“Hab ich euch doch gesagt” – das dürften Klimawissenschaftlerinnen wohl häufig denken, wenn jetzt wieder einmal über extrem hohe Temperaturen geklagt wird. Schon im vergangenen Jahr hat der IPCC in seinem 6. Sachstandsbericht vor Hitzewellen, Dürren und Extremwetter im Mittelmeer und den USA gewarnt, berichtet Bernhard Pötter. Der damalige Bericht liest sich wie eine Vorschau der Klimawandelfolgen, die wir aktuell in vielen Weltregionen beobachten und die uns in naher Zukunft noch drohen.
Die Debatte, wie die Politik noch extremere Hitzewellen abwenden kann, dreht sich häufig um ökonomische Anreize oder Verbote. Zwei Studien belegen nun: Verbote und Vorschriften sind bei vielen Menschen überraschenderweise beliebter als gedacht, berichtet Leonie Sontheimer. Besonders spannend: Das gilt auch, wenn es um die Zukunft fossiler Heizungen geht.
Eine CO₂-freie Energieversorgung will Tree Energy Solutions mit aufbauen. Das Energieunternehmen verspricht sogar, das alte Gasnetz weiter nutzbar zu halten. Wir haben uns den “grüne Kreislauf” aus Wasserstoff, CO₂ und synthetischem Methan genauer angeschaut und noch einige Probleme identifiziert.
Mit Verboten und Innovationen hin zu weniger “Hab ich euch doch gesagt, und ihr habt nicht zugehört!”? Wir werden das weiter beobachten
Beste Grüße
Die aktuellen Hitzewellen in Europa und Nordamerika sorgen für Höchststände bei den Temperaturen und große Besorgnis – aber für Experten kommen sie nicht unerwartet. Exzessive Wärme rund um das Mittelmeer, Hitzerekorde in den USA und erwartete Temperaturhöchststände in Italien, Frankreich, Spanien, Polen und Deutschland passen in die Projektionen des UN-Weltklimarats IPCC. Das Gremium hat in seinen letzten Berichten vor genau diesen Zuständen gewarnt.
Die EU-Raumfahrtbehörde ESA meldete vergangene Woche, dass eine langandauernde und intensive Hitzeperiode in Europa “gerade erst begonnen” habe. In Sizilien und Sardinien könnten der historische europäische Hitzerekord gebrochen werden. Der steht bei 48,8 Grad, die 2021 in Sizilien gemessen wurden. Das Hochdruckgebiet “Cerberus” sorgte für gefährliche Hitze in Italien, Griechenland, Spanien und anderen Mittelmeerländern.
Am Montag teilte die Weltwetterorganisation WMO mit, sie prüfe, ob es tatsächlich neue Rekorde gegeben habe. Die nationalen Meteorologie- und Hydrologiebehörden hätten ihr “eine Anzahl täglicher und stationsbezogener Temperaturrekorde” gemeldet. Daneben könnten manche Länder nationale Höchsttemperaturen überschritten haben.
Die Region rund um das Mittelmeer gilt unter Wissenschaftlern als Brennpunkt der Erderhitzung: “Wegen ihrer besonderen Kombination aus verschiedenen starken Klimarisiken und hoher Verwundbarkeit ist die Mittelmeerregion ein Hotspot für Klimarisiken, die untereinander verbunden sind”, heißt es in einem zusätzlichen Papier des IPCC im 6. Sachstandsbericht. “Die hauptsächlichen ökonomischen Sektoren in der Region (Landwirtschaft, Fischerei, Waldwirtschaft, Tourismus) sind höchst anfällig gegen Klimarisiken.”
Zum ersten Mal hat der IPCC 2022 die Region als ganze bewertet. Er stellt fest, dass:
Die Anpassung der “natürlichen und der menschlichen Systeme” an diese Entwicklungen, so warnt das Wissenschaftsgremium, werde auf “harte Grenzen stoßen“. Das bedeutet: an Punkte kommen, wo Anpassung nicht mehr möglich ist. Denn die Effekte von Dürren, Hitzewellen, Meeresspiegelanstieg, Ozeanerwärmung und -versauerung kämen zusammen und verstärkten sich gegenseitig. In manchen Regionen könnten etwa neue Deiche beim Küstenschutz helfen. Aber das sei teuer und reiche irgendwann auch nicht mehr aus.
Wolfgang Cramer ist einer der Hauptautoren des Berichts und Wissenschaftler am französischen Institut IMBE, das die Ökologie des Mittelmeeres erforscht. Er ist nicht überrascht, dass die Wirklichkeit im Mittelmeer die Prognosen einholt: “Das gilt eigentlich für alle Erkenntnisse des IPCC”, sagt Cramer gegenüber Table.Media. “Die Natur bestätigt unsere Modelle.”
Für ihn ist die Entwicklung am Mittelmeer auch “ein Spiegel des Nord-Süd-Konflikts”, bei dem ähnliche Umweltbedingungen ganz unterschiedliche Konsequenzen haben. Denn “ein Kleinbauer im Nildelta ist viel weniger gegen die Auswirkungen geschützt als etwa ein großer Betrieb in der italienischen Po-Ebene, der einen Investor und die EU-Agrarpolitik im Rücken hat.”
Insgesamt bedrohten intensivere Hitze und häufigere Hitzewellen “das menschliche Wohlergehen, die ökonomischen Aktivitäten und auch viele Ökosysteme an Land und im Ozean”, warnt der Bericht. Auch gefährde häufigerer Starkregen Menschen und Infrastruktur durch Überschwemmungen. Besonders anfällig ist die Mittelmeerregion laut IPCC, wegen einer “einzigartigen Kombination von Faktoren”:
Auch zu den Migrationsbewegungen in der Mittelmeerregion, wo seit 2014 etwa 20.000 Menschen auf der Flucht gestorben sind, trage “wahrscheinlich” der Klimawandel bei, heißt es im Bericht. Klimaveränderungen in West- und Subsahara-Afrika könnten Fluchtbewegungen auslösen, die Menschen aber auch in ihrer Mobilität behindern. Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung, zu der der Klimawandel beitrage, sei einer der Fluchtgründe. Allerdings gebe es trotz einer langen Dürre “keinen Beleg für einen direkten kausalen Zusammenhang” zwischen Klimawandel und dem Konflikt in Syrien.
Auch die lang andauernde, ungewöhnliche Hitzewelle in den USA passt in die Projektionen der Klimaforscher. Die aktuellen Rekordtemperaturen in den Wüstenstaaten Arizona, Kalifornien und New Mexiko sind Teil eines IPCC-Szenarios, dem der IPCC in seinem 6. Sachstandsbericht eine “hohe Wahrscheinlichkeit” zugesprochen hat.
“Klimarisiken durch hydrologische Veränderungen, darunter auch Hitzestress durch mehr Feuchtigkeit, extreme Niederschläge und intensivere Stürme, werden sich laut Projektionen intensivieren”, warnt der Bericht. Auch die extremen Niederschläge im Nordosten der USA, passen hier ins Bild, das die IPCC-Experten für den Bericht zusammengestellt haben.
Die Experten weisen auch darauf hin, wie die feindliche Stimmung in Teilen der US-Gesellschaft Reaktionen auf die Probleme verzögert hat: Mit “hoher Wahrscheinlichkeit” sei es dringlicher geworden, diese Risiken anzugehen, weil sie durch “Missinformation über die Klimawissenschaft verzögert wurden, die Unsicherheit gesät haben und das Erkennen von Risiken behindert haben.”
In der Debatte darum, wie ein klimafreundlicher Lebensstil aussehen kann und wie man ihn erreicht, haben jetzt zwei Untersuchungen überraschende Ergebnisse gebracht: Bei der Akzeptanz politischer Maßnahmen ergab eine Studie des “Sachverständigenrats für Umweltfragen” der Bundesregierung (SRU), dass “regulative Maßnahmen, also Ver- und Gebote, in der Regel eine viel höhere Akzeptanz aufweisen als ökonomische Anreize.” Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch ein breit angelegte Forschungsprojekt der EU zu einem “1.5° Lifestyle”. Demnach tendieren Bürger “oft zu sehr viel effektiveren Mitteln, als sich das Politiker trauen”, heißt es.
Beide Untersuchungen fallen in eine Zeit, in der in Deutschland wegen des umstrittenen “Gebäudeenergiegesetzes” (GEG) heftig debattiert wird, was der Beitrag der Konsumenten zum Klimaschutz sein kann. Einige der zentralen Frage dabei sind: Wie effektiv und wie beliebt sind Verbote? Und orientieren sich die Menschen in ihren Entscheidungen ökonomisch rational?
Unter den geeigneten Maßnahmen für die zügige Wärmewende ist das Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen, welches das GEG formuliert, das mit der größten Akzeptanz. So lautet eine der Antworten aus der Forschung zur aktuellen Debatte um das Heizungsgesetz.
Grundsätzlich ist laut IPCC die Einhaltung der Klimaziele nur möglich, wenn sich auch der Lebensstil der Menschen ändert. Demnach könnten durch Maßnahmen auf der Nachfrageseite
40 bis 70 Prozent der notwendigen Minderung von Treibhausgasemissionen bis 2050 erbracht werden. Und “um Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, muss das Verhalten der Menschen in Deutschland umweltfreundlicher werden”, schreibt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen im aktuellen Sondergutachten.
“Es war uns ein Anliegen, dieses Thema aus dem ideologisch verminten Gelände herauszuholen”, sagt Ratsmitglied Annette Elisabeth Töller von der Fern-Universität Hagen, die das Sondergutachten koordiniert hat. In der Debatte um ökologisches Verhalten käme von Umweltbewegten oft der Vorwurf, damit die Verantwortung auf das Individuum abzuwälzen – Liberale wiederum sähen in diesen Fragen die Freiheit gefährdet. “Deswegen benennen wir in dem Gutachten klare Kriterien dafür, wann eine politische Intervention angezeigt ist.”
Nach Meinung der SRU sollten deshalb Maßnahmen ergriffen werden, die auf eine Änderung des Verhaltens gerichtet sind, wenn:
Das Sondergutachten listet auf, welche staatlichen Instrumente sich dafür eignen, Menschen zu Verhaltensänderungen zu bringen. Dazu gehören etwa:
Gleichzeitig schätzen die Experten auch die politische Realisierbarkeit solcher staatlichen Eingriffe ein. Eins der drei Fallbeispiele des Gutachtens ist die Wärmewende in Eigenheimen. Das Ergebnis:
Laut Gutachten entscheiden Haushalte bei der Wahl einer Heizung nach einer “gefühlten Wirtschaftlichkeit“, zukünftige Entwicklungen wie der Anstieg des CO₂-Preises würden in der Entscheidung “möglicherweise nicht ausreichend” berücksichtigt, heißt es. Der Sachverständigenrat begrüßt daher “ausdrücklich” die GEG-Vorgabe, dass ab 2024 neu eingebaute Heizungen mindestens mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Gleichzeitig empfiehlt der Rat eine “klare Priorisierung der Erfüllungsoptionen”. Das bedeutet: Pelletheizungen sollten zum Beispiel bei der Förderung weniger priorisiert werden als Wärmepumpen.
Außerdem rät das Gutachten, die Politik solle neue Anlässe für Haushalte schaffen, sich mit energetischer Sanierung auseinanderzusetzen. Das könnten beispielsweise neue ordnungsrechtliche Standards sein, ein sehr hoher CO₂-Preis oder auch ein Energieberater vom Quartiersmanagement, der an die Haustür klopft. SRU-Autorin Töller ist selbst erstaunt über die vergleichsweise höhere Akzeptanz politischer Maßnahmen, die “in der Regel eine viel höhere Akzeptanz aufweisen als ökonomische Anreize”.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch das breit angelegte Forschungsprojekt EU 1.5° Lifestyle. Das europaweite Projekt erforscht, wie ein Lebensstil aussieht, der mit einer maximalen Erderhitzung von 1,5 Grad Celsius vereinbar ist. “Dabei geht es uns einerseits darum, was Bürger*innen oder Haushalte machen können. Andererseits – und das ist genauso wichtig – untersuchen wir die politischen Rahmenbedingungen für Verhaltensänderungen”, sagt Doris Fuchs, Professorin an der Universität Münster, die das Projekt koordiniert.
In fünf Thinking Labs, eins davon in Deutschland, wurden Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Medien, Zivilgesellschaft, Forschung und Thinktanks befragt, wie sie verschiedene Instrumente der Verhaltensänderung einschätzen. Das Ergebnis: Mit Abstand am beliebtesten waren Steuern und Verbote, wenn es zum Beispiel um Flugreisen, Autos in Innenstädten oder Zucker in Lebensmitteln ging.
“Das mag auf den ersten Blick überraschen, aber es unterstreicht eigentlich, was wir in der Forschung immer wieder bestätigen”, so Doris Fuchs. “Dass nämlich sowohl Stakeholder als auch Bürger in gemeinsamen Entscheidungsprozessen oft zu sehr viel effektiveren Mitteln tendieren, als sich das die Politiker trauen”.
In einer vorherigen Phase des Projekts wurden sieben tiefgreifende Strukturen identifiziert, die einen 1,5 Grad konformen Lebensstil erleichtern oder auch erschweren. Daraus haben die Forschenden die wirksamsten Hebel abgeleitet.
Gerade das erste Hindernis, den Fokus auf Wirtschaftswachstum, habe das Forschungsteam nicht erwartet, so Fuchs: “Dass die Wirtschaft wachsen muss, ist eine Grundannahme, die wir selten hinterfragen. Dabei erreichen wir bisher nur in sehr begrenztem Maße eine Loslösung von Wirtschaftsleistung und Ressourcenverbrauch”, sagt Fuchs. “Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir Lebensqualität in Zeiten schaffen können, in denen wir uns weiteres quantitatives Wirtschaftswachstum nicht mehr leisten können.”
Das EU 1.5 Lifestyle Forschungsprojekt startete im Mai 2021 ist auf vier Jahre angelegt. Neben der Erforschung von Wirksamkeit, Akzeptanz und politischer Rahmenbedingungen für Verhaltensänderung ist es auch erklärtes Ziel, “transformative Ansätze für 1,5° Lebensstile umzusetzen.”
Deutschland überarbeitet derzeit seine Nationale Wasserstoffstrategie. Demnach sollen im Jahr 2030 50 bis 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs aus Importen gedeckt werden. Doch der Wasserstoff-Transport per Schiff ist technisch sehr anspruchsvoll. Deshalb sollen bis 2030 größtenteils Derivate des Gases per Schiff importiert werden.
In dieser Debatte liegt jetzt ein Vorschlag auf dem Tisch, der auch die Bundesregierung sehr interessiert: Ein CO₂-freier Kreislauf für die Energieversorgung. Das Energie-Unternehmen Tree Energy Solutions (TES) schlägt vor, mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff ein synthetisches Gas als Wasserstoff-Derivat herzustellen und so einen CO₂-freien Energiekreislauf aufzubauen. Das synthetische Gas soll beispielsweise den Zement- oder Stahlunternehmen helfen, ihre Klimaziele zu erreichen.
Tree Energy Solution (TES) ist ein 2021 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Schiphol, Niederlande, und Außenstellen u.a. in Wilhelmshaven, Deutschland. Das Unternehmen soll ab dem Winter 23/24 gemeinsam mit Eon und Engie ein schwimmendes LNG-Terminal vor Wilhelmshaven betreiben. TES hat Kooperationen mit dem Energieversorger EWE, den Energieunternehmen EON sowie dem australischen Unternehmen Fortescue Future Industries. Schon vor einem Jahr präsentierten die Manager ihre Ideen im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck, der versucht, die sichere Energieversorgung Deutschlands mit der Idee der Dekarbonisierung zusammenzubringen. Doch wie realistisch ist das TES-Konzept?
Tree Energy Solutions will:
Was kompliziert klingt, hat einige Vorteile:
Im Wirtschaftsministerium und Kanzleramt stößt das TES-Konzept auf großes Interesse. Doch eine Sprecherin des BMWK verweist auf potenzielle Knappheiten und die Konkurrenz um Kohlenstoff, der für die Herstellung des synthetischen Gases und “gleichzeitig aber auch für nachhaltige Flugkraftstoffe” gebraucht werde.
Zur Verfügbarkeit des CO₂ zeigt sich Tree Energy Solutions optimistisch: Die Kunden des Unternehmens “werden Technologien zur CO₂-Abscheidung installieren, um ihre Klimaziele zu erreichen und ihre ETS-Abgaben zu reduzieren“, sagt eine Sprecherin. Das Unternehmen biete den CO₂-Transport per Zug und, sobald verfügbar, per Pipeline an. Seien die TES-Kunden “nicht in der Lage, 100 Prozent des CO₂ abzuscheiden, kompensieren wir dies durch Direct Air Capture“, so die TES-Sprecherin.
Doch nicht nur die Verfügbarkeit von CO₂ könnte zu einem Problem werden:
20. Juli, 16 Uhr, Augsburg
Vortrag Understanding Climate Risks
Im Rahmen der interdisziplinären Vortragsreihe “Klimaresilienz – Forschung und Transfer” im Sommersemester 2023 lädt das Zentrum für Klimaresilienz der Uni Augsburg zu drei Gastvorträgen von Vertreterinnen und Vertretern aus Forschung und Praxis ein. Infos
20. Juli, 16 Uhr, Online
Webinar The Global Land Squeeze: How to Manage Growing Competition for Land
Der Druck auf Landflächen steigt weltweit – auf dem Webinar des World Resources Institute wird diskutiert, wie wirtschaftliche und ökologische sowie Klimaschutz-Interessen vereinbart werden können. Infos
22. Juli, Goa, Indien
Treffen G20 Energy Ministers Meeting
Das 14. Ministertreffen für saubere Energie und das 8. Treffen der Mission Innovation werden gemeinsam mit dem G20-Ministertreffen zur Energiewende stattfinden. Es wird Regierungsvertreter, internationale Organisationen, Geldgeber für saubere Energie, Branchenführer, Nichtregierungsorganisationen, junge Fachleute und technische Innovatoren zusammenbringen. Infos
23. Juli, Spanien
Wahlen Parlamentswahlen
24. bis 26. Juli, Rom, Italien
Konferenz 2023 UN Food Systems Stocktaking Moment
Die UN Food Systems Stocktaking Moment wird die erste globale Folgeveranstaltung der Food Systems Summit 2021 sein, auf der sich Einzelpersonen und Länder verpflichteten, Lebensmittelsysteme anzupassen, um alle 17 SDGs vollständig zu erreichen. Infos
25. Juli, 16 Uhr, Online
Training Find the Latest Trends in Global GHG Emissions using Climate Watch
Diese Schulung konzentriert sich auf die jüngsten Trends bei den globalen Treibhausgasemissionen (THG) anhand von Daten. Das World Ressources Institute wird die verschiedenen Datensätze, die auf Climate Watch verfügbar sind, erläutern, zeigen, wo Daten und Grafiken heruntergeladen werden können, und demonstrieren, wie THG-Emissionen nach Ländern und Sektoren sowie im Zeitverlauf analysiert werden können. Infos
25. bis 28. Juli, Nairobi
Wahlen IPCC Elections
Auf seiner 59. Sitzung, die vom 25. bis 28. Juli 2023 in Nairobi, Kenia, stattfinden wird, wählt der IPCC ein neues IPCC-Büro und ein neues Büro der Task Force für nationale Treibhausgasinventare. Infos
26. Juli, 17 Uhr, Bruchsal
Workshop Kommunaler Klimaschutz: Den solidarisch-ökologischen Wandel erfolgreich gestalten
Bei dem Workshop der Friedrich-Ebert-Stiftung wird darüber diskutiert, wie kommunale Akteure sich effizient für Klimaschutz einsetzen können. Infos
27. Juli, 16.45 Uhr, Bonn
Exkursion Nachhaltige Wärme aus Grundwasser
Im Winter warm, im Sommer angenehm kühl: Die geologischen Gegebenheiten am “Bonner Bogen” ermöglichen eine ökologische und innovative Versorgung der Gebäude auf dem Campus – durch das Speichern von Energie in einem sogenannten Aquifer. Die Geothermieanlage ist eine der größten, oberflächennahen Einrichtungen dieser Art in Deutschland/Europa. Die Friedrich-Ebert-Stiftung schaut sich an, wie sie funktioniert. Infos
Hitzewellen halten Europa derzeit in ihrem Griff. Doch jenseits der aktuellen Höchsttemperaturen fand es ein Team von Forschenden der Studiengruppe Crowther Lab an der ETH Zürich interessant, wie sich langfristig das Stadtklima in verschiedenen Regionen verändern wird. Sie analysierten Temperatur- und Niederschlagsdaten aus 520 Städten aus der ganzen Welt und verbanden sie mit der optimistischen Einschätzung, dass sich die Welt bis 2050 um 1,4 Grad im globalen Mittel erwärmt.
Nach diesen Analysen werden 77 Prozent der Städte ein Klima erleben, wie es heute in Ballungsräumen herrscht, die im Schnitt etwa 1.000 Kilometer näher am Äquator liegen. 22 Prozent werden Bedingungen vorfinden, in denen heute keine Großstadt existiert. Im Schnitt wandert das Stadtklima in Europa damit jedes Jahr 20 Kilometer nach Süden.
Von der weltweiten interaktiven Grafik zeigen wir hier nur einen europäischen Auszug: 2050 wird es sich also in Stockholm von den klimatischen Bedingungen so anfühlen, als lebe man heute in Budapest. Helsinki ähnelt Wien, die österreichische Hauptstadt wiederum Skopje in Montenegro, Madrid dem marokkanischen Fez und Londons Klima ähnelt dem australischen Melbourne. Moskau wird sich wie Detroit anfühlen. Und Berlin, Paris, Kiew und Brüssel werden demnach zumindest klimatisch auf einer gemeinsamen Linie liegen. Nämlich mit Canberra in Australien. bpo
Der dreitägige Staatsbesuch des US-Klimasondergesandten John Kerry in China hat zu einer Wiederbelebung des Klimadialogs zwischen beiden Staaten geführt – konkrete inhaltliche Vereinbarungen wurden aber nicht getroffen. In den kommenden Wochen wollen beide Seiten “intensiv” zusammenarbeiten, sagte Kerry. Termine für die nächsten beiden Treffen würden vorbereitet. Man habe nur noch vier Monate bis zur nächsten Klimakonferenz und müsse verloren gegangene Zeit aufholen. Ziel sei ein “Arbeitsprodukt”, das in beiden Staaten vermittelbar sei, nahm Kerry auf die schwierigen Rahmenbedingungen in den USA und China Bezug.
Über folgende Themen soll laut Kerry gesprochen werden:
Die Verringerung der Kohlenutzung gilt in China als heißes Eisen, da die Energiesicherheit des Landes noch an der Kohle hängt. Zu den Methanemissionen hatte China schon im vergangenen Jahr einen Aktionsplan angekündigt.
Während seines Staatsbesuchs sprach Kerry mit Premier Li Qiang, Vizepremier Han Zheng, Chinas Klima-Sondergesandten Xie Zhenhua und Spitzendiplomat Wang Yi. Kerry rief dazu auf, das Klimathema von anderen Streitthemen zwischen den beiden Supermächten zu entkoppeln. Chinas Präsident Xi Jinping hatte noch während des Staatsbesuchs auf einer hochrangigen Konferenz des Politbüros betont, China sei seinen Klimazielen verpflichtet. Allerdings müsse die Volksrepublik “den Weg und das Tempo selbst bestimmen” und dürfe nicht von außen beeinflusst werden.
Neben einer Einigung über die Methanemissionen und die Kohleverstromung hatten Beobachter auch auf Fortschritte bei der Klimafinanzierung gehofft. Hier gibt es Forderungen sowohl an die USA, deren Beteiligung an der Klimafinanzierung von den Republikanern blockiert wird, als auch an China, das sich nicht als Geberland sieht. Chinas Premier Li Qiang hatte während des Besuchs betont, dass er bei der Klimafinanzierung vor allem die Industrieländer in der Pflicht sieht. Die Entwicklungsländer “sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Beiträge leisten”.
Der Besuch war von den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China überschattet. Die offiziellen Gespräche zum Klimawandel waren nach einem Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan ausgesetzt worden. “Wir versuchen, den Prozess, an dem wir seit Jahren gearbeitet haben, wiederherzustellen”, sagte Kerry über die schwierigen Beziehungen der beiden Staaten. nib
Die Umwandlung der Stahlindustrie hin zu klimafreundlicheren Verfahren geht zu langsam voran. Das ist das Ergebnis einer heute vom Global Energy Monitor unter dem Titel “2023: Pedal to the Metal” veröffentlichten Studie. Global Energy Monitor ist eine in San Francisco ansässige Nichtregierungsorganisation, die weltweit Projekte für fossile Brennstoffe und erneuerbare Energien katalogisiert.
Der Studie zufolge sind mehr als die Hälfte (57 Prozent) der geplanten neuen Kapazitäten im Stahlsektor noch immer kohlebasierte Hochöfen. Zwar sei der Anteil der mit Gas oder Strom betriebenen geplanten Lichtbögen-Hochöfen auf 43 Prozent gestiegen. Doch dies sei noch viel zu wenig für die Klimaziele. Bleiben die derzeitigen Ausbauvorhaben bestehen, werden im Jahr 2050 nur 32 Prozent der Gesamtkapazität auf elektrischen Lichtbögen basieren, so die Studie.
Als Folge der Ausbaupläne drohen der Stahlindustrie demnach bis zu 554 Milliarden US-Dollar an gestrandeten Vermögenswerten (“Stranded Assets”). Das sind Investitionen, die ihren Wert verlieren, wenn die Staaten ihren Klimaverpflichtungen nachkommen. Ein Großteil des Zubaus neuer kohlebasierter Hochöfen findet laut Studie in Indien und China statt. 40 Prozent der in der Entwicklung befindlichen kohlebasierten Stahlkapazitäten liegen in Indien, 39 Prozent in China.
Auf die Eisen- und Stahlindustrie entfallen etwa 7 Prozent der weltweiten Treibhausgas- und 11 Prozent der CO₂-Emissionen. Laut der US-Beratungsfirma “Global Efficiency Intelligence” hat sich die globale Stahlproduktion zwischen 2000 und 2020 mehr als verdoppelt. Mehr als die Hälfte der Produktion entfiel demnach auf China. Zwar nehme die Emissions- und Energieintensität ab, aber weil die Nachfrage sehr schnell wächst, rechnet “Global Efficiency Intelligence” damit, dass auch die Treibhausgasemissionen der Branche in Zukunft weiter zunehmen werden. nib, bpo, ae
Die erneuerbaren Energien werden in den nächsten zwei Jahren einen Großteil der weltweit wachsenden Stromnachfrage decken, wie ein neuer Bericht der Internationalen Energieagentur zeigt. “Die Welt bewegt sich rasch auf einen Wendepunkt zu, an dem die weltweite Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen zunehmend durch Strom aus sauberen Energiequellen ersetzt wird”, so das Fazit des Berichts. Im Jahr 2024 könnten die Erneuerbaren demnach ein Drittel der weltweiten Stromerzeugung ausmachen. Die Stromerzeugung aus Erdöl werde laut IEA in den nächsten zwei Jahren deutlich sinken, die aus Kohle leicht abnehmen – nachdem sie 2022 noch um 1,7 Prozent zugenommen hatte.
In vier der sechs Jahre von 2019 bis 2024 hat oder werde die Stromproduktion aus Kohle abnehmen, so die IEA. Allerdings nahm die Kohleverstromung im Jahr 2021 so stark zu, dass sie im gesamten Zeitraum zugenommen hat. Insgesamt rechnet die IEA aber mit einer Abnahme der CO₂-Emissionen aus der Stromerzeugung von jeweils circa einem Prozent in 2023 und 2024. In Indien und China werden die Emissionen aus der Stromerzeugung demnach weiter steigen.
Weltweit wird die Stromnachfrage in den nächsten beiden Jahren weiter steigen:
Der Green Climate Fund (GCF) der Vereinten Nationen hat seine Strategie für 2024-2027 festgelegt. Insgesamt sollen 755,8 Millionen Dollar für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern bereitstellt werden. Bei der 36. Sitzung des Vorstands am 13. Juli am Sitz des GCF im südkoreanischen Incheon nahmen die Mitglieder nach langen und teilweise kontroversen Debatten, die Pläne für die nächsten Jahre an. Der pakistanische Co-Vorsitzende des Gremiums Nauman Bashir Bhatti sagte, der Vorstand habe “grünes Licht für 12 neue Projekte in besonders verwundbaren Ländern gegeben”.
Darunter sind etwa:
Der GCF hat damit seit seiner Einrichtung im Jahr 2010 Projekte mit insgesamt etwa 17 Milliarden Dollar unterstützt. Zahlungen an den GCF sind freiwillig und werden von über 40 Staaten geleistet. Über die Vergabe der Mittel entscheidet der Vorstand, der mit zwölf Vertretern aus den Industriestaaten und zwölf Delegierten aus dem Globalen Süden besetzt ist. Im Oktober wird in Bonn die nächste Auffüllungsrunde für den GCF stattfinden. Deutschland hat bereits angekündigt, seinen Beitrag auf zwei Milliarden Dollar zu erhöhen.
Kontroverse Diskussionen gab es nach Angaben von Teilnehmern bei der jüngsten Sitzung um die Frage, woher die Mittel für den GCF kommen sollten. Während die Staaten des Globalen Südens vor allem auf öffentliche Mittel pochen, verlangen die Industriestaaten mehr Engagement aus der privaten Wirtschaft, von Stiftungen und Staaten, die bislang nicht einzahlen. Ein Bezug zu einem “grüneren Finanzsystem”, den die Industriestaaten wollten, wurde aus einem Textentwurf entfernt, berichtet die Nachrichtenseite Climate Home News.
Unter dem Stichwort “die Geberbasis ausweiten” läuft derzeit eine Debatte, welche Länder und Geldgeber in Zukunft jenseits der klassischen Industrieländer für internationalen Klimaschutz zahlen sollen. Diese Diskussion wird auch in anderen Finanzierungsfragen beim Klimaschutz immer wichtiger, etwa beim “Loss and Damage-Fonds”, dessen Details bis zur COP28 in Dubai von einem “Übergangskomitee” festgelegt werden sollen. bpo
Aufgrund der ungewöhnlich hohen Temperaturen in vielen Meeresregionen weltweit könnte es in den kommenden Monaten zu einer großflächigen Korallenbleiche kommen, warnen Wissenschaftler. Besonders akut ist die Gefahr demnach im Golf von Mexiko. Dort ist das Oberflächenwasser derzeit deutlich über 30 Grad Celsius warm. Üblich wären zwei bis drei Grad weniger.
Weil die Korallenriffe im Golf von Mexiko auch durch Überfischung, Überdüngung und Krankheiten geschädigt seien, könnte es “im schlimmsten Fall zu einem vollständigen Verlust der Riffe” kommen, sagt Sebastian Ferse, Meereswissenschaftler am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen.
Korallen beherbergen oder ernähren rund ein Viertel des marinen Lebens, darunter viele Fischarten. Deshalb sind sie von großer Bedeutung für die weltweite Ernährungssicherheit. Den Küsten vorgelagerte Riffe schützen das Land zudem vor Sturm und Wellen. Weil sie viele Touristen anziehen, sind Korallenriffe in manchen Ländern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Seit Monaten sind die Meerestemperaturen in vielen Regionen weltweit deutlich zu hoch. Forschende gehen davon aus, dass der Klimawandel ein Grund dafür ist. Daneben bringt das El-Niño-Phänomen höhere Temperaturen im Pazifik, die sich weiter ausbreiten dürften. Über weitere mögliche Ursachen wird noch diskutiert.
Korallenbleichen gebe es zwar schon sehr lange, sagt Christian Wild, Meeresökologe an der Uni Bremen. “Das aktuelle Problem aber ist, dass die Häufigkeit der Bleichen durch die steigenden Wassertemperaturen stark zunimmt.” Deshalb hätten die Riffe “immer weniger Zeit, um sich von der jeweils vorherigen Bleiche zu erholen, bevor die nächste beginnt.” ae
Der Beitrag der Forstwirtschaft zum Klimawandel sei bislang in Wissenschaft und Politik “weitgehend übersehen” worden, berichtet eine Forschungsgruppe des US-Thinktanks World Resources Institute.
In einer kürzlich in der Fachzeitschrift “Nature” veröffentlichten Studie schätzen die Forschenden, dass die Holzproduktion weltweit künftig jährlich zwischen 3,5 und 4,2 Milliarden Tonnen Treibhausgase (gemessen in CO₂-Äquivalenten) freisetzen wird. Das entspreche in etwa zehn Prozent der globalen CO₂-Emissionen aus dem Energiebereich und dem Dreifachen der Luftverkehrs-Emissionen pro Jahr.
Sie erwarten, dass die weltweite Produktion von Holz weiter steigt und 2050 um mehr als die Hälfte über dem Niveau von 2010 liegt – mit entsprechend höheren Emissionen. Als Grund dafür sehen sie insbesondere die wachsende Nachfrage nach Holz als industriellem Rohstoff, beispielsweise für die Papier- und Verpackungsproduktion. Aber auch der Bedarf an Brennholz nehme zu.
Emissionen aus der Forstwirtschaft und Wäldern zu berechnen, ist komplex. Wenn Bäume wachsen, binden sie CO₂ – aber wie schnell und wie viel, hängt unter anderem von ihrer Wachstumsgeschwindigkeit ab. Die verändert sich mit dem Lebensalter der Bäume. Auch der Waldboden kann, je nach Zustand, CO₂ binden oder freisetzen.
Die Forschungsgruppe schreibt: Bisherige Analysen der Emissionen gingen oft davon aus, dass die Holzernte nachhaltig sei – und damit unschädlich fürs Klima -, solange mehr Bäume nachwachsen als gefällt würden. Doch so zu rechnen, sei nicht angebracht. Denn ohne die Holzernte “würden die Wälder weiter wachsen und mehr Kohlenstoff aus der Luft holen”. In ihrer Studie haben sie nun einen eigenen Berechnungsansatz entwickelt. ae
Die beiden Nachrichten folgten vor wenigen Tagen direkt aufeinander: Der globale Flugverkehr erreichte einen neuen Rekord, wie Daten des Tracking-Unternehmens Flightradar24 zeigten – und wenig später meldete die Weltwetterorganisation WMO vorläufigen Daten zufolge die höchsten Temperaturen weltweit seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Airlines erwarten weltweit ein starkes Sommergeschäft und hohe Gewinne. Die Urlaubssaison hat begonnen, und viele Menschen wollen wieder verreisen. Auch mit dem Flugzeug.
Es fällt schwer, die Gleichzeitigkeit von Klimakrise und wachsendem Flugverkehr zu begreifen. Der Klimaschutz kommt in der Branche nicht voran. Dabei verursacht der Flugverkehr rund drei Prozent der globalen CO₂-Emissionen – und weitere Treibhausgase, die das Klima teils noch stärker beeinflussen, kommen noch hinzu.
Flugreisen sind eine Dienstleistung, die von einer privilegierten Minderheit in Anspruch genommen wird. In keinem anderen Bereich ist die Ungleichheit der Emissionen so eklatant: Im Vereinigten Königreich beispielsweise reisen Studien zufolge vor allem die Angehörigen reicherer, hochgebildeter und städtischer Haushalte mit dem Flugzeug. Global sind Flugreisen erst recht einer verschwindend kleinen Minderheit vorbehalten.
Ein winziger Bruchteil der Menschheit – das eine Prozent, das am häufigsten fliegt – ist für mehr als die Hälfte der gesamten Passagieremissionen verantwortlich. Flüge gelten eher als Luxus, denn als Notwendigkeit. Forschende stufen fast die Hälfte der Flüge, die in der Freizeit stattfinden, als unwichtig ein. Angesichts der Umweltkosten dieser Flüge ist das alarmierend. Warum wird der Branche erlaubt, unter dem Radar zu fliegen?
Die Fluggesellschaften spielen dafür eine entscheidende Rolle. Ihr Marketing webt verlockende Geschichten von Abenteuern und dringenden Geschäften. Die Bedeutung von Flugreisen für den Aufbau von Sozialkapital macht die Sache noch schwieriger. Werden Flugreisende über die negativen Umweltfolgen ihres Tuns informiert, kann das zu kognitiver Dissonanz führen. Das heißt: Manche fühlen sich veranlasst, die Realität des Klimawandels zu leugnen. Andere glauben, mithilfe neuer Technologien könne alles so weiterlaufen wie bisher. Diese Psychologie der Verleugnung ist unter Vielfliegern besonders ausgeprägt.
Das derzeitige Geschäftsmodell der Luftfahrtindustrie, das auf Volumenwachstum mit minimalen Gewinnspannen setzt, ist auf Dauer nicht tragbar. Bleibt es unverändert, ist es wahrscheinlich, dass der Beitrag des Luftverkehrs zum Klimawandel weiter zunehmen wird. Allein der Tourismus – darunter fallen alle Reisen mit mindestens einer Übernachtung, egal ob geschäftlich veranlasst oder zu Ferienzwecken – könnte ohne Klimaschutzmaßnahmen 40 Prozent des Kohlenstoffbudgets aufbrauchen, das uns noch bleibt, wenn wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen.
Erfreulicherweise gibt es aber auch erhebliche Unterstützung für Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs zu senken. In einer Umfrage in Deutschland befürwortete eine Zweidrittelmehrheit der Befragten gleich drei solcher Maßnahmen: einen CO₂-Preis, der die Flugkosten erhöhen würde, sowie Vorschriften, die die Fluggesellschaften zur Emissionsreduzierung zwingen würden, und die Abschaffung von Subventionen.
Aber die entscheidenden Akteure in der Politik nehmen konsequenten Klimaschutz oft noch als zu großes politisches Risiko war. Gerade die Einflussreichen sind oft Vielflieger. Gleichzeitig fehlt es strukturell an einer wirksamen globalen Regulierung im Flugverkehr. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO versucht, sich durch Offsets einen klima-grünen Anstrich zu verschaffen. Zugleich verhindert sie insgesamt wirksamen Klimaschutz auf globaler Ebene.
Forschende und Analysten schlagen drei Arten von Maßnahmen vor, um dem Klimawandel im Luftverkehr zu begegnen:
Die Preisgestaltung ist wohl der wichtigste Aspekt. Die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs sind stark unterbewertet, und Kerosin ist international nach wie vor von der Steuer befreit. Die nun geplante Einbeziehung von Flügen innerhalb der EU in das EU-Emissionshandelssystem ist ein wichtiger Schritt – der jedoch weiterhin die Nicht-CO₂-Treibhausgase ignoriert, die den größeren Teil der Klimaschädlichkeit ausmachen.
Einige Klimaschutzgruppen plädieren für eine Vielfliegerabgabe. Hierbei würde eine Flugsteuer mit jedem zusätzlichen Flug schrittweise ansteigen. Tatsächlich hat diese Politik innerhalb der britischen Bürgerversammlung zum Klimaschutz Unterstützung gewonnen, genauso wie der Vorschlag, die Steuerbefreiung für Kerosin aufzuheben. Auch in Deutschland ist diese Unterstützung vorhanden. Als Einstieg könnten Start und Landung von Privatflugzeugen im hohen vierstelligen Bereich besteuert und Privatflugzeuge mit der Pflicht belegt werden, ab 2030 ausschließlich e-Fuels zu nutzen.
Der demokratische Wille ist da, die klimaschädliche Wirkung des Flugverkehrs anzugehen. Jetzt muss es sich noch in internationalen politischen Willen übersetzen. Ein wichtiger Schritt wäre, dass der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister sich für bilaterale und multilaterale Abkommen einsetzen, damit fortan zunächst EU-weit und dann international Kerosin harmonisiert besteuert werden kann.
Felix Creutzig war IPCC-Leitautor und leitet die Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am MCC Berlin.
“Hab ich euch doch gesagt” – das dürften Klimawissenschaftlerinnen wohl häufig denken, wenn jetzt wieder einmal über extrem hohe Temperaturen geklagt wird. Schon im vergangenen Jahr hat der IPCC in seinem 6. Sachstandsbericht vor Hitzewellen, Dürren und Extremwetter im Mittelmeer und den USA gewarnt, berichtet Bernhard Pötter. Der damalige Bericht liest sich wie eine Vorschau der Klimawandelfolgen, die wir aktuell in vielen Weltregionen beobachten und die uns in naher Zukunft noch drohen.
Die Debatte, wie die Politik noch extremere Hitzewellen abwenden kann, dreht sich häufig um ökonomische Anreize oder Verbote. Zwei Studien belegen nun: Verbote und Vorschriften sind bei vielen Menschen überraschenderweise beliebter als gedacht, berichtet Leonie Sontheimer. Besonders spannend: Das gilt auch, wenn es um die Zukunft fossiler Heizungen geht.
Eine CO₂-freie Energieversorgung will Tree Energy Solutions mit aufbauen. Das Energieunternehmen verspricht sogar, das alte Gasnetz weiter nutzbar zu halten. Wir haben uns den “grüne Kreislauf” aus Wasserstoff, CO₂ und synthetischem Methan genauer angeschaut und noch einige Probleme identifiziert.
Mit Verboten und Innovationen hin zu weniger “Hab ich euch doch gesagt, und ihr habt nicht zugehört!”? Wir werden das weiter beobachten
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Die aktuellen Hitzewellen in Europa und Nordamerika sorgen für Höchststände bei den Temperaturen und große Besorgnis – aber für Experten kommen sie nicht unerwartet. Exzessive Wärme rund um das Mittelmeer, Hitzerekorde in den USA und erwartete Temperaturhöchststände in Italien, Frankreich, Spanien, Polen und Deutschland passen in die Projektionen des UN-Weltklimarats IPCC. Das Gremium hat in seinen letzten Berichten vor genau diesen Zuständen gewarnt.
Die EU-Raumfahrtbehörde ESA meldete vergangene Woche, dass eine langandauernde und intensive Hitzeperiode in Europa “gerade erst begonnen” habe. In Sizilien und Sardinien könnten der historische europäische Hitzerekord gebrochen werden. Der steht bei 48,8 Grad, die 2021 in Sizilien gemessen wurden. Das Hochdruckgebiet “Cerberus” sorgte für gefährliche Hitze in Italien, Griechenland, Spanien und anderen Mittelmeerländern.
Am Montag teilte die Weltwetterorganisation WMO mit, sie prüfe, ob es tatsächlich neue Rekorde gegeben habe. Die nationalen Meteorologie- und Hydrologiebehörden hätten ihr “eine Anzahl täglicher und stationsbezogener Temperaturrekorde” gemeldet. Daneben könnten manche Länder nationale Höchsttemperaturen überschritten haben.
Die Region rund um das Mittelmeer gilt unter Wissenschaftlern als Brennpunkt der Erderhitzung: “Wegen ihrer besonderen Kombination aus verschiedenen starken Klimarisiken und hoher Verwundbarkeit ist die Mittelmeerregion ein Hotspot für Klimarisiken, die untereinander verbunden sind”, heißt es in einem zusätzlichen Papier des IPCC im 6. Sachstandsbericht. “Die hauptsächlichen ökonomischen Sektoren in der Region (Landwirtschaft, Fischerei, Waldwirtschaft, Tourismus) sind höchst anfällig gegen Klimarisiken.”
Zum ersten Mal hat der IPCC 2022 die Region als ganze bewertet. Er stellt fest, dass:
Die Anpassung der “natürlichen und der menschlichen Systeme” an diese Entwicklungen, so warnt das Wissenschaftsgremium, werde auf “harte Grenzen stoßen“. Das bedeutet: an Punkte kommen, wo Anpassung nicht mehr möglich ist. Denn die Effekte von Dürren, Hitzewellen, Meeresspiegelanstieg, Ozeanerwärmung und -versauerung kämen zusammen und verstärkten sich gegenseitig. In manchen Regionen könnten etwa neue Deiche beim Küstenschutz helfen. Aber das sei teuer und reiche irgendwann auch nicht mehr aus.
Wolfgang Cramer ist einer der Hauptautoren des Berichts und Wissenschaftler am französischen Institut IMBE, das die Ökologie des Mittelmeeres erforscht. Er ist nicht überrascht, dass die Wirklichkeit im Mittelmeer die Prognosen einholt: “Das gilt eigentlich für alle Erkenntnisse des IPCC”, sagt Cramer gegenüber Table.Media. “Die Natur bestätigt unsere Modelle.”
Für ihn ist die Entwicklung am Mittelmeer auch “ein Spiegel des Nord-Süd-Konflikts”, bei dem ähnliche Umweltbedingungen ganz unterschiedliche Konsequenzen haben. Denn “ein Kleinbauer im Nildelta ist viel weniger gegen die Auswirkungen geschützt als etwa ein großer Betrieb in der italienischen Po-Ebene, der einen Investor und die EU-Agrarpolitik im Rücken hat.”
Insgesamt bedrohten intensivere Hitze und häufigere Hitzewellen “das menschliche Wohlergehen, die ökonomischen Aktivitäten und auch viele Ökosysteme an Land und im Ozean”, warnt der Bericht. Auch gefährde häufigerer Starkregen Menschen und Infrastruktur durch Überschwemmungen. Besonders anfällig ist die Mittelmeerregion laut IPCC, wegen einer “einzigartigen Kombination von Faktoren”:
Auch zu den Migrationsbewegungen in der Mittelmeerregion, wo seit 2014 etwa 20.000 Menschen auf der Flucht gestorben sind, trage “wahrscheinlich” der Klimawandel bei, heißt es im Bericht. Klimaveränderungen in West- und Subsahara-Afrika könnten Fluchtbewegungen auslösen, die Menschen aber auch in ihrer Mobilität behindern. Unsicherheit bei der Lebensmittelversorgung, zu der der Klimawandel beitrage, sei einer der Fluchtgründe. Allerdings gebe es trotz einer langen Dürre “keinen Beleg für einen direkten kausalen Zusammenhang” zwischen Klimawandel und dem Konflikt in Syrien.
Auch die lang andauernde, ungewöhnliche Hitzewelle in den USA passt in die Projektionen der Klimaforscher. Die aktuellen Rekordtemperaturen in den Wüstenstaaten Arizona, Kalifornien und New Mexiko sind Teil eines IPCC-Szenarios, dem der IPCC in seinem 6. Sachstandsbericht eine “hohe Wahrscheinlichkeit” zugesprochen hat.
“Klimarisiken durch hydrologische Veränderungen, darunter auch Hitzestress durch mehr Feuchtigkeit, extreme Niederschläge und intensivere Stürme, werden sich laut Projektionen intensivieren”, warnt der Bericht. Auch die extremen Niederschläge im Nordosten der USA, passen hier ins Bild, das die IPCC-Experten für den Bericht zusammengestellt haben.
Die Experten weisen auch darauf hin, wie die feindliche Stimmung in Teilen der US-Gesellschaft Reaktionen auf die Probleme verzögert hat: Mit “hoher Wahrscheinlichkeit” sei es dringlicher geworden, diese Risiken anzugehen, weil sie durch “Missinformation über die Klimawissenschaft verzögert wurden, die Unsicherheit gesät haben und das Erkennen von Risiken behindert haben.”
In der Debatte darum, wie ein klimafreundlicher Lebensstil aussehen kann und wie man ihn erreicht, haben jetzt zwei Untersuchungen überraschende Ergebnisse gebracht: Bei der Akzeptanz politischer Maßnahmen ergab eine Studie des “Sachverständigenrats für Umweltfragen” der Bundesregierung (SRU), dass “regulative Maßnahmen, also Ver- und Gebote, in der Regel eine viel höhere Akzeptanz aufweisen als ökonomische Anreize.” Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch ein breit angelegte Forschungsprojekt der EU zu einem “1.5° Lifestyle”. Demnach tendieren Bürger “oft zu sehr viel effektiveren Mitteln, als sich das Politiker trauen”, heißt es.
Beide Untersuchungen fallen in eine Zeit, in der in Deutschland wegen des umstrittenen “Gebäudeenergiegesetzes” (GEG) heftig debattiert wird, was der Beitrag der Konsumenten zum Klimaschutz sein kann. Einige der zentralen Frage dabei sind: Wie effektiv und wie beliebt sind Verbote? Und orientieren sich die Menschen in ihren Entscheidungen ökonomisch rational?
Unter den geeigneten Maßnahmen für die zügige Wärmewende ist das Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen, welches das GEG formuliert, das mit der größten Akzeptanz. So lautet eine der Antworten aus der Forschung zur aktuellen Debatte um das Heizungsgesetz.
Grundsätzlich ist laut IPCC die Einhaltung der Klimaziele nur möglich, wenn sich auch der Lebensstil der Menschen ändert. Demnach könnten durch Maßnahmen auf der Nachfrageseite
40 bis 70 Prozent der notwendigen Minderung von Treibhausgasemissionen bis 2050 erbracht werden. Und “um Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, muss das Verhalten der Menschen in Deutschland umweltfreundlicher werden”, schreibt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen im aktuellen Sondergutachten.
“Es war uns ein Anliegen, dieses Thema aus dem ideologisch verminten Gelände herauszuholen”, sagt Ratsmitglied Annette Elisabeth Töller von der Fern-Universität Hagen, die das Sondergutachten koordiniert hat. In der Debatte um ökologisches Verhalten käme von Umweltbewegten oft der Vorwurf, damit die Verantwortung auf das Individuum abzuwälzen – Liberale wiederum sähen in diesen Fragen die Freiheit gefährdet. “Deswegen benennen wir in dem Gutachten klare Kriterien dafür, wann eine politische Intervention angezeigt ist.”
Nach Meinung der SRU sollten deshalb Maßnahmen ergriffen werden, die auf eine Änderung des Verhaltens gerichtet sind, wenn:
Das Sondergutachten listet auf, welche staatlichen Instrumente sich dafür eignen, Menschen zu Verhaltensänderungen zu bringen. Dazu gehören etwa:
Gleichzeitig schätzen die Experten auch die politische Realisierbarkeit solcher staatlichen Eingriffe ein. Eins der drei Fallbeispiele des Gutachtens ist die Wärmewende in Eigenheimen. Das Ergebnis:
Laut Gutachten entscheiden Haushalte bei der Wahl einer Heizung nach einer “gefühlten Wirtschaftlichkeit“, zukünftige Entwicklungen wie der Anstieg des CO₂-Preises würden in der Entscheidung “möglicherweise nicht ausreichend” berücksichtigt, heißt es. Der Sachverständigenrat begrüßt daher “ausdrücklich” die GEG-Vorgabe, dass ab 2024 neu eingebaute Heizungen mindestens mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Gleichzeitig empfiehlt der Rat eine “klare Priorisierung der Erfüllungsoptionen”. Das bedeutet: Pelletheizungen sollten zum Beispiel bei der Förderung weniger priorisiert werden als Wärmepumpen.
Außerdem rät das Gutachten, die Politik solle neue Anlässe für Haushalte schaffen, sich mit energetischer Sanierung auseinanderzusetzen. Das könnten beispielsweise neue ordnungsrechtliche Standards sein, ein sehr hoher CO₂-Preis oder auch ein Energieberater vom Quartiersmanagement, der an die Haustür klopft. SRU-Autorin Töller ist selbst erstaunt über die vergleichsweise höhere Akzeptanz politischer Maßnahmen, die “in der Regel eine viel höhere Akzeptanz aufweisen als ökonomische Anreize”.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch das breit angelegte Forschungsprojekt EU 1.5° Lifestyle. Das europaweite Projekt erforscht, wie ein Lebensstil aussieht, der mit einer maximalen Erderhitzung von 1,5 Grad Celsius vereinbar ist. “Dabei geht es uns einerseits darum, was Bürger*innen oder Haushalte machen können. Andererseits – und das ist genauso wichtig – untersuchen wir die politischen Rahmenbedingungen für Verhaltensänderungen”, sagt Doris Fuchs, Professorin an der Universität Münster, die das Projekt koordiniert.
In fünf Thinking Labs, eins davon in Deutschland, wurden Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Medien, Zivilgesellschaft, Forschung und Thinktanks befragt, wie sie verschiedene Instrumente der Verhaltensänderung einschätzen. Das Ergebnis: Mit Abstand am beliebtesten waren Steuern und Verbote, wenn es zum Beispiel um Flugreisen, Autos in Innenstädten oder Zucker in Lebensmitteln ging.
“Das mag auf den ersten Blick überraschen, aber es unterstreicht eigentlich, was wir in der Forschung immer wieder bestätigen”, so Doris Fuchs. “Dass nämlich sowohl Stakeholder als auch Bürger in gemeinsamen Entscheidungsprozessen oft zu sehr viel effektiveren Mitteln tendieren, als sich das die Politiker trauen”.
In einer vorherigen Phase des Projekts wurden sieben tiefgreifende Strukturen identifiziert, die einen 1,5 Grad konformen Lebensstil erleichtern oder auch erschweren. Daraus haben die Forschenden die wirksamsten Hebel abgeleitet.
Gerade das erste Hindernis, den Fokus auf Wirtschaftswachstum, habe das Forschungsteam nicht erwartet, so Fuchs: “Dass die Wirtschaft wachsen muss, ist eine Grundannahme, die wir selten hinterfragen. Dabei erreichen wir bisher nur in sehr begrenztem Maße eine Loslösung von Wirtschaftsleistung und Ressourcenverbrauch”, sagt Fuchs. “Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir Lebensqualität in Zeiten schaffen können, in denen wir uns weiteres quantitatives Wirtschaftswachstum nicht mehr leisten können.”
Das EU 1.5 Lifestyle Forschungsprojekt startete im Mai 2021 ist auf vier Jahre angelegt. Neben der Erforschung von Wirksamkeit, Akzeptanz und politischer Rahmenbedingungen für Verhaltensänderung ist es auch erklärtes Ziel, “transformative Ansätze für 1,5° Lebensstile umzusetzen.”
Deutschland überarbeitet derzeit seine Nationale Wasserstoffstrategie. Demnach sollen im Jahr 2030 50 bis 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs aus Importen gedeckt werden. Doch der Wasserstoff-Transport per Schiff ist technisch sehr anspruchsvoll. Deshalb sollen bis 2030 größtenteils Derivate des Gases per Schiff importiert werden.
In dieser Debatte liegt jetzt ein Vorschlag auf dem Tisch, der auch die Bundesregierung sehr interessiert: Ein CO₂-freier Kreislauf für die Energieversorgung. Das Energie-Unternehmen Tree Energy Solutions (TES) schlägt vor, mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff ein synthetisches Gas als Wasserstoff-Derivat herzustellen und so einen CO₂-freien Energiekreislauf aufzubauen. Das synthetische Gas soll beispielsweise den Zement- oder Stahlunternehmen helfen, ihre Klimaziele zu erreichen.
Tree Energy Solution (TES) ist ein 2021 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Schiphol, Niederlande, und Außenstellen u.a. in Wilhelmshaven, Deutschland. Das Unternehmen soll ab dem Winter 23/24 gemeinsam mit Eon und Engie ein schwimmendes LNG-Terminal vor Wilhelmshaven betreiben. TES hat Kooperationen mit dem Energieversorger EWE, den Energieunternehmen EON sowie dem australischen Unternehmen Fortescue Future Industries. Schon vor einem Jahr präsentierten die Manager ihre Ideen im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck, der versucht, die sichere Energieversorgung Deutschlands mit der Idee der Dekarbonisierung zusammenzubringen. Doch wie realistisch ist das TES-Konzept?
Tree Energy Solutions will:
Was kompliziert klingt, hat einige Vorteile:
Im Wirtschaftsministerium und Kanzleramt stößt das TES-Konzept auf großes Interesse. Doch eine Sprecherin des BMWK verweist auf potenzielle Knappheiten und die Konkurrenz um Kohlenstoff, der für die Herstellung des synthetischen Gases und “gleichzeitig aber auch für nachhaltige Flugkraftstoffe” gebraucht werde.
Zur Verfügbarkeit des CO₂ zeigt sich Tree Energy Solutions optimistisch: Die Kunden des Unternehmens “werden Technologien zur CO₂-Abscheidung installieren, um ihre Klimaziele zu erreichen und ihre ETS-Abgaben zu reduzieren“, sagt eine Sprecherin. Das Unternehmen biete den CO₂-Transport per Zug und, sobald verfügbar, per Pipeline an. Seien die TES-Kunden “nicht in der Lage, 100 Prozent des CO₂ abzuscheiden, kompensieren wir dies durch Direct Air Capture“, so die TES-Sprecherin.
Doch nicht nur die Verfügbarkeit von CO₂ könnte zu einem Problem werden:
20. Juli, 16 Uhr, Augsburg
Vortrag Understanding Climate Risks
Im Rahmen der interdisziplinären Vortragsreihe “Klimaresilienz – Forschung und Transfer” im Sommersemester 2023 lädt das Zentrum für Klimaresilienz der Uni Augsburg zu drei Gastvorträgen von Vertreterinnen und Vertretern aus Forschung und Praxis ein. Infos
20. Juli, 16 Uhr, Online
Webinar The Global Land Squeeze: How to Manage Growing Competition for Land
Der Druck auf Landflächen steigt weltweit – auf dem Webinar des World Resources Institute wird diskutiert, wie wirtschaftliche und ökologische sowie Klimaschutz-Interessen vereinbart werden können. Infos
22. Juli, Goa, Indien
Treffen G20 Energy Ministers Meeting
Das 14. Ministertreffen für saubere Energie und das 8. Treffen der Mission Innovation werden gemeinsam mit dem G20-Ministertreffen zur Energiewende stattfinden. Es wird Regierungsvertreter, internationale Organisationen, Geldgeber für saubere Energie, Branchenführer, Nichtregierungsorganisationen, junge Fachleute und technische Innovatoren zusammenbringen. Infos
23. Juli, Spanien
Wahlen Parlamentswahlen
24. bis 26. Juli, Rom, Italien
Konferenz 2023 UN Food Systems Stocktaking Moment
Die UN Food Systems Stocktaking Moment wird die erste globale Folgeveranstaltung der Food Systems Summit 2021 sein, auf der sich Einzelpersonen und Länder verpflichteten, Lebensmittelsysteme anzupassen, um alle 17 SDGs vollständig zu erreichen. Infos
25. Juli, 16 Uhr, Online
Training Find the Latest Trends in Global GHG Emissions using Climate Watch
Diese Schulung konzentriert sich auf die jüngsten Trends bei den globalen Treibhausgasemissionen (THG) anhand von Daten. Das World Ressources Institute wird die verschiedenen Datensätze, die auf Climate Watch verfügbar sind, erläutern, zeigen, wo Daten und Grafiken heruntergeladen werden können, und demonstrieren, wie THG-Emissionen nach Ländern und Sektoren sowie im Zeitverlauf analysiert werden können. Infos
25. bis 28. Juli, Nairobi
Wahlen IPCC Elections
Auf seiner 59. Sitzung, die vom 25. bis 28. Juli 2023 in Nairobi, Kenia, stattfinden wird, wählt der IPCC ein neues IPCC-Büro und ein neues Büro der Task Force für nationale Treibhausgasinventare. Infos
26. Juli, 17 Uhr, Bruchsal
Workshop Kommunaler Klimaschutz: Den solidarisch-ökologischen Wandel erfolgreich gestalten
Bei dem Workshop der Friedrich-Ebert-Stiftung wird darüber diskutiert, wie kommunale Akteure sich effizient für Klimaschutz einsetzen können. Infos
27. Juli, 16.45 Uhr, Bonn
Exkursion Nachhaltige Wärme aus Grundwasser
Im Winter warm, im Sommer angenehm kühl: Die geologischen Gegebenheiten am “Bonner Bogen” ermöglichen eine ökologische und innovative Versorgung der Gebäude auf dem Campus – durch das Speichern von Energie in einem sogenannten Aquifer. Die Geothermieanlage ist eine der größten, oberflächennahen Einrichtungen dieser Art in Deutschland/Europa. Die Friedrich-Ebert-Stiftung schaut sich an, wie sie funktioniert. Infos
Hitzewellen halten Europa derzeit in ihrem Griff. Doch jenseits der aktuellen Höchsttemperaturen fand es ein Team von Forschenden der Studiengruppe Crowther Lab an der ETH Zürich interessant, wie sich langfristig das Stadtklima in verschiedenen Regionen verändern wird. Sie analysierten Temperatur- und Niederschlagsdaten aus 520 Städten aus der ganzen Welt und verbanden sie mit der optimistischen Einschätzung, dass sich die Welt bis 2050 um 1,4 Grad im globalen Mittel erwärmt.
Nach diesen Analysen werden 77 Prozent der Städte ein Klima erleben, wie es heute in Ballungsräumen herrscht, die im Schnitt etwa 1.000 Kilometer näher am Äquator liegen. 22 Prozent werden Bedingungen vorfinden, in denen heute keine Großstadt existiert. Im Schnitt wandert das Stadtklima in Europa damit jedes Jahr 20 Kilometer nach Süden.
Von der weltweiten interaktiven Grafik zeigen wir hier nur einen europäischen Auszug: 2050 wird es sich also in Stockholm von den klimatischen Bedingungen so anfühlen, als lebe man heute in Budapest. Helsinki ähnelt Wien, die österreichische Hauptstadt wiederum Skopje in Montenegro, Madrid dem marokkanischen Fez und Londons Klima ähnelt dem australischen Melbourne. Moskau wird sich wie Detroit anfühlen. Und Berlin, Paris, Kiew und Brüssel werden demnach zumindest klimatisch auf einer gemeinsamen Linie liegen. Nämlich mit Canberra in Australien. bpo
Der dreitägige Staatsbesuch des US-Klimasondergesandten John Kerry in China hat zu einer Wiederbelebung des Klimadialogs zwischen beiden Staaten geführt – konkrete inhaltliche Vereinbarungen wurden aber nicht getroffen. In den kommenden Wochen wollen beide Seiten “intensiv” zusammenarbeiten, sagte Kerry. Termine für die nächsten beiden Treffen würden vorbereitet. Man habe nur noch vier Monate bis zur nächsten Klimakonferenz und müsse verloren gegangene Zeit aufholen. Ziel sei ein “Arbeitsprodukt”, das in beiden Staaten vermittelbar sei, nahm Kerry auf die schwierigen Rahmenbedingungen in den USA und China Bezug.
Über folgende Themen soll laut Kerry gesprochen werden:
Die Verringerung der Kohlenutzung gilt in China als heißes Eisen, da die Energiesicherheit des Landes noch an der Kohle hängt. Zu den Methanemissionen hatte China schon im vergangenen Jahr einen Aktionsplan angekündigt.
Während seines Staatsbesuchs sprach Kerry mit Premier Li Qiang, Vizepremier Han Zheng, Chinas Klima-Sondergesandten Xie Zhenhua und Spitzendiplomat Wang Yi. Kerry rief dazu auf, das Klimathema von anderen Streitthemen zwischen den beiden Supermächten zu entkoppeln. Chinas Präsident Xi Jinping hatte noch während des Staatsbesuchs auf einer hochrangigen Konferenz des Politbüros betont, China sei seinen Klimazielen verpflichtet. Allerdings müsse die Volksrepublik “den Weg und das Tempo selbst bestimmen” und dürfe nicht von außen beeinflusst werden.
Neben einer Einigung über die Methanemissionen und die Kohleverstromung hatten Beobachter auch auf Fortschritte bei der Klimafinanzierung gehofft. Hier gibt es Forderungen sowohl an die USA, deren Beteiligung an der Klimafinanzierung von den Republikanern blockiert wird, als auch an China, das sich nicht als Geberland sieht. Chinas Premier Li Qiang hatte während des Besuchs betont, dass er bei der Klimafinanzierung vor allem die Industrieländer in der Pflicht sieht. Die Entwicklungsländer “sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Beiträge leisten”.
Der Besuch war von den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China überschattet. Die offiziellen Gespräche zum Klimawandel waren nach einem Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan ausgesetzt worden. “Wir versuchen, den Prozess, an dem wir seit Jahren gearbeitet haben, wiederherzustellen”, sagte Kerry über die schwierigen Beziehungen der beiden Staaten. nib
Die Umwandlung der Stahlindustrie hin zu klimafreundlicheren Verfahren geht zu langsam voran. Das ist das Ergebnis einer heute vom Global Energy Monitor unter dem Titel “2023: Pedal to the Metal” veröffentlichten Studie. Global Energy Monitor ist eine in San Francisco ansässige Nichtregierungsorganisation, die weltweit Projekte für fossile Brennstoffe und erneuerbare Energien katalogisiert.
Der Studie zufolge sind mehr als die Hälfte (57 Prozent) der geplanten neuen Kapazitäten im Stahlsektor noch immer kohlebasierte Hochöfen. Zwar sei der Anteil der mit Gas oder Strom betriebenen geplanten Lichtbögen-Hochöfen auf 43 Prozent gestiegen. Doch dies sei noch viel zu wenig für die Klimaziele. Bleiben die derzeitigen Ausbauvorhaben bestehen, werden im Jahr 2050 nur 32 Prozent der Gesamtkapazität auf elektrischen Lichtbögen basieren, so die Studie.
Als Folge der Ausbaupläne drohen der Stahlindustrie demnach bis zu 554 Milliarden US-Dollar an gestrandeten Vermögenswerten (“Stranded Assets”). Das sind Investitionen, die ihren Wert verlieren, wenn die Staaten ihren Klimaverpflichtungen nachkommen. Ein Großteil des Zubaus neuer kohlebasierter Hochöfen findet laut Studie in Indien und China statt. 40 Prozent der in der Entwicklung befindlichen kohlebasierten Stahlkapazitäten liegen in Indien, 39 Prozent in China.
Auf die Eisen- und Stahlindustrie entfallen etwa 7 Prozent der weltweiten Treibhausgas- und 11 Prozent der CO₂-Emissionen. Laut der US-Beratungsfirma “Global Efficiency Intelligence” hat sich die globale Stahlproduktion zwischen 2000 und 2020 mehr als verdoppelt. Mehr als die Hälfte der Produktion entfiel demnach auf China. Zwar nehme die Emissions- und Energieintensität ab, aber weil die Nachfrage sehr schnell wächst, rechnet “Global Efficiency Intelligence” damit, dass auch die Treibhausgasemissionen der Branche in Zukunft weiter zunehmen werden. nib, bpo, ae
Die erneuerbaren Energien werden in den nächsten zwei Jahren einen Großteil der weltweit wachsenden Stromnachfrage decken, wie ein neuer Bericht der Internationalen Energieagentur zeigt. “Die Welt bewegt sich rasch auf einen Wendepunkt zu, an dem die weltweite Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen zunehmend durch Strom aus sauberen Energiequellen ersetzt wird”, so das Fazit des Berichts. Im Jahr 2024 könnten die Erneuerbaren demnach ein Drittel der weltweiten Stromerzeugung ausmachen. Die Stromerzeugung aus Erdöl werde laut IEA in den nächsten zwei Jahren deutlich sinken, die aus Kohle leicht abnehmen – nachdem sie 2022 noch um 1,7 Prozent zugenommen hatte.
In vier der sechs Jahre von 2019 bis 2024 hat oder werde die Stromproduktion aus Kohle abnehmen, so die IEA. Allerdings nahm die Kohleverstromung im Jahr 2021 so stark zu, dass sie im gesamten Zeitraum zugenommen hat. Insgesamt rechnet die IEA aber mit einer Abnahme der CO₂-Emissionen aus der Stromerzeugung von jeweils circa einem Prozent in 2023 und 2024. In Indien und China werden die Emissionen aus der Stromerzeugung demnach weiter steigen.
Weltweit wird die Stromnachfrage in den nächsten beiden Jahren weiter steigen:
Der Green Climate Fund (GCF) der Vereinten Nationen hat seine Strategie für 2024-2027 festgelegt. Insgesamt sollen 755,8 Millionen Dollar für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern bereitstellt werden. Bei der 36. Sitzung des Vorstands am 13. Juli am Sitz des GCF im südkoreanischen Incheon nahmen die Mitglieder nach langen und teilweise kontroversen Debatten, die Pläne für die nächsten Jahre an. Der pakistanische Co-Vorsitzende des Gremiums Nauman Bashir Bhatti sagte, der Vorstand habe “grünes Licht für 12 neue Projekte in besonders verwundbaren Ländern gegeben”.
Darunter sind etwa:
Der GCF hat damit seit seiner Einrichtung im Jahr 2010 Projekte mit insgesamt etwa 17 Milliarden Dollar unterstützt. Zahlungen an den GCF sind freiwillig und werden von über 40 Staaten geleistet. Über die Vergabe der Mittel entscheidet der Vorstand, der mit zwölf Vertretern aus den Industriestaaten und zwölf Delegierten aus dem Globalen Süden besetzt ist. Im Oktober wird in Bonn die nächste Auffüllungsrunde für den GCF stattfinden. Deutschland hat bereits angekündigt, seinen Beitrag auf zwei Milliarden Dollar zu erhöhen.
Kontroverse Diskussionen gab es nach Angaben von Teilnehmern bei der jüngsten Sitzung um die Frage, woher die Mittel für den GCF kommen sollten. Während die Staaten des Globalen Südens vor allem auf öffentliche Mittel pochen, verlangen die Industriestaaten mehr Engagement aus der privaten Wirtschaft, von Stiftungen und Staaten, die bislang nicht einzahlen. Ein Bezug zu einem “grüneren Finanzsystem”, den die Industriestaaten wollten, wurde aus einem Textentwurf entfernt, berichtet die Nachrichtenseite Climate Home News.
Unter dem Stichwort “die Geberbasis ausweiten” läuft derzeit eine Debatte, welche Länder und Geldgeber in Zukunft jenseits der klassischen Industrieländer für internationalen Klimaschutz zahlen sollen. Diese Diskussion wird auch in anderen Finanzierungsfragen beim Klimaschutz immer wichtiger, etwa beim “Loss and Damage-Fonds”, dessen Details bis zur COP28 in Dubai von einem “Übergangskomitee” festgelegt werden sollen. bpo
Aufgrund der ungewöhnlich hohen Temperaturen in vielen Meeresregionen weltweit könnte es in den kommenden Monaten zu einer großflächigen Korallenbleiche kommen, warnen Wissenschaftler. Besonders akut ist die Gefahr demnach im Golf von Mexiko. Dort ist das Oberflächenwasser derzeit deutlich über 30 Grad Celsius warm. Üblich wären zwei bis drei Grad weniger.
Weil die Korallenriffe im Golf von Mexiko auch durch Überfischung, Überdüngung und Krankheiten geschädigt seien, könnte es “im schlimmsten Fall zu einem vollständigen Verlust der Riffe” kommen, sagt Sebastian Ferse, Meereswissenschaftler am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen.
Korallen beherbergen oder ernähren rund ein Viertel des marinen Lebens, darunter viele Fischarten. Deshalb sind sie von großer Bedeutung für die weltweite Ernährungssicherheit. Den Küsten vorgelagerte Riffe schützen das Land zudem vor Sturm und Wellen. Weil sie viele Touristen anziehen, sind Korallenriffe in manchen Ländern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Seit Monaten sind die Meerestemperaturen in vielen Regionen weltweit deutlich zu hoch. Forschende gehen davon aus, dass der Klimawandel ein Grund dafür ist. Daneben bringt das El-Niño-Phänomen höhere Temperaturen im Pazifik, die sich weiter ausbreiten dürften. Über weitere mögliche Ursachen wird noch diskutiert.
Korallenbleichen gebe es zwar schon sehr lange, sagt Christian Wild, Meeresökologe an der Uni Bremen. “Das aktuelle Problem aber ist, dass die Häufigkeit der Bleichen durch die steigenden Wassertemperaturen stark zunimmt.” Deshalb hätten die Riffe “immer weniger Zeit, um sich von der jeweils vorherigen Bleiche zu erholen, bevor die nächste beginnt.” ae
Der Beitrag der Forstwirtschaft zum Klimawandel sei bislang in Wissenschaft und Politik “weitgehend übersehen” worden, berichtet eine Forschungsgruppe des US-Thinktanks World Resources Institute.
In einer kürzlich in der Fachzeitschrift “Nature” veröffentlichten Studie schätzen die Forschenden, dass die Holzproduktion weltweit künftig jährlich zwischen 3,5 und 4,2 Milliarden Tonnen Treibhausgase (gemessen in CO₂-Äquivalenten) freisetzen wird. Das entspreche in etwa zehn Prozent der globalen CO₂-Emissionen aus dem Energiebereich und dem Dreifachen der Luftverkehrs-Emissionen pro Jahr.
Sie erwarten, dass die weltweite Produktion von Holz weiter steigt und 2050 um mehr als die Hälfte über dem Niveau von 2010 liegt – mit entsprechend höheren Emissionen. Als Grund dafür sehen sie insbesondere die wachsende Nachfrage nach Holz als industriellem Rohstoff, beispielsweise für die Papier- und Verpackungsproduktion. Aber auch der Bedarf an Brennholz nehme zu.
Emissionen aus der Forstwirtschaft und Wäldern zu berechnen, ist komplex. Wenn Bäume wachsen, binden sie CO₂ – aber wie schnell und wie viel, hängt unter anderem von ihrer Wachstumsgeschwindigkeit ab. Die verändert sich mit dem Lebensalter der Bäume. Auch der Waldboden kann, je nach Zustand, CO₂ binden oder freisetzen.
Die Forschungsgruppe schreibt: Bisherige Analysen der Emissionen gingen oft davon aus, dass die Holzernte nachhaltig sei – und damit unschädlich fürs Klima -, solange mehr Bäume nachwachsen als gefällt würden. Doch so zu rechnen, sei nicht angebracht. Denn ohne die Holzernte “würden die Wälder weiter wachsen und mehr Kohlenstoff aus der Luft holen”. In ihrer Studie haben sie nun einen eigenen Berechnungsansatz entwickelt. ae
Die beiden Nachrichten folgten vor wenigen Tagen direkt aufeinander: Der globale Flugverkehr erreichte einen neuen Rekord, wie Daten des Tracking-Unternehmens Flightradar24 zeigten – und wenig später meldete die Weltwetterorganisation WMO vorläufigen Daten zufolge die höchsten Temperaturen weltweit seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Airlines erwarten weltweit ein starkes Sommergeschäft und hohe Gewinne. Die Urlaubssaison hat begonnen, und viele Menschen wollen wieder verreisen. Auch mit dem Flugzeug.
Es fällt schwer, die Gleichzeitigkeit von Klimakrise und wachsendem Flugverkehr zu begreifen. Der Klimaschutz kommt in der Branche nicht voran. Dabei verursacht der Flugverkehr rund drei Prozent der globalen CO₂-Emissionen – und weitere Treibhausgase, die das Klima teils noch stärker beeinflussen, kommen noch hinzu.
Flugreisen sind eine Dienstleistung, die von einer privilegierten Minderheit in Anspruch genommen wird. In keinem anderen Bereich ist die Ungleichheit der Emissionen so eklatant: Im Vereinigten Königreich beispielsweise reisen Studien zufolge vor allem die Angehörigen reicherer, hochgebildeter und städtischer Haushalte mit dem Flugzeug. Global sind Flugreisen erst recht einer verschwindend kleinen Minderheit vorbehalten.
Ein winziger Bruchteil der Menschheit – das eine Prozent, das am häufigsten fliegt – ist für mehr als die Hälfte der gesamten Passagieremissionen verantwortlich. Flüge gelten eher als Luxus, denn als Notwendigkeit. Forschende stufen fast die Hälfte der Flüge, die in der Freizeit stattfinden, als unwichtig ein. Angesichts der Umweltkosten dieser Flüge ist das alarmierend. Warum wird der Branche erlaubt, unter dem Radar zu fliegen?
Die Fluggesellschaften spielen dafür eine entscheidende Rolle. Ihr Marketing webt verlockende Geschichten von Abenteuern und dringenden Geschäften. Die Bedeutung von Flugreisen für den Aufbau von Sozialkapital macht die Sache noch schwieriger. Werden Flugreisende über die negativen Umweltfolgen ihres Tuns informiert, kann das zu kognitiver Dissonanz führen. Das heißt: Manche fühlen sich veranlasst, die Realität des Klimawandels zu leugnen. Andere glauben, mithilfe neuer Technologien könne alles so weiterlaufen wie bisher. Diese Psychologie der Verleugnung ist unter Vielfliegern besonders ausgeprägt.
Das derzeitige Geschäftsmodell der Luftfahrtindustrie, das auf Volumenwachstum mit minimalen Gewinnspannen setzt, ist auf Dauer nicht tragbar. Bleibt es unverändert, ist es wahrscheinlich, dass der Beitrag des Luftverkehrs zum Klimawandel weiter zunehmen wird. Allein der Tourismus – darunter fallen alle Reisen mit mindestens einer Übernachtung, egal ob geschäftlich veranlasst oder zu Ferienzwecken – könnte ohne Klimaschutzmaßnahmen 40 Prozent des Kohlenstoffbudgets aufbrauchen, das uns noch bleibt, wenn wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen.
Erfreulicherweise gibt es aber auch erhebliche Unterstützung für Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs zu senken. In einer Umfrage in Deutschland befürwortete eine Zweidrittelmehrheit der Befragten gleich drei solcher Maßnahmen: einen CO₂-Preis, der die Flugkosten erhöhen würde, sowie Vorschriften, die die Fluggesellschaften zur Emissionsreduzierung zwingen würden, und die Abschaffung von Subventionen.
Aber die entscheidenden Akteure in der Politik nehmen konsequenten Klimaschutz oft noch als zu großes politisches Risiko war. Gerade die Einflussreichen sind oft Vielflieger. Gleichzeitig fehlt es strukturell an einer wirksamen globalen Regulierung im Flugverkehr. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO versucht, sich durch Offsets einen klima-grünen Anstrich zu verschaffen. Zugleich verhindert sie insgesamt wirksamen Klimaschutz auf globaler Ebene.
Forschende und Analysten schlagen drei Arten von Maßnahmen vor, um dem Klimawandel im Luftverkehr zu begegnen:
Die Preisgestaltung ist wohl der wichtigste Aspekt. Die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs sind stark unterbewertet, und Kerosin ist international nach wie vor von der Steuer befreit. Die nun geplante Einbeziehung von Flügen innerhalb der EU in das EU-Emissionshandelssystem ist ein wichtiger Schritt – der jedoch weiterhin die Nicht-CO₂-Treibhausgase ignoriert, die den größeren Teil der Klimaschädlichkeit ausmachen.
Einige Klimaschutzgruppen plädieren für eine Vielfliegerabgabe. Hierbei würde eine Flugsteuer mit jedem zusätzlichen Flug schrittweise ansteigen. Tatsächlich hat diese Politik innerhalb der britischen Bürgerversammlung zum Klimaschutz Unterstützung gewonnen, genauso wie der Vorschlag, die Steuerbefreiung für Kerosin aufzuheben. Auch in Deutschland ist diese Unterstützung vorhanden. Als Einstieg könnten Start und Landung von Privatflugzeugen im hohen vierstelligen Bereich besteuert und Privatflugzeuge mit der Pflicht belegt werden, ab 2030 ausschließlich e-Fuels zu nutzen.
Der demokratische Wille ist da, die klimaschädliche Wirkung des Flugverkehrs anzugehen. Jetzt muss es sich noch in internationalen politischen Willen übersetzen. Ein wichtiger Schritt wäre, dass der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister sich für bilaterale und multilaterale Abkommen einsetzen, damit fortan zunächst EU-weit und dann international Kerosin harmonisiert besteuert werden kann.
Felix Creutzig war IPCC-Leitautor und leitet die Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am MCC Berlin.