excellent news indeed, my dear! Die guten Nachrichten kommen heute aus Großbritannien: Am 1. Oktober schließt dort das letzte Kohlekraftwerk. Der rasante Ausbau der Erneuerbaren, Klimaziele und eine verlässliche Politik haben im Mutterland der industriellen Revolution den CO₂-intensivsten Energieträger in die Geschichtsbücher verbannt. Und, besser noch: Die neue Labour-Regierung unter Keir Starmer setzt sich wieder ehrgeizige Ziele und verkündet entschlossene Maßnahmen zu Hause und international, schreibt unsere Kollegin Chloé Farand. Britain is back, zumindest in der Klimapolitik!
Made in Germany geht es dagegen tendenziell in die Gegenrichtung: Unter Sparzwang streicht die Ampel-Koalition die Gelder für humanitäre Hilfen. Und auch für das Versprechen des Kanzlers, die internationale Klimafinanzierung ab 2025 jährlich mit sechs Milliarden Euro an öffentlichem Geld zu unterstützen, sieht es düster aus, haben wir für Sie zusammengetragen. Da macht auch unser Blick nach Indien nicht froher, wo der steigende Energiebedarf dem Land trotz Erneuerbaren-Booms in der Klimabilanz schlechte Noten einbringt.
Aber eine gute Nachricht haben wir noch für Sie: Der nächste Climate.Table kommt gleich morgen! Wegen des Feiertags in der Woche ziehen wir alles Wichtige einen Tag vor. Und informieren Sie dann ab nächster Woche wieder im gewohnten Takt.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre
Großbritannien wird am 1. Oktober sein letztes Kohlekraftwerk schließen und damit das Kohlezeitalter in dem Land beenden, in dem die industrielle Revolution mit der Verbrennung des fossilen Brennstoffs begann. Gleichzeitig legt die neue Labour-Regierung eine ehrgeizige Klimapolitik vor: Eine staatliche Firma für den Ausbau der Erneuerbaren, neue Reduktionsziele, hochrangiges Personal und mehr Geld für die Klimadiplomatie sollen das Land wieder in die Spitzengruppe bei Klimaschutz und Transformation bringen.
Am 30. September um Mitternacht stellt das Kraftwerk Ratcliffe-on-Soar in Mittelengland die Kohleverbrennung ein. Damit endet eine Ära, mehr als 140 Jahre nachdem das erste Kohlekraftwerk der Welt 1882 in Großbritannien in Betrieb genommen wurde. “Was bis vor kurzem noch undenkbar schien, ist nun möglich geworden”, sagte Gareth Redmond-King, der internationale Leiter der in London ansässigen Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU).
Der Standort soll jetzt ein Zentrum für kohlenstofffreie Technologien und Energie werden – ein passendes Symbol für die beschleunigte Einführung sauberer Energien, die die Labour-Regierung unter Keir Starmer im In- und Ausland versprochen hat. In den vergangenen zehn Jahren war der rasche Rückgang der Kohleverstromung im Land eine Erfolgsgeschichte für die konservativen Regierungen. Der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung fiel von 39 Prozent 2012 auf nur noch zwei Prozent im Jahr 2019, jetzt sinkt er auf null.
In dieser Zeit hat Großbritannien 15 Kohlekraftwerke stillgelegt oder modernisiert. Es hat dadurch insgesamt das Doppelte seiner Gesamtemissionen von 2023 vermieden. Die Emissionen des Stromsektors wurden um 74 Prozent gesenkt, zeigt eine aktuelle Analyse der Energie-Denkfabrik Ember. “Die positive Seite der Geschichte ist, dass Kohle durch Wind- und Solarenergie und nicht durch Gas ersetzt wurde”, sagte Frankie Mayo, Autor des Berichts.
In nur einem Jahrzehnt hat Großbritannien seine Stromversorgung umgestellt, wobei mehr als die Hälfte aus kohlenstoffarmen Quellen wie erneuerbaren Energien und Kernenergie stammt. Angetrieben durch den massiven Aufschwung der Windenergie stieg der Anteil von Wind- und Solarenergie an der britischen Stromerzeugung von sechs Prozent 2012 auf 34 Prozent im Jahr 2023.
Die im Juli gewählte Labour-Regierung hat die Beschleunigung des Ausbaus sauberer Energien zu einem Kernstück ihrer Innen- und Außenpolitik gemacht. In einem äußerst ehrgeizigen Ziel hat sie sich verpflichtet, bis 2030 ein sauberes Elektrizitätssystem zu schaffen, fünf Jahre schneller als das Ziel der konservativen Vorgängerregierung.
In zwei großen Reden Anfang September haben Energieminister Ed Miliband und Außenminister David Lammy eine “regierungsweite Mission” dargelegt, um die Klimapolitik Großbritanniens im Inland neu zu gestalten und seine Führungsrolle im Ausland wiederherzustellen.
Lammy kündigte an, Großbritannien werde “Sonderbeauftragte” für Klima und Natur ernennen und sein “diplomatisches und entwicklungspolitisches Gewicht nutzen, um auf den Ehrgeiz zu drängen, der nötig ist, um die 1,5-Grad-Marke zu halten”. Rachel Kyte, eine Koryphäe in der Klimadiplomatie, die den wichtigsten Posten der Weltbank im Bereich Klima innehatte und Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für nachhaltige Energie war, wurde letzte Woche zur britischen Klimabeauftragten ernannt. Kyte ist Expertin für Klimafinanzierung und war eine der Gründungsvorsitzenden der Voluntary Carbon Markets Integrity Initiative.
Lammy fügte hinzu, dass die Zusage, bis 2025/26 insgesamt 11,6 Milliarden Pfund (13,9 Milliarden Euro) für die Klimafinanzierung bereitzustellen, weiterhin das Ziel der Regierung sei. In den letzten Jahren sind die britischen Ausgaben für die Klimafinanzierung hinter diese Zusage zurückgefallen. “Es fühlt sich an wie eine Abkehr von der Rhetorik der vorherigen Regierung”, sagte Redmond-King von ECIU.
Im Inland versprach die Labour-Partei, die Onshore-Windkraft zu verdoppeln, die Solarenergie zu verdreifachen und die Offshore-Windkraft zu vervierfachen, um nach und nach das Gas zu verdrängen, das immer noch fast ein Drittel des Stroms im Land erzeugt. Sie versprach, die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee zu verbieten und einige der von der letzten konservativen Regierung vorgenommenen Rückschritte in der Netto-Nullenergiepolitik rückgängig zu machen.
Für Analysten braucht es für die Erreichung des Ziels “saubere Elektrizität bis 2030″ einen schnelleren und umfangreicheren Ausbau der Erneuerbaren und mehr Investitionen in das Stromnetz. Auch Großbritannien ist bei der Erfüllung seines Klimaplans für 2030 im Verzug. Viele sehen jedoch positive Anzeichen für eine Beschleunigung: Die neue Regierung hat ein De-facto-Verbot für Onshore-Windkraftanlagen aufgehoben, fast-zwei-Gigawatt große Solarparks genehmigt und Great British Energy gegründet – ein staatliches Unternehmen für saubere Energie. Es soll durch eine Sondersteuer für Öl- und Gasunternehmen finanziert werden und Projekte besitzen, verwalten und betreiben.
Energieminister Miliband gelobte, es mit den “Blockierern, Verzögerern und Obstruktionisten” aufzunehmen, die gegen die Infrastruktur für erneuerbare Energien protestieren. Er argumentierte: “Der Sprint für saubere Energie ist der Kampf unserer Zeit für wirtschaftliche Gerechtigkeit, Energiesicherheit und nationale Sicherheit”. “Sie haben einen rasanten Start hingelegt”, sagte Nick Davies, Leiter des Bereichs Klimapolitik beim britischen Umwelt Thinktank Green Alliance. Es gäbe zwar viele Bereiche, “in denen wir besser werden könnten”. So müsse bei der Dekarbonisierung von Verkehr, Heizung und Gebäuden mehr geschehen. “Aber wir werden von dieser Regierung viel konsequentere Klimamaßnahmen sehen, weil Labour als Partei in der Frage des Klimawandels viel weniger gespalten ist als die Konservativen”.
Auch jenseits der Grenzen will die Labour-Partei die Einführung sauberer Energien beschleunigen. Außenminister Lammy kündigte an, dass Großbritannien eine “globale Allianz für saubere Energie” aufbauen wolle, die Industrie- und Entwicklungsländer für eine schnellere Energiewende zusammenbringe. Die Allianz solle sich auf die Diversifizierung der Produktion und Versorgung mit kritischen Mineralien konzentrieren und den Ausbau der Netze und der Energiespeicherung vorantreiben. Großbritannien arbeitet an einer Selbstverpflichtung zur Energiespeicherung auf der COP29.
Leo Roberts von der Thinktank E3G rät, die Initiative solle die unzähligen bestehenden globalen Allianzen zur Beschleunigung der Energiewende zusammenführen. Das könne Investitionen in Gang bringen. “Eines der wichtigsten Dinge, die Großbritannien tun könnte, ist herauszufinden, wie diese Allianzen zu einer Architektur werden können, die das auf der COP28 vereinbarte Energiepaket zur Abkehr von fossilen Brennstoffen umsetzt”, sagte er. Die Glaubwürdigkeit Großbritanniens wird von der Fähigkeit der Regierung abhängen, im eigenen Land etwas zu erreichen, warnte Roberts. Aber wenn sie es richtig anstellen, könnte die Allianz die bisher größte Anstrengung Großbritanniens zur Beschleunigung der Energiewende werden, fügte er hinzu.
Der Sparkurs der Ampel-Koalition gefährdet die internationalen Hilfen rund um die Klimakrise, die Deutschland zugesagt hat. Deutschland erreichte zwar nach Angaben der Regierung in den vergangenen Jahren die zugesagten Summen für die globale Klimafinanzierung – doch ob diese Zusagen auch für das nächste, entscheidende Jahr gelten, wird selbst in der Regierung bezweifelt.
Bei der humanitären Hilfe wird das Auswärtige Amt (AA) durch die Sparvorgaben seine Ausgaben im kommenden Jahr praktisch halbieren. Dazu kommt: Ein zentrales Instrument für internationale Klimahilfe, die “Internationale Klima-Initiative” (IKI), wird vom Bundesrechnungshof in einem internen Gutachten kritisiert: Es sei “ungewiss, ob die für die IKI verausgabten Mittel wirtschaftlich eingesetzt worden sind.”
AA-Staatssekretärin Susanne Baumann versuchte vergangene Woche, die neue Strategie des Amtes zur humanitären Hilfe bei ihrer Vorstellung zu rechtfertigen: Hilfe werde “noch stärker auf die dringendsten Bedarfe” fokussiert. Zugleich sei die Hilfe “ein wichtiges Element deutscher Außenpolitik” und Teil der nationalen Sicherheitsstrategie. Baumann sprach von mehr “vorausschauender Hilfe”, von “regionalen Priorisierungen”, mehr Kooperation, allerdings auch von einem “schmerzhaften Schritt”. Der Bedarf werde künftig politischer bewertet und solle sich auf Krisen mit unmittelbaren Auswirkungen auf Europa konzentrieren. Konkret: Weiterhin wird viel Geld in die Ukraine fließen oder auch in den Gaza-Streifen – doch die 20 Millionen Bedürftigen im Sudan müssen sich wohl auf weniger Unterstützung aus Deutschland einstellen.
Für NGOs ist es schwer zu akzeptieren, dass humanitäre Hilfe zu einem Funktionsteil der nationalen Außen- und Sicherheitspolitik umgewidmet und nicht mehr wertbezogen gewährt werden soll. “Fühlt sich Deutschland den humanitären Prinzipien noch verpflichtet?”, fragt etwa Ralf Südhoff vom Centre for Humanitarian Action, einem Berliner Thinktank, “oder ist uns die Lage in der Ukraine wichtiger, damit die Flüchtlinge nicht bei uns ankommen?”. Für Südhoff ist klar: “Wenn humanitäre Hilfe zunehmend außen- und sicherheitspolitischen Interessen untergeordnet werden soll, ist sie vielleicht ein Instrument, hat aber mit universellen Werten nichts mehr zu tun.”
Bei der Finanzierung des internationalen Klimaschutzes wiederum erfüllt Deutschland bisher seinen “fairen Anteil”, betont die Regierung. Die aktuellsten Zahlen von 2023 aus den Ministerien für Entwicklung (BMZ) und für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zeigen, insgesamt steuert Deutschland 9,9 Milliarden Euro zu den globalen Klimahilfen bei. Sie unterteilen sich in:
Die Gesamtsumme von 9,9 Milliarden Euro entsprechen gut zehn Prozent der 100 Milliarden US-Dollar, die die Industriestaaten den armen Ländern als Klimahilfen versprochen haben. 5,7 Milliarden Euro sind öffentliche Gelder.
Dennoch sind Deutschlands öffentliche Klimahilfen gegenüber 2022 von 6,4 auf 5,7 Milliarden Euro gesunken – auch weil der BMZ-Haushalt von 13,8 auf 12,1 Milliarden schrumpfte. Von den 5,7 Milliarden für 2023 flossen nach Angaben von Entwicklungs-Staatsekretär Jochen Flasbarth 43 Prozent in Anpassung und 57 Prozent in Minderung des Klimawandels. Eine Milliarde davon fließt über natürlichen Klimaschutz in die Förderung der globalen Biodiversität, die auf der Artenschutz-COP16 Ende Oktober in Kolumbien debattiert wird.
Für die Klimahilfen sei 2023 mehr privates Geld mobilisiert worden, so Flasbarth, auch seien 700 Millionen Euro mehr an Krediten ausgereicht worden. Die “Hebelung” für öffentliche Mittel sei auch wichtig für die Zukunft, wo in vielen Ländern die öffentlichen Haushalte angespannt seien. Auf der “Hamburg Sustainability Conference” am 7. und 8. Oktober soll dazu eine große Initiative starten.
Während Deutschland in der Vergangenheit seine Zusagen erfüllt hat, ist das in der Zukunft fraglich. Bundeskanzler Olaf Scholz hat ebenso wie seine Amtsvorgängerin Angela Merkel mehrfach zugesagt, Deutschland werde aus Haushaltsmitteln spätestens 2025 mindestens sechs Milliarden Euro jährlich zur Klimafinanzierung beitragen. Allerdings musste im Sparhaushalt für 2025 auch das BMZ weitere Einschnitte hinnehmen. Dann “wird es schwierig, Haushaltsmittel in Höhe der sechs Milliarden zu erbringen”, so Flasbarth. Das sei “nicht unerreichbar, aber verdammt schwierig“.
Für den umstrittenen Bundeshaushalt 2025 rechnet Jan Kowalzig, Finanzexperte der Hilfsorganisation Oxfam, nur mit einer Summe von etwa fünf Milliarden Euro für die Klimahilfen. Mit dem Sparhaushalt “dürfte die international viel beachtete 6-Milliarden-Zusage nicht zu halten sein”, so Kolwalzig. Das Absinken der öffentlichen Finanzierung könne gerade die Ärmsten hart treffen, weil daraus direkte Hilfen über Zuschüsse finanziert würden.
“Die Entwicklung ist ein Grund zur Sorge”, so Kowalzig. Da bei der COP29 in Baku Finanzierungsfragen ganz vorn stehen werden, “schadet das nicht nur dem Ansehen Deutschlands”, sondern auch allgemein dem nötigen Vertrauen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.
Gekürzt wurde im Ansatz für den Bundeshaushalt auch die “Internationale Klima-Initiative” (IKI), von 735 Millionen Euro 2024 auf 635 Millionen Euro für 2025. “Die endgültige Festlegung und Verabschiedung der Summen steht noch aus”, so ein Sprecher der BMWK. Anja Hajduk, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, erklärte, das Ministerium achte bei der IKI “sehr auf effizienten Einsatz der Steuermittel”.
Das wiederum bezweifelt der Bundesrechnungshof. In einem internen Gutachten von September 2023, das Table.Briefings exklusiv vorliegt, monieren die Kontrolleure mehrere Punkte bei der IKI, die seit 2008 für etwa 1.100 Projekte in 150 Ländern insgesamt knapp fünf Milliarden Euro ausgegeben hat. Demnach:
Der Bericht dokumentiert auch, dass das BMWK bei einigen der angesprochenen Themen Veränderungen plant, etwa bei der Überprüfung von Zielen und Festlegung von Kriterien. Auch habe das Ministerium zugesagt, verstärkt die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen zu prüfen.
Bereits Ende 2023 hat die Bundesregierung eine neue “IKI-Strategie 2030” vorgelegt. Darin wird die Konzentration auf 14 Schwerpunktländer damit begründet, dass diese Staaten zentral für die globalen CO₂-Emissionen und Hotspots der Artenvielfalt seien. Die Arbeit der IKI soll sich demnach an den Zielen ausrichten: Minderung und Anpassung beim Klimawandel, Erhalt und Wiederherstellung von CO₂-Senken und Förderung der Biodiversität.
Mit einem offenen Brief an US-Präsident Joe Biden und seine Energieministerin Janet Granholm haben mehr als 100 Parlamentsabgeordnete aus etwa 30 Staaten vor einem weiteren Ausbau der LNG-Infrastruktur in den USA gewarnt. Sie unterstützen die Biden-Regierung darin, den vorläufigen Stopp weiterer LNG-Terminals beizubehalten, der im Januar verordnet worden war. Nach ihrer Meinung sind mehr Gasexporte aus den USA riskante Investments, verstoßen gegen die globalen Klimaziele und tragen nicht zur Energiesicherheit bei.
Der Ausbaustopp war jüngst von einem Gericht im US-Staat Louisiana auf Eis gelegt worden. Während das Thema im US-Wahlkampf umstritten ist, plädiert die Allianz von Parlamentariern etwa aus den USA, Deutschland, Belgien, aber auch aus Thailand, Vanuatu und Großbritannien dafür, “neue LNG-Exportgenehmigungen abzulehnen, weil keine von ihnen im öffentlichen Interesse sind”. Eine solche Ablehnung schütze lokale Gemeinden, treibe die globale Energiesicherheit voran, ermutige Investitionen und Handel in sauberen Technologien und “hilft unseren Nationen, nationale und globale Klimaversprechen umzusetzen”. “Ihre Alliierten wollen keine LNG-Exporte”, schreiben die Politiker. Sie führen für Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika Gründe an, warum die bestehende LNG-Infrastruktur völlig ausreiche.
Initiiert haben den Brief die Grünen-Abgeordnete Lisa Badum und der US-Senator Ed Markey. Unterzeichnet haben auch US-Senator Bernie Sanders, die belgische Vize-Premierministerin Petra De Sutter, Vanuatus Klimagesandter Ralph Regenvanu, die EP-Abgeordneten Erik von Malottki (SPD) sowie Carola Rackete und Anja Hazekamp (beide Die Linke). Unterstützt wird der Brief von einem Schreiben internationaler NGOs.
Badum erklärte, es sei “höchste Zeit, die Macht der amerikanischen Fossilindustrie zu brechen“, die in großem Umfang Donald Trump unterstützt. Aber “mit dem Ende der Energiekrise gehören auch die vielen geplanten LNG-Importterminals an der deutschen Küste auf den Prüfstand”, so die Grünen-Abgeordnete. “Anstatt uns von überflüssigem Flüssiggas abhängig zu machen, sollten wir lieber in Freiheitsenergien wie Wind und Solar investieren”. bpo
Die Boston Consulting Group warnt in einer neuen Studie vor einem zu langsamen Ausbau der Wasserstoffwirtschaft in Europa. Die USA und China drohten Europa abzuhängen, wie das Handelsblatt berichtet. Die BCG kritisiert:
Allerdings kündigte die EU-Kommission jüngst Maßnahmen zum Schutz der europäischen Wasserstoffindustrie an. Unternehmen, die an der zweiten Ausschreibung der Europäischen Wasserstoffbank teilnehmen wollten, müssten den Anteil von Elektrolyse-Stacks aus China auf höchstens 25 Prozent beschränken, heißt es in einer EU-Veröffentlichung. Die EU will in der zweiten Förderrunde 1,2 Milliarden Euro bereitstellen. Mit der Summe soll für bis zu zehn Jahre ein fester Zuschuss für jedes im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) produzierte Kilogramm Wasserstoff oder dessen Derivate gezahlt werden – eine Forderung der BCG wird also erfüllt. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra kündigte Anfang September “klare Kriterien für den Aufbau europäischer Lieferketten für Elektrolyseure” an. nib
Die IG Metall und die NGO Germanwatch fordern die Bundesregierung in einem offenen Brief auf, mehr Geld für den Schienenverkehr zur Verfügung zu stellen und dafür Mittel entsprechend umzuschichten. Es brauche eine “Priorisierung der Investitionen im Verkehrshaushalt für die Schiene”. Das Schienennetz brauche ausreichende und planungssichere Mittel ohne Renditedruck für Sanierung, Modernisierung und Ausbau. Der Haushaltsausschuss des Bundestags verhandelt derzeit die Details zum Haushaltsplan 2025 und solle den Gesetzesentwurf entsprechend anpassen.
Das Schienennetz solle demnach künftig gemeinwohlorientiert geführt werden, fordern IG Metall und Germanwatch. Eine Eigenkapitalerhöhung bei der Deutschen Bahn könne nur eine vorübergehende Haushaltslösung sein. Denn sie löse Renditedruck aus, was zu einer wettbewerbsverzerrenden Verteuerung des Schienenverkehrs führen könne und damit den Verlagerungszielen auf die Schiene entgegenliefe. Daher sollte jetzt beim Trassenpreisausgleich nachgebessert werden. Zudem schlagen sie vor, einen überjährigen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild einzurichten. Er soll die Abhängigkeit von jährlichen Haushaltsentscheidungen überwinden und so für Planungssicherheit sorgen. Auch Bundesverkehrsminister Wissing hatte sich Anfang des Jahres bereits für einen Fonds ausgesprochen.
Gleichzeitig fordern aktuell auch mehrere deutsche Sozialverbände mehr Geld für Klimaschutz – Kitas, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen seien nicht genügend auf die Folgen von Klimawandel und Hitze vorbereitet. In einem Forderungspapier argumentieren Klima-Allianz Deutschland, AWO, Caritas, Diakonie und der Paritätische Gesamtverband, dass ein Großteil der 100.000 Gebäude im sozialen Bereich in den kommenden Jahren modernisiert werden müsse. Dabei seien insbesondere energetische Sanierungen wichtig. kul
Als “höchst unzureichend” stuft eine neue Analyse des Climate Action Tracker (CAT) Indiens Klimapolitik und Klimaziele ein. Das Update wurde am Freitag veröffentlicht und zeigt, dass es seit dem vergangenen Jahr keine nennenswerten Fortschritte gab. Grund dafür seien zum einen die Wahlen im Mai. Vor und während der Regierungsbildung gab es in der Klimapolitik kaum Veränderungen. Mit der dritten Amtszeit von Premierminister Narendra Modi deuten sich aber zumindest Kontinuität in der Erneuerbaren-Politik und weitere Investitionen an, auch sei ein CO₂-Markt geplant.
Der steigende Energiebedarf mache zum anderen die Fortschritte im Ausbau der Erneuerbaren aber wieder zunichte. Aufgrund der wachsenden Wirtschaftsleistung bleibt Indiens Bedarf an fossilen Energien hoch. Produktion und Importe von Kohle waren in der ersten Hälfte von 2024 auf Rekordniveau.
“Höchst unzureichend” sei auch das Ziel, bis 2070 klimaneutral zu werden. Dieses sei laut CAT nicht mit dem 1,5-Grad-Limit des Pariser Abkommens vereinbar. Auch die derzeitige Klimapolitik sei “unzureichend”. Auf alle Länder ausgelegt, würden die gesetzten Maßnahmen zu einer Erderwärmung von rund vier Grad Celsius führen. Zwar seien die Pläne für Erneuerbare “ambitioniert” und es gäbe steigende Investitionen und konstante Ausbauraten, aber Indien habe sich weiterhin nicht zu einer Abkehr von Kohle und fossilem Gas bekannt.
Die Analyse empfiehlt angesichts des steigenden Energiebedarfs etwa, Erneuerbare und Speicherkapazitäten schneller auszubauen, da beide kosteneffizienter als fossile Brennstoffe seien. Durchgeführt wurde die Analyse vom New Climate Institute und Climate Analytics, die im CAT regelmäßig die Klimapolitik von mehr als 40 Staaten im Rahmen des UNFCCC-Verhandlungsprozesses bewerten. lb
Obwohl die Green-Claims-Richtlinie irreführender Klimawerbung eigentlich ein Ende setzen soll, wären gemäß dem Kommissionsvorschlag weiter Label erlaubt, die die Wahrnehmung von Verbrauchern verzerren. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie, die in der Zeitschrift “Food Quality and Preference” erschienen ist. Demnach führen Label mit der Aufschrift “klimaneutral” dazu, dass Verbraucher Lebensmittel für deutlich klimafreundlicher halten, als sie eigentlich sind.
Das ist laut den Forschenden auch dann der Fall, wenn klargestellt wird, dass ein Produkt nur durch CO₂-Kompensationen klimaneutral ist. Etwa durch Aufdrucke wie “100 Prozent CO₂-kompensiert”, wie sie der Kommissionsvorschlag zu Green Claims für solche Fälle vorsieht. “Solche Labels fördern somit Greenwashing, erschweren die Markttransparenz und bieten Verbraucherinnen und Verbrauchern keine Orientierung für eine nachhaltige Ernährung”, kritisiert Erstautorin Denise Dreist von der Universität Göttingen.
Als wirksamere Alternative identifiziert die Studie ein Ampelsystem ähnlich dem Nutri-Score. Hierdurch würden Verbraucher die Klimawirkung von Lebensmitteln akkurater einschätzen. Studienleiterin Anke Zühlsdorf rät dazu, eine Ampelkennzeichnung zur Pflicht zu machen. So seien Produkt besser vergleichbar und es würden nicht nur klimafreundliche Produkte hervorgehoben. Ein erster Schritt könne aber ein Verbot der produktbezogenen Werbung mit Klimaneutralität sein.
Für die Studie wurden Testpersonen aus Deutschland befragt, die die Klimawirkung verschiedener Lebensmittelprodukte einschätzen sollten. Die Autoren verglichen, wie sich die Einschätzung unterschied, je nachdem, welches Klimalabel das jeweilige Produkt trug.
Während sich EU-Umweltministerrat und Kommission dafür aussprechen, dass Unternehmen CO₂-Kompensationen bei Klimalabeln weiter geltend machen können, will das Europäische Parlament dies nur in Ausnahmefällen erlauben, damit die Reduktion von Emissionen im Vordergrund steht. Die Trilogverhandlungen, bei denen sich Rat und Parlament auf eine Version einigen müssen, dürften Anfang kommenden Jahres starten. jd
Für die EU-Mitgliedstaaten ist “Voraussetzung” für ein ehrgeiziges globales Klimafinanzziel, dass die Zahl der Geberländer für die internationale Klimafinanzierung zunimmt. Das geht aus einem Entwurf der Ratsschlussfolgerung zur COP29 hervor, der Table.Briefings exklusiv vorliegt.
Internationale öffentliche Finanzmittel sollten von einer breiteren Gruppe von Beitragszahlern bereitgestellt und mobilisiert werden, fordern die EU-Staaten. Die Höhe des Beitrags solle “die Entwicklung der jeweiligen wirtschaftlichen Kapazitäten und die hohen Treibhausgasemissionen seit den frühen 1990er Jahren widerspiegeln”. Damit werden insbesondere Länder wie China sowie die Öl und Gas produzierenden Golfstaaten zur Beteiligung am neuen Klimafinanzziel – NCQG genannt – aufgefordert.
Bislang zahlen nur Industriestaaten für das bisherige jährliche Klimafinanzierungsziel von 100 Milliarden US-Dollar ein. Bei der COP29 in Baku muss ein neues Ziel verhandelt werden, da das 100-Milliarden-Ziel im kommenden Jahr ausläuft. Die NCQG-Verhandlungen gelten als wichtigster Verhandlungsstrang der diesjährigen COP. Die Industriestaaten und primär Europa fordern bereits seit zwei Jahren, dass es neue Geberländer für die öffentliche Klimafinanzierung braucht.
Im 1992 beschlossenen UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen wurden die Vertragsstaaten in Industrie- und Entwicklungsländer eingeteilt. Seitdem hat sich an dieser Kategorisierung kaum etwas geändert, sodass aufstrebende Wirtschaftsmächte wie China, Indien sowie die Öl produzierenden Golfstaaten weiterhin als Entwicklungsländer gelten.
Außerdem sprechen sich die EU-Staaten dafür aus, auch die Lieferkette fossiler Brennstoffe zur Kasse zu bitten, “um am stärksten gefährdete Länder bei der Eindämmung des Klimawandels und dem Resilienz-Aufbau zu unterstützen”. Staatliche Förderung allein könne die Finanzmittel nicht aufbringen, die für eine klimaneutrale und widerstandsfähige Weltwirtschaft erforderlich seien. “Private Geldgeber werden den größten Anteil an den erforderlichen Investitionen in den grünen Übergang übernehmen müssen”, heißt es in dem Entwurf. luk
Am Mittwoch wurde das “Women Leading on Climate Network” gegründet. Das internationale Netzwerk will den Einfluss von Frauen in Führungspositionen auf den Klimaschutz stärken. Zu den Gründerinnen gehören Catherine McKenna, ehemalige kanadische Umweltministerin, und Jennifer Morgan, deutsche Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik. Weitere Mitglieder sind die Chief Sustainability Officers (CSOs) großer Konzerne wie HSBC, BNP Paribas, Netflix, Walmart und Ikea. Auch Führungskräfte von NGOs sind beteiligt.
Ziele seien, die Expertise und den politischen Einfluss seiner Mitglieder zu bündeln, Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen und die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Gemeinschaften zu schützen. Dabei sollen besonders die klimaschädlichen Auswirkungen berücksichtigt werden, die Frauen unverhältnismäßig stark betreffen. “Frauen drängen auf ehrgeizigere Klimamaßnahmen in Verhandlungssälen, in Chefetagen und in ihren Gemeinden”, sagte McKenna, die derzeit die Expertengruppe “Panel on Net-Zero” der Vereinten Nationen leitet. “Wenn wir uns zusammentun, kommen wir schneller voran.”
Das “Women Leading on Climate Network” will den Fokus auf die Mobilisierung öffentlicher Investitionen in den Klimaschutz setzen. Eine zentrale Forderung ist, dass Regierungen “investierbare nationale Klimaschutzpläne” erstellen sollen, um die Umsetzung der nationalen Klimabeiträge (NDCs) im Rahmen des Pariser Abkommens voranzutreiben.
Frauen – und insbesondere nicht-weiße Frauen – sind etwa im Bereich der nachhaltigen Finanzierung in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Das neue Netzwerk schließt sich damit einer Reihe weiterer Initiativen an, die sich für mehr weibliche Beteiligung im Klimaschutz einsetzen, darunter:
ZDF: Kultur und Klima. Beim 25. Klimagespräch der Klima-Allianz Deutschland wurde der Zusammenhang zwischen der Kulturbranche und dem Klimaschutz erörtert. Die gemeinnützige Initiative “Planet Narratives” hat es sich zur Aufgabe gemacht, Filmschaffende zu unterstützen, die Zukunft des Planeten in ihre Geschichten zu integrieren. Claudia Roth betonte jedoch, dass die Kunstfreiheit dabei nicht eingeschränkt werden dürfe. Zum Artikel
Time: Unternehmen setzen auf pragmatische Lösungen statt große Klimaziele. Die öffentliche Wahrnehmung von Klimaschutzmaßnahmen im Privatsektor ist aktuell stark von Skepsis geprägt. Viele Befürworter kritisieren sie als Greenwashing und behaupten, dass Unternehmen Klimaziele lediglich zum Marketing einsetzen. Zahlreiche Unternehmen haben zudem ihre Verpflichtungen zurückgezogen und erklären, dass diese nicht mehr umsetzbar seien. Zum Artikel
Handelsblatt: Moderne Kältetechnologie macht Tiefkühllager zu flexiblen Energiespeichern. Das reduziert sowohl die Stromkosten der Unternehmen als auch den CO₂-Ausstoß. Bei einem Überangebot an erneuerbarer Energie wird das Lager auf bis zu minus 24 Grad heruntergekühlt. Steigen die Strompreise aufgrund eines geringeren Angebots an erneuerbarer Energie und hoher Nachfrage, wird der Stromverbrauch gesenkt. In dieser Phase können die Eissorten von Magnum und Langnese als Ersatz für Batteriespeicher dienen. Zum Artikel
Independent: Teurer Hurrikan Helene. Der Leiter der Federal Emergency Management Agency (FEMA) in den USA erklärte, dass die schweren Überschwemmungen und die Verwüstungen durch Hurrikan Helene im Zusammenhang mit der Klimakrise stehen. Durch die steigenden Temperaturen gebe es durch Hurrikans zunehmend auch mehr Wasser- anstatt wie bisher hauptsächlich Windschäden. Zum Artikel
MDR: Das Sterben der Faultiere. Ein Forschungsteam hat die Auswirkungen des Klimawandels auf Faultiere untersucht, insbesondere, wie steigende Temperaturen ihre Stoffwechselreaktionen beeinflussen. Die begrenzte Fähigkeit dieser Hochlandtiere, Energie zu verarbeiten, zusammen mit ihrer minimalen geografischen Flexibilität, könnte ihre Anpassung an das wärmer werdende Klima erschweren. Zum Artikel
excellent news indeed, my dear! Die guten Nachrichten kommen heute aus Großbritannien: Am 1. Oktober schließt dort das letzte Kohlekraftwerk. Der rasante Ausbau der Erneuerbaren, Klimaziele und eine verlässliche Politik haben im Mutterland der industriellen Revolution den CO₂-intensivsten Energieträger in die Geschichtsbücher verbannt. Und, besser noch: Die neue Labour-Regierung unter Keir Starmer setzt sich wieder ehrgeizige Ziele und verkündet entschlossene Maßnahmen zu Hause und international, schreibt unsere Kollegin Chloé Farand. Britain is back, zumindest in der Klimapolitik!
Made in Germany geht es dagegen tendenziell in die Gegenrichtung: Unter Sparzwang streicht die Ampel-Koalition die Gelder für humanitäre Hilfen. Und auch für das Versprechen des Kanzlers, die internationale Klimafinanzierung ab 2025 jährlich mit sechs Milliarden Euro an öffentlichem Geld zu unterstützen, sieht es düster aus, haben wir für Sie zusammengetragen. Da macht auch unser Blick nach Indien nicht froher, wo der steigende Energiebedarf dem Land trotz Erneuerbaren-Booms in der Klimabilanz schlechte Noten einbringt.
Aber eine gute Nachricht haben wir noch für Sie: Der nächste Climate.Table kommt gleich morgen! Wegen des Feiertags in der Woche ziehen wir alles Wichtige einen Tag vor. Und informieren Sie dann ab nächster Woche wieder im gewohnten Takt.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre
Großbritannien wird am 1. Oktober sein letztes Kohlekraftwerk schließen und damit das Kohlezeitalter in dem Land beenden, in dem die industrielle Revolution mit der Verbrennung des fossilen Brennstoffs begann. Gleichzeitig legt die neue Labour-Regierung eine ehrgeizige Klimapolitik vor: Eine staatliche Firma für den Ausbau der Erneuerbaren, neue Reduktionsziele, hochrangiges Personal und mehr Geld für die Klimadiplomatie sollen das Land wieder in die Spitzengruppe bei Klimaschutz und Transformation bringen.
Am 30. September um Mitternacht stellt das Kraftwerk Ratcliffe-on-Soar in Mittelengland die Kohleverbrennung ein. Damit endet eine Ära, mehr als 140 Jahre nachdem das erste Kohlekraftwerk der Welt 1882 in Großbritannien in Betrieb genommen wurde. “Was bis vor kurzem noch undenkbar schien, ist nun möglich geworden”, sagte Gareth Redmond-King, der internationale Leiter der in London ansässigen Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU).
Der Standort soll jetzt ein Zentrum für kohlenstofffreie Technologien und Energie werden – ein passendes Symbol für die beschleunigte Einführung sauberer Energien, die die Labour-Regierung unter Keir Starmer im In- und Ausland versprochen hat. In den vergangenen zehn Jahren war der rasche Rückgang der Kohleverstromung im Land eine Erfolgsgeschichte für die konservativen Regierungen. Der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung fiel von 39 Prozent 2012 auf nur noch zwei Prozent im Jahr 2019, jetzt sinkt er auf null.
In dieser Zeit hat Großbritannien 15 Kohlekraftwerke stillgelegt oder modernisiert. Es hat dadurch insgesamt das Doppelte seiner Gesamtemissionen von 2023 vermieden. Die Emissionen des Stromsektors wurden um 74 Prozent gesenkt, zeigt eine aktuelle Analyse der Energie-Denkfabrik Ember. “Die positive Seite der Geschichte ist, dass Kohle durch Wind- und Solarenergie und nicht durch Gas ersetzt wurde”, sagte Frankie Mayo, Autor des Berichts.
In nur einem Jahrzehnt hat Großbritannien seine Stromversorgung umgestellt, wobei mehr als die Hälfte aus kohlenstoffarmen Quellen wie erneuerbaren Energien und Kernenergie stammt. Angetrieben durch den massiven Aufschwung der Windenergie stieg der Anteil von Wind- und Solarenergie an der britischen Stromerzeugung von sechs Prozent 2012 auf 34 Prozent im Jahr 2023.
Die im Juli gewählte Labour-Regierung hat die Beschleunigung des Ausbaus sauberer Energien zu einem Kernstück ihrer Innen- und Außenpolitik gemacht. In einem äußerst ehrgeizigen Ziel hat sie sich verpflichtet, bis 2030 ein sauberes Elektrizitätssystem zu schaffen, fünf Jahre schneller als das Ziel der konservativen Vorgängerregierung.
In zwei großen Reden Anfang September haben Energieminister Ed Miliband und Außenminister David Lammy eine “regierungsweite Mission” dargelegt, um die Klimapolitik Großbritanniens im Inland neu zu gestalten und seine Führungsrolle im Ausland wiederherzustellen.
Lammy kündigte an, Großbritannien werde “Sonderbeauftragte” für Klima und Natur ernennen und sein “diplomatisches und entwicklungspolitisches Gewicht nutzen, um auf den Ehrgeiz zu drängen, der nötig ist, um die 1,5-Grad-Marke zu halten”. Rachel Kyte, eine Koryphäe in der Klimadiplomatie, die den wichtigsten Posten der Weltbank im Bereich Klima innehatte und Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für nachhaltige Energie war, wurde letzte Woche zur britischen Klimabeauftragten ernannt. Kyte ist Expertin für Klimafinanzierung und war eine der Gründungsvorsitzenden der Voluntary Carbon Markets Integrity Initiative.
Lammy fügte hinzu, dass die Zusage, bis 2025/26 insgesamt 11,6 Milliarden Pfund (13,9 Milliarden Euro) für die Klimafinanzierung bereitzustellen, weiterhin das Ziel der Regierung sei. In den letzten Jahren sind die britischen Ausgaben für die Klimafinanzierung hinter diese Zusage zurückgefallen. “Es fühlt sich an wie eine Abkehr von der Rhetorik der vorherigen Regierung”, sagte Redmond-King von ECIU.
Im Inland versprach die Labour-Partei, die Onshore-Windkraft zu verdoppeln, die Solarenergie zu verdreifachen und die Offshore-Windkraft zu vervierfachen, um nach und nach das Gas zu verdrängen, das immer noch fast ein Drittel des Stroms im Land erzeugt. Sie versprach, die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee zu verbieten und einige der von der letzten konservativen Regierung vorgenommenen Rückschritte in der Netto-Nullenergiepolitik rückgängig zu machen.
Für Analysten braucht es für die Erreichung des Ziels “saubere Elektrizität bis 2030″ einen schnelleren und umfangreicheren Ausbau der Erneuerbaren und mehr Investitionen in das Stromnetz. Auch Großbritannien ist bei der Erfüllung seines Klimaplans für 2030 im Verzug. Viele sehen jedoch positive Anzeichen für eine Beschleunigung: Die neue Regierung hat ein De-facto-Verbot für Onshore-Windkraftanlagen aufgehoben, fast-zwei-Gigawatt große Solarparks genehmigt und Great British Energy gegründet – ein staatliches Unternehmen für saubere Energie. Es soll durch eine Sondersteuer für Öl- und Gasunternehmen finanziert werden und Projekte besitzen, verwalten und betreiben.
Energieminister Miliband gelobte, es mit den “Blockierern, Verzögerern und Obstruktionisten” aufzunehmen, die gegen die Infrastruktur für erneuerbare Energien protestieren. Er argumentierte: “Der Sprint für saubere Energie ist der Kampf unserer Zeit für wirtschaftliche Gerechtigkeit, Energiesicherheit und nationale Sicherheit”. “Sie haben einen rasanten Start hingelegt”, sagte Nick Davies, Leiter des Bereichs Klimapolitik beim britischen Umwelt Thinktank Green Alliance. Es gäbe zwar viele Bereiche, “in denen wir besser werden könnten”. So müsse bei der Dekarbonisierung von Verkehr, Heizung und Gebäuden mehr geschehen. “Aber wir werden von dieser Regierung viel konsequentere Klimamaßnahmen sehen, weil Labour als Partei in der Frage des Klimawandels viel weniger gespalten ist als die Konservativen”.
Auch jenseits der Grenzen will die Labour-Partei die Einführung sauberer Energien beschleunigen. Außenminister Lammy kündigte an, dass Großbritannien eine “globale Allianz für saubere Energie” aufbauen wolle, die Industrie- und Entwicklungsländer für eine schnellere Energiewende zusammenbringe. Die Allianz solle sich auf die Diversifizierung der Produktion und Versorgung mit kritischen Mineralien konzentrieren und den Ausbau der Netze und der Energiespeicherung vorantreiben. Großbritannien arbeitet an einer Selbstverpflichtung zur Energiespeicherung auf der COP29.
Leo Roberts von der Thinktank E3G rät, die Initiative solle die unzähligen bestehenden globalen Allianzen zur Beschleunigung der Energiewende zusammenführen. Das könne Investitionen in Gang bringen. “Eines der wichtigsten Dinge, die Großbritannien tun könnte, ist herauszufinden, wie diese Allianzen zu einer Architektur werden können, die das auf der COP28 vereinbarte Energiepaket zur Abkehr von fossilen Brennstoffen umsetzt”, sagte er. Die Glaubwürdigkeit Großbritanniens wird von der Fähigkeit der Regierung abhängen, im eigenen Land etwas zu erreichen, warnte Roberts. Aber wenn sie es richtig anstellen, könnte die Allianz die bisher größte Anstrengung Großbritanniens zur Beschleunigung der Energiewende werden, fügte er hinzu.
Der Sparkurs der Ampel-Koalition gefährdet die internationalen Hilfen rund um die Klimakrise, die Deutschland zugesagt hat. Deutschland erreichte zwar nach Angaben der Regierung in den vergangenen Jahren die zugesagten Summen für die globale Klimafinanzierung – doch ob diese Zusagen auch für das nächste, entscheidende Jahr gelten, wird selbst in der Regierung bezweifelt.
Bei der humanitären Hilfe wird das Auswärtige Amt (AA) durch die Sparvorgaben seine Ausgaben im kommenden Jahr praktisch halbieren. Dazu kommt: Ein zentrales Instrument für internationale Klimahilfe, die “Internationale Klima-Initiative” (IKI), wird vom Bundesrechnungshof in einem internen Gutachten kritisiert: Es sei “ungewiss, ob die für die IKI verausgabten Mittel wirtschaftlich eingesetzt worden sind.”
AA-Staatssekretärin Susanne Baumann versuchte vergangene Woche, die neue Strategie des Amtes zur humanitären Hilfe bei ihrer Vorstellung zu rechtfertigen: Hilfe werde “noch stärker auf die dringendsten Bedarfe” fokussiert. Zugleich sei die Hilfe “ein wichtiges Element deutscher Außenpolitik” und Teil der nationalen Sicherheitsstrategie. Baumann sprach von mehr “vorausschauender Hilfe”, von “regionalen Priorisierungen”, mehr Kooperation, allerdings auch von einem “schmerzhaften Schritt”. Der Bedarf werde künftig politischer bewertet und solle sich auf Krisen mit unmittelbaren Auswirkungen auf Europa konzentrieren. Konkret: Weiterhin wird viel Geld in die Ukraine fließen oder auch in den Gaza-Streifen – doch die 20 Millionen Bedürftigen im Sudan müssen sich wohl auf weniger Unterstützung aus Deutschland einstellen.
Für NGOs ist es schwer zu akzeptieren, dass humanitäre Hilfe zu einem Funktionsteil der nationalen Außen- und Sicherheitspolitik umgewidmet und nicht mehr wertbezogen gewährt werden soll. “Fühlt sich Deutschland den humanitären Prinzipien noch verpflichtet?”, fragt etwa Ralf Südhoff vom Centre for Humanitarian Action, einem Berliner Thinktank, “oder ist uns die Lage in der Ukraine wichtiger, damit die Flüchtlinge nicht bei uns ankommen?”. Für Südhoff ist klar: “Wenn humanitäre Hilfe zunehmend außen- und sicherheitspolitischen Interessen untergeordnet werden soll, ist sie vielleicht ein Instrument, hat aber mit universellen Werten nichts mehr zu tun.”
Bei der Finanzierung des internationalen Klimaschutzes wiederum erfüllt Deutschland bisher seinen “fairen Anteil”, betont die Regierung. Die aktuellsten Zahlen von 2023 aus den Ministerien für Entwicklung (BMZ) und für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zeigen, insgesamt steuert Deutschland 9,9 Milliarden Euro zu den globalen Klimahilfen bei. Sie unterteilen sich in:
Die Gesamtsumme von 9,9 Milliarden Euro entsprechen gut zehn Prozent der 100 Milliarden US-Dollar, die die Industriestaaten den armen Ländern als Klimahilfen versprochen haben. 5,7 Milliarden Euro sind öffentliche Gelder.
Dennoch sind Deutschlands öffentliche Klimahilfen gegenüber 2022 von 6,4 auf 5,7 Milliarden Euro gesunken – auch weil der BMZ-Haushalt von 13,8 auf 12,1 Milliarden schrumpfte. Von den 5,7 Milliarden für 2023 flossen nach Angaben von Entwicklungs-Staatsekretär Jochen Flasbarth 43 Prozent in Anpassung und 57 Prozent in Minderung des Klimawandels. Eine Milliarde davon fließt über natürlichen Klimaschutz in die Förderung der globalen Biodiversität, die auf der Artenschutz-COP16 Ende Oktober in Kolumbien debattiert wird.
Für die Klimahilfen sei 2023 mehr privates Geld mobilisiert worden, so Flasbarth, auch seien 700 Millionen Euro mehr an Krediten ausgereicht worden. Die “Hebelung” für öffentliche Mittel sei auch wichtig für die Zukunft, wo in vielen Ländern die öffentlichen Haushalte angespannt seien. Auf der “Hamburg Sustainability Conference” am 7. und 8. Oktober soll dazu eine große Initiative starten.
Während Deutschland in der Vergangenheit seine Zusagen erfüllt hat, ist das in der Zukunft fraglich. Bundeskanzler Olaf Scholz hat ebenso wie seine Amtsvorgängerin Angela Merkel mehrfach zugesagt, Deutschland werde aus Haushaltsmitteln spätestens 2025 mindestens sechs Milliarden Euro jährlich zur Klimafinanzierung beitragen. Allerdings musste im Sparhaushalt für 2025 auch das BMZ weitere Einschnitte hinnehmen. Dann “wird es schwierig, Haushaltsmittel in Höhe der sechs Milliarden zu erbringen”, so Flasbarth. Das sei “nicht unerreichbar, aber verdammt schwierig“.
Für den umstrittenen Bundeshaushalt 2025 rechnet Jan Kowalzig, Finanzexperte der Hilfsorganisation Oxfam, nur mit einer Summe von etwa fünf Milliarden Euro für die Klimahilfen. Mit dem Sparhaushalt “dürfte die international viel beachtete 6-Milliarden-Zusage nicht zu halten sein”, so Kolwalzig. Das Absinken der öffentlichen Finanzierung könne gerade die Ärmsten hart treffen, weil daraus direkte Hilfen über Zuschüsse finanziert würden.
“Die Entwicklung ist ein Grund zur Sorge”, so Kowalzig. Da bei der COP29 in Baku Finanzierungsfragen ganz vorn stehen werden, “schadet das nicht nur dem Ansehen Deutschlands”, sondern auch allgemein dem nötigen Vertrauen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.
Gekürzt wurde im Ansatz für den Bundeshaushalt auch die “Internationale Klima-Initiative” (IKI), von 735 Millionen Euro 2024 auf 635 Millionen Euro für 2025. “Die endgültige Festlegung und Verabschiedung der Summen steht noch aus”, so ein Sprecher der BMWK. Anja Hajduk, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, erklärte, das Ministerium achte bei der IKI “sehr auf effizienten Einsatz der Steuermittel”.
Das wiederum bezweifelt der Bundesrechnungshof. In einem internen Gutachten von September 2023, das Table.Briefings exklusiv vorliegt, monieren die Kontrolleure mehrere Punkte bei der IKI, die seit 2008 für etwa 1.100 Projekte in 150 Ländern insgesamt knapp fünf Milliarden Euro ausgegeben hat. Demnach:
Der Bericht dokumentiert auch, dass das BMWK bei einigen der angesprochenen Themen Veränderungen plant, etwa bei der Überprüfung von Zielen und Festlegung von Kriterien. Auch habe das Ministerium zugesagt, verstärkt die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen zu prüfen.
Bereits Ende 2023 hat die Bundesregierung eine neue “IKI-Strategie 2030” vorgelegt. Darin wird die Konzentration auf 14 Schwerpunktländer damit begründet, dass diese Staaten zentral für die globalen CO₂-Emissionen und Hotspots der Artenvielfalt seien. Die Arbeit der IKI soll sich demnach an den Zielen ausrichten: Minderung und Anpassung beim Klimawandel, Erhalt und Wiederherstellung von CO₂-Senken und Förderung der Biodiversität.
Mit einem offenen Brief an US-Präsident Joe Biden und seine Energieministerin Janet Granholm haben mehr als 100 Parlamentsabgeordnete aus etwa 30 Staaten vor einem weiteren Ausbau der LNG-Infrastruktur in den USA gewarnt. Sie unterstützen die Biden-Regierung darin, den vorläufigen Stopp weiterer LNG-Terminals beizubehalten, der im Januar verordnet worden war. Nach ihrer Meinung sind mehr Gasexporte aus den USA riskante Investments, verstoßen gegen die globalen Klimaziele und tragen nicht zur Energiesicherheit bei.
Der Ausbaustopp war jüngst von einem Gericht im US-Staat Louisiana auf Eis gelegt worden. Während das Thema im US-Wahlkampf umstritten ist, plädiert die Allianz von Parlamentariern etwa aus den USA, Deutschland, Belgien, aber auch aus Thailand, Vanuatu und Großbritannien dafür, “neue LNG-Exportgenehmigungen abzulehnen, weil keine von ihnen im öffentlichen Interesse sind”. Eine solche Ablehnung schütze lokale Gemeinden, treibe die globale Energiesicherheit voran, ermutige Investitionen und Handel in sauberen Technologien und “hilft unseren Nationen, nationale und globale Klimaversprechen umzusetzen”. “Ihre Alliierten wollen keine LNG-Exporte”, schreiben die Politiker. Sie führen für Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika Gründe an, warum die bestehende LNG-Infrastruktur völlig ausreiche.
Initiiert haben den Brief die Grünen-Abgeordnete Lisa Badum und der US-Senator Ed Markey. Unterzeichnet haben auch US-Senator Bernie Sanders, die belgische Vize-Premierministerin Petra De Sutter, Vanuatus Klimagesandter Ralph Regenvanu, die EP-Abgeordneten Erik von Malottki (SPD) sowie Carola Rackete und Anja Hazekamp (beide Die Linke). Unterstützt wird der Brief von einem Schreiben internationaler NGOs.
Badum erklärte, es sei “höchste Zeit, die Macht der amerikanischen Fossilindustrie zu brechen“, die in großem Umfang Donald Trump unterstützt. Aber “mit dem Ende der Energiekrise gehören auch die vielen geplanten LNG-Importterminals an der deutschen Küste auf den Prüfstand”, so die Grünen-Abgeordnete. “Anstatt uns von überflüssigem Flüssiggas abhängig zu machen, sollten wir lieber in Freiheitsenergien wie Wind und Solar investieren”. bpo
Die Boston Consulting Group warnt in einer neuen Studie vor einem zu langsamen Ausbau der Wasserstoffwirtschaft in Europa. Die USA und China drohten Europa abzuhängen, wie das Handelsblatt berichtet. Die BCG kritisiert:
Allerdings kündigte die EU-Kommission jüngst Maßnahmen zum Schutz der europäischen Wasserstoffindustrie an. Unternehmen, die an der zweiten Ausschreibung der Europäischen Wasserstoffbank teilnehmen wollten, müssten den Anteil von Elektrolyse-Stacks aus China auf höchstens 25 Prozent beschränken, heißt es in einer EU-Veröffentlichung. Die EU will in der zweiten Förderrunde 1,2 Milliarden Euro bereitstellen. Mit der Summe soll für bis zu zehn Jahre ein fester Zuschuss für jedes im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) produzierte Kilogramm Wasserstoff oder dessen Derivate gezahlt werden – eine Forderung der BCG wird also erfüllt. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra kündigte Anfang September “klare Kriterien für den Aufbau europäischer Lieferketten für Elektrolyseure” an. nib
Die IG Metall und die NGO Germanwatch fordern die Bundesregierung in einem offenen Brief auf, mehr Geld für den Schienenverkehr zur Verfügung zu stellen und dafür Mittel entsprechend umzuschichten. Es brauche eine “Priorisierung der Investitionen im Verkehrshaushalt für die Schiene”. Das Schienennetz brauche ausreichende und planungssichere Mittel ohne Renditedruck für Sanierung, Modernisierung und Ausbau. Der Haushaltsausschuss des Bundestags verhandelt derzeit die Details zum Haushaltsplan 2025 und solle den Gesetzesentwurf entsprechend anpassen.
Das Schienennetz solle demnach künftig gemeinwohlorientiert geführt werden, fordern IG Metall und Germanwatch. Eine Eigenkapitalerhöhung bei der Deutschen Bahn könne nur eine vorübergehende Haushaltslösung sein. Denn sie löse Renditedruck aus, was zu einer wettbewerbsverzerrenden Verteuerung des Schienenverkehrs führen könne und damit den Verlagerungszielen auf die Schiene entgegenliefe. Daher sollte jetzt beim Trassenpreisausgleich nachgebessert werden. Zudem schlagen sie vor, einen überjährigen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild einzurichten. Er soll die Abhängigkeit von jährlichen Haushaltsentscheidungen überwinden und so für Planungssicherheit sorgen. Auch Bundesverkehrsminister Wissing hatte sich Anfang des Jahres bereits für einen Fonds ausgesprochen.
Gleichzeitig fordern aktuell auch mehrere deutsche Sozialverbände mehr Geld für Klimaschutz – Kitas, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen seien nicht genügend auf die Folgen von Klimawandel und Hitze vorbereitet. In einem Forderungspapier argumentieren Klima-Allianz Deutschland, AWO, Caritas, Diakonie und der Paritätische Gesamtverband, dass ein Großteil der 100.000 Gebäude im sozialen Bereich in den kommenden Jahren modernisiert werden müsse. Dabei seien insbesondere energetische Sanierungen wichtig. kul
Als “höchst unzureichend” stuft eine neue Analyse des Climate Action Tracker (CAT) Indiens Klimapolitik und Klimaziele ein. Das Update wurde am Freitag veröffentlicht und zeigt, dass es seit dem vergangenen Jahr keine nennenswerten Fortschritte gab. Grund dafür seien zum einen die Wahlen im Mai. Vor und während der Regierungsbildung gab es in der Klimapolitik kaum Veränderungen. Mit der dritten Amtszeit von Premierminister Narendra Modi deuten sich aber zumindest Kontinuität in der Erneuerbaren-Politik und weitere Investitionen an, auch sei ein CO₂-Markt geplant.
Der steigende Energiebedarf mache zum anderen die Fortschritte im Ausbau der Erneuerbaren aber wieder zunichte. Aufgrund der wachsenden Wirtschaftsleistung bleibt Indiens Bedarf an fossilen Energien hoch. Produktion und Importe von Kohle waren in der ersten Hälfte von 2024 auf Rekordniveau.
“Höchst unzureichend” sei auch das Ziel, bis 2070 klimaneutral zu werden. Dieses sei laut CAT nicht mit dem 1,5-Grad-Limit des Pariser Abkommens vereinbar. Auch die derzeitige Klimapolitik sei “unzureichend”. Auf alle Länder ausgelegt, würden die gesetzten Maßnahmen zu einer Erderwärmung von rund vier Grad Celsius führen. Zwar seien die Pläne für Erneuerbare “ambitioniert” und es gäbe steigende Investitionen und konstante Ausbauraten, aber Indien habe sich weiterhin nicht zu einer Abkehr von Kohle und fossilem Gas bekannt.
Die Analyse empfiehlt angesichts des steigenden Energiebedarfs etwa, Erneuerbare und Speicherkapazitäten schneller auszubauen, da beide kosteneffizienter als fossile Brennstoffe seien. Durchgeführt wurde die Analyse vom New Climate Institute und Climate Analytics, die im CAT regelmäßig die Klimapolitik von mehr als 40 Staaten im Rahmen des UNFCCC-Verhandlungsprozesses bewerten. lb
Obwohl die Green-Claims-Richtlinie irreführender Klimawerbung eigentlich ein Ende setzen soll, wären gemäß dem Kommissionsvorschlag weiter Label erlaubt, die die Wahrnehmung von Verbrauchern verzerren. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie, die in der Zeitschrift “Food Quality and Preference” erschienen ist. Demnach führen Label mit der Aufschrift “klimaneutral” dazu, dass Verbraucher Lebensmittel für deutlich klimafreundlicher halten, als sie eigentlich sind.
Das ist laut den Forschenden auch dann der Fall, wenn klargestellt wird, dass ein Produkt nur durch CO₂-Kompensationen klimaneutral ist. Etwa durch Aufdrucke wie “100 Prozent CO₂-kompensiert”, wie sie der Kommissionsvorschlag zu Green Claims für solche Fälle vorsieht. “Solche Labels fördern somit Greenwashing, erschweren die Markttransparenz und bieten Verbraucherinnen und Verbrauchern keine Orientierung für eine nachhaltige Ernährung”, kritisiert Erstautorin Denise Dreist von der Universität Göttingen.
Als wirksamere Alternative identifiziert die Studie ein Ampelsystem ähnlich dem Nutri-Score. Hierdurch würden Verbraucher die Klimawirkung von Lebensmitteln akkurater einschätzen. Studienleiterin Anke Zühlsdorf rät dazu, eine Ampelkennzeichnung zur Pflicht zu machen. So seien Produkt besser vergleichbar und es würden nicht nur klimafreundliche Produkte hervorgehoben. Ein erster Schritt könne aber ein Verbot der produktbezogenen Werbung mit Klimaneutralität sein.
Für die Studie wurden Testpersonen aus Deutschland befragt, die die Klimawirkung verschiedener Lebensmittelprodukte einschätzen sollten. Die Autoren verglichen, wie sich die Einschätzung unterschied, je nachdem, welches Klimalabel das jeweilige Produkt trug.
Während sich EU-Umweltministerrat und Kommission dafür aussprechen, dass Unternehmen CO₂-Kompensationen bei Klimalabeln weiter geltend machen können, will das Europäische Parlament dies nur in Ausnahmefällen erlauben, damit die Reduktion von Emissionen im Vordergrund steht. Die Trilogverhandlungen, bei denen sich Rat und Parlament auf eine Version einigen müssen, dürften Anfang kommenden Jahres starten. jd
Für die EU-Mitgliedstaaten ist “Voraussetzung” für ein ehrgeiziges globales Klimafinanzziel, dass die Zahl der Geberländer für die internationale Klimafinanzierung zunimmt. Das geht aus einem Entwurf der Ratsschlussfolgerung zur COP29 hervor, der Table.Briefings exklusiv vorliegt.
Internationale öffentliche Finanzmittel sollten von einer breiteren Gruppe von Beitragszahlern bereitgestellt und mobilisiert werden, fordern die EU-Staaten. Die Höhe des Beitrags solle “die Entwicklung der jeweiligen wirtschaftlichen Kapazitäten und die hohen Treibhausgasemissionen seit den frühen 1990er Jahren widerspiegeln”. Damit werden insbesondere Länder wie China sowie die Öl und Gas produzierenden Golfstaaten zur Beteiligung am neuen Klimafinanzziel – NCQG genannt – aufgefordert.
Bislang zahlen nur Industriestaaten für das bisherige jährliche Klimafinanzierungsziel von 100 Milliarden US-Dollar ein. Bei der COP29 in Baku muss ein neues Ziel verhandelt werden, da das 100-Milliarden-Ziel im kommenden Jahr ausläuft. Die NCQG-Verhandlungen gelten als wichtigster Verhandlungsstrang der diesjährigen COP. Die Industriestaaten und primär Europa fordern bereits seit zwei Jahren, dass es neue Geberländer für die öffentliche Klimafinanzierung braucht.
Im 1992 beschlossenen UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen wurden die Vertragsstaaten in Industrie- und Entwicklungsländer eingeteilt. Seitdem hat sich an dieser Kategorisierung kaum etwas geändert, sodass aufstrebende Wirtschaftsmächte wie China, Indien sowie die Öl produzierenden Golfstaaten weiterhin als Entwicklungsländer gelten.
Außerdem sprechen sich die EU-Staaten dafür aus, auch die Lieferkette fossiler Brennstoffe zur Kasse zu bitten, “um am stärksten gefährdete Länder bei der Eindämmung des Klimawandels und dem Resilienz-Aufbau zu unterstützen”. Staatliche Förderung allein könne die Finanzmittel nicht aufbringen, die für eine klimaneutrale und widerstandsfähige Weltwirtschaft erforderlich seien. “Private Geldgeber werden den größten Anteil an den erforderlichen Investitionen in den grünen Übergang übernehmen müssen”, heißt es in dem Entwurf. luk
Am Mittwoch wurde das “Women Leading on Climate Network” gegründet. Das internationale Netzwerk will den Einfluss von Frauen in Führungspositionen auf den Klimaschutz stärken. Zu den Gründerinnen gehören Catherine McKenna, ehemalige kanadische Umweltministerin, und Jennifer Morgan, deutsche Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik. Weitere Mitglieder sind die Chief Sustainability Officers (CSOs) großer Konzerne wie HSBC, BNP Paribas, Netflix, Walmart und Ikea. Auch Führungskräfte von NGOs sind beteiligt.
Ziele seien, die Expertise und den politischen Einfluss seiner Mitglieder zu bündeln, Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen und die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Gemeinschaften zu schützen. Dabei sollen besonders die klimaschädlichen Auswirkungen berücksichtigt werden, die Frauen unverhältnismäßig stark betreffen. “Frauen drängen auf ehrgeizigere Klimamaßnahmen in Verhandlungssälen, in Chefetagen und in ihren Gemeinden”, sagte McKenna, die derzeit die Expertengruppe “Panel on Net-Zero” der Vereinten Nationen leitet. “Wenn wir uns zusammentun, kommen wir schneller voran.”
Das “Women Leading on Climate Network” will den Fokus auf die Mobilisierung öffentlicher Investitionen in den Klimaschutz setzen. Eine zentrale Forderung ist, dass Regierungen “investierbare nationale Klimaschutzpläne” erstellen sollen, um die Umsetzung der nationalen Klimabeiträge (NDCs) im Rahmen des Pariser Abkommens voranzutreiben.
Frauen – und insbesondere nicht-weiße Frauen – sind etwa im Bereich der nachhaltigen Finanzierung in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Das neue Netzwerk schließt sich damit einer Reihe weiterer Initiativen an, die sich für mehr weibliche Beteiligung im Klimaschutz einsetzen, darunter:
ZDF: Kultur und Klima. Beim 25. Klimagespräch der Klima-Allianz Deutschland wurde der Zusammenhang zwischen der Kulturbranche und dem Klimaschutz erörtert. Die gemeinnützige Initiative “Planet Narratives” hat es sich zur Aufgabe gemacht, Filmschaffende zu unterstützen, die Zukunft des Planeten in ihre Geschichten zu integrieren. Claudia Roth betonte jedoch, dass die Kunstfreiheit dabei nicht eingeschränkt werden dürfe. Zum Artikel
Time: Unternehmen setzen auf pragmatische Lösungen statt große Klimaziele. Die öffentliche Wahrnehmung von Klimaschutzmaßnahmen im Privatsektor ist aktuell stark von Skepsis geprägt. Viele Befürworter kritisieren sie als Greenwashing und behaupten, dass Unternehmen Klimaziele lediglich zum Marketing einsetzen. Zahlreiche Unternehmen haben zudem ihre Verpflichtungen zurückgezogen und erklären, dass diese nicht mehr umsetzbar seien. Zum Artikel
Handelsblatt: Moderne Kältetechnologie macht Tiefkühllager zu flexiblen Energiespeichern. Das reduziert sowohl die Stromkosten der Unternehmen als auch den CO₂-Ausstoß. Bei einem Überangebot an erneuerbarer Energie wird das Lager auf bis zu minus 24 Grad heruntergekühlt. Steigen die Strompreise aufgrund eines geringeren Angebots an erneuerbarer Energie und hoher Nachfrage, wird der Stromverbrauch gesenkt. In dieser Phase können die Eissorten von Magnum und Langnese als Ersatz für Batteriespeicher dienen. Zum Artikel
Independent: Teurer Hurrikan Helene. Der Leiter der Federal Emergency Management Agency (FEMA) in den USA erklärte, dass die schweren Überschwemmungen und die Verwüstungen durch Hurrikan Helene im Zusammenhang mit der Klimakrise stehen. Durch die steigenden Temperaturen gebe es durch Hurrikans zunehmend auch mehr Wasser- anstatt wie bisher hauptsächlich Windschäden. Zum Artikel
MDR: Das Sterben der Faultiere. Ein Forschungsteam hat die Auswirkungen des Klimawandels auf Faultiere untersucht, insbesondere, wie steigende Temperaturen ihre Stoffwechselreaktionen beeinflussen. Die begrenzte Fähigkeit dieser Hochlandtiere, Energie zu verarbeiten, zusammen mit ihrer minimalen geografischen Flexibilität, könnte ihre Anpassung an das wärmer werdende Klima erschweren. Zum Artikel