in den TV-Studios zur Bundestagswahl war kaum Platz zum Atmen. So groß war der Elefant im Raum – die Klimakrise: Dieses entscheidende Zukunftsthema wurde kaum angesprochen und es wurde selten nachgefragt, wenn vor allem die AfD Fakten leugnete oder verzerrte. Deshalb hat Alexandra Endres einmal in diesem vorletzten Climate.Table vor der Wahl genauer darauf geblickt, welche Rolle Fake News bei dieser entscheidenden Wahl spielen. Ihr Stück rundet unsere Reihe von Faktenchecks zur Wahl ab.
Aber auch am anderen Ende der Welt nimmt es eine Regierung nicht so genau mit den Fakten, wenn es ums Klima geht. Neuseeland hat zwar ein NDC vorgelegt – aber den Inhalt nennt nur die Regierung “ehrgeizig”, schreibt unser Korrespondent Marc Daalder. Und die Stadtwerke in vielen deutschen Städten glauben wohl auch selbst nicht mehr an die beschlossene Klimaneutralität bis 2045.
Umso dringender: Die richtigen Entscheidungen bei der Wahl am Sonntag. Sie haben die Stimme, wir liefern die Informationen zur Entscheidungsfindung. Dann mal los!
Herzliche Grüße
Im Wahlkampf verbreiten Politiker und Parteien teilweise gezielt falsche Fakten zur Klimapolitik: AfD, aber auch Teile von CDU/CSU und FDP kritisieren mit verkürzten Daten etwa erneuerbare Energien als teure Subventionsmodelle und propagieren angeblich billigen Strom aus Kernenergie oder flächendeckenden Abbau von Windrädern. Zwar sind verzerrte Darstellungen im Wahlkampf nicht ungewöhnlich, doch Experten warnen vor einer neuen Qualität: Fake News würden gezielt eingesetzt, um politische Gegner zu diskreditieren. Und soziale Schieflagen in der Politik erleichtern das Verbreiten von Falschmeldungen zusätzlich.
“Im Wahlkampf gibt es immer Desinformation”, sagt Julia Metag, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster – also absichtlich gestreute Falschinformationen, die beispielsweise dem Ziel dienen sollen, Wahlen zu beeinflussen oder Vertrauen zu untergraben. “Einzelne falsche Berichte entfalten dabei noch keine große Wirkung”, sagt Metag. “Aber sobald Desinformation sich weit verbreitet, kann sie zu einer grundsätzlichen Verunsicherung führen und zu einem sinkenden Vertrauen in demokratische Prozesse. Gerade in einer polarisierten Gesellschaft fällt das auf fruchtbaren Boden. Im deutschen Kontext versucht das gerade die AfD.”
Derzeit sei die Energiewende für Populisten ein besonders “lohnendes Feld”, sagt Johanna Siebert, die am Thinktank Progressives Zentrum schwerpunktmäßig zu antidemokratischer Einflussnahme auf die Klima- und Umweltpolitik arbeitet. “In ihr verbinden sich aktuell drängende Themen wie steigende Lebenshaltungskosten, die Energiekrise und die Transformation zur Klimaneutralität.” Deshalb werde die Energiewende immer wieder infrage gestellt, sagt Siebert, “beispielsweise durch Alice Weidels Forderung auf dem AfD-Parteitag, Windräder in großem Maßstab wieder abzubauen”. Ein weiteres Beispiel sei die “von der AfD befeuerte Erzählung, die steigenden Energiepreise seien auf den Ausbau der Erneuerbaren oder den Atomausstieg zurückzuführen – was aufgrund des russischen Angriffskriegs und der massiven Profite fossiler Energiekonzerne in der Energiekrise zumindest eine stark verzerrte Erklärung ist”.
Viele Beispiele für Falschaussagen im laufenden Wahlkampf kommen aus der AfD. In ihrem Gespräch mit Elon Musk behauptete Parteichefin Weidel etwa, Atomkraft sei CO₂-neutral – was unter anderem ein Correctiv-Faktencheck widerlegt, der sich unter anderem auf IPCC-Daten stützt. Daneben sagte Weidel, Deutschland sei das einzige Industrieland, das aus der Kernenergie ausgestiegen sei – was ebenfalls nicht stimmt.
Die AfD nutze das Klimathema gezielt, um ihre politischen Gegner zu verunglimpfen, sagt Joe Düker, der beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) rechtsextreme Phänomene im Internet untersucht. Ihre Vertreterinnen und Vertreter sprechen von “Klimasozialismus” und “grünen Verbrennerfeinden” und schüren die Angst vor einer vermeintlichen “grünen Deindustrialisierung”. Manchmal übernähmen etablierte Parteien die rechte Rhetorik – beispielsweise die CDU, wenn sie vor “(grüner) Deindustrialisierung” warne, oder die FDP, wenn Parteichef Christian Lindner eine angebliche “Klima-Ideologie” heraufbeschwöre. “Das sind Schlagwörter, mit denen die AfD seit Langem versucht, Maßnahmen gegen den Klimaschutz zu verunglimpfen”, sagt Düker.
Aus der Forschung wisse man, dass der größte Anteil von Falschinformationen “aus dem rechten bis rechtskonservativen Spektrum” komme, sagt Kommunikationsforscherin Metag. Manche Akteure bewegen sich dabei in einer Grauzone: Sie formulieren keine harten Falschaussagen zur Klima- oder Energiepolitik, sondern stoßen Scheindebatten an, so wie CDU und CSU, wenn sie durch vermeintlich grünes Öl Heizen klimafreundlich machen wollen, oder wie Union und FDP, wenn sie wie die AfD für eine Renaissance der Atomkraft plädieren.
Das Ziel von Falsch- und Desinformation ist oft, Verunsicherung zu schüren und so das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben – und die Klimapolitik scheint dafür besonders geeignet. Hinweise darauf gab schon die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2023.
Doch die Klimapolitik liefere ihren Gegnern auch Angriffspunkte, sagt Expertin Siebert. Der Vorwurf, Klimapolitik werde für eine gutverdienende Minderheit gemacht, enthalte einen wahren Kern: “Förderprogramme kommen vor allem den Besserverdienenden zugute. Unter einem steigenden CO₂-Preis leiden die am meisten, die schon jetzt jeden Cent umdrehen müssen.” Wenn es Populisten gelinge, dieses Ungerechtigkeitsgefühl mit der Angst vor unbezahlbar hohen Preisen und einer kaputten Wirtschaft zu kombinieren, “dann steckt darin sehr viel Sprengkraft”.
Es gibt Wege, Falschinformationen zu begegnen: Siebert plädiert für eine offensivere Debatte über die Frage, wen eine effektive Klimapolitik besonders stark belasten – und entlasten – soll. “Eine gerechte Klimapolitik sollte unten entlasten und oben in die Pflicht nehmen, um populistischen Erzählungen und Falschinformationen den Nährboden zu entziehen”, sagt sie. Düker rät in Klimaschutz und Energiewende engagierten Politikerinnen und Politikern im Angesicht von Verunglimpfungen zu betonter Sachlichkeit – und dazu, gezielt besonders populäre Medien zu bespielen, um viele Menschen zu erreichen.
Metag hat vier Tipps für Menschen, die Klimapolitik auch gegen Falschinformationen vorantreiben wollen: Auf den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel bestehen und ihn vermitteln. Falschinformationen möglichst nicht wiederholen, sondern die korrekte Sachlage in den Vordergrund stellen. Über politische Meinungsverschiedenheiten hinweg im Gespräch bleiben, um der polarisierenden Wirkung von Desinformation entgegenzuwirken. Und schließlich: Über die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Facetten von Klimapolitik sprechen – etwa über das Klimageld, das Deutschlandticket und den ÖPNV, um Menschen mit einem geringen Haushaltseinkommen besonders zu erreichen.
Neuseelands neues Klimaziel für den Zeitraum bis 2035 (NDC) im Rahmen des Pariser Abkommens hat bei Klimaschützern scharfe Kritik hervorgerufen. Der ehemalige Leiter der IEA-Klimaabteilung nannte es “schockierend unambitioniert” und eine ehemalige Klimabotschafterin des Landes sagte, die Regierung nehme den Kampf gegen den Klimawandel “nicht ernst”. Die konservative Regierung dagegen verweist darauf, dass das neue NDC deutlich weniger Klimaschutzanstrengungen ins Ausland verlagert. Eine Analyse des Climate Action Tracker (CAT) kommt zu dem Ergebnis, dass das Ziel nicht ambitioniert genug ist, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.
Im Gegensatz zur Europäischen Union und einer Reihe anderer Industriestaaten hat Neuseeland zwar die Frist am 10. Februar für die Einreichung seines Klimaziels eingehalten. Doch das neuseeländische Ziel sieht nur vor, die Emissionen bis 2035 um 51 bis 55 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 zu senken. Damit liegt es rechnerisch nur um einen Prozentpunkt besser als das vorherige Ziel für 2030, das eine Emissionssenkung um 50 Prozent vorsieht.
Neuseelands Minister für Klimawandel, Simon Watts, sagte bei der Bekanntgabe des Ziels, es sei “sowohl ehrgeizig als auch erreichbar“. “Das Erreichen dieses Ziels bedeutet, dass wir unseren fairen Beitrag zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels leisten und gleichzeitig Neuseeland in die Lage versetzen, stärker zu sein und angesichts des Klimawandels zu gedeihen”, sagte er.
CAT wiederum kritisiert, dass das neue NDC im Vergleich zum 2030er-Ziel sogar höhere Netto-Emissionen zulassen könnte und größere Unsicherheiten mitbringe als das vorherige Ziel.
Die 2023 gewählte, rechtsgerichtete Regierung hat mit dem bisherigen neuseeländischen NDC eine schwierige Situation geerbt. Denn die Planungen bis 2030 sehen vor, die bestehende Verpflichtung zu einem Drittel durch inländische Maßnahmen und zu zwei Dritteln durch Minderungsmaßnahmen im Ausland zu erfüllen – wahrscheinlich durch den Kauf von Emissionsgutschriften über Artikel 6 des Pariser Abkommens.
Insgesamt deuten die jüngsten Prognosen darauf hin, dass Neuseeland bis 2030 mindestens 84 Millionen Tonnen dieser Minderungsmaßnahmen im Ausland benötigen wird, deren Kosten auf 3,4 bis 19,1 Milliarden NZ-Dollar (etwa zwei bis zehn Milliarden Euro) geschätzt werden. Die neuseeländischen Emissionen lagen im Jahr 2022 bei 78 Millionen Tonnen und damit höher als die der Schweiz, Irlands oder Norwegens. Rechnet man die Senkenfunktion der neuseeländischen Wälder ein, sinken die Emissionen auf 59 Millionen Tonnen.
Der Grund für die starke Inanspruchnahme von Artikel 6 ist, dass mehr als die Hälfte der neuseeländischen Emissionen aus der Landwirtschaft stammen, einem Sektor, für den es kaum wirksame, skalierbare Technologien zur Verringerung der Klimabelastung gibt. Emissionsreduzierungen von mehr als 50 Prozent könnten somit vor allem durch Aufforstung, ein Schrumpfen des Sektors oder den Kauf von Maßnahmen im Ausland erreicht werden.
Aus Sicht der Regierung stellt das neue NDC für 2035 nun eine ehrgeizige Verpflichtung dar, da es vollständig im Inland erfüllt werden soll. Mit anderen Worten: Auch wenn die Gesamtzahl nicht wesentlich anders aussieht, wird das Ziel dazu führen, dass die inländischen Emissionen Neuseelands zwischen 2030 und 2035 um weitere 24 bis 29 Prozent sinken.
Allerdings hat die unabhängige Kommission für Klimawandel festgestellt, dass im Inland bis 2035 noch mehr getan werden könnte, nämlich eine Senkung um 59 bis 63 Prozent gegenüber dem Stand von 2005. Während die Kommission die Vorgängerregierung gedrängt hatte, bei der Emissionssenkung weiterzugehen, hat die neue Regierung stattdessen das Tempo verlangsamt. So hat sie:
Dadurch hatte die Regierung nun auch wenig Spielraum für ein neues NDC. Die von ihr gewählte Spanne von 51 bis 55 Prozent stellt die kleinstmögliche Auslegung der im Pariser Abkommen geforderten “Progression über den dann aktuellen nationalen Beitrag der Partei hinaus” dar.
Das NDC wird international schlecht aufgenommen. Verglichen mit dem Ziel Großbritanniens, die Emissionen bis 2035 um 81 Prozent gegenüber 1990 zu senken, der Schweiz, die 65 Prozent zugesagt hat, und selbst dem Schwellenland Brasilien, das sich zu 59 bis 67 Prozent Reduktion verpflichtet hat, wirkt es wenig ambitioniert. Andreas Sieber von 350.org sagte, “das neue NDC erlaube es [Neuseeland], in Sachen Klima nichts zu tun”.
Die Situation verschärft sich mit der Bilanzierung, die die Regierung zur Erfüllung ihres NDC plant. Das neue Ziel setzt eine langjährige neuseeländische Praxis der Brutto-Netto-Bilanzierung fort – es verspricht, dass die Netto-Emissionen im Jahr 2035 um 51 bis 55 Prozent unter den Brutto-Werten von 2005 liegen werden.
Der bedeutende neuseeländische Forstsektor, der als riesige CO₂-Senke fungiert, wird für die Erreichung des Ziels angerechnet, aber nicht in den Ausgangswert eingerechnet. Bei einer Netto-Netto-Berechnung entspricht das neue Ziel nur einer Verringerung um etwa 25 Prozent gegenüber den Werten von 2005 bis 2035.
Darüber hinaus weicht das neue Ziel vom Budgetansatz ab, auf den Neuseeland bisher zur Freude der Klimawissenschaftler gesetzt hatte. Das neue Ziel ist nur ein Einzeljahresziel, was bedeutet, dass die Emissionen zwischen 2031 und 2034 steigen können, ohne das Ziel für 2035 zu gefährden.
Die ehemalige neuseeländische Klimabotschafterin Kay Harrison hatte sich zuvor für ein Ziel von mindestens minus 66 Prozent ausgesprochen. “Wenn Neuseeland sich nur zu minus 51 Prozent verpflichtet, während der weltweite Durchschnitt bei minus 60 liegt, erwarten wir von anderen Ländern, dass sie sich Ziele setzen, die unseren Rückstand ausgleichen. Deren Ziele werden viel höher sein müssen als unsere, und viele höher als minus 60 Prozent”, sagte sie. “Es ist, als ob wir den Einsatz – das absolute Minimum – zahlen, um in dem gefährlichsten Spiel unseres Lebens zu bleiben. Aber es ist uns nicht ernst damit, zu gewinnen.”
Nicht nur die politische Brandmauer zur AfD scheint zu bröckeln. Auch das deutsche Klimaneutralitätsziel für 2045, das immerhin auf den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts zurückgeht, steht unter Beschuss.
Die FDP würde es laut ihrem Wahlprogramm gern durch das europäische 2050-Klimaziel ersetzen. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der mit seinen Freien Wählern in den Bundestag einziehen will, möchte Klimaziele genau wie die AfD am liebsten ganz einmotten. Und Siegfried Russwurm, bis Ende 2024 Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sagte, “die Zieljahre sind nicht in Stein gemeißelt”.
Nun wächst auch unter Stadtwerken die Unterstützung dafür, das deutsche Klimaziel auf 2050 zu verschieben. Über 900 Stadtwerke kümmern sich in Deutschland um Energie, Wasser, Mobilität oder schnelles Internet. Sie gelten als zentrale Akteure der Energiewende, da sie vor Ort, also in den Regionen, Städten und Kommunen unter anderem Stromnetze zubauen oder Haushalte mit Fernwärme versorgen. Mit ihrer Kundennähe sind Stadtwerke entscheidend, um Erneuerbare auf lokaler Ebene einzubinden. “Ohne Stadtwerke keine Energiewende”, heißt es etwa beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Doch hinter vorgehaltener Hand hadern viele in der Branche mit der Dekarbonisierung. “Alle wissen, dass das 2045-Ziel völlig illusorisch ist“, sagt etwa der Geschäftsführer eines Stadtwerks und mittelständischen Energieversorgers, das 80.000 Menschen mit Energie und Wasser versorgt. Die “politische Gemengelage” sei aber noch nicht reif, “also bleiben alle still”.
Auch er hält sich aus strategischen Gründen zurück. Schließlich müsse er sein Fernwärmenetz ausbauen und dürfe keine Zweifel streuen, “sonst kommen wir gar nicht mehr vorwärts”. Dem Stadtrat – Stadtwerke gehören mehrheitlich ihren Kommunen – sage er daher, “wir haben einen Plan, starke Partner, ein Ziel und wir schaffen das”.
Auch bei anderen Stadtwerken mache man “gute Miene zum bösen Spiel. Aber abends beim Bier verdrehen alle die Augen”. Sein Wunsch: “Die Politik sollte endlich transparent machen, dass 2045 nicht klappt, und das deutsche Klimaziel auf 2050 verschieben.”
Aus seiner Sicht würde das den Bürgern Druck und Verunsicherung nehmen. “Wir erleben jeden Tag, dass eine Gasheizung kaputtgeht und der Eigentümer nicht weiß, wie es weitergeht.” Aus Panik kaufe der eine Wärmepumpe – auch wenn der Fernwärmeanschluss für ihn viel günstiger wäre. “Nur wann der kommt, das können wir nicht sagen”, so der Geschäftsführer. Er könne wegen fehlender Kapazitäten nur vier Kilometer Leitungen pro Jahr zubauen. “Aber wir bräuchten pro Jahr sechs, um das Klimaziel 2045 zu schaffen”.
Auch Anton Berger, Partner der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner, bestätigt die Stimmungslage in der Branche. Der Ökonom berät Stadtwerke und sagt “es würde wohl kaum einer ‘Nein’ zu einer Verschiebung des Klimaziels sagen, auch wenn das die Transformation verlangsamen dürfte”. Es brauche mehr Ressourcen, wie Baufirmen. Die aktuelle Knappheit verteuere den Umbau für Stadtwerke. “Etwas mehr Zeit würde sicher auch finanziellen Druck rausnehmen”, so Berger.
Es scheint derzeit an vielem zu mangeln, so verlautet es auch aus anderen Stadtwerke-Führungsetagen. An Stromnetzen, Speichern, Fachkräften für Tiefbau, Monteuren, Baggern, Finanzierung.
Allein bis 2030 sind laut einer Studie des BDEW und der Beratung EY 721 Milliarden Euro an Energiewende-Investitionen nötig. Auch danach braucht es gigantische Investitionen. “Realistisch glaubt kaum einer, dass wir in Deutschland 2045 oder auf Landesebene 2040 klimaneutral sind. Eine Verschiebung auf 2050 wäre daher sinnvoll, um mehr Zeit zu haben, die gewaltigen Investitionen zu refinanzieren. Gerade angesichts des Fachkräftemangels”, sagt der Stadtwerke-Geschäftsführer einer Baden-Württembergischen Großstadt, wo man offiziell schon 2040 klimaneutral sein will.
Er findet es falsch, “an einem unrealistischen Ziel” festzuhalten. “Das bringt doch nichts außer Frust und erhöht das Misstrauen in die Politik.” Die Abkehr der USA vom Pariser Klimaabkommen werde den politischen Diskurs in Europa ohnehin verändern.
Noch deutlicher und ohne auf Anonymität zu pochen, äußert sich Karl-Peter Hoffmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Sindelfingen. “Wir sollten das deutsche Klimaziel zeitlich verschieben – oder uns gleich von einem festen Enddatum verabschieden. Denn auch 2050 werden wir bei realistischer Betrachtung nicht klimaneutral sein, jedenfalls nicht, ohne die Bevölkerung in die Arme von Populisten zu treiben oder unsere Industrie zu Grunde zu richten.”
Eine Position, die sich inzwischen in breiten Kreisen von Politik und Wirtschaft wiederfindet. Auch Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, warnte erst kürzlich in einem Interview mit Table.Briefings davor, dass die deutsche Klimapolitik in die Deindustrialisierung führe. Also lieber Tempo rausnehmen, statt einem fernen Ziel nachzujagen – oder sich erst recht anstrengen, um wenigstens in Zielnähe zu bleiben?
Laut Projektionen des Umweltbundesamts (UBA) ist das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 mit derzeitigen Klimaschutzinstrumenten jedenfalls nicht erreichbar. Und auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gelangt in einer Studie zu dem Schluss, dass auf EU-Ebene das Ziel einer 55-prozentigen CO₂-Reduktion bis 2030 anhand aktueller Emissionsprognosen der EU-Mitgliedstaaten “voraussichtlich” scheitern werde. Der Verband warnt daher davor, die Klimaziele weiter zu verschärfen, bekennt sich aber immerhin auf Nachfrage “zum gesetzlichen Ziel der Klimaneutralität bis 2045 für Deutschland”.
Weniger deutlich positioniert sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der auch große Energieversorger vertritt. “Der Energiesektor richtet sich auf dieses Ziel aus, viele Investitionen sind mit Blick auf das Neutralitätsziel 2045 getätigt worden und wollen weiter getätigt werden. […] Aber wir erkennen auch die Notwendigkeit, Pragmatismus und ambitionierte Machbarkeit walten zu lassen“, heißt es von Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.
Dabei spricht einiges dagegen, die Dekarbonisierung zu verschieben. Dabei angefangen, dass sich Deutschland nicht so einfach über EU-Recht hinwegsetzen könnte. Und auch in der Branche gibt es Stimmen, die davor warnen, jetzt in eine Klimazieldiskussion einzusteigen.
“Das wäre doch nur eine Alibi-Aktion“, sagt etwa Thomas Gebhart, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Saarbrücken. Auch er glaubt nicht mehr an das 2045-Ziel, will aber trotzdem daran festhalten. “Verschiebt man einmal, verschiebt man immer wieder”. Dabei sei Planbarkeit unerlässlich. “Selbst wenn wir es nicht ganz schaffen, haben wir doch klar vor Augen, dass wir Mitte des Jahrhunderts kaum mehr Fossile verfeuern dürfen”. Auch Johannes Rager, Geschäftsführer der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim, will bei 2045 bleiben, obwohl auch er bestätigt, dass die meisten seiner Kollegen lieber verschieben würden. Er befürchtet, dass “wir sonst nochmal fünf bis zehn Jahre länger brauchen. Der Klimawandel wartet aber nicht“.
Der Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) nach Europa ist im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent zurückgegangen. Das geht aus dem jüngsten “European LNG Tracker” des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) hervor. Er wurde am 18. Februar veröffentlicht und lag Table.Briefings vorab vor. Grund für den aktuellen Rückgang ist vor allem die stärkere Nutzung von Pipeline-Gas, das unter anderem aus Norwegen, Großbritannien und Nordafrika nach Europa importiert wird.
Insgesamt blieben die Erdgas-Importe im Jahresvergleich ungefähr stabil. Im längerfristigen Vergleich ist aber auch dort ein deutlicher Rückgang zu sehen: 2024 lag die europäische Gasnachfrage um etwa 20 Prozent niedriger als 2021. Als Gründe dafür nennt Ana Maria Jaller-Makarewicz als Hauptautorin des Berichts den Ausbau erneuerbarer Energien und politische Maßnahmen zur Reduzierung des Gasverbrauchs.
Gleichzeitig ist die Kapazität für die Anlandung und Verflüssigung von LNG in Europa erneut ausgeweitet worden. Im Jahr 2024 nahm sie um sechs Prozent zu; seit 2021 ist sie insgesamt um 29 Prozent gewachsen. Durch die Kombination aus höherer Kapazität und geringeren Importen ist die Auslastung der europäischen LNG-Terminals von 58 Prozent im Jahr 2023 auf 42 Prozent im Jahr 2024 gefallen. Für die Zukunft erwartet das IEEFA eine weiter sinkende Auslastung, denn bis 2030 sollen die Kapazitäten im Vergleich zu 2021 um 60 Prozent steigen; der Gasverbrauch wird dagegen sinken. Wichtigster LNG-Lieferant waren die USA: Im Schnitt der EU-Staaten stammten 45 Prozent der Importe von dort, in Deutschland waren es sogar rund 90 Prozent.
In Deutschland ist der LNG-Import im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern 2024 leicht gestiegen. Während das Terminal in Wilhelmshaven nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe zu 64 Prozent ausgelastet war und das in Brunsbüttel zu 49 Prozent, lag die Auslastung beim besonders heftig umkämpften Terminal auf Rügen nur bei acht Prozent. Auch die Hoffnung, dass das Terminal nach dem Ende des Gastransits durch die Ukraine zum Jahreswechsel stärker genutzt wird, hat sich bisher nicht erfüllt; seit Mitte Dezember gibt es dort praktisch keine Einspeisung mehr.
Der private Betreiber Deutsche Regas hat deswegen den Vertrag für eins seiner zwei Terminalschiffe, das er von der Bundesregierung gemietet hatte, gekündigt. Dies will das BMWK offenbar nicht hinnehmen. Der Bund werde “die notwendigen Schritte unternehmen, um seine Interessen zu wahren”, teilte eine Sprecherin mit, ohne Details zu nennen. mkr
Kurz vor der Bundestagswahl weisen die Wahlprogramme der Parteien laut einer Analyse des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) teilweise große Lücken bei der langfristigen Finanzierung der Klima-Transformation auf. Die Parteien würden “noch keine nachhaltige Klima-Finanzpolitik liefern”, kritisiert das FÖS. In den Wahlprogrammen und im Wahlkampf fehlten demnach klare Aussagen, welche Ausgaben aus welchen Finanzquellen gedeckt werden sollten und dazu, dass die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung für die Finanzierung der Klima-Transformation nicht ausreichen würden. Auch der Expertenrat für Klimafragen hatte die nächste Bundesregierung kürzlich gemahnt, die Klimafinanzierung sicherzustellen. Sie stehe zunehmend in Konkurrenz mit steigenden Verteidigungsausgaben und Finanzbedarfen für Infrastruktur und Bildung, dürfe aber nicht vernachlässigt werden.
Im Detail kritisiert die FÖS-Analyse:
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat bei einer Reise nach Belém die Amazonas-Stadt als Austragungsort für die Klimakonferenz COP30 verteidigt. Auf Kritik daran, dass es unter Umständen nicht genug Unterkunftsmöglichkeiten für die Gäste der COP30 gebe, antwortete er, dass die Menschen im schlimmsten Fall “unter freien Himmel unter den Sternen” schlafen müssten, dass es aber trotzdem eine wunderbare Konferenz werde. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Berichte über fehlende Unterkünfte sowie überzogene Preise dafür gegeben.
Die brasilianische Regierung will bis zu der Konferenz im November fünf Milliarden brasilianische Real (circa 836 Millionen Euro) investieren, um die Infrastruktur von Belém zu verbessern. Lula will aber keine Scheinlösungen umsetzen und arme Menschen nicht kurzfristig von der Straße holen, um das Stadtbild aufzubessern.
Der Besuch von Lula in Belém wurde auch vom Protest verschiedener NGOs gegen die geplante Ölförderung im brasilianischen Amazonas-Gebiet begleitet. Sowohl Lula als auch der COP-Präsident André Corrêa do Lago hatten darauf hingewirkt, dass die brasilianische Umweltschutzbehörde IBAMA die Ölförderung genehmigt, und gesagt, dass sie keine Widersprüche zur Klimapolitik und Energiewende des Landes darin sehen. kul
Die Pläne für grüneren internationalen Schiffsverkehr, die aktuell von der International Maritim Organization (IMO) verhandelt werden, könnten die Klimafolgen des Sektors verschlimmern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Thinktanks Transport & Environment (T&E). Bisher wird internationale Schifffahrt von nationalen Klimaplänen nicht miteinbezogen, deshalb soll nun unter anderem ein CO₂-Preis eingeführt werden. Table.Briefings berichtete in der vergangenen Woche ausführlich darüber.
Die Kritik der NGO richtet sich vor allem gegen die Möglichkeit, fossile Kraftstoffe in der Schifffahrt durch Biokraftstoffe zu ersetzen. Das könnte weltweit zu Abholzung sowie zu nicht nachhaltigen Plantagen für Soja oder Palmöl führen. Dadurch könnten nach Berechnungen von T&E bis zu 270 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente freigesetzt werden. Außerdem könnten durch die Pläne die Preise für Speiseöl ansteigen. Verschiedene Schifffahrtsunternehmen, darunter auch Hapag-Lloyd, haben deshalb dazu aufgerufen, nicht nachhaltige Biokraftstoffe nicht als grüne Alternativen zu fossilen Brennstoffen zuzulassen. kul
taz: Fliegender Friedrich. Seit 2022 hat Friedrich Merz mit seinem zweimotorigen Flugzeug, einer Diamond DA62, mindestens 160 Flüge absolviert. Insgesamt legte die Maschine mehr als 50.000 Kilometer zurück und verursachte dabei über 23 Tonnen CO₂-Emissionen. Die am häufigsten geflogene Strecke war mit 60 Flügen die Verbindung zwischen Arnsberg, dem Wohnort von Merz, und Schönhagen südlich von Berlin. Zum Artikel
FAZ: Strom zu teuer. Da es in Deutschland lange Zeit an politischen Vorgaben fehlte und Strom teurer als Gas war, entschieden sich viele Bürger für eine Gasheizung anstelle einer Wärmepumpe. Kai Schiefelbein, CEO des Wärmepumpenherstellers Stiebel Eltron, betont, dass mehr deutsche Hausbesitzer auf Wärmepumpen umsteigen würden, wenn der Preis für Strom im Verhältnis zu Gas sinken würde. Zum Artikel
Washington Post: Trump zerstört Windkraft. Donald Trump scheint seinen Kampf gegen die Windkraft zu gewinnen. Nach der Wahl zog sich Shell aus einem bedeutenden Offshore-Windprojekt vor der Küste New Jerseys zurück, und ein französischer Hersteller von Unterseekabeln stellte den Betrieb einer Fabrik in Massachusetts ein, die anstelle eines ehemaligen Kohlekraftwerks Hunderte von Arbeitsplätzen schaffen sollte. Trumps Anordnung, alle Genehmigungen für Offshore-Windkraftanlagen sofort einzufrieren, gefährdet zudem Dutzende weiterer Projekte. Zum Artikel
Financial Times: Solar-Hochtechnologie. Japan investiert 1,5 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung der nächsten Generation ultradünner, leichter und flexibler Solarmodule. Mit diesen Subventionen soll die Kommerzialisierung einer Technologie vorangetrieben werden, die laut Analysten Chinas Dominanz im Bereich erneuerbarer Energien herausfordern und Tokios Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern könnte. Tokio hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 genügend dieser Solarzellen zu installieren, um eine Energiemenge zu erzeugen, die der Leistung von 20 Kernkraftwerken entspricht. Zum Artikel
FAZ: Stromverbrauch steigt. Der weltweite Stromverbrauch wird in den kommenden Jahren stark steigen, angetrieben durch den Energiehunger von Schwellenländern und die wachsende Wirtschaft. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird bis 2027 ein jährlicher Anstieg von fast vier Prozent erwartet. Hauptursachen sind die zunehmende Industrienutzung, der höhere Bedarf an Klimaanlagen, die Elektrifizierung des Verkehrs und die Expansion von Rechenzentren. Zum Artikel
in den TV-Studios zur Bundestagswahl war kaum Platz zum Atmen. So groß war der Elefant im Raum – die Klimakrise: Dieses entscheidende Zukunftsthema wurde kaum angesprochen und es wurde selten nachgefragt, wenn vor allem die AfD Fakten leugnete oder verzerrte. Deshalb hat Alexandra Endres einmal in diesem vorletzten Climate.Table vor der Wahl genauer darauf geblickt, welche Rolle Fake News bei dieser entscheidenden Wahl spielen. Ihr Stück rundet unsere Reihe von Faktenchecks zur Wahl ab.
Aber auch am anderen Ende der Welt nimmt es eine Regierung nicht so genau mit den Fakten, wenn es ums Klima geht. Neuseeland hat zwar ein NDC vorgelegt – aber den Inhalt nennt nur die Regierung “ehrgeizig”, schreibt unser Korrespondent Marc Daalder. Und die Stadtwerke in vielen deutschen Städten glauben wohl auch selbst nicht mehr an die beschlossene Klimaneutralität bis 2045.
Umso dringender: Die richtigen Entscheidungen bei der Wahl am Sonntag. Sie haben die Stimme, wir liefern die Informationen zur Entscheidungsfindung. Dann mal los!
Herzliche Grüße
Im Wahlkampf verbreiten Politiker und Parteien teilweise gezielt falsche Fakten zur Klimapolitik: AfD, aber auch Teile von CDU/CSU und FDP kritisieren mit verkürzten Daten etwa erneuerbare Energien als teure Subventionsmodelle und propagieren angeblich billigen Strom aus Kernenergie oder flächendeckenden Abbau von Windrädern. Zwar sind verzerrte Darstellungen im Wahlkampf nicht ungewöhnlich, doch Experten warnen vor einer neuen Qualität: Fake News würden gezielt eingesetzt, um politische Gegner zu diskreditieren. Und soziale Schieflagen in der Politik erleichtern das Verbreiten von Falschmeldungen zusätzlich.
“Im Wahlkampf gibt es immer Desinformation”, sagt Julia Metag, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster – also absichtlich gestreute Falschinformationen, die beispielsweise dem Ziel dienen sollen, Wahlen zu beeinflussen oder Vertrauen zu untergraben. “Einzelne falsche Berichte entfalten dabei noch keine große Wirkung”, sagt Metag. “Aber sobald Desinformation sich weit verbreitet, kann sie zu einer grundsätzlichen Verunsicherung führen und zu einem sinkenden Vertrauen in demokratische Prozesse. Gerade in einer polarisierten Gesellschaft fällt das auf fruchtbaren Boden. Im deutschen Kontext versucht das gerade die AfD.”
Derzeit sei die Energiewende für Populisten ein besonders “lohnendes Feld”, sagt Johanna Siebert, die am Thinktank Progressives Zentrum schwerpunktmäßig zu antidemokratischer Einflussnahme auf die Klima- und Umweltpolitik arbeitet. “In ihr verbinden sich aktuell drängende Themen wie steigende Lebenshaltungskosten, die Energiekrise und die Transformation zur Klimaneutralität.” Deshalb werde die Energiewende immer wieder infrage gestellt, sagt Siebert, “beispielsweise durch Alice Weidels Forderung auf dem AfD-Parteitag, Windräder in großem Maßstab wieder abzubauen”. Ein weiteres Beispiel sei die “von der AfD befeuerte Erzählung, die steigenden Energiepreise seien auf den Ausbau der Erneuerbaren oder den Atomausstieg zurückzuführen – was aufgrund des russischen Angriffskriegs und der massiven Profite fossiler Energiekonzerne in der Energiekrise zumindest eine stark verzerrte Erklärung ist”.
Viele Beispiele für Falschaussagen im laufenden Wahlkampf kommen aus der AfD. In ihrem Gespräch mit Elon Musk behauptete Parteichefin Weidel etwa, Atomkraft sei CO₂-neutral – was unter anderem ein Correctiv-Faktencheck widerlegt, der sich unter anderem auf IPCC-Daten stützt. Daneben sagte Weidel, Deutschland sei das einzige Industrieland, das aus der Kernenergie ausgestiegen sei – was ebenfalls nicht stimmt.
Die AfD nutze das Klimathema gezielt, um ihre politischen Gegner zu verunglimpfen, sagt Joe Düker, der beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) rechtsextreme Phänomene im Internet untersucht. Ihre Vertreterinnen und Vertreter sprechen von “Klimasozialismus” und “grünen Verbrennerfeinden” und schüren die Angst vor einer vermeintlichen “grünen Deindustrialisierung”. Manchmal übernähmen etablierte Parteien die rechte Rhetorik – beispielsweise die CDU, wenn sie vor “(grüner) Deindustrialisierung” warne, oder die FDP, wenn Parteichef Christian Lindner eine angebliche “Klima-Ideologie” heraufbeschwöre. “Das sind Schlagwörter, mit denen die AfD seit Langem versucht, Maßnahmen gegen den Klimaschutz zu verunglimpfen”, sagt Düker.
Aus der Forschung wisse man, dass der größte Anteil von Falschinformationen “aus dem rechten bis rechtskonservativen Spektrum” komme, sagt Kommunikationsforscherin Metag. Manche Akteure bewegen sich dabei in einer Grauzone: Sie formulieren keine harten Falschaussagen zur Klima- oder Energiepolitik, sondern stoßen Scheindebatten an, so wie CDU und CSU, wenn sie durch vermeintlich grünes Öl Heizen klimafreundlich machen wollen, oder wie Union und FDP, wenn sie wie die AfD für eine Renaissance der Atomkraft plädieren.
Das Ziel von Falsch- und Desinformation ist oft, Verunsicherung zu schüren und so das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben – und die Klimapolitik scheint dafür besonders geeignet. Hinweise darauf gab schon die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2023.
Doch die Klimapolitik liefere ihren Gegnern auch Angriffspunkte, sagt Expertin Siebert. Der Vorwurf, Klimapolitik werde für eine gutverdienende Minderheit gemacht, enthalte einen wahren Kern: “Förderprogramme kommen vor allem den Besserverdienenden zugute. Unter einem steigenden CO₂-Preis leiden die am meisten, die schon jetzt jeden Cent umdrehen müssen.” Wenn es Populisten gelinge, dieses Ungerechtigkeitsgefühl mit der Angst vor unbezahlbar hohen Preisen und einer kaputten Wirtschaft zu kombinieren, “dann steckt darin sehr viel Sprengkraft”.
Es gibt Wege, Falschinformationen zu begegnen: Siebert plädiert für eine offensivere Debatte über die Frage, wen eine effektive Klimapolitik besonders stark belasten – und entlasten – soll. “Eine gerechte Klimapolitik sollte unten entlasten und oben in die Pflicht nehmen, um populistischen Erzählungen und Falschinformationen den Nährboden zu entziehen”, sagt sie. Düker rät in Klimaschutz und Energiewende engagierten Politikerinnen und Politikern im Angesicht von Verunglimpfungen zu betonter Sachlichkeit – und dazu, gezielt besonders populäre Medien zu bespielen, um viele Menschen zu erreichen.
Metag hat vier Tipps für Menschen, die Klimapolitik auch gegen Falschinformationen vorantreiben wollen: Auf den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel bestehen und ihn vermitteln. Falschinformationen möglichst nicht wiederholen, sondern die korrekte Sachlage in den Vordergrund stellen. Über politische Meinungsverschiedenheiten hinweg im Gespräch bleiben, um der polarisierenden Wirkung von Desinformation entgegenzuwirken. Und schließlich: Über die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Facetten von Klimapolitik sprechen – etwa über das Klimageld, das Deutschlandticket und den ÖPNV, um Menschen mit einem geringen Haushaltseinkommen besonders zu erreichen.
Neuseelands neues Klimaziel für den Zeitraum bis 2035 (NDC) im Rahmen des Pariser Abkommens hat bei Klimaschützern scharfe Kritik hervorgerufen. Der ehemalige Leiter der IEA-Klimaabteilung nannte es “schockierend unambitioniert” und eine ehemalige Klimabotschafterin des Landes sagte, die Regierung nehme den Kampf gegen den Klimawandel “nicht ernst”. Die konservative Regierung dagegen verweist darauf, dass das neue NDC deutlich weniger Klimaschutzanstrengungen ins Ausland verlagert. Eine Analyse des Climate Action Tracker (CAT) kommt zu dem Ergebnis, dass das Ziel nicht ambitioniert genug ist, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.
Im Gegensatz zur Europäischen Union und einer Reihe anderer Industriestaaten hat Neuseeland zwar die Frist am 10. Februar für die Einreichung seines Klimaziels eingehalten. Doch das neuseeländische Ziel sieht nur vor, die Emissionen bis 2035 um 51 bis 55 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 zu senken. Damit liegt es rechnerisch nur um einen Prozentpunkt besser als das vorherige Ziel für 2030, das eine Emissionssenkung um 50 Prozent vorsieht.
Neuseelands Minister für Klimawandel, Simon Watts, sagte bei der Bekanntgabe des Ziels, es sei “sowohl ehrgeizig als auch erreichbar“. “Das Erreichen dieses Ziels bedeutet, dass wir unseren fairen Beitrag zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels leisten und gleichzeitig Neuseeland in die Lage versetzen, stärker zu sein und angesichts des Klimawandels zu gedeihen”, sagte er.
CAT wiederum kritisiert, dass das neue NDC im Vergleich zum 2030er-Ziel sogar höhere Netto-Emissionen zulassen könnte und größere Unsicherheiten mitbringe als das vorherige Ziel.
Die 2023 gewählte, rechtsgerichtete Regierung hat mit dem bisherigen neuseeländischen NDC eine schwierige Situation geerbt. Denn die Planungen bis 2030 sehen vor, die bestehende Verpflichtung zu einem Drittel durch inländische Maßnahmen und zu zwei Dritteln durch Minderungsmaßnahmen im Ausland zu erfüllen – wahrscheinlich durch den Kauf von Emissionsgutschriften über Artikel 6 des Pariser Abkommens.
Insgesamt deuten die jüngsten Prognosen darauf hin, dass Neuseeland bis 2030 mindestens 84 Millionen Tonnen dieser Minderungsmaßnahmen im Ausland benötigen wird, deren Kosten auf 3,4 bis 19,1 Milliarden NZ-Dollar (etwa zwei bis zehn Milliarden Euro) geschätzt werden. Die neuseeländischen Emissionen lagen im Jahr 2022 bei 78 Millionen Tonnen und damit höher als die der Schweiz, Irlands oder Norwegens. Rechnet man die Senkenfunktion der neuseeländischen Wälder ein, sinken die Emissionen auf 59 Millionen Tonnen.
Der Grund für die starke Inanspruchnahme von Artikel 6 ist, dass mehr als die Hälfte der neuseeländischen Emissionen aus der Landwirtschaft stammen, einem Sektor, für den es kaum wirksame, skalierbare Technologien zur Verringerung der Klimabelastung gibt. Emissionsreduzierungen von mehr als 50 Prozent könnten somit vor allem durch Aufforstung, ein Schrumpfen des Sektors oder den Kauf von Maßnahmen im Ausland erreicht werden.
Aus Sicht der Regierung stellt das neue NDC für 2035 nun eine ehrgeizige Verpflichtung dar, da es vollständig im Inland erfüllt werden soll. Mit anderen Worten: Auch wenn die Gesamtzahl nicht wesentlich anders aussieht, wird das Ziel dazu führen, dass die inländischen Emissionen Neuseelands zwischen 2030 und 2035 um weitere 24 bis 29 Prozent sinken.
Allerdings hat die unabhängige Kommission für Klimawandel festgestellt, dass im Inland bis 2035 noch mehr getan werden könnte, nämlich eine Senkung um 59 bis 63 Prozent gegenüber dem Stand von 2005. Während die Kommission die Vorgängerregierung gedrängt hatte, bei der Emissionssenkung weiterzugehen, hat die neue Regierung stattdessen das Tempo verlangsamt. So hat sie:
Dadurch hatte die Regierung nun auch wenig Spielraum für ein neues NDC. Die von ihr gewählte Spanne von 51 bis 55 Prozent stellt die kleinstmögliche Auslegung der im Pariser Abkommen geforderten “Progression über den dann aktuellen nationalen Beitrag der Partei hinaus” dar.
Das NDC wird international schlecht aufgenommen. Verglichen mit dem Ziel Großbritanniens, die Emissionen bis 2035 um 81 Prozent gegenüber 1990 zu senken, der Schweiz, die 65 Prozent zugesagt hat, und selbst dem Schwellenland Brasilien, das sich zu 59 bis 67 Prozent Reduktion verpflichtet hat, wirkt es wenig ambitioniert. Andreas Sieber von 350.org sagte, “das neue NDC erlaube es [Neuseeland], in Sachen Klima nichts zu tun”.
Die Situation verschärft sich mit der Bilanzierung, die die Regierung zur Erfüllung ihres NDC plant. Das neue Ziel setzt eine langjährige neuseeländische Praxis der Brutto-Netto-Bilanzierung fort – es verspricht, dass die Netto-Emissionen im Jahr 2035 um 51 bis 55 Prozent unter den Brutto-Werten von 2005 liegen werden.
Der bedeutende neuseeländische Forstsektor, der als riesige CO₂-Senke fungiert, wird für die Erreichung des Ziels angerechnet, aber nicht in den Ausgangswert eingerechnet. Bei einer Netto-Netto-Berechnung entspricht das neue Ziel nur einer Verringerung um etwa 25 Prozent gegenüber den Werten von 2005 bis 2035.
Darüber hinaus weicht das neue Ziel vom Budgetansatz ab, auf den Neuseeland bisher zur Freude der Klimawissenschaftler gesetzt hatte. Das neue Ziel ist nur ein Einzeljahresziel, was bedeutet, dass die Emissionen zwischen 2031 und 2034 steigen können, ohne das Ziel für 2035 zu gefährden.
Die ehemalige neuseeländische Klimabotschafterin Kay Harrison hatte sich zuvor für ein Ziel von mindestens minus 66 Prozent ausgesprochen. “Wenn Neuseeland sich nur zu minus 51 Prozent verpflichtet, während der weltweite Durchschnitt bei minus 60 liegt, erwarten wir von anderen Ländern, dass sie sich Ziele setzen, die unseren Rückstand ausgleichen. Deren Ziele werden viel höher sein müssen als unsere, und viele höher als minus 60 Prozent”, sagte sie. “Es ist, als ob wir den Einsatz – das absolute Minimum – zahlen, um in dem gefährlichsten Spiel unseres Lebens zu bleiben. Aber es ist uns nicht ernst damit, zu gewinnen.”
Nicht nur die politische Brandmauer zur AfD scheint zu bröckeln. Auch das deutsche Klimaneutralitätsziel für 2045, das immerhin auf den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts zurückgeht, steht unter Beschuss.
Die FDP würde es laut ihrem Wahlprogramm gern durch das europäische 2050-Klimaziel ersetzen. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der mit seinen Freien Wählern in den Bundestag einziehen will, möchte Klimaziele genau wie die AfD am liebsten ganz einmotten. Und Siegfried Russwurm, bis Ende 2024 Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sagte, “die Zieljahre sind nicht in Stein gemeißelt”.
Nun wächst auch unter Stadtwerken die Unterstützung dafür, das deutsche Klimaziel auf 2050 zu verschieben. Über 900 Stadtwerke kümmern sich in Deutschland um Energie, Wasser, Mobilität oder schnelles Internet. Sie gelten als zentrale Akteure der Energiewende, da sie vor Ort, also in den Regionen, Städten und Kommunen unter anderem Stromnetze zubauen oder Haushalte mit Fernwärme versorgen. Mit ihrer Kundennähe sind Stadtwerke entscheidend, um Erneuerbare auf lokaler Ebene einzubinden. “Ohne Stadtwerke keine Energiewende”, heißt es etwa beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Doch hinter vorgehaltener Hand hadern viele in der Branche mit der Dekarbonisierung. “Alle wissen, dass das 2045-Ziel völlig illusorisch ist“, sagt etwa der Geschäftsführer eines Stadtwerks und mittelständischen Energieversorgers, das 80.000 Menschen mit Energie und Wasser versorgt. Die “politische Gemengelage” sei aber noch nicht reif, “also bleiben alle still”.
Auch er hält sich aus strategischen Gründen zurück. Schließlich müsse er sein Fernwärmenetz ausbauen und dürfe keine Zweifel streuen, “sonst kommen wir gar nicht mehr vorwärts”. Dem Stadtrat – Stadtwerke gehören mehrheitlich ihren Kommunen – sage er daher, “wir haben einen Plan, starke Partner, ein Ziel und wir schaffen das”.
Auch bei anderen Stadtwerken mache man “gute Miene zum bösen Spiel. Aber abends beim Bier verdrehen alle die Augen”. Sein Wunsch: “Die Politik sollte endlich transparent machen, dass 2045 nicht klappt, und das deutsche Klimaziel auf 2050 verschieben.”
Aus seiner Sicht würde das den Bürgern Druck und Verunsicherung nehmen. “Wir erleben jeden Tag, dass eine Gasheizung kaputtgeht und der Eigentümer nicht weiß, wie es weitergeht.” Aus Panik kaufe der eine Wärmepumpe – auch wenn der Fernwärmeanschluss für ihn viel günstiger wäre. “Nur wann der kommt, das können wir nicht sagen”, so der Geschäftsführer. Er könne wegen fehlender Kapazitäten nur vier Kilometer Leitungen pro Jahr zubauen. “Aber wir bräuchten pro Jahr sechs, um das Klimaziel 2045 zu schaffen”.
Auch Anton Berger, Partner der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner, bestätigt die Stimmungslage in der Branche. Der Ökonom berät Stadtwerke und sagt “es würde wohl kaum einer ‘Nein’ zu einer Verschiebung des Klimaziels sagen, auch wenn das die Transformation verlangsamen dürfte”. Es brauche mehr Ressourcen, wie Baufirmen. Die aktuelle Knappheit verteuere den Umbau für Stadtwerke. “Etwas mehr Zeit würde sicher auch finanziellen Druck rausnehmen”, so Berger.
Es scheint derzeit an vielem zu mangeln, so verlautet es auch aus anderen Stadtwerke-Führungsetagen. An Stromnetzen, Speichern, Fachkräften für Tiefbau, Monteuren, Baggern, Finanzierung.
Allein bis 2030 sind laut einer Studie des BDEW und der Beratung EY 721 Milliarden Euro an Energiewende-Investitionen nötig. Auch danach braucht es gigantische Investitionen. “Realistisch glaubt kaum einer, dass wir in Deutschland 2045 oder auf Landesebene 2040 klimaneutral sind. Eine Verschiebung auf 2050 wäre daher sinnvoll, um mehr Zeit zu haben, die gewaltigen Investitionen zu refinanzieren. Gerade angesichts des Fachkräftemangels”, sagt der Stadtwerke-Geschäftsführer einer Baden-Württembergischen Großstadt, wo man offiziell schon 2040 klimaneutral sein will.
Er findet es falsch, “an einem unrealistischen Ziel” festzuhalten. “Das bringt doch nichts außer Frust und erhöht das Misstrauen in die Politik.” Die Abkehr der USA vom Pariser Klimaabkommen werde den politischen Diskurs in Europa ohnehin verändern.
Noch deutlicher und ohne auf Anonymität zu pochen, äußert sich Karl-Peter Hoffmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Sindelfingen. “Wir sollten das deutsche Klimaziel zeitlich verschieben – oder uns gleich von einem festen Enddatum verabschieden. Denn auch 2050 werden wir bei realistischer Betrachtung nicht klimaneutral sein, jedenfalls nicht, ohne die Bevölkerung in die Arme von Populisten zu treiben oder unsere Industrie zu Grunde zu richten.”
Eine Position, die sich inzwischen in breiten Kreisen von Politik und Wirtschaft wiederfindet. Auch Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, warnte erst kürzlich in einem Interview mit Table.Briefings davor, dass die deutsche Klimapolitik in die Deindustrialisierung führe. Also lieber Tempo rausnehmen, statt einem fernen Ziel nachzujagen – oder sich erst recht anstrengen, um wenigstens in Zielnähe zu bleiben?
Laut Projektionen des Umweltbundesamts (UBA) ist das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 mit derzeitigen Klimaschutzinstrumenten jedenfalls nicht erreichbar. Und auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gelangt in einer Studie zu dem Schluss, dass auf EU-Ebene das Ziel einer 55-prozentigen CO₂-Reduktion bis 2030 anhand aktueller Emissionsprognosen der EU-Mitgliedstaaten “voraussichtlich” scheitern werde. Der Verband warnt daher davor, die Klimaziele weiter zu verschärfen, bekennt sich aber immerhin auf Nachfrage “zum gesetzlichen Ziel der Klimaneutralität bis 2045 für Deutschland”.
Weniger deutlich positioniert sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der auch große Energieversorger vertritt. “Der Energiesektor richtet sich auf dieses Ziel aus, viele Investitionen sind mit Blick auf das Neutralitätsziel 2045 getätigt worden und wollen weiter getätigt werden. […] Aber wir erkennen auch die Notwendigkeit, Pragmatismus und ambitionierte Machbarkeit walten zu lassen“, heißt es von Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.
Dabei spricht einiges dagegen, die Dekarbonisierung zu verschieben. Dabei angefangen, dass sich Deutschland nicht so einfach über EU-Recht hinwegsetzen könnte. Und auch in der Branche gibt es Stimmen, die davor warnen, jetzt in eine Klimazieldiskussion einzusteigen.
“Das wäre doch nur eine Alibi-Aktion“, sagt etwa Thomas Gebhart, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Saarbrücken. Auch er glaubt nicht mehr an das 2045-Ziel, will aber trotzdem daran festhalten. “Verschiebt man einmal, verschiebt man immer wieder”. Dabei sei Planbarkeit unerlässlich. “Selbst wenn wir es nicht ganz schaffen, haben wir doch klar vor Augen, dass wir Mitte des Jahrhunderts kaum mehr Fossile verfeuern dürfen”. Auch Johannes Rager, Geschäftsführer der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim, will bei 2045 bleiben, obwohl auch er bestätigt, dass die meisten seiner Kollegen lieber verschieben würden. Er befürchtet, dass “wir sonst nochmal fünf bis zehn Jahre länger brauchen. Der Klimawandel wartet aber nicht“.
Der Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) nach Europa ist im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent zurückgegangen. Das geht aus dem jüngsten “European LNG Tracker” des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) hervor. Er wurde am 18. Februar veröffentlicht und lag Table.Briefings vorab vor. Grund für den aktuellen Rückgang ist vor allem die stärkere Nutzung von Pipeline-Gas, das unter anderem aus Norwegen, Großbritannien und Nordafrika nach Europa importiert wird.
Insgesamt blieben die Erdgas-Importe im Jahresvergleich ungefähr stabil. Im längerfristigen Vergleich ist aber auch dort ein deutlicher Rückgang zu sehen: 2024 lag die europäische Gasnachfrage um etwa 20 Prozent niedriger als 2021. Als Gründe dafür nennt Ana Maria Jaller-Makarewicz als Hauptautorin des Berichts den Ausbau erneuerbarer Energien und politische Maßnahmen zur Reduzierung des Gasverbrauchs.
Gleichzeitig ist die Kapazität für die Anlandung und Verflüssigung von LNG in Europa erneut ausgeweitet worden. Im Jahr 2024 nahm sie um sechs Prozent zu; seit 2021 ist sie insgesamt um 29 Prozent gewachsen. Durch die Kombination aus höherer Kapazität und geringeren Importen ist die Auslastung der europäischen LNG-Terminals von 58 Prozent im Jahr 2023 auf 42 Prozent im Jahr 2024 gefallen. Für die Zukunft erwartet das IEEFA eine weiter sinkende Auslastung, denn bis 2030 sollen die Kapazitäten im Vergleich zu 2021 um 60 Prozent steigen; der Gasverbrauch wird dagegen sinken. Wichtigster LNG-Lieferant waren die USA: Im Schnitt der EU-Staaten stammten 45 Prozent der Importe von dort, in Deutschland waren es sogar rund 90 Prozent.
In Deutschland ist der LNG-Import im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern 2024 leicht gestiegen. Während das Terminal in Wilhelmshaven nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe zu 64 Prozent ausgelastet war und das in Brunsbüttel zu 49 Prozent, lag die Auslastung beim besonders heftig umkämpften Terminal auf Rügen nur bei acht Prozent. Auch die Hoffnung, dass das Terminal nach dem Ende des Gastransits durch die Ukraine zum Jahreswechsel stärker genutzt wird, hat sich bisher nicht erfüllt; seit Mitte Dezember gibt es dort praktisch keine Einspeisung mehr.
Der private Betreiber Deutsche Regas hat deswegen den Vertrag für eins seiner zwei Terminalschiffe, das er von der Bundesregierung gemietet hatte, gekündigt. Dies will das BMWK offenbar nicht hinnehmen. Der Bund werde “die notwendigen Schritte unternehmen, um seine Interessen zu wahren”, teilte eine Sprecherin mit, ohne Details zu nennen. mkr
Kurz vor der Bundestagswahl weisen die Wahlprogramme der Parteien laut einer Analyse des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) teilweise große Lücken bei der langfristigen Finanzierung der Klima-Transformation auf. Die Parteien würden “noch keine nachhaltige Klima-Finanzpolitik liefern”, kritisiert das FÖS. In den Wahlprogrammen und im Wahlkampf fehlten demnach klare Aussagen, welche Ausgaben aus welchen Finanzquellen gedeckt werden sollten und dazu, dass die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung für die Finanzierung der Klima-Transformation nicht ausreichen würden. Auch der Expertenrat für Klimafragen hatte die nächste Bundesregierung kürzlich gemahnt, die Klimafinanzierung sicherzustellen. Sie stehe zunehmend in Konkurrenz mit steigenden Verteidigungsausgaben und Finanzbedarfen für Infrastruktur und Bildung, dürfe aber nicht vernachlässigt werden.
Im Detail kritisiert die FÖS-Analyse:
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat bei einer Reise nach Belém die Amazonas-Stadt als Austragungsort für die Klimakonferenz COP30 verteidigt. Auf Kritik daran, dass es unter Umständen nicht genug Unterkunftsmöglichkeiten für die Gäste der COP30 gebe, antwortete er, dass die Menschen im schlimmsten Fall “unter freien Himmel unter den Sternen” schlafen müssten, dass es aber trotzdem eine wunderbare Konferenz werde. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Berichte über fehlende Unterkünfte sowie überzogene Preise dafür gegeben.
Die brasilianische Regierung will bis zu der Konferenz im November fünf Milliarden brasilianische Real (circa 836 Millionen Euro) investieren, um die Infrastruktur von Belém zu verbessern. Lula will aber keine Scheinlösungen umsetzen und arme Menschen nicht kurzfristig von der Straße holen, um das Stadtbild aufzubessern.
Der Besuch von Lula in Belém wurde auch vom Protest verschiedener NGOs gegen die geplante Ölförderung im brasilianischen Amazonas-Gebiet begleitet. Sowohl Lula als auch der COP-Präsident André Corrêa do Lago hatten darauf hingewirkt, dass die brasilianische Umweltschutzbehörde IBAMA die Ölförderung genehmigt, und gesagt, dass sie keine Widersprüche zur Klimapolitik und Energiewende des Landes darin sehen. kul
Die Pläne für grüneren internationalen Schiffsverkehr, die aktuell von der International Maritim Organization (IMO) verhandelt werden, könnten die Klimafolgen des Sektors verschlimmern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Thinktanks Transport & Environment (T&E). Bisher wird internationale Schifffahrt von nationalen Klimaplänen nicht miteinbezogen, deshalb soll nun unter anderem ein CO₂-Preis eingeführt werden. Table.Briefings berichtete in der vergangenen Woche ausführlich darüber.
Die Kritik der NGO richtet sich vor allem gegen die Möglichkeit, fossile Kraftstoffe in der Schifffahrt durch Biokraftstoffe zu ersetzen. Das könnte weltweit zu Abholzung sowie zu nicht nachhaltigen Plantagen für Soja oder Palmöl führen. Dadurch könnten nach Berechnungen von T&E bis zu 270 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente freigesetzt werden. Außerdem könnten durch die Pläne die Preise für Speiseöl ansteigen. Verschiedene Schifffahrtsunternehmen, darunter auch Hapag-Lloyd, haben deshalb dazu aufgerufen, nicht nachhaltige Biokraftstoffe nicht als grüne Alternativen zu fossilen Brennstoffen zuzulassen. kul
taz: Fliegender Friedrich. Seit 2022 hat Friedrich Merz mit seinem zweimotorigen Flugzeug, einer Diamond DA62, mindestens 160 Flüge absolviert. Insgesamt legte die Maschine mehr als 50.000 Kilometer zurück und verursachte dabei über 23 Tonnen CO₂-Emissionen. Die am häufigsten geflogene Strecke war mit 60 Flügen die Verbindung zwischen Arnsberg, dem Wohnort von Merz, und Schönhagen südlich von Berlin. Zum Artikel
FAZ: Strom zu teuer. Da es in Deutschland lange Zeit an politischen Vorgaben fehlte und Strom teurer als Gas war, entschieden sich viele Bürger für eine Gasheizung anstelle einer Wärmepumpe. Kai Schiefelbein, CEO des Wärmepumpenherstellers Stiebel Eltron, betont, dass mehr deutsche Hausbesitzer auf Wärmepumpen umsteigen würden, wenn der Preis für Strom im Verhältnis zu Gas sinken würde. Zum Artikel
Washington Post: Trump zerstört Windkraft. Donald Trump scheint seinen Kampf gegen die Windkraft zu gewinnen. Nach der Wahl zog sich Shell aus einem bedeutenden Offshore-Windprojekt vor der Küste New Jerseys zurück, und ein französischer Hersteller von Unterseekabeln stellte den Betrieb einer Fabrik in Massachusetts ein, die anstelle eines ehemaligen Kohlekraftwerks Hunderte von Arbeitsplätzen schaffen sollte. Trumps Anordnung, alle Genehmigungen für Offshore-Windkraftanlagen sofort einzufrieren, gefährdet zudem Dutzende weiterer Projekte. Zum Artikel
Financial Times: Solar-Hochtechnologie. Japan investiert 1,5 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung der nächsten Generation ultradünner, leichter und flexibler Solarmodule. Mit diesen Subventionen soll die Kommerzialisierung einer Technologie vorangetrieben werden, die laut Analysten Chinas Dominanz im Bereich erneuerbarer Energien herausfordern und Tokios Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern könnte. Tokio hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 genügend dieser Solarzellen zu installieren, um eine Energiemenge zu erzeugen, die der Leistung von 20 Kernkraftwerken entspricht. Zum Artikel
FAZ: Stromverbrauch steigt. Der weltweite Stromverbrauch wird in den kommenden Jahren stark steigen, angetrieben durch den Energiehunger von Schwellenländern und die wachsende Wirtschaft. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird bis 2027 ein jährlicher Anstieg von fast vier Prozent erwartet. Hauptursachen sind die zunehmende Industrienutzung, der höhere Bedarf an Klimaanlagen, die Elektrifizierung des Verkehrs und die Expansion von Rechenzentren. Zum Artikel