.
Wird der Klimawandel die Entscheidungen der US-Wähler beeinflussen? Vielleicht indirekt. Denn wie bei vielen Themen gibt es eine Kluft zwischen der angegebenen Präferenz (“ich möchte mich gesünder ernähren”) und der offenkundigen Präferenz (“ich habe heute extra Pommes frites bestellt”).
In den USA sagen die meisten Wähler den Meinungsforschern, dass sie für die Eindämmung des Klimawandels und für mehr Investitionen in saubere Energie sind. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research aus dem vergangenen Jahr ergab, dass zwei Drittel der Befragten den Einsatz von Wind- und Sonnenenergie gegenüber Kohle, Öl und Erdgas bevorzugen. Einer der größten Faktoren, der die Zustimmungsrate des Präsidenten beeinflusst, ist jedoch der Benzinpreis. Biden selbst hat die sinkenden Benzinpreise gerne für sich reklamiert.
Unter allen anderen Wahlkampfthemen stellte Pew fest, dass die Bekämpfung des Klimawandels für die Wähler die niedrigste Priorität hat, nämlich Platz 17 von 21 Themen. Gleichwohl rangiert die “Verbesserung der Energieversorgung” auf Platz 11 und der “Umweltschutz” auf Platz 14. Außerdem vergrößert sich bei diesem Thema die Kluft zwischen den Wählern der verschiedenen Parteien: Laut Umfrage glauben 78 Prozent der den Demokraten nahestehenden Wähler, dass der Klimawandel eine große Bedrohung für das Land darstellt. Dagegen sind nur 23 Prozent der Republikaner dieser Meinung.
Der Klimawandel könnte jedoch auch dann auf die Tagesordnung drängen, wenn das Jahr 2024 genauso extrem ausfällt wie 2023. Während der Hitzewellen im vergangenen Jahr konnte das US-Stromnetz den sommerlichen Spitzenbedarf an Energie kaum decken. Das Land wendete im vergangenen Jahr mehr als 90 Milliarden Dollar für Klima- und Wetterkatastrophen auf und könnte in den kommenden Monaten noch mehr zahlen. Die steigenden Katastrophenschäden haben einige Versicherungsunternehmen dazu veranlasst, sich bei Immobilien ganz aus Staaten wie Kalifornien und Florida zurückzuziehen.
Dies hat zu einer Krise für die Immobilienentwicklung, die Unternehmen und die Katastrophenhilfe geführt. Auch wenn der Klimawandel als eigenständiges Thema nicht viele Wähler beeinflussen wird, könnte die Art und Weise, wie Politiker auf Stromausfälle, Waldbrände, Überschwemmungen und wirtschaftliche Störungen reagieren, die Wahlentscheidung beeinflussen.
Aber das Weiße Haus und das Parlament sind nicht die einzigen Orte, an denen über Maßnahmen zum Klimawandel debattiert wird. Vor den Gerichten erwarten die USA wichtige Entscheidungen: Etwa, wie stark die Regierung den Energiesektor regulieren kann – oder ob Kinder die Regierung verklagen können, weil diese zu langsam gegen den Klimawandel vorgeht.
Während in Washington im Jahr 2024 wahrscheinlich keine Klimagesetze verabschiedet werden, regt sich etwas in den Bundesstaaten: Die US-Staaten Washington und Kalifornien bereiten Gesetze vor, die den Handel mit Treibhausgasen und die Offenlegung von Emissionen für private Unternehmen betreffen. Der Gouverneur des Bundesstaates Washington, Jay Inslee, hat als prominenter Klimaschützer bereits gegen Biden für das Präsidentenamt kandidiert. Und der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom hat praktisch offen angekündigt, dass er im Jahr 2028 Bidens Platz einnehmen möchte. Umair Irfan aus Washington
11. Januar, 11 Uhr, Online
Diskussion BEE Analyse – Das Energiepolitische Jahr 2024
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) diskutiert auf der Veranstaltung, welche energiepolitischen Themen 2024 wichtig werden. Infos
11. Januar, 11 Uhr, Online
Veröffentlichung Report “Renewables 2023”
Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht ihren Bericht über Erneuerbare im Jahr 2023. Infos
15. Januar, 18 Uhr, Berlin
Diskussion Standortfaktor Erneuerbare Energien?
Die Stiftung KlimaWirtschaft und die Denkfabrik EPICO KlimaInnovation laden zu einer Diskussion in Berlin ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Studie “Standortfaktor Erneuerbare Energien”, die die beiden Organisationen zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlicht haben. Infos
15. Januar, 19 Uhr, Berlin / Online
Vorstellung Bodenatlas 2024
Mit zunehmender Versiegelung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und dem wachsenden Flächenbedarf für Klimaschutz und Energiewende erhöht sich der Druck auf gesunde, fruchtbare Böden. Welche Rolle kommt Böden im Kampf gegen den Hunger sowie im Klima- und Biodiversitätsschutz zu? Diese und viele weitere Fragen diskutiert die Heinrich-Böll-Stiftung auf der Vorstellung ihres Bodenatlas. Die Veranstaltung ist Teil der “Alternativen Grünen Woche”, die die Stiftung vor der Grünen Woche Ende des Monats ausrichtet. Infos
16. Januar, 10 Uhr, Berlin / Hybrid
Kongress Natürlicher Klimaschutz und Klimaanpassung in Partnerschaft mit der Landwirtschaft
Die Klimakrise stellt die Landwirtschaft vor eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Einerseits sind landwirtschaftliche Betriebe stark von Extremwetterereignissen betroffen, andererseits können sie maßgeblich zum Klimaschutz beitragen. Auf dem Kongress des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz wird über dieses Spannungsfeld diskutiert. Infos
16. Januar, 16 Uhr, Berlin / Online
Podiumsdiskussion AI for low carbon cities
Wie kann Künstliche Intelligenz helfen, Emissionen in Städten zu reduzieren? Wie kann das konkret in Berlin aussehen? Darum geht es bei dieser Podiumsdiskussion. Sie wird von dem Thinktank Urban AI mit mehreren Partnern veranstaltet. Infos
16. Januar, 16 Uhr, Brüssel / Online
Diskussion Window on 2024
Auf der Veranstaltung sollen Themen diskutiert werden, die für die EU 2024 in Sachen Klima wichtig werden. Dazu gehören: der aktuelle Stand der Umsetzung des EU Green Deal und des Klimagesetzes; die Fortschritte bei der Erreichung eines fairen Übergangs zur Klimaneutralität; das Ziel für 2040; sowie die strategischen politischen Prioritäten der EU im Vorfeld der Europawahlen 2024. Der European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) organisiert die Diskussion. Infos
17. Januar, 10 Uhr, Online
Webinar Klimaanpassung trifft Digitalisierung – Sensorsysteme für die Klimaanpassung nutzen
Das Zentrum für Klimaanpassung lädt zu einer Diskussion über Klimaanpassung und Digitalisierung ein. Im Fokus stehen die Potenziale von Sensorsystemen. Infos
18. Januar, 16 Uhr, Berlin / Online
Dialog Energiedialog 2024
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) richtet den Energiedialog aus. Die Veranstaltung soll einen Dialog zwischen Energiewirtschaft und Politik ermöglichen. Auch Robert Habeck wird erwartet. Infos
18. Januar, 18 Uhr, Berlin
Expertengespräch Europas Transformation zur Klimaneutralität – Wie umgehen mit Degrowth und grünem Bruttoinlandsprodukt?
In der Debatte um die Transformation zur Klimaneutralität haben Degrowth-Konzepte zuletzt eine prominente Rolle eingenommen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung will in einem Expertengespräch beleuchten, was dahinter steckt. Infos
2023 hat bei der Temperatur viele Rekorde gebrochen. Das vergangene Jahr zeigte die wärmsten Durchschnittstemperaturen auf der Oberfläche der Erde, seit es Aufzeichnungen gibt (1850): Der Planet war im Schnitt 14,98 Grad Celsius warm. Das waren 0,17 Grad mehr als im bislang wärmsten Jahr 2016. Diese Daten gehen aus dem neuesten Bericht des EU-Copernicus-Programms zum Klimawandel hervor.
Die Temperaturen lagen damit um 1,48 Grad Celsius über den Werten aus der vorindustriellen Zeit – die ominöse Schallmauer von 1,5 Grad Erhitzung wurde damit fast erreicht. Besonders deutlich ist in der Grafik der Sprung von 2022 zu 2023. Er erklärt sich daraus, dass die drei Jahre zuvor von einem globalen La Nina-Phänomen beherrscht wurden, das die Temperaturen gesenkt hatte. 2023 wiederum begann ein El Niño-Ereignis, das zu höheren Temperaturen führt – obwohl “auch andere Faktoren offenbar eine Rolle spielen”, wie der Klimadienst meldete. Gemeint sind wohl: der ebenfalls historische Höchststand bei CO₂-Emissionen und CO₂-Konzentrationen in der Atmosphäre. bpo
Risikospezialisten halten extreme Wetterlagen und Desinformation für die wahrscheinlichsten Auslöser einer globalen Krise in den kommenden Jahren. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) hervor. Er wurde im Vorfeld des WEF-Jahrestreffens in Davos zusammen mit der Zurich Insurance Group und der Risikoanalysefirma Marsh McLennan erstellt.
In dem Bericht wird Extremwetter als das größte Risiko im Jahr 2024 identifiziert. Auch über einen Zeithorizont von zehn Jahren führen Umweltrisiken die Rangliste der größten Risiken an. Zu ihnen gehören der Verlust der biologischen Vielfalt und kritische Veränderungen der Erdsysteme in Folge des Klimawandels, wie beispielsweise der Meeresspiegelanstieg durch schmelzende Eisschilde oder die Störung von Strömungen im Meer oder der Atmosphäre.
Für die kommenden zwei Jahre schätzen die Experten allerdings Falsch- und Desinformation als größte Gefahr ein. Das hat auch mit den Wahlen zu tun, die 2024 in vielen großen Ländern weltweit stattfinden, etwa in den USA, Indien und Mexiko.
Wie schlecht die Welt auf die wachsenden Risiken des Klimawandels vorbereitet sei, hätten extreme Wetterereignisse während des ganzen Jahres 2023 gezeigt, sagt die Klimaforscherin Friederike Otto. Sie hat am Dienstag gemeinsam mit anderen Forschenden des Konsortiums XAIDA (‘eXtreme events: Artificial Intelligence for Detection and Attribution) eine Bilanz des Extremwetterjahres 2023 vorgestellt.
Deren Quintessenz: Die außergewöhnlich hohen Temperaturen führten zu intensiveren Hitzewellen, Dürren, extremen Niederschlägen und Stürmen. 2024 könnte noch wärmer werden, erwarten Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
Potenziell tödliche Temperaturen über 50 Grad Celsius seien auch in Europa möglich, sagte Erich Fischer, Klimawissenschaftler an der ETH Zürich, anlässlich der Präsentation der XAIDA-Bilanz. Pascal Yiou, der am CNRS in Paris forscht, warnte vor dem Risiko, das solche Temperaturen für Großereignisse in Städten wie zum Beispiel die Olympischen Spiele in Paris mitten im Sommer darstellen. ae/rtr
Ein neuer Thinktank will sich in Deutschland um die Verbindung von Klima- und Sozialpolitik kümmern: Mit dem “Institut für Klima-Sozialpolitik” (Zukunft KlimaSozial) wollen ab diesem Frühjahr die Wissenschaftlerinnen Brigitte Knopf und Ines Verspohl die Debatten um Klimapolitik und Energiewende mit einem wissenschaftlichen Blick auf deren sozialen Folgen begleiten. Damit soll eine Lücke in der Klimadiskussion geschlossen werden, um das Thema soziale Gerechtigkeit bei der Transformation der Gesellschaft zur Klimaneutralität stärker in den Blick zu rücken.
Das Institut werde sich stärker um die sozialen Folgen der Klimaveränderungen kümmern, aber auch um die Auswirkungen der klimapolitischen Maßnahmen auf die soziale Frage, heißt es. Bisher werde die Debatte oft sehr technisch geführt. Das neue Institut solle eine “Zukunftsvision für soziale Klimapolitik” mit wissenschaftlicher Expertise flankieren.
Details zu Aufbau des Instituts, zur Finanzierung und eine erste wissenschaftliche Veröffentlichung sind für das erste Halbjahr 2024 geplant. Brigitte Knopf als Gründerin und Direktorin des neuen Thinktanks leitete von 2015 bis Dezember 2023 das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und ist seit 2020 stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung. Ines Verspohl war von Dezember 2018 bis September 2023 Abteilungsleiterin Sozialpolitik beim Sozialverband VdK. bpo
Thailand und die Schweiz haben erstmals bilateral “CO₂-Offsets” im Rahmen von Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens gehandelt. Die Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation (Klik) hat dazu für Schweizer Kraftstoffimporteure 1.900 Zertifikate von einem thailändischen E-Bus-Betreiber gekauft, der diese für die Umstellung von fossilen auf E-Busse erhalten hatte. Der Preis für die Zertifikate liegt bei über 30 US-Dollar pro Zertifikat, wie das thailändische Unternehmen Energy Absolute mitteilte. Die Schweizer Regierung hat Treibstoffimporteure verpflichtet, einen Teil ihrer Emissionen durch CO₂-Zertifikate im Inland oder Ausland auszugleichen, berichtet Reuters. Insgesamt will das Land demnach bis zum Jahr 2030 rund 40 Millionen Tonnen CO₂ durch Projekte im Ausland kompensieren.
Ein Dachverband Schweizer Wohlfahrtsverbände übte Kritik an dem Ausgleichshandel. Die Umstellung auf Elektrobusse hätte demnach wahrscheinlich auch ohne die Ausgleichszahlungen stattgefunden. Die Zahlungen hätten also keinen zusätzlichen Klimaschutz bewirkt. Das thailändische Unternehmen versichert jedoch, dass die E-Busse erst durch den Verkauf der Offsets finanziert werden konnten.
Auf der COP28 in Dubai konnte noch keine Einigung über die Details von bilateralen CO₂-Handelsgeschäften im Rahmen von Artikel 6 erzielt werden. Die beiden Unternehmen und die beteiligten nationalen Behörden müssten den Handel also eventuell noch an neue Regulierungen anpassen, sollten sich die Staaten in den nächsten Klimaverhandlungen auf Details einigen. Laut dem Finanzdienstleister S&P Global wurden weltweit “rund 69 bilaterale Abkommen” gemäß Artikel 6.2 unterzeichnet. Der Handel zwischen der Schweiz und Thailand ist demnach weltweit die erste komplett abgeschlossene Transaktion. nib
Das norwegische Parlament hat am Dienstag den Weg für die Erkundung des arktischen Meeresbodens und den Abbau von Mineralien freigemacht. Es setzt damit eine Vereinbarung zwischen der Regierung und den wichtigsten Oppositionsparteien vom vergangenen Monat um, trotz erheblicher Einwände internationaler Umweltschutzorganisationen. Sie befürchten massive Eingriffe in Ökosysteme sowie Umweltzerstörung durch den Tiefseebergbau.
Norwegen will das erste Land werden, das Tiefseebergbau in kommerziellem Maßstab betreibt und wichtige Mineralien wie Lithium, Scandium und Kobalt schürft, die beispielsweise für die Batterieherstellung für Elektroautos verwendet werden. Die Pläne sehen laut BBC vor, 280.000 Quadratkilometer der nationalen Gewässer für Unternehmen zum Abbau von Bodenschätzen zu öffnen – eine Fläche größer als Großbritannien.
Die Unternehmen sollen sich exklusive Explorationsrechte und potenzielle Schürfrechte für bestimmte Gebiete sichern können. Das Verfahren soll nach dem Vorbild der norwegischen Erdöl- und Erdgasexploration gestaltet werden, während Fragen wie die Besteuerung zu einem späteren Zeitpunkt erörtert werden sollen, so ein Politiker zu Reuters. Es gibt allerdings noch keinen festen Zeitplan, wann mit der Exploration begonnen werden kann.
Die geänderte Fassung des Regierungsvorschlags, über die am Dienstag im Osloer Parlament debattiert wurde, sieht strengere Anforderungen für die Untersuchung der Umweltfolgen während der Explorationsphase vor als ursprünglich geplant. “Wir werden jetzt sehen, ob dies auf nachhaltige Weise geschehen kann”, sagte Energieminister Terje Aasland dem Parlament. rtr/luk
Erstmals seit zwei Jahren sind die Treibhausgasemissionen der USA wieder gesunken. Im Jahr 2023 gab es einen Rückgang um 1,9 Prozent, bei einem Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent, wie Bloomberg berichtet. Im Detail bedeutet das:
Die USA müssten ihre Emissionen dreimal schneller senken, um die nationalen Klimaziele zu erreichen, so der Think-Tank Rhodium Group. nib
Berthold Goeke, bisher Unterabteilungsleiter Klimaschutz im BMWK, hat zum Ende des vergangenen Jahres die Abteilung Klimaschutz übernommen. Die bisherige Leiterin Birgit Schwenk gab den Posten aus persönlichen Gründen auf. Sie leitet nun die Unterabteilung Nationale und Europäische Klimapolitik, wie Table.Media aus Ministeriumskreisen erfuhr.
Für Klimaschutz ist damit bei Grünen-Minister Habeck ein Beamter zuständig, der unter CDU-Politikern Karriere gemacht hat. Goeke begann 1996 als Referent für Umweltschutz und Reaktorsicherheit unter Helmut Kohl im Bundeskanzleramt. 2010 holte CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen den Juristen aus Münster in sein Haus und machte ihn zum Ministerialdirigenten. Habeck lotste den Beamten nach der Amtsübernahme 2022 in sein Wirtschafts- und Klimaschutzministerium. Goeke verantwortet nun die wichtige Abteilung, bei der alle nationalen und internationalen Klimaschutzprogramme sowie das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung zusammenlaufen. brö
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Umwelt-NGOs Nabu und WWF fordern die Bundesregierung auf, ihre Carbon-Management-Strategie schneller vorzulegen. Für die Industrietransformation sei auch das Auffangen, Speichern und Nutzen von CO₂ (CCS/CCU) wichtig, so die ungewöhnliche Allianz. Die vier Organisationen haben sich allerdings nicht festgelegt, ob das Treibhausgas auch in Deutschland gespeichert werden sollte. Diese Frage hatte in der Vergangenheit für Konflikte gesorgt.
Die Bundesregierung arbeitet derzeit noch an ihrer Strategie für die Rolle von CCS und setzt dabei auf den Export von CO₂ und die Speicherung in Partnerländern wie Dänemark oder Norwegen. Eine Speicherung in Deutschland ist aktuell regulatorisch nur zu Forschungszwecken möglich. Der BDI kritisierte auf Nachfrage, dass derzeit weder der Export, noch die Speicherung in Deutschland möglich sei. Der Verband fordert, zunächst Klarheit über die Speicherkapazitäten in Deutschland zu schaffen. Im Anschluss könne über die Speicherfrage debattiert werden.
In einem gemeinsamen Thesenpapier fordern die vier Organisationen:
Mukhtar Babayev wurde jüngst zum designierten Präsidenten für die UN-Klimakonferenz in Baku im November ernannt. Der 55-jährige Umweltminister Aserbaidschans blickt auf eine lange Karriere in der Öl- und Gasindustrie zurück. In der internationalen Klimapolitik ist er ein eher unbeschriebenes Blatt. Dass erneut ein ehemaliger Öl- und Gasmanager die Klimagespräche leiten wird, ruft viel Kritik hervor.
Auf der letztjährigen COP in Dubai repräsentierte Babayev zwar sein Land. Doch er ist erst seit 2018 Umweltminister. An den COP26 und COP27 hatte Babayev nicht teilgenommen. Als COP-Präsident ist es seine Aufgabe, die Verhandlungen zu leiten und Kompromisse auszuarbeiten. Dafür braucht es ein enges Netz an diplomatischen Beziehungen und Verhandlungsgeschick – beides hat Babayev noch nicht unter Beweis gestellt.
Während der Klimakonferenz in Dubai sagte er, “angesichts der immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels erkennen wir die Notwendigkeit an, unsere Anstrengungen zu bündeln, die globale Zusammenarbeit zu fördern und sicherzustellen, dass unsere Maßnahmen dem Ernst der Lage gerecht werden”.
Doch das im Jahr 2023 erneuerte nationale Klimaziel (NDC) von Aserbaidschan ist nicht allzu ambitioniert. Die Treibhausgasemissionen sollen bis zum Jahr 2050 um 40 Prozent reduziert werden. Der Anteil der Erneuerbaren an den installierten Energiekapazitäten soll von 16,5 Prozent (2022) bis Ende des Jahrzehnts auf 30 Prozent steigen.
Gleichzeitig weitet das Land seine Öl- und Gasproduktion aus. Über das nächste Jahrzehnt soll die Förderung um gut ein Drittel erhöht werden. Ein Großteil der Gasexporte geht nach Europa. Die EU bezieht sieben Prozent ihrer Pipeline-Importe aus Aserbaidschan. Das Land will die Ausfuhren auf den europäischen Markt bis 2027 verdoppeln, wie Reuters berichtet. Die Abhängigkeit Aserbaidschans von fossilen Rohstoffen ist sehr hoch. Die Öl- und Gasindustrie macht schon heute 92,5 Prozent der Exporteinnahmen des Landes und etwas unter 50 Prozent des BIP aus.
Babayev stammt aus Baku, studierte Politikwissenschaften in Moskau und Außenwirtschaftsbeziehungen in Aserbaidschan. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1992 schloss er sich schnell dem staatlichen Öl- und Gaskonzern Socar an, für den er 26 Jahre arbeitete. Ab 2007 leitete er die damals gegründete Umweltabteilung des Unternehmens. Bis 2010 war es seine Aufgabe, die Umweltbelastungen der Förderung zu verringern und beispielsweise die Bodenverseuchung nach jahrzehntelanger Förderung zu bereinigen. Die Ziele seiner Abteilung standen teils im Widerspruch zur Socar-Strategie, die Produktion massiv auszuweiten.
Auf einer ersten Socar-Konferenz zur Bereinigung verseuchten Bodens im Jahr 2008 warnte Babayev, “dass sich der starke Rückgang der Ölpreise negativ auf künftige Maßnahmen auswirken könnte”, wie Wikileaks aus US-Botschaftsdepeschen zitiert. Generell ist über Babayev wegen der unfreien Presse in Aserbaidschan wenig bekannt. In den Archiven internationaler Medien wie Bloomberg, der New York Times und der Financial Times taucht sein Name bis zur COP28 gar nicht auf.
Babayevs Ernennung, die rein formell noch zum Start der COP29 vom COP-Plenum bestätigt werden muss, hat viel Kritik nach sich gezogen. Erneut werde ein ehemaliger Manager eines Öl- und Gaskonzerns COP-Präsident, “das bringt uns näher an den Abgrund”, sagte Collin Rees von Oil Change International der AFP. “Jetzt ist ein ehemaliger Ölmanager aus einem autoritären Petrostaat dafür verantwortlich, die Antwort der Welt auf die [Klima-]Krise zu finden, die fossile Unternehmen verursacht haben”, sagte Alice Harrison, Leiterin der Kampagne für fossile Brennstoffe bei Global Witness.
Allerdings gibt es auch andere Reaktionen. Die COP29 werde nicht so “nervenaufreibend”, wie die COP28, sagt der ehemalige Verhandler, Kaveh Guilanpour, der BBC. “Auf diplomatischer Ebene werden die Finanzfragen schwierig sein, aber ich denke, dass die Aufgabe der Präsidentschaft insgesamt einfacher sein wird”, so Guilanpour. Der Klimajournalist Ed King schrieb auf Twitter, “es lohnt sich, Babayev und seinem Team eine Chance zu geben, bevor man sich auf sie stürzt.” Es gäbe nur wenige Länder, die alle Kriterien erfüllten. Doch aufgrund seiner Vergangenheit als Öl- und Gasmanagers wird Babayev ebenso wie sein Vorgänger Sultan Al Jaber im besonderen Fokus stehen. Nico Beckert
die Klimakrise drängt im noch jungen Jahr mit voller Wucht ins Zentrum der Debatten. Gefühlt steht halb Niedersachsen unter Wasser, Experten des World Economic Forums sehen Wetterextreme als größte Gefahr der kommenden Jahre und Klimawissenschaftlerinnen warnen: Wir sind zu wenig vorbereitet.
Trotz dieser Schreckensmeldungen und in ihrer eigenen Haushaltskrise kürzt die Bundesregierung im neuen Haushalt massiv beim Klimaschutz, wie Malte Kreutzfeld und Bernhard Pötter berichten. Betroffen sind beispielsweise die internationale Klimafinanzierung, der natürliche Klimaschutz und Auslandsprogramme des Wirtschafts- und Außenministeriums.
Im Interview erläutert der Hochwasserexperte Daniel Bachmann, warum sich Deutschland auf Extremwetter besser vorbereiten muss und was wir von den Niederländern lernen können. Aus den USA berichtet Umair Irfan darüber, wie der Klimaschutz im Vorwahlkampf die Lager spaltet. Und wir stellen den nächsten COP-Präsidenten Mukhtar Babayev vor. Der Umweltminister Aserbaidschans ist wieder mal ein Öl- und Gasmanager an der Spitze der Klimakonferenz.
Einen kleinen Lichtblick gibt es bei aller Krisenstimmung aber auch: In den USA sind die Emissionen im vergangenen Jahr erstmals nach zwei Jahren wieder gesunken – und das, obwohl die Wirtschaft wächst.
Beste Grüße
Vor knapp vier Wochen traten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner gemeinsam vor die Presse, um eine Einigung über den Klima- und Transformationsfonds und den Bundeshaushalt 2024 zu verkünden. Doch wo genau bei diesen Ausgaben gekürzt wird, war lange nicht klar. Nun gibt es darüber größtenteils Gewissheit: Auch in weiten Bereichen der deutschen Klimapolitik setzt die Regierung den Rotstift an.
Fest stand zunächst lediglich, welche der aus dem Klima- und Transformationsfonds finanzierten Förderprogramme zusammengestrichen werden:
Mittlerweile steht fest, dass auch in anderen wichtigen Feldern der Klimapolitik stark gekürzt werden muss, etwa beim “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz”. Für dieses Programm – das Kernstück dessen, was an Klimapolitik im Bundesumweltministerium von Steffi Lemke verblieben ist – waren im vergangenen Sommer zunächst 4 Milliarden Euro bis 2026 angekündigt worden. Durch eine Ausdehnung ins Jahr 2027 und die Integration von BMEL-Mitteln für den Waldschutz in Höhe von 525 Millionen Euro wurden daraus rund 5 Milliarden Euro.
Finanziert werden sollen damit Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren und der klimaverträgliche Waldumbau ebenso wie die Schaffung von Überschwemmungsflächen gegen Hochwasser. So schaffe man “Anreize und Angebote, um Ökosysteme wiederherzustellen und widerstandsfähiger zu machen”, hatte Lemke erklärt. “Das ist ein echter Paradigmenwechsel hin zur Wiederherstellung von Natur und eine gute Nachricht für den Klimaschutz, für die Natur, für Tiere, Pflanzen und natürliche Lebensräume.”
Diese gute Nachricht wird jetzt nur teilweise umgesetzt: Laut BMUV-Angaben werden von den Mitteln 30 Prozent gestrichen, also 1,5 Milliarden. Allein für 2024 sind das 350 Millionen, geht aus der am Mittwoch vom Finanzministerium verschickten Bereinigungsvorlage für den Haushaltsausschuss hervor. Der Protest dagegen fällt verhalten aus. Die Kürzung sei zwar “fachlich schmerzhaft”, hieß es aus dem Umweltministerium, bewege sich aber “in einem haushaltspolitisch begründbaren Rahmen”.
Auch auf die internationale Klimafinanzierung dürften die Haushaltsbeschlüsse Einfluss haben. Denn die Mittel für das internationale Engagement sollen im Haushalt 2024 insgesamt um 800 Millionen Euro gekürzt werden. Der Großteil davon entfällt auf das Entwicklungsministerium BMZ, das 400 Millionen Euro zusätzlich schultern muss. Diese wurden in der Bereinigungsvorlage auf viele verschiedene Programme aufgeteilt; mit 176 Millionen Euro finden sich die größten Einsparungen in der bilateralen Zusammenarbeit, die über die KfW abgewickelt wird. Noch sei nicht festgelegt, wo die Einsparungen im Einzelnen vorgenommen werden, hieß es aus dem Ministerium. Das entscheide sich in den nächsten Monaten, wenn die Planungen gemeinsam mit den Partnerländern konkreter werden. Weil dort die Nachfrage nach Klimahilfen groß ist, könnten diese Kürzungen auch Klimavorhaben treffen.
Offiziell steht Deutschland weiter zu seinen Ankündigungen für die internationale Klimafinanzierung. Erst bei der COP28 in Dubai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz verkündet, seine Regierung wolle die zugesagten 6 Milliarden Euro im Jahr dafür weiter bereitstellen. Woher das Geld kommen soll, ist allerdings unklar. Denn im Vergleich zum 2023 schrumpft der Haushalt des BMZ sogar um fast eine Milliarde Euro. “Die Einschnitte sind sehr schmerzhaft und werden in vielen Bereichen zu spüren sein”, sagte eine Sprecherin des Ministeriums zu Table.Media. “Welche Folgen es für das 6-Milliarden-Klimafinanzierungs-Ziel gibt, lässt sich heute noch nicht prognostizieren und hängt neben dem Entwicklungs-Etat auch von Haushaltsentscheidungen in BMWK und AA ab.”
Im Wirtschaftsministerium und im Auswärtigen Amt müssen jeweils 200 Millionen zusätzlich eingespart werden. Im BMWK geht das zumindest teilweise zulasten des Klimaschutzes: Gekürzt werden sollen die kompletten 200 Millionen bei den “Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität im Ausland“, für die damit in diesem Jahr statt 935 nur 735 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Im AA sollen die 200 Millionen bei humanitären Hilfsmaßnahmen im Ausland gestrichen werden; für diese Aufgabe verblieben gut 2,2 von ursprünglich 2,4 Milliarden Euro im Haushalt des Ministeriums.
Herr Bachmann, die Hochwasserpegel in Deutschland sinken wieder. Ist die Gefahr einer noch größeren Katastrophe damit gebannt?
Die größte Gefahr ist erst einmal überstanden. Das Wetter sieht gut aus: Für die kommenden Tage sind keine weiteren Niederschläge angekündigt, die Pegel werden weiter sinken. Der Frost ist gut für die Deiche, der Boden ist steinhart.
Durch den Klimawandel werden extreme Niederschläge in Deutschland häufiger und Überschwemmungen wahrscheinlicher. Wie gut hat der Hochwasserschutz diesmal funktioniert?
Insgesamt sind die Schäden relativ niedrig geblieben. Vielerorts waren die Pegel gar nicht so hoch – sieht man einmal von Niedersachsen und dem südlichen Sachsen-Anhalt ab. Zwar sind an manchen Orten Keller vollgelaufen, oder das Wasser stand im Erdgeschoss. Natürlich kann das einzelne Familien sehr hart treffen. Es gab ein paar regionale Hotspots, wo die Lage zeitweise kritisch war, aber alles in allem sind wir noch glimpflich davongekommen.
Heißt das, die Hochwasserregionen waren gut auf die Notlage vorbereitet? Oder war es einfach Glück, dass das Wasser gerade rechtzeitig nicht mehr weiter anstieg?
Beides. Wir hatten Glück, dass das Wasser in diesem Winter aufgrund der Topografie in den betroffenen Einzugsgebieten eher langsam anstieg – anders als im Ahrtal 2021, als die Flut sehr schnell kam. Dadurch ließ sich dieses Mal recht gut vorhersagen, wie sich die Hochwasserlage örtlich entwickelt, und der Katastrophenschutz hatte ausreichend Zeit, um zu reagieren.
Was hat noch gut funktioniert?
Die Talsperren wurden recht gut gesteuert. Zwar liefen sie im Harz teilweise so voll, dass sie entlasten mussten. Aber sie haben auch – gerade für Niedersachsen – einen beträchtlichen Teil des Hochwassers aufgefangen.
Gab es auch Dinge, die nicht so gut gelaufen sind?
Dadurch, dass das Hochwasser so lange in der Landschaft stand, waren die Deiche am Ende sehr stark aufgeweicht. Es hat sich gezeigt, dass viele Flussdeiche in Deutschland – besonders an mittleren und kleinen Flüssen – nicht im besten Zustand sind. Heute baut man standardmäßig Drei-Zonen-Deiche: Vorne, dort wo das Wasser aufläuft, muss der Deich beispielsweise durch Ton abgedichtet werden. Dahinter kommt der sogenannte Stützkörper, der die Kräfte abträgt. Darauf folgt eine Schicht, in die das Wasser versickern kann. Aber gerade an kleinen Flüssen, die vom aktuellen Hochwasser besonders betroffen waren, sind die Deiche oft nur simple Erdwälle. Sie müssten dringend saniert werden. Auf manchen Deichen stehen auch Bäume, die dort überhaupt nicht hingehören.
Warum?
Stellen Sie sich einen völlig durchweichten Deich im Sturm vor. Irgendwann kann der Boden den Wurzeln eines Baums keinen Halt mehr geben. Der Baum fällt und reißt ein Loch in die Deichkrone. Deiche sind Bauwerke, die eine Funktion zu erfüllen haben, und Bäume haben auf ihnen nichts zu suchen.
Wie können wir unser Wassermanagement auf lange Sicht gut an den Klimawandel anpassen?
Insgesamt brauchen wir eine kluge Mischung aus Infrastruktur – Deiche, Wasserleitungen, Talsperren – und naturnahen Lösungen. Lange war es zum Beispiel in der Landwirtschaft selbstverständlich, Wasser so schnell wie möglich vom Feld wegzuleiten. Man hat also drainiert, drainiert, drainiert. Aber genau davon kommt man jetzt ab. Denn wenn der Boden einen nennenswerten Teil der Niederschläge aufnehmen kann und sie nicht sofort über Gräben, Bäche oder Flüsse wieder abgibt, dann hilft das einerseits gegen Überschwemmungen – aber es ist auch ein Schutz gegen künftige Trockenheit, das andere Wetterextrem, auf das wir uns wegen des Klimawandels einstellen müssen. Wir müssen das Wasser also stärker in der Landschaft halten als bisher. In den Städten geht es dabei eher darum, Flächen zu entsiegeln.
Irgendwann ist aber selbst die saugfähigste Schwammlandschaft mit Wasser gesättigt. Was dann?
Dann brauche ich Deiche und Talsperren. Eine der effektivsten Hochwasserschutzmaßnahmen ist für mich aber die Raumplanung. Noch immer darf in den Überflutungsflächen der Flüsse gebaut werden. Die Elbe beispielsweise hat mehr als 80 Prozent ihrer früheren Überflutungsflächen verloren. Kein Wunder, dass sie nun in die Wohngebiete läuft, wenn ihr Pegel steigt. Man muss den Flüssen also wieder mehr Raum geben. Mancherorts hat man damit schon begonnen.
Was muss sich noch verändern, damit der Ausgleich zwischen den beiden Extremen Trockenheit und Hochwasser besser gelingt?
Das wird eine Herausforderung sein. In Berlin wird bereits darüber diskutiert, Wasser von der Elbe in die Spree umzuleiten, damit der künftige Wasserbedarf der Hauptstadt gedeckt werden kann. Wer bekommt wie viel Wasser woher? Darüber wird es Konflikte geben. Zudem wird das Wassermanagement insgesamt schwieriger werden. Ein Beispiel dafür sind die Talsperren. Sie sollen nicht nur vor Hochwasser schützen, sondern auch die Trinkwasserversorgung großer Regionen sicherstellen, manchmal erzeugen sie per Wasserkraft Strom, oder sie sind beliebte Ausflugsziele. Wie schwierig es sein kann, all das zu vereinbaren, hat sich in der aktuellen Hochwasserlage gezeigt.
Inwiefern?
Die Talsperren im Harz waren schon einigermaßen voll, bevor im Dezember die extremen Niederschläge einsetzten. Deshalb konnten sie teilweise wenig zusätzliches Wasser aufnehmen, und es gab viel Kritik an den Betreibern. Aber an diesen Talsperren hängt die Trinkwasserversorgung bis Bremen. Wären sie nicht so voll gewesen, und hätte es in diesem Winter nicht so viel geregnet, wäre dann im kommenden Sommer das Trinkwasser knapp geworden – dann wären die Betreiber erst recht kritisiert worden.
Sie sagen, man muss Geld in die Hand nehmen, um das Wassermanagement in Deutschland an den Klimawandel anzupassen. Lässt sich das mit der Schuldenbremse vereinbaren?
Ich persönlich denke, es geht nicht nur um Geld. Der Fachkräftemangel wird uns ebenfalls beschäftigen. Wir merken an den Universitäten gerade, dass die Zahl der Studierenden in unseren Fächern nicht unbedingt steigt. Die überbordende Bürokratie ist ein weiterer hemmender Faktor. Interessenkonflikte müssen befriedet werden, auch das dauert.
Bevor Sie an die Hochschule kamen, haben Sie als beratender Ingenieur für eine niederländische Non-Profit-Organisation im Bereich Wasser, Boden und Infrastruktur gearbeitet. Was kann Deutschland im Wassermanagement von den Niederlanden lernen?
Es gibt dort einen Deltakommissar, dessen Aufgabe die Hochwasservorsorge ist. Das Amt ist im Grunde unabhängig von der Politik, ähnlich wie die Europäische Zentralbank es in der Geldpolitik ist, und auf mehrere Jahre hinaus mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Das scheint mir sehr sinnvoll.
Am wichtigsten finde ich aber die völlig andere Haltung, die ich dort kennengelernt habe. In Deutschland reagiert man eher auf Katastrophen, aber in den Niederlanden betreibt man vorausschauenden Hochwasserschutz – davon kann Deutschland noch viel lernen. Natürlich ist der Anreiz dafür in den Niederlanden auch viel größer, immerhin liegt ein Drittel des Landes unter dem Meeresspiegel. Diese Fläche ist sehr dicht besiedelt, und es gibt dort viel Hightechindustrie. Würde sie überflutet, es wäre wirklich eine nationale Katastrophe. Dennoch würde ich mir auch in Deutschland wünschen, dass wir viel stärker proaktiv vorsorgen, statt erst einmal abzuwarten.
Im Wahljahr 2024 wird in den USA der Klimawandel zu einem wichtigen Thema: Präsident Joe Biden hat Klimapolitik zu einem zentralen Thema seiner Amtszeit gemacht. Die Republikaner dagegen weigern sich weiterhin, das Thema überhaupt ernst zu nehmen und wollen Bidens Pläne rückgängig machen. Doch die Erderhitzung könnte sich 2024 von allein auf die Tagesordnung setzen.
Denn diese Wahl findet statt, nachdem in vielen Teilen der USA die höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen, noch nie dagewesene Regenfälle, schwere Dürren und apokalyptische Waldbrände verzeichnet wurden. Diese Extreme haben die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt, das Stromnetz an seine Belastungsgrenze gebracht und zu Hunderten von Todesfällen beigetragen. Und für 2024 wird eine noch größere Hitze erwartet.
Ob das Thema allerdings zentral wird, hängt davon ab, auf welcher Seite man steht. Der Präsident kann mit einigen Errungenschaften prahlen, darunter das Bipartisan Infrastructure Law und der Inflation Reduction Act (IRA), Gesetze, die zu den größten Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels in der Geschichte der USA geführt haben. Die Gelder fließen inzwischen in Projekte wie den Bau von Batteriefabriken und die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Allerdings stoßen einige dieser Initiativen auf Probleme, wie etwa die schleppende Bearbeitung von Genehmigungsanträgen.
In seiner Wahlkampagne betont Biden seine Erfolge: Seine Rhetorik konzentriert sich mehr auf die Arbeitsplätze und die wirtschaftlichen Vorteile der Umstellung auf saubere Energie als auf die Vorteile für die Umwelt. “Wenn ich Klima höre, denke ich an Arbeitsplätze“, sagte Biden letztes Jahr beim Besuch einer Windturbinenfabrik. Die Beschäftigung nimmt in den USA weiter zu, wobei die Arbeitsplätze im Bereich der sauberen Energie den größten Anteil ausmachen.
Noch in diesem Jahr will der Präsident Vorschriften verabschieden, darunter neue Beschränkungen für CO₂-Emissionen von Autos und Lastwagen sowie für Kraftwerke. Die Bundesbehörden sind jedoch in Verzug geraten und haben Fristen versäumt. Daher besteht die Gefahr, dass diese Punkte vor der Wahl nicht mehr fertiggestellt werden.
Die Republikaner hingegen sind nach wie vor nicht bereit, sich überhaupt mit dem Klimawandel zu befassen. Bei einer Debatte im letzten Jahr hob keiner der republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf der Bühne die Hand, als er gefragt wurde, ob der Mensch den Klimawandel verursacht.
Wenn Biden also auf den republikanischen Kandidaten trifft, werden sie den Klimawandel wahrscheinlich nur als Mittel nutzen, um sich in der Wirtschaftspolitik zu unterscheiden – wenn das Thema überhaupt zur Sprache kommt. Die Republikaner sagen, dass sie sich weiterhin dafür einsetzen, Bidens Klimaprogramm rückgängig zu machen. Allerdings haben sie auch gerne die Lorbeeren für Klimagesetze geerntet, gegen die sie gestimmt haben.
Wird der Klimawandel die Entscheidungen der US-Wähler beeinflussen? Vielleicht indirekt. Denn wie bei vielen Themen gibt es eine Kluft zwischen der angegebenen Präferenz (“ich möchte mich gesünder ernähren”) und der offenkundigen Präferenz (“ich habe heute extra Pommes frites bestellt”).
In den USA sagen die meisten Wähler den Meinungsforschern, dass sie für die Eindämmung des Klimawandels und für mehr Investitionen in saubere Energie sind. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research aus dem vergangenen Jahr ergab, dass zwei Drittel der Befragten den Einsatz von Wind- und Sonnenenergie gegenüber Kohle, Öl und Erdgas bevorzugen. Einer der größten Faktoren, der die Zustimmungsrate des Präsidenten beeinflusst, ist jedoch der Benzinpreis. Biden selbst hat die sinkenden Benzinpreise gerne für sich reklamiert.
Unter allen anderen Wahlkampfthemen stellte Pew fest, dass die Bekämpfung des Klimawandels für die Wähler die niedrigste Priorität hat, nämlich Platz 17 von 21 Themen. Gleichwohl rangiert die “Verbesserung der Energieversorgung” auf Platz 11 und der “Umweltschutz” auf Platz 14. Außerdem vergrößert sich bei diesem Thema die Kluft zwischen den Wählern der verschiedenen Parteien: Laut Umfrage glauben 78 Prozent der den Demokraten nahestehenden Wähler, dass der Klimawandel eine große Bedrohung für das Land darstellt. Dagegen sind nur 23 Prozent der Republikaner dieser Meinung.
Der Klimawandel könnte jedoch auch dann auf die Tagesordnung drängen, wenn das Jahr 2024 genauso extrem ausfällt wie 2023. Während der Hitzewellen im vergangenen Jahr konnte das US-Stromnetz den sommerlichen Spitzenbedarf an Energie kaum decken. Das Land wendete im vergangenen Jahr mehr als 90 Milliarden Dollar für Klima- und Wetterkatastrophen auf und könnte in den kommenden Monaten noch mehr zahlen. Die steigenden Katastrophenschäden haben einige Versicherungsunternehmen dazu veranlasst, sich bei Immobilien ganz aus Staaten wie Kalifornien und Florida zurückzuziehen.
Dies hat zu einer Krise für die Immobilienentwicklung, die Unternehmen und die Katastrophenhilfe geführt. Auch wenn der Klimawandel als eigenständiges Thema nicht viele Wähler beeinflussen wird, könnte die Art und Weise, wie Politiker auf Stromausfälle, Waldbrände, Überschwemmungen und wirtschaftliche Störungen reagieren, die Wahlentscheidung beeinflussen.
Aber das Weiße Haus und das Parlament sind nicht die einzigen Orte, an denen über Maßnahmen zum Klimawandel debattiert wird. Vor den Gerichten erwarten die USA wichtige Entscheidungen: Etwa, wie stark die Regierung den Energiesektor regulieren kann – oder ob Kinder die Regierung verklagen können, weil diese zu langsam gegen den Klimawandel vorgeht.
Während in Washington im Jahr 2024 wahrscheinlich keine Klimagesetze verabschiedet werden, regt sich etwas in den Bundesstaaten: Die US-Staaten Washington und Kalifornien bereiten Gesetze vor, die den Handel mit Treibhausgasen und die Offenlegung von Emissionen für private Unternehmen betreffen. Der Gouverneur des Bundesstaates Washington, Jay Inslee, hat als prominenter Klimaschützer bereits gegen Biden für das Präsidentenamt kandidiert. Und der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom hat praktisch offen angekündigt, dass er im Jahr 2028 Bidens Platz einnehmen möchte. Umair Irfan aus Washington
11. Januar, 11 Uhr, Online
Diskussion BEE Analyse – Das Energiepolitische Jahr 2024
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) diskutiert auf der Veranstaltung, welche energiepolitischen Themen 2024 wichtig werden. Infos
11. Januar, 11 Uhr, Online
Veröffentlichung Report “Renewables 2023”
Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht ihren Bericht über Erneuerbare im Jahr 2023. Infos
15. Januar, 18 Uhr, Berlin
Diskussion Standortfaktor Erneuerbare Energien?
Die Stiftung KlimaWirtschaft und die Denkfabrik EPICO KlimaInnovation laden zu einer Diskussion in Berlin ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Studie “Standortfaktor Erneuerbare Energien”, die die beiden Organisationen zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) veröffentlicht haben. Infos
15. Januar, 19 Uhr, Berlin / Online
Vorstellung Bodenatlas 2024
Mit zunehmender Versiegelung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und dem wachsenden Flächenbedarf für Klimaschutz und Energiewende erhöht sich der Druck auf gesunde, fruchtbare Böden. Welche Rolle kommt Böden im Kampf gegen den Hunger sowie im Klima- und Biodiversitätsschutz zu? Diese und viele weitere Fragen diskutiert die Heinrich-Böll-Stiftung auf der Vorstellung ihres Bodenatlas. Die Veranstaltung ist Teil der “Alternativen Grünen Woche”, die die Stiftung vor der Grünen Woche Ende des Monats ausrichtet. Infos
16. Januar, 10 Uhr, Berlin / Hybrid
Kongress Natürlicher Klimaschutz und Klimaanpassung in Partnerschaft mit der Landwirtschaft
Die Klimakrise stellt die Landwirtschaft vor eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Einerseits sind landwirtschaftliche Betriebe stark von Extremwetterereignissen betroffen, andererseits können sie maßgeblich zum Klimaschutz beitragen. Auf dem Kongress des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz wird über dieses Spannungsfeld diskutiert. Infos
16. Januar, 16 Uhr, Berlin / Online
Podiumsdiskussion AI for low carbon cities
Wie kann Künstliche Intelligenz helfen, Emissionen in Städten zu reduzieren? Wie kann das konkret in Berlin aussehen? Darum geht es bei dieser Podiumsdiskussion. Sie wird von dem Thinktank Urban AI mit mehreren Partnern veranstaltet. Infos
16. Januar, 16 Uhr, Brüssel / Online
Diskussion Window on 2024
Auf der Veranstaltung sollen Themen diskutiert werden, die für die EU 2024 in Sachen Klima wichtig werden. Dazu gehören: der aktuelle Stand der Umsetzung des EU Green Deal und des Klimagesetzes; die Fortschritte bei der Erreichung eines fairen Übergangs zur Klimaneutralität; das Ziel für 2040; sowie die strategischen politischen Prioritäten der EU im Vorfeld der Europawahlen 2024. Der European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) organisiert die Diskussion. Infos
17. Januar, 10 Uhr, Online
Webinar Klimaanpassung trifft Digitalisierung – Sensorsysteme für die Klimaanpassung nutzen
Das Zentrum für Klimaanpassung lädt zu einer Diskussion über Klimaanpassung und Digitalisierung ein. Im Fokus stehen die Potenziale von Sensorsystemen. Infos
18. Januar, 16 Uhr, Berlin / Online
Dialog Energiedialog 2024
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) richtet den Energiedialog aus. Die Veranstaltung soll einen Dialog zwischen Energiewirtschaft und Politik ermöglichen. Auch Robert Habeck wird erwartet. Infos
18. Januar, 18 Uhr, Berlin
Expertengespräch Europas Transformation zur Klimaneutralität – Wie umgehen mit Degrowth und grünem Bruttoinlandsprodukt?
In der Debatte um die Transformation zur Klimaneutralität haben Degrowth-Konzepte zuletzt eine prominente Rolle eingenommen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung will in einem Expertengespräch beleuchten, was dahinter steckt. Infos
2023 hat bei der Temperatur viele Rekorde gebrochen. Das vergangene Jahr zeigte die wärmsten Durchschnittstemperaturen auf der Oberfläche der Erde, seit es Aufzeichnungen gibt (1850): Der Planet war im Schnitt 14,98 Grad Celsius warm. Das waren 0,17 Grad mehr als im bislang wärmsten Jahr 2016. Diese Daten gehen aus dem neuesten Bericht des EU-Copernicus-Programms zum Klimawandel hervor.
Die Temperaturen lagen damit um 1,48 Grad Celsius über den Werten aus der vorindustriellen Zeit – die ominöse Schallmauer von 1,5 Grad Erhitzung wurde damit fast erreicht. Besonders deutlich ist in der Grafik der Sprung von 2022 zu 2023. Er erklärt sich daraus, dass die drei Jahre zuvor von einem globalen La Nina-Phänomen beherrscht wurden, das die Temperaturen gesenkt hatte. 2023 wiederum begann ein El Niño-Ereignis, das zu höheren Temperaturen führt – obwohl “auch andere Faktoren offenbar eine Rolle spielen”, wie der Klimadienst meldete. Gemeint sind wohl: der ebenfalls historische Höchststand bei CO₂-Emissionen und CO₂-Konzentrationen in der Atmosphäre. bpo
Risikospezialisten halten extreme Wetterlagen und Desinformation für die wahrscheinlichsten Auslöser einer globalen Krise in den kommenden Jahren. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) hervor. Er wurde im Vorfeld des WEF-Jahrestreffens in Davos zusammen mit der Zurich Insurance Group und der Risikoanalysefirma Marsh McLennan erstellt.
In dem Bericht wird Extremwetter als das größte Risiko im Jahr 2024 identifiziert. Auch über einen Zeithorizont von zehn Jahren führen Umweltrisiken die Rangliste der größten Risiken an. Zu ihnen gehören der Verlust der biologischen Vielfalt und kritische Veränderungen der Erdsysteme in Folge des Klimawandels, wie beispielsweise der Meeresspiegelanstieg durch schmelzende Eisschilde oder die Störung von Strömungen im Meer oder der Atmosphäre.
Für die kommenden zwei Jahre schätzen die Experten allerdings Falsch- und Desinformation als größte Gefahr ein. Das hat auch mit den Wahlen zu tun, die 2024 in vielen großen Ländern weltweit stattfinden, etwa in den USA, Indien und Mexiko.
Wie schlecht die Welt auf die wachsenden Risiken des Klimawandels vorbereitet sei, hätten extreme Wetterereignisse während des ganzen Jahres 2023 gezeigt, sagt die Klimaforscherin Friederike Otto. Sie hat am Dienstag gemeinsam mit anderen Forschenden des Konsortiums XAIDA (‘eXtreme events: Artificial Intelligence for Detection and Attribution) eine Bilanz des Extremwetterjahres 2023 vorgestellt.
Deren Quintessenz: Die außergewöhnlich hohen Temperaturen führten zu intensiveren Hitzewellen, Dürren, extremen Niederschlägen und Stürmen. 2024 könnte noch wärmer werden, erwarten Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
Potenziell tödliche Temperaturen über 50 Grad Celsius seien auch in Europa möglich, sagte Erich Fischer, Klimawissenschaftler an der ETH Zürich, anlässlich der Präsentation der XAIDA-Bilanz. Pascal Yiou, der am CNRS in Paris forscht, warnte vor dem Risiko, das solche Temperaturen für Großereignisse in Städten wie zum Beispiel die Olympischen Spiele in Paris mitten im Sommer darstellen. ae/rtr
Ein neuer Thinktank will sich in Deutschland um die Verbindung von Klima- und Sozialpolitik kümmern: Mit dem “Institut für Klima-Sozialpolitik” (Zukunft KlimaSozial) wollen ab diesem Frühjahr die Wissenschaftlerinnen Brigitte Knopf und Ines Verspohl die Debatten um Klimapolitik und Energiewende mit einem wissenschaftlichen Blick auf deren sozialen Folgen begleiten. Damit soll eine Lücke in der Klimadiskussion geschlossen werden, um das Thema soziale Gerechtigkeit bei der Transformation der Gesellschaft zur Klimaneutralität stärker in den Blick zu rücken.
Das Institut werde sich stärker um die sozialen Folgen der Klimaveränderungen kümmern, aber auch um die Auswirkungen der klimapolitischen Maßnahmen auf die soziale Frage, heißt es. Bisher werde die Debatte oft sehr technisch geführt. Das neue Institut solle eine “Zukunftsvision für soziale Klimapolitik” mit wissenschaftlicher Expertise flankieren.
Details zu Aufbau des Instituts, zur Finanzierung und eine erste wissenschaftliche Veröffentlichung sind für das erste Halbjahr 2024 geplant. Brigitte Knopf als Gründerin und Direktorin des neuen Thinktanks leitete von 2015 bis Dezember 2023 das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und ist seit 2020 stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung. Ines Verspohl war von Dezember 2018 bis September 2023 Abteilungsleiterin Sozialpolitik beim Sozialverband VdK. bpo
Thailand und die Schweiz haben erstmals bilateral “CO₂-Offsets” im Rahmen von Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens gehandelt. Die Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation (Klik) hat dazu für Schweizer Kraftstoffimporteure 1.900 Zertifikate von einem thailändischen E-Bus-Betreiber gekauft, der diese für die Umstellung von fossilen auf E-Busse erhalten hatte. Der Preis für die Zertifikate liegt bei über 30 US-Dollar pro Zertifikat, wie das thailändische Unternehmen Energy Absolute mitteilte. Die Schweizer Regierung hat Treibstoffimporteure verpflichtet, einen Teil ihrer Emissionen durch CO₂-Zertifikate im Inland oder Ausland auszugleichen, berichtet Reuters. Insgesamt will das Land demnach bis zum Jahr 2030 rund 40 Millionen Tonnen CO₂ durch Projekte im Ausland kompensieren.
Ein Dachverband Schweizer Wohlfahrtsverbände übte Kritik an dem Ausgleichshandel. Die Umstellung auf Elektrobusse hätte demnach wahrscheinlich auch ohne die Ausgleichszahlungen stattgefunden. Die Zahlungen hätten also keinen zusätzlichen Klimaschutz bewirkt. Das thailändische Unternehmen versichert jedoch, dass die E-Busse erst durch den Verkauf der Offsets finanziert werden konnten.
Auf der COP28 in Dubai konnte noch keine Einigung über die Details von bilateralen CO₂-Handelsgeschäften im Rahmen von Artikel 6 erzielt werden. Die beiden Unternehmen und die beteiligten nationalen Behörden müssten den Handel also eventuell noch an neue Regulierungen anpassen, sollten sich die Staaten in den nächsten Klimaverhandlungen auf Details einigen. Laut dem Finanzdienstleister S&P Global wurden weltweit “rund 69 bilaterale Abkommen” gemäß Artikel 6.2 unterzeichnet. Der Handel zwischen der Schweiz und Thailand ist demnach weltweit die erste komplett abgeschlossene Transaktion. nib
Das norwegische Parlament hat am Dienstag den Weg für die Erkundung des arktischen Meeresbodens und den Abbau von Mineralien freigemacht. Es setzt damit eine Vereinbarung zwischen der Regierung und den wichtigsten Oppositionsparteien vom vergangenen Monat um, trotz erheblicher Einwände internationaler Umweltschutzorganisationen. Sie befürchten massive Eingriffe in Ökosysteme sowie Umweltzerstörung durch den Tiefseebergbau.
Norwegen will das erste Land werden, das Tiefseebergbau in kommerziellem Maßstab betreibt und wichtige Mineralien wie Lithium, Scandium und Kobalt schürft, die beispielsweise für die Batterieherstellung für Elektroautos verwendet werden. Die Pläne sehen laut BBC vor, 280.000 Quadratkilometer der nationalen Gewässer für Unternehmen zum Abbau von Bodenschätzen zu öffnen – eine Fläche größer als Großbritannien.
Die Unternehmen sollen sich exklusive Explorationsrechte und potenzielle Schürfrechte für bestimmte Gebiete sichern können. Das Verfahren soll nach dem Vorbild der norwegischen Erdöl- und Erdgasexploration gestaltet werden, während Fragen wie die Besteuerung zu einem späteren Zeitpunkt erörtert werden sollen, so ein Politiker zu Reuters. Es gibt allerdings noch keinen festen Zeitplan, wann mit der Exploration begonnen werden kann.
Die geänderte Fassung des Regierungsvorschlags, über die am Dienstag im Osloer Parlament debattiert wurde, sieht strengere Anforderungen für die Untersuchung der Umweltfolgen während der Explorationsphase vor als ursprünglich geplant. “Wir werden jetzt sehen, ob dies auf nachhaltige Weise geschehen kann”, sagte Energieminister Terje Aasland dem Parlament. rtr/luk
Erstmals seit zwei Jahren sind die Treibhausgasemissionen der USA wieder gesunken. Im Jahr 2023 gab es einen Rückgang um 1,9 Prozent, bei einem Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent, wie Bloomberg berichtet. Im Detail bedeutet das:
Die USA müssten ihre Emissionen dreimal schneller senken, um die nationalen Klimaziele zu erreichen, so der Think-Tank Rhodium Group. nib
Berthold Goeke, bisher Unterabteilungsleiter Klimaschutz im BMWK, hat zum Ende des vergangenen Jahres die Abteilung Klimaschutz übernommen. Die bisherige Leiterin Birgit Schwenk gab den Posten aus persönlichen Gründen auf. Sie leitet nun die Unterabteilung Nationale und Europäische Klimapolitik, wie Table.Media aus Ministeriumskreisen erfuhr.
Für Klimaschutz ist damit bei Grünen-Minister Habeck ein Beamter zuständig, der unter CDU-Politikern Karriere gemacht hat. Goeke begann 1996 als Referent für Umweltschutz und Reaktorsicherheit unter Helmut Kohl im Bundeskanzleramt. 2010 holte CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen den Juristen aus Münster in sein Haus und machte ihn zum Ministerialdirigenten. Habeck lotste den Beamten nach der Amtsübernahme 2022 in sein Wirtschafts- und Klimaschutzministerium. Goeke verantwortet nun die wichtige Abteilung, bei der alle nationalen und internationalen Klimaschutzprogramme sowie das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung zusammenlaufen. brö
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Umwelt-NGOs Nabu und WWF fordern die Bundesregierung auf, ihre Carbon-Management-Strategie schneller vorzulegen. Für die Industrietransformation sei auch das Auffangen, Speichern und Nutzen von CO₂ (CCS/CCU) wichtig, so die ungewöhnliche Allianz. Die vier Organisationen haben sich allerdings nicht festgelegt, ob das Treibhausgas auch in Deutschland gespeichert werden sollte. Diese Frage hatte in der Vergangenheit für Konflikte gesorgt.
Die Bundesregierung arbeitet derzeit noch an ihrer Strategie für die Rolle von CCS und setzt dabei auf den Export von CO₂ und die Speicherung in Partnerländern wie Dänemark oder Norwegen. Eine Speicherung in Deutschland ist aktuell regulatorisch nur zu Forschungszwecken möglich. Der BDI kritisierte auf Nachfrage, dass derzeit weder der Export, noch die Speicherung in Deutschland möglich sei. Der Verband fordert, zunächst Klarheit über die Speicherkapazitäten in Deutschland zu schaffen. Im Anschluss könne über die Speicherfrage debattiert werden.
In einem gemeinsamen Thesenpapier fordern die vier Organisationen:
Mukhtar Babayev wurde jüngst zum designierten Präsidenten für die UN-Klimakonferenz in Baku im November ernannt. Der 55-jährige Umweltminister Aserbaidschans blickt auf eine lange Karriere in der Öl- und Gasindustrie zurück. In der internationalen Klimapolitik ist er ein eher unbeschriebenes Blatt. Dass erneut ein ehemaliger Öl- und Gasmanager die Klimagespräche leiten wird, ruft viel Kritik hervor.
Auf der letztjährigen COP in Dubai repräsentierte Babayev zwar sein Land. Doch er ist erst seit 2018 Umweltminister. An den COP26 und COP27 hatte Babayev nicht teilgenommen. Als COP-Präsident ist es seine Aufgabe, die Verhandlungen zu leiten und Kompromisse auszuarbeiten. Dafür braucht es ein enges Netz an diplomatischen Beziehungen und Verhandlungsgeschick – beides hat Babayev noch nicht unter Beweis gestellt.
Während der Klimakonferenz in Dubai sagte er, “angesichts der immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels erkennen wir die Notwendigkeit an, unsere Anstrengungen zu bündeln, die globale Zusammenarbeit zu fördern und sicherzustellen, dass unsere Maßnahmen dem Ernst der Lage gerecht werden”.
Doch das im Jahr 2023 erneuerte nationale Klimaziel (NDC) von Aserbaidschan ist nicht allzu ambitioniert. Die Treibhausgasemissionen sollen bis zum Jahr 2050 um 40 Prozent reduziert werden. Der Anteil der Erneuerbaren an den installierten Energiekapazitäten soll von 16,5 Prozent (2022) bis Ende des Jahrzehnts auf 30 Prozent steigen.
Gleichzeitig weitet das Land seine Öl- und Gasproduktion aus. Über das nächste Jahrzehnt soll die Förderung um gut ein Drittel erhöht werden. Ein Großteil der Gasexporte geht nach Europa. Die EU bezieht sieben Prozent ihrer Pipeline-Importe aus Aserbaidschan. Das Land will die Ausfuhren auf den europäischen Markt bis 2027 verdoppeln, wie Reuters berichtet. Die Abhängigkeit Aserbaidschans von fossilen Rohstoffen ist sehr hoch. Die Öl- und Gasindustrie macht schon heute 92,5 Prozent der Exporteinnahmen des Landes und etwas unter 50 Prozent des BIP aus.
Babayev stammt aus Baku, studierte Politikwissenschaften in Moskau und Außenwirtschaftsbeziehungen in Aserbaidschan. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1992 schloss er sich schnell dem staatlichen Öl- und Gaskonzern Socar an, für den er 26 Jahre arbeitete. Ab 2007 leitete er die damals gegründete Umweltabteilung des Unternehmens. Bis 2010 war es seine Aufgabe, die Umweltbelastungen der Förderung zu verringern und beispielsweise die Bodenverseuchung nach jahrzehntelanger Förderung zu bereinigen. Die Ziele seiner Abteilung standen teils im Widerspruch zur Socar-Strategie, die Produktion massiv auszuweiten.
Auf einer ersten Socar-Konferenz zur Bereinigung verseuchten Bodens im Jahr 2008 warnte Babayev, “dass sich der starke Rückgang der Ölpreise negativ auf künftige Maßnahmen auswirken könnte”, wie Wikileaks aus US-Botschaftsdepeschen zitiert. Generell ist über Babayev wegen der unfreien Presse in Aserbaidschan wenig bekannt. In den Archiven internationaler Medien wie Bloomberg, der New York Times und der Financial Times taucht sein Name bis zur COP28 gar nicht auf.
Babayevs Ernennung, die rein formell noch zum Start der COP29 vom COP-Plenum bestätigt werden muss, hat viel Kritik nach sich gezogen. Erneut werde ein ehemaliger Manager eines Öl- und Gaskonzerns COP-Präsident, “das bringt uns näher an den Abgrund”, sagte Collin Rees von Oil Change International der AFP. “Jetzt ist ein ehemaliger Ölmanager aus einem autoritären Petrostaat dafür verantwortlich, die Antwort der Welt auf die [Klima-]Krise zu finden, die fossile Unternehmen verursacht haben”, sagte Alice Harrison, Leiterin der Kampagne für fossile Brennstoffe bei Global Witness.
Allerdings gibt es auch andere Reaktionen. Die COP29 werde nicht so “nervenaufreibend”, wie die COP28, sagt der ehemalige Verhandler, Kaveh Guilanpour, der BBC. “Auf diplomatischer Ebene werden die Finanzfragen schwierig sein, aber ich denke, dass die Aufgabe der Präsidentschaft insgesamt einfacher sein wird”, so Guilanpour. Der Klimajournalist Ed King schrieb auf Twitter, “es lohnt sich, Babayev und seinem Team eine Chance zu geben, bevor man sich auf sie stürzt.” Es gäbe nur wenige Länder, die alle Kriterien erfüllten. Doch aufgrund seiner Vergangenheit als Öl- und Gasmanagers wird Babayev ebenso wie sein Vorgänger Sultan Al Jaber im besonderen Fokus stehen. Nico Beckert