zum internationalen Frauentag erscheint unser Climate.Table einen Tag früher als sonst und mit einem Schwerpunkt auf das Thema “Frauen und Klima”. Das ist kein “Gender-Wahn”, sondern Einsicht in die Fakten: Echten Klimaschutz gibt es nur, wenn alle mitreden und mitentscheiden können.
Wir breiten deshalb aus, wie eine feministische Klimapolitik aussehen soll. Wir stellen die zehn wichtigsten Frauen auf der Klimabühne vor. Wir zeigen, wie die COPs immer noch männerzentriert sind und die Klimapläne vieler Länder Frauen vergessen. Und wir stellen eine großartige Wissenschaftlerin vor, die feministische Klimapolitik vorantreibt.
Daneben präsentieren wir Hintergründe zur Wahl und Klimapolitik in Nigeria. Außerdem schreiben wir über Hoffnungszeichen: Das neue UN-Abkommen zum Ozeanschutz kann auch ein Erfolg für das Klima werden; Baden-Württemberg will Geld so anlegen, dass das Paris-Abkommen eingehalten wird; das entscheidende Gremium zum “Loss and Damage”-Fonds auf UN-Ebene ist endlich arbeitsfähig; Vanuatu wird den Klimawandel international vor Gericht bringen.
So viele Gründe, den Climate.Table zu lesen. Und bald auch zu hören und zu sehen: Am 23. März um 12 Uhr mittags werde ich als Redaktionsleiter Jennifer Morgan zum Live-Gespräch bei Table.Media begrüßen. Mit der Klima-Staatssekretärin im Auswärtigen Amt wollen wir vorausblicken auf ein spannendes Jahr: Weltbank-Reform, IPCC-Bericht, Petersberger Klimadialog, Global Stocktake, COP28 und vieles mehr. Schalten Sie sich hier gern dazu und sagen Sie es weiter!
Schließlich: Wenn Ihnen der Climate.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Behalten Sie einen langen Atem!
Noch ist die deutsche Klimaaußenpolitik-Strategie, federführend vorangetrieben vom Auswärtigen Amt (AA), nicht fertig. Ende März könnte sie veröffentlicht werden. Eins ist jetzt schon klar: Sie wird eingebettet sein in die Leitlinien einer feministischen Außenpolitik, die Außenministerin Annalena Baerbock in der vergangenen Woche der Öffentlichkeit vorgestellt hat – gemeinsam mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze, deren Haus künftig ebenfalls eine feministische Strategie verfolgt (Climate.Table berichtete).
Die beiden Ministerien planen mehr als bloße Frauenförderung. Feministische Politik bedeute, ungerechte Machtstrukturen zu verändern, teilt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit. Feministische Außenpolitik wolle “erreichen, dass alle Menschen die gleichen Rechte genießen“, schreibt die Außenministerin. Gesellschaften, die das anstrebten, seien “friedlicher, gerechter, nachhaltiger und wirtschaftlich erfolgreicher”.
Das hat auch Auswirkungen auf die Klimaaußenpolitik. Beide Ministerinnen wollen durch ihren feministischen Ansatz die Rechte von Frauen stärken, beispielsweise das Recht auf Bildung; Frauen einen besseren Zugang zu Ressourcen verschaffen, von denen sie bislang häufig ausgeschlossen sind; und die Repräsentanz von Frauen in politischen Ämtern oder Entscheidungsgremien erhöhen. Daneben haben beide Häuser angekündigt, ihre Budgets stärker nach feministischen Kriterien auszurichten und den Anteil der Frauen in Führungspositionen auch intern zu erhöhen.
Ein Grund, Frauen – und andere marginalisierte Gruppen – auch in der Klimapolitik besonders in den Blick zu nehmen: Sie leiden oft besonders unter der Erderwärmung. Das zeigen fünf Beispiele aus dem jüngst erschienenen Climate Inequality Report 2023:
So kann die Erderwärmung bestehende Ungerechtigkeiten noch verschärfen. Sheena Anderson ist beim Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP) in Berlin zuständig für Klimagerechtigkeit und Klima-Außenpolitik. Sie sagt: Eine Klimapolitik, die das nicht im Blick habe, könne marginalisierte Gruppen noch weiter ins Abseits drängen. Eine feministische Politik habe zum Ziel, das zu vermeiden.
Laut CFFP kann eine internationale Klimapolitik, die Gender-Aspekte berücksichtigt, den Übergang zu einer klimafreundlichen Gesellschaft beschleunigen. Sie kommt allen zugute – und sie erfüllt darüber hinaus die Verpflichtungen aus internationalen Vereinbarungen, beispielsweise innerhalb der UNFCCC.
“Ohne Feminismus kann es keine Klimagerechtigkeit geben”, sagt Anderson. “Die Klimakrise trifft marginalisierte Menschen besonders stark. Feminismus bedeutet, gerade sie in die Suche nach Lösungen mit einzubeziehen.” Dadurch könne bisher unbeachtetes Wissen nutzbar werden.
Auch das BMZ verweist in seinen Leitlinien darauf, dass “beispielsweise indigenes Wissen bis heute nicht angemessen in Lösungen für die Klimakrise einbezogen wird”. Grund sei “die Abwertung von Wissens- und Bildungssystemen im Zuge des Kolonialismus” – ein Teil der ungerechten Machtstrukturen, die eine feministische Politik verändern soll.
Es gelte, das Wissen von Frauen “in der Landwirtschaft, im Management natürlicher Ressourcen und in der Energienutzung zu nutzen”, sagt eine Sprecherin des BMZ gegenüber Climate.Table. In Projekten in den Partnerländern wolle man Frauen deshalb “gezielt fördern und gleichberechtigt einbinden”.
Dann seien Klimaschutzprojekte erfolgreicher: Zum Beispiel in Sambia, wo Frauen besonders geschult wurden, um die lokale Wasserversorgung zu verbessern; in Nepal, wo Frauen sich organisiert und sich so das Recht auf Landbesitz erkämpft haben; oder im Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken, in dem das Ministerium sich für eine starke Rolle von Frauen engagiere. Bisher allerdings, räumt die Sprecherin ein, “entscheiden in den meisten Partnerländern hauptsächlich Männer. Es geht darum, bestehende Machtstrukturen zu verändern und Frauen sichtbar zu machen”.
CFFP-Expertin Sheena Anderson gibt fünf Beispiele, wie feministische Ansätze die Klimapolitik gerechter machen könnten:
Eine feministische Politik, die alle Dimensionen der Benachteiligung im Blick haben will, muss laut CFFP viele Faktoren in Betracht ziehen. Unter anderem:
Gina Cortés sagt: Eine wahrhaft feministische Klimapolitik muss aus den Regionen entwickelt werden, gemeinsam mit den Menschen, die dort leben. Die Kolumbianerin Cortés ist Gender- und Klimapolitikmanagerin der Organisation Women Engage for a Common Future (WECF), die sich gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in den UNFCCC-Prozess einbringt. Gemeinsam mit Bridget Burns, der Direktorin der globalen Frauenrechtsorganisation WEDO mit Sitz in New York, ist Cortés offizielle Ansprechpartnerin (“Focal Point”) der Women’s and Gender Constituency (WGC) der UNFCCC.
“Der Klimawandel trifft uns alle unterschiedlich, je nach Gender, Klassenzugehörigkeit, Ethnie und Hautfarbe”, sagt Cortés. “Deshalb gibt es nicht den einen Feminismus. In Asien ist er anders als in Lateinamerika oder Afrika.” Darum müsse eine feministische Klimapolitik die regionalen Besonderheiten berücksichtigen.
Für Cortés ist feministische Politik eine Antwort auf das existierende kapitalistische, extraktivistische, neokolonial geprägte Wirtschaftsmodell. Eine feministische Klimapolitik bedeute, dieses Modell zu überwinden, statt es unter klimafreundlichen Vorzeichen zu wiederholen, sagt sie. Dazu gehöre beispielsweise ein Schuldenerlass.
“Feministische Klimapolitik muss dekolonisierend sein, antirassistisch und intersektional. Sonst wird sie nicht funktionieren”, sagt Cortés. “Wir müssen beginnen zu verstehen, dass es andere Wege zu einem guten Leben gibt als innerhalb des bestehenden Modells”: etwa auf der Grundlage einer solidarischen, ökologischen Wirtschaftsweise, die zwischenmenschliche Beziehungen stärke und auch Raum lasse für Spiritualität.
“Eine andere Welt ist möglich”, sagt Cortés. Doch stattdessen sieht sie die Gefahr, dass Europa statt der Kohle in Zukunft erneuerbare Energien aus Ländern wie Kolumbien importiert – und auch dabei keine Rücksicht auf die ortsansässige indigene Bevölkerung nimmt, nur um den eigenen Lebensstandard zu halten. Sie fragt: “Derzeit hat Deutschland sogar die Kohleimporte aus Kolumbien erhöht. Wie passt das zur feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik?”
Am 1. Juni übernimmt Spanien die EU-Ratspräsidentschaft. Damit führt eine der “besten Expertinnen für internationale Klimaverhandlungen” die EU zur COP28. Die spanische Ministerin für Energie, Umwelt und Klimawandel war schon als Staatssekretärin für Klimawandel (2008-2011) an den Verhandlungen vor der gescheiterten Kopenhagener Konferenz 2009 beteiligt. Die Juristin hatte verschiedene Positionen im spanischen Ministerium für öffentliche Arbeiten, Verkehr und Umwelt inne (1996-2004), bevor sie Generaldirektorin für Klimafragen wurde (2004-2008). Von 2014 bis 2018 leitete Ribera den Pariser Thinktank IDDRI, ehe sie wieder in die sozialistische Regierung in Madrid wechselte. Riberas Verhandlungsführung gilt als offen, kommunikativ und hart in der Sache.
Der Einsatz für Umwelt und Gerechtigkeit kann gefährlich sein: Das erlebte Syeda Rizwana Hasan Ende Januar, als sie und ihr Team im Süden von Bangladesch angegriffen und ihre Fahrzeuge mit Steinen beworfen wurden. Die Anwältin war vor Ort, um ein umstrittenes Bauvorhaben zu begutachten. International hat Hasan nicht die Klimadiplomatie, sondern das Recht gewählt, um den Ausstoß von Treibhausgasen zurückzudrängen: Die 55-Jährige ist Rechtsanwältin am Obersten Gerichtshof von Bangladesch und Vorstandsvorsitzende der Bangladesh Environmental Lawyers Association (BELA). Sie setzte sich unter anderem gegen den Bau von Kohlekraftwerken nahe der Sundarbans ein, dem größten Mangrovenwald der Welt. Ihr Ziel: Mit dem schärfsten juristischen Schwert gegen Klimasünder vorgehen – dem internationalen Strafrecht. Für ihr Engagement wurde sie im Jahr 2009 mit dem Goldman Environmental Prize ausgezeichnet.
Ihr Auftritt für die Verteidigung der Inselnationen hatte bereits bei der Weltklimakonferenz Ende 2021 in Glasgow einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Auf der Bühne in Sharm El-Sheikh, bei der UN-Vollversammlung und auf vielen internationalen Foren ist Mia Mottley, Premierministerin von Barbados und ehemalige Anwältin, inzwischen eine mächtige Stimme: Die karibische Politikerin verteidigte einen besseren Zugang der Länder des Globalen Südens zu internationalen Finanzmitteln und finanzielle Entschädigungen der großen Emittenten im Klimawandel. “Wenn ich Ihr Eigentum verschmutze, erwarten Sie, dass ich Sie entschädige”, sagte sie. Doch Mottley hat viel mehr angestoßen als nur die Forderung nach mehr Geld: Ihre Bridgetown Initiative zielt mit einer internationalen Allianz darauf ab, die großen Finanzplayer wie Weltbank, Internationalen Währungsfonds und die Entwicklungsbanken auf Klimakurs zu bringen: keine Finanzierung mehr für Fossile, mehr Geld und Gerechtigkeit für die Opfer des Klimawandels, schnelle Hilfen bei Katastrophen. Mottley will die großen Hebel bewegen.
Die Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im deutschen Außenministerium ist eine echte Insiderin auf der internationalen Klimabühne. Kein Wunder: Sie ist seit Anfang der COPs immer dabei gewesen. Vor ihrem Rollenwechsel in die offizielle Klimapolitik arbeitete die studierte Politologin und Germanistin unter anderem für den WWF, E3G, die Klimaschutzgruppe CAN, das Potsdam-Institut PIK und das World Resources Institute. 2016 wurde sie Chefin von Greenpeace International – auch hier nutzten ihr ein großes Netz an Bekannten und informellen Begegnungen ebenso wie das klare Wort. Schon als Aktivistin hatte Morgan auch immer ein offenes Ohr für Gegenpositionen, war eher Diplomatin als Radikale. Morgan wurde in den USA geboren und lebt seit 2003 in Deutschland, ehe sie 2021 rechtzeitig zu ihrer Ernennung zur Staatssekretärin deutsche Staatsbürgerin wurde.
Die 20-Jährige ist die bekannteste Klimakämpferin der Welt. Alles begann, als sie 2018 im Alter von 15 Jahren vor dem schwedischen Parlament ihren “Schulstreik für das Klima” begann, um die Regierung zur Einhaltung der Klimaziele zu drängen. Ihre kleine Kampagne inspirierte Tausende von jungen Menschen auf der ganzen Welt, ihre eigenen Streiks zu organisieren – und führte weltweit auch zu viel Hass auf sie. Bis Dezember 2018 schlossen sich mehr als 20.000 Schülerinnen und Schüler – von Großbritannien bis Japan – ihrem Protest an und schwänzten die Schule. Ein Jahr später erhielt sie die erste von drei Nominierungen für den Friedensnobelpreis für ihren Klimaaktivismus. Im Jahr 2019 segelte Thunberg auf einer Yacht über den Atlantik, um an einer UN-Klimakonferenz in New York teilzunehmen. Wütend warf sie den Staats- und Regierungschefs vor, nicht genug zu tun. “Ihr kommt alle zu uns jungen Menschen, um Hoffnung zu schöpfen. Wie könnt ihr es wagen? Ihr habt meine Träume und meine Kindheit mit euren leeren Worten gestohlen”, sagte sie.
Weltweit bekannt wurde die ugandische Fridays-for-Future-Aktivistin im Jahr 2020, weil sie unbekannt bleiben sollte: Ein Nachrichtenfoto, auf dem sie neben Greta Thunberg und anderen weißen Klimaaktivisten zu sehen war, wurde so beschnitten, dass Nakate nicht mehr zu sehen war. Ihre Reaktion, dass die Nachrichtenagentur “nicht nur ein Foto gelöscht hat, sondern einen Kontinent”, machte international Schlagzeilen. Seither gilt die 26-jährige Betriebswirtin, deren Vater Vorsitzender des Rotary-Clubs in Ugandas Hauptstadt Kampala war, als Stimme Afrikas für Klimagerechtigkeit. Die französischsprachige Tageszeitung Jeune Afrique wählte sie 2020 zu einer der 100 einflussreichsten Afrikanerinnen und Afrikaner. Sie hat das Rise Up Movement gegründet, um den Stimmen afrikanischer Klimaaktivistinnen und -aktivisten Gehör zu verschaffen, sowie ein Projekt zur Installation von Solaranlagen in ländlichen Schulen in Uganda. Vanessa Nakate ist auch die Autorin von “A Bigger Picture”, einem Manifest für integrative Klimaschutzmaßnahmen.
Seit 2014 ist Sharan Burrow Mitglied der Global Commission for the Economy and Climate, deren Vorsitz Ngozi Okonjo-Iweala, Nicholas Stern und Paul Polman gemeinsam innehaben. Aber vor allem in ihrer Funktion als Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) seit 2010 hat sie sich mit den Themen Frauen, Klima und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte einen Namen gemacht. Die Australierin mit der markanten Stimme und dem kratzbürstigen Humor betont auf den Fluren der internationalen Klimakonferenzen, dass die Erderwärmung in erster Linie die Ärmsten betrifft. Um Klimagerechtigkeit komme man nicht herum, so ihr Credo. Und wenn die Präambel des Pariser Abkommens “die Bedeutung des Konzepts der Klimagerechtigkeit für einige Kulturen bei der Bewältigung des Klimawandels” feststellt, dann hat Sharan Burrow ihren Teil dazu beigetragen.
Die Direktorin der Women’s Environment and Development Organization (WEDO) beschreibt sich als Feministin und Umweltaktivistin. Die Amerikanerin leitet eine globale Organisation an den Schnittstellen zwischen Geschlechtergleichstellung und Umweltgerechtigkeit. Seit mehr als einem Jahrzehnt konzentriert sich Burns darauf, die Gleichstellung der Geschlechter in der Klimapolitik auf globaler und nationaler Ebene voranzubringen. In ihrer Arbeit hat sie im Rahmen von WEDOs Vorzeigeprogramm Women Delegates Fund die Unterstützung und den Kapazitätsaufbau für Frauen aus dem Globalen Süden organisiert, damit sie als Teil ihrer nationalen Delegationen an UNFCCC-Konferenzen und Intersessions teilnehmen können.
Wie wäre es, wenn wir die Klimakrise anders angingen? Um zu handeln, sollten wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern eine gesunde Mischung aus Empörung und Selbstvertrauen zu großen Sprüngen an den Tag legen. Das ist die Kombination, die der Name des von der costa-ricanischen Diplomatin Christiana Figueres mitbetreuten Podcasts perfekt illustriert: “Outrage and Optimism” (Empörung und Optimismus). Als Galionsfigur im Kampf gegen den Klimawandel wird der ehemaligen Exekutivsekretärin des UNFCCC (2010-2016) – zusammen mit Laurence Tubiana – ein großer Anteil am Erfolg des Pariser Abkommens im Dezember 2015 zugeschrieben. Die Costa Ricanerin, die den öffentlichen, privaten und gemeinnützigen Sektor durchlaufen hat, war die erste Frau in diesem Amt und die erste Vertreterin des Globalen Südens. Sie kommt aus der bekanntesten politischen Dynastie Costa Ricas – sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder waren Präsidenten des Landes.
Während der COP21 war Laurence Tubiana eine der wichtigsten Personen. Sie gilt zusammen mit Christiana Figueres als eine der Architektinnen des Pariser Abkommens. Kein COP-Plenum, kein bilaterales Treffen des damaligen französischen Außenministers Laurent Fabius ohne seine Botschafterin für Klimaverhandlungen. Wegen eines schweren Sturzes von einem Reitpferd trug sie bei der Konferenz nur Turnschuhe – jeden Tag in einer anderen Farbe. Bis zur COP21 hatte sie den Pariser Thinktank IDDRI geleitet und sich dort für Dekarbonisierung starkgemacht – also den Abschied von der kohlenstoffbefeuerten Wirtschaftsweise, der letztlich im Pariser Abkommen festgeschrieben wurde. Derzeit leitet sie als Direktorin die European Climate Foundation und ist damit immer noch auf der Klimabühne präsent – als jemand, der sich und andere vernetzt, Ideen gibt und die Politik antreibt.
Bola Ahmed Tinubu wurde von der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission (INEC) zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Nigeria erklärt, nachdem er 35,2 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten hatte. Auf ihn warten große Aufgaben: Er muss eine kränkelnde Wirtschaft wiederbeleben, Arbeitsplätze schaffen, die Armut verringern, die Inflation eindämmen, die weit verbreitete Unsicherheit bekämpfen und Gleichheit, Fairness und Gerechtigkeit durchsetzen, um eine polarisierte Nation zu einen. Und sich mit den Folgen der Klimakrise befassen.
Im Wahlkampf ging es vor allem um sozialpolitische und wirtschaftliche Reformen. Der Klimawandel wurde in den Wahlprogrammen der Kandidaten relativ stiefmütterlich behandelt, obwohl Nigeria unter den Auswirkungen des Klimawandels leidet. Sie untergraben die Entwicklung des Landes und bedrohen die Lebensgrundlage von Millionen von Nigerianerinnen und Nigerianern. Nigeria steht bei der Anfälligkeit gegen Klimarisiken weltweit an Stelle 53 – aber bei den Möglichkeiten, sich an den Wandel anzupassen, nur auf der 179. Position.
In Tinubus Manifest Renewed Hope 2023 wird der Klimawandel als eine der wichtigsten Herausforderungen für Nigerias Landwirtschaft genannt. Als Gegenmaßnahmen will Tinubu die landwirtschaftliche Produktivität steigern und die Große Grüne Mauer vollenden. Das ist die Vorzeigeinitiative Afrikas von Waldpflanzungen zur Bekämpfung von Klimawandel und Wüstenbildung und für mehr Ernährungsunsicherheit und Armutsbekämpfung.
Gleichzeitig betont Tinubu in dem Manifest, die Rohölproduktion bis 2030 auf vier Millionen Barrel am Tag zu steigern und die Gasproduktion um 20 Prozent zu erhöhen. Der Erdölsektor ist mit etwa 65 Prozent des Haushalts die Haupteinnahmequelle des nigerianischen Staates und brachte im Jahr 2022 rund 24,5 Milliarden US-Dollar ein. Der Beitrag des Sektors zum Bruttoinlandsprodukt war mit nur 4,3 Prozent des gesamten realen BIP im vierten Quartal 2022 allerdings gering.
Die wichtigsten Energiequellen in Nigeria sind erneuerbare Energien (47 Prozent) und Erdöl (41 Prozent). Der nigerianische Plan für die Energiewende sieht vor, bis 2050 insgesamt 57 Prozent des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken, während der Anteil des Erdöls auf 33 Prozent sinken soll. Tinubus Plan für erneuerbare Energien basiert auf Nigerias Verpflichtung zur Kohlenstoffneutralität bis 2060. Er will die Solarenergie durch Netzanbindung und Mini-Grids fördern.
Der Präsident ist auch in der nigerianischen Klimapolitik die zentrale Figur. Klimamaßnahmen werden weitgehend von der Bundesregierung koordiniert. Alle klimapolitischen Maßnahmen, einschließlich der NDC-Klimapläne, müssen vom Kabinett, dem “Federal Executive Council” unter Vorsitz des Präsidenten, genehmigt werden. Immerhin ist eine beträchtliche Anzahl von Nigerianern der Meinung, dass die Regierung mehr tun muss, um den Klimawandel zu begrenzen; dennoch schneidet das Land im Environmental Performance Index (EPI) 2022 in der Kategorie “Klimapolitik” weiterhin schlecht ab.
Tinubu muss aber nicht bei Null anfangen. Der Climate Change Act 2021 soll das Land auf eine langfristige Perspektive festlegen. Das Gesetz ist die erste eigenständige, umfassende Gesetzgebung zum Klimawandel in Westafrika und eine von wenigen vergleichbaren Gesetzgebungen in der Welt. Das Gesetz umfasst frühere klimapolitische Maßnahmen, darunter die NDCs, die nationale Klimaschutzpolitik, nationale Klimaschutzprogramme und die langfristige Vision für ein emissionsarmes Nigeria im Jahr 2050.
Mit dem Klimaschutzgesetz wird der Nationale Rat für Klimawandel (National Council on Climate Change, NCCC) eingerichtet. Vorsitzender wird der Präsident, Mitglieder werden Vertreter des öffentlichen und privaten Sektors. Das soll das Problem angehen, dass bisher auf subnationaler Ebene und im Privatsektor kaum Ressourcen für Klimaschutz oder Anpassung mobilisiert werden. Der Rat soll als Sekretariat für die Umsetzung der Klimaschutz-Aktionspläne dienen.
Der Climate Action Tracker (CAT) stuft die nigerianischen Klimaziele und -maßnahmen als “fast ausreichend” ein: Mit moderaten Verbesserungen könnten also die Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen erreicht werden. Nötig dazu sind strategisches Denken auf wissenschaftlicher Grundlage und praktikable Lösungen. Dazu braucht es langfristige öffentliche Investitionen in Forschung und Bildung und den Aufbau hochwertiger Infrastruktur, um kohlenstoffarme Entwicklungspfade einzuschlagen.
International will Tinubu Nigeria als eine Stimme positionieren, die mehr Aufmerksamkeit der internationalen Politik zum Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Afrika einfordert. Tinubu erklärte in seinem Manifest vom Oktober 2022 auch, dass Afrika und Nigeria nicht für Umweltschäden aufkommen sollten, die von anderen Nationen verursacht werden. Dieser Aussage wurde dann durch den Beschluss der COP27, einen Fonds für Verluste und Schäden einzurichten, teilweise der Wind aus den Segeln genommen. Vor der COP28 wird Nigeria nun daran mitarbeiten, Klimagerechtigkeit beim Thema “Loss and Damage” voranzubringen.
Der Umbau zu einem kohlenstoffarmen, klimaresistenten Nigerias ist mit Kosten verbunden, die weit über die Möglichkeiten des Landes hinausgehen. Die Regierung muss dafür bestehende und geplante Kapitalströme von kohlenstoffintensiven zu kohlenstoffarmen Infrastrukturen umleiten, etwa bei erneuerbaren Energien, Aufforstung und nachhaltiger Landwirtschaft. Auch muss die Regierung Marktmängel und institutionelle Hindernisse angehen, die private Klimafinanzierung behindern.
Die Einigung der UN-Länder auf ein Abkommen zum Meeresschutz (UNCLOS) am vergangenen Wochenende gilt als historischer Fortschritt im globalen Umweltschutz – und könnte auch für den Klimaschutz Fortschritt bringen. “Das Schiff hat die Küste erreicht”, sagte Konferenzpräsidentin Rena Lee nach einem 38-stündigen Verhandlungsmarathon am Schluss der zweiwöchigen Konferenz.
Aus Klimasicht ist das neue Abkommen in einigen Aspekten relevant:
Das nun ausgehandelte Abkommen zur Implementierung der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) schafft erstmals die Möglichkeit, Gebiete in der Hochsee unter Schutz zu stellen und dort Fischfang oder Unterwasserbergbau zu verbieten. Die Hochsee umfasst alle Meeresgebiete außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone der Staaten von 200 Seemeilen (370 Kilometer) und macht zwei Drittel der Meeresfläche und knapp die Hälfte der Erdoberfläche aus.
Solche Schutzgebiete nützen nicht nur der Artenvielfalt, sondern indirekt auch dem Klima. Denn dadurch werden die Meere als Ökosysteme widerstandsfähiger. In der Klimakrise erwärmen sich die Ozeane und nehmen mehr CO₂ auf, was sie saurer macht. Extensiver Fischfang, Überdüngung in Küstennähe und Plastikmüll schwächen das System weiter. Großflächige Schutzgebiete können diesen Druck reduzieren und die Funktion der Ozeane stärken.
Für die globalen Artenschutzziele, die die Biodiversitäts-COP15 im letzten Dezember vereinbart hat, sollen bis 2030 Schutzgebiete ausgewiesen werden, die 30 Prozent der Land- und Meeresfläche abdecken. Das ist nun möglich, loben Umweltorganisationen: “Dies ist ein historischer Tag für den Naturschutz und ein Zeichen dafür, dass in einer geteilten Welt der Schutz der Natur und der Menschen über die Geopolitik triumphieren kann”, sagt Laura Meller von Greenpeace. Auch in der Klimapolitik werden immer wieder Zweifel laut, ob die multilaterale Politik unter dem Dach der Vereinten Nationen überhaupt noch zu Ergebnissen führen kann. Hier ist das UNCLOS-Abkommen ein deutliches Hoffnungszeichen.
Das neue Abkommen könnte zudem die Emissionen aus dem Fischfang reduzieren: CO₂-Emissionen aus weiten Anfahrtswegen zu Hochseegebieten fallen weg, wenn dort nicht gefischt werden darf. Reduziert werden dadurch wohl auch Emissionen aus dem “Bottom Trawling”. Dabei werden Schleppnetze über den Meeresboden gezogen, was den Treibstoffverbrauch der Fischerboote um das 2,8-fache erhöht. Zudem wird Kohlenstoff freigesetzt, der im Meeresboden gespeichert ist. In “Bottom Trawling”-Gebieten enthält der Meeresboden 30 Prozent weniger Kohlenstoff als in ungestörten Gebieten. Die Sedimente in der Tiefsee sind der größte Kohlenstoffspeicher der Welt.
Außerdem könnte eine weitere Regel des neuen Abkommens dem Klima nutzen: Die dort geforderten Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten, die die Artenvielfalt bedrohen können. Derzeit werden beispielsweise verschiedene Methoden diskutiert, um die Speicherung von Kohlenstoff im Meeresboden künstlich zu beschleunigen, die nun wohl eine Prüfung voraussetzen. Im Gespräch sind folgende Methoden:
Umweltprüfungen stärken auch die Position der Internationalen Meeresschutzbehörde (ISA) beim Unterwasserbergbau. Bisher kann die Behörde Anträge auf Abbaulizenzen nicht pauschal ablehnen. Mit verpflichtenden Umweltprüfungen durch das neue Abkommen kann die ISA nun besser Umweltaspekte berücksichtigen.
Das könnte einerseits die Tiefsee als Kohlenstoffspeicher und Rückzugsor vieler Arten schützen. Andererseits kann die Umweltverträglichkeitsprüfung aber auch wichtige Metalle für die Energiewende schwerer zugänglich machen. Der Meeresboden ist an manchen Stellen reich an Metallen wie Mangan oder Kobalt.
Dieser Punkt ist schon diese Woche relevant, auch wenn das Abkommen noch nicht in Kraft ist. Seit Dienstag tagt die ISA in Kingston, Jamaika, dabei sollen Regeln für den Tiefseebergbau ausgearbeitet werden.
Das neue UNCLOS-Abkommen muss noch in einer Folgekonferenz formell verabschiedet werden. Es tritt in Kraft, sobald 60 Länder es ratifiziert haben. Für die Ausweisung von neuen Schutzgebieten braucht es keinen allgemeinen Konsens, sondern nur eine Dreiviertelmehrheit der Mitgliedsländer. So können nicht einige wenige Länder ein Schutzgebiet verhindern – eine Verabredung, die sich viele Umweltschützer auch für den UN-Klimaprozess wünschen.
08. März, 19.30 Uhr, Online
Webinar Women as Key Players in the Decentralised Renewable Energy Sector: Beneficiaries, Leaders, Innovators
Auf der Veranstaltung der International Renewable Energy Agency (IRENA) geht es um die Rolle von Frauen im Sektor der Erneuerbaren. Obwohl Frauen eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen, stehen sie in dem Sektor oft noch vor großen Herausforderungen. Infos
08. März, 19.30 Uhr, Brüssel/online
Diskussion EU Industry Talk mit EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Siegfried Russwurm diskutiert auf dem Event mit EU-Kommissar Thierry Breton darüber, wie Europa in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Unter anderem geht es in der Diskussion um die Rolle des Net-Zero Industry Act. Infos
09. März, 11 Uhr, Online
Webinar Key findings of the EEA report – Advancing towards climate resilience in Europe
Wie kann Europa robuster gegen die Folgen des Klimawandels werden? Das Webinar stellt die wichtigsten Punkte des Berichts “Advancing towards climate resilience in Europe” der European Environment Agency (EEA) vor. Infos
09. März, 16 Uhr, Augsburg/online
Vortrag Securing Urban Climate Resilience During the Transformation Towards Carbon Neutral Cities
Professor Stephan Barthel forscht zu dem Schwerpunkt urbane Nachhaltigkeit. In seinem Vortrag spricht er über Klimaresilienz in Städten. Infos
09. März, 17.30 Uhr, Online
Diskussion Kann die Kernfusion unser Klima retten?
Thomas Klinger, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (Greifswald), und Markus Roth, Mitgründer von Focused Energy Inc., diskutieren auf dieser Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung darüber, welche Rolle Kernfusion beim Klimaschutz spielen kann. Infos und Anmeldung
12. bis 14. März, Belo Horizonte, Brasilien
Tagung Deutsch-Brasilianische Wirtschaftstage 2023
Die Tagung fokussiert sich auf die bilateralen Beziehungen von Deutschland und Brasilien. Moderne Ansätze für Energie, Klima und Digitalisierung stehen im Mittelpunkt der Wirtschaftstage. Mehrere deutsche Bundesminister werden erwartet. Infos
14. März.,13 Uhr, Online
Webinar Clean hydrogen deployment in the Europe-MENA region from 2030 to 2050: A technical and socio-economic assessment
Produktion und Import von grünem Wasserstoff aus der MENA-Region in die EU haben ein großes Potenzial. Auf der Veranstaltung von ENIQ Frauenhofer wird die Studie “Clean hydrogen deployment” veröffentlicht und diskutiert. Infos
14. März, 18.30 Uhr, Online
Seminar Klima, Kohle und Kolumbien
Auf dem Event der Heinrich-Böll-Stiftung wird diskutiert, vor welchen Herausforderungen eine gerechte Energiewende in Kolumbien steht. Dabei wird unter anderem analysiert, wie sich die politischen Rahmenbedingungen unter dem neuen, linken Präsidenten Gustavo Petro verändert haben. Infos und Anmeldung
13.-15. März, Dublin
Konferenz Global Soil Biodiversity Conference
Auf der 3. Global Soil Biodiversity Conference treffen sich Experten und Expertinnen, um den aktuellen wissenschaftlichen Stand rund das Thema Biodiversität im Boden zu diskutieren. Infos
16. März, 9.30 Uhr, Online
Workshop Mobilität gestalten und Klima schützen
Mit dieser Auftaktveranstaltung startet das Nationale Kompetenznetzwerk für nachhaltige Mobilität (NaKoMo) eine Workshop-Reihe zu nachhaltiger Mobilität. Inhaltlich geht es um die Aktivitäten des Bundes beim Klimaschutz im Verkehr, die Perspektive der Wissenschaft sowie Impulse aus den Kommunen. Infos
Die Gender-Schere auf den UN-Klimakonferenzen schließt sich nur sehr langsam. Noch immer ist die COP von Männern dominiert. Die Delegationen der Vertragsparteien auf der COP27 in Sharm el Sheikh bestanden zu 63 Prozent aus Männern und nur zu 37 Prozent aus Frauen. Auf der ersten COP im Jahr 1995 war das Ungleichgewicht mit 88 zu 12 Prozent noch weitaus stärker ausgeprägt. Von einem Gleichgewicht ist die internationale Klima-Gemeinschaft aber auch fast 30 Jahre später noch weit entfernt.
Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Staaten. Die deutsche Delegation hatte jeweils 59 Frauen und Männer. Für die USA waren 79 Frauen und 59 Männer registriert, für die EU 48 Frauen und 70 Männer. Für Frankreich 67 Frauen und 119 Männer. Nordkorea (vier Delegierte) und Turkmenistan (fünf Delegierte) haben nur Männer auf die COP27 entsandt.
Dabei sind Frauen häufig stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen als Männer. Weil sie weniger Zugang zu Ressourcen haben, können sie sich weniger gut anpassen. Fehlen Frauen an den Verhandlungstischen und bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, gehen außerdem viel Wissen und Kenntnisse verloren, wie die heutige Analyse von Alexandra Endres eindrucksvoll zeigt. nib
Gender-Fragen kommen in den bei den UN hinterlegten Klimaplänen (NDCs) häufig nur am Rande vor. Das zeigt der Gender Climate Tracker der Women’s Environment & Development Organization (WEDO) aus New York. Die Zahl der Länder, die in ihren NDCs Frauenrechte oder Gender erwähnen, ist in den vergangenen Jahren zwar leicht gestiegen. Doch es gibt noch immer große Lücken:
Positiv sind die 2020 neu eingereichten NDCs von Grenada, Nepal, den Marshall-Inseln und Suriname, die Gender-Bezüge aufweisen:
Durch die Klimakrise drohen Deutschland bis 2050 bis zu 900 Milliarden Euro an wirtschaftlichen Schäden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK). Weltweit gehen ähnliche Berechnungen von Schäden in Höhe von 23 Billionen US-Dollar aus. Staaten des Globalen Südens könnten besonders stark betroffen sein, da sie über weniger Mittel verfügen, um sich anzupassen.
Für die Studie über Klimawandel-Kosten in Deutschland wurden insbesondere volkswirtschaftliche Kosten berechnet. Die Studienautoren rechnen mit:
Den drei Szenarien lassen sich nicht direkt Annahmen zur Erwärmung in Grad zuordnen, wie Alexandra Dehnhardt, Stellvertretende Leiterin des Forschungsfelds Umweltökonomie und Umweltpolitik am IÖW mitteilt. Sie spiegeln aber “literaturgestützte Annahmen zur Häufigkeit und Intensität der Extremwetterereignisse”.
Die Studie berücksichtigt nur monetär bewertbare Kosten, wie beispielsweise:
Immaterielle Schäden des Klimawandels wie beispielsweise durch Todesfälle oder Umweltkosten wie der Verlust der Artenvielfalt wurden nicht erfasst. Die Studie wurde vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), der Prognos AG und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) erarbeitet.
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Anpassungsstrategie und ein Klima-Anpassungsgesetz, sagte Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Umweltministerium bei der Vorstellung der Studie. Länder und Kommunen seien auf Dauer mit den Kosten überfordert. Ziel müsse es daher sein, die Anpassung als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz zu verankern, so Rohleder. Ausgaben für die Anpassung würden sich aber lohnen. Selbst in der Szenario-Berechnung für einen starken Klimawandel könnten mit der richtigen Anpassungsstrategie bis zu 60 Prozent der Kosten vermieden werden, so die Studie. Die Ergebnisse seien aber mit hoher Unsicherheit behaftet.
Weltweit werden die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels auf Billionen-Summen taxiert. Ein Bericht des Rückversicherers Swiss Re rechnete schon 2021 Kosten von 23 Billionen US-Dollar vor. Bis 2050 könnten durch den Klimawandel 11 bis 14 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung verloren gehen. Gelingt es, die Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, lägen die Verluste in den meisten Staaten hingegen bei unter fünf Prozent des BIP. Einer Studie der Beratungsfirma Oxford Economics zufolge, würde ein Temperaturanstieg von 2,2 Grad bis 2050 sogar zu einem globalen BIP-Verlust von bis zu 20 Prozent führen.
Laut Zahlen der Weltbank, der afrikanischen Entwicklungsbank und von UNEP könnten die Länder des Globalen Südens bis 2030 finanzielle Schäden in Höhe von 290 bis 580 Milliarden US-Dollar erleiden.
Ohne Loss and Damage-Finanzierung und eine angemessene Anpassungsfinanzierung müssen alleine die afrikanischen Staaten in den nächsten zehn Jahren eine Billion Euro zusätzlicher Schulden aufnehmen, sagt Sabine Minninger von Brot für die Welt. “Man kann davon ausgehen, dass viele dieser Staaten ohne die notwendigen Klimahilfen kollabieren werden, da sie die Klimakrise aus eigener Kraft nicht bewältigen können.” Die Referentin für Internationale Klimapolitik rechnet mit mehr Hunger, Armut, Flucht und kriegerischen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen. Dabei haben die meisten Menschen im Globalen Süden sehr wenig zur Klimakrise beigetragen, wie der Climate Inequality Report zeigt.
Direkt vergleichbar sind die aufgeführten Erhebungen nicht, da sie unterschiedliche Methodiken verwenden. Viele Kosten, die nicht direkt messbar oder versichert sind, werden teilweise gar nicht erfasst. nib
Der Inselstaat Vanuatu hat einen entscheidenden Schritt bei seinem Vorstoß gemacht, die Verantwortung für die Folgen des Klimawandels vor Gericht zu bringen. Anfang März verkündete das Land, es habe nun 105 Staaten als Unterstützer für seinen Antrag gefunden, den Internationalen Gerichtshof (ICJ) in Den Haag um eine juristische Einschätzung von Verantwortlichkeiten zum Klimawandel zu bitten. Damit scheint sich Vanuatu eine Mehrheit unter den Mitgliedern der UN-Vollversammlung gesichert zu haben.
Das Land will durch ein Gutachten (“Advisory Opinion”) klären lassen, welche Pflichten alle Staaten in der Klimakrise haben und wie Staaten für Klima- und Umweltschäden haftbar gemacht werden können. Die zweiseitige Beschlussvorlage will klären lassen: “Was sind die Verpflichtungen der Staaten unter diesen internationalen Gesetzen, um den Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt für aktuelle und künftige Generationen sicherzustellen?”
Als zweite Frage an den Gerichtshof formuliert der Antrag: “Was sind die juristischen Konsequenzen unter diesen Verpflichtungen für Staaten, die durch ihre Handlungen oder Unterlassungen dem Klima- und Umweltsystem beträchtlichen Schaden zugefügt haben?” Besondere Berücksichtigung sollten demnach kleine Inselstaaten und besonders verwundbare Länder finden, ebenso wie zukünftige Generationen.
Zu den 105 Unterstützern gehören wichtige Staaten wie Frankreich, Deutschland und viele weitere EU-Länder, Australien, Großbritannien, Mexiko, Vietnam, Bangladesch sowie viele afrikanische Länder und Inselstaaten. Nicht dabei sind etwa die USA, China, Südafrika, Indien oder Brasilien. Eine “Meinung” des ICJ bindet die Staaten nicht juristisch, könnte aber politisch und als Argument in vielen “Klimaklagen” seine Wirkung entfalten.
Für einen Beschluss reicht bei einer Abstimmung eine einfache Mehrheit in der Generalversammlung. Auf der COP27 in Sharm el Sheikh hatten über 80 Staaten Vanuatu ihre Unterstützung bei dem Projekt zugesagt (Climate.Table berichtete). Vanuatu hat wiederholt betont, es gehe nicht um Schadenersatz-Forderungen gegenüber den Industriestaaten. Der Außenminister des Landes Jothan Napat sagte: “Die Advisory Opinion des ICJ wird für alle Staaten unsere Verpflichtungen unter einer Reihe von internationalen Gesetzen, Verträgen und Abkommen klarstellen, damit wir mehr tun können, um verletzbare Menschen auf der ganzen Welt zu schützen.” bpo
Das wichtigste neue Gremium der internationalen Klimaverhandlungen für 2023 nimmt Ende März seine Arbeit auf: Das “Übergangskomitee” (Transitional Committee), das die Struktur für den “Loss and Damage“-Fonds vorbereitet, tritt vom 27. bis 29. März zum ersten Mal zusammen. Das hat das UN-Klimasekretariat jetzt verkündet. Das Treffen wird in Ägypten stattfinden, der Ort wird noch verkündet. Die Gruppe soll offiziell dreimal tagen, strebt aber zusätzlich mehrere informelle Treffen an.
Das Komitee war auf der COP27 im ägyptischen Sharm el Sheikh beschlossen worden, um die vielen ungeklärten Fragen zu lösen, die der überraschend beschlossene Fonds für “Verluste und Schäden” aufwirft. Darunter sind die Entscheidungen, wie ein solcher Fonds organisiert ist, nach welchen Kriterien Gelder ausgezahlt werden sollen und wer einzahlen wird.
Das Komitee besteht aus 24 Mitgliedern, 14 aus Entwicklungs- und Schwellenländern, zehn aus Industriestaaten. Die Besetzung des Gremiums, die eigentlich bis zum 15. Dezember 2022 abgeschlossen sein sollte, hatte sich immer wieder verzögert. Auch jetzt sind noch die zwei Plätze für die asiatischen Länder unbesetzt. Informell heißt es, dass dabei sieben Staaten Anspruch auf die zwei Plätze erheben.
Solche Konkurrenzen haben andere Staaten durch gemeinsame Besetzungen gelöst: Deutschland teilt seinen Sitz mit Irland, andere Paare sind Dänemark/Niederlande, Brasilien/Dominikanische Republik, Venezuela/Barbados und Chile/Kolumbien. Andere Mitglieder des entscheidenden Gremiums sind unter anderem Ägypten, Südafrika, Malediven, die USA, Kanada, die Vereinigten Arabischen Emirate, Australien und Sudan. bpo
Die Regierung Tansanias hat den Bau der lange geplanten East African Crude Oil Pipeline (EACOP) genehmigt. Tansania folgt damit Uganda, das die Ölleitung bereits im Januar beschlossen hatte. Die EACOP wird auch geplant, um eine Alternative zur weiter nördlich gelegenen Uganda-Kenya Crude Oil Pipeline zu schaffen. Die mehr als 1.400 Kilometer lange EACOP-Leitung wird Ölfelder am Albertsee im Nordwesten Ugandas mit der tansanischen Hafenstadt Tanga am Indischen Ozean verbinden. Der Bau soll 3,5 Milliarden Dollar kosten und von einem Konsortium des französischen Rohstoffkonzerns Total Energies, der China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) gemeinsam mit der staatlichen Uganda National Oil Company betrieben werden. Das erste Öl soll bereits 2025 fließen.
Klimaaktivisten kritisieren den Bau der neuen Ölleitung. Neben klimaschädlichen Emissionen befürchten die Gegner des Projekts auch die Zerstörung kritischer Ökosysteme und die Verdrängung zehntausender Menschen. Französische und ugandische Aktivistinnen und Aktivisten waren gegen die Beteiligung von Total Energies vor ein Pariser Gericht gezogen. Ihre Hoffnung, das Projekt mit Bezug auf das neue französische Lieferkettengesetz durch ein Grundsatzurteil zu stoppen, war allerdings als unzulässig abgewiesen worden. Arne Schütte
Keine Rendite auf Kosten von Umwelt und Menschen – unter diesem Slogan hat der Landtag von Baden-Württemberg am vergangenen Donnerstag das Gesetz für Nachhaltige Finanzanlagen des Landes verabschiedet. Es gilt für rund 17 Milliarden Euro, die in den Versorgungskassen des Landes liegen und von diversen Stiftungen verwaltet werden.
Mit dem Gesetz möchte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) auch ein Signal in Richtung Bundesregierung senden. “Wir wollen mit unserer Strategie Vorbild sein für andere staatliche Anleger, insbesondere auch für den Bund bei seiner Aktienrente“, sagte Bayaz zu Table.Media. Welche Nachhaltigkeitskriterien die von Finanzminister Christian Lindner verfolgte Aktienrente enthalten wird, ist noch offen.
Konkret sehen die neuen Regeln des Landes Baden-Württemberg vor, dass Finanzanlagen künftig 1,5-Grad kompatibel investiert werden. Um das zu erreichen, verpflichtet sich das Land der Paris-Aligned-Benchmark-Regulierung der EU.
Diese sieht unter anderem vor, dass die Unternehmen innerhalb des Portfolios im Schnitt 50 Prozent geringere CO₂-Emissionen haben als ein Vergleichsindex. In den Folgejahren müssen die investierten Unternehmen ihren Treibhausgasausstoß um jeweils mindestens sieben Prozent herunterfahren.
Zusätzlich hat das Land eine Reihe von Ausschlusskriterien definiert, darunter beispielsweise:
Das Finanzministerium von Baden-Württemberg rechnet mit Umschichtungen in substanzieller Höhe: Im Bereich der Pensionsvermögen, die aktuell zehn Milliarden Euro verwalten, müssten ein Fünftel der Gelder neu und anders investiert werden. vvo
Die alljährliche COP ist der Höhepunkt des Klimakalenders. Da die Emissionen jedoch weiter ansteigen und sich die Auswirkungen des Klimawandels verschlimmern, ist es an der Zeit zu fragen, was der COP-Prozess wirklich erreicht und wie er überarbeitet werden kann. Es muss sichergestellt werden, dass er dazu beiträgt, die globale Erhitzung auf ein für die Menschheit sicheres Level zu begrenzen.
Untersuchungen zeigen, dass die weltweiten Emissionen bis 2030 um etwa 50 Prozent gesenkt werden müssen, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, und dass sie in jedem Jahrzehnt um weitere 50 Prozent gesenkt werden müssen, um bis 2050-2060 eine Weltwirtschaft ohne Treibhausgasemissionen zu erreichen. Es besteht ein dramatisches und inakzeptables Missverhältnis zwischen dem, was die COP erreichen muss, und der Trägheit, die sie bei den Vertragsparteien auslöst. Die Gap-Berichte der UNEP bestätigen das.
Das Pariser Abkommen wurde zu Recht für seinen Ehrgeiz und sein Engagement gelobt, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie möglichst bei 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu stoppen. Die Verwirklichung dieses Ziels schreitet jedoch nur schleppend voran. Es hat sieben Jahre gedauert, die Bestandteile des Pariser Abkommens fertig zu stellen – der letzte war die Einigung über Schäden und Verluste, die letztes Jahr auf der COP27 erzielt wurde.
Die konsensbasierte COP-Struktur ist anfällig für lethargische, schrittweise Fortschritte. Der derzeitige COP- und Präsidentschaftsprozess wird nicht dazu führen, dass Klimaschutzmaßnahmen in dem Tempo durchgeführt werden, das erforderlich ist, um die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung zu vermeiden und eine gerechtere, sauberere Welt für alle zu schaffen.
Aus diesem Grund habe ich zusammen mit einer Reihe von Experten, Wissenschaftlern und führenden Politikern – darunter Laurence Tubiana, ehemalige französische Klimabotschafterin und Geschäftsführerin der European Climate Foundation, Mary Robinson, ehemalige Präsidentin Irlands und UN-Sonderbeauftragte für den Klimawandel, und Ban Ki-moon, ehemaliger Generalsekretär der Vereinten Nationen – einen Brief unterzeichnet, in dem António Guterres und der Exekutivsekretär des UNFCCC Simon Stiell aufgefordert werden, den COP-Prozess zu reformieren.
In unserem Schreiben heben wir sechs Punkte hervor, die die Grundlage für eine Reformagenda des COP-Prozesses bilden könnten:
In dieser Zeit der vielen Krisen konzentrieren sich die Regierungen verständlicherweise auf kurzfristige Lösungen. Aber wenn wir heute die richtigen Hebel für den Wandel ansetzen, hat die Welt eine gute Chance, weitere Pandemien, Kriege und eine katastrophale globale Erwärmung abzuwenden.
Wenn die Vereinten Nationen es versäumen, die Umsetzung in den Mittelpunkt der COP-Gipfel zu stellen, wird die Welt die Emissionen nicht im Einklang mit dem Pariser Abkommen reduzieren, und es wird schwieriger, wenn nicht gar unmöglich werden, eine nachhaltige, gerechte und gesunde Erde für alle zu gewährleisten.
Dieser Wandel muss bei den Vorbereitungen für die COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten in diesem Herbst in den Vordergrund rücken. Führungsstärke ist mehr denn je gefragt; ein weiterer Aufschub ist keine Option.
Sandrine Dixson-Declève ist eine belgische Umweltwissenschaftlerin und Expertin für Energiepolitik. Sie hat insbesondere europäische Regierungen und internationale Organisationen wie die OECD und die UN in Fragen des Klimawandels und einer sauberen Energieversorgung beraten. Seit Oktober 2018 leitet sie gemeinsam mit der Südafrikanerin Mamphela Ramphele den Club of Rome. Ihr Standpunkt ist eine überarbeitete Version eines offenen Briefs für eine COP-Reform.
Valérie Masson-Delmotte ist schwer zu erreichen. Denn die Paläoklimatologin und Forschungsdirektorin am staatlichen Forschungszentrum für Kernenergie “Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien” (CEA) wird mit Anfragen überhäuft. Die Spezialistin für “Klimaveränderungen in der Vergangenheit” wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und vom Time Magazine als eine der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres 2022 eingestuft.
Seit ihrer Ernennung zur Co-Vorsitzenden der Gruppe I des Weltklimarats (IPCC) im Jahr 2015 reiht die 50-jährige Wissenschaftlerin Fernseh- und Radiosendungen, Schulungen für Politiker und Beamte, Auftritte bei Festivals, lange Threads auf Twitter und das Verfassen und Korrekturlesen von Berichten und Artikeln aneinander.
Vieles davon hätte Masson-Delmotte nicht mehr machen können, wenn sie in Macrons Regierung eingetreten wäre. Das Angebot lag nach Macrons Wiederwahl im Frühjahr 2022 auf dem Tisch, die Klimawissenschaftlerin lehnte es aber ab. Dabei ist ihr politisches Engagement nicht fremd. Masson-Delmotte war zwischen 2008 und 2014 Gemeinderätin (parteilos) in ihrer kleinen Gemeinde Villejust (Essonne), in der Nähe von Paris. Wenige Monate nachdem sie die Mitarbeit in der Regierung abgelehnt hatte, im Herbst 2022, folgte sie aber der Einladung des Élysée, vor dem französischen Präsidenten und der gesamten Regierung zu sprechen und 42 Minister und Staatssekretäre in Sachen Klimawandel zu informieren. Ein katastrophaler Sommer in Frankreich mit Hitzewellen, Dürren und Bränden hatte nämlich die Regierung aufgerüttelt.
Die Klimaforscherin thematisiert auch, dass Frauen in der Klimawissenschaft unterrepräsentiert sind. Einen Vortrag auf einem Seminar des französischen Verbands für weibliche Führungskräfte im Bereich Hochschulbildung, Forschung und Innovation (AFDESRI) Ende Januar 2023 beginnt sie mit einer Hommage an eine Pionierin der Klimaforschung.
“Es ist äußerst wichtig, den grundlegenden Beitrag zu kennen, den Wissenschaftlerinnen seit langem zum Verständnis des Klimawandels leisten: Es war eine Frau, die amerikanische Forscherin Eunice Foote, ebenfalls eine Feministin, die im 19. Jahrhundert als erste Wissenschaftlerin zeigte, dass der Anstieg der Treibhausgaswerte in der Atmosphäre die Lufttemperatur und das Klima beeinflusst. Sie ist eine dieser Wissenschaftlerinnen, die ins Abseits gedrängt wurden und deren bahnbrechende Arbeit nicht ausreichend gewürdigt wird.”
Lange Zeit galt der Ire John Tyndall als Entdecker der Klimawirkung von CO₂. Erst 2010 wurden die Experimente von Foote wiederentdeckt, die sie schon 1856 veröffentlicht hatte und in denen sie nachwies, dass CO₂ ein Treibhausgas ist.
2015 wurde Masson-Delmotte von der französischen Regierung dazu gedrängt, sich als Co-Vorsitzende der Gruppe I für den sechsten Sachstandsbericht des IPCC zu bewerben. Acht Jahre später gibt sie zu, dass sie ihre Belastungsgrenze erreicht hat. Seit 2015 hat sie unter anderem die Veröffentlichung eines 2.400 Seiten starken Berichts und drei Sonderberichte überwacht. Sie war auch an der Erstellung des Syntheseberichts beteiligt, der am 20. März vorgestellt werden soll.
Auch beim IPCC legt sie den Finger in die Wunde. Nur etwa ein Drittel der IPCC-Autoren und Autorinnen seien Frauen. Dieses Verhältnis “spiegelt die Machtverhältnisse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft wider”, sagt die Forscherin. Sie hofft, dass es im kommenden Juli weibliche Kandidaten für den Vorsitz des IPCC geben wird. Sie selbst wird nicht mehr kandidieren. Masson-Delmotte hofft, dann mehr Zeit für Tennis und ihre große Leidenschaft, das Lesen, zu haben. Die Französin ist Mutter zweier erwachsener Töchter, die sich für ganz ähnliche Themen begeistern und sich im Master-Studium mit Gender-Fragen sowie Biodiversität und Ökologie beschäftigt haben.
Ihr nächstes großes Projekt steht schon vor der Tür: ein großes europäisches Forschungsprojekt in der Antarktis, Awaca, bei dem Masson-Delmotte eine der Hauptkoordinatorinnen ist. Die Arbeit wird Masson-Delmotte nicht ausgehen.
zum internationalen Frauentag erscheint unser Climate.Table einen Tag früher als sonst und mit einem Schwerpunkt auf das Thema “Frauen und Klima”. Das ist kein “Gender-Wahn”, sondern Einsicht in die Fakten: Echten Klimaschutz gibt es nur, wenn alle mitreden und mitentscheiden können.
Wir breiten deshalb aus, wie eine feministische Klimapolitik aussehen soll. Wir stellen die zehn wichtigsten Frauen auf der Klimabühne vor. Wir zeigen, wie die COPs immer noch männerzentriert sind und die Klimapläne vieler Länder Frauen vergessen. Und wir stellen eine großartige Wissenschaftlerin vor, die feministische Klimapolitik vorantreibt.
Daneben präsentieren wir Hintergründe zur Wahl und Klimapolitik in Nigeria. Außerdem schreiben wir über Hoffnungszeichen: Das neue UN-Abkommen zum Ozeanschutz kann auch ein Erfolg für das Klima werden; Baden-Württemberg will Geld so anlegen, dass das Paris-Abkommen eingehalten wird; das entscheidende Gremium zum “Loss and Damage”-Fonds auf UN-Ebene ist endlich arbeitsfähig; Vanuatu wird den Klimawandel international vor Gericht bringen.
So viele Gründe, den Climate.Table zu lesen. Und bald auch zu hören und zu sehen: Am 23. März um 12 Uhr mittags werde ich als Redaktionsleiter Jennifer Morgan zum Live-Gespräch bei Table.Media begrüßen. Mit der Klima-Staatssekretärin im Auswärtigen Amt wollen wir vorausblicken auf ein spannendes Jahr: Weltbank-Reform, IPCC-Bericht, Petersberger Klimadialog, Global Stocktake, COP28 und vieles mehr. Schalten Sie sich hier gern dazu und sagen Sie es weiter!
Schließlich: Wenn Ihnen der Climate.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Behalten Sie einen langen Atem!
Noch ist die deutsche Klimaaußenpolitik-Strategie, federführend vorangetrieben vom Auswärtigen Amt (AA), nicht fertig. Ende März könnte sie veröffentlicht werden. Eins ist jetzt schon klar: Sie wird eingebettet sein in die Leitlinien einer feministischen Außenpolitik, die Außenministerin Annalena Baerbock in der vergangenen Woche der Öffentlichkeit vorgestellt hat – gemeinsam mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze, deren Haus künftig ebenfalls eine feministische Strategie verfolgt (Climate.Table berichtete).
Die beiden Ministerien planen mehr als bloße Frauenförderung. Feministische Politik bedeute, ungerechte Machtstrukturen zu verändern, teilt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit. Feministische Außenpolitik wolle “erreichen, dass alle Menschen die gleichen Rechte genießen“, schreibt die Außenministerin. Gesellschaften, die das anstrebten, seien “friedlicher, gerechter, nachhaltiger und wirtschaftlich erfolgreicher”.
Das hat auch Auswirkungen auf die Klimaaußenpolitik. Beide Ministerinnen wollen durch ihren feministischen Ansatz die Rechte von Frauen stärken, beispielsweise das Recht auf Bildung; Frauen einen besseren Zugang zu Ressourcen verschaffen, von denen sie bislang häufig ausgeschlossen sind; und die Repräsentanz von Frauen in politischen Ämtern oder Entscheidungsgremien erhöhen. Daneben haben beide Häuser angekündigt, ihre Budgets stärker nach feministischen Kriterien auszurichten und den Anteil der Frauen in Führungspositionen auch intern zu erhöhen.
Ein Grund, Frauen – und andere marginalisierte Gruppen – auch in der Klimapolitik besonders in den Blick zu nehmen: Sie leiden oft besonders unter der Erderwärmung. Das zeigen fünf Beispiele aus dem jüngst erschienenen Climate Inequality Report 2023:
So kann die Erderwärmung bestehende Ungerechtigkeiten noch verschärfen. Sheena Anderson ist beim Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP) in Berlin zuständig für Klimagerechtigkeit und Klima-Außenpolitik. Sie sagt: Eine Klimapolitik, die das nicht im Blick habe, könne marginalisierte Gruppen noch weiter ins Abseits drängen. Eine feministische Politik habe zum Ziel, das zu vermeiden.
Laut CFFP kann eine internationale Klimapolitik, die Gender-Aspekte berücksichtigt, den Übergang zu einer klimafreundlichen Gesellschaft beschleunigen. Sie kommt allen zugute – und sie erfüllt darüber hinaus die Verpflichtungen aus internationalen Vereinbarungen, beispielsweise innerhalb der UNFCCC.
“Ohne Feminismus kann es keine Klimagerechtigkeit geben”, sagt Anderson. “Die Klimakrise trifft marginalisierte Menschen besonders stark. Feminismus bedeutet, gerade sie in die Suche nach Lösungen mit einzubeziehen.” Dadurch könne bisher unbeachtetes Wissen nutzbar werden.
Auch das BMZ verweist in seinen Leitlinien darauf, dass “beispielsweise indigenes Wissen bis heute nicht angemessen in Lösungen für die Klimakrise einbezogen wird”. Grund sei “die Abwertung von Wissens- und Bildungssystemen im Zuge des Kolonialismus” – ein Teil der ungerechten Machtstrukturen, die eine feministische Politik verändern soll.
Es gelte, das Wissen von Frauen “in der Landwirtschaft, im Management natürlicher Ressourcen und in der Energienutzung zu nutzen”, sagt eine Sprecherin des BMZ gegenüber Climate.Table. In Projekten in den Partnerländern wolle man Frauen deshalb “gezielt fördern und gleichberechtigt einbinden”.
Dann seien Klimaschutzprojekte erfolgreicher: Zum Beispiel in Sambia, wo Frauen besonders geschult wurden, um die lokale Wasserversorgung zu verbessern; in Nepal, wo Frauen sich organisiert und sich so das Recht auf Landbesitz erkämpft haben; oder im Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken, in dem das Ministerium sich für eine starke Rolle von Frauen engagiere. Bisher allerdings, räumt die Sprecherin ein, “entscheiden in den meisten Partnerländern hauptsächlich Männer. Es geht darum, bestehende Machtstrukturen zu verändern und Frauen sichtbar zu machen”.
CFFP-Expertin Sheena Anderson gibt fünf Beispiele, wie feministische Ansätze die Klimapolitik gerechter machen könnten:
Eine feministische Politik, die alle Dimensionen der Benachteiligung im Blick haben will, muss laut CFFP viele Faktoren in Betracht ziehen. Unter anderem:
Gina Cortés sagt: Eine wahrhaft feministische Klimapolitik muss aus den Regionen entwickelt werden, gemeinsam mit den Menschen, die dort leben. Die Kolumbianerin Cortés ist Gender- und Klimapolitikmanagerin der Organisation Women Engage for a Common Future (WECF), die sich gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in den UNFCCC-Prozess einbringt. Gemeinsam mit Bridget Burns, der Direktorin der globalen Frauenrechtsorganisation WEDO mit Sitz in New York, ist Cortés offizielle Ansprechpartnerin (“Focal Point”) der Women’s and Gender Constituency (WGC) der UNFCCC.
“Der Klimawandel trifft uns alle unterschiedlich, je nach Gender, Klassenzugehörigkeit, Ethnie und Hautfarbe”, sagt Cortés. “Deshalb gibt es nicht den einen Feminismus. In Asien ist er anders als in Lateinamerika oder Afrika.” Darum müsse eine feministische Klimapolitik die regionalen Besonderheiten berücksichtigen.
Für Cortés ist feministische Politik eine Antwort auf das existierende kapitalistische, extraktivistische, neokolonial geprägte Wirtschaftsmodell. Eine feministische Klimapolitik bedeute, dieses Modell zu überwinden, statt es unter klimafreundlichen Vorzeichen zu wiederholen, sagt sie. Dazu gehöre beispielsweise ein Schuldenerlass.
“Feministische Klimapolitik muss dekolonisierend sein, antirassistisch und intersektional. Sonst wird sie nicht funktionieren”, sagt Cortés. “Wir müssen beginnen zu verstehen, dass es andere Wege zu einem guten Leben gibt als innerhalb des bestehenden Modells”: etwa auf der Grundlage einer solidarischen, ökologischen Wirtschaftsweise, die zwischenmenschliche Beziehungen stärke und auch Raum lasse für Spiritualität.
“Eine andere Welt ist möglich”, sagt Cortés. Doch stattdessen sieht sie die Gefahr, dass Europa statt der Kohle in Zukunft erneuerbare Energien aus Ländern wie Kolumbien importiert – und auch dabei keine Rücksicht auf die ortsansässige indigene Bevölkerung nimmt, nur um den eigenen Lebensstandard zu halten. Sie fragt: “Derzeit hat Deutschland sogar die Kohleimporte aus Kolumbien erhöht. Wie passt das zur feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik?”
Am 1. Juni übernimmt Spanien die EU-Ratspräsidentschaft. Damit führt eine der “besten Expertinnen für internationale Klimaverhandlungen” die EU zur COP28. Die spanische Ministerin für Energie, Umwelt und Klimawandel war schon als Staatssekretärin für Klimawandel (2008-2011) an den Verhandlungen vor der gescheiterten Kopenhagener Konferenz 2009 beteiligt. Die Juristin hatte verschiedene Positionen im spanischen Ministerium für öffentliche Arbeiten, Verkehr und Umwelt inne (1996-2004), bevor sie Generaldirektorin für Klimafragen wurde (2004-2008). Von 2014 bis 2018 leitete Ribera den Pariser Thinktank IDDRI, ehe sie wieder in die sozialistische Regierung in Madrid wechselte. Riberas Verhandlungsführung gilt als offen, kommunikativ und hart in der Sache.
Der Einsatz für Umwelt und Gerechtigkeit kann gefährlich sein: Das erlebte Syeda Rizwana Hasan Ende Januar, als sie und ihr Team im Süden von Bangladesch angegriffen und ihre Fahrzeuge mit Steinen beworfen wurden. Die Anwältin war vor Ort, um ein umstrittenes Bauvorhaben zu begutachten. International hat Hasan nicht die Klimadiplomatie, sondern das Recht gewählt, um den Ausstoß von Treibhausgasen zurückzudrängen: Die 55-Jährige ist Rechtsanwältin am Obersten Gerichtshof von Bangladesch und Vorstandsvorsitzende der Bangladesh Environmental Lawyers Association (BELA). Sie setzte sich unter anderem gegen den Bau von Kohlekraftwerken nahe der Sundarbans ein, dem größten Mangrovenwald der Welt. Ihr Ziel: Mit dem schärfsten juristischen Schwert gegen Klimasünder vorgehen – dem internationalen Strafrecht. Für ihr Engagement wurde sie im Jahr 2009 mit dem Goldman Environmental Prize ausgezeichnet.
Ihr Auftritt für die Verteidigung der Inselnationen hatte bereits bei der Weltklimakonferenz Ende 2021 in Glasgow einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Auf der Bühne in Sharm El-Sheikh, bei der UN-Vollversammlung und auf vielen internationalen Foren ist Mia Mottley, Premierministerin von Barbados und ehemalige Anwältin, inzwischen eine mächtige Stimme: Die karibische Politikerin verteidigte einen besseren Zugang der Länder des Globalen Südens zu internationalen Finanzmitteln und finanzielle Entschädigungen der großen Emittenten im Klimawandel. “Wenn ich Ihr Eigentum verschmutze, erwarten Sie, dass ich Sie entschädige”, sagte sie. Doch Mottley hat viel mehr angestoßen als nur die Forderung nach mehr Geld: Ihre Bridgetown Initiative zielt mit einer internationalen Allianz darauf ab, die großen Finanzplayer wie Weltbank, Internationalen Währungsfonds und die Entwicklungsbanken auf Klimakurs zu bringen: keine Finanzierung mehr für Fossile, mehr Geld und Gerechtigkeit für die Opfer des Klimawandels, schnelle Hilfen bei Katastrophen. Mottley will die großen Hebel bewegen.
Die Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im deutschen Außenministerium ist eine echte Insiderin auf der internationalen Klimabühne. Kein Wunder: Sie ist seit Anfang der COPs immer dabei gewesen. Vor ihrem Rollenwechsel in die offizielle Klimapolitik arbeitete die studierte Politologin und Germanistin unter anderem für den WWF, E3G, die Klimaschutzgruppe CAN, das Potsdam-Institut PIK und das World Resources Institute. 2016 wurde sie Chefin von Greenpeace International – auch hier nutzten ihr ein großes Netz an Bekannten und informellen Begegnungen ebenso wie das klare Wort. Schon als Aktivistin hatte Morgan auch immer ein offenes Ohr für Gegenpositionen, war eher Diplomatin als Radikale. Morgan wurde in den USA geboren und lebt seit 2003 in Deutschland, ehe sie 2021 rechtzeitig zu ihrer Ernennung zur Staatssekretärin deutsche Staatsbürgerin wurde.
Die 20-Jährige ist die bekannteste Klimakämpferin der Welt. Alles begann, als sie 2018 im Alter von 15 Jahren vor dem schwedischen Parlament ihren “Schulstreik für das Klima” begann, um die Regierung zur Einhaltung der Klimaziele zu drängen. Ihre kleine Kampagne inspirierte Tausende von jungen Menschen auf der ganzen Welt, ihre eigenen Streiks zu organisieren – und führte weltweit auch zu viel Hass auf sie. Bis Dezember 2018 schlossen sich mehr als 20.000 Schülerinnen und Schüler – von Großbritannien bis Japan – ihrem Protest an und schwänzten die Schule. Ein Jahr später erhielt sie die erste von drei Nominierungen für den Friedensnobelpreis für ihren Klimaaktivismus. Im Jahr 2019 segelte Thunberg auf einer Yacht über den Atlantik, um an einer UN-Klimakonferenz in New York teilzunehmen. Wütend warf sie den Staats- und Regierungschefs vor, nicht genug zu tun. “Ihr kommt alle zu uns jungen Menschen, um Hoffnung zu schöpfen. Wie könnt ihr es wagen? Ihr habt meine Träume und meine Kindheit mit euren leeren Worten gestohlen”, sagte sie.
Weltweit bekannt wurde die ugandische Fridays-for-Future-Aktivistin im Jahr 2020, weil sie unbekannt bleiben sollte: Ein Nachrichtenfoto, auf dem sie neben Greta Thunberg und anderen weißen Klimaaktivisten zu sehen war, wurde so beschnitten, dass Nakate nicht mehr zu sehen war. Ihre Reaktion, dass die Nachrichtenagentur “nicht nur ein Foto gelöscht hat, sondern einen Kontinent”, machte international Schlagzeilen. Seither gilt die 26-jährige Betriebswirtin, deren Vater Vorsitzender des Rotary-Clubs in Ugandas Hauptstadt Kampala war, als Stimme Afrikas für Klimagerechtigkeit. Die französischsprachige Tageszeitung Jeune Afrique wählte sie 2020 zu einer der 100 einflussreichsten Afrikanerinnen und Afrikaner. Sie hat das Rise Up Movement gegründet, um den Stimmen afrikanischer Klimaaktivistinnen und -aktivisten Gehör zu verschaffen, sowie ein Projekt zur Installation von Solaranlagen in ländlichen Schulen in Uganda. Vanessa Nakate ist auch die Autorin von “A Bigger Picture”, einem Manifest für integrative Klimaschutzmaßnahmen.
Seit 2014 ist Sharan Burrow Mitglied der Global Commission for the Economy and Climate, deren Vorsitz Ngozi Okonjo-Iweala, Nicholas Stern und Paul Polman gemeinsam innehaben. Aber vor allem in ihrer Funktion als Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) seit 2010 hat sie sich mit den Themen Frauen, Klima und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte einen Namen gemacht. Die Australierin mit der markanten Stimme und dem kratzbürstigen Humor betont auf den Fluren der internationalen Klimakonferenzen, dass die Erderwärmung in erster Linie die Ärmsten betrifft. Um Klimagerechtigkeit komme man nicht herum, so ihr Credo. Und wenn die Präambel des Pariser Abkommens “die Bedeutung des Konzepts der Klimagerechtigkeit für einige Kulturen bei der Bewältigung des Klimawandels” feststellt, dann hat Sharan Burrow ihren Teil dazu beigetragen.
Die Direktorin der Women’s Environment and Development Organization (WEDO) beschreibt sich als Feministin und Umweltaktivistin. Die Amerikanerin leitet eine globale Organisation an den Schnittstellen zwischen Geschlechtergleichstellung und Umweltgerechtigkeit. Seit mehr als einem Jahrzehnt konzentriert sich Burns darauf, die Gleichstellung der Geschlechter in der Klimapolitik auf globaler und nationaler Ebene voranzubringen. In ihrer Arbeit hat sie im Rahmen von WEDOs Vorzeigeprogramm Women Delegates Fund die Unterstützung und den Kapazitätsaufbau für Frauen aus dem Globalen Süden organisiert, damit sie als Teil ihrer nationalen Delegationen an UNFCCC-Konferenzen und Intersessions teilnehmen können.
Wie wäre es, wenn wir die Klimakrise anders angingen? Um zu handeln, sollten wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern eine gesunde Mischung aus Empörung und Selbstvertrauen zu großen Sprüngen an den Tag legen. Das ist die Kombination, die der Name des von der costa-ricanischen Diplomatin Christiana Figueres mitbetreuten Podcasts perfekt illustriert: “Outrage and Optimism” (Empörung und Optimismus). Als Galionsfigur im Kampf gegen den Klimawandel wird der ehemaligen Exekutivsekretärin des UNFCCC (2010-2016) – zusammen mit Laurence Tubiana – ein großer Anteil am Erfolg des Pariser Abkommens im Dezember 2015 zugeschrieben. Die Costa Ricanerin, die den öffentlichen, privaten und gemeinnützigen Sektor durchlaufen hat, war die erste Frau in diesem Amt und die erste Vertreterin des Globalen Südens. Sie kommt aus der bekanntesten politischen Dynastie Costa Ricas – sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder waren Präsidenten des Landes.
Während der COP21 war Laurence Tubiana eine der wichtigsten Personen. Sie gilt zusammen mit Christiana Figueres als eine der Architektinnen des Pariser Abkommens. Kein COP-Plenum, kein bilaterales Treffen des damaligen französischen Außenministers Laurent Fabius ohne seine Botschafterin für Klimaverhandlungen. Wegen eines schweren Sturzes von einem Reitpferd trug sie bei der Konferenz nur Turnschuhe – jeden Tag in einer anderen Farbe. Bis zur COP21 hatte sie den Pariser Thinktank IDDRI geleitet und sich dort für Dekarbonisierung starkgemacht – also den Abschied von der kohlenstoffbefeuerten Wirtschaftsweise, der letztlich im Pariser Abkommen festgeschrieben wurde. Derzeit leitet sie als Direktorin die European Climate Foundation und ist damit immer noch auf der Klimabühne präsent – als jemand, der sich und andere vernetzt, Ideen gibt und die Politik antreibt.
Bola Ahmed Tinubu wurde von der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission (INEC) zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Nigeria erklärt, nachdem er 35,2 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten hatte. Auf ihn warten große Aufgaben: Er muss eine kränkelnde Wirtschaft wiederbeleben, Arbeitsplätze schaffen, die Armut verringern, die Inflation eindämmen, die weit verbreitete Unsicherheit bekämpfen und Gleichheit, Fairness und Gerechtigkeit durchsetzen, um eine polarisierte Nation zu einen. Und sich mit den Folgen der Klimakrise befassen.
Im Wahlkampf ging es vor allem um sozialpolitische und wirtschaftliche Reformen. Der Klimawandel wurde in den Wahlprogrammen der Kandidaten relativ stiefmütterlich behandelt, obwohl Nigeria unter den Auswirkungen des Klimawandels leidet. Sie untergraben die Entwicklung des Landes und bedrohen die Lebensgrundlage von Millionen von Nigerianerinnen und Nigerianern. Nigeria steht bei der Anfälligkeit gegen Klimarisiken weltweit an Stelle 53 – aber bei den Möglichkeiten, sich an den Wandel anzupassen, nur auf der 179. Position.
In Tinubus Manifest Renewed Hope 2023 wird der Klimawandel als eine der wichtigsten Herausforderungen für Nigerias Landwirtschaft genannt. Als Gegenmaßnahmen will Tinubu die landwirtschaftliche Produktivität steigern und die Große Grüne Mauer vollenden. Das ist die Vorzeigeinitiative Afrikas von Waldpflanzungen zur Bekämpfung von Klimawandel und Wüstenbildung und für mehr Ernährungsunsicherheit und Armutsbekämpfung.
Gleichzeitig betont Tinubu in dem Manifest, die Rohölproduktion bis 2030 auf vier Millionen Barrel am Tag zu steigern und die Gasproduktion um 20 Prozent zu erhöhen. Der Erdölsektor ist mit etwa 65 Prozent des Haushalts die Haupteinnahmequelle des nigerianischen Staates und brachte im Jahr 2022 rund 24,5 Milliarden US-Dollar ein. Der Beitrag des Sektors zum Bruttoinlandsprodukt war mit nur 4,3 Prozent des gesamten realen BIP im vierten Quartal 2022 allerdings gering.
Die wichtigsten Energiequellen in Nigeria sind erneuerbare Energien (47 Prozent) und Erdöl (41 Prozent). Der nigerianische Plan für die Energiewende sieht vor, bis 2050 insgesamt 57 Prozent des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken, während der Anteil des Erdöls auf 33 Prozent sinken soll. Tinubus Plan für erneuerbare Energien basiert auf Nigerias Verpflichtung zur Kohlenstoffneutralität bis 2060. Er will die Solarenergie durch Netzanbindung und Mini-Grids fördern.
Der Präsident ist auch in der nigerianischen Klimapolitik die zentrale Figur. Klimamaßnahmen werden weitgehend von der Bundesregierung koordiniert. Alle klimapolitischen Maßnahmen, einschließlich der NDC-Klimapläne, müssen vom Kabinett, dem “Federal Executive Council” unter Vorsitz des Präsidenten, genehmigt werden. Immerhin ist eine beträchtliche Anzahl von Nigerianern der Meinung, dass die Regierung mehr tun muss, um den Klimawandel zu begrenzen; dennoch schneidet das Land im Environmental Performance Index (EPI) 2022 in der Kategorie “Klimapolitik” weiterhin schlecht ab.
Tinubu muss aber nicht bei Null anfangen. Der Climate Change Act 2021 soll das Land auf eine langfristige Perspektive festlegen. Das Gesetz ist die erste eigenständige, umfassende Gesetzgebung zum Klimawandel in Westafrika und eine von wenigen vergleichbaren Gesetzgebungen in der Welt. Das Gesetz umfasst frühere klimapolitische Maßnahmen, darunter die NDCs, die nationale Klimaschutzpolitik, nationale Klimaschutzprogramme und die langfristige Vision für ein emissionsarmes Nigeria im Jahr 2050.
Mit dem Klimaschutzgesetz wird der Nationale Rat für Klimawandel (National Council on Climate Change, NCCC) eingerichtet. Vorsitzender wird der Präsident, Mitglieder werden Vertreter des öffentlichen und privaten Sektors. Das soll das Problem angehen, dass bisher auf subnationaler Ebene und im Privatsektor kaum Ressourcen für Klimaschutz oder Anpassung mobilisiert werden. Der Rat soll als Sekretariat für die Umsetzung der Klimaschutz-Aktionspläne dienen.
Der Climate Action Tracker (CAT) stuft die nigerianischen Klimaziele und -maßnahmen als “fast ausreichend” ein: Mit moderaten Verbesserungen könnten also die Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen erreicht werden. Nötig dazu sind strategisches Denken auf wissenschaftlicher Grundlage und praktikable Lösungen. Dazu braucht es langfristige öffentliche Investitionen in Forschung und Bildung und den Aufbau hochwertiger Infrastruktur, um kohlenstoffarme Entwicklungspfade einzuschlagen.
International will Tinubu Nigeria als eine Stimme positionieren, die mehr Aufmerksamkeit der internationalen Politik zum Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Afrika einfordert. Tinubu erklärte in seinem Manifest vom Oktober 2022 auch, dass Afrika und Nigeria nicht für Umweltschäden aufkommen sollten, die von anderen Nationen verursacht werden. Dieser Aussage wurde dann durch den Beschluss der COP27, einen Fonds für Verluste und Schäden einzurichten, teilweise der Wind aus den Segeln genommen. Vor der COP28 wird Nigeria nun daran mitarbeiten, Klimagerechtigkeit beim Thema “Loss and Damage” voranzubringen.
Der Umbau zu einem kohlenstoffarmen, klimaresistenten Nigerias ist mit Kosten verbunden, die weit über die Möglichkeiten des Landes hinausgehen. Die Regierung muss dafür bestehende und geplante Kapitalströme von kohlenstoffintensiven zu kohlenstoffarmen Infrastrukturen umleiten, etwa bei erneuerbaren Energien, Aufforstung und nachhaltiger Landwirtschaft. Auch muss die Regierung Marktmängel und institutionelle Hindernisse angehen, die private Klimafinanzierung behindern.
Die Einigung der UN-Länder auf ein Abkommen zum Meeresschutz (UNCLOS) am vergangenen Wochenende gilt als historischer Fortschritt im globalen Umweltschutz – und könnte auch für den Klimaschutz Fortschritt bringen. “Das Schiff hat die Küste erreicht”, sagte Konferenzpräsidentin Rena Lee nach einem 38-stündigen Verhandlungsmarathon am Schluss der zweiwöchigen Konferenz.
Aus Klimasicht ist das neue Abkommen in einigen Aspekten relevant:
Das nun ausgehandelte Abkommen zur Implementierung der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) schafft erstmals die Möglichkeit, Gebiete in der Hochsee unter Schutz zu stellen und dort Fischfang oder Unterwasserbergbau zu verbieten. Die Hochsee umfasst alle Meeresgebiete außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone der Staaten von 200 Seemeilen (370 Kilometer) und macht zwei Drittel der Meeresfläche und knapp die Hälfte der Erdoberfläche aus.
Solche Schutzgebiete nützen nicht nur der Artenvielfalt, sondern indirekt auch dem Klima. Denn dadurch werden die Meere als Ökosysteme widerstandsfähiger. In der Klimakrise erwärmen sich die Ozeane und nehmen mehr CO₂ auf, was sie saurer macht. Extensiver Fischfang, Überdüngung in Küstennähe und Plastikmüll schwächen das System weiter. Großflächige Schutzgebiete können diesen Druck reduzieren und die Funktion der Ozeane stärken.
Für die globalen Artenschutzziele, die die Biodiversitäts-COP15 im letzten Dezember vereinbart hat, sollen bis 2030 Schutzgebiete ausgewiesen werden, die 30 Prozent der Land- und Meeresfläche abdecken. Das ist nun möglich, loben Umweltorganisationen: “Dies ist ein historischer Tag für den Naturschutz und ein Zeichen dafür, dass in einer geteilten Welt der Schutz der Natur und der Menschen über die Geopolitik triumphieren kann”, sagt Laura Meller von Greenpeace. Auch in der Klimapolitik werden immer wieder Zweifel laut, ob die multilaterale Politik unter dem Dach der Vereinten Nationen überhaupt noch zu Ergebnissen führen kann. Hier ist das UNCLOS-Abkommen ein deutliches Hoffnungszeichen.
Das neue Abkommen könnte zudem die Emissionen aus dem Fischfang reduzieren: CO₂-Emissionen aus weiten Anfahrtswegen zu Hochseegebieten fallen weg, wenn dort nicht gefischt werden darf. Reduziert werden dadurch wohl auch Emissionen aus dem “Bottom Trawling”. Dabei werden Schleppnetze über den Meeresboden gezogen, was den Treibstoffverbrauch der Fischerboote um das 2,8-fache erhöht. Zudem wird Kohlenstoff freigesetzt, der im Meeresboden gespeichert ist. In “Bottom Trawling”-Gebieten enthält der Meeresboden 30 Prozent weniger Kohlenstoff als in ungestörten Gebieten. Die Sedimente in der Tiefsee sind der größte Kohlenstoffspeicher der Welt.
Außerdem könnte eine weitere Regel des neuen Abkommens dem Klima nutzen: Die dort geforderten Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten, die die Artenvielfalt bedrohen können. Derzeit werden beispielsweise verschiedene Methoden diskutiert, um die Speicherung von Kohlenstoff im Meeresboden künstlich zu beschleunigen, die nun wohl eine Prüfung voraussetzen. Im Gespräch sind folgende Methoden:
Umweltprüfungen stärken auch die Position der Internationalen Meeresschutzbehörde (ISA) beim Unterwasserbergbau. Bisher kann die Behörde Anträge auf Abbaulizenzen nicht pauschal ablehnen. Mit verpflichtenden Umweltprüfungen durch das neue Abkommen kann die ISA nun besser Umweltaspekte berücksichtigen.
Das könnte einerseits die Tiefsee als Kohlenstoffspeicher und Rückzugsor vieler Arten schützen. Andererseits kann die Umweltverträglichkeitsprüfung aber auch wichtige Metalle für die Energiewende schwerer zugänglich machen. Der Meeresboden ist an manchen Stellen reich an Metallen wie Mangan oder Kobalt.
Dieser Punkt ist schon diese Woche relevant, auch wenn das Abkommen noch nicht in Kraft ist. Seit Dienstag tagt die ISA in Kingston, Jamaika, dabei sollen Regeln für den Tiefseebergbau ausgearbeitet werden.
Das neue UNCLOS-Abkommen muss noch in einer Folgekonferenz formell verabschiedet werden. Es tritt in Kraft, sobald 60 Länder es ratifiziert haben. Für die Ausweisung von neuen Schutzgebieten braucht es keinen allgemeinen Konsens, sondern nur eine Dreiviertelmehrheit der Mitgliedsländer. So können nicht einige wenige Länder ein Schutzgebiet verhindern – eine Verabredung, die sich viele Umweltschützer auch für den UN-Klimaprozess wünschen.
08. März, 19.30 Uhr, Online
Webinar Women as Key Players in the Decentralised Renewable Energy Sector: Beneficiaries, Leaders, Innovators
Auf der Veranstaltung der International Renewable Energy Agency (IRENA) geht es um die Rolle von Frauen im Sektor der Erneuerbaren. Obwohl Frauen eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen, stehen sie in dem Sektor oft noch vor großen Herausforderungen. Infos
08. März, 19.30 Uhr, Brüssel/online
Diskussion EU Industry Talk mit EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Siegfried Russwurm diskutiert auf dem Event mit EU-Kommissar Thierry Breton darüber, wie Europa in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Unter anderem geht es in der Diskussion um die Rolle des Net-Zero Industry Act. Infos
09. März, 11 Uhr, Online
Webinar Key findings of the EEA report – Advancing towards climate resilience in Europe
Wie kann Europa robuster gegen die Folgen des Klimawandels werden? Das Webinar stellt die wichtigsten Punkte des Berichts “Advancing towards climate resilience in Europe” der European Environment Agency (EEA) vor. Infos
09. März, 16 Uhr, Augsburg/online
Vortrag Securing Urban Climate Resilience During the Transformation Towards Carbon Neutral Cities
Professor Stephan Barthel forscht zu dem Schwerpunkt urbane Nachhaltigkeit. In seinem Vortrag spricht er über Klimaresilienz in Städten. Infos
09. März, 17.30 Uhr, Online
Diskussion Kann die Kernfusion unser Klima retten?
Thomas Klinger, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (Greifswald), und Markus Roth, Mitgründer von Focused Energy Inc., diskutieren auf dieser Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung darüber, welche Rolle Kernfusion beim Klimaschutz spielen kann. Infos und Anmeldung
12. bis 14. März, Belo Horizonte, Brasilien
Tagung Deutsch-Brasilianische Wirtschaftstage 2023
Die Tagung fokussiert sich auf die bilateralen Beziehungen von Deutschland und Brasilien. Moderne Ansätze für Energie, Klima und Digitalisierung stehen im Mittelpunkt der Wirtschaftstage. Mehrere deutsche Bundesminister werden erwartet. Infos
14. März.,13 Uhr, Online
Webinar Clean hydrogen deployment in the Europe-MENA region from 2030 to 2050: A technical and socio-economic assessment
Produktion und Import von grünem Wasserstoff aus der MENA-Region in die EU haben ein großes Potenzial. Auf der Veranstaltung von ENIQ Frauenhofer wird die Studie “Clean hydrogen deployment” veröffentlicht und diskutiert. Infos
14. März, 18.30 Uhr, Online
Seminar Klima, Kohle und Kolumbien
Auf dem Event der Heinrich-Böll-Stiftung wird diskutiert, vor welchen Herausforderungen eine gerechte Energiewende in Kolumbien steht. Dabei wird unter anderem analysiert, wie sich die politischen Rahmenbedingungen unter dem neuen, linken Präsidenten Gustavo Petro verändert haben. Infos und Anmeldung
13.-15. März, Dublin
Konferenz Global Soil Biodiversity Conference
Auf der 3. Global Soil Biodiversity Conference treffen sich Experten und Expertinnen, um den aktuellen wissenschaftlichen Stand rund das Thema Biodiversität im Boden zu diskutieren. Infos
16. März, 9.30 Uhr, Online
Workshop Mobilität gestalten und Klima schützen
Mit dieser Auftaktveranstaltung startet das Nationale Kompetenznetzwerk für nachhaltige Mobilität (NaKoMo) eine Workshop-Reihe zu nachhaltiger Mobilität. Inhaltlich geht es um die Aktivitäten des Bundes beim Klimaschutz im Verkehr, die Perspektive der Wissenschaft sowie Impulse aus den Kommunen. Infos
Die Gender-Schere auf den UN-Klimakonferenzen schließt sich nur sehr langsam. Noch immer ist die COP von Männern dominiert. Die Delegationen der Vertragsparteien auf der COP27 in Sharm el Sheikh bestanden zu 63 Prozent aus Männern und nur zu 37 Prozent aus Frauen. Auf der ersten COP im Jahr 1995 war das Ungleichgewicht mit 88 zu 12 Prozent noch weitaus stärker ausgeprägt. Von einem Gleichgewicht ist die internationale Klima-Gemeinschaft aber auch fast 30 Jahre später noch weit entfernt.
Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Staaten. Die deutsche Delegation hatte jeweils 59 Frauen und Männer. Für die USA waren 79 Frauen und 59 Männer registriert, für die EU 48 Frauen und 70 Männer. Für Frankreich 67 Frauen und 119 Männer. Nordkorea (vier Delegierte) und Turkmenistan (fünf Delegierte) haben nur Männer auf die COP27 entsandt.
Dabei sind Frauen häufig stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen als Männer. Weil sie weniger Zugang zu Ressourcen haben, können sie sich weniger gut anpassen. Fehlen Frauen an den Verhandlungstischen und bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, gehen außerdem viel Wissen und Kenntnisse verloren, wie die heutige Analyse von Alexandra Endres eindrucksvoll zeigt. nib
Gender-Fragen kommen in den bei den UN hinterlegten Klimaplänen (NDCs) häufig nur am Rande vor. Das zeigt der Gender Climate Tracker der Women’s Environment & Development Organization (WEDO) aus New York. Die Zahl der Länder, die in ihren NDCs Frauenrechte oder Gender erwähnen, ist in den vergangenen Jahren zwar leicht gestiegen. Doch es gibt noch immer große Lücken:
Positiv sind die 2020 neu eingereichten NDCs von Grenada, Nepal, den Marshall-Inseln und Suriname, die Gender-Bezüge aufweisen:
Durch die Klimakrise drohen Deutschland bis 2050 bis zu 900 Milliarden Euro an wirtschaftlichen Schäden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK). Weltweit gehen ähnliche Berechnungen von Schäden in Höhe von 23 Billionen US-Dollar aus. Staaten des Globalen Südens könnten besonders stark betroffen sein, da sie über weniger Mittel verfügen, um sich anzupassen.
Für die Studie über Klimawandel-Kosten in Deutschland wurden insbesondere volkswirtschaftliche Kosten berechnet. Die Studienautoren rechnen mit:
Den drei Szenarien lassen sich nicht direkt Annahmen zur Erwärmung in Grad zuordnen, wie Alexandra Dehnhardt, Stellvertretende Leiterin des Forschungsfelds Umweltökonomie und Umweltpolitik am IÖW mitteilt. Sie spiegeln aber “literaturgestützte Annahmen zur Häufigkeit und Intensität der Extremwetterereignisse”.
Die Studie berücksichtigt nur monetär bewertbare Kosten, wie beispielsweise:
Immaterielle Schäden des Klimawandels wie beispielsweise durch Todesfälle oder Umweltkosten wie der Verlust der Artenvielfalt wurden nicht erfasst. Die Studie wurde vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), der Prognos AG und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) erarbeitet.
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Anpassungsstrategie und ein Klima-Anpassungsgesetz, sagte Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Umweltministerium bei der Vorstellung der Studie. Länder und Kommunen seien auf Dauer mit den Kosten überfordert. Ziel müsse es daher sein, die Anpassung als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz zu verankern, so Rohleder. Ausgaben für die Anpassung würden sich aber lohnen. Selbst in der Szenario-Berechnung für einen starken Klimawandel könnten mit der richtigen Anpassungsstrategie bis zu 60 Prozent der Kosten vermieden werden, so die Studie. Die Ergebnisse seien aber mit hoher Unsicherheit behaftet.
Weltweit werden die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels auf Billionen-Summen taxiert. Ein Bericht des Rückversicherers Swiss Re rechnete schon 2021 Kosten von 23 Billionen US-Dollar vor. Bis 2050 könnten durch den Klimawandel 11 bis 14 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung verloren gehen. Gelingt es, die Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, lägen die Verluste in den meisten Staaten hingegen bei unter fünf Prozent des BIP. Einer Studie der Beratungsfirma Oxford Economics zufolge, würde ein Temperaturanstieg von 2,2 Grad bis 2050 sogar zu einem globalen BIP-Verlust von bis zu 20 Prozent führen.
Laut Zahlen der Weltbank, der afrikanischen Entwicklungsbank und von UNEP könnten die Länder des Globalen Südens bis 2030 finanzielle Schäden in Höhe von 290 bis 580 Milliarden US-Dollar erleiden.
Ohne Loss and Damage-Finanzierung und eine angemessene Anpassungsfinanzierung müssen alleine die afrikanischen Staaten in den nächsten zehn Jahren eine Billion Euro zusätzlicher Schulden aufnehmen, sagt Sabine Minninger von Brot für die Welt. “Man kann davon ausgehen, dass viele dieser Staaten ohne die notwendigen Klimahilfen kollabieren werden, da sie die Klimakrise aus eigener Kraft nicht bewältigen können.” Die Referentin für Internationale Klimapolitik rechnet mit mehr Hunger, Armut, Flucht und kriegerischen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen. Dabei haben die meisten Menschen im Globalen Süden sehr wenig zur Klimakrise beigetragen, wie der Climate Inequality Report zeigt.
Direkt vergleichbar sind die aufgeführten Erhebungen nicht, da sie unterschiedliche Methodiken verwenden. Viele Kosten, die nicht direkt messbar oder versichert sind, werden teilweise gar nicht erfasst. nib
Der Inselstaat Vanuatu hat einen entscheidenden Schritt bei seinem Vorstoß gemacht, die Verantwortung für die Folgen des Klimawandels vor Gericht zu bringen. Anfang März verkündete das Land, es habe nun 105 Staaten als Unterstützer für seinen Antrag gefunden, den Internationalen Gerichtshof (ICJ) in Den Haag um eine juristische Einschätzung von Verantwortlichkeiten zum Klimawandel zu bitten. Damit scheint sich Vanuatu eine Mehrheit unter den Mitgliedern der UN-Vollversammlung gesichert zu haben.
Das Land will durch ein Gutachten (“Advisory Opinion”) klären lassen, welche Pflichten alle Staaten in der Klimakrise haben und wie Staaten für Klima- und Umweltschäden haftbar gemacht werden können. Die zweiseitige Beschlussvorlage will klären lassen: “Was sind die Verpflichtungen der Staaten unter diesen internationalen Gesetzen, um den Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt für aktuelle und künftige Generationen sicherzustellen?”
Als zweite Frage an den Gerichtshof formuliert der Antrag: “Was sind die juristischen Konsequenzen unter diesen Verpflichtungen für Staaten, die durch ihre Handlungen oder Unterlassungen dem Klima- und Umweltsystem beträchtlichen Schaden zugefügt haben?” Besondere Berücksichtigung sollten demnach kleine Inselstaaten und besonders verwundbare Länder finden, ebenso wie zukünftige Generationen.
Zu den 105 Unterstützern gehören wichtige Staaten wie Frankreich, Deutschland und viele weitere EU-Länder, Australien, Großbritannien, Mexiko, Vietnam, Bangladesch sowie viele afrikanische Länder und Inselstaaten. Nicht dabei sind etwa die USA, China, Südafrika, Indien oder Brasilien. Eine “Meinung” des ICJ bindet die Staaten nicht juristisch, könnte aber politisch und als Argument in vielen “Klimaklagen” seine Wirkung entfalten.
Für einen Beschluss reicht bei einer Abstimmung eine einfache Mehrheit in der Generalversammlung. Auf der COP27 in Sharm el Sheikh hatten über 80 Staaten Vanuatu ihre Unterstützung bei dem Projekt zugesagt (Climate.Table berichtete). Vanuatu hat wiederholt betont, es gehe nicht um Schadenersatz-Forderungen gegenüber den Industriestaaten. Der Außenminister des Landes Jothan Napat sagte: “Die Advisory Opinion des ICJ wird für alle Staaten unsere Verpflichtungen unter einer Reihe von internationalen Gesetzen, Verträgen und Abkommen klarstellen, damit wir mehr tun können, um verletzbare Menschen auf der ganzen Welt zu schützen.” bpo
Das wichtigste neue Gremium der internationalen Klimaverhandlungen für 2023 nimmt Ende März seine Arbeit auf: Das “Übergangskomitee” (Transitional Committee), das die Struktur für den “Loss and Damage“-Fonds vorbereitet, tritt vom 27. bis 29. März zum ersten Mal zusammen. Das hat das UN-Klimasekretariat jetzt verkündet. Das Treffen wird in Ägypten stattfinden, der Ort wird noch verkündet. Die Gruppe soll offiziell dreimal tagen, strebt aber zusätzlich mehrere informelle Treffen an.
Das Komitee war auf der COP27 im ägyptischen Sharm el Sheikh beschlossen worden, um die vielen ungeklärten Fragen zu lösen, die der überraschend beschlossene Fonds für “Verluste und Schäden” aufwirft. Darunter sind die Entscheidungen, wie ein solcher Fonds organisiert ist, nach welchen Kriterien Gelder ausgezahlt werden sollen und wer einzahlen wird.
Das Komitee besteht aus 24 Mitgliedern, 14 aus Entwicklungs- und Schwellenländern, zehn aus Industriestaaten. Die Besetzung des Gremiums, die eigentlich bis zum 15. Dezember 2022 abgeschlossen sein sollte, hatte sich immer wieder verzögert. Auch jetzt sind noch die zwei Plätze für die asiatischen Länder unbesetzt. Informell heißt es, dass dabei sieben Staaten Anspruch auf die zwei Plätze erheben.
Solche Konkurrenzen haben andere Staaten durch gemeinsame Besetzungen gelöst: Deutschland teilt seinen Sitz mit Irland, andere Paare sind Dänemark/Niederlande, Brasilien/Dominikanische Republik, Venezuela/Barbados und Chile/Kolumbien. Andere Mitglieder des entscheidenden Gremiums sind unter anderem Ägypten, Südafrika, Malediven, die USA, Kanada, die Vereinigten Arabischen Emirate, Australien und Sudan. bpo
Die Regierung Tansanias hat den Bau der lange geplanten East African Crude Oil Pipeline (EACOP) genehmigt. Tansania folgt damit Uganda, das die Ölleitung bereits im Januar beschlossen hatte. Die EACOP wird auch geplant, um eine Alternative zur weiter nördlich gelegenen Uganda-Kenya Crude Oil Pipeline zu schaffen. Die mehr als 1.400 Kilometer lange EACOP-Leitung wird Ölfelder am Albertsee im Nordwesten Ugandas mit der tansanischen Hafenstadt Tanga am Indischen Ozean verbinden. Der Bau soll 3,5 Milliarden Dollar kosten und von einem Konsortium des französischen Rohstoffkonzerns Total Energies, der China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) gemeinsam mit der staatlichen Uganda National Oil Company betrieben werden. Das erste Öl soll bereits 2025 fließen.
Klimaaktivisten kritisieren den Bau der neuen Ölleitung. Neben klimaschädlichen Emissionen befürchten die Gegner des Projekts auch die Zerstörung kritischer Ökosysteme und die Verdrängung zehntausender Menschen. Französische und ugandische Aktivistinnen und Aktivisten waren gegen die Beteiligung von Total Energies vor ein Pariser Gericht gezogen. Ihre Hoffnung, das Projekt mit Bezug auf das neue französische Lieferkettengesetz durch ein Grundsatzurteil zu stoppen, war allerdings als unzulässig abgewiesen worden. Arne Schütte
Keine Rendite auf Kosten von Umwelt und Menschen – unter diesem Slogan hat der Landtag von Baden-Württemberg am vergangenen Donnerstag das Gesetz für Nachhaltige Finanzanlagen des Landes verabschiedet. Es gilt für rund 17 Milliarden Euro, die in den Versorgungskassen des Landes liegen und von diversen Stiftungen verwaltet werden.
Mit dem Gesetz möchte Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) auch ein Signal in Richtung Bundesregierung senden. “Wir wollen mit unserer Strategie Vorbild sein für andere staatliche Anleger, insbesondere auch für den Bund bei seiner Aktienrente“, sagte Bayaz zu Table.Media. Welche Nachhaltigkeitskriterien die von Finanzminister Christian Lindner verfolgte Aktienrente enthalten wird, ist noch offen.
Konkret sehen die neuen Regeln des Landes Baden-Württemberg vor, dass Finanzanlagen künftig 1,5-Grad kompatibel investiert werden. Um das zu erreichen, verpflichtet sich das Land der Paris-Aligned-Benchmark-Regulierung der EU.
Diese sieht unter anderem vor, dass die Unternehmen innerhalb des Portfolios im Schnitt 50 Prozent geringere CO₂-Emissionen haben als ein Vergleichsindex. In den Folgejahren müssen die investierten Unternehmen ihren Treibhausgasausstoß um jeweils mindestens sieben Prozent herunterfahren.
Zusätzlich hat das Land eine Reihe von Ausschlusskriterien definiert, darunter beispielsweise:
Das Finanzministerium von Baden-Württemberg rechnet mit Umschichtungen in substanzieller Höhe: Im Bereich der Pensionsvermögen, die aktuell zehn Milliarden Euro verwalten, müssten ein Fünftel der Gelder neu und anders investiert werden. vvo
Die alljährliche COP ist der Höhepunkt des Klimakalenders. Da die Emissionen jedoch weiter ansteigen und sich die Auswirkungen des Klimawandels verschlimmern, ist es an der Zeit zu fragen, was der COP-Prozess wirklich erreicht und wie er überarbeitet werden kann. Es muss sichergestellt werden, dass er dazu beiträgt, die globale Erhitzung auf ein für die Menschheit sicheres Level zu begrenzen.
Untersuchungen zeigen, dass die weltweiten Emissionen bis 2030 um etwa 50 Prozent gesenkt werden müssen, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, und dass sie in jedem Jahrzehnt um weitere 50 Prozent gesenkt werden müssen, um bis 2050-2060 eine Weltwirtschaft ohne Treibhausgasemissionen zu erreichen. Es besteht ein dramatisches und inakzeptables Missverhältnis zwischen dem, was die COP erreichen muss, und der Trägheit, die sie bei den Vertragsparteien auslöst. Die Gap-Berichte der UNEP bestätigen das.
Das Pariser Abkommen wurde zu Recht für seinen Ehrgeiz und sein Engagement gelobt, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, sie möglichst bei 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu stoppen. Die Verwirklichung dieses Ziels schreitet jedoch nur schleppend voran. Es hat sieben Jahre gedauert, die Bestandteile des Pariser Abkommens fertig zu stellen – der letzte war die Einigung über Schäden und Verluste, die letztes Jahr auf der COP27 erzielt wurde.
Die konsensbasierte COP-Struktur ist anfällig für lethargische, schrittweise Fortschritte. Der derzeitige COP- und Präsidentschaftsprozess wird nicht dazu führen, dass Klimaschutzmaßnahmen in dem Tempo durchgeführt werden, das erforderlich ist, um die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung zu vermeiden und eine gerechtere, sauberere Welt für alle zu schaffen.
Aus diesem Grund habe ich zusammen mit einer Reihe von Experten, Wissenschaftlern und führenden Politikern – darunter Laurence Tubiana, ehemalige französische Klimabotschafterin und Geschäftsführerin der European Climate Foundation, Mary Robinson, ehemalige Präsidentin Irlands und UN-Sonderbeauftragte für den Klimawandel, und Ban Ki-moon, ehemaliger Generalsekretär der Vereinten Nationen – einen Brief unterzeichnet, in dem António Guterres und der Exekutivsekretär des UNFCCC Simon Stiell aufgefordert werden, den COP-Prozess zu reformieren.
In unserem Schreiben heben wir sechs Punkte hervor, die die Grundlage für eine Reformagenda des COP-Prozesses bilden könnten:
In dieser Zeit der vielen Krisen konzentrieren sich die Regierungen verständlicherweise auf kurzfristige Lösungen. Aber wenn wir heute die richtigen Hebel für den Wandel ansetzen, hat die Welt eine gute Chance, weitere Pandemien, Kriege und eine katastrophale globale Erwärmung abzuwenden.
Wenn die Vereinten Nationen es versäumen, die Umsetzung in den Mittelpunkt der COP-Gipfel zu stellen, wird die Welt die Emissionen nicht im Einklang mit dem Pariser Abkommen reduzieren, und es wird schwieriger, wenn nicht gar unmöglich werden, eine nachhaltige, gerechte und gesunde Erde für alle zu gewährleisten.
Dieser Wandel muss bei den Vorbereitungen für die COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten in diesem Herbst in den Vordergrund rücken. Führungsstärke ist mehr denn je gefragt; ein weiterer Aufschub ist keine Option.
Sandrine Dixson-Declève ist eine belgische Umweltwissenschaftlerin und Expertin für Energiepolitik. Sie hat insbesondere europäische Regierungen und internationale Organisationen wie die OECD und die UN in Fragen des Klimawandels und einer sauberen Energieversorgung beraten. Seit Oktober 2018 leitet sie gemeinsam mit der Südafrikanerin Mamphela Ramphele den Club of Rome. Ihr Standpunkt ist eine überarbeitete Version eines offenen Briefs für eine COP-Reform.
Valérie Masson-Delmotte ist schwer zu erreichen. Denn die Paläoklimatologin und Forschungsdirektorin am staatlichen Forschungszentrum für Kernenergie “Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien” (CEA) wird mit Anfragen überhäuft. Die Spezialistin für “Klimaveränderungen in der Vergangenheit” wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und vom Time Magazine als eine der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres 2022 eingestuft.
Seit ihrer Ernennung zur Co-Vorsitzenden der Gruppe I des Weltklimarats (IPCC) im Jahr 2015 reiht die 50-jährige Wissenschaftlerin Fernseh- und Radiosendungen, Schulungen für Politiker und Beamte, Auftritte bei Festivals, lange Threads auf Twitter und das Verfassen und Korrekturlesen von Berichten und Artikeln aneinander.
Vieles davon hätte Masson-Delmotte nicht mehr machen können, wenn sie in Macrons Regierung eingetreten wäre. Das Angebot lag nach Macrons Wiederwahl im Frühjahr 2022 auf dem Tisch, die Klimawissenschaftlerin lehnte es aber ab. Dabei ist ihr politisches Engagement nicht fremd. Masson-Delmotte war zwischen 2008 und 2014 Gemeinderätin (parteilos) in ihrer kleinen Gemeinde Villejust (Essonne), in der Nähe von Paris. Wenige Monate nachdem sie die Mitarbeit in der Regierung abgelehnt hatte, im Herbst 2022, folgte sie aber der Einladung des Élysée, vor dem französischen Präsidenten und der gesamten Regierung zu sprechen und 42 Minister und Staatssekretäre in Sachen Klimawandel zu informieren. Ein katastrophaler Sommer in Frankreich mit Hitzewellen, Dürren und Bränden hatte nämlich die Regierung aufgerüttelt.
Die Klimaforscherin thematisiert auch, dass Frauen in der Klimawissenschaft unterrepräsentiert sind. Einen Vortrag auf einem Seminar des französischen Verbands für weibliche Führungskräfte im Bereich Hochschulbildung, Forschung und Innovation (AFDESRI) Ende Januar 2023 beginnt sie mit einer Hommage an eine Pionierin der Klimaforschung.
“Es ist äußerst wichtig, den grundlegenden Beitrag zu kennen, den Wissenschaftlerinnen seit langem zum Verständnis des Klimawandels leisten: Es war eine Frau, die amerikanische Forscherin Eunice Foote, ebenfalls eine Feministin, die im 19. Jahrhundert als erste Wissenschaftlerin zeigte, dass der Anstieg der Treibhausgaswerte in der Atmosphäre die Lufttemperatur und das Klima beeinflusst. Sie ist eine dieser Wissenschaftlerinnen, die ins Abseits gedrängt wurden und deren bahnbrechende Arbeit nicht ausreichend gewürdigt wird.”
Lange Zeit galt der Ire John Tyndall als Entdecker der Klimawirkung von CO₂. Erst 2010 wurden die Experimente von Foote wiederentdeckt, die sie schon 1856 veröffentlicht hatte und in denen sie nachwies, dass CO₂ ein Treibhausgas ist.
2015 wurde Masson-Delmotte von der französischen Regierung dazu gedrängt, sich als Co-Vorsitzende der Gruppe I für den sechsten Sachstandsbericht des IPCC zu bewerben. Acht Jahre später gibt sie zu, dass sie ihre Belastungsgrenze erreicht hat. Seit 2015 hat sie unter anderem die Veröffentlichung eines 2.400 Seiten starken Berichts und drei Sonderberichte überwacht. Sie war auch an der Erstellung des Syntheseberichts beteiligt, der am 20. März vorgestellt werden soll.
Auch beim IPCC legt sie den Finger in die Wunde. Nur etwa ein Drittel der IPCC-Autoren und Autorinnen seien Frauen. Dieses Verhältnis “spiegelt die Machtverhältnisse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft wider”, sagt die Forscherin. Sie hofft, dass es im kommenden Juli weibliche Kandidaten für den Vorsitz des IPCC geben wird. Sie selbst wird nicht mehr kandidieren. Masson-Delmotte hofft, dann mehr Zeit für Tennis und ihre große Leidenschaft, das Lesen, zu haben. Die Französin ist Mutter zweier erwachsener Töchter, die sich für ganz ähnliche Themen begeistern und sich im Master-Studium mit Gender-Fragen sowie Biodiversität und Ökologie beschäftigt haben.
Ihr nächstes großes Projekt steht schon vor der Tür: ein großes europäisches Forschungsprojekt in der Antarktis, Awaca, bei dem Masson-Delmotte eine der Hauptkoordinatorinnen ist. Die Arbeit wird Masson-Delmotte nicht ausgehen.