Table.Briefing: Climate

Gespräch mit AA-Staatssekretär Bagger + COP28: Schulze will mehr Privatkapital + CCS als Streitpunkt

Liebe Leserin, lieber Leser,

am gestrigen fünften Tag der COP28 wurden die Streitpunkte in den Verhandlungen immer deutlicher: Soll die Welt aus den fossilen Energien aussteigen oder nur aus den fossilen Emissionen? Letzteres würde zu einer wichtigen Rolle der umstrittenen Carbon Capture and Storage (CCS)-Technologie führen. Bernhard Pötter hat sich die Konfliktlinien in Dubai genauer angeschaut und skizziert mögliche Kompromisse für den Abschlusstext. Nico Beckert schlüsselt für Sie die Hintergründe zu dem Thema Fossil Fuel Phase Out auf. Daneben berichten wir über einen neuen Bericht von Climate Action Tracker, in dem CCS als “Scheinlösung” bezeichnet wird und der die aktuelle Klimapolitik der Staaten stark kritisiert.

Passend zum Finanztag schauen wir zudem aufs Geld: Entwicklungsministerin Svenja Schulze erklärt im Interview, warum es privates Kapital für die Klimafinanzierung braucht, und Lukas Scheid analysiert, wie internationale Finanzströme nach einem neuen Bericht verändert werden müssten, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.

Daneben schauen wir auf die Kriminalisierung von Klimaprotesten in Vietnam und weltweit und darauf, wie eine geschlechtergerechte Klimapolitik aussehen könnte.

Ihre
Lisa Kuner
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Analyse

Svenja Schulze: “Es braucht vor allem privates Kapital”

Svenja Schulze
Im Gespräch mit Table.Media: Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Frau Schulze, Finanzminister Lindner hat vorgeschlagen, im Bundeshaushalt bei der internationalen Klimafinanzierung zu sparen. Wird also der deutsche Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung im nächsten Haushalt sinken?

Wir haben im vergangenen Jahr bei einem etwa konstanten Etat eine große Steigerung der internationalen Klimafinanzierung geschafft. Wenn es bei den bisherigen Planungen bleibt, werden wir das Niveau halten können. Wenn nicht, wird es schwieriger.

Wie groß ist der Widerstand, wenn Sie derzeit in Deutschland Geld für Entwicklungsarbeit mobilisieren wollen? Viele Leute sagen in Umfragen: Wenn wir sparen müssen, lasst uns daran sparen.

Die Antwort würde wohl anders ausfallen, wenn man fragen würde: Sollen wir uns als international vernetzte Volkswirtschaft wirklich abschotten? Sollen wir wirklich die Partnerschaften mit den Ländern abbrechen, die wir für die Lösung unserer gemeinsamen Probleme brauchen? Die Entwicklungspolitik baut diese für Deutschland so wichtigen Partnerschaften aus. Das ist kein Nice-to-have, sondern im deutschen Interesse. Darum mache ich mich dafür stark, dass wir auch mit einem kleineren Bundeshaushalt handlungsfähig bleiben.

“Wirksamer Klimaschutz kann niemals mit öffentlichem Geld alleine gelingen”

Hier bei der Konferenz verkünden die Emirate mal eben einen Klima-Investmentfonds von 30 Milliarden Dollar an. Und Ihrer Regierung wurden gerade 60 Milliarden für Klimaschutz gestrichen. Wie fühlt man sich da als Ministerin?

Da sehe ich keinen Zusammenhang. Wir haben ein Urteil, das wir umsetzen werden. Aber wir sind jetzt auf der COP, um hier den Klimaschutz voranzubringen. Wir hatten einen fulminanten Einstieg mit dem neuen Fonds zum Umgang mit Klimaschäden und den ersten Geldgebern. Das hat ausgelöst, was wir wollten, es kommen jetzt die ersten Zusagen rein, und zwar deutlich schneller und substanzieller als erwartet. Und wir brauchen ja auch mehr Geld, wenn die Menschheit den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen will.

Es heißt immer, nicht Milliarden, sondern Billionen müssten von der fossilen Wirtschaft in die Erneuerbaren umgeschichtet werden. Wo soll dieses Geld herkommen?

Wirksamer Klimaschutz kann niemals mit öffentlichem Geld alleine gelingen. Er braucht vor allem privates Kapital. Darum finde ich es richtig, wenn private Investoren in Klimaschutz investieren und bei der COP darüber sprechen. Aber man muss genau hinsehen. Nicht alles, wo Klimaschutz draufsteht, ist auch internationale Klimafinanzierung im engeren Sinne. Darunter verstehen wir bei der COP nämlich vor allem die Unterstützung der Entwicklungsländer im Einsatz gegen den Klimawandel.

“Risiko öffentlich abfedern”

Wie wollen Sie das Kapital denn ausweiten?

Eine Idee mit dem öffentlichen Kapital haben wir aus Deutschland ja jetzt vorangebracht: Unser Hybridkapital an die Weltbank: Da stellen wir 300 Millionen Euro zur Verfügung und damit kann die Weltbank bis zu 2,4 Milliarden Euro an günstigem Kapital für die Entwicklungsländer organisieren. Das sind solche Hebel, weil wir damit einen Teil des Risikos öffentlich abfedern, um privates Kapital zu mobilisieren. Aber davon brauchen wir noch mehr.

Wäre es nicht sinnvoll, Mehreinnahmen der Staaten für den Klimaschutz zu generieren, etwa über Abgaben und Steuern? Es gibt ja die Ideen für Abgaben auf den Flugverkehr, fossile Energien, Schiffstransport.

Das diskutieren wir schon sehr lange und ich wäre auch sehr dafür. Aber die Weltgemeinschaft kommt dabei leider viel zu langsam vorwärts, weil wir eine Einigung zwischen allen brauchen. Ich gebe das nicht auf, das sind gute Ideen. Aber wir wissen, wie schwer es für Olaf Scholz damals war, eine globale Mindeststeuer zu verhandeln. Und das wäre eine neue Steuer, so etwas ist schwierig zu erreichen.

Klimafinanzierung: “Wir kommen endlich aus den alten Gräben heraus”

Wenn Sie für den Klimaschutz privates Kapital mobilisieren wollen, fließt das dann nicht vor allem in Projekte zur Minderung der Emissionen und etwa Energieprojekte, die Geschäftsmodelle sind? Fallen nicht zum Beispiel Maßnahmen zur Anpassung hinten runter?

Ganz genau. Darum sollten knappe öffentliche Mittel auch verstärkt in Anpassung fließen. Wir bemühen uns, unsere deutsche Klimafinanzierung etwa hälftig aufzuteilen in Minderung und Anpassung, was uns im internationalen Vergleich gut gelingt. Im Bereich der Minderung ist es in der Tat leichter, Rendite zu erzielen. Wenn in einem Land mit Energiearmut erneuerbare Energien in ein Netz gelangen, dann kann das ein Geschäftsmodell sein. Da können wir mit öffentlichem Geld helfen, dass es zu diesen Geschäften kommt.

Aber dem Farmer zu ermöglichen, einen Damm zu bauen, das ist kein Geschäftsmodell. Läuft hier nicht ein großer Teil der Finanzdebatte an den Ärmsten der Armen vorbei? Muss das nicht öffentliches Geld sein?

Wir brauchen beides. Bei Loss and Damage reden wir vor allem über öffentliches Geld, ich sehe da auch kein Geschäftsmodell. Aber beim neuen Loss and Damage Fund haben wir es ja geschafft, dass die Vereinigten Arabischen Emirate als Gastgeber mit einzahlen. Das ist ein Durchbruch, denn nach UN-Regeln gelten die VAE als Entwicklungsland. Jetzt kommen wir endlich aus diesen alten Gräben heraus. Bisher war es doch oft so: Der Norden wollte über Minderung reden, der Süden über Klimaschäden. Jetzt bröckelt diese Front endlich.

“Sämtliche Finanzflüsse in die richtigen Bahnen lenken”

Bisher liegen einmalig etwa 600 Millionen Dollar in dem Loss and Damage Topf. Der Bedarf aber liegt bei bis zu 300 Milliarden pro Jahr. Ist das der berühmte Tropfen auf den heißen Stein?

Wir brauchen viel mehr Kapital. Umso wichtiger ist es, privates Geld da an Bord zu kriegen, wo es Geschäftsmodelle gibt. Damit kann man die knappen öffentlichen Kassen entlasten. Es ist ja klar: Mit 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die die Industrieländer als Finanzierung für Entwicklung versprochen haben, werden wir nicht die Klima- und Biodiversitätskrise lösen und Armut und Hunger besiegen. Wir müssen auch den Rest, sämtliche Finanzflüsse, in die richtigen, klimaverträglichen Bahnen lenken. Das muss auch auf so einer COP diskutiert werden.

Sehen Sie da Bewegung? Wir sehen hier nur große Begeisterung für privates Kapital.

Für ein Urteil ist es noch zu früh. Aber wir müssen den Schwung dieser Konferenz nutzen, für mehr öffentliche Hilfen, mehr private Investitionen und die richtigen Rahmenbedingungen.

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CCS-Streit in den Verhandlungen: So könnten Lösungen aussehen

Stein des Anstoßes: Ölproduktion, hier im Kaspischen Meer.

Die Debatte um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen und CCS entwickelt sich zur zentralen Streitfrage der COP28. Einerseits machen die Öl- und Gasländer wie auch COP-Präsident Sultan Al Jaber bei jeder Gelegenheit klar, dass sie auf CCS setzen, um die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Dagegen kämpft eine Front aus Staaten, Wissenschaftlern und Thinktanks, die für ambitionierten Klimaschutz stehen, für einen möglichst harten Beschluss zum fossilen Ausstieg. Sie wollen verhindern, dass CCS als wichtige Lösung in der Abschlusserklärung erscheint.

Den neusten Aufschlag in diesem Kampf macht eine neue Studie der Oxford University: Demnach würde eine Energiepolitik mit hohen Anteilen an CCS bis 2050 weltweit Mehrkosten von etwa 30 Billionen Dollar verursachen – pro Jahr etwa eine Billion mehr als ein Kurs, der auf Effizienz und Erneuerbare setzt. Anders als Wind, Solar und Speicher sei CCS in den 40 vergangenen Jahren nicht deutlich billiger geworden, so die Forscher. Volkswirtschaften, die diesen Weg der Dekarbonisierung anstelle der erneuerbaren Energien wählten, “riskieren einen Wettbewerbsnachteil.”   

CCS-Kritik von Forschern und IEA

Ebenfalls Gegenwind kommt vom aktuellen “Climate Action Tracker”, einem Projekt von Thinktanks, der die Klimapolitik jährlich bilanziert. Demnach gehört CCS zu den “falschen Lösungen, die die Abhängigkeit der Welt von fossilen Energien weiterführen.”

Die Kritiker berufen sich auch auf die Internationale Energieagentur (IEA). Sie hat die fossile Energiepolitik der OECD lange unterstützt. In einem eigenen Bericht zu CCS urteilte sie aber, die Technik sei zwar für “gewisse Sektoren und Umstände eine wichtige Technik für Netto-Null”, aber sie sei “nicht geeignet, den Status Quo zu erhalten”.

Wenn die Fossilen weiter so genutzt würden wie bislang, müssten der IEA zufolge 2050 insgesamt 32 Milliarden Tonnen CO₂ gespeichert werden, 23 Milliarden davon durch direkte Abscheidung aus der Luft (DAC). Allein der Energiebedarf für diese Technologie sei so hoch wie der globale Stromverbrauch von 2022. Derzeit würden jährlich nur 45 Millionen Tonnen CO₂ gespeichert – und drei Viertel davon würden für eine effizientere Öl- und Gasproduktion (EOR) eingesetzt.

Al Jaber ohne klare Linie

Die CCS-Befürworter sind davon nicht beeindruckt. COP-Präsident Al Jaber hat bisher keine klare Linie erkennen lassen. Er hat kontinuierlich klargemacht, dass für ihn nicht die fossilen Brennstoffe, sondern die Emissionen das Problem seien – und dass CCS “wirtschaftlich machbar” werden müsse. Gleichzeitig aber betonte er immer wieder, dass die Ära der Fossilen zu Ende gehe und die Industrie sich anders orientieren müsse. Al Jaber bezeichnet die 1,5-Grad-Grenze gern als “Nordstern” der Verhandlungen – und er sagt auch, dass die globalen Emissionen bis 2030 um 43 Prozent reduziert werden müssten.

Wie das in dieser kurzen Zeit mit den bisher kaum existierenden CCS-Kapazitäten und im Licht der IEA-Einschätzung umgesetzt werden kann, hat Al Jaber bislang nicht dargelegt. Stattdessen wurde während der COP bekannt, dass er schon im November gesagt hat, dass es für einen Ausstieg aus den Fossilen keine wissenschaftliche Grundlage gebe.

Die bekannten Klimawissenschaftler Michael Mann und Jean Pascal van Ypersle reagierten darauf in einem offenen Brief, in dem sie “im Namen der Natur” rote Linien definieren: “Die Menschheit muss sich auf einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2050 einigen und gleichzeitig die Entwaldung stoppen”, um die 1,5-Grad-Grenze zu halten, schreiben sie.

Ölindustrie: CCS für Dekarbonisierung

Unterstützung bekommt Al Jaber hingegen aus der Ölindustrie. Exxon-Vorstandschef Darren Woods bestätigte Al Jabers Ansicht, die Gesellschaft solle sich “auf das wirkliche Problem fokussieren, die Emissionen“, und nicht über einen Ausstieg aus der fossilen Energie reden. Auch die auf der COP28 verabschiedete “Öl-und-Gas-Dekarbonisierungscharta” von 50 Konzernen, die gemeinsam 40 Prozent der weltweiten Öl-Produktion ausmachen, führt unter ihren wichtigsten Punkten “Investitionen in Erneuerbare, Treibstoffe mit wenig Kohlenstoff und Technologien für negative Emissionen” an.

Dieser Konflikt wird in den nun gestarteten zähen Verhandlungen um eine Abschlusserklärung zum Stolperstein. Wenn die Konferenz erfolgreich enden soll, muss es bei dem Thema einen Kompromiss geben. Doch die Positionen der einzelnen Länder und Ländergruppen sind durchaus verschieden: Die USA wollen mit CCS ihre wichtige Öl- und Gasproduktion am Leben halten und haben im Investitionspaket Inflation Reduction Act IRA bis zu drei Milliarden Dollar an Subventionen dafür angelegt. Vor allem Inselstaaten und andere kleine Länder verlangen dagegen einen fossilen Ausstieg ohne Kompromisse. Die EU hat sich mit Mühen darauf geeinigt, CCS für die Industrie zu akzeptieren, ansonsten aber ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem weit vor 2050” zu fordern. Indien wiederum hat keine großen eigenen Interessen bei CCS – wehrt sich aber gegen mögliche indirekte Folgen für seine Kohlewirtschaft. China äußert sich nicht groß öffentlich zum Streitthema.

Auf der Suche nach der Zauberformel   

Die Verhandler suchen derzeit eifrig nach einer Formulierung, die vage genug ist für Spielraum und hart genug für Fortschritt. Auf dem Tisch liegen zum Beispiel folgende Formulierungen:

  • “Phase down all fossil fuels“. Diese Formulierung, die Indien im letzten Jahr erfolglos in die Debatte brachte, ist der maximal schwammige Kompromiss: Er bedeutet eine Verminderung (unklar, wie groß) von Kohle, Öl und Gas. Das allerdings passiert nach einigen Prognosen ohnehin, wenn der Förderhöhepunkt für Kohle (2023), Gas (2024) und Öl (2025) erreicht wird.
  • Dieser “Phase down” könnte aber angeschärft werden: Durch Jahreszahlen oder Minderungsvorgaben (“minus XX Prozent bis 20XX”) oder durch Verweis auf “die Wissenschaft” – IPCC fordert für 1,5 Grad eine Reduzierung der Emissionen um 99 Prozent bis 2050.
  • Phase out unabated fuels“. Diese Formulierung zum Ausstieg aus “unverminderten” Fossilen, also ohne CCS oder CCU-Technik, erfreut sich derzeit großer Beliebtheit. Denn sie würde der CCS-Technik die Tore öffnen. Sie könnte auf industrielle Prozesse begrenzt werden, was Beschlusslage der EU ist.
  • Allerdings stellt sich dann die nächste Frage: Was bedeutet “unabated“? Wie hoch müsste der Prozentsatz von CO₂ sein, der abgeschieden und gespeichert wird, damit er akzeptabel ist? Sind es 90 oder 95 Prozent, oder nur knapp über 50, wie es sich Japan vorstellt?
  • Ähnliches gilt für eine Formulierung, die ein “Energiesystem mehrheitlich frei von fossilen Brennstoffen” vorsieht. Was heißt dann “mehrheitlich”? Unklar wäre dabei die Rolle von CCS. Aber es bliebe Raum etwa für die Atomkraft.
  • Ein “Elektrizitätssystem” ohne Fossile wiederum würde die Wärmeerzeugung und den Verkehr ausnehmen.

Bisherige Texte als Vorlage

Für eine Einigung im Global Stocktake-Beschluss werden aber wahrscheinlich bisherige Texte als Vorlage genutzt. Das war in der Vergangenheit nicht einfach. Bei den G20-Energieministern gab es in diesem Jahr zu diesem Punkt keine Einigung. Vor allem Saudi-Arabien habe dagegen massiv Druck gemacht, heißt es aus Verhandlungskreisen.

Einen wichtigen Hinweis auf eine mögliche Kompromissformel haben die Regierungschefs in ihrem Abschlussdokument des “Climate Action Summit” nach den ersten zwei Tagen der COP28 selbst gegeben. Die dort gefundene Formulierung lautet: “Ein Phase-Down von fossilen Brennstoffen als Unterstützung eines Übergangs, der im Einklang damit steht, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.” Damit konnten die Staats- und Regierungschefs leben. Ob es für die COP28 einen tragfähigen Kompromiss bilden kann, wird sich erst noch zeigen. 

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Die dunkle Seite der Energiewende: Klimaaktivisten in Vietnam im Visier der Justiz

Chinh Pham Minh erklärt auf der COP28, wie Vietnam Milliarden für eine gerechte Energiewende verwenden möchte.

Non Thi To Nhien, Geschäftsführer des Thinktanks Initiative for Energy Transition in Vietnam, wurde im September wegen der “Aneignung von Dokumenten” verhaftet. Der Wissenschaftler hatte mit verschiedenen internationalen Organisationen an Energiewende-Themen gearbeitet.

Dies ist nur einer von mehreren Fällen im Vietnam, bei dem Klimaaktivisten wegen angeblicher Steuerdelikte im Gefängnis landen. Im vergangenen Jahr sorgte ein anderer Fall international für Aufsehen: Nguy Thi Khanh, die für ihr Engagement für nachhaltige Energiestrategien im Jahr 2018 den Goldman Environmental Prize erhalten hatte, landete wegen angeblichen Steuerbetrugs im Gefängnis. Im Mai dieses Jahres wurde sie überraschend freigelassen. 2022 waren mindestens drei weitere Aktivisten – Dang Dinh Bach, Mai Phan Loi und Bach Hung Duong – wegen vermeintlicher Steuerdelikte verhaftet worden.

Klimaaktivisten in Vietnam fühlen sich in diesem Kontext zunehmend eingeschüchtert. Laut Human Rights Watch nutze das kommunistische Regime im Land vage formulierte Steuergesetze als Waffe gegen Menschen, die “seine Macht bedrohten”. Laut Projekt 88, eine NGO mit Sitz in den USA, die sich für Meinungsfreiheit im Vietnam einsetzt, gebe es Hinweise darauf, dass die Aktivisten so zum Schweigen gebracht werden sollten. Es gebe Anhaltspunkte für “Unregelmäßigkeiten in den Strafverfahren”. Die kommunistische Partei Vietnams fühle sich durch zivilgesellschaftliche Akteure bedroht.

Milliarden für JETP trotz Menschenrechtsverletzungen

Besorgniserregend sind diese Menschenrechtsverletzungen auch im Zusammenhang mit der Just Energy Transition Partnership (JETP), die Vietnam im vergangenen Jahr mit internationalen Partnern, darunter die EU und die USA, unterzeichnete. Mehr als 15 Milliarden US-Dollar sollen durch die JETP nach Vietnam fließen, um eine “gerechte Energiewende” zu ermöglichen. Am vergangenen Freitag hatte Vietnams Premierminister Phạm Minh Chính auf der COP28 den sogenannten Resource Mobilisation Plan vorgestellt, der festlegt, wie genau das Land die Milliarden verwenden möchte.

Hoang Thi Minh Hong, der im September verhaftet wurde, hatte an der Umsetzung der JETP mitgearbeitet. Javier Garate von der Nichtregierungsorganisation Global Witness wünscht sich, dass westliche Regierungen in diesem Rahmen mehr Druck ausüben, um die Rechte von Aktivisten vor Ort zu sichern.

Weltweit berichten Klimaaktivistinnen und -aktivisten immer häufiger von Verfolgungen, Verhaftungen und Kriminalisierung. Laut Global Witness wurden im Jahr 2022 weltweit 177 Umweltaktivisten und -aktivistinnen umgebracht. Rund 90 Prozent dieser Morde fanden in Lateinamerika statt, mindestens 39 Menschen starben in der Amazonasregion. Da die Datenlage für Afrika schlecht sei, könnte es dort zu noch mehr Morden gekommen sein, erklärt Javier Garate von Global Witness im Gespräch mit Table.Media. Außerdem seien die Morde nur die Spitze des Eisbergs, schon davor gebe es oft Drohungen oder Gewalt.

Kriminalisierung von Klimaprotest als weltweiter Trend

Die Kriminalisierung von Umweltprotesten sei zuletzt ein globales Phänomen und eine häufig genutzte Taktik geworden, um Aktivisten zum Schweigen zu bringen, sagte Mary Lawlor, UN-Spezialberichterstatterin für Menschenrechte. Auch “rechtliche Repressionen gegen Klimaaktivisten sind ein wachsendes Problem”, meint dazu Betsy Apple. Sie ist Geschäftsführerin der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Global Climate Legal Defense. Ihre Organisation unterstützt Menschen auf fast allen Kontinenten, beispielsweise 16 Aktivisten, die sich in Uganda gegen die East African Crude Oil Pipeline einsetzen.

Dabei könne Kriminalisierung von Klimaaktivismus sehr unterschiedlich aussehen, so Apple:

  • In einigen Regionen würden restriktive Protest- oder Terrorismusgesetze genutzt, um Menschen beispielsweise auf Demonstrationen festzunehmen.
  • Manche Länder, wie Ungarn, Russland oder Indien, verbieten es NGOs, Geld aus dem Ausland anzunehmen, und schränken so Klimaaktivisten ein.
  • Es gibt auch Gesetze, die fossile Infrastruktur schützen. In den USA schränken sogenannte “Critical Infrastructure Laws” beispielsweise möglichen Protest stark ein.
  • Auf den Philippinen werden Aktivisten manchmal “red tagged“, also als Kommunisten eingestuft. In der Folge können beispielsweise Finanzmittel eingefroren werden.

Während früher vor allem repressive Staaten versucht hätten, Proteste zu unterdrücken, beobachtet die Menschenrechtsanwältin Apple nun auch eine Welle von Kriminalisierung in westlichen Demokratien, beispielsweise in den USA, Großbritannien oder Deutschland. In Deutschland hatte die Generalstaatsanwaltschaft München beispielsweise bei Mitgliedern der “Letzten Generation” mit dem Vorwurf der Gründung einer kriminellen Vereinigung Razzien veranlasst.

Dass Staaten und die Polizei immer häufiger harsch und aggressiv auf Proteste reagieren, liegt auch daran, dass sich Protestformen verändert haben. Ziviler Ungehorsam gehört beispielsweise für Gruppen wie die “Letzte Generation” oder “Just Stop Oil” immer regelmäßiger zur Protestform.

Protest rund um die COP28

Die Fälle im Globalen Süden und in Europa oder den USA könne man nur eingeschränkt vergleichen, meint Garate von Global Witness. Vergleichbar sei, dass man auch in Europa beobachten könne, dass das Gesetz gezielt gegen die Aktivistinnen und Aktivisten ausgelegt werde. Allerdings unterscheide sich deutlich, ob und in welchem Grad sich die Menschen auf den Rechtsstaat verlassen könnten. “Rechtssysteme in westlichen Demokratien sind nicht perfekt. Aber wenigstens sind sie meist relativ unabhängig und man kann gegen Verhaftungen oder Urteile Berufung einlegen”, stimmt dem auch Apple zu. In Ländern wie Vietnam sei das hingegen kaum möglich. Garate sieht darum internationale Verträge wie die Escazu-Vereinbarung, die speziell auch Umweltschützer schützen soll, als Schritt in die richtige Richtung.

Aufgrund der zunehmenden Kriminalisierung von Klimaprotest sei es wichtig, dass Aktivisten Zugang zu rechtlicher Beratung haben, meint Betsy Apple. Im Vorfeld der COP28 hatte es immer wieder Bedenken gegeben, inwiefern dort Protest möglich sein wird. Auch Anwältin Apple sieht eine reale Gefahr darin, dass Aktivisten rund um die Klimakonferenz mit Repressionen oder Kriminalisierung konfrontiert sind. Darum hat ihre Organisation Aktivisten, die nach Dubai reisen, in Webinaren auf die rechtliche Situation vor Ort vorbereitet. Während der Klimakonferenz berät die NGO Aktivisten per Chat.

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Hintergrund: Ausstieg aus fossilen Energien bleibt Streitpunkt

Darum geht es:

Eine der größten Fragen auf der COP28 ist die Debatte um einen Ausstieg aus den fossilen Energien. Auf den bisherigen COPs vermieden die Staaten das umstrittene Thema. Erst auf der COP26 und COP27 wurde ernsthafter über fossile Energien debattiert.

Deshalb ist das Thema wichtig:

Kohle, Öl und Gas macht derzeit gut 80 Prozent des globalen Energieangebots aus. Laut IEA-Daten wird der Anteil bis 2030 auf 73 Prozent sinken – doch das reicht nicht. Um das 2-Grad-Ziel erreichbar zu halten, darf ein Großteil der fossilen Rohstoffe – 80 Prozent der Kohle, 50 Prozent der Gasreserven und 30 Prozent der Ölreserven – nicht genutzt werden. Laut IEA-Netto-Null-Szenario muss die Nutzung fossiler Rohstoffe bis 2050 um gut 80 Prozent fallen, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten.

Schon bis 2030 braucht es dafür einen Rückgang:

  • des Kohleverbrauchs um 45 Prozent,
  • des Ölverbrauchs um 23 Prozent
  • und des Gasverbrauchs um fast 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022.

Das sind die Details:

Die einflussreichsten Staaten sind nur zu einem Ausstieg aus “unverminderten” fossilen Energien bereit. COP-Präsident Al Jaber befürwortet den Ausstieg aus den Emissionen – setzt also auf die umstrittene CCS-Technologie zum Auffangen und Speichern von CO₂. Ähnlich argumentieren die USA und die anderen G7-Staaten.

Andere große Produzenten wie Russland und Saudi-Arabien sind strikt gegen Einschränkungen gegen bestimmte Energieträger. China hält den Ausstieg für “unrealistisch”. Die afrikanische Staatengruppe will weiter auf Fossile setzen, um ihre Entwicklung voranzutreiben.

Die Gruppe der ärmsten Staaten (LDC), die meist besonders von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, ist hingegen für einen Ausstieg. Eine Sonderrolle nimmt die EU ein. Die EU-Staaten haben sich nur für einen generellen Ausstieg aus unverminderten fossilen Energien. Doch im Energiesektor streben sie ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem” an – also ohne den Einsatz von CCS. Allerdings gibt es Unklarheit über das Wort weitgehend.

Daran kann es scheitern:

  • Die Produzenten von Öl und Gas haben teils ihre komplette Wirtschaft auf den Export fossiler Rohstoffe aufgebaut. Ein schneller Ausstieg würde Staatseinnahmen, Arbeitsplätze, Wohlstand und die Energiesicherheit zahlreicher Länder bedrohen. Viele Staaten würden an geopolitischem Einfluss verlieren.
  • Viele Staaten planen sogar eine Ausweitung der Produktion fossiler Rohstoffe.
  • Auch die Nachfragestaaten müssten ihre Energiesysteme, Industrien, Wärmeversorgung und ihren Verkehrssektor noch viel schneller umbauen. In vielen Parteien fehlt es am notwendigen Bewusstsein für die Dringlichkeit der Klimakrise und des Umbaus. Der Ausstieg ist “weder politisch gewollt, noch in langfristigen Klimastrategien” festgehalten, schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik.
  • Ein Nachfrage-seitiger Ausstieg einzelner Staaten wäre nicht ausreichend. Dadurch würden die Weltmarktpreise sinken und ärmere Staaten könnten mehr fossile Rohstoffe nachfragen.
  • Selbst wenn die Staaten ihre bisherigen Klimazusagen umsetzen, wird die Nachfrage nach Öl und Gas noch bis mindestens 2050 auf einem sehr hohen Niveau bleiben, wie IEA-Berechnungen zeigen. Nur der Kohleverbrauch würde merklich sinken.

Auch der Einsatz der CCS-Technologie ist hochumstritten. Sie ist teuer, noch lange nicht ausgereift und wird nur einen Teil der Emissionen vermindern können.

Das kann ein Ergebnis der COP28 sein:

Aufgrund der Opposition von Staaten wie Russland und Saudi-Arabien ist es unwahrscheinlich, dass ein Ausstieg aus den Fossilen als bindendes COP-Ergebnis beschlossen wird. Wahrscheinlicher sind Vorreiter-Bündnisse wie die Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA), in denen der freiwillige Ausstieg beschlossen wird. Auch weitere Projekte wie Just Energy Transition Partnerships oder detailliertere Zusagen zum Ausstieg aus fossilen Subventionen sind denkbar.

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Termine

5. Dezember, 9 Uhr, EU Pavilion
Diskussion Localising energy: cities and companies teaming up for the local energy transition
Städte treiben die Energiewende voran, indem sie mit Unternehmen und Bürgern zusammenarbeiten, unterstützt von EU-Initiativen wie dem Konvent der Bürgermeister, Clean Energy for EU Islands und anderen. In dieser Sitzung werden erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaften für Energieeffizienz, dezentrale Energielösungen und städtischen Verkehr vorgestellt. Infos

5. Dezember, 9.30 Uhr, Presidency Roundtable – Al Saih
Runder Tisch High Level Roundtable on Hydrogen
Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Der Runde Tisch mit Ministern und CEOs soll dee Startschuss für eine Leitinitiative der COP28 sein. Die soll die Kommerzialisierung von Wasserstoffprojekten beschleunigen. Infos

5. Dezember, 15.30 Uhr, Food Pavilion
Veröffentlichung National actions for climate and food: Launch of new NDC guidance tool for agriculture and food systems
Die Lebensmittelproduktion ist für einen erheblichen Teil der Emissionen verantwortlich. Auf dem Event werden Richtlinien veröffentlicht, die helfen sollen, Ernährungssysteme und Landwirtschaft klimafreundlich umzubauen. Infos

5. Dezember, 16 Uhr, The Women’s Pavilion – Humanitarian Hub
Podiumsdiskussion Disability Rights and the Climate Crisis: Climate Disasters, Extreme Weather Events, and Humanitarian Response
Diese Veranstaltung konzentriert sich auf die Überschneidung der Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Klimakrise und die humanitäre Hilfe. Sie wird von Human Rights Watch, der New York University und der International Disability Alliance organisiert. Infos

5. Dezember, 17.45 Uhr, Resilience Hub
Preisverleihung Global Center on Adaptation (GCA) 2023 Local Adaptation Champions Awards Ceremony
Das Global Center on Adaptation (GCA) wird die Gewinner der Local Adaptation Champions Awards 2023 bekannt geben. Mit den Preisen werden innovative, vorbildliche, inspirierende und skalierbare lokale Bemühungen ausgezeichnet, die gefährdete Gemeinschaften klimaresilienter machen. Infos

News

Zur Weltlage: Table.Media-Gespräch mit Thomas Bagger

Wie viel Krise geht noch? Diese Frage möchten wir mit Ihnen und einem der wichtigsten Steuerleute der deutschen Außenpolitik, dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Thomas Bagger, diskutieren. Und zwar am Dienstag, dem 5. Dezember, von 10:30 Uhr bis 11:30 Uhr. An dem digitalen Gespräch nehmen auch die Table.Media-Redaktionsleiter für Afrika, Agrifood, Berlin, China, Europa, Forschung, Klima, Research und Sicherheit teil. Hier können Sie sich kostenlos anmelden. sb

  • Auswärtiges Amt

Climate Action Tracker: Gegenwärtige Klimapolitik macht die Erde noch wärmer

Die aktuellen Pläne zur Emissionsreduzierung reichen für Klimaziele nicht aus.

Wenn alle Staaten, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, ihre freiwilligen Klimaziele für 2030 umsetzen (Nationally Determined Contributions, NDCs), dann würde sich die Erde bis 2100 um 2,5 Grad erwärmen. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Berechnung des Climate Action Tracker (CAT), die heute auf der COP28 veröffentlicht wurde. Im vergangenen Jahr war der CAT noch bei 2,4 Grad Erwärmung gelandet.

Nimmt man statt der Klimaziele die tatsächliche Klimapolitik aller Länder als Basis der Prognose, ergibt sich daraus bis 2100 sogar eine globale Erwärmung von 2,7 Grad. Das ist das gleiche Ergebnis wie vor zwei Jahren. Damals einigten sich Regierungen auf der COP26 in Glasgow, ihre Klimaziele zu verschärfen.

Doch statt wirksamer Klimapolitik trieben manche Regierungen seither Scheinlösungen wie Carbon Capture and Storage (CCS) voran, “um die Abhängigkeit der Welt von fossilen Brennstoffen aufrechtzuerhalten”, schreiben die Analysten des CAT. “Überall in diesen Klimaverhandlungen hören wir das Wort ,unabated’”, kritisiert Niklas Höhne, Mitgründer des am CAT beteiligten New Climate Institute und einer der Autoren des neuen Berichts. Die Regierungen müssten aber “aufhören, falsche Lösungen wie die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung mit fossilen Brennstoffen anzunehmen”, forderte er.

In den Verhandlungen in Dubai spielt das Thema CCS eine entscheidende Rolle. Auf die Technologie hoffen vor allem Länder, die sich auf dem Gipfel gegen eine Vereinbarung über den globalen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen sperren.

CAT kritisiert Indonesien für Kohleausbau

Dass die vom CAT prognostizierte Erwärmung im diesjährigen Bericht sogar leicht gestiegen ist, liegt größtenteils daran, dass die Fachleute für Länder mit schwachen NDCs deren aktuelle politische Maßnahmen in seine Berechnungen mit einbezieht. Die Maßnahmen führen demnach zu höheren Emissionen als in der Vergangenheit prognostiziert. Einer der Haupttreiber des Effekts war Indonesien: Weil das Land seine Kohlekraftwerke ausbaut, stiegen seine Emissionen dem CAT zufolge im vergangenen Jahr um 21 Prozent.

Für die nächsten NDCs, die das Jahr 2035 als Zielmarke haben, fordert der CAT. Die Länder müssten:

  • ihre heimischen Emissionen substanziell senken,
  • ihre Ziele so ausrichten, dass sie einem Pfad zu Netto-Null-Emissionen entsprechen, und die 2030er-Ziele zudem übererfüllen,
  • absolute Emissionsreduzierungsziele setzen, die sich auf die gesamte Volkswirtschaft beziehen,
  • die Mittel zur Klimafinanzierung erhöhen,
  • sich auf heimische Emissionsminderung konzentrieren, “nicht auf Bäume oder Kohlenstoffmärkte”,
  • beginnen, neue Politikansätze zu entwickeln und umzusetzen. ae
  • CCS
  • Climate Action Tracker
  • COP28
  • Klimapolitik
  • Klimaziele
  • NDC

Finanzexperten fordern 15-faches an privater Klimafinanzierung

Internationale Finanzexperten haben eine drastische Erhöhung internationaler Klimafinanzierung gefordert und Empfehlungen abgegeben, wie die Aufstockung zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels beitragen kann. Im zweiten Bericht der “Independent High-Level Expert Group on Climate Finance” (IHLEG) fordern die Autoren bis 2030:

  • Verfünffachung der konzessionären Finanzmittel (150-200 Milliarden US-Dollar jährlich), das heißt günstige Kredite, deren Zinsraten unter dem üblichen Marktwert liegen, beispielsweise von staatlichen Entwicklungsbanken ausgegeben.
  • Verdreifachung der Kredite durch multilaterale Entwicklungsbanken auf 390 Milliarden US-Dollar
  • Verfünfzehnfachung der privaten Finanzmittel für Klimamaßnahmen in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Dies seien keine Zahlen, die man aus der Luft pflückt und dann herunterhandelt, sagt Nicholas Stern, britischer Ökonomieprofessor und IHLEG-Vorsitzender. “Es geht um Zahlen, die notwendig sind, um Paris zu erreichen, und die für diese Investitionen notwendigen Finanzmittel.” Zuerst gehe es darum, die Investitionen überhaupt freizusetzen.

Die IHLEG empfiehlt daher eine “zielgerichtete” Zusammenarbeit zwischen Ländern, Privatsektor, multilateralen Entwicklungsbanken (MDB) sowie privaten Gebern. Dadurch sollen “Investitionspipelines” entstehen, die den fiskalischen Spielraum der Empfängerländer vergrößern. Dafür seien auch systemische Reformen des Finanzsystems erforderlich, wie die Rolle der MDBs, sowie Maßnahmen zum Schuldenerlass.

Mia Mottley will Schuldenpause und Klimasteuern

“Dieses einfache Rechtsinstrument der Schuldenpausenklauseln gibt unterversicherten und unversicherten Ländern die Möglichkeit, eine Finanzierungslücke zu überbrücken”, sagte Mia Mottley, Premierministerin von Barbados und Initiatorin der Bridgetown-Agenda, am Montag in Dubai. Die Länder hätten somit den fiskalischen Spielraum, den sie brauchen, und die Kreditgeber seien keinem Risiko ausgesetzt.

Doch Mottley will noch weitergehen, um Gelder für “Loss and Damage” sowie die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. “Wenn wir eine globale Finanzdienstleistungssteuer von 0,1 Prozent erheben würden, würde das 420 Milliarden US-Dollar einbringen, nicht 720 Millionen.” 720 Millionen ist die bisherige Summe, die Länder auf der COP28 für den “Loss and Damage”-Fonds zugesagt haben. Würde man dann noch die Öl- und Gasgewinne des letzten Jahres (rund vier Billionen US-Dollar) mit fünf Prozent besteuern, hätte man weitere 200 Milliarden, meint Mottley weiter.

Unterstützung für Schuldenpausen und Sonderziehungsrechte

Am Montag haben Großbritannien, Frankreich, die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbankengruppe, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie die Interamerikanische Entwicklungsbank laut COP28-Präsidentschaft angekündigt, die Verwendung von Klauseln für klimaresistente Schulden in ihrer Kreditvergabe auszuweiten. Diese Klauseln würden eine Schuldenpause auslösen, wenn Länder von Naturkatastrophen betroffen sind.

Außerdem sollen Frankreich und Japan ihre Unterstützung für die Afrikanische Entwicklungsbank ausgesprochen haben, um die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds für Klima und Entwicklung zu nutzen, teilte die Präsidentschaft mit. Sonderziehungsrechte sind Devisenreserven, die beim IWF gehalten werden. Sie an Entwicklungsbanken weiterzugeben, könnte ebenfalls Mittel für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern freimachen. luk

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Fossile CO₂-Emissionen erreichen 2023 neues Rekordhoch

Laut des heute erscheinenden Berichts “Global Carbon Budget 2023” erreichen die fossilen CO₂-Emissionen dieses Jahr ein neues Rekordhoch. Im Vergleich zu 2022 steigen sie demnach um 1,1 Prozent auf 36,8 Milliarden Tonnen. Gleichzeitig sind die Emissionen in 26 Ländern, die für etwas mehr als ein Viertel der globalen CO₂-Emissionen stehen, gesunken. In anderen Staaten habe sich der Anstieg verlangsamt. So könne aber nicht die nötige Trendumkehr in Richtung Netto-Null-Emissionen geschafft werden, warnen die 121 am Global Carbon Project beteiligten Wissenschaftler.

Mehr fossile CO₂-Emissionen verursachen vor allem China (+ vier Prozent) und Indien (+ 8,2 Prozent). Steigerungsraten nahe zehn Prozent gibt es in China bei Emissionen aus dem Ölverbrauch, in Indien bei Kohleemissionen. Gleichzeitig sinken die fossilen CO₂-Emissionen der EU um 7,4 Prozent, die der USA um drei Prozent. Konsolidierte Daten zeigten, dass Indiens fossile Emissionen seit 2022 höher sind als die der EU – pro Kopf sind diese Emissionen in der EU aber dreimal so groß wie in Indien.

Emissionen aus Landnutzungsänderung sinken – vielleicht

Im Gegensatz zu den fossilen Emissionen scheinen die Emissionen aus veränderter Landnutzung, etwa Entwaldung, seit zwei Jahrzehnten leicht zu sinken, heißt es im Bericht. Das liege an weniger Entwaldung und stabileren Kapazitäten für die CO₂-Aufnahme durch (Wieder-)Aufforstung. Der Trend sei aber unbestätigt, weil es noch große Unsicherheiten bei den Daten gebe. Im Schnitt betrugen die Emissionen aus veränderter Landnutzung zwischen 2013 und 2022 4,7 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr. Brasilien, Indonesien und die DR Kongo stehen für 55 Prozent dieser CO₂-Emissionen.

Gleichzeitig könne das aktuelle Maß an (Wieder-)Aufforstung die zusätzlichen CO₂-Emissionen durch Entwaldung nicht ausgleichen. Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher, weil sie die Emissionen aus permanenter Entwaldung berechnet haben. Demnach stehen 4,2 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr im Durchschnitt über die Jahre 2013 bis 2022 aus Entwaldung im gleichen Zeitraum 1,9 Milliarden Tonnen eingesparter CO₂ aus (Wieder-)Aufforstung gegenüber. nh

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Bericht: Klimaschutz braucht Geschlechtergerechtigkeit

Bis 2050 könnte der Klimawandel 159 Millionen Frauen und Mädchen in die Armut treiben und zusätzlichen Hunger verursachen. Die Klimakrise trifft die verschiedenen Geschlechter nicht gleich: Frauen werden beispielsweise nach Extremwetterereignissen öfter Opfer von Gewalt oder Vertreibung.

Deshalb hat UN-Women zum Gender Equality Day auf der COP28 einen Bericht zu Feminist Climate Justice veröffentlicht. Er fordert, die Bedürfnisse der verschiedenen Geschlechter im Klimaschutz besser zu berücksichtigen. Aus der Sicht von Laura Turquet, Autorin des Berichts, sei es gut, dass Geschlechtergerechtigkeit und Finanzen auf der Klimakonferenz am selben Tag diskutiert werden – die Umsetzung der Frauenrechte bräuchte dringend mehr Geld.

Im Bericht fordert UN-Women konkret:

  • Die Rechte, die Arbeit und das Wissen von Frauen anzuerkennen: Frauen übernehmen öfter unbezahlte Arbeit als Männer, gleichzeitig haben sie weniger Einkommen und schlechteren Zugang zu Technologie.
  • Die Umverteilung von ökonomischen Ressourcen: In Transitionsprozessen müsse Geschlechtergerechtigkeit mitgedacht werden, um bestehende Ungleichheiten nicht zu vergrößern.
  • Die Stimmen von Frauen repräsentieren: Noch immer sind Frauen zu oft von Machtpositionen in der (Klima-)Politik ausgeschlossen. Das zeigt sich auch bei der COP28, wo rund zwei Drittel der Delegierten männlich sind.
  • Historische Ungerechtigkeiten beseitigen: Frauen im Globalen Süden leiden besonders stark unter dem Klimawandel, haben aber besonders wenig zu ihm beigetragen.

Hillary Clinton, ehemalige Präsidentschaftskandidatin in den USA, sagte auf der COP28, dass der geringe Anteil, den Frauen auf der Klimakonferenz ausmachen, große Sorgen bereite. Es gebe einen “sichtbaren Pushback” gegen Frauenrechte. So würden die Anliegen von Frauen nicht genügend gehört. kul

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Steven Guilbeault – Kanadas Klimaminister schwächt CO₂-Preis

Steven Guilbeault, Klima- und Umweltminister Kanadas und ehemaliger Greenpeace-Aktivist
Steven Guilbeault, Klima- und Umweltminister Kanadas und ehemaliger Greenpeace-Aktivist.

Kanadas Umweltminister Steven Guilbeault besucht die diesjährige COP28 in Dubai inmitten einer turbulenten Zeit im eigenen Land. Eine kürzlich durchgeführte Bundesprüfung hat ergeben, dass seine Regierung nicht auf dem richtigen Weg ist, um ihr Emissionsreduktionsziel für 2030 zu erreichen. Die lang erwarteten Pläne zur Begrenzung der Emissionen aus dem kanadischen Öl- und Gassektor lassen noch immer auf sich warten – und die Industrie fährt die Produktion weiter hoch.

Der Minister steht für Maßnahmen seiner eigenen Regierung unter Beschuss: die Schwächung des kanadischen CO₂-Preissystems. Er verärgerte seine Anhänger, indem er Heizöl für die nächsten drei Jahre von der CO₂-Steuer befreite. Es gibt Spekulationen, dass Guilbeault zurücktreten könnte, da Kritiker die Pläne zur CO₂-Bepreisung als “praktisch tot” bezeichnen.

Trotzdem will Guilbeault auf der Klimakonferenz die Zusammenarbeit mit Kanadas Partnern fortsetzen – am Ausstieg aus der Kohle, der Reduzierung von Methanemissionen und der Ermutigung anderer Länder, einen Preis für Kohlenstoff zu erheben.

“Es ist ein Traumjob für mich”

Ich liebe es, Umweltminister zu sein”, sagte er auf einer virtuellen Pressekonferenz am 16. November, als er die Fragen der Reporter zu seinem möglichen Rücktritt beantwortete. “Es ist ein Traumjob für mich.”

Es ist nicht alltäglich, dass ein ehemaliger Greenpeace-Kampagnenmanager ausgewählt wird, um die Klimapolitik eines Landes zu gestalten. Guilbeault protestierte früh für den Umweltschutz. Im Alter von fünf Jahren kletterte er in seiner Heimatstadt La Tuque in Quebec auf einen Baum, den ein Bauunternehmer fällen wollte. Dies war der Beginn einer jahrzehntelangen Karriere im Bereich Klimaaktivismus und Finanzen.

Im Jahr 2001 stiegen Guilbeault und ein weiterer Greenpeace-Aktivist auf den CN-Tower in Toronto, um ein Schild zu entrollen, das die Nicht-Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Kanada im Jahr 1997 kritisierte. Für diesen Stunt wurde er wegen öffentlichen Unfugs angeklagt. Er blieb bis 2007 bei Greenpeace und kehrte dann zu Équiterre zurück, eine gemeinnützige Umweltorganisation mit Sitz in Quebec, die er ein Jahrzehnt zuvor mitbegründet hatte. Im Jahr 2018 verließ er die Organisation, um für ein Amt zu kandidieren.

Im folgenden Jahr wurde Guilbeault zum kanadischen Minister für Umwelt und Klimawandel ernannt. Nach zwei Jahren im Amt hat er einiges aufzuweisen. Ihm wird die Schaffung der ersten kanadischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel, die Festlegung eines ehrgeizigen Ziels für die Erhaltung der Umwelt bis 2030, umfangreiche Investitionen in die saubere Energie- und Verkehrsindustrie und die Einführung eines Preises für Kohlenstoff zugeschrieben. Krista Hessey

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am gestrigen fünften Tag der COP28 wurden die Streitpunkte in den Verhandlungen immer deutlicher: Soll die Welt aus den fossilen Energien aussteigen oder nur aus den fossilen Emissionen? Letzteres würde zu einer wichtigen Rolle der umstrittenen Carbon Capture and Storage (CCS)-Technologie führen. Bernhard Pötter hat sich die Konfliktlinien in Dubai genauer angeschaut und skizziert mögliche Kompromisse für den Abschlusstext. Nico Beckert schlüsselt für Sie die Hintergründe zu dem Thema Fossil Fuel Phase Out auf. Daneben berichten wir über einen neuen Bericht von Climate Action Tracker, in dem CCS als “Scheinlösung” bezeichnet wird und der die aktuelle Klimapolitik der Staaten stark kritisiert.

    Passend zum Finanztag schauen wir zudem aufs Geld: Entwicklungsministerin Svenja Schulze erklärt im Interview, warum es privates Kapital für die Klimafinanzierung braucht, und Lukas Scheid analysiert, wie internationale Finanzströme nach einem neuen Bericht verändert werden müssten, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.

    Daneben schauen wir auf die Kriminalisierung von Klimaprotesten in Vietnam und weltweit und darauf, wie eine geschlechtergerechte Klimapolitik aussehen könnte.

    Ihre
    Lisa Kuner
    Bild von Lisa  Kuner

    Analyse

    Svenja Schulze: “Es braucht vor allem privates Kapital”

    Svenja Schulze
    Im Gespräch mit Table.Media: Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

    Frau Schulze, Finanzminister Lindner hat vorgeschlagen, im Bundeshaushalt bei der internationalen Klimafinanzierung zu sparen. Wird also der deutsche Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung im nächsten Haushalt sinken?

    Wir haben im vergangenen Jahr bei einem etwa konstanten Etat eine große Steigerung der internationalen Klimafinanzierung geschafft. Wenn es bei den bisherigen Planungen bleibt, werden wir das Niveau halten können. Wenn nicht, wird es schwieriger.

    Wie groß ist der Widerstand, wenn Sie derzeit in Deutschland Geld für Entwicklungsarbeit mobilisieren wollen? Viele Leute sagen in Umfragen: Wenn wir sparen müssen, lasst uns daran sparen.

    Die Antwort würde wohl anders ausfallen, wenn man fragen würde: Sollen wir uns als international vernetzte Volkswirtschaft wirklich abschotten? Sollen wir wirklich die Partnerschaften mit den Ländern abbrechen, die wir für die Lösung unserer gemeinsamen Probleme brauchen? Die Entwicklungspolitik baut diese für Deutschland so wichtigen Partnerschaften aus. Das ist kein Nice-to-have, sondern im deutschen Interesse. Darum mache ich mich dafür stark, dass wir auch mit einem kleineren Bundeshaushalt handlungsfähig bleiben.

    “Wirksamer Klimaschutz kann niemals mit öffentlichem Geld alleine gelingen”

    Hier bei der Konferenz verkünden die Emirate mal eben einen Klima-Investmentfonds von 30 Milliarden Dollar an. Und Ihrer Regierung wurden gerade 60 Milliarden für Klimaschutz gestrichen. Wie fühlt man sich da als Ministerin?

    Da sehe ich keinen Zusammenhang. Wir haben ein Urteil, das wir umsetzen werden. Aber wir sind jetzt auf der COP, um hier den Klimaschutz voranzubringen. Wir hatten einen fulminanten Einstieg mit dem neuen Fonds zum Umgang mit Klimaschäden und den ersten Geldgebern. Das hat ausgelöst, was wir wollten, es kommen jetzt die ersten Zusagen rein, und zwar deutlich schneller und substanzieller als erwartet. Und wir brauchen ja auch mehr Geld, wenn die Menschheit den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen will.

    Es heißt immer, nicht Milliarden, sondern Billionen müssten von der fossilen Wirtschaft in die Erneuerbaren umgeschichtet werden. Wo soll dieses Geld herkommen?

    Wirksamer Klimaschutz kann niemals mit öffentlichem Geld alleine gelingen. Er braucht vor allem privates Kapital. Darum finde ich es richtig, wenn private Investoren in Klimaschutz investieren und bei der COP darüber sprechen. Aber man muss genau hinsehen. Nicht alles, wo Klimaschutz draufsteht, ist auch internationale Klimafinanzierung im engeren Sinne. Darunter verstehen wir bei der COP nämlich vor allem die Unterstützung der Entwicklungsländer im Einsatz gegen den Klimawandel.

    “Risiko öffentlich abfedern”

    Wie wollen Sie das Kapital denn ausweiten?

    Eine Idee mit dem öffentlichen Kapital haben wir aus Deutschland ja jetzt vorangebracht: Unser Hybridkapital an die Weltbank: Da stellen wir 300 Millionen Euro zur Verfügung und damit kann die Weltbank bis zu 2,4 Milliarden Euro an günstigem Kapital für die Entwicklungsländer organisieren. Das sind solche Hebel, weil wir damit einen Teil des Risikos öffentlich abfedern, um privates Kapital zu mobilisieren. Aber davon brauchen wir noch mehr.

    Wäre es nicht sinnvoll, Mehreinnahmen der Staaten für den Klimaschutz zu generieren, etwa über Abgaben und Steuern? Es gibt ja die Ideen für Abgaben auf den Flugverkehr, fossile Energien, Schiffstransport.

    Das diskutieren wir schon sehr lange und ich wäre auch sehr dafür. Aber die Weltgemeinschaft kommt dabei leider viel zu langsam vorwärts, weil wir eine Einigung zwischen allen brauchen. Ich gebe das nicht auf, das sind gute Ideen. Aber wir wissen, wie schwer es für Olaf Scholz damals war, eine globale Mindeststeuer zu verhandeln. Und das wäre eine neue Steuer, so etwas ist schwierig zu erreichen.

    Klimafinanzierung: “Wir kommen endlich aus den alten Gräben heraus”

    Wenn Sie für den Klimaschutz privates Kapital mobilisieren wollen, fließt das dann nicht vor allem in Projekte zur Minderung der Emissionen und etwa Energieprojekte, die Geschäftsmodelle sind? Fallen nicht zum Beispiel Maßnahmen zur Anpassung hinten runter?

    Ganz genau. Darum sollten knappe öffentliche Mittel auch verstärkt in Anpassung fließen. Wir bemühen uns, unsere deutsche Klimafinanzierung etwa hälftig aufzuteilen in Minderung und Anpassung, was uns im internationalen Vergleich gut gelingt. Im Bereich der Minderung ist es in der Tat leichter, Rendite zu erzielen. Wenn in einem Land mit Energiearmut erneuerbare Energien in ein Netz gelangen, dann kann das ein Geschäftsmodell sein. Da können wir mit öffentlichem Geld helfen, dass es zu diesen Geschäften kommt.

    Aber dem Farmer zu ermöglichen, einen Damm zu bauen, das ist kein Geschäftsmodell. Läuft hier nicht ein großer Teil der Finanzdebatte an den Ärmsten der Armen vorbei? Muss das nicht öffentliches Geld sein?

    Wir brauchen beides. Bei Loss and Damage reden wir vor allem über öffentliches Geld, ich sehe da auch kein Geschäftsmodell. Aber beim neuen Loss and Damage Fund haben wir es ja geschafft, dass die Vereinigten Arabischen Emirate als Gastgeber mit einzahlen. Das ist ein Durchbruch, denn nach UN-Regeln gelten die VAE als Entwicklungsland. Jetzt kommen wir endlich aus diesen alten Gräben heraus. Bisher war es doch oft so: Der Norden wollte über Minderung reden, der Süden über Klimaschäden. Jetzt bröckelt diese Front endlich.

    “Sämtliche Finanzflüsse in die richtigen Bahnen lenken”

    Bisher liegen einmalig etwa 600 Millionen Dollar in dem Loss and Damage Topf. Der Bedarf aber liegt bei bis zu 300 Milliarden pro Jahr. Ist das der berühmte Tropfen auf den heißen Stein?

    Wir brauchen viel mehr Kapital. Umso wichtiger ist es, privates Geld da an Bord zu kriegen, wo es Geschäftsmodelle gibt. Damit kann man die knappen öffentlichen Kassen entlasten. Es ist ja klar: Mit 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die die Industrieländer als Finanzierung für Entwicklung versprochen haben, werden wir nicht die Klima- und Biodiversitätskrise lösen und Armut und Hunger besiegen. Wir müssen auch den Rest, sämtliche Finanzflüsse, in die richtigen, klimaverträglichen Bahnen lenken. Das muss auch auf so einer COP diskutiert werden.

    Sehen Sie da Bewegung? Wir sehen hier nur große Begeisterung für privates Kapital.

    Für ein Urteil ist es noch zu früh. Aber wir müssen den Schwung dieser Konferenz nutzen, für mehr öffentliche Hilfen, mehr private Investitionen und die richtigen Rahmenbedingungen.

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    CCS-Streit in den Verhandlungen: So könnten Lösungen aussehen

    Stein des Anstoßes: Ölproduktion, hier im Kaspischen Meer.

    Die Debatte um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen und CCS entwickelt sich zur zentralen Streitfrage der COP28. Einerseits machen die Öl- und Gasländer wie auch COP-Präsident Sultan Al Jaber bei jeder Gelegenheit klar, dass sie auf CCS setzen, um die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Dagegen kämpft eine Front aus Staaten, Wissenschaftlern und Thinktanks, die für ambitionierten Klimaschutz stehen, für einen möglichst harten Beschluss zum fossilen Ausstieg. Sie wollen verhindern, dass CCS als wichtige Lösung in der Abschlusserklärung erscheint.

    Den neusten Aufschlag in diesem Kampf macht eine neue Studie der Oxford University: Demnach würde eine Energiepolitik mit hohen Anteilen an CCS bis 2050 weltweit Mehrkosten von etwa 30 Billionen Dollar verursachen – pro Jahr etwa eine Billion mehr als ein Kurs, der auf Effizienz und Erneuerbare setzt. Anders als Wind, Solar und Speicher sei CCS in den 40 vergangenen Jahren nicht deutlich billiger geworden, so die Forscher. Volkswirtschaften, die diesen Weg der Dekarbonisierung anstelle der erneuerbaren Energien wählten, “riskieren einen Wettbewerbsnachteil.”   

    CCS-Kritik von Forschern und IEA

    Ebenfalls Gegenwind kommt vom aktuellen “Climate Action Tracker”, einem Projekt von Thinktanks, der die Klimapolitik jährlich bilanziert. Demnach gehört CCS zu den “falschen Lösungen, die die Abhängigkeit der Welt von fossilen Energien weiterführen.”

    Die Kritiker berufen sich auch auf die Internationale Energieagentur (IEA). Sie hat die fossile Energiepolitik der OECD lange unterstützt. In einem eigenen Bericht zu CCS urteilte sie aber, die Technik sei zwar für “gewisse Sektoren und Umstände eine wichtige Technik für Netto-Null”, aber sie sei “nicht geeignet, den Status Quo zu erhalten”.

    Wenn die Fossilen weiter so genutzt würden wie bislang, müssten der IEA zufolge 2050 insgesamt 32 Milliarden Tonnen CO₂ gespeichert werden, 23 Milliarden davon durch direkte Abscheidung aus der Luft (DAC). Allein der Energiebedarf für diese Technologie sei so hoch wie der globale Stromverbrauch von 2022. Derzeit würden jährlich nur 45 Millionen Tonnen CO₂ gespeichert – und drei Viertel davon würden für eine effizientere Öl- und Gasproduktion (EOR) eingesetzt.

    Al Jaber ohne klare Linie

    Die CCS-Befürworter sind davon nicht beeindruckt. COP-Präsident Al Jaber hat bisher keine klare Linie erkennen lassen. Er hat kontinuierlich klargemacht, dass für ihn nicht die fossilen Brennstoffe, sondern die Emissionen das Problem seien – und dass CCS “wirtschaftlich machbar” werden müsse. Gleichzeitig aber betonte er immer wieder, dass die Ära der Fossilen zu Ende gehe und die Industrie sich anders orientieren müsse. Al Jaber bezeichnet die 1,5-Grad-Grenze gern als “Nordstern” der Verhandlungen – und er sagt auch, dass die globalen Emissionen bis 2030 um 43 Prozent reduziert werden müssten.

    Wie das in dieser kurzen Zeit mit den bisher kaum existierenden CCS-Kapazitäten und im Licht der IEA-Einschätzung umgesetzt werden kann, hat Al Jaber bislang nicht dargelegt. Stattdessen wurde während der COP bekannt, dass er schon im November gesagt hat, dass es für einen Ausstieg aus den Fossilen keine wissenschaftliche Grundlage gebe.

    Die bekannten Klimawissenschaftler Michael Mann und Jean Pascal van Ypersle reagierten darauf in einem offenen Brief, in dem sie “im Namen der Natur” rote Linien definieren: “Die Menschheit muss sich auf einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2050 einigen und gleichzeitig die Entwaldung stoppen”, um die 1,5-Grad-Grenze zu halten, schreiben sie.

    Ölindustrie: CCS für Dekarbonisierung

    Unterstützung bekommt Al Jaber hingegen aus der Ölindustrie. Exxon-Vorstandschef Darren Woods bestätigte Al Jabers Ansicht, die Gesellschaft solle sich “auf das wirkliche Problem fokussieren, die Emissionen“, und nicht über einen Ausstieg aus der fossilen Energie reden. Auch die auf der COP28 verabschiedete “Öl-und-Gas-Dekarbonisierungscharta” von 50 Konzernen, die gemeinsam 40 Prozent der weltweiten Öl-Produktion ausmachen, führt unter ihren wichtigsten Punkten “Investitionen in Erneuerbare, Treibstoffe mit wenig Kohlenstoff und Technologien für negative Emissionen” an.

    Dieser Konflikt wird in den nun gestarteten zähen Verhandlungen um eine Abschlusserklärung zum Stolperstein. Wenn die Konferenz erfolgreich enden soll, muss es bei dem Thema einen Kompromiss geben. Doch die Positionen der einzelnen Länder und Ländergruppen sind durchaus verschieden: Die USA wollen mit CCS ihre wichtige Öl- und Gasproduktion am Leben halten und haben im Investitionspaket Inflation Reduction Act IRA bis zu drei Milliarden Dollar an Subventionen dafür angelegt. Vor allem Inselstaaten und andere kleine Länder verlangen dagegen einen fossilen Ausstieg ohne Kompromisse. Die EU hat sich mit Mühen darauf geeinigt, CCS für die Industrie zu akzeptieren, ansonsten aber ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem weit vor 2050” zu fordern. Indien wiederum hat keine großen eigenen Interessen bei CCS – wehrt sich aber gegen mögliche indirekte Folgen für seine Kohlewirtschaft. China äußert sich nicht groß öffentlich zum Streitthema.

    Auf der Suche nach der Zauberformel   

    Die Verhandler suchen derzeit eifrig nach einer Formulierung, die vage genug ist für Spielraum und hart genug für Fortschritt. Auf dem Tisch liegen zum Beispiel folgende Formulierungen:

    • “Phase down all fossil fuels“. Diese Formulierung, die Indien im letzten Jahr erfolglos in die Debatte brachte, ist der maximal schwammige Kompromiss: Er bedeutet eine Verminderung (unklar, wie groß) von Kohle, Öl und Gas. Das allerdings passiert nach einigen Prognosen ohnehin, wenn der Förderhöhepunkt für Kohle (2023), Gas (2024) und Öl (2025) erreicht wird.
    • Dieser “Phase down” könnte aber angeschärft werden: Durch Jahreszahlen oder Minderungsvorgaben (“minus XX Prozent bis 20XX”) oder durch Verweis auf “die Wissenschaft” – IPCC fordert für 1,5 Grad eine Reduzierung der Emissionen um 99 Prozent bis 2050.
    • Phase out unabated fuels“. Diese Formulierung zum Ausstieg aus “unverminderten” Fossilen, also ohne CCS oder CCU-Technik, erfreut sich derzeit großer Beliebtheit. Denn sie würde der CCS-Technik die Tore öffnen. Sie könnte auf industrielle Prozesse begrenzt werden, was Beschlusslage der EU ist.
    • Allerdings stellt sich dann die nächste Frage: Was bedeutet “unabated“? Wie hoch müsste der Prozentsatz von CO₂ sein, der abgeschieden und gespeichert wird, damit er akzeptabel ist? Sind es 90 oder 95 Prozent, oder nur knapp über 50, wie es sich Japan vorstellt?
    • Ähnliches gilt für eine Formulierung, die ein “Energiesystem mehrheitlich frei von fossilen Brennstoffen” vorsieht. Was heißt dann “mehrheitlich”? Unklar wäre dabei die Rolle von CCS. Aber es bliebe Raum etwa für die Atomkraft.
    • Ein “Elektrizitätssystem” ohne Fossile wiederum würde die Wärmeerzeugung und den Verkehr ausnehmen.

    Bisherige Texte als Vorlage

    Für eine Einigung im Global Stocktake-Beschluss werden aber wahrscheinlich bisherige Texte als Vorlage genutzt. Das war in der Vergangenheit nicht einfach. Bei den G20-Energieministern gab es in diesem Jahr zu diesem Punkt keine Einigung. Vor allem Saudi-Arabien habe dagegen massiv Druck gemacht, heißt es aus Verhandlungskreisen.

    Einen wichtigen Hinweis auf eine mögliche Kompromissformel haben die Regierungschefs in ihrem Abschlussdokument des “Climate Action Summit” nach den ersten zwei Tagen der COP28 selbst gegeben. Die dort gefundene Formulierung lautet: “Ein Phase-Down von fossilen Brennstoffen als Unterstützung eines Übergangs, der im Einklang damit steht, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.” Damit konnten die Staats- und Regierungschefs leben. Ob es für die COP28 einen tragfähigen Kompromiss bilden kann, wird sich erst noch zeigen. 

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    Die dunkle Seite der Energiewende: Klimaaktivisten in Vietnam im Visier der Justiz

    Chinh Pham Minh erklärt auf der COP28, wie Vietnam Milliarden für eine gerechte Energiewende verwenden möchte.

    Non Thi To Nhien, Geschäftsführer des Thinktanks Initiative for Energy Transition in Vietnam, wurde im September wegen der “Aneignung von Dokumenten” verhaftet. Der Wissenschaftler hatte mit verschiedenen internationalen Organisationen an Energiewende-Themen gearbeitet.

    Dies ist nur einer von mehreren Fällen im Vietnam, bei dem Klimaaktivisten wegen angeblicher Steuerdelikte im Gefängnis landen. Im vergangenen Jahr sorgte ein anderer Fall international für Aufsehen: Nguy Thi Khanh, die für ihr Engagement für nachhaltige Energiestrategien im Jahr 2018 den Goldman Environmental Prize erhalten hatte, landete wegen angeblichen Steuerbetrugs im Gefängnis. Im Mai dieses Jahres wurde sie überraschend freigelassen. 2022 waren mindestens drei weitere Aktivisten – Dang Dinh Bach, Mai Phan Loi und Bach Hung Duong – wegen vermeintlicher Steuerdelikte verhaftet worden.

    Klimaaktivisten in Vietnam fühlen sich in diesem Kontext zunehmend eingeschüchtert. Laut Human Rights Watch nutze das kommunistische Regime im Land vage formulierte Steuergesetze als Waffe gegen Menschen, die “seine Macht bedrohten”. Laut Projekt 88, eine NGO mit Sitz in den USA, die sich für Meinungsfreiheit im Vietnam einsetzt, gebe es Hinweise darauf, dass die Aktivisten so zum Schweigen gebracht werden sollten. Es gebe Anhaltspunkte für “Unregelmäßigkeiten in den Strafverfahren”. Die kommunistische Partei Vietnams fühle sich durch zivilgesellschaftliche Akteure bedroht.

    Milliarden für JETP trotz Menschenrechtsverletzungen

    Besorgniserregend sind diese Menschenrechtsverletzungen auch im Zusammenhang mit der Just Energy Transition Partnership (JETP), die Vietnam im vergangenen Jahr mit internationalen Partnern, darunter die EU und die USA, unterzeichnete. Mehr als 15 Milliarden US-Dollar sollen durch die JETP nach Vietnam fließen, um eine “gerechte Energiewende” zu ermöglichen. Am vergangenen Freitag hatte Vietnams Premierminister Phạm Minh Chính auf der COP28 den sogenannten Resource Mobilisation Plan vorgestellt, der festlegt, wie genau das Land die Milliarden verwenden möchte.

    Hoang Thi Minh Hong, der im September verhaftet wurde, hatte an der Umsetzung der JETP mitgearbeitet. Javier Garate von der Nichtregierungsorganisation Global Witness wünscht sich, dass westliche Regierungen in diesem Rahmen mehr Druck ausüben, um die Rechte von Aktivisten vor Ort zu sichern.

    Weltweit berichten Klimaaktivistinnen und -aktivisten immer häufiger von Verfolgungen, Verhaftungen und Kriminalisierung. Laut Global Witness wurden im Jahr 2022 weltweit 177 Umweltaktivisten und -aktivistinnen umgebracht. Rund 90 Prozent dieser Morde fanden in Lateinamerika statt, mindestens 39 Menschen starben in der Amazonasregion. Da die Datenlage für Afrika schlecht sei, könnte es dort zu noch mehr Morden gekommen sein, erklärt Javier Garate von Global Witness im Gespräch mit Table.Media. Außerdem seien die Morde nur die Spitze des Eisbergs, schon davor gebe es oft Drohungen oder Gewalt.

    Kriminalisierung von Klimaprotest als weltweiter Trend

    Die Kriminalisierung von Umweltprotesten sei zuletzt ein globales Phänomen und eine häufig genutzte Taktik geworden, um Aktivisten zum Schweigen zu bringen, sagte Mary Lawlor, UN-Spezialberichterstatterin für Menschenrechte. Auch “rechtliche Repressionen gegen Klimaaktivisten sind ein wachsendes Problem”, meint dazu Betsy Apple. Sie ist Geschäftsführerin der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Global Climate Legal Defense. Ihre Organisation unterstützt Menschen auf fast allen Kontinenten, beispielsweise 16 Aktivisten, die sich in Uganda gegen die East African Crude Oil Pipeline einsetzen.

    Dabei könne Kriminalisierung von Klimaaktivismus sehr unterschiedlich aussehen, so Apple:

    • In einigen Regionen würden restriktive Protest- oder Terrorismusgesetze genutzt, um Menschen beispielsweise auf Demonstrationen festzunehmen.
    • Manche Länder, wie Ungarn, Russland oder Indien, verbieten es NGOs, Geld aus dem Ausland anzunehmen, und schränken so Klimaaktivisten ein.
    • Es gibt auch Gesetze, die fossile Infrastruktur schützen. In den USA schränken sogenannte “Critical Infrastructure Laws” beispielsweise möglichen Protest stark ein.
    • Auf den Philippinen werden Aktivisten manchmal “red tagged“, also als Kommunisten eingestuft. In der Folge können beispielsweise Finanzmittel eingefroren werden.

    Während früher vor allem repressive Staaten versucht hätten, Proteste zu unterdrücken, beobachtet die Menschenrechtsanwältin Apple nun auch eine Welle von Kriminalisierung in westlichen Demokratien, beispielsweise in den USA, Großbritannien oder Deutschland. In Deutschland hatte die Generalstaatsanwaltschaft München beispielsweise bei Mitgliedern der “Letzten Generation” mit dem Vorwurf der Gründung einer kriminellen Vereinigung Razzien veranlasst.

    Dass Staaten und die Polizei immer häufiger harsch und aggressiv auf Proteste reagieren, liegt auch daran, dass sich Protestformen verändert haben. Ziviler Ungehorsam gehört beispielsweise für Gruppen wie die “Letzte Generation” oder “Just Stop Oil” immer regelmäßiger zur Protestform.

    Protest rund um die COP28

    Die Fälle im Globalen Süden und in Europa oder den USA könne man nur eingeschränkt vergleichen, meint Garate von Global Witness. Vergleichbar sei, dass man auch in Europa beobachten könne, dass das Gesetz gezielt gegen die Aktivistinnen und Aktivisten ausgelegt werde. Allerdings unterscheide sich deutlich, ob und in welchem Grad sich die Menschen auf den Rechtsstaat verlassen könnten. “Rechtssysteme in westlichen Demokratien sind nicht perfekt. Aber wenigstens sind sie meist relativ unabhängig und man kann gegen Verhaftungen oder Urteile Berufung einlegen”, stimmt dem auch Apple zu. In Ländern wie Vietnam sei das hingegen kaum möglich. Garate sieht darum internationale Verträge wie die Escazu-Vereinbarung, die speziell auch Umweltschützer schützen soll, als Schritt in die richtige Richtung.

    Aufgrund der zunehmenden Kriminalisierung von Klimaprotest sei es wichtig, dass Aktivisten Zugang zu rechtlicher Beratung haben, meint Betsy Apple. Im Vorfeld der COP28 hatte es immer wieder Bedenken gegeben, inwiefern dort Protest möglich sein wird. Auch Anwältin Apple sieht eine reale Gefahr darin, dass Aktivisten rund um die Klimakonferenz mit Repressionen oder Kriminalisierung konfrontiert sind. Darum hat ihre Organisation Aktivisten, die nach Dubai reisen, in Webinaren auf die rechtliche Situation vor Ort vorbereitet. Während der Klimakonferenz berät die NGO Aktivisten per Chat.

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    Hintergrund: Ausstieg aus fossilen Energien bleibt Streitpunkt

    Darum geht es:

    Eine der größten Fragen auf der COP28 ist die Debatte um einen Ausstieg aus den fossilen Energien. Auf den bisherigen COPs vermieden die Staaten das umstrittene Thema. Erst auf der COP26 und COP27 wurde ernsthafter über fossile Energien debattiert.

    Deshalb ist das Thema wichtig:

    Kohle, Öl und Gas macht derzeit gut 80 Prozent des globalen Energieangebots aus. Laut IEA-Daten wird der Anteil bis 2030 auf 73 Prozent sinken – doch das reicht nicht. Um das 2-Grad-Ziel erreichbar zu halten, darf ein Großteil der fossilen Rohstoffe – 80 Prozent der Kohle, 50 Prozent der Gasreserven und 30 Prozent der Ölreserven – nicht genutzt werden. Laut IEA-Netto-Null-Szenario muss die Nutzung fossiler Rohstoffe bis 2050 um gut 80 Prozent fallen, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten.

    Schon bis 2030 braucht es dafür einen Rückgang:

    • des Kohleverbrauchs um 45 Prozent,
    • des Ölverbrauchs um 23 Prozent
    • und des Gasverbrauchs um fast 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022.

    Das sind die Details:

    Die einflussreichsten Staaten sind nur zu einem Ausstieg aus “unverminderten” fossilen Energien bereit. COP-Präsident Al Jaber befürwortet den Ausstieg aus den Emissionen – setzt also auf die umstrittene CCS-Technologie zum Auffangen und Speichern von CO₂. Ähnlich argumentieren die USA und die anderen G7-Staaten.

    Andere große Produzenten wie Russland und Saudi-Arabien sind strikt gegen Einschränkungen gegen bestimmte Energieträger. China hält den Ausstieg für “unrealistisch”. Die afrikanische Staatengruppe will weiter auf Fossile setzen, um ihre Entwicklung voranzutreiben.

    Die Gruppe der ärmsten Staaten (LDC), die meist besonders von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, ist hingegen für einen Ausstieg. Eine Sonderrolle nimmt die EU ein. Die EU-Staaten haben sich nur für einen generellen Ausstieg aus unverminderten fossilen Energien. Doch im Energiesektor streben sie ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem” an – also ohne den Einsatz von CCS. Allerdings gibt es Unklarheit über das Wort weitgehend.

    Daran kann es scheitern:

    • Die Produzenten von Öl und Gas haben teils ihre komplette Wirtschaft auf den Export fossiler Rohstoffe aufgebaut. Ein schneller Ausstieg würde Staatseinnahmen, Arbeitsplätze, Wohlstand und die Energiesicherheit zahlreicher Länder bedrohen. Viele Staaten würden an geopolitischem Einfluss verlieren.
    • Viele Staaten planen sogar eine Ausweitung der Produktion fossiler Rohstoffe.
    • Auch die Nachfragestaaten müssten ihre Energiesysteme, Industrien, Wärmeversorgung und ihren Verkehrssektor noch viel schneller umbauen. In vielen Parteien fehlt es am notwendigen Bewusstsein für die Dringlichkeit der Klimakrise und des Umbaus. Der Ausstieg ist “weder politisch gewollt, noch in langfristigen Klimastrategien” festgehalten, schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik.
    • Ein Nachfrage-seitiger Ausstieg einzelner Staaten wäre nicht ausreichend. Dadurch würden die Weltmarktpreise sinken und ärmere Staaten könnten mehr fossile Rohstoffe nachfragen.
    • Selbst wenn die Staaten ihre bisherigen Klimazusagen umsetzen, wird die Nachfrage nach Öl und Gas noch bis mindestens 2050 auf einem sehr hohen Niveau bleiben, wie IEA-Berechnungen zeigen. Nur der Kohleverbrauch würde merklich sinken.

    Auch der Einsatz der CCS-Technologie ist hochumstritten. Sie ist teuer, noch lange nicht ausgereift und wird nur einen Teil der Emissionen vermindern können.

    Das kann ein Ergebnis der COP28 sein:

    Aufgrund der Opposition von Staaten wie Russland und Saudi-Arabien ist es unwahrscheinlich, dass ein Ausstieg aus den Fossilen als bindendes COP-Ergebnis beschlossen wird. Wahrscheinlicher sind Vorreiter-Bündnisse wie die Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA), in denen der freiwillige Ausstieg beschlossen wird. Auch weitere Projekte wie Just Energy Transition Partnerships oder detailliertere Zusagen zum Ausstieg aus fossilen Subventionen sind denkbar.

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    • Energiewende
    • Fossile Brennstoffe
    • Gas
    • Kohle

    Termine

    5. Dezember, 9 Uhr, EU Pavilion
    Diskussion Localising energy: cities and companies teaming up for the local energy transition
    Städte treiben die Energiewende voran, indem sie mit Unternehmen und Bürgern zusammenarbeiten, unterstützt von EU-Initiativen wie dem Konvent der Bürgermeister, Clean Energy for EU Islands und anderen. In dieser Sitzung werden erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaften für Energieeffizienz, dezentrale Energielösungen und städtischen Verkehr vorgestellt. Infos

    5. Dezember, 9.30 Uhr, Presidency Roundtable – Al Saih
    Runder Tisch High Level Roundtable on Hydrogen
    Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Der Runde Tisch mit Ministern und CEOs soll dee Startschuss für eine Leitinitiative der COP28 sein. Die soll die Kommerzialisierung von Wasserstoffprojekten beschleunigen. Infos

    5. Dezember, 15.30 Uhr, Food Pavilion
    Veröffentlichung National actions for climate and food: Launch of new NDC guidance tool for agriculture and food systems
    Die Lebensmittelproduktion ist für einen erheblichen Teil der Emissionen verantwortlich. Auf dem Event werden Richtlinien veröffentlicht, die helfen sollen, Ernährungssysteme und Landwirtschaft klimafreundlich umzubauen. Infos

    5. Dezember, 16 Uhr, The Women’s Pavilion – Humanitarian Hub
    Podiumsdiskussion Disability Rights and the Climate Crisis: Climate Disasters, Extreme Weather Events, and Humanitarian Response
    Diese Veranstaltung konzentriert sich auf die Überschneidung der Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Klimakrise und die humanitäre Hilfe. Sie wird von Human Rights Watch, der New York University und der International Disability Alliance organisiert. Infos

    5. Dezember, 17.45 Uhr, Resilience Hub
    Preisverleihung Global Center on Adaptation (GCA) 2023 Local Adaptation Champions Awards Ceremony
    Das Global Center on Adaptation (GCA) wird die Gewinner der Local Adaptation Champions Awards 2023 bekannt geben. Mit den Preisen werden innovative, vorbildliche, inspirierende und skalierbare lokale Bemühungen ausgezeichnet, die gefährdete Gemeinschaften klimaresilienter machen. Infos

    News

    Zur Weltlage: Table.Media-Gespräch mit Thomas Bagger

    Wie viel Krise geht noch? Diese Frage möchten wir mit Ihnen und einem der wichtigsten Steuerleute der deutschen Außenpolitik, dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Thomas Bagger, diskutieren. Und zwar am Dienstag, dem 5. Dezember, von 10:30 Uhr bis 11:30 Uhr. An dem digitalen Gespräch nehmen auch die Table.Media-Redaktionsleiter für Afrika, Agrifood, Berlin, China, Europa, Forschung, Klima, Research und Sicherheit teil. Hier können Sie sich kostenlos anmelden. sb

    • Auswärtiges Amt

    Climate Action Tracker: Gegenwärtige Klimapolitik macht die Erde noch wärmer

    Die aktuellen Pläne zur Emissionsreduzierung reichen für Klimaziele nicht aus.

    Wenn alle Staaten, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, ihre freiwilligen Klimaziele für 2030 umsetzen (Nationally Determined Contributions, NDCs), dann würde sich die Erde bis 2100 um 2,5 Grad erwärmen. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Berechnung des Climate Action Tracker (CAT), die heute auf der COP28 veröffentlicht wurde. Im vergangenen Jahr war der CAT noch bei 2,4 Grad Erwärmung gelandet.

    Nimmt man statt der Klimaziele die tatsächliche Klimapolitik aller Länder als Basis der Prognose, ergibt sich daraus bis 2100 sogar eine globale Erwärmung von 2,7 Grad. Das ist das gleiche Ergebnis wie vor zwei Jahren. Damals einigten sich Regierungen auf der COP26 in Glasgow, ihre Klimaziele zu verschärfen.

    Doch statt wirksamer Klimapolitik trieben manche Regierungen seither Scheinlösungen wie Carbon Capture and Storage (CCS) voran, “um die Abhängigkeit der Welt von fossilen Brennstoffen aufrechtzuerhalten”, schreiben die Analysten des CAT. “Überall in diesen Klimaverhandlungen hören wir das Wort ,unabated’”, kritisiert Niklas Höhne, Mitgründer des am CAT beteiligten New Climate Institute und einer der Autoren des neuen Berichts. Die Regierungen müssten aber “aufhören, falsche Lösungen wie die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung mit fossilen Brennstoffen anzunehmen”, forderte er.

    In den Verhandlungen in Dubai spielt das Thema CCS eine entscheidende Rolle. Auf die Technologie hoffen vor allem Länder, die sich auf dem Gipfel gegen eine Vereinbarung über den globalen Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen sperren.

    CAT kritisiert Indonesien für Kohleausbau

    Dass die vom CAT prognostizierte Erwärmung im diesjährigen Bericht sogar leicht gestiegen ist, liegt größtenteils daran, dass die Fachleute für Länder mit schwachen NDCs deren aktuelle politische Maßnahmen in seine Berechnungen mit einbezieht. Die Maßnahmen führen demnach zu höheren Emissionen als in der Vergangenheit prognostiziert. Einer der Haupttreiber des Effekts war Indonesien: Weil das Land seine Kohlekraftwerke ausbaut, stiegen seine Emissionen dem CAT zufolge im vergangenen Jahr um 21 Prozent.

    Für die nächsten NDCs, die das Jahr 2035 als Zielmarke haben, fordert der CAT. Die Länder müssten:

    • ihre heimischen Emissionen substanziell senken,
    • ihre Ziele so ausrichten, dass sie einem Pfad zu Netto-Null-Emissionen entsprechen, und die 2030er-Ziele zudem übererfüllen,
    • absolute Emissionsreduzierungsziele setzen, die sich auf die gesamte Volkswirtschaft beziehen,
    • die Mittel zur Klimafinanzierung erhöhen,
    • sich auf heimische Emissionsminderung konzentrieren, “nicht auf Bäume oder Kohlenstoffmärkte”,
    • beginnen, neue Politikansätze zu entwickeln und umzusetzen. ae
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    Finanzexperten fordern 15-faches an privater Klimafinanzierung

    Internationale Finanzexperten haben eine drastische Erhöhung internationaler Klimafinanzierung gefordert und Empfehlungen abgegeben, wie die Aufstockung zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels beitragen kann. Im zweiten Bericht der “Independent High-Level Expert Group on Climate Finance” (IHLEG) fordern die Autoren bis 2030:

    • Verfünffachung der konzessionären Finanzmittel (150-200 Milliarden US-Dollar jährlich), das heißt günstige Kredite, deren Zinsraten unter dem üblichen Marktwert liegen, beispielsweise von staatlichen Entwicklungsbanken ausgegeben.
    • Verdreifachung der Kredite durch multilaterale Entwicklungsbanken auf 390 Milliarden US-Dollar
    • Verfünfzehnfachung der privaten Finanzmittel für Klimamaßnahmen in Schwellen- und Entwicklungsländern.

    Dies seien keine Zahlen, die man aus der Luft pflückt und dann herunterhandelt, sagt Nicholas Stern, britischer Ökonomieprofessor und IHLEG-Vorsitzender. “Es geht um Zahlen, die notwendig sind, um Paris zu erreichen, und die für diese Investitionen notwendigen Finanzmittel.” Zuerst gehe es darum, die Investitionen überhaupt freizusetzen.

    Die IHLEG empfiehlt daher eine “zielgerichtete” Zusammenarbeit zwischen Ländern, Privatsektor, multilateralen Entwicklungsbanken (MDB) sowie privaten Gebern. Dadurch sollen “Investitionspipelines” entstehen, die den fiskalischen Spielraum der Empfängerländer vergrößern. Dafür seien auch systemische Reformen des Finanzsystems erforderlich, wie die Rolle der MDBs, sowie Maßnahmen zum Schuldenerlass.

    Mia Mottley will Schuldenpause und Klimasteuern

    “Dieses einfache Rechtsinstrument der Schuldenpausenklauseln gibt unterversicherten und unversicherten Ländern die Möglichkeit, eine Finanzierungslücke zu überbrücken”, sagte Mia Mottley, Premierministerin von Barbados und Initiatorin der Bridgetown-Agenda, am Montag in Dubai. Die Länder hätten somit den fiskalischen Spielraum, den sie brauchen, und die Kreditgeber seien keinem Risiko ausgesetzt.

    Doch Mottley will noch weitergehen, um Gelder für “Loss and Damage” sowie die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. “Wenn wir eine globale Finanzdienstleistungssteuer von 0,1 Prozent erheben würden, würde das 420 Milliarden US-Dollar einbringen, nicht 720 Millionen.” 720 Millionen ist die bisherige Summe, die Länder auf der COP28 für den “Loss and Damage”-Fonds zugesagt haben. Würde man dann noch die Öl- und Gasgewinne des letzten Jahres (rund vier Billionen US-Dollar) mit fünf Prozent besteuern, hätte man weitere 200 Milliarden, meint Mottley weiter.

    Unterstützung für Schuldenpausen und Sonderziehungsrechte

    Am Montag haben Großbritannien, Frankreich, die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbankengruppe, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie die Interamerikanische Entwicklungsbank laut COP28-Präsidentschaft angekündigt, die Verwendung von Klauseln für klimaresistente Schulden in ihrer Kreditvergabe auszuweiten. Diese Klauseln würden eine Schuldenpause auslösen, wenn Länder von Naturkatastrophen betroffen sind.

    Außerdem sollen Frankreich und Japan ihre Unterstützung für die Afrikanische Entwicklungsbank ausgesprochen haben, um die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds für Klima und Entwicklung zu nutzen, teilte die Präsidentschaft mit. Sonderziehungsrechte sind Devisenreserven, die beim IWF gehalten werden. Sie an Entwicklungsbanken weiterzugeben, könnte ebenfalls Mittel für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern freimachen. luk

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    Fossile CO₂-Emissionen erreichen 2023 neues Rekordhoch

    Laut des heute erscheinenden Berichts “Global Carbon Budget 2023” erreichen die fossilen CO₂-Emissionen dieses Jahr ein neues Rekordhoch. Im Vergleich zu 2022 steigen sie demnach um 1,1 Prozent auf 36,8 Milliarden Tonnen. Gleichzeitig sind die Emissionen in 26 Ländern, die für etwas mehr als ein Viertel der globalen CO₂-Emissionen stehen, gesunken. In anderen Staaten habe sich der Anstieg verlangsamt. So könne aber nicht die nötige Trendumkehr in Richtung Netto-Null-Emissionen geschafft werden, warnen die 121 am Global Carbon Project beteiligten Wissenschaftler.

    Mehr fossile CO₂-Emissionen verursachen vor allem China (+ vier Prozent) und Indien (+ 8,2 Prozent). Steigerungsraten nahe zehn Prozent gibt es in China bei Emissionen aus dem Ölverbrauch, in Indien bei Kohleemissionen. Gleichzeitig sinken die fossilen CO₂-Emissionen der EU um 7,4 Prozent, die der USA um drei Prozent. Konsolidierte Daten zeigten, dass Indiens fossile Emissionen seit 2022 höher sind als die der EU – pro Kopf sind diese Emissionen in der EU aber dreimal so groß wie in Indien.

    Emissionen aus Landnutzungsänderung sinken – vielleicht

    Im Gegensatz zu den fossilen Emissionen scheinen die Emissionen aus veränderter Landnutzung, etwa Entwaldung, seit zwei Jahrzehnten leicht zu sinken, heißt es im Bericht. Das liege an weniger Entwaldung und stabileren Kapazitäten für die CO₂-Aufnahme durch (Wieder-)Aufforstung. Der Trend sei aber unbestätigt, weil es noch große Unsicherheiten bei den Daten gebe. Im Schnitt betrugen die Emissionen aus veränderter Landnutzung zwischen 2013 und 2022 4,7 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr. Brasilien, Indonesien und die DR Kongo stehen für 55 Prozent dieser CO₂-Emissionen.

    Gleichzeitig könne das aktuelle Maß an (Wieder-)Aufforstung die zusätzlichen CO₂-Emissionen durch Entwaldung nicht ausgleichen. Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher, weil sie die Emissionen aus permanenter Entwaldung berechnet haben. Demnach stehen 4,2 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr im Durchschnitt über die Jahre 2013 bis 2022 aus Entwaldung im gleichen Zeitraum 1,9 Milliarden Tonnen eingesparter CO₂ aus (Wieder-)Aufforstung gegenüber. nh

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    Bericht: Klimaschutz braucht Geschlechtergerechtigkeit

    Bis 2050 könnte der Klimawandel 159 Millionen Frauen und Mädchen in die Armut treiben und zusätzlichen Hunger verursachen. Die Klimakrise trifft die verschiedenen Geschlechter nicht gleich: Frauen werden beispielsweise nach Extremwetterereignissen öfter Opfer von Gewalt oder Vertreibung.

    Deshalb hat UN-Women zum Gender Equality Day auf der COP28 einen Bericht zu Feminist Climate Justice veröffentlicht. Er fordert, die Bedürfnisse der verschiedenen Geschlechter im Klimaschutz besser zu berücksichtigen. Aus der Sicht von Laura Turquet, Autorin des Berichts, sei es gut, dass Geschlechtergerechtigkeit und Finanzen auf der Klimakonferenz am selben Tag diskutiert werden – die Umsetzung der Frauenrechte bräuchte dringend mehr Geld.

    Im Bericht fordert UN-Women konkret:

    • Die Rechte, die Arbeit und das Wissen von Frauen anzuerkennen: Frauen übernehmen öfter unbezahlte Arbeit als Männer, gleichzeitig haben sie weniger Einkommen und schlechteren Zugang zu Technologie.
    • Die Umverteilung von ökonomischen Ressourcen: In Transitionsprozessen müsse Geschlechtergerechtigkeit mitgedacht werden, um bestehende Ungleichheiten nicht zu vergrößern.
    • Die Stimmen von Frauen repräsentieren: Noch immer sind Frauen zu oft von Machtpositionen in der (Klima-)Politik ausgeschlossen. Das zeigt sich auch bei der COP28, wo rund zwei Drittel der Delegierten männlich sind.
    • Historische Ungerechtigkeiten beseitigen: Frauen im Globalen Süden leiden besonders stark unter dem Klimawandel, haben aber besonders wenig zu ihm beigetragen.

    Hillary Clinton, ehemalige Präsidentschaftskandidatin in den USA, sagte auf der COP28, dass der geringe Anteil, den Frauen auf der Klimakonferenz ausmachen, große Sorgen bereite. Es gebe einen “sichtbaren Pushback” gegen Frauenrechte. So würden die Anliegen von Frauen nicht genügend gehört. kul

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    Steven Guilbeault – Kanadas Klimaminister schwächt CO₂-Preis

    Steven Guilbeault, Klima- und Umweltminister Kanadas und ehemaliger Greenpeace-Aktivist
    Steven Guilbeault, Klima- und Umweltminister Kanadas und ehemaliger Greenpeace-Aktivist.

    Kanadas Umweltminister Steven Guilbeault besucht die diesjährige COP28 in Dubai inmitten einer turbulenten Zeit im eigenen Land. Eine kürzlich durchgeführte Bundesprüfung hat ergeben, dass seine Regierung nicht auf dem richtigen Weg ist, um ihr Emissionsreduktionsziel für 2030 zu erreichen. Die lang erwarteten Pläne zur Begrenzung der Emissionen aus dem kanadischen Öl- und Gassektor lassen noch immer auf sich warten – und die Industrie fährt die Produktion weiter hoch.

    Der Minister steht für Maßnahmen seiner eigenen Regierung unter Beschuss: die Schwächung des kanadischen CO₂-Preissystems. Er verärgerte seine Anhänger, indem er Heizöl für die nächsten drei Jahre von der CO₂-Steuer befreite. Es gibt Spekulationen, dass Guilbeault zurücktreten könnte, da Kritiker die Pläne zur CO₂-Bepreisung als “praktisch tot” bezeichnen.

    Trotzdem will Guilbeault auf der Klimakonferenz die Zusammenarbeit mit Kanadas Partnern fortsetzen – am Ausstieg aus der Kohle, der Reduzierung von Methanemissionen und der Ermutigung anderer Länder, einen Preis für Kohlenstoff zu erheben.

    “Es ist ein Traumjob für mich”

    Ich liebe es, Umweltminister zu sein”, sagte er auf einer virtuellen Pressekonferenz am 16. November, als er die Fragen der Reporter zu seinem möglichen Rücktritt beantwortete. “Es ist ein Traumjob für mich.”

    Es ist nicht alltäglich, dass ein ehemaliger Greenpeace-Kampagnenmanager ausgewählt wird, um die Klimapolitik eines Landes zu gestalten. Guilbeault protestierte früh für den Umweltschutz. Im Alter von fünf Jahren kletterte er in seiner Heimatstadt La Tuque in Quebec auf einen Baum, den ein Bauunternehmer fällen wollte. Dies war der Beginn einer jahrzehntelangen Karriere im Bereich Klimaaktivismus und Finanzen.

    Im Jahr 2001 stiegen Guilbeault und ein weiterer Greenpeace-Aktivist auf den CN-Tower in Toronto, um ein Schild zu entrollen, das die Nicht-Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Kanada im Jahr 1997 kritisierte. Für diesen Stunt wurde er wegen öffentlichen Unfugs angeklagt. Er blieb bis 2007 bei Greenpeace und kehrte dann zu Équiterre zurück, eine gemeinnützige Umweltorganisation mit Sitz in Quebec, die er ein Jahrzehnt zuvor mitbegründet hatte. Im Jahr 2018 verließ er die Organisation, um für ein Amt zu kandidieren.

    Im folgenden Jahr wurde Guilbeault zum kanadischen Minister für Umwelt und Klimawandel ernannt. Nach zwei Jahren im Amt hat er einiges aufzuweisen. Ihm wird die Schaffung der ersten kanadischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel, die Festlegung eines ehrgeizigen Ziels für die Erhaltung der Umwelt bis 2030, umfangreiche Investitionen in die saubere Energie- und Verkehrsindustrie und die Einführung eines Preises für Kohlenstoff zugeschrieben. Krista Hessey

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    Climate.Table Redaktion

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