Die wichtigsten Entscheidungen beim Klima fallen oft nicht auf den COPs – sondern vorher und hinterher. So auch 2023: Möglicher Fortschritt entscheidet sich daran, ob es gelingt, die internationale Finanzwelt auf Klima-Kurs zu bringen. Und die ersten ernsthaften Schritte dazu sollen auf der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) nächste Woche in Washington erfolgen.
Deshalb bringt Ihnen dieser Climate.Table dazu einen Schwerpunkt. Wir analysieren die Debatte um die Reform, stellen die verschiedenen Ideen dazu vor und beschreiben, wie die Geopolitik da hineinspielt. Auch widmen wir uns dem neuen Chef Ajay Banga, der ab Sommer alle diese Wünsche unter einen Hut bringen soll.
Es gibt noch viele andere Themen, die wir beleuchten. Aber vor allem folgen wir in dieser und den nächsten Ausgaben immer wieder dem Geld. Das Thema wird uns auch weiterhin beschäftigen. 2023 sollen schließlich wichtige Weichen bei der Finanzierung von Klimaschutz, Anpassung und dem Umsteuern der Investitionsflüsse gestellt werden.
Wir halten Sie auf dem Laufenden. Behalten Sie einen langen Atem
Die Debatte um den Umbau von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) ist die wichtigste Weichenstellung in der globalen Klimapolitik 2023. Eine veränderte Ausrichtung der globalen Finanzinstitute kann weitreichende Folgen haben. Sie könnte:
Anders als bislang wird 2023 nicht nur über die Höhe der Klimafinanzierung debattiert. So stand bislang im Fokus, dass die Industrieländer ihr Versprechen nicht eingehalten haben, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Anpassung und CO₂-Reduktion in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu mobilisieren. Doch vor der COP28 geht es an mehreren Stellen um strukturelle Reformen:
Hintergrund der Debatte: Die internationale Finanzarchitektur (“Bretton Woods”) stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und hält mit den Anforderungen der globalisierten Welt in der Klimakrise nicht mehr Schritt. Wirtschafts- und Machtpolitik haben sich grundlegend verändert. Die Folgen von Schuldenkrise und Klimawandel sind auch zu einer finanzpolitischen Gefahr geworden: Inzwischen zahlen die Länder des Südens fünfmal mehr Geld für den Schuldendienst als für die Beseitigung von Klimaschäden.
“Die Welt war und ist immer noch zu langsam bei der Klimafrage”, sagt Stephane Hallegatte, leitender Klimaexperte bei der Weltbank, gegenüber Table.Media. “Wir alle können mehr tun, wir alle können es besser machen, und wir bei der Weltbank arbeiten hart an einem Wandel.”
Dazu gehöre auch eine bessere Analyse der Situation in den Ländern. Die Bank habe damit begonnen, neue Klima- und Entwicklungsdiagnoseinstrumente (CCDRs) einzuführen, die den Ländern helfen sollen, ihre Entwicklungs- und Politikziele zu erreichen. Dies geschehe “in Partnerschaft mit den nationalen Regierungen, die letztlich die Entscheidungsträger in diesem Prozess sind”.
Das ist eine Absage an eine zentrale Forderung von Kritikern: Die wollen, dass die Bank stärker auf Politikreformen in den Empfängerländern drängt. Die Weltbank müsse aus ihrer Fokussierung auf nationale Projekte heraus, statt vereinzelter Projektfinanzierung solle sie besonders länderübergreifende Vorhaben unterstützten, die globale Gemeingüter wie Klima, Artenschutz oder Wasser schützen. Ein solches Mandat lehnt das Management der Bank bislang ab.
Von einer Reform der Geldinstitute erhoffen sich viele eine deutlich bessere Finanzierung der Aufgaben: Mehrere hundert Milliarden Dollar könnten so freigemacht werden, heißt es, die in dringend nötige Anpassung und CO₂-Reduktion fließen könnten. Der Bedarf ist ebenfalls gewaltig: Allein die Anpassung an den Klimawandel könnte nach UN-Schätzungen 2030 jährliche Kosten von bis zu 340 Milliarden Dollar verursachen. Um alle Klimaziele zu erreichen, sind nach einer anderen Schätzung, auf die sich der “Sharm-el-Sheikh Implementation Plan” der COP27 bezieht, Investitionen von jährlich mindestens vier bis sechs Billionen Dollar nötig.
Im Ringen um die Zahlungen hoffen die Ländergruppen auf ganz verschiedene Erfolge: Die Industrieländer könnten mit frischem Geld ihren internationalen Verpflichtungen für Klimafinanzierung näher kommen; die ärmeren Länder hoffen auf Investitionen und Schuldenerleichterung. Gleichzeitig könnte eine Reform auch reiche Schwellenländer wie die Ölstaaten zu Gebern in der Klimafinanzierung machen, was vor allem die Industriestaaten immer wieder fordern. Als Gegenleistung könnten sie dann mehr Mitsprache bei Weltbank und IWF bekommen.
Auch geopolitisch verbinden sich mit der Reform der Institute verschiedene Ziele:
Die US-Administration unter Joe Biden drängt nach Aussage von Finanzministerin Janet Yellen auf eine Reform bei der Weltbank. Für die USA ist eine internationale Lösung der Ausweg aus einem innenpolitischen Dilemma: Der republikanisch dominierte Kongress gesteht der Regierung kaum Geld für die internationale Klimafinanzierung zu. Statt eines fairen Anteils von 42 Milliarden an den versprochenen 100 Milliarden Dollar zahlen die USA nur acht Milliarden. Eine Reform und Öffnung der Zahlungen für Unternehmen und Stiftungen könnte US-Geld fließen lassen und den Kongress umgehen. Biden ist auch nicht unglücklich, den Trump-Kandidaten Eric Malpas als WB-Chef durch seinen Kandidaten Ajay Banga (siehe Porträt in dieser Ausgabe) ersetzen zu können.
Die EU und Deutschland drängen schon seit Jahren auf Veränderungen in der Weltbank. Das Ziel ist vor allem: Die Finanzinstitute zu Motoren im Klimaschutz zu machen. Dafür müsste auch der neoliberale “Washington Consensus” verändert werden, der seit etwa 30 Jahren Strukturreformen für arme Länder vorschreibt, die auf einen Rückzug des Staates und mehr private Entscheidungen abzielen. Die Reformen sollen aus Sicht der Europäer klarstellen: Es braucht für Klimaschutz einen starken Staat, der private Investitionen anreizt, aber die Ziele und Rahmenbedingungen definiert.
China will sich durch eine Reform weiter als Fürsprecher der G77 empfehlen – und möglicherweise davon ablenken, dass es inzwischen der größte Kreditgeber für Entwicklungsländer ist. Die von China dominierte Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) jedenfalls hat angekündigt, bis Sommer 2023 alle ihre Aktivitäten am Pariser Abkommen auszurichten. Diese Erklärung plant die Weltbank erst im Juli 2023. Allerdings definiert die AIIB etwa Investitionen in Gas als mit den Klimazielen vereinbar.
Mögliche Reformen und eine Kapitalerhöhung könnten auch die politischen Gewichte bei Weltbank und IWF verschieben. Weil die Stimmanteile zum Beispiel nach Kapitaleinlage und Wirtschaftsleistung eines Landes kalkuliert werden, würden bei einer Neuberechnung Staaten wie die USA, China, Indien, Brasilien, Korea oder Mexiko profitieren.
Allerdings könnte eine Neuordnung auch die zentrale Rolle der alten Industrienationen in den Institutionen bedrohen: Bisher haben etwa die USA bei der Weltbank durch ihren großen Kapitalanteil praktisch ein Veto-Recht. Außerdem stellen die USA traditionell die Führung der Weltbank, die Europäer entsenden Chef oder Chefin des IWF.
Vom ersten Juli an sollen alle neuen Projekte der Weltbank mit dem Pariser Klimaabkommen im Einklang stehen. Das twitterte Axel van Trotsenburg, Senior Managing Director of Development Policy & Partnerships der Weltbank, vor wenigen Tagen mit Blick auf das anstehende Frühjahrstreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds: “Das Klima verändert sich, und wir mit ihm.”
Doch die Neuorientierung komme sieben Jahre zu spät, sagt Ulrich Volz, Direktor des Centre for Sustainable Finance an der SOAS University London und Wissenschaftler am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn. Die Forderung des Pariser Abkommens, die globalen Finanzflüsse mit den Klimazielen in Einklang zu bringen, habe die Weltbank “ganz klar nicht erfüllt”. Sie habe zu wenig Geld für Klimaschutz und Anpassung gegeben und auch nach Paris noch zu viel für fossile Zwecke, sagt Volz. “Aus meiner Sicht hat sie ihren Auftrag nicht erfüllt.”
Dabei ist die Weltbank unter den multilateralen Entwicklungsbanken – legt man die Zahlen der Institute selbst zugrunde – der größte Geber von Klimafinanzierung. Sie ist damit entscheidend dafür, wie gut Empfängerländer auf die Klimakrise reagieren können.
Der scheidende Weltbankpräsident David Malpass beziffert den Investitionsbedarf der Entwicklungsländer für globale öffentliche Güter – also Klimaschutz, Anpassung an die Erderwärmung, Sicherheit und Pandemiebekämpfung zusammengenommen – auf 2,4 Billionen US-Dollar pro Jahr, und zwar für die kommenden sieben Jahre.
Laut World Resources Institute (WRI) wird der Bedarf an Klimafinanzierung allein bis 2030 sogar auf 5,2 Billionen US-Dollar im Jahr steigen. Der auf der COP27 verabschiedete “Sharm-el-Sheikh Implementation Plan” schätzt die nötige Summe ohne Zieljahr auf mindestens vier bis sechs Billionen US-Dollar jährlich. Zum Vergleich: 2020 belief sich die gesamte globale Klimafinanzierung auf gerade einmal 600 Milliarden US-Dollar.
Ursprünglich ist der Auftrag der Weltbank ein anderer: Die Internationale Bank für Restrukturierung und Entwicklung (IBRD) soll die wirtschaftliche Entwicklung von Entwicklungs- und Transformationsländern fördern. Ihre Schwesterinstitution IDA (Internationale Entwicklungsorganisation) konzentriert sich auf die Armutsbekämpfung in Ländern mit besonders niedrigem Einkommensniveau.
Zur Weltbank-Gruppe gehören außerdem noch die IFC, spezialisiert auf die Förderung des Privatsektors in Entwicklungsländern, die MIGA, die Investitionen gegen sogenannte politische Risiken absichert, und das ICSID, ein internationales Schiedsgericht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten.
In den meisten Fällen werde eine neue Klima-Ausrichtung der Weltbank auch der Armutsbekämpfung dienen, sagt David Ryfisch, Teamleiter internationale Klimapolitik bei der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Das sei aber nicht zwangsläufig der Fall – etwa, wenn es um Investitionen in den Gesundheitssektor oder das Bildungssystem gehe. Die dürfe man trotz des neuen Fokus aufs Klima nicht vernachlässigen.
Um Klimaschutz und Armutsbekämpfung gemeinsam anzugehen, will die Bank laut van Trotsenburg:
Van Trotsenburg zufolge haben IBRD und IDA im vergangenen Jahr etwa 29 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung ausgegeben. Das sei dreimal so viel wie noch sechs Jahre zuvor. Sie fördere die Erzeugung erneuerbarer Energien und die Schließung von Kohlekraftwerken, den Waldschutz und eine klimafreundlichere Landwirtschaft, grünere Infrastruktur und den Küstenschutz.
Allerdings finanziere sie auch Investitionen in Erdgas, aber “nur falls sauberere Optionen nicht durchführbar sind”. Zusätzlich würden die von der Weltbank finanzierten Projekte besser auf etwaige Klimarisiken geprüft, und die von “allen Projekten in relevanten Sektoren” verursachten Treibhausgasemissionen würden bilanziert. Laut Weltbank spielt Renaturierung eine zunehmend wichtige Rolle in den Projekten.
Seit kurzem gibt die Weltbank Länderberichte heraus, die Klima und Entwicklung gemeinsam analysieren sollen, die “Country Climate and Development Reports (CCDRs)”. Sie sollen Ländern helfen, die wirksamsten Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu priorisieren, ohne ihre übergeordneten Entwicklungsziele aus den Augen zu verlieren. Der Internationale Währungsfonds nutze die CCDRs ebenfalls als Analysetool in seiner Kreditvergabe, schreibt van Trotsenburg.
Laut van Trotsenburg mobilisiert die Weltbank als der größte Emittent nachhaltiger Anleihen durch deren Ausgabe jährlich rund 50 Milliarden Dollar an privatem Kapital, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen zu erreichen. Wie diese Summe erhöht werden kann, ist eine zentrale Frage der Reformdebatte. Private Investoren streben nach Rendite, multilaterale Banken hingegen wollen in der Regel besonders wirkungsvolle Projekte finanzieren. Nicht immer passt beides zusammen.
“Der nächste Schritt auf dieser Reise” sei es nun, die Geschäfte der Weltbank auf das Pariser Klimaabkommen abzustimmen, schreibt van Trotsenburg. Zu diesem Zweck entwickle man gemeinsam mit anderen multilateralen Entwicklungsbanken einen gemeinsamen Ansatz, der bald veröffentlicht werden solle.
Erste Details legt der bereits im Juni 2021 beschlossene Climate Change Action Plan 2021-2025 der Weltbank fest:
Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sehen das Versprechen, künftig keine fossilen Projekte mehr zu fördern, allerdings kritisch. Sie kritisieren mangelnde Transparenz. Oxfam beispielsweise kam in eigenen Berechnungen zu dem Ergebnis, dass die Summe der tatsächlichen Klimafinanzierung derzeit nicht unabhängig zu verifizieren sei. Sie könne um bis zu 40 Prozent vom behaupteten Betrag abweichen.
Heike Mainhardt, Expertin für multilaterale Finanzinstitutionen bei urgewald, sagt: Durch die mangelnde Transparenz werde verschleiert, wie sehr die Weltbank “die Profite der fossilen Energieunternehmen weiterhin künstlich in die Höhe treibt und schützt”. Seit das Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 verabschiedet wurde, habe die Bank fossile Investitionen auf verschiedensten Wegen mit Milliardenbeträgen unterstützt. Und die neuen Reformpläne seien nicht geeignet, daran etwas zu ändern.
Urgewald fordert deshalb: Die Weltbank solle sämtliche Aktivitäten mit Öl-, Gas- und Kohlebezug von vornherein auf eine Ausschlussliste setzen. Sie solle ihre Finanzflüsse durch unabhängige Audits untersuchen lassen. Und sie solle messen, ob und wie sehr die Volkswirtschaften, die ihre Kredite erhalten, unabhängiger werden von fossilen Energien.
Um mehr für das Klima zu tun, aber ihren ursprünglichen Auftrag nicht zu vernachlässigen, braucht die Weltbank mehr Geld. In einem neuen “Capital Adequacy Framework” ist geplant, dass sie zu diesem Zweck das vorgeschriebene Verhältnis von Eigenkapital zu Krediten verändert. Bisher liegt die Quote bei 20 Prozent, nun soll sie auf 19 Prozent sinken: Um das AAA-Rating der Bank nicht zu gefährden, geht man nur kleine Schritte.
Durch die neue Quote ergebe sich geschätzt eine zusätzliche Finanzkapazität von vier Milliarden Dollar, sagt David Ryfisch von Germanwatch. Er erwartet, dass die neue Quote auf dem Frühjahrstreffen beschlossen wird.
Das neue”Capital Adequacy Framework” sei wichtig, sagt Ökonom Ulrich Volz. Daneben sei auch eine Kapitalerhöhung aller multilateralen Entwicklungsbanken nötig, denn: “Wir brauchen mehr Geld für alles: für die Finanzierung, Klimaschutz, Anpassung, die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs).”
Volz fürchtet aber, dass es nicht gelingen wird, ausreichend privates Geld zu mobilisieren. Die Finanzierung der Klimaagenda ruhe sehr stark auf der Hoffnung, durch Milliarden an öffentlichen Geldern Anreize zu schaffen, die in einem zweiten Schritt Billionen an privaten Finanzmitteln fließen lassen. Doch das habe schon in den vergangenen 20 Jahren nicht funktioniert, so Volz. “Ich bin skeptisch, dass es jetzt, im Angesicht einer großen Schuldenkrise im Globalen Süden, besser klappt.”
Auf der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), die vom 10. bis 16. April in Washington, D.C., stattfindet, wird man über verschiedene Ideen zu Strukturreformen beraten. Beschlüsse werden voraussichtlich noch nicht gefasst, sondern erst auf der Herbsttagung im Oktober.
Die einzelnen Vorschläge sind unterschiedlich konkret. Sie müssen nun eine Mehrheit unter den stimmberechtigten Staaten finden. Bei der anstehenden Tagung wird sich zeigen, welche Elemente aus welchen Entwürfen mehrheitsfähig sein könnten.
Die am weitesten verbreitete Reformagenda für die Finanzinstitutionen kommt von der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley. Sie schlägt in ihrer “Bridgetown Initiative” vor:
Die ersten drei Forderungen erfordern Reformen bei den Finanzinstituten, die beiden letzten müssten politisch vereinbart werden.
Die Weltbank selbst hat auf Drängen unter anderem von Deutschland und den USA im Januar 2023 eine eigene “Roadmap” zur weiteren Entwicklung der Bank vorgelegt. Das Papier gesteht ein, dass das Ziel der Beendigung extremer Armut bis 2030 “zunehmend außer Reichweite” gerät. Die meisten Entwicklungsländer und auch die Weltbank seien nicht darauf vorbereitet, mögliche kommenden Krisen angemessen abzufedern und stabile Entwicklung zu gewährleisten. Deshalb
Die Vorschläge sind unkonkreter als andere Vorstellungen, lassen also dem Management deutlich mehr Spielraum.
Auch die deutschen Vorstellungen zur Reform liegen auf dem Tisch. Sie zielen vor allem auf folgende Punkte:
Oberste Maxime bei den Reformvorhaben für den parlamentarischen Staatssekretär im Entwicklungsministerium Niels Annen: Bei Zuschüssen und günstigen Krediten für die Entwicklungsländer dürfe es “keine Abstriche” geben: “Die ärmsten Länder müssen die Gewinner der Reform sein.”
Zwei Drittel der Länder im Globalen Süden seien nach Covid-Pandemie und der folgenden Wirtschaftskrise “kritisch oder sehr kritisch verschuldet”: Zu dem Schluss kommt der aktuelle Schuldenreport der Entwicklungsorganisation Misereor und der Initiative erlassjahr.de. Durch den Krieg in der Ukraine und die steigenden Zinsen sei zu erwarten, dass sich die Lage noch verschlechtern werde.
Aufgrund der Überschuldung fehlten finanzielle Mittel zur Armuts- und Hungerbekämpfung, und im Kampf gegen die Klimakrise, so die beiden Organisationen. Sie fordern deshalb Schuldenerleichterungen für die betroffenen Länder. Die Forderung gehört nicht zu den offiziellen Vorschlägen, über die auf der Weltbank- und IWF-Frühjahrstagung beraten wird. Die Schuldenkrise wird dort aber dennoch ein Thema sein.
Mitarbeit: Alexandra Endres
10.-16.4.2023, Washington, USA
Tagung Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank mit Treffen der G20-Finanzministerinnen und -Finanzminister und -Notenbankgouverneurinnen und -Notenbankgouverneure
In Washington findet die jährliche Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank statt. In diesem Jahr ist sie auch wegen der Reformen der Weltbank besonders interessant. Infos
11. April, 9.30 Uhr, Paris
Konferenz Towards Paris Agreement and Net Zero alignment commitments?
Auf der Konferenz will die OECD diskutieren, wie Investitionspläne und -verträge mit dem Pariser Klimaabkommen und Net Zero Zielen zusammengebracht werden können. Infos und Anmeldung
11.-13.April, Leoben/Österreich
Konferenz Österreichischer Klimatag – Ressourcen im Wandel
Der 23. Klimatag findet von 11. bis 13. April 2023 unter dem Motto “Ressourcen im Wandel” in Leoben statt. Der Klimatag wird in Kooperation mit der Montanuniversität Leoben konzipiert und ausgetragen. Die Montanuniversität Leoben (MUL) bietet einen guten Rahmen, denn die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen in den Bereichen Ressourcen, Klima, Energie und Umwelt sind tief mit der Ausrichtung der Bergbau-Universität verbunden. Infos
13. April, 13 Uhr, Berlin
Seminar Geopolitik in der Tiefsee – Zwischen Meeresschutz und Rohstoffabbau für die Klimaneutralität
Um langfristig die Rohstoffversorgung zu sichern, haben Politik und Wirtschaft die Tiefsee in den Blickpunkt genommen. Dort befinden sich Manganknollen und andere geologische Formationen, die aus wichtigen Rohstoffen wie Mangan, Nickel, Kupfer, Seltene Erden und Zink bestehen und beispielsweise für die Automobil- und Elektroindustrie benötigt werden. Umweltschützer verweisen auf das Risiko für Ökosysteme am Tiefseeboden und fürchten irreversible Eingriffe und Schäden für Arten und Habitate. Über dieses Spannungsfeld wird auf der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung diskutiert. Infos
13. April, 19 Uhr, Görlitz
Vortrag und Diskussion 50 Jahre Club of Rome und “Die Grenzen des Wachstums”
1972 legte der Club of Rome seinen ersten Bericht “Die Grenzen des Wachstums” vor. Was ist das für ein Club, was waren und sind seine Ziele und was hat er erreicht? Sind seine damaligen Befürchtungen Wirklichkeit geworden? Was sind die Aussagen seines gerade erschienenen Berichts “Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten”?
Dr. Jürgen Leibiger (“Wirtschaftswachstum – Mechanismus, Widersprüche, Grenzen”, Köln 2016) gibt einen Überblick. Eine Veranstaltung des Abgeordnetenbüro Mirko Schulze (MdL) in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Infos
Durch die steigenden Temperaturen im Klimawandel werden bis 2100 im Globalen Süden deutlich mehr Menschen an den Folgen von Hitze sterben. Im Globalen Norden hingegen könnte es weniger temperaturbedingte Tote geben, da in Zukunft weniger Menschen an den Folgen von extremer Kälte sterben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Climate Inequality Report 2023.
Laut aktuellen Studien und Projektionen ändert sich durch die Klimakrise kaum die Gesamtzahl der Menschen, die wegen extremen Temperaturen sterben. Was sich hingegen verändert, ist die geografische Verteilung: In den Ländern, die jetzt schon heiß und arm sind, könnte es in Zukunft noch mehr Hitzetote geben. Die Menschen in diesen Ländern haben außerdem die geringsten Mittel, um sich in Zukunft an die steigenden Temperaturen anzupassen und so die Effekte von Hitze abzufedern. kul
Kurz nach der Veröffentlichung des Syntheseberichts zum 6.Sachstandsbericht (AR6) stehen im Weltklimarat IPCC intern wichtige Entscheidungen an. Für die Leitungsposition als IPCC-Vorsitzender, die Ende Juli für die nächste IPCC-Periode durch eine Wahl neu besetzt wird, bringen sich die Kandidatinnen und Kandidaten in Stellung. Als potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger für den derzeitigen IPCC- Chef Hoesung Lee aus Korea sind nach Informationen von Table.Media bisher vier Personen im Rennen, die jeweils von ihren Regierungen bei der UNO vorgeschlagen wurden:
Das Gastgeberland der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), planen nach einem Bericht der britischen Tageszeitung Guardian eine massive Ausweitung ihrer Öl- und Gasproduktion. Der staatliche Energiekonzern Adnoc unter Führung des designierten COP28-Präsidenten Sultan Al-Jaber verfolge das Ziel, in den nächsten Jahren 7,6 Milliarden Tonnen an Öl-Äquivalent zu fördern, berichtet die Zeitung mit Verweis auf eine Analyse der Umweltorganisation Urgewald. Nur Saudi Arabien und Katar haben demnach noch größere Expansionsziele.
Adnoc hat 2021 etwa eine Milliarde Öl-Äquivalent gefördert. Die Produktion von weiteren 7,6 Milliarden Tonnen Öl und Gas ergibt sich laut Guardian aus der Ankündigung, über fünf Jahre insgesamt 150 Milliarden Dollar zu investieren. Die Pläne widersprechen damit den Ratschlägen der Internationalen Energieagentur IEA und dem IPCC-Synthesebericht. Diese hatten festgestellt, für die Erreichung der Klimaziele von 1,5- bzw 2-Grad dürfe keine neue fossile Infrastruktur mehr gebaut werden. Im Gegenteil reichen laut IPCC schon die bereits bestehenden Kapazitäten aus, um die Emissionsobergrenze der Klimaziele zu sprengen. Nur 10 Prozent der Adnoc-Ausbau-Pläne sind laut Guardian mit diesen Zielen zu vereinbaren.
Die Berufung von Adnoc-Chef Sultan Al-Jaber zum Präsidenten der COP28 war von vielen Umwelt- und Klimagruppen kritisiert worden. Die Bundesregierung dagegen unterstützt die Auswahl von Al-Jaber, der gefordert hat, “Öl- und Gasunternehmen müssten sich auf Netto-Null einstellen”. Die VAE scheuten nicht vor der Energiewende zurück, sondern “nehmen sie an”, sagt Al-Jaber.
Erst vergangene Woche beim “Berlin Energy Transition Dialogue” in Berlin hatte Klimaminister Robert Habeck Al-Jaber als Ehrengast begrüßt und ihm viel Erfolg für die COP gewünscht. Der Adnoc-Chef wiederum hatte den IPCC zitiert mit der Aussage der Wissenschaft, “die wir respektieren müssen: Die Welt verliert das Rennen um 1,5 Grad”. Dennoch bestand er darauf, man müsse “alle verfügbaren Optionen erkunden”: Gebraucht würden Erneuerbare, Wasserstoff, Atom, CCS und “das am wenigsten kohlenstoffintensive Öl und Gas” – und dafür gelten allgemein die Reserven am Persischen Golf. bpo
Die Effekte von Künstlicher Intelligenz (KI) aufs Klima sind zweischneidig: Einerseits kann sie bei der Energiewende helfen, zugleich wird durch die Zunahme von KI-Anwendungen aber auch viel Energie verbraucht, was zu einem steigenden Ausstoß von Treibhausgasen führt. Auf diese Ambivalenz haben KI-Forschende der Stanford University in ihrem “AI Index Report” hingewiesen.
In den vergangenen Monaten haben Entwickler neben “ChatGPT” zahlreiche weitere leistungsfähige Systeme veröffentlicht, die mit sehr großen Datenmengen trainiert wurden. Wie ein Vergleich zeigt, hatte das sehr unterschiedliche Klimafolgen, abhängig von den genutzten Energiequellen sowie der Effizienz der Technologie und der Rechenzentren: Demnach produzierte “Chat GPT-3” bei 175 Milliarden Parametern 502 Tonnen CO2e, während es bei “OPT”, einem KI-Modell des Meta-Konzerns, 70 Tonnen und bei dem Open-Source-Programm “Bloom” lediglich 25 Tonnen waren – bei gleich vielen Parametern. Die Autoren erwarten, dass die Zahl der Anwendungen und auch die Menge der jeweils eingesetzten Trainingsdaten weiter zunimmt.
Als positives Beispiel nennt der Bericht einen Versuch bei Google. Dort konnte eine KI den Energieverbrauch für die Kühlung der Server selbstständig innerhalb von drei Monaten um knapp 13 Prozent senken. Eine Aussage darüber, ob KI grundsätzlich unterm Strich zu einer Reduzierung der Klimabelastung beiträgt, könne aber noch nicht getroffen werden. Die Forschenden weisen stattdessen darauf hin, dass die Erhebung von Daten dazu komplex ist und Standards fehlen. Marc Winkelmann
Paris hat am Montag seinen Gesetzentwurf für eine dekarbonisierte Industrie vorgestellt. In dem Entwurf werden in den fünf Schwerpunkt-Kategorien insgesamt 29 Vorschläge gemacht. Es soll sowohl eine Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) sein als auch die nationale Industrie ankurbeln – beispielsweise die Herstellung von Batterien, Solarzellen oder Wärmepumpen.
Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis dreimonatiger Konsultationen mit Akteuren aus Politik, Industrie und Zivilgesellschaft. Er gliedert sich in folgende Bereiche:
Auch wenn das neue Gesetz laut der französischen Regierung ohne zusätzliche Ausgaben auskommen will: Laut aktuellen Zahlen des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE sind zusätzliche Investitionen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro in die Stromnetze erforderlich, um die Dekarbonisierungsziele der Industrie zu erreichen.
Laut dem Jahresbericht 2022 des Hohen Klimarats muss Frankreich seine Brutto-Treibhausgasemissionen zwischen bis 2030 um 50 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Das bedeutet, dass die Emissionen im Zeitraum von 2022 bis 2030 jedes Jahr im Durchschnitt um 4,7 Prozent sinken müssen.
Frankreichs Treibhausgasemissionen sind im Jahr 2022 allerdings nur um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Zwischen 2020 und 2021 waren sie noch um 6,4 Prozent nach oben gesprungen. Dies geht aus den vorläufigen Daten hervor, die das Centre interprofessionnel technique d’études de la pollution atmosphérique (Citepa) veröffentlicht hat. Die Organisation ist mit der Erstellung des französischen Emissionsinventars beauftragt. Für das gesamte Jahr beliefen sich die Emissionen demnach auf 408 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente (CO₂e).
Der Gebäudesektor hat nach den vorläufigen Daten am stärksten zum Gesamtrückgang der Emissionen beigetragen. Citepa erklärt dies mit einer “starken Reduzierung des Verbrauchs fossiler Energieträger“. Durch die Energiekrise, “steigende Preise für Gas und Erdölprodukte, Appelle an Haushalte und Unternehmen, sparsam mit Energie umzugehen, einen verstärkten Einsatz von Holz und einen sehr milden Winter” gingen die Emissionen zurück.
Die Emissionen der Industrie sind um acht Prozent zurückgegangen – laut Citepa aufgrund des geringeren Erdgasverbrauchs in der Kleinindustrie, des geringeren Kohleverbrauchs in der Stahl- und Eisenmetallindustrie und der geringeren Produktion in einigen Branchen (anorganische Chemie, Zement).
Im Gegensatz dazu wuchsen die Emissionen im Verkehrssektor um zwei Prozent. Es ist der Sektor mit den höchsten Emissionen des Landes und für 30 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Den stärksten Anstieg der Treibhausgasemissionen verzeichnete die Energieerzeugung in absoluten Zahlen – plus 3,6 Millionen Tonnen CO₂e (+8 %), was laut Citepa auf die abgeschalteten Kernkraftwerksblöcke und den Rückgriff auf Gas und Kohle zurückzuführen ist. cst
Das schnelle Eisschmelze in der Antarktis könnte dazu führen, dass sich Tiefenströmungen im Meer verlangsamen oder sogar zusammenbrechen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift nature veröffentlichte Studie. Bereits im Februar hatten Auswertungen gezeigt, dass die Ausdehnung des antarktischen Eisschildes ein Rekordtief erreicht hat.
Die nature-Studie besagt nun, dass die Tiefenströmungen bis 2050 um 40 Prozent abnehmen könnten. Die Strömungen entstehen durch kaltes Salzwasser, das absinkt – weil Schmelzwasser den Salzgehalt des Meeres verringert, kann es die Strömungen verlangsamen. Für die Ökosysteme des Meeres ist der Strömungsmechanismus essenziell.
Werden die Strömungen langsamer, könnte auch die Fähigkeit des Ozeans sinken, CO₂ aufzunehmen, warnen die Autorinnen und Autoren. Zudem könnte weniger Sauerstoff in die Tiefsee gelangen, Nährstoffe würden nicht mehr an die Oberfläche gespült, und mehr Wärme könnte an der Meeresoberfläche bleiben, was die Eisschmelze in der Antarktis weiter beschleunigen könnte.
Die Tiefseeströmungen waren in den vergangenen Jahrtausenden relativ stabil. Durch den Klimawandel haben sie sich aber inzwischen aber bereits verlangsamt. Die Folgen eines Zusammenbruches wären vermutlich unumkehrbar und sind kaum abzuschätzen. Ihr Kollaps wird zu den möglichen Klimakipppunkten gezählt. kul
Nachdem die EU-Kommission den Prozess zur Festlegung eines Klimaziels für 2040 begonnen hat, fordern einige Abgeordnete im EU-Parlament eine eingeschränkte Rolle für technologische CO₂-Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS). Immer noch würden zu viele Sektoren glauben, “sie müssten nur ‘Silver Bullets’ wie CCS verfolgen und seien damit Ihre Klimaobligationen los”, bemängelt Tiemo Wölken (SPD). Dabei würden solche Lösungen nur in “extremen Nischenbereichen” zum Einsatz kommen.
Zwar fordert der klimapolitische Sprecher der S&D-Fraktion für 2040 neben Zielen zur Emissionsreduktion auch ein gesondertes Ziel für CO₂-Speicherung, dieses müsse allerdings differenziert sein “in biogene und technische Removals”. Emissionsreduktionen und der Schutz von natürlichen Senken müssten darüber hinaus absolute Priorität haben, so Wölken. Er selbst gehe von einem Ziel von mindestens 80 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 aus.
Auch Michael Bloss (Grüne) fordert bei der CO₂-Speicherung einen Fokus auf natürliche Senken. Er will, dass die EU-Kommission bereits für 2040 die Klimaneutralität als Ziel ausgibt, wofür auch negative Emissionen entscheidend seien. “Die effizienteste und nachhaltigste Methode dafür ist der Waldaufwuchs.” Wälder seien nicht nur CO₂-Speicher, sondern auch Lebensräume für viele Arten und Erholungsorte für Menschen, so Bloss zu Table.Media. Deshalb müsse man mehr Wälder schützen, pflegen und aufforsten. Die Grünen mahnen bei CCS generell zur Vorsicht, da sie fossile Lock-in-Effekte fürchten, und wollen sie nur zur Kompensation nicht verhinderbarer Emissionen nutzen.
Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der Europäische Volkspartei (EVP), hatte schon in den Verhandlungen zur Reform des europäischen Emissionshandels (ETS) darauf gedrängt, negative Emissionen im ETS zu berücksichtigen. So könnten CO₂-Entnahmen skaliert und profitabel gemacht werden, hofft er. Welche Rolle CCS explizit für das Klimaziel 2040 spielen soll, dazu wollte er sich auf Nachfrage von Table.Media nicht äußern.
Am vergangenen Freitag hat die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation gestartet. Es ist der Auftakt, um das EU-Klimaziel für 2040 festzulegen. Das Feedback der Konsultation fließt in eine Folgenabschätzung ein, die als Grundlage für das neue Klimaziel dienen soll. Außerdem wird ein neuer wissenschaftlicher Beirat der EU zum Klimawandel, dessen Gründung im EU-Klimagesetz vereinbart wurde, noch vor dem Sommer einen Bericht mit detaillierten quantitativen Empfehlungen vorlegen. Auch dieser soll für das neue Ziel maßgebend sein. Im ersten Quartal 2024 will die Kommission schließlich das 2040er-Ziel vorstellen. Dabei soll auch die Rolle von CCS untersucht werden. luk
Extremwetterereignisse werden infolge des Klimawandels häufiger auftreten. Die dadurch entstehenden Gefahren für die Sicherheit des europäischen Stromnetzes müssen die Betreiber künftig transparenter darstellen. Dazu hat die europäische Regulierungsagentur ACER in Ljubljana gestern den Verband der Übertragungsnetzbetreiber ENTSOE aufgerufen. Die EU-Behörde veröffentlichte am Mittwoch eine Bewertung des von ENTSOE vorgelegten zehnjährigen Netzentwicklungsplans.
Man könne nicht beurteilen, ob die Widerstandsfähigkeit des Systems gegen die Auswirkungen des Klimawandels im Entwurf für den Netzentwicklungsplan für den Stromsektor ausreichend berücksichtigt wurde, teilte die Agentur mit. Auch die Resilienz des Stromnetzes bei Extremwetterereignissen sei unzureichend dargestellt.
Die Stromversorgung kann laut Umweltbundesamtes auf mehrere Arten durch Extremwetterereignisse eingeschränkt werden. Die Netzinfrastruktur könne durch Starkregen, Hochwasser und Stürme beschädigt werden. “Hohe Temperaturen verschlechtern zudem die Übertragungskapazität von Hochspannungsleitungen. Trockenheit im Erdreich kann bei Erdkabeln dazu führen, dass die Wärme nicht abströmen kann und sich die Energieverteilung staut”, schreibt die Behörde.
Die Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel müssen die Netzbetreiber gemäß der TEN-E Verordnung zu transeuropäischer Energieinfrastruktur bei ihrer Ausbauplanung berücksichtigen. Den zehnjährigen Netzentwicklungsplan legt ENTSOE alle zwei Jahre vor. Er dient auch als Grundlage für die nationalen Ausbaupläne für die Stromübertragungsnetze. Anlass für den Bau neuer Stromautobahnen sind unter anderem die Anbindung neuer Offshore-Windparks und eine bessere europäische Vernetzung der nationalen Strommärkte. ber
Ajay Banga ist der von US-Präsident Joe Biden vorgeschlagene Kandidat für die Leitung der Weltbank. Dass er das Amt bekommen wird, ist damit so gut wie sicher. Banga soll die Nachfolge von David Malpass antreten, den Bidens Vorgänger Donald Trump ausgewählt hatte, und der Ende Juni ein Jahr vor Ablauf seiner fünfjährigen Amtszeit zurücktritt. Malpass war heftig kritisiert worden, weil er sich geweigert hatte, den Einsatz fossiler Brennstoffe als Ursache des Klimawandels zu benennen.
Banga hingegen wird für seine Haltung zum Klimawandel sowie für seine Erfahrung im Finanzsektor gelobt. Er war mehr als 25 Jahre lang in leitenden Positionen bei Banken wie Citigroup und Mastercard tätig, bevor er stellvertretender Vorsitzender von General Atlantic wurde, einer privaten Beteiligungsgesellschaft. “Ajay hat seine Fähigkeiten als Manager großer Institutionen unter Beweis gestellt und versteht sich auf Investitionen und die Mobilisierung von Kapital, um den grünen Wandel voranzutreiben”, erklärte der US-Sonderbeauftragte für Klimafragen, John Kerry, auf Twitter.
Während seiner Zeit bei Mastercard betrachtete der 63-jährige Banga die Belange des Klimawandels durch eine geschäftliche Brille. “Ich habe es schon einmal gesagt und werde es wieder sagen: Wirtschaft ist keine Philanthropie“, schrieb er im Jahr 2020. “Jede sozial oder ökologisch verantwortliche Initiative, die wir ergreifen, muss einen klaren Bezug zu unserem Geschäft haben.”
Als gebürtiger Inder bringt Banga auch die Perspektive eines Landes ein, das von der Entwicklungsfinanzierung profitiert. “Heute bin ich Amerikaner, aber ich bin dort aufgewachsen, wo die Praxistauglichkeit unserer Ideen sich entscheidet, im Globalen Süden”, sagte er Anfang März gegenüber Reportern.
Einige Umweltgruppen äußerten dennoch Bedenken gegenüber seiner Nominierung: Banga habe nur wenig Erfahrung im öffentlichen Sektor, seine früheren Arbeitgeber hätten in großem Umfang in fossile Brennstoffe investiert, und seine Rhetorik in Bezug auf den Klimawandel habe bislang nicht zu vielen Taten geführt.
Die Weltbank spielt eine wichtige Rolle bei der globalen Reaktion auf den Klimawandel. Im vergangenen Jahr verwaltete sie Finanzmittel in Höhe von über 115 Milliarden Dollar für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, darunter 31,7 Milliarden Dollar für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen.
Sie hat aber auch auch weiterhin die Entwicklung fossiler Brennstoffe finanziert. Zwischen 2018 und 2020 vergab sie dafür Darlehen in Höhe von 5,7 Milliarden Dollar. Zuletzt forderten einige Entwicklungsländer mehr Finanzmittel für die Ausbeutung ihrer eigenen fossilen Brennstoffreserven, nachdem reichere Länder ihr Versprechen gebrochen hatten, saubere Energie zu unterstützen.
Die Bank selbst hat Ende 2022 einen “Entwicklungsfahrplan” veröffentlicht, in dem sie darlegt, wie sie dem Klimawandel künftig besser begegnen möchte. Daneben gibt es weitere Reformideen, über die man auf der anstehenden Frühjahrstagung von IWF und Weltbank beraten wird.
Banga sagte, er glaube, dass die Bank ihren Auftrag erfüllen könne, die Armut zu bekämpfen und gleichzeitig den Klimawandel abzuschwächen. “Ich denke, dass es ein falsches Argument ist, entweder oder zu sagen”, sagte Banga gegenüber Axios. “Ich habe die Absicht, die Bank und ihre Mitarbeiter auf die Idee auszurichten, dass es sich um eine miteinander verwobene Herausforderung handelt.”
Zusammen mit seiner Frau Ritu engagiert sich Banga auch in der Philanthropie, unter anderem im Kampf gegen gesundheitliche Ungleichheiten und in einer Initiative zur Unterstützung von Unternehmen in unterrepräsentierten Märkten. Das Paar hat zwei Töchter.
Derzeit wirbt der Kandidat auf einer weltweiten Vorstellungstour um Unterstützung. In Afrika, Asien und Lateinamerika trifft er sich mit hochrangigen Regierungsvertretern zu Gesprächen. Zwar nominieren traditionell die USA den Präsidenten der Weltbank. Aber der Verwaltungsrat der Bank muss zustimmen. Bislang wurde Bangas Botschaft gut aufgenommen. Umair Irfan
Die wichtigsten Entscheidungen beim Klima fallen oft nicht auf den COPs – sondern vorher und hinterher. So auch 2023: Möglicher Fortschritt entscheidet sich daran, ob es gelingt, die internationale Finanzwelt auf Klima-Kurs zu bringen. Und die ersten ernsthaften Schritte dazu sollen auf der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) nächste Woche in Washington erfolgen.
Deshalb bringt Ihnen dieser Climate.Table dazu einen Schwerpunkt. Wir analysieren die Debatte um die Reform, stellen die verschiedenen Ideen dazu vor und beschreiben, wie die Geopolitik da hineinspielt. Auch widmen wir uns dem neuen Chef Ajay Banga, der ab Sommer alle diese Wünsche unter einen Hut bringen soll.
Es gibt noch viele andere Themen, die wir beleuchten. Aber vor allem folgen wir in dieser und den nächsten Ausgaben immer wieder dem Geld. Das Thema wird uns auch weiterhin beschäftigen. 2023 sollen schließlich wichtige Weichen bei der Finanzierung von Klimaschutz, Anpassung und dem Umsteuern der Investitionsflüsse gestellt werden.
Wir halten Sie auf dem Laufenden. Behalten Sie einen langen Atem
Die Debatte um den Umbau von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) ist die wichtigste Weichenstellung in der globalen Klimapolitik 2023. Eine veränderte Ausrichtung der globalen Finanzinstitute kann weitreichende Folgen haben. Sie könnte:
Anders als bislang wird 2023 nicht nur über die Höhe der Klimafinanzierung debattiert. So stand bislang im Fokus, dass die Industrieländer ihr Versprechen nicht eingehalten haben, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Anpassung und CO₂-Reduktion in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu mobilisieren. Doch vor der COP28 geht es an mehreren Stellen um strukturelle Reformen:
Hintergrund der Debatte: Die internationale Finanzarchitektur (“Bretton Woods”) stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und hält mit den Anforderungen der globalisierten Welt in der Klimakrise nicht mehr Schritt. Wirtschafts- und Machtpolitik haben sich grundlegend verändert. Die Folgen von Schuldenkrise und Klimawandel sind auch zu einer finanzpolitischen Gefahr geworden: Inzwischen zahlen die Länder des Südens fünfmal mehr Geld für den Schuldendienst als für die Beseitigung von Klimaschäden.
“Die Welt war und ist immer noch zu langsam bei der Klimafrage”, sagt Stephane Hallegatte, leitender Klimaexperte bei der Weltbank, gegenüber Table.Media. “Wir alle können mehr tun, wir alle können es besser machen, und wir bei der Weltbank arbeiten hart an einem Wandel.”
Dazu gehöre auch eine bessere Analyse der Situation in den Ländern. Die Bank habe damit begonnen, neue Klima- und Entwicklungsdiagnoseinstrumente (CCDRs) einzuführen, die den Ländern helfen sollen, ihre Entwicklungs- und Politikziele zu erreichen. Dies geschehe “in Partnerschaft mit den nationalen Regierungen, die letztlich die Entscheidungsträger in diesem Prozess sind”.
Das ist eine Absage an eine zentrale Forderung von Kritikern: Die wollen, dass die Bank stärker auf Politikreformen in den Empfängerländern drängt. Die Weltbank müsse aus ihrer Fokussierung auf nationale Projekte heraus, statt vereinzelter Projektfinanzierung solle sie besonders länderübergreifende Vorhaben unterstützten, die globale Gemeingüter wie Klima, Artenschutz oder Wasser schützen. Ein solches Mandat lehnt das Management der Bank bislang ab.
Von einer Reform der Geldinstitute erhoffen sich viele eine deutlich bessere Finanzierung der Aufgaben: Mehrere hundert Milliarden Dollar könnten so freigemacht werden, heißt es, die in dringend nötige Anpassung und CO₂-Reduktion fließen könnten. Der Bedarf ist ebenfalls gewaltig: Allein die Anpassung an den Klimawandel könnte nach UN-Schätzungen 2030 jährliche Kosten von bis zu 340 Milliarden Dollar verursachen. Um alle Klimaziele zu erreichen, sind nach einer anderen Schätzung, auf die sich der “Sharm-el-Sheikh Implementation Plan” der COP27 bezieht, Investitionen von jährlich mindestens vier bis sechs Billionen Dollar nötig.
Im Ringen um die Zahlungen hoffen die Ländergruppen auf ganz verschiedene Erfolge: Die Industrieländer könnten mit frischem Geld ihren internationalen Verpflichtungen für Klimafinanzierung näher kommen; die ärmeren Länder hoffen auf Investitionen und Schuldenerleichterung. Gleichzeitig könnte eine Reform auch reiche Schwellenländer wie die Ölstaaten zu Gebern in der Klimafinanzierung machen, was vor allem die Industriestaaten immer wieder fordern. Als Gegenleistung könnten sie dann mehr Mitsprache bei Weltbank und IWF bekommen.
Auch geopolitisch verbinden sich mit der Reform der Institute verschiedene Ziele:
Die US-Administration unter Joe Biden drängt nach Aussage von Finanzministerin Janet Yellen auf eine Reform bei der Weltbank. Für die USA ist eine internationale Lösung der Ausweg aus einem innenpolitischen Dilemma: Der republikanisch dominierte Kongress gesteht der Regierung kaum Geld für die internationale Klimafinanzierung zu. Statt eines fairen Anteils von 42 Milliarden an den versprochenen 100 Milliarden Dollar zahlen die USA nur acht Milliarden. Eine Reform und Öffnung der Zahlungen für Unternehmen und Stiftungen könnte US-Geld fließen lassen und den Kongress umgehen. Biden ist auch nicht unglücklich, den Trump-Kandidaten Eric Malpas als WB-Chef durch seinen Kandidaten Ajay Banga (siehe Porträt in dieser Ausgabe) ersetzen zu können.
Die EU und Deutschland drängen schon seit Jahren auf Veränderungen in der Weltbank. Das Ziel ist vor allem: Die Finanzinstitute zu Motoren im Klimaschutz zu machen. Dafür müsste auch der neoliberale “Washington Consensus” verändert werden, der seit etwa 30 Jahren Strukturreformen für arme Länder vorschreibt, die auf einen Rückzug des Staates und mehr private Entscheidungen abzielen. Die Reformen sollen aus Sicht der Europäer klarstellen: Es braucht für Klimaschutz einen starken Staat, der private Investitionen anreizt, aber die Ziele und Rahmenbedingungen definiert.
China will sich durch eine Reform weiter als Fürsprecher der G77 empfehlen – und möglicherweise davon ablenken, dass es inzwischen der größte Kreditgeber für Entwicklungsländer ist. Die von China dominierte Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) jedenfalls hat angekündigt, bis Sommer 2023 alle ihre Aktivitäten am Pariser Abkommen auszurichten. Diese Erklärung plant die Weltbank erst im Juli 2023. Allerdings definiert die AIIB etwa Investitionen in Gas als mit den Klimazielen vereinbar.
Mögliche Reformen und eine Kapitalerhöhung könnten auch die politischen Gewichte bei Weltbank und IWF verschieben. Weil die Stimmanteile zum Beispiel nach Kapitaleinlage und Wirtschaftsleistung eines Landes kalkuliert werden, würden bei einer Neuberechnung Staaten wie die USA, China, Indien, Brasilien, Korea oder Mexiko profitieren.
Allerdings könnte eine Neuordnung auch die zentrale Rolle der alten Industrienationen in den Institutionen bedrohen: Bisher haben etwa die USA bei der Weltbank durch ihren großen Kapitalanteil praktisch ein Veto-Recht. Außerdem stellen die USA traditionell die Führung der Weltbank, die Europäer entsenden Chef oder Chefin des IWF.
Vom ersten Juli an sollen alle neuen Projekte der Weltbank mit dem Pariser Klimaabkommen im Einklang stehen. Das twitterte Axel van Trotsenburg, Senior Managing Director of Development Policy & Partnerships der Weltbank, vor wenigen Tagen mit Blick auf das anstehende Frühjahrstreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds: “Das Klima verändert sich, und wir mit ihm.”
Doch die Neuorientierung komme sieben Jahre zu spät, sagt Ulrich Volz, Direktor des Centre for Sustainable Finance an der SOAS University London und Wissenschaftler am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn. Die Forderung des Pariser Abkommens, die globalen Finanzflüsse mit den Klimazielen in Einklang zu bringen, habe die Weltbank “ganz klar nicht erfüllt”. Sie habe zu wenig Geld für Klimaschutz und Anpassung gegeben und auch nach Paris noch zu viel für fossile Zwecke, sagt Volz. “Aus meiner Sicht hat sie ihren Auftrag nicht erfüllt.”
Dabei ist die Weltbank unter den multilateralen Entwicklungsbanken – legt man die Zahlen der Institute selbst zugrunde – der größte Geber von Klimafinanzierung. Sie ist damit entscheidend dafür, wie gut Empfängerländer auf die Klimakrise reagieren können.
Der scheidende Weltbankpräsident David Malpass beziffert den Investitionsbedarf der Entwicklungsländer für globale öffentliche Güter – also Klimaschutz, Anpassung an die Erderwärmung, Sicherheit und Pandemiebekämpfung zusammengenommen – auf 2,4 Billionen US-Dollar pro Jahr, und zwar für die kommenden sieben Jahre.
Laut World Resources Institute (WRI) wird der Bedarf an Klimafinanzierung allein bis 2030 sogar auf 5,2 Billionen US-Dollar im Jahr steigen. Der auf der COP27 verabschiedete “Sharm-el-Sheikh Implementation Plan” schätzt die nötige Summe ohne Zieljahr auf mindestens vier bis sechs Billionen US-Dollar jährlich. Zum Vergleich: 2020 belief sich die gesamte globale Klimafinanzierung auf gerade einmal 600 Milliarden US-Dollar.
Ursprünglich ist der Auftrag der Weltbank ein anderer: Die Internationale Bank für Restrukturierung und Entwicklung (IBRD) soll die wirtschaftliche Entwicklung von Entwicklungs- und Transformationsländern fördern. Ihre Schwesterinstitution IDA (Internationale Entwicklungsorganisation) konzentriert sich auf die Armutsbekämpfung in Ländern mit besonders niedrigem Einkommensniveau.
Zur Weltbank-Gruppe gehören außerdem noch die IFC, spezialisiert auf die Förderung des Privatsektors in Entwicklungsländern, die MIGA, die Investitionen gegen sogenannte politische Risiken absichert, und das ICSID, ein internationales Schiedsgericht zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten.
In den meisten Fällen werde eine neue Klima-Ausrichtung der Weltbank auch der Armutsbekämpfung dienen, sagt David Ryfisch, Teamleiter internationale Klimapolitik bei der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Das sei aber nicht zwangsläufig der Fall – etwa, wenn es um Investitionen in den Gesundheitssektor oder das Bildungssystem gehe. Die dürfe man trotz des neuen Fokus aufs Klima nicht vernachlässigen.
Um Klimaschutz und Armutsbekämpfung gemeinsam anzugehen, will die Bank laut van Trotsenburg:
Van Trotsenburg zufolge haben IBRD und IDA im vergangenen Jahr etwa 29 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung ausgegeben. Das sei dreimal so viel wie noch sechs Jahre zuvor. Sie fördere die Erzeugung erneuerbarer Energien und die Schließung von Kohlekraftwerken, den Waldschutz und eine klimafreundlichere Landwirtschaft, grünere Infrastruktur und den Küstenschutz.
Allerdings finanziere sie auch Investitionen in Erdgas, aber “nur falls sauberere Optionen nicht durchführbar sind”. Zusätzlich würden die von der Weltbank finanzierten Projekte besser auf etwaige Klimarisiken geprüft, und die von “allen Projekten in relevanten Sektoren” verursachten Treibhausgasemissionen würden bilanziert. Laut Weltbank spielt Renaturierung eine zunehmend wichtige Rolle in den Projekten.
Seit kurzem gibt die Weltbank Länderberichte heraus, die Klima und Entwicklung gemeinsam analysieren sollen, die “Country Climate and Development Reports (CCDRs)”. Sie sollen Ländern helfen, die wirksamsten Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu priorisieren, ohne ihre übergeordneten Entwicklungsziele aus den Augen zu verlieren. Der Internationale Währungsfonds nutze die CCDRs ebenfalls als Analysetool in seiner Kreditvergabe, schreibt van Trotsenburg.
Laut van Trotsenburg mobilisiert die Weltbank als der größte Emittent nachhaltiger Anleihen durch deren Ausgabe jährlich rund 50 Milliarden Dollar an privatem Kapital, um die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen zu erreichen. Wie diese Summe erhöht werden kann, ist eine zentrale Frage der Reformdebatte. Private Investoren streben nach Rendite, multilaterale Banken hingegen wollen in der Regel besonders wirkungsvolle Projekte finanzieren. Nicht immer passt beides zusammen.
“Der nächste Schritt auf dieser Reise” sei es nun, die Geschäfte der Weltbank auf das Pariser Klimaabkommen abzustimmen, schreibt van Trotsenburg. Zu diesem Zweck entwickle man gemeinsam mit anderen multilateralen Entwicklungsbanken einen gemeinsamen Ansatz, der bald veröffentlicht werden solle.
Erste Details legt der bereits im Juni 2021 beschlossene Climate Change Action Plan 2021-2025 der Weltbank fest:
Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sehen das Versprechen, künftig keine fossilen Projekte mehr zu fördern, allerdings kritisch. Sie kritisieren mangelnde Transparenz. Oxfam beispielsweise kam in eigenen Berechnungen zu dem Ergebnis, dass die Summe der tatsächlichen Klimafinanzierung derzeit nicht unabhängig zu verifizieren sei. Sie könne um bis zu 40 Prozent vom behaupteten Betrag abweichen.
Heike Mainhardt, Expertin für multilaterale Finanzinstitutionen bei urgewald, sagt: Durch die mangelnde Transparenz werde verschleiert, wie sehr die Weltbank “die Profite der fossilen Energieunternehmen weiterhin künstlich in die Höhe treibt und schützt”. Seit das Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 verabschiedet wurde, habe die Bank fossile Investitionen auf verschiedensten Wegen mit Milliardenbeträgen unterstützt. Und die neuen Reformpläne seien nicht geeignet, daran etwas zu ändern.
Urgewald fordert deshalb: Die Weltbank solle sämtliche Aktivitäten mit Öl-, Gas- und Kohlebezug von vornherein auf eine Ausschlussliste setzen. Sie solle ihre Finanzflüsse durch unabhängige Audits untersuchen lassen. Und sie solle messen, ob und wie sehr die Volkswirtschaften, die ihre Kredite erhalten, unabhängiger werden von fossilen Energien.
Um mehr für das Klima zu tun, aber ihren ursprünglichen Auftrag nicht zu vernachlässigen, braucht die Weltbank mehr Geld. In einem neuen “Capital Adequacy Framework” ist geplant, dass sie zu diesem Zweck das vorgeschriebene Verhältnis von Eigenkapital zu Krediten verändert. Bisher liegt die Quote bei 20 Prozent, nun soll sie auf 19 Prozent sinken: Um das AAA-Rating der Bank nicht zu gefährden, geht man nur kleine Schritte.
Durch die neue Quote ergebe sich geschätzt eine zusätzliche Finanzkapazität von vier Milliarden Dollar, sagt David Ryfisch von Germanwatch. Er erwartet, dass die neue Quote auf dem Frühjahrstreffen beschlossen wird.
Das neue”Capital Adequacy Framework” sei wichtig, sagt Ökonom Ulrich Volz. Daneben sei auch eine Kapitalerhöhung aller multilateralen Entwicklungsbanken nötig, denn: “Wir brauchen mehr Geld für alles: für die Finanzierung, Klimaschutz, Anpassung, die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs).”
Volz fürchtet aber, dass es nicht gelingen wird, ausreichend privates Geld zu mobilisieren. Die Finanzierung der Klimaagenda ruhe sehr stark auf der Hoffnung, durch Milliarden an öffentlichen Geldern Anreize zu schaffen, die in einem zweiten Schritt Billionen an privaten Finanzmitteln fließen lassen. Doch das habe schon in den vergangenen 20 Jahren nicht funktioniert, so Volz. “Ich bin skeptisch, dass es jetzt, im Angesicht einer großen Schuldenkrise im Globalen Süden, besser klappt.”
Auf der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), die vom 10. bis 16. April in Washington, D.C., stattfindet, wird man über verschiedene Ideen zu Strukturreformen beraten. Beschlüsse werden voraussichtlich noch nicht gefasst, sondern erst auf der Herbsttagung im Oktober.
Die einzelnen Vorschläge sind unterschiedlich konkret. Sie müssen nun eine Mehrheit unter den stimmberechtigten Staaten finden. Bei der anstehenden Tagung wird sich zeigen, welche Elemente aus welchen Entwürfen mehrheitsfähig sein könnten.
Die am weitesten verbreitete Reformagenda für die Finanzinstitutionen kommt von der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley. Sie schlägt in ihrer “Bridgetown Initiative” vor:
Die ersten drei Forderungen erfordern Reformen bei den Finanzinstituten, die beiden letzten müssten politisch vereinbart werden.
Die Weltbank selbst hat auf Drängen unter anderem von Deutschland und den USA im Januar 2023 eine eigene “Roadmap” zur weiteren Entwicklung der Bank vorgelegt. Das Papier gesteht ein, dass das Ziel der Beendigung extremer Armut bis 2030 “zunehmend außer Reichweite” gerät. Die meisten Entwicklungsländer und auch die Weltbank seien nicht darauf vorbereitet, mögliche kommenden Krisen angemessen abzufedern und stabile Entwicklung zu gewährleisten. Deshalb
Die Vorschläge sind unkonkreter als andere Vorstellungen, lassen also dem Management deutlich mehr Spielraum.
Auch die deutschen Vorstellungen zur Reform liegen auf dem Tisch. Sie zielen vor allem auf folgende Punkte:
Oberste Maxime bei den Reformvorhaben für den parlamentarischen Staatssekretär im Entwicklungsministerium Niels Annen: Bei Zuschüssen und günstigen Krediten für die Entwicklungsländer dürfe es “keine Abstriche” geben: “Die ärmsten Länder müssen die Gewinner der Reform sein.”
Zwei Drittel der Länder im Globalen Süden seien nach Covid-Pandemie und der folgenden Wirtschaftskrise “kritisch oder sehr kritisch verschuldet”: Zu dem Schluss kommt der aktuelle Schuldenreport der Entwicklungsorganisation Misereor und der Initiative erlassjahr.de. Durch den Krieg in der Ukraine und die steigenden Zinsen sei zu erwarten, dass sich die Lage noch verschlechtern werde.
Aufgrund der Überschuldung fehlten finanzielle Mittel zur Armuts- und Hungerbekämpfung, und im Kampf gegen die Klimakrise, so die beiden Organisationen. Sie fordern deshalb Schuldenerleichterungen für die betroffenen Länder. Die Forderung gehört nicht zu den offiziellen Vorschlägen, über die auf der Weltbank- und IWF-Frühjahrstagung beraten wird. Die Schuldenkrise wird dort aber dennoch ein Thema sein.
Mitarbeit: Alexandra Endres
10.-16.4.2023, Washington, USA
Tagung Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank mit Treffen der G20-Finanzministerinnen und -Finanzminister und -Notenbankgouverneurinnen und -Notenbankgouverneure
In Washington findet die jährliche Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank statt. In diesem Jahr ist sie auch wegen der Reformen der Weltbank besonders interessant. Infos
11. April, 9.30 Uhr, Paris
Konferenz Towards Paris Agreement and Net Zero alignment commitments?
Auf der Konferenz will die OECD diskutieren, wie Investitionspläne und -verträge mit dem Pariser Klimaabkommen und Net Zero Zielen zusammengebracht werden können. Infos und Anmeldung
11.-13.April, Leoben/Österreich
Konferenz Österreichischer Klimatag – Ressourcen im Wandel
Der 23. Klimatag findet von 11. bis 13. April 2023 unter dem Motto “Ressourcen im Wandel” in Leoben statt. Der Klimatag wird in Kooperation mit der Montanuniversität Leoben konzipiert und ausgetragen. Die Montanuniversität Leoben (MUL) bietet einen guten Rahmen, denn die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen in den Bereichen Ressourcen, Klima, Energie und Umwelt sind tief mit der Ausrichtung der Bergbau-Universität verbunden. Infos
13. April, 13 Uhr, Berlin
Seminar Geopolitik in der Tiefsee – Zwischen Meeresschutz und Rohstoffabbau für die Klimaneutralität
Um langfristig die Rohstoffversorgung zu sichern, haben Politik und Wirtschaft die Tiefsee in den Blickpunkt genommen. Dort befinden sich Manganknollen und andere geologische Formationen, die aus wichtigen Rohstoffen wie Mangan, Nickel, Kupfer, Seltene Erden und Zink bestehen und beispielsweise für die Automobil- und Elektroindustrie benötigt werden. Umweltschützer verweisen auf das Risiko für Ökosysteme am Tiefseeboden und fürchten irreversible Eingriffe und Schäden für Arten und Habitate. Über dieses Spannungsfeld wird auf der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung diskutiert. Infos
13. April, 19 Uhr, Görlitz
Vortrag und Diskussion 50 Jahre Club of Rome und “Die Grenzen des Wachstums”
1972 legte der Club of Rome seinen ersten Bericht “Die Grenzen des Wachstums” vor. Was ist das für ein Club, was waren und sind seine Ziele und was hat er erreicht? Sind seine damaligen Befürchtungen Wirklichkeit geworden? Was sind die Aussagen seines gerade erschienenen Berichts “Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten”?
Dr. Jürgen Leibiger (“Wirtschaftswachstum – Mechanismus, Widersprüche, Grenzen”, Köln 2016) gibt einen Überblick. Eine Veranstaltung des Abgeordnetenbüro Mirko Schulze (MdL) in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Infos
Durch die steigenden Temperaturen im Klimawandel werden bis 2100 im Globalen Süden deutlich mehr Menschen an den Folgen von Hitze sterben. Im Globalen Norden hingegen könnte es weniger temperaturbedingte Tote geben, da in Zukunft weniger Menschen an den Folgen von extremer Kälte sterben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Climate Inequality Report 2023.
Laut aktuellen Studien und Projektionen ändert sich durch die Klimakrise kaum die Gesamtzahl der Menschen, die wegen extremen Temperaturen sterben. Was sich hingegen verändert, ist die geografische Verteilung: In den Ländern, die jetzt schon heiß und arm sind, könnte es in Zukunft noch mehr Hitzetote geben. Die Menschen in diesen Ländern haben außerdem die geringsten Mittel, um sich in Zukunft an die steigenden Temperaturen anzupassen und so die Effekte von Hitze abzufedern. kul
Kurz nach der Veröffentlichung des Syntheseberichts zum 6.Sachstandsbericht (AR6) stehen im Weltklimarat IPCC intern wichtige Entscheidungen an. Für die Leitungsposition als IPCC-Vorsitzender, die Ende Juli für die nächste IPCC-Periode durch eine Wahl neu besetzt wird, bringen sich die Kandidatinnen und Kandidaten in Stellung. Als potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger für den derzeitigen IPCC- Chef Hoesung Lee aus Korea sind nach Informationen von Table.Media bisher vier Personen im Rennen, die jeweils von ihren Regierungen bei der UNO vorgeschlagen wurden:
Das Gastgeberland der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), planen nach einem Bericht der britischen Tageszeitung Guardian eine massive Ausweitung ihrer Öl- und Gasproduktion. Der staatliche Energiekonzern Adnoc unter Führung des designierten COP28-Präsidenten Sultan Al-Jaber verfolge das Ziel, in den nächsten Jahren 7,6 Milliarden Tonnen an Öl-Äquivalent zu fördern, berichtet die Zeitung mit Verweis auf eine Analyse der Umweltorganisation Urgewald. Nur Saudi Arabien und Katar haben demnach noch größere Expansionsziele.
Adnoc hat 2021 etwa eine Milliarde Öl-Äquivalent gefördert. Die Produktion von weiteren 7,6 Milliarden Tonnen Öl und Gas ergibt sich laut Guardian aus der Ankündigung, über fünf Jahre insgesamt 150 Milliarden Dollar zu investieren. Die Pläne widersprechen damit den Ratschlägen der Internationalen Energieagentur IEA und dem IPCC-Synthesebericht. Diese hatten festgestellt, für die Erreichung der Klimaziele von 1,5- bzw 2-Grad dürfe keine neue fossile Infrastruktur mehr gebaut werden. Im Gegenteil reichen laut IPCC schon die bereits bestehenden Kapazitäten aus, um die Emissionsobergrenze der Klimaziele zu sprengen. Nur 10 Prozent der Adnoc-Ausbau-Pläne sind laut Guardian mit diesen Zielen zu vereinbaren.
Die Berufung von Adnoc-Chef Sultan Al-Jaber zum Präsidenten der COP28 war von vielen Umwelt- und Klimagruppen kritisiert worden. Die Bundesregierung dagegen unterstützt die Auswahl von Al-Jaber, der gefordert hat, “Öl- und Gasunternehmen müssten sich auf Netto-Null einstellen”. Die VAE scheuten nicht vor der Energiewende zurück, sondern “nehmen sie an”, sagt Al-Jaber.
Erst vergangene Woche beim “Berlin Energy Transition Dialogue” in Berlin hatte Klimaminister Robert Habeck Al-Jaber als Ehrengast begrüßt und ihm viel Erfolg für die COP gewünscht. Der Adnoc-Chef wiederum hatte den IPCC zitiert mit der Aussage der Wissenschaft, “die wir respektieren müssen: Die Welt verliert das Rennen um 1,5 Grad”. Dennoch bestand er darauf, man müsse “alle verfügbaren Optionen erkunden”: Gebraucht würden Erneuerbare, Wasserstoff, Atom, CCS und “das am wenigsten kohlenstoffintensive Öl und Gas” – und dafür gelten allgemein die Reserven am Persischen Golf. bpo
Die Effekte von Künstlicher Intelligenz (KI) aufs Klima sind zweischneidig: Einerseits kann sie bei der Energiewende helfen, zugleich wird durch die Zunahme von KI-Anwendungen aber auch viel Energie verbraucht, was zu einem steigenden Ausstoß von Treibhausgasen führt. Auf diese Ambivalenz haben KI-Forschende der Stanford University in ihrem “AI Index Report” hingewiesen.
In den vergangenen Monaten haben Entwickler neben “ChatGPT” zahlreiche weitere leistungsfähige Systeme veröffentlicht, die mit sehr großen Datenmengen trainiert wurden. Wie ein Vergleich zeigt, hatte das sehr unterschiedliche Klimafolgen, abhängig von den genutzten Energiequellen sowie der Effizienz der Technologie und der Rechenzentren: Demnach produzierte “Chat GPT-3” bei 175 Milliarden Parametern 502 Tonnen CO2e, während es bei “OPT”, einem KI-Modell des Meta-Konzerns, 70 Tonnen und bei dem Open-Source-Programm “Bloom” lediglich 25 Tonnen waren – bei gleich vielen Parametern. Die Autoren erwarten, dass die Zahl der Anwendungen und auch die Menge der jeweils eingesetzten Trainingsdaten weiter zunimmt.
Als positives Beispiel nennt der Bericht einen Versuch bei Google. Dort konnte eine KI den Energieverbrauch für die Kühlung der Server selbstständig innerhalb von drei Monaten um knapp 13 Prozent senken. Eine Aussage darüber, ob KI grundsätzlich unterm Strich zu einer Reduzierung der Klimabelastung beiträgt, könne aber noch nicht getroffen werden. Die Forschenden weisen stattdessen darauf hin, dass die Erhebung von Daten dazu komplex ist und Standards fehlen. Marc Winkelmann
Paris hat am Montag seinen Gesetzentwurf für eine dekarbonisierte Industrie vorgestellt. In dem Entwurf werden in den fünf Schwerpunkt-Kategorien insgesamt 29 Vorschläge gemacht. Es soll sowohl eine Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) sein als auch die nationale Industrie ankurbeln – beispielsweise die Herstellung von Batterien, Solarzellen oder Wärmepumpen.
Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis dreimonatiger Konsultationen mit Akteuren aus Politik, Industrie und Zivilgesellschaft. Er gliedert sich in folgende Bereiche:
Auch wenn das neue Gesetz laut der französischen Regierung ohne zusätzliche Ausgaben auskommen will: Laut aktuellen Zahlen des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE sind zusätzliche Investitionen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro in die Stromnetze erforderlich, um die Dekarbonisierungsziele der Industrie zu erreichen.
Laut dem Jahresbericht 2022 des Hohen Klimarats muss Frankreich seine Brutto-Treibhausgasemissionen zwischen bis 2030 um 50 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Das bedeutet, dass die Emissionen im Zeitraum von 2022 bis 2030 jedes Jahr im Durchschnitt um 4,7 Prozent sinken müssen.
Frankreichs Treibhausgasemissionen sind im Jahr 2022 allerdings nur um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Zwischen 2020 und 2021 waren sie noch um 6,4 Prozent nach oben gesprungen. Dies geht aus den vorläufigen Daten hervor, die das Centre interprofessionnel technique d’études de la pollution atmosphérique (Citepa) veröffentlicht hat. Die Organisation ist mit der Erstellung des französischen Emissionsinventars beauftragt. Für das gesamte Jahr beliefen sich die Emissionen demnach auf 408 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente (CO₂e).
Der Gebäudesektor hat nach den vorläufigen Daten am stärksten zum Gesamtrückgang der Emissionen beigetragen. Citepa erklärt dies mit einer “starken Reduzierung des Verbrauchs fossiler Energieträger“. Durch die Energiekrise, “steigende Preise für Gas und Erdölprodukte, Appelle an Haushalte und Unternehmen, sparsam mit Energie umzugehen, einen verstärkten Einsatz von Holz und einen sehr milden Winter” gingen die Emissionen zurück.
Die Emissionen der Industrie sind um acht Prozent zurückgegangen – laut Citepa aufgrund des geringeren Erdgasverbrauchs in der Kleinindustrie, des geringeren Kohleverbrauchs in der Stahl- und Eisenmetallindustrie und der geringeren Produktion in einigen Branchen (anorganische Chemie, Zement).
Im Gegensatz dazu wuchsen die Emissionen im Verkehrssektor um zwei Prozent. Es ist der Sektor mit den höchsten Emissionen des Landes und für 30 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Den stärksten Anstieg der Treibhausgasemissionen verzeichnete die Energieerzeugung in absoluten Zahlen – plus 3,6 Millionen Tonnen CO₂e (+8 %), was laut Citepa auf die abgeschalteten Kernkraftwerksblöcke und den Rückgriff auf Gas und Kohle zurückzuführen ist. cst
Das schnelle Eisschmelze in der Antarktis könnte dazu führen, dass sich Tiefenströmungen im Meer verlangsamen oder sogar zusammenbrechen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift nature veröffentlichte Studie. Bereits im Februar hatten Auswertungen gezeigt, dass die Ausdehnung des antarktischen Eisschildes ein Rekordtief erreicht hat.
Die nature-Studie besagt nun, dass die Tiefenströmungen bis 2050 um 40 Prozent abnehmen könnten. Die Strömungen entstehen durch kaltes Salzwasser, das absinkt – weil Schmelzwasser den Salzgehalt des Meeres verringert, kann es die Strömungen verlangsamen. Für die Ökosysteme des Meeres ist der Strömungsmechanismus essenziell.
Werden die Strömungen langsamer, könnte auch die Fähigkeit des Ozeans sinken, CO₂ aufzunehmen, warnen die Autorinnen und Autoren. Zudem könnte weniger Sauerstoff in die Tiefsee gelangen, Nährstoffe würden nicht mehr an die Oberfläche gespült, und mehr Wärme könnte an der Meeresoberfläche bleiben, was die Eisschmelze in der Antarktis weiter beschleunigen könnte.
Die Tiefseeströmungen waren in den vergangenen Jahrtausenden relativ stabil. Durch den Klimawandel haben sie sich aber inzwischen aber bereits verlangsamt. Die Folgen eines Zusammenbruches wären vermutlich unumkehrbar und sind kaum abzuschätzen. Ihr Kollaps wird zu den möglichen Klimakipppunkten gezählt. kul
Nachdem die EU-Kommission den Prozess zur Festlegung eines Klimaziels für 2040 begonnen hat, fordern einige Abgeordnete im EU-Parlament eine eingeschränkte Rolle für technologische CO₂-Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS). Immer noch würden zu viele Sektoren glauben, “sie müssten nur ‘Silver Bullets’ wie CCS verfolgen und seien damit Ihre Klimaobligationen los”, bemängelt Tiemo Wölken (SPD). Dabei würden solche Lösungen nur in “extremen Nischenbereichen” zum Einsatz kommen.
Zwar fordert der klimapolitische Sprecher der S&D-Fraktion für 2040 neben Zielen zur Emissionsreduktion auch ein gesondertes Ziel für CO₂-Speicherung, dieses müsse allerdings differenziert sein “in biogene und technische Removals”. Emissionsreduktionen und der Schutz von natürlichen Senken müssten darüber hinaus absolute Priorität haben, so Wölken. Er selbst gehe von einem Ziel von mindestens 80 Prozent CO₂-Reduktion bis 2040 aus.
Auch Michael Bloss (Grüne) fordert bei der CO₂-Speicherung einen Fokus auf natürliche Senken. Er will, dass die EU-Kommission bereits für 2040 die Klimaneutralität als Ziel ausgibt, wofür auch negative Emissionen entscheidend seien. “Die effizienteste und nachhaltigste Methode dafür ist der Waldaufwuchs.” Wälder seien nicht nur CO₂-Speicher, sondern auch Lebensräume für viele Arten und Erholungsorte für Menschen, so Bloss zu Table.Media. Deshalb müsse man mehr Wälder schützen, pflegen und aufforsten. Die Grünen mahnen bei CCS generell zur Vorsicht, da sie fossile Lock-in-Effekte fürchten, und wollen sie nur zur Kompensation nicht verhinderbarer Emissionen nutzen.
Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der Europäische Volkspartei (EVP), hatte schon in den Verhandlungen zur Reform des europäischen Emissionshandels (ETS) darauf gedrängt, negative Emissionen im ETS zu berücksichtigen. So könnten CO₂-Entnahmen skaliert und profitabel gemacht werden, hofft er. Welche Rolle CCS explizit für das Klimaziel 2040 spielen soll, dazu wollte er sich auf Nachfrage von Table.Media nicht äußern.
Am vergangenen Freitag hat die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation gestartet. Es ist der Auftakt, um das EU-Klimaziel für 2040 festzulegen. Das Feedback der Konsultation fließt in eine Folgenabschätzung ein, die als Grundlage für das neue Klimaziel dienen soll. Außerdem wird ein neuer wissenschaftlicher Beirat der EU zum Klimawandel, dessen Gründung im EU-Klimagesetz vereinbart wurde, noch vor dem Sommer einen Bericht mit detaillierten quantitativen Empfehlungen vorlegen. Auch dieser soll für das neue Ziel maßgebend sein. Im ersten Quartal 2024 will die Kommission schließlich das 2040er-Ziel vorstellen. Dabei soll auch die Rolle von CCS untersucht werden. luk
Extremwetterereignisse werden infolge des Klimawandels häufiger auftreten. Die dadurch entstehenden Gefahren für die Sicherheit des europäischen Stromnetzes müssen die Betreiber künftig transparenter darstellen. Dazu hat die europäische Regulierungsagentur ACER in Ljubljana gestern den Verband der Übertragungsnetzbetreiber ENTSOE aufgerufen. Die EU-Behörde veröffentlichte am Mittwoch eine Bewertung des von ENTSOE vorgelegten zehnjährigen Netzentwicklungsplans.
Man könne nicht beurteilen, ob die Widerstandsfähigkeit des Systems gegen die Auswirkungen des Klimawandels im Entwurf für den Netzentwicklungsplan für den Stromsektor ausreichend berücksichtigt wurde, teilte die Agentur mit. Auch die Resilienz des Stromnetzes bei Extremwetterereignissen sei unzureichend dargestellt.
Die Stromversorgung kann laut Umweltbundesamtes auf mehrere Arten durch Extremwetterereignisse eingeschränkt werden. Die Netzinfrastruktur könne durch Starkregen, Hochwasser und Stürme beschädigt werden. “Hohe Temperaturen verschlechtern zudem die Übertragungskapazität von Hochspannungsleitungen. Trockenheit im Erdreich kann bei Erdkabeln dazu führen, dass die Wärme nicht abströmen kann und sich die Energieverteilung staut”, schreibt die Behörde.
Die Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel müssen die Netzbetreiber gemäß der TEN-E Verordnung zu transeuropäischer Energieinfrastruktur bei ihrer Ausbauplanung berücksichtigen. Den zehnjährigen Netzentwicklungsplan legt ENTSOE alle zwei Jahre vor. Er dient auch als Grundlage für die nationalen Ausbaupläne für die Stromübertragungsnetze. Anlass für den Bau neuer Stromautobahnen sind unter anderem die Anbindung neuer Offshore-Windparks und eine bessere europäische Vernetzung der nationalen Strommärkte. ber
Ajay Banga ist der von US-Präsident Joe Biden vorgeschlagene Kandidat für die Leitung der Weltbank. Dass er das Amt bekommen wird, ist damit so gut wie sicher. Banga soll die Nachfolge von David Malpass antreten, den Bidens Vorgänger Donald Trump ausgewählt hatte, und der Ende Juni ein Jahr vor Ablauf seiner fünfjährigen Amtszeit zurücktritt. Malpass war heftig kritisiert worden, weil er sich geweigert hatte, den Einsatz fossiler Brennstoffe als Ursache des Klimawandels zu benennen.
Banga hingegen wird für seine Haltung zum Klimawandel sowie für seine Erfahrung im Finanzsektor gelobt. Er war mehr als 25 Jahre lang in leitenden Positionen bei Banken wie Citigroup und Mastercard tätig, bevor er stellvertretender Vorsitzender von General Atlantic wurde, einer privaten Beteiligungsgesellschaft. “Ajay hat seine Fähigkeiten als Manager großer Institutionen unter Beweis gestellt und versteht sich auf Investitionen und die Mobilisierung von Kapital, um den grünen Wandel voranzutreiben”, erklärte der US-Sonderbeauftragte für Klimafragen, John Kerry, auf Twitter.
Während seiner Zeit bei Mastercard betrachtete der 63-jährige Banga die Belange des Klimawandels durch eine geschäftliche Brille. “Ich habe es schon einmal gesagt und werde es wieder sagen: Wirtschaft ist keine Philanthropie“, schrieb er im Jahr 2020. “Jede sozial oder ökologisch verantwortliche Initiative, die wir ergreifen, muss einen klaren Bezug zu unserem Geschäft haben.”
Als gebürtiger Inder bringt Banga auch die Perspektive eines Landes ein, das von der Entwicklungsfinanzierung profitiert. “Heute bin ich Amerikaner, aber ich bin dort aufgewachsen, wo die Praxistauglichkeit unserer Ideen sich entscheidet, im Globalen Süden”, sagte er Anfang März gegenüber Reportern.
Einige Umweltgruppen äußerten dennoch Bedenken gegenüber seiner Nominierung: Banga habe nur wenig Erfahrung im öffentlichen Sektor, seine früheren Arbeitgeber hätten in großem Umfang in fossile Brennstoffe investiert, und seine Rhetorik in Bezug auf den Klimawandel habe bislang nicht zu vielen Taten geführt.
Die Weltbank spielt eine wichtige Rolle bei der globalen Reaktion auf den Klimawandel. Im vergangenen Jahr verwaltete sie Finanzmittel in Höhe von über 115 Milliarden Dollar für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, darunter 31,7 Milliarden Dollar für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen.
Sie hat aber auch auch weiterhin die Entwicklung fossiler Brennstoffe finanziert. Zwischen 2018 und 2020 vergab sie dafür Darlehen in Höhe von 5,7 Milliarden Dollar. Zuletzt forderten einige Entwicklungsländer mehr Finanzmittel für die Ausbeutung ihrer eigenen fossilen Brennstoffreserven, nachdem reichere Länder ihr Versprechen gebrochen hatten, saubere Energie zu unterstützen.
Die Bank selbst hat Ende 2022 einen “Entwicklungsfahrplan” veröffentlicht, in dem sie darlegt, wie sie dem Klimawandel künftig besser begegnen möchte. Daneben gibt es weitere Reformideen, über die man auf der anstehenden Frühjahrstagung von IWF und Weltbank beraten wird.
Banga sagte, er glaube, dass die Bank ihren Auftrag erfüllen könne, die Armut zu bekämpfen und gleichzeitig den Klimawandel abzuschwächen. “Ich denke, dass es ein falsches Argument ist, entweder oder zu sagen”, sagte Banga gegenüber Axios. “Ich habe die Absicht, die Bank und ihre Mitarbeiter auf die Idee auszurichten, dass es sich um eine miteinander verwobene Herausforderung handelt.”
Zusammen mit seiner Frau Ritu engagiert sich Banga auch in der Philanthropie, unter anderem im Kampf gegen gesundheitliche Ungleichheiten und in einer Initiative zur Unterstützung von Unternehmen in unterrepräsentierten Märkten. Das Paar hat zwei Töchter.
Derzeit wirbt der Kandidat auf einer weltweiten Vorstellungstour um Unterstützung. In Afrika, Asien und Lateinamerika trifft er sich mit hochrangigen Regierungsvertretern zu Gesprächen. Zwar nominieren traditionell die USA den Präsidenten der Weltbank. Aber der Verwaltungsrat der Bank muss zustimmen. Bislang wurde Bangas Botschaft gut aufgenommen. Umair Irfan