Table.Briefing: Climate

Europawahl: Desinformation boomt + Commerzbank: Klimaziele verfehlt + Köhler: Markt statt Reichensteuer

Liebe Leserin, lieber Leser,

falsche Versprechen und Halbwahrheiten begleiten Sie durch diese Ausgabe: Vor der Europawahl etwa wird die Klimakrise genutzt, um im Wahlkampf zu polarisieren. Geleugnet wird der Klimawandel zwar immer seltener, doch nun kommen neue Narrative hoch, wie Lisa Kuner für Sie analysiert.

Irreführend ist auch, was Fluggesellschaften teils bewerben: grün und emissionsfrei dank CO₂-Ausgleich sollen ihre Flüge sein. Die EU-Kommission prüft nun die Versprechen mehrerer Unternehmen. Die Commerzbank hat unterdessen ein sattes Plus für ihre Aktionäre bekannt gegeben. Das Geschäft brummt, doch das Klima leidet unter der fragwürdigen Kreditvergabe, berichtet Günter Heismann.

Im Standpunkt schreibt Lukas Köhler, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag, warum er gegen eine Erhöhung der Steuern für Reiche ist. Nicht diese würde das Klima retten, sondern der Emissionshandel und ein Klimageld als sozialer Ausgleich, argumentiert er.

Und während die Klimakrise weltweit die Ernährungsunsicherheit verschlimmert, zeigt eine aktuelle Umfrage für Deutschland: Zwar sorgen sich Deutsche weiter ums Klima, doch immer mehr von ihnen sehen im Klimaschutz eine Bedrohung für den eigenen Wohlstand. Es scheint fast so, als ob Klima-Desinformation hier auf fruchtbaren Boden stoßen würde. Die Europawahlen werden zum Gradmesser.

Wir wünschen Ihnen jedenfalls eine vertrauensvolle Lektüre

Ihr
Lukas Bayer
Bild von Lukas  Bayer

Analyse

Wie Klima-Desinformation den europäischen Wahlkampf polarisiert

Stimmungsmache gegen Klimaschutz: Gemeinsam haben AfD, CDU und FDP beispielsweise in Thüringen Ende vergangenen Jahres der Ausbau von Windenergie massiv erschwert.

Klimapolitik ist in der EU durch den Green Deal ein wichtiges Thema. Damit prägt sie auch den Wahlkampf. Das Thema wird dabei häufig von populistischen Parteien genutzt, um Stimmung gegen etablierte Parteien zu machen, wie neue Forschungsergebnisse zeigen.

In den vergangenen Monaten tauchten beispielsweise auf den Bauernprotesten Flaggen von Rechtsextremen oder Verschwörungserzählungen über einen angeblichen Plan zum “Great Reset” der Weltwirtschaft unter dem Deckmantel der Covid-Pandemie auf. Klimapolitische Vorhaben wurden dort als Maßnahmen einer “korrupten Elite” dargestellt, analysiert das auf Extremismus- und Desinformationsforschung spezialisierte Institute for Strategic Dialogue (ISD). Jennie King, Director of Climate Research and Policy am ISD, sagt im Gespräch mit Table.Briefings: “Klima und Falschinformationen darüber werden immer mehr als Thema genutzt, um zu polarisieren und um einen Keil zwischen sogenannte Eliten und ‘normale’ Bürgern zu treiben.”

Ähnliche Fälle gebe es in vielen europäischen Ländern. Dabei werden Klimathemen und Falschinformationen strategisch eingesetzt, um politische Meinung zu beeinflussen.

Anti-Klimaschutz-Erzählungen: divers und weit verbreitet

Das Anti-Desinformation-Netzwerk European Digital Media Observatory hat die Desinformation ausgewertet, die im vergangenen Jahr während der Wahlen in Europa kursierte. Die Ergebnisse zeigen, wie divers und weit verbreitet Anti-Klima-Erzählungen bereits sind:

  • Bei den Parlamentswahlen in Estland wurde Klimawandel als “linke Verschwörungstheorie” dargestellt.
  • Während des finnischen Wahlkampfs wurde behauptet, Klimapolitik vernichte Arbeitsplätze.
  • In Spanien war behauptet worden, das Land wolle “Landwirtschaft abschaffen”, um das Klima zu schützen und es werde “Klim-Lockdowns” geben.
  • Welche politischen Konsequenzen Falschinformationen haben können, zeigt auch das Beispiel Thüringen. Mit Stimmen aus der AfD, CDU und FDP wurde dort Ende vergangenen Jahres der Ausbau von Windenergie massiv erschwert.

Neue Narrative sind komplexer

Neu sind Falschinformationen zum Klimawandel nicht, aber sie haben sich verändert: Ein Bericht der NGO Center for Countering Digital Hate (CCDH) differenziert zwischen “alten” und “neuen” Narrativen in der Leugnung des Klimawandels.

  • Alte Narrative sind demnach Aussagen wie “Es gibt den Klimawandel nicht” oder “Von Menschen verursachte Treibhausgase sind nicht für den Klimawandel verantwortlich”. In einer Untersuchung von mehr als 12.000 Videos auf YouTube kam das CCDH zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2023 nur noch rund 30 Prozent der Klimawandelleugnung zu der “alten” Art gehörte.
  • Dagegen ist der Anteil der neuen Narrative von 35 Prozent im Jahr 2018 auf 70 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Die neuen Erzählungen sind komplexer, sie leugnen den Klimawandel nicht mehr als Ganzes. “Mittlerweile spüren in Deutschland schon 85 Prozent der Menschen den Klimawandel, da ist es schwierig geworden, das plumpe Abstreiten aufrechtzuerhalten”, sagt Carel Mohn, Chefredakteur der Informationsplattform klimafakten.de. Er bezieht sich dabei auf eine Studie des Umweltbundesamts.

Neue Falschinformationen sind schwieriger zu entdecken

Zur neuen Form von Klimawandelleugnung gehören nach diesen Forschungen Aussagen wie:

  • Die Folgen des Klimawandels seien harmlos oder nützlich.
  • Klimalösungen wie der Ausbau von Erneuerbaren würden nicht funktionieren.
  • Klimawissenschaft und die Klimabewegung seien unzuverlässig.

Durch diese neuen Erzählungen ist Falschinformation zum Klimawandel schwieriger zu entdecken. Es braucht Vorwissen über komplexe Zusammenhänge, um zu verstehen, dass beispielsweise die Gefährdung von einzelnen Vögeln durch Windräder häufig nicht die Population der Arten bedroht. Die neuen Narrative der Desinformation gelten häufig auch als legitime Kritik an Klimapolitik. Denn oft ist absichtliche Falschinformation kaum von berechtigten Sorgen zu trennen – etwa über die sozialen Folgen von Klimapolitik.

Das große Ganze betrachten

Jennie King von ISD schaut noch strategischer auf das Thema: “Die Fixierung darauf, einzelne Falschinformationen zu entlarven, ist manchmal wenig zielführend”, meint sie. Wichtiger sei es, das große Ganze zu betrachten. Klima werde immer mehr Thema eines “Kulturkriegs”. Während Klima vor rund fünf Jahren noch hauptsächlich ein Sachthema war, wird es inzwischen deutlich emotionaler und polemischer diskutiert. Rechte und extrem-rechte Akteure bezeichnen Klimapolitik strategisch als “liberal” und “woke”. Durch dieses “Framing” wird Klimapolitik zur liberalen Politik “von oben” gegen die Interessen von “einfachen Bürgerinnen und Bürgern”. Desinformation zu Klima solle damit weniger konkrete Maßnahmen verhindern, sondern viel mehr die politische Stimmung polarisieren.

Als Beispiel fand eine Studie des US-amerikanischen Thinktanks Center for American Progress (CAP) die Behauptung, dass Net-Zero-Ziele oder der Green Deal “anti-demokratisch” seien. Das faktisch im Detail zu widerlegen, ist kaum möglich, denn die Behauptung setzt vor allem auf einer emotionalen Ebene an.

King sieht eine gefährliche Polarisierung. Das Vertrauen in demokratische Institutionen sinke, notwendige Diskussionen über Sachfragen der Klimapolitik würden nicht geführt. Dagegen helfen könnte es, den Klimawandel nicht als abstraktes, technisches Thema zu kommunizieren, sagt sie. Stattdessen sollte man Menschen und deren Lebenswirklichkeit in den Mittelpunkt der Botschaft stellen und auch positive Folgen eines grünen Strukturwandels betonen.

Bisher sieht es aber eher danach aus, als ob Falschinformationen und Anti-Klima-Narrative Erfolg haben könnten: Umfragen zufolge könnten populistische und rechte Parteien bei den Wahlen zum EU-Parlament deutlich zulegen – und dann dort auch direkt eine ambitionierte Klimapolitik behindern.

  • Bauernproteste
  • Desinformation
  • EU-Klimapolitik
  • Europawahlen 2024
  • Forschung
Translation missing.

Klimaschädliche Kreditvergabe: Wieso die Commerzbank ihre Nachhaltigkeitsziele verfehlt

Commerzbank in Frankfurt am Main: Das Geschäft brummt wieder, das Klima leidet.

Die geschäftlichen Zahlen, die Vorstandschef Manfred Knof am Dienstag auf der virtuellen Hauptversammlung der Commerzbank verkündete, kamen bei den Aktionären gut an: Der Gewinn kletterte im Vergleich zum Vorjahr um rund 60 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, die Eigenkapitalrendite lag bei 7,7 Prozent. Dank seines harten Sanierungskurses steht das lange Zeit angeschlagene Institut wieder auf sicheren Beinen.

Weit weniger beeindruckend ist die Performance in puncto Nachhaltigkeit, die für die Commerzbank einen Eckstein ihrer Geschäftsstrategie bildet. “Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die globalen Finanzströme mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und des Green Deals der Europäischen Union in Einklang zu bringen und somit eine klimakompatible Entwicklung zu fördern”, sagt Vorstandschef Knof.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat das Institut, an dem der Bund noch zu 15 Prozent beteiligt ist, aber einige wesentliche Ziele verfehlt: etwa bei der Reduktion der finanzierten CO₂-Emissionen und dem Geschäftsanteil nachhaltiger Finanzprodukte. So bewegt sich das Volumen an CO₂-Emissionen, die die Bank mit ihren Krediten finanziert, nach wie vor auf hohem Niveau.

Für 2023 meldet die Commerzbank einen Ausstoß von 76,6 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten bei den Firmenkunden, den sie anteilig mit ihren Darlehen finanziert. Das war zwar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 2,3 Prozent. Doch das Volumen lag deutlich höher als 2021, als die Bank bei Firmen- und Privatkunden schätzungsweise Emissionen von 71,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente finanzierte. Die Gründe nennt die Bank auf Anfrage nicht. Aber sie verweist darauf, dass sie einige emissionsintensive Branchen gar nicht mehr oder nur noch zurückhaltend finanziert “Im Ölsektor vergibt die Commerzbank keine neuen Kredite mehr für die Exploration neuer Ölfelder”, bestätigt Andreas Thomae, Nachhaltigkeitsexperte bei Deka Investment, der Fondsgesellschaft der Sparkassen-Finanzgruppe.

Klima-Rückschläge bei Immobilienkrediten

Doch diesem Fortschritt stehen Rückschläge in anderen Branchen gegenüber. “In den Sektoren gewerbliche Immobilienfinanzierung und Zement sind die finanzierten Emissionen von 2021 bis 2023 leicht angestiegen”, stellt Thomae fest. In der Luftfahrt und in der Eisen- und Stahlindustrie sinken die finanzierten Emissionen lediglich graduell.

Der weitaus größte Sektor, für den die Commerzbank den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen berichtet, ist der private Wohnungsbau. Auf diesen entfiel 2023 ein Finanzierungsvolumen von 96,6 Milliarden Euro; das entspricht rund 80 Prozent des gesamten, von der Bank als emissionsintensiv ausgewiesenen Kreditgeschäfts. Das Institut schätzt, dass bei den 2021 finanzierten privaten Wohnhäusern der Ausstoß von Treibhausgasen im Durchschnitt bei 45,8 Kilogramm pro Quadratmeter lag. Diese Größe soll bis 2030 auf 19,8 Kilogramm sinken; dies entspräche einem Rückgang von insgesamt 57 Prozent.

Das ist ein weiter Weg: Denn von 2021 bis 2023 konnte die Bank die CO₂-Emissionen in der privaten Baufinanzierung nur um drei Prozent verringern. Damit das Reduktionsziel erreicht wird, müsste der Ausstoß in den verbleibenden sieben Jahren bis 2030 immer noch um mehr als 50 Prozent gesenkt werden. Das ist angesichts des schleppenden Fortschritts in den vergangenen zwei Jahren schwer vorstellbar.

Unvollständige Angaben über finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen

Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Commerzbank – ebenso wie andere Kreditinstitute – den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen nur unvollständig angibt. So werden die Emissionen, die in Scope 3, also den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, anfallen, nur zum kleineren Teil angegeben, moniert Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer bei der Fondsgesellschaft Union Investment. In der Autoindustrie entstehen aber zum Beispiel mehr als 90 Prozent der gesamten Emissionen bei der Nutzung der Produkte. “Ebenfalls nicht erfasst wird bisher der CO₂-Ausstoß, der indirekt mit der Begleitung von Anleihe-Emissionen finanziert wird”, stellt der Fondsmanager fest.

Ungeachtet aller Mängel in der Berichterstattung stehe die Commerzbank im Vergleich zu den Konkurrenten aber verhältnismäßig gut da. Bei den Sektoren, für die Klimaziele festgelegt werden, berücksichtige das Institut mehr Branchen als etwa die Deutsche Bank, stellt Pontzen fest.

Drastischer Rückgang bei nachhaltigen Krediten

Um die selbst definierten Klimaziele zu erreichen, will die Commerzbank ein ganzes Arsenal von Instrumenten einsetzen. Hierzu gehören unter anderem Kredite zur Finanzierung erneuerbarer Energien, grüne Baufinanzierungen und Green Bonds, also Klima-Anleihen, deren Emission die Commerzbank federführend begleitet. Im Instrumentenkoffer befinden sich ebenfalls Beratung und nachhaltige Vermögensverwaltung.

Das Volumen all dieser Finanzprodukte fasst die Commerzbank zu einem Portfolio zusammen, das 2025 einen Umfang von rund 300 Milliarden Euro erreichen soll. Doch hier gab es im vergangenen Jahr einen empfindlichen Rückschlag: Das Volumen sank gegenüber dem Vorjahr von 247 auf 238 Milliarden Euro, während 2022 noch ein Zuwachs von rund einem Viertel erzielt wurde. Wenn die Bank das Ziel für 2025 erreichen will, muss sie sich gewaltig anstrengen.

Besonders drastisch war der Rückgang bei den nachhaltigen Krediten, wo die Commerzbank 2022 noch einen Umfang von 117 Milliarden Euro gemeldet hatte. Im folgenden Jahr schrumpfte das Volumen um rund ein Drittel auf 84 Milliarden Euro. Das Institut macht hierfür die gestiegenen Zinsen und den wirtschaftlichen Abschwung verantwortlich. Doch dies sind womöglich nicht die einzigen Ursachen. Denn das Gesamtvolumen an Krediten, die die Commerzbank an Firmen- und Privatkunden ausgereicht hat, war mit 222,2 Milliarden Euro 2023 nahezu ebenso hoch wie im Vorjahr. Das Volumen an grünen Darlehen ist offenbar erheblich stärker gesunken als der Umfang der braunen Kredite.

Kritisch sehen Umweltorganisationen den Klimakurs der Commerzbank. “Im fossilen Bereich hat es die Commerzbank auch im letzten Jahr verpasst, bestehende Klima-Richtlinien endlich auch auf Bestandskunden anzuwenden“, sagt Kathrin Petz, Finanz-Campaignerin bei Urgewald. Für diese würden momentan keinerlei Ausschlüsse gelten. Nicht einmal expandierende Öl- und Gasunternehmen oder Unternehmen, die keinen 1,5-Grad-kompatiblen Transformationsplan hätten, schlösse die Commerzbank aus. “So befeuert die Bank weiterhin die Klimakatastrophe.” Günter Heismann

  • Banken
  • Finanzmarkt
  • Klimaziele
  • Pariser Klimaabkommen

Termine

2. Mai, 11 Uhr, Online
Online-Diskussion Welche Reformen braucht das Strommarktdesign?
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) veranstaltet diese Diskussion zur “Plattform Klimaneutrales Stromsystem” und der Frage, welche Reformen im Strommarktdesign nötig sind. Infos

2. Mai, 18 Uhr, Berlin
Podiumsdiskussion Wie geben wir dem Kapital eine Richtung?
Bei der Podiumsdiskussion in der Landesvertretung von Baden-Württemberg diskutiert unter anderem Finanzminister Christian Lindner über die Transformation des Finanzsystems für Klimaschutz. Infos

6. Mai, 16 Uhr, Berlin/Online
Online-Diskussion African Voices: African reforms and priorities for Climate Finance
Verschiedene Vertreter aus afrikanischen Ländern und von afrikanischen Finanzinstitutionen diskutieren darüber, welche Prioritäten es für Klimafinanzierung in Afrika braucht. Das Event wird vom European Council on Foreign Relations organisiert. Infos

6. bis 7. Mai, Berlin
Gipfeltreffen Global Solutions Summit
Der Global Solutions Summit ist eine internationale Konferenz, die sich mit den wichtigsten politischen Herausforderungen befasst, vor denen die G20 und G7 stehen. Die Klimakrise und ihre Bewältigung gehören dazu. Infos

7. Mai, 10.30 Uhr, Berlin
Tagung ESG-Reprting: Gesetz zur CSRD-Umsetzung in Deutschland
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beschäftigt sich unter dem Motto “Herausforderungen für deutsche Unternehmen ab 2024” mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Infos

7. Mai, 15 Uhr, Online
Webinar Natürlich resilient: Naturbasierte Lösungen in kommunalen Klimaanpassungskonzepten verankern
Wie lassen sich naturbasierte Maßnahmen sinnvoll in Klimaanpassungskonzepte integrieren? Welche Chancen bietet eine Integration und welche Herausforderungen bestehen hierbei in der Praxis? Diese und weitere Fragen werden bei dem Webinar des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung diskutiert. Infos

7. Mai, Hamburg
Forum Nationales Wirtschaftsforum Wasserstoff
Auf dem Forum diskutieren Akteure der Wasserstoffwirtschaft über Rahmenbedingungen und Fortschritte der Wasserstoffwirtschaft. Infos

8. Mai, 9.30 Uhr, Brüssel
Diskussion A Roadmap to EU Forest Resilience – Tackling Climate Change and Forest Disturbances
Auf dem Event von Euractiv wird darüber diskutiert, mit welchen Maßnahmen europäische Wälder nachhaltig geschützt werden können. Infos

8. Mai, 18 Uhr, Online
Vortrag Extremklima in der Ostsee und Nordsee Region
Matthias Gröger vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde spricht in dem Online-Vertrag über den Forschungsstand zu Extremwetter an der Nord- und Ostsee. Infos

8. bis 12. Mai, Grünheide
Protestcamp Wasser Wald Gerechtigkeits Camp
Verschiedene Umwelt- und Klimagruppierungen protestieren gegen die geplante Tesla-Erweiterung in Grünheide. Infos

News

Klima in Zahlen: Sorge ums Klima bleibt hoch – aber Skepsis über Maßnahmen steigt

Mehr als ein Drittel der Menschen in Deutschland glaubt, dass politische Maßnahmen zum Umweltschutz ihr Leben verschlechtern werden – deutlich weniger, nämlich rund ein Fünftel, denkt, Umweltpolitik werde ihr Leben verbessern. Und viele der Befragten wünschen sich eine “bezahlbare” Klimapolitik, die mit gesundem Menschenverstand” agieren solle: Das sind zentrale Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der Organisation More in Common, die seit 2019 in regelmäßigen Erhebungen der Stimmung in der deutschen Gesellschaft nachgeht. Die neue Umfrage anlässlich der Europawahl beinhaltet auch ein Kapitel speziell zur Klimapolitik.

More in Common differenziert die Ergebnisse dabei nach verschiedenen Typen:

  • Dass Umweltpolitik ihr Leben eher verbessern werde, glaubt beispielsweise mit 33 Prozent eine relative Mehrheit der “Offenen”, denen Selbstentfaltung, Weltoffenheit und kritisches Denken besonders wichtig sind. Dagegen ist diese Quote unter den “Enttäuschten”, die eine verlorene Gemeinschaft und herrschende Ungerechtigkeiten beklagen, mit 11 Prozent am niedrigsten.
  • Unter den “Pragmatischen” – ihnen sind persönliches Fortkommen und Erfolg besonders wichtig – glauben mit 46 Prozent besonders viele, dass Umweltpolitik ihr Leben verschlechtern werde.
  • Ähnlich hoch ist diese Quote mit 45 Prozent unter den “Wütenden”, die dem herrschenden System kritisch und misstrauisch gegenüberstehen, und auch unter den “Enttäuschten” mit 43 Prozent.
  • Unter den “Involvierten”, die einen besonders starken Sinn für gesellschaftlichen Zusammenhalt haben, sind die Erwartungen eher gespalten.
  • Die “Etablierten” schließlich, denen Zufriedenheit, Verlässlichkeit und gesellschaftlicher Frieden wichtig sind, glauben eher, dass Umweltpolitik ihr Leben verschlechtern werde. Aber ihre Skepsis ist weniger stark ausgeprägt als die anderer Gruppen.

In Spanien und Frankreich ist die Sorge ums Klima höher

Insgesamt, auch das zeigt die Umfrage, bleibt die Sorge um den Klimawandel in Deutschland auf einem relativ hohen Niveau, sinkt aber leicht ab. Im Jahr 2021 sagten noch 78 Prozent, sie seien sehr oder eher besorgt wegen der Erderwärmung, derzeit sind es noch 70 Prozent. Interessant mit Blick auf die Europawahl: In Spanien und Frankreich sorgen sich mit 86 und 82 Prozent deutlich mehr Menschen ums Klima. In Polen ist die Quote mit 71 Prozent den deutschen Ergebnissen recht ähnlich.

Über alle Bevölkerungsgruppen hinweg sagen 51 Prozent, sie hätten derzeit “andere Probleme, als mich persönlich um den Klimaschutz zu kümmern”. Zugleich geben 69 Prozent an, sie fänden es wichtig, “dass wir für den Klimaschutz Dinge in unserem Land verändern“, aber nur 38 Prozent haben “Vertrauen, dass auch die anderen in der Gesellschaft ausreichend beim Klimaschutz mitmachen”. 64 Prozent sagen, wohlhabende Menschen täten nicht genug für Klima und Umwelt. 60 Prozent finden, dass große Wirtschaftsunternehmen mehr tun müssten. 51 Prozent glauben, dass die Politik im Kampf gegen den Klimawandel klare Regeln setzen müsse. Immerhin 32 Prozent sind der Ansicht, das sei nicht nötig.

EU soll klimapolitisch führen

Mit 51 Prozent der Befragten wünscht sich eine knappe Mehrheit, dass die EU im Kampf gegen den Klimawandel eine Führungsrolle übernimmt, auch wenn etwa die USA und China weniger tun. 52 Prozent sagen, sie wären darauf stolz. Zum Vergleich: In Spanien befürworten insgesamt 65 Prozent eine Führungsrolle der EU, in Frankreich 62 Prozent und in Polen 42 Prozent. Stolz auf eine klimapolitisch international führende EU wären in Spanien 72 Prozent, in Frankreich 60 Prozent, in Polen 51 Prozent. ae

  • Europawahlen 2024
  • Klimapolitik
  • Umfrage

Neue Klimazaren Liu und Podesta treffen sich erstmals

Die beiden neuen Klimabeauftragten der USA und Chinas, John Podesta und Liu Zhenmin, werden sich Anfang Mai in Washington treffen. Das kündigte Podesta am Dienstag an. Die beiden wollen die bilateralen Gespräche über die Klimazusammenarbeit inmitten schwelender Spannungen über Handel und Sicherheit wieder aufnehmen. Eine gute Abstimmung zwischen den USA und China gilt in der internationalen Klimapolitik und bei den COP-Klimakonferenzen als entscheidend für größere Fortschritte.

Zwischen den bisherigen Klimazaren Xie Zhenhua und John Kerry hatte die Chemie gestimmt; beide hatten einander vertraut und mehrmals festgefahrene Verhandlungen vorangebracht. Beobachter hoffen daher auf ein ähnlich gutes Verhältnis der beiden Neuen. Liu und Podesta haben bereits einmal telefoniert, bislang aber noch keine offiziellen Gespräche geführt. ck/rtr

  • Geopolitik
  • Klimapolitik
  • Klimaschutz

Fortschrittsmonitor Energiewende: Große Erfolge, gewaltiger Investitionsbedarf

Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, sind bis zum Jahr 2030 Investitionen in Höhe von insgesamt 721 Milliarden Euro erforderlich. Das geht aus dem jüngsten “Fortschrittsmonitor Energiewende” der Unternehmensberatung EY und des Branchenverbands BDEW hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Mit 353 Milliarden Euro und 281 Milliarden Euro entfallen die mit Abstand größten Anteile auf den Ausbau der erneuerbaren Energien bzw. der Stromnetze. Deutlich geringer sind die Investitionen ins Fernwärmenetz (32 Milliarden), in Elektrolyseure (23 Milliarden), Speicher (17 Milliarden) und das Wasserstoff-Kernnetz (15 Milliarden Euro). Bis zum Jahr 2035 sind weitere rund 490 Milliarden Euro an Investitionen erforderlich.

Während manche Medien diese Zahlen als reine Kosten interpretierten (Bild titelte: “1,2 Billionen für die Energiewende – Kann Deutschland sich DAS leisten?”), bewerten die Herausgeber des Berichts die Zahl anders. Es handele sich um Investitionen, die “in erheblichem Umfang Wachstum und regionale Wertschöpfung generieren können”, sagte Metin Fidan, Partner bei EY. Auch BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae erklärte: “Investitionen in die Energiewende sind gut angelegtes Geld.” Dieses fließe “in langfristig nutzbare moderne Energie-Infrastrukturen und innovative Technologien, von denen gerade künftige Generationen profitieren werden”. Zudem stehen den Investitionen in die Energiewende langfristig erhebliche volkswirtschaftliche Einsparungen gegenüber, weil sehr viel weniger fossile Rohstoffe benötigt werden. Für deren Import gab Deutschland im vergangenen Jahr 73,5 Milliarden Euro aus, 2022 waren es sogar 138 Milliarden Euro.

Bisher sind die Energiewende-Investitionen dem Report zufolge noch geringer als erforderlich. Im Jahr 2023 wurde dadurch nur eine Bruttowertschöpfung von 28 Milliarden Euro ausgelöst; das Potenzial war fast doppelt so hoch. Im Vergleich zum Jahr 2022 hat sich die Wertschöpfung allerdings mehr als verdreifacht. Auch ansonsten zieht der Bericht in vielen Bereichen ein positives Fazit: So lag der Zubau bei Solaranlagen im Jahr 2023 deutlich über Plan, auch der Anteil der erneuerbaren Energie am Bruttostromverbrauch lag mit 54 Prozent etwas höher als vorgesehen. Auch im Wärmesektor stieg der EE-Anteil deutlich. Nicht erreicht wurden dagegen die Ziele beim Windausbau sowie im Verkehrssektor. “Die Richtung stimmt”, lautet das Fazit der Autoren. “Aber es muss weiter zugelegt werden.” mkr

  • Elektrolyseure
  • Energiewende
  • Erneuerbare Energien

Greenwashing-Verdacht: EU prüft 20 Fluggesellschaften

Wegen des Verdachts auf Greenwashing prüfen die Europäische Kommission und nationale Verbraucherschutzbehörden 20 Fluggesellschaften. Die Unternehmen sollen etwa ihre Behauptungen rechtfertigen, dass die Emissionen ihrer Flüge ausgeglichen werden können, wie die Brüsseler Behörde am Dienstag mitteilte. Namen der betroffenen Unternehmen sind nicht bekannt; beteiligt an der Prüfung waren Behörden aus Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Spanien.

Konkret soll es um mehrere potenziell irreführende Praktiken gehen:

  • CO₂-Kompensation durch zusätzliche Gebühren könnte den falschen Eindruck erwecken, dass die Finanzierung von Klimaprojekten mit geringeren Umweltauswirkungen die CO₂-Emissionen verringern oder vollständig ausgleichen könnten.
  • Verwendung des Begriffs “nachhaltige Flugkraftstoffe” (SAF), ohne deren Umweltauswirkung klar zu begründen.
  • Irreführende Begriffe wie “grün”, “nachhaltig” oder “verantwortungsbewusst”.
  • Netto-Null-Versprechen oder andere zukünftige Umweltversprechen ohne klare und überprüfbare Verpflichtungen, Ziele und unabhängiger Überprüfung.
  • CO₂-Rechner für Verbraucher, ohne ausreichend zu belegen, ob diese zuverlässig sind.

Den Unternehmen bleiben nun 30 Tage, um auf das Schreiben der Kommission zu reagieren. Bis dahin müssen sie aufzeigen, wie sie die beanstandeten Probleme aus dem Weg räumen werden. Sollten sie dem nicht nachkommen, können die Verbraucherschutzbehörden weitere Maßnahmen ergreifen – zum Beispiel Sanktionen.

Vermehrt Klagen und Urteile wegen Greenwashings

Der Branchenverband Airlines for Europe erklärte dazu, dass seine Mitglieder die “Bedeutung klarer, transparenter Informationen über Nachhaltigkeit” anerkennen würden, wie die Financial Times berichtete. “Besonders besorgt” sei man allerdings über die Prüfung nachhaltiger Flugkraftstoffe, da diese zugleich von der EU “unterstützt und gebilligt” würden.

Mittlerweile wird Greenwashing im Flugverkehr vermehrt geprüft, Klagen häufen sich. So verurteilte etwa Ende März ein niederländisches Gericht die Fluggesellschaft KLM wegen irreführender Versprechen über “nachhaltiges Fliegen”. In Großbritannien wurde Ende letzten Jahres irreführende Werbung von drei Fluggesellschaften verboten – unter anderem von der Lufthansa. Gegen diese hat erst am Samstag die Deutsche Umwelthilfe eine Klage angekündigt. Sie kritisiert die Projekte der Lufthansa zur CO₂-Kompensation als “dreiste Verbrauchertäuschung” und “Greenwashing”. dpa/lb

  • CO2-Kompensationen
  • Flugverkehr
  • Greenwashing

Ernährungsunsicherheit: Krieg und Klimakrise verschlimmern globale Lage

Knapp 282 Millionen Menschen weltweit waren 2023 stark von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Zu dem Ergebnis kommt der Globale Bericht zu Ernährungskrisen, der seit 2016 jährlich von einer Allianz internationaler Akteure erstellt wird, darunter die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), das Welternährungsprogramm (WFP) und die EU. “Das ist die höchste Zahl, die wir jemals gemessen haben“, betonte Sara McHattie, mitverantwortlich für den Bericht, bei der Vorstellung vergangene Woche.

Vor allem Kriege und bewaffnete Konflikte waren demnach dafür verantwortlich, dass sich trotz Bemühungen um Entwicklungs- und humanitäre Hilfe die Lage verschlechtert hat. Sie sind, gemessen an der betroffenen Bevölkerung, die häufigste Ursache für Ernährungsunsicherheit. “In Konfliktherden eskalierten Ernährungskrisen 2023 in alarmierendem Maße – vor allem in Palästina (Gaza-Streifen) und dem Sudan“, heißt es in dem Bericht. Zweithäufigster Grund waren 2023 wirtschaftliche Schocks. Fast gleichauf sind Extremwetterereignisse – Tendenz steigend.

Düstere Prognose für 2024

Ein weiterer Befund ist eine hohe geografische Konzentration der weltweiten Ernährungsunsicherheit: “Ein Großteil der Betroffenen ist in nur 19 Ländern zu finden”, betont McHattie. Dazu gehören viele afrikanische Länder, aber auch beispielsweise Syrien und Jemen.

Besserung ist vorerst nicht zu erwarten: Für 2024 gibt der Bericht eine düstere Prognose ab. Bei vielen bewaffneten Konflikten sei kurzfristig keine Lösung zu erwarten. Dazu kämen die Auswirkungen des Wetterphänomens El Niño, das durch Extremwetterereignisse wie Überflutungen oder Dürreperioden die Lage in Süd- und Ostafrika verschlimmern könnte. “Abnehmende Mittel für humanitäre Hilfe und steigende Kosten für die Bereitstellung stellen eine weitere Bedrohung dar”, so der Bericht. jd

  • Entwicklungspolitik
  • Ernährungssicherheit

Studie: Klimawandel könnte Möglichkeiten für Wiederaufforstung stark einschränken

In bestimmten Regionen Europas könnten bis zu 50 Prozent der dort wachsenden Baumarten künftigen Klimabedingungen nicht mehr standhalten – was erhebliche, negative Folgen für die Wiederaufforstung hätte. Denn auch Baumarten, die heute gepflanzt werden, müssten unter veränderten klimatischen Bedingungen wachsen. Aber die Zahl der dafür geeigneten Arten werde voraussichtlich abnehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Montag in Nature Ecology & Evolution erschienen ist.

“Der Mehrwert der Studie besteht im Hinweis auf einen möglichen Bottleneck-Effekt bei der Klimaanpassung der Wälder”, sagt Uta Berger, Forscherin an der TU Dresden. “Neu an dieser Arbeit ist nun, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde“, ergänzt Arthur Gessler, der das Forschungsprogramm Walddynamik, Waldwachstum und Klima am Schweizer WSL leitet.

Weitere Faktoren wichtig

Eher als konservativ schätzt Henrik Hartmann die Modellierung ein. Die künftige Eignung der Baumarten werde nur durch klimatische Einflüsse berechnet. “Das kann man sicherlich mit einem großen Fragezeichen versehen”, denn die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Stress durch Klimafolgen “in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt”, sagt der Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut.

Die Modellierung berücksichtige “methodisch und konzeptionell” nicht “die angemessenen Grenzen der Modellierbarkeit des Klimawandels und der Reaktionen von komplexen Ökosystemen”, sagt Pierre Ibisch, Forscher an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Studien zeigten, dass etwa Dürren als Folge des Klimawandels “schneller voranschreiten als modelliert”. Problematisch sei auch, dass “die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft” abhänge, ergänzt der Wissenschaftler. nh

  • Dürre
  • Klimaschäden
  • Wald

Standpunkt

Lukas Köhler: Wir brauchen keine Reichensteuer – der Markt schützt das Klima besser

Von Lukas Köhler
Lukas Köhler, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag.

Die sogenannte “Reichensteuer” gilt manchen als eierlegende Wollmilchsau unter den politischen Instrumenten – ein scheinbar unerschöpflicher Quell ewiger Finanzmittel, um nahezu sämtliche Probleme der Welt mit Geld zuzuschütten. In einem aktuellen Beispiel argumentierte etwa Till Kellerhoff, Programmdirektor des Club of Rome, kürzlich an dieser Stelle, dass die “Reichensteuer” zur Finanzierung staatlicher Zukunftsinvestitionen diene und damit zur klimapolitischen Wunderwaffe werden könne.

Zweifellos stellt der Klimawandel unsere Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Doch Klimaschutz deshalb als Vehikel ausufernder Umverteilungsfantasien zu nutzen, ist genauso falsch, wie dem Staat reflexhaft die alleinige Lösungskompetenz zuzuschreiben. Denn tatsächlich gibt es bereits ein funktionierendes Klimaschutzinstrument, das klugerweise nicht den Staat, sondern den Markt in die Pflicht nimmt und auch einer gesellschaftlich gerechten Kostenverteilung Rechnung trägt: den Emissionshandel.

Technologie und Märkte statt staatlicher Glaskugel

Till Kellerhoffs Argumentation basiert auf der Annahme, der Staat könne über Subventionen oder Verbote unmittelbar für die Umstellung auf klimafreundliche Produktions- und Verhaltensweisen sorgen. Dass dies bloß ein naiver Glaube ist, wissen nicht nur wir Freien Demokraten, sondern auch das Bundesverfassungsgericht gemäß seinem Klimaschutzurteil von 2021. Das Gericht erklärte, dass der Staat nicht für diese klimafreundliche Umstellung zuständig sein könne oder überhaupt sein sollte, weil es “dem Gesetzgeber auch kaum gelingen [kann], die erforderlichen Entwicklungen konkret vorzugeben”.

Der Weg zur Klimaneutralität ist mit technologischen Durchbrüchen, variablen Marktdynamiken und sich veränderndem menschlichen Verhalten gepflastert. Und weil sich selbst mit einer “Reichensteuer” keine wahrsagende Glaskugel für einen anpassungsfähigeren Staat herbeizaubern lässt, muss die Klimapolitik konsequenterweise auf andere Anreize und Instrumente zurückgreifen.

Die effizienteste Verteilung der CO₂-Emissionen

Letztlich, hierin stimme ich Till Kellerhoff grundsätzlich zu, geht es in der Klimapolitik um eine fundamentale Verteilungsfrage. Es geht allerdings nicht um die staatlich organisierte Umverteilung von Geld, sondern darum, wie die verbliebenen CO₂-Emissionen verteilt werden, die bis zur Klimaneutralität 2045 noch ausgestoßen werden dürfen. Und wie immer zeigt sich der Markt als unschlagbar bei der ebenso effizienten wie fairen Verteilung knapper Ressourcen.

Mit dem Emissionshandel werden die Restemissionen gemäß den Klimazielen streng gedeckelt. Der Ausstoß von CO₂ ist nur mit einem entsprechenden Zertifikat erlaubt. Damit wird sichergestellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert erreichen. Die begrenzte Menge an zulässigen Emissionen wird nicht durch staatliche Willkür, sondern im freien Handel verteilt. Der Preis bildet sich in bewährter Manier durch Angebot und Nachfrage. Das sorgt dafür, dass die Emissionen zuerst von denen reduziert werden, die dies mit dem geringsten Aufwand bewerkstelligen können. Dem Staat fehlt alleine schon das Wissen über die unterschiedlichen CO₂-Vermeidungskosten der einzelnen Akteure, um die Verteilung der Emissionen auch nur annähernd so effizient zu gestalten.

Sozialer Ausgleich durch Klimageld

Außerdem generiert der Emissionshandel über den CO₂-Preis Einnahmen, mit denen ein Sozialausgleich in Form eines pauschal ausgezahlten Klimagelds geschaffen werden kann. Menschen mit geringeren Einkommen werden dadurch im Verhältnis stärker entlastet und müssen im Schnitt auch weniger CO₂-Kosten tragen. Denn im Emissionshandel gilt das Verursacherprinzip: Wer viele Emissionen verursacht, ob reich oder arm, muss auch mehr dafür zahlen. Wer klimafreundlicher lebt, hat geringere Kosten und kann sogar profitieren. Und weil die Restemissionen bis zur Klimaneutralität gedeckelt sind, ist auch kein endloses “Freikaufen” wie zu Zeiten des christlichen Ablasshandels möglich.

Anstatt also über fragwürdige Schätzgrößen wie den sogenannten CO₂-Fußabdruck einen vermeintlich gerechten Kostenanteil zu überschlagen, wird die CO₂-Intensität individueller sowie unternehmerischer Verhaltensweisen im marktbasierten Ansatz unmittelbar und viel präziser eingepreist – und obendrein noch positiv beeinflusst.

Leider war es dem Staat in Deutschland bislang technisch nicht möglich, Geld an alle Bürger zu überweisen. Dank Bundesfinanzminister Christian Lindner ändert sich das nun. Sobald der Auszahlungsmechanismus Anfang 2025 final steht, kann das Klimageld ausgezahlt werden – wenn die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung nicht für fragwürdige Subventionen aufgebraucht werden.

Emissionshandel ist der Schlüssel

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Übergang in eine klimaneutrale Gesellschaft liegt in einer Politik, die Innovationen anreizt, den Markt als Verbündeten gewinnt und die Kosten gerecht verteilt. In Europa hat man sich daher zurecht für den Emissionshandel als zentrales Klimaschutzinstrument entschieden, weil er sicherstellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert und zu den geringsten Kosten erreichen.

Durch seine Lenkungswirkung macht der Emissionshandel private Investitionen in saubere Zukunftstechnologien attraktiv und verhilft damit den Technologien zum Durchbruch, die CO₂ am besten einsparen – ganz ohne staatliche Subventionsspritzen. Während der Emissionshandel also eine effektive Lösung im Klimaschutz bietet, ist die “Reichensteuer” nur ein politisches Blendwerk, das Wohlstand bestraft, ohne das Klima zu retten.

Lukas Köhler ist stellvertretender Vorsitzender der FDP im Bundestag. In der vergangenen Legislaturperiode war er klimapolitischer Sprecher der Fraktion.

  • Emissionshandel
  • Finanzpolitik
  • Klimafinanzierung
  • Klimageld
  • Steuerpolitik

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    falsche Versprechen und Halbwahrheiten begleiten Sie durch diese Ausgabe: Vor der Europawahl etwa wird die Klimakrise genutzt, um im Wahlkampf zu polarisieren. Geleugnet wird der Klimawandel zwar immer seltener, doch nun kommen neue Narrative hoch, wie Lisa Kuner für Sie analysiert.

    Irreführend ist auch, was Fluggesellschaften teils bewerben: grün und emissionsfrei dank CO₂-Ausgleich sollen ihre Flüge sein. Die EU-Kommission prüft nun die Versprechen mehrerer Unternehmen. Die Commerzbank hat unterdessen ein sattes Plus für ihre Aktionäre bekannt gegeben. Das Geschäft brummt, doch das Klima leidet unter der fragwürdigen Kreditvergabe, berichtet Günter Heismann.

    Im Standpunkt schreibt Lukas Köhler, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag, warum er gegen eine Erhöhung der Steuern für Reiche ist. Nicht diese würde das Klima retten, sondern der Emissionshandel und ein Klimageld als sozialer Ausgleich, argumentiert er.

    Und während die Klimakrise weltweit die Ernährungsunsicherheit verschlimmert, zeigt eine aktuelle Umfrage für Deutschland: Zwar sorgen sich Deutsche weiter ums Klima, doch immer mehr von ihnen sehen im Klimaschutz eine Bedrohung für den eigenen Wohlstand. Es scheint fast so, als ob Klima-Desinformation hier auf fruchtbaren Boden stoßen würde. Die Europawahlen werden zum Gradmesser.

    Wir wünschen Ihnen jedenfalls eine vertrauensvolle Lektüre

    Ihr
    Lukas Bayer
    Bild von Lukas  Bayer

    Analyse

    Wie Klima-Desinformation den europäischen Wahlkampf polarisiert

    Stimmungsmache gegen Klimaschutz: Gemeinsam haben AfD, CDU und FDP beispielsweise in Thüringen Ende vergangenen Jahres der Ausbau von Windenergie massiv erschwert.

    Klimapolitik ist in der EU durch den Green Deal ein wichtiges Thema. Damit prägt sie auch den Wahlkampf. Das Thema wird dabei häufig von populistischen Parteien genutzt, um Stimmung gegen etablierte Parteien zu machen, wie neue Forschungsergebnisse zeigen.

    In den vergangenen Monaten tauchten beispielsweise auf den Bauernprotesten Flaggen von Rechtsextremen oder Verschwörungserzählungen über einen angeblichen Plan zum “Great Reset” der Weltwirtschaft unter dem Deckmantel der Covid-Pandemie auf. Klimapolitische Vorhaben wurden dort als Maßnahmen einer “korrupten Elite” dargestellt, analysiert das auf Extremismus- und Desinformationsforschung spezialisierte Institute for Strategic Dialogue (ISD). Jennie King, Director of Climate Research and Policy am ISD, sagt im Gespräch mit Table.Briefings: “Klima und Falschinformationen darüber werden immer mehr als Thema genutzt, um zu polarisieren und um einen Keil zwischen sogenannte Eliten und ‘normale’ Bürgern zu treiben.”

    Ähnliche Fälle gebe es in vielen europäischen Ländern. Dabei werden Klimathemen und Falschinformationen strategisch eingesetzt, um politische Meinung zu beeinflussen.

    Anti-Klimaschutz-Erzählungen: divers und weit verbreitet

    Das Anti-Desinformation-Netzwerk European Digital Media Observatory hat die Desinformation ausgewertet, die im vergangenen Jahr während der Wahlen in Europa kursierte. Die Ergebnisse zeigen, wie divers und weit verbreitet Anti-Klima-Erzählungen bereits sind:

    • Bei den Parlamentswahlen in Estland wurde Klimawandel als “linke Verschwörungstheorie” dargestellt.
    • Während des finnischen Wahlkampfs wurde behauptet, Klimapolitik vernichte Arbeitsplätze.
    • In Spanien war behauptet worden, das Land wolle “Landwirtschaft abschaffen”, um das Klima zu schützen und es werde “Klim-Lockdowns” geben.
    • Welche politischen Konsequenzen Falschinformationen haben können, zeigt auch das Beispiel Thüringen. Mit Stimmen aus der AfD, CDU und FDP wurde dort Ende vergangenen Jahres der Ausbau von Windenergie massiv erschwert.

    Neue Narrative sind komplexer

    Neu sind Falschinformationen zum Klimawandel nicht, aber sie haben sich verändert: Ein Bericht der NGO Center for Countering Digital Hate (CCDH) differenziert zwischen “alten” und “neuen” Narrativen in der Leugnung des Klimawandels.

    • Alte Narrative sind demnach Aussagen wie “Es gibt den Klimawandel nicht” oder “Von Menschen verursachte Treibhausgase sind nicht für den Klimawandel verantwortlich”. In einer Untersuchung von mehr als 12.000 Videos auf YouTube kam das CCDH zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2023 nur noch rund 30 Prozent der Klimawandelleugnung zu der “alten” Art gehörte.
    • Dagegen ist der Anteil der neuen Narrative von 35 Prozent im Jahr 2018 auf 70 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Die neuen Erzählungen sind komplexer, sie leugnen den Klimawandel nicht mehr als Ganzes. “Mittlerweile spüren in Deutschland schon 85 Prozent der Menschen den Klimawandel, da ist es schwierig geworden, das plumpe Abstreiten aufrechtzuerhalten”, sagt Carel Mohn, Chefredakteur der Informationsplattform klimafakten.de. Er bezieht sich dabei auf eine Studie des Umweltbundesamts.

    Neue Falschinformationen sind schwieriger zu entdecken

    Zur neuen Form von Klimawandelleugnung gehören nach diesen Forschungen Aussagen wie:

    • Die Folgen des Klimawandels seien harmlos oder nützlich.
    • Klimalösungen wie der Ausbau von Erneuerbaren würden nicht funktionieren.
    • Klimawissenschaft und die Klimabewegung seien unzuverlässig.

    Durch diese neuen Erzählungen ist Falschinformation zum Klimawandel schwieriger zu entdecken. Es braucht Vorwissen über komplexe Zusammenhänge, um zu verstehen, dass beispielsweise die Gefährdung von einzelnen Vögeln durch Windräder häufig nicht die Population der Arten bedroht. Die neuen Narrative der Desinformation gelten häufig auch als legitime Kritik an Klimapolitik. Denn oft ist absichtliche Falschinformation kaum von berechtigten Sorgen zu trennen – etwa über die sozialen Folgen von Klimapolitik.

    Das große Ganze betrachten

    Jennie King von ISD schaut noch strategischer auf das Thema: “Die Fixierung darauf, einzelne Falschinformationen zu entlarven, ist manchmal wenig zielführend”, meint sie. Wichtiger sei es, das große Ganze zu betrachten. Klima werde immer mehr Thema eines “Kulturkriegs”. Während Klima vor rund fünf Jahren noch hauptsächlich ein Sachthema war, wird es inzwischen deutlich emotionaler und polemischer diskutiert. Rechte und extrem-rechte Akteure bezeichnen Klimapolitik strategisch als “liberal” und “woke”. Durch dieses “Framing” wird Klimapolitik zur liberalen Politik “von oben” gegen die Interessen von “einfachen Bürgerinnen und Bürgern”. Desinformation zu Klima solle damit weniger konkrete Maßnahmen verhindern, sondern viel mehr die politische Stimmung polarisieren.

    Als Beispiel fand eine Studie des US-amerikanischen Thinktanks Center for American Progress (CAP) die Behauptung, dass Net-Zero-Ziele oder der Green Deal “anti-demokratisch” seien. Das faktisch im Detail zu widerlegen, ist kaum möglich, denn die Behauptung setzt vor allem auf einer emotionalen Ebene an.

    King sieht eine gefährliche Polarisierung. Das Vertrauen in demokratische Institutionen sinke, notwendige Diskussionen über Sachfragen der Klimapolitik würden nicht geführt. Dagegen helfen könnte es, den Klimawandel nicht als abstraktes, technisches Thema zu kommunizieren, sagt sie. Stattdessen sollte man Menschen und deren Lebenswirklichkeit in den Mittelpunkt der Botschaft stellen und auch positive Folgen eines grünen Strukturwandels betonen.

    Bisher sieht es aber eher danach aus, als ob Falschinformationen und Anti-Klima-Narrative Erfolg haben könnten: Umfragen zufolge könnten populistische und rechte Parteien bei den Wahlen zum EU-Parlament deutlich zulegen – und dann dort auch direkt eine ambitionierte Klimapolitik behindern.

    • Bauernproteste
    • Desinformation
    • EU-Klimapolitik
    • Europawahlen 2024
    • Forschung
    Translation missing.

    Klimaschädliche Kreditvergabe: Wieso die Commerzbank ihre Nachhaltigkeitsziele verfehlt

    Commerzbank in Frankfurt am Main: Das Geschäft brummt wieder, das Klima leidet.

    Die geschäftlichen Zahlen, die Vorstandschef Manfred Knof am Dienstag auf der virtuellen Hauptversammlung der Commerzbank verkündete, kamen bei den Aktionären gut an: Der Gewinn kletterte im Vergleich zum Vorjahr um rund 60 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, die Eigenkapitalrendite lag bei 7,7 Prozent. Dank seines harten Sanierungskurses steht das lange Zeit angeschlagene Institut wieder auf sicheren Beinen.

    Weit weniger beeindruckend ist die Performance in puncto Nachhaltigkeit, die für die Commerzbank einen Eckstein ihrer Geschäftsstrategie bildet. “Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die globalen Finanzströme mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und des Green Deals der Europäischen Union in Einklang zu bringen und somit eine klimakompatible Entwicklung zu fördern”, sagt Vorstandschef Knof.

    Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat das Institut, an dem der Bund noch zu 15 Prozent beteiligt ist, aber einige wesentliche Ziele verfehlt: etwa bei der Reduktion der finanzierten CO₂-Emissionen und dem Geschäftsanteil nachhaltiger Finanzprodukte. So bewegt sich das Volumen an CO₂-Emissionen, die die Bank mit ihren Krediten finanziert, nach wie vor auf hohem Niveau.

    Für 2023 meldet die Commerzbank einen Ausstoß von 76,6 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten bei den Firmenkunden, den sie anteilig mit ihren Darlehen finanziert. Das war zwar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 2,3 Prozent. Doch das Volumen lag deutlich höher als 2021, als die Bank bei Firmen- und Privatkunden schätzungsweise Emissionen von 71,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente finanzierte. Die Gründe nennt die Bank auf Anfrage nicht. Aber sie verweist darauf, dass sie einige emissionsintensive Branchen gar nicht mehr oder nur noch zurückhaltend finanziert “Im Ölsektor vergibt die Commerzbank keine neuen Kredite mehr für die Exploration neuer Ölfelder”, bestätigt Andreas Thomae, Nachhaltigkeitsexperte bei Deka Investment, der Fondsgesellschaft der Sparkassen-Finanzgruppe.

    Klima-Rückschläge bei Immobilienkrediten

    Doch diesem Fortschritt stehen Rückschläge in anderen Branchen gegenüber. “In den Sektoren gewerbliche Immobilienfinanzierung und Zement sind die finanzierten Emissionen von 2021 bis 2023 leicht angestiegen”, stellt Thomae fest. In der Luftfahrt und in der Eisen- und Stahlindustrie sinken die finanzierten Emissionen lediglich graduell.

    Der weitaus größte Sektor, für den die Commerzbank den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen berichtet, ist der private Wohnungsbau. Auf diesen entfiel 2023 ein Finanzierungsvolumen von 96,6 Milliarden Euro; das entspricht rund 80 Prozent des gesamten, von der Bank als emissionsintensiv ausgewiesenen Kreditgeschäfts. Das Institut schätzt, dass bei den 2021 finanzierten privaten Wohnhäusern der Ausstoß von Treibhausgasen im Durchschnitt bei 45,8 Kilogramm pro Quadratmeter lag. Diese Größe soll bis 2030 auf 19,8 Kilogramm sinken; dies entspräche einem Rückgang von insgesamt 57 Prozent.

    Das ist ein weiter Weg: Denn von 2021 bis 2023 konnte die Bank die CO₂-Emissionen in der privaten Baufinanzierung nur um drei Prozent verringern. Damit das Reduktionsziel erreicht wird, müsste der Ausstoß in den verbleibenden sieben Jahren bis 2030 immer noch um mehr als 50 Prozent gesenkt werden. Das ist angesichts des schleppenden Fortschritts in den vergangenen zwei Jahren schwer vorstellbar.

    Unvollständige Angaben über finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen

    Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Commerzbank – ebenso wie andere Kreditinstitute – den finanzierten Ausstoß von Treibhausgasen nur unvollständig angibt. So werden die Emissionen, die in Scope 3, also den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, anfallen, nur zum kleineren Teil angegeben, moniert Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer bei der Fondsgesellschaft Union Investment. In der Autoindustrie entstehen aber zum Beispiel mehr als 90 Prozent der gesamten Emissionen bei der Nutzung der Produkte. “Ebenfalls nicht erfasst wird bisher der CO₂-Ausstoß, der indirekt mit der Begleitung von Anleihe-Emissionen finanziert wird”, stellt der Fondsmanager fest.

    Ungeachtet aller Mängel in der Berichterstattung stehe die Commerzbank im Vergleich zu den Konkurrenten aber verhältnismäßig gut da. Bei den Sektoren, für die Klimaziele festgelegt werden, berücksichtige das Institut mehr Branchen als etwa die Deutsche Bank, stellt Pontzen fest.

    Drastischer Rückgang bei nachhaltigen Krediten

    Um die selbst definierten Klimaziele zu erreichen, will die Commerzbank ein ganzes Arsenal von Instrumenten einsetzen. Hierzu gehören unter anderem Kredite zur Finanzierung erneuerbarer Energien, grüne Baufinanzierungen und Green Bonds, also Klima-Anleihen, deren Emission die Commerzbank federführend begleitet. Im Instrumentenkoffer befinden sich ebenfalls Beratung und nachhaltige Vermögensverwaltung.

    Das Volumen all dieser Finanzprodukte fasst die Commerzbank zu einem Portfolio zusammen, das 2025 einen Umfang von rund 300 Milliarden Euro erreichen soll. Doch hier gab es im vergangenen Jahr einen empfindlichen Rückschlag: Das Volumen sank gegenüber dem Vorjahr von 247 auf 238 Milliarden Euro, während 2022 noch ein Zuwachs von rund einem Viertel erzielt wurde. Wenn die Bank das Ziel für 2025 erreichen will, muss sie sich gewaltig anstrengen.

    Besonders drastisch war der Rückgang bei den nachhaltigen Krediten, wo die Commerzbank 2022 noch einen Umfang von 117 Milliarden Euro gemeldet hatte. Im folgenden Jahr schrumpfte das Volumen um rund ein Drittel auf 84 Milliarden Euro. Das Institut macht hierfür die gestiegenen Zinsen und den wirtschaftlichen Abschwung verantwortlich. Doch dies sind womöglich nicht die einzigen Ursachen. Denn das Gesamtvolumen an Krediten, die die Commerzbank an Firmen- und Privatkunden ausgereicht hat, war mit 222,2 Milliarden Euro 2023 nahezu ebenso hoch wie im Vorjahr. Das Volumen an grünen Darlehen ist offenbar erheblich stärker gesunken als der Umfang der braunen Kredite.

    Kritisch sehen Umweltorganisationen den Klimakurs der Commerzbank. “Im fossilen Bereich hat es die Commerzbank auch im letzten Jahr verpasst, bestehende Klima-Richtlinien endlich auch auf Bestandskunden anzuwenden“, sagt Kathrin Petz, Finanz-Campaignerin bei Urgewald. Für diese würden momentan keinerlei Ausschlüsse gelten. Nicht einmal expandierende Öl- und Gasunternehmen oder Unternehmen, die keinen 1,5-Grad-kompatiblen Transformationsplan hätten, schlösse die Commerzbank aus. “So befeuert die Bank weiterhin die Klimakatastrophe.” Günter Heismann

    • Banken
    • Finanzmarkt
    • Klimaziele
    • Pariser Klimaabkommen

    Termine

    2. Mai, 11 Uhr, Online
    Online-Diskussion Welche Reformen braucht das Strommarktdesign?
    Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) veranstaltet diese Diskussion zur “Plattform Klimaneutrales Stromsystem” und der Frage, welche Reformen im Strommarktdesign nötig sind. Infos

    2. Mai, 18 Uhr, Berlin
    Podiumsdiskussion Wie geben wir dem Kapital eine Richtung?
    Bei der Podiumsdiskussion in der Landesvertretung von Baden-Württemberg diskutiert unter anderem Finanzminister Christian Lindner über die Transformation des Finanzsystems für Klimaschutz. Infos

    6. Mai, 16 Uhr, Berlin/Online
    Online-Diskussion African Voices: African reforms and priorities for Climate Finance
    Verschiedene Vertreter aus afrikanischen Ländern und von afrikanischen Finanzinstitutionen diskutieren darüber, welche Prioritäten es für Klimafinanzierung in Afrika braucht. Das Event wird vom European Council on Foreign Relations organisiert. Infos

    6. bis 7. Mai, Berlin
    Gipfeltreffen Global Solutions Summit
    Der Global Solutions Summit ist eine internationale Konferenz, die sich mit den wichtigsten politischen Herausforderungen befasst, vor denen die G20 und G7 stehen. Die Klimakrise und ihre Bewältigung gehören dazu. Infos

    7. Mai, 10.30 Uhr, Berlin
    Tagung ESG-Reprting: Gesetz zur CSRD-Umsetzung in Deutschland
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beschäftigt sich unter dem Motto “Herausforderungen für deutsche Unternehmen ab 2024” mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Infos

    7. Mai, 15 Uhr, Online
    Webinar Natürlich resilient: Naturbasierte Lösungen in kommunalen Klimaanpassungskonzepten verankern
    Wie lassen sich naturbasierte Maßnahmen sinnvoll in Klimaanpassungskonzepte integrieren? Welche Chancen bietet eine Integration und welche Herausforderungen bestehen hierbei in der Praxis? Diese und weitere Fragen werden bei dem Webinar des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung diskutiert. Infos

    7. Mai, Hamburg
    Forum Nationales Wirtschaftsforum Wasserstoff
    Auf dem Forum diskutieren Akteure der Wasserstoffwirtschaft über Rahmenbedingungen und Fortschritte der Wasserstoffwirtschaft. Infos

    8. Mai, 9.30 Uhr, Brüssel
    Diskussion A Roadmap to EU Forest Resilience – Tackling Climate Change and Forest Disturbances
    Auf dem Event von Euractiv wird darüber diskutiert, mit welchen Maßnahmen europäische Wälder nachhaltig geschützt werden können. Infos

    8. Mai, 18 Uhr, Online
    Vortrag Extremklima in der Ostsee und Nordsee Region
    Matthias Gröger vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde spricht in dem Online-Vertrag über den Forschungsstand zu Extremwetter an der Nord- und Ostsee. Infos

    8. bis 12. Mai, Grünheide
    Protestcamp Wasser Wald Gerechtigkeits Camp
    Verschiedene Umwelt- und Klimagruppierungen protestieren gegen die geplante Tesla-Erweiterung in Grünheide. Infos

    News

    Klima in Zahlen: Sorge ums Klima bleibt hoch – aber Skepsis über Maßnahmen steigt

    Mehr als ein Drittel der Menschen in Deutschland glaubt, dass politische Maßnahmen zum Umweltschutz ihr Leben verschlechtern werden – deutlich weniger, nämlich rund ein Fünftel, denkt, Umweltpolitik werde ihr Leben verbessern. Und viele der Befragten wünschen sich eine “bezahlbare” Klimapolitik, die mit gesundem Menschenverstand” agieren solle: Das sind zentrale Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der Organisation More in Common, die seit 2019 in regelmäßigen Erhebungen der Stimmung in der deutschen Gesellschaft nachgeht. Die neue Umfrage anlässlich der Europawahl beinhaltet auch ein Kapitel speziell zur Klimapolitik.

    More in Common differenziert die Ergebnisse dabei nach verschiedenen Typen:

    • Dass Umweltpolitik ihr Leben eher verbessern werde, glaubt beispielsweise mit 33 Prozent eine relative Mehrheit der “Offenen”, denen Selbstentfaltung, Weltoffenheit und kritisches Denken besonders wichtig sind. Dagegen ist diese Quote unter den “Enttäuschten”, die eine verlorene Gemeinschaft und herrschende Ungerechtigkeiten beklagen, mit 11 Prozent am niedrigsten.
    • Unter den “Pragmatischen” – ihnen sind persönliches Fortkommen und Erfolg besonders wichtig – glauben mit 46 Prozent besonders viele, dass Umweltpolitik ihr Leben verschlechtern werde.
    • Ähnlich hoch ist diese Quote mit 45 Prozent unter den “Wütenden”, die dem herrschenden System kritisch und misstrauisch gegenüberstehen, und auch unter den “Enttäuschten” mit 43 Prozent.
    • Unter den “Involvierten”, die einen besonders starken Sinn für gesellschaftlichen Zusammenhalt haben, sind die Erwartungen eher gespalten.
    • Die “Etablierten” schließlich, denen Zufriedenheit, Verlässlichkeit und gesellschaftlicher Frieden wichtig sind, glauben eher, dass Umweltpolitik ihr Leben verschlechtern werde. Aber ihre Skepsis ist weniger stark ausgeprägt als die anderer Gruppen.

    In Spanien und Frankreich ist die Sorge ums Klima höher

    Insgesamt, auch das zeigt die Umfrage, bleibt die Sorge um den Klimawandel in Deutschland auf einem relativ hohen Niveau, sinkt aber leicht ab. Im Jahr 2021 sagten noch 78 Prozent, sie seien sehr oder eher besorgt wegen der Erderwärmung, derzeit sind es noch 70 Prozent. Interessant mit Blick auf die Europawahl: In Spanien und Frankreich sorgen sich mit 86 und 82 Prozent deutlich mehr Menschen ums Klima. In Polen ist die Quote mit 71 Prozent den deutschen Ergebnissen recht ähnlich.

    Über alle Bevölkerungsgruppen hinweg sagen 51 Prozent, sie hätten derzeit “andere Probleme, als mich persönlich um den Klimaschutz zu kümmern”. Zugleich geben 69 Prozent an, sie fänden es wichtig, “dass wir für den Klimaschutz Dinge in unserem Land verändern“, aber nur 38 Prozent haben “Vertrauen, dass auch die anderen in der Gesellschaft ausreichend beim Klimaschutz mitmachen”. 64 Prozent sagen, wohlhabende Menschen täten nicht genug für Klima und Umwelt. 60 Prozent finden, dass große Wirtschaftsunternehmen mehr tun müssten. 51 Prozent glauben, dass die Politik im Kampf gegen den Klimawandel klare Regeln setzen müsse. Immerhin 32 Prozent sind der Ansicht, das sei nicht nötig.

    EU soll klimapolitisch führen

    Mit 51 Prozent der Befragten wünscht sich eine knappe Mehrheit, dass die EU im Kampf gegen den Klimawandel eine Führungsrolle übernimmt, auch wenn etwa die USA und China weniger tun. 52 Prozent sagen, sie wären darauf stolz. Zum Vergleich: In Spanien befürworten insgesamt 65 Prozent eine Führungsrolle der EU, in Frankreich 62 Prozent und in Polen 42 Prozent. Stolz auf eine klimapolitisch international führende EU wären in Spanien 72 Prozent, in Frankreich 60 Prozent, in Polen 51 Prozent. ae

    • Europawahlen 2024
    • Klimapolitik
    • Umfrage

    Neue Klimazaren Liu und Podesta treffen sich erstmals

    Die beiden neuen Klimabeauftragten der USA und Chinas, John Podesta und Liu Zhenmin, werden sich Anfang Mai in Washington treffen. Das kündigte Podesta am Dienstag an. Die beiden wollen die bilateralen Gespräche über die Klimazusammenarbeit inmitten schwelender Spannungen über Handel und Sicherheit wieder aufnehmen. Eine gute Abstimmung zwischen den USA und China gilt in der internationalen Klimapolitik und bei den COP-Klimakonferenzen als entscheidend für größere Fortschritte.

    Zwischen den bisherigen Klimazaren Xie Zhenhua und John Kerry hatte die Chemie gestimmt; beide hatten einander vertraut und mehrmals festgefahrene Verhandlungen vorangebracht. Beobachter hoffen daher auf ein ähnlich gutes Verhältnis der beiden Neuen. Liu und Podesta haben bereits einmal telefoniert, bislang aber noch keine offiziellen Gespräche geführt. ck/rtr

    • Geopolitik
    • Klimapolitik
    • Klimaschutz

    Fortschrittsmonitor Energiewende: Große Erfolge, gewaltiger Investitionsbedarf

    Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, sind bis zum Jahr 2030 Investitionen in Höhe von insgesamt 721 Milliarden Euro erforderlich. Das geht aus dem jüngsten “Fortschrittsmonitor Energiewende” der Unternehmensberatung EY und des Branchenverbands BDEW hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Mit 353 Milliarden Euro und 281 Milliarden Euro entfallen die mit Abstand größten Anteile auf den Ausbau der erneuerbaren Energien bzw. der Stromnetze. Deutlich geringer sind die Investitionen ins Fernwärmenetz (32 Milliarden), in Elektrolyseure (23 Milliarden), Speicher (17 Milliarden) und das Wasserstoff-Kernnetz (15 Milliarden Euro). Bis zum Jahr 2035 sind weitere rund 490 Milliarden Euro an Investitionen erforderlich.

    Während manche Medien diese Zahlen als reine Kosten interpretierten (Bild titelte: “1,2 Billionen für die Energiewende – Kann Deutschland sich DAS leisten?”), bewerten die Herausgeber des Berichts die Zahl anders. Es handele sich um Investitionen, die “in erheblichem Umfang Wachstum und regionale Wertschöpfung generieren können”, sagte Metin Fidan, Partner bei EY. Auch BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae erklärte: “Investitionen in die Energiewende sind gut angelegtes Geld.” Dieses fließe “in langfristig nutzbare moderne Energie-Infrastrukturen und innovative Technologien, von denen gerade künftige Generationen profitieren werden”. Zudem stehen den Investitionen in die Energiewende langfristig erhebliche volkswirtschaftliche Einsparungen gegenüber, weil sehr viel weniger fossile Rohstoffe benötigt werden. Für deren Import gab Deutschland im vergangenen Jahr 73,5 Milliarden Euro aus, 2022 waren es sogar 138 Milliarden Euro.

    Bisher sind die Energiewende-Investitionen dem Report zufolge noch geringer als erforderlich. Im Jahr 2023 wurde dadurch nur eine Bruttowertschöpfung von 28 Milliarden Euro ausgelöst; das Potenzial war fast doppelt so hoch. Im Vergleich zum Jahr 2022 hat sich die Wertschöpfung allerdings mehr als verdreifacht. Auch ansonsten zieht der Bericht in vielen Bereichen ein positives Fazit: So lag der Zubau bei Solaranlagen im Jahr 2023 deutlich über Plan, auch der Anteil der erneuerbaren Energie am Bruttostromverbrauch lag mit 54 Prozent etwas höher als vorgesehen. Auch im Wärmesektor stieg der EE-Anteil deutlich. Nicht erreicht wurden dagegen die Ziele beim Windausbau sowie im Verkehrssektor. “Die Richtung stimmt”, lautet das Fazit der Autoren. “Aber es muss weiter zugelegt werden.” mkr

    • Elektrolyseure
    • Energiewende
    • Erneuerbare Energien

    Greenwashing-Verdacht: EU prüft 20 Fluggesellschaften

    Wegen des Verdachts auf Greenwashing prüfen die Europäische Kommission und nationale Verbraucherschutzbehörden 20 Fluggesellschaften. Die Unternehmen sollen etwa ihre Behauptungen rechtfertigen, dass die Emissionen ihrer Flüge ausgeglichen werden können, wie die Brüsseler Behörde am Dienstag mitteilte. Namen der betroffenen Unternehmen sind nicht bekannt; beteiligt an der Prüfung waren Behörden aus Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Spanien.

    Konkret soll es um mehrere potenziell irreführende Praktiken gehen:

    • CO₂-Kompensation durch zusätzliche Gebühren könnte den falschen Eindruck erwecken, dass die Finanzierung von Klimaprojekten mit geringeren Umweltauswirkungen die CO₂-Emissionen verringern oder vollständig ausgleichen könnten.
    • Verwendung des Begriffs “nachhaltige Flugkraftstoffe” (SAF), ohne deren Umweltauswirkung klar zu begründen.
    • Irreführende Begriffe wie “grün”, “nachhaltig” oder “verantwortungsbewusst”.
    • Netto-Null-Versprechen oder andere zukünftige Umweltversprechen ohne klare und überprüfbare Verpflichtungen, Ziele und unabhängiger Überprüfung.
    • CO₂-Rechner für Verbraucher, ohne ausreichend zu belegen, ob diese zuverlässig sind.

    Den Unternehmen bleiben nun 30 Tage, um auf das Schreiben der Kommission zu reagieren. Bis dahin müssen sie aufzeigen, wie sie die beanstandeten Probleme aus dem Weg räumen werden. Sollten sie dem nicht nachkommen, können die Verbraucherschutzbehörden weitere Maßnahmen ergreifen – zum Beispiel Sanktionen.

    Vermehrt Klagen und Urteile wegen Greenwashings

    Der Branchenverband Airlines for Europe erklärte dazu, dass seine Mitglieder die “Bedeutung klarer, transparenter Informationen über Nachhaltigkeit” anerkennen würden, wie die Financial Times berichtete. “Besonders besorgt” sei man allerdings über die Prüfung nachhaltiger Flugkraftstoffe, da diese zugleich von der EU “unterstützt und gebilligt” würden.

    Mittlerweile wird Greenwashing im Flugverkehr vermehrt geprüft, Klagen häufen sich. So verurteilte etwa Ende März ein niederländisches Gericht die Fluggesellschaft KLM wegen irreführender Versprechen über “nachhaltiges Fliegen”. In Großbritannien wurde Ende letzten Jahres irreführende Werbung von drei Fluggesellschaften verboten – unter anderem von der Lufthansa. Gegen diese hat erst am Samstag die Deutsche Umwelthilfe eine Klage angekündigt. Sie kritisiert die Projekte der Lufthansa zur CO₂-Kompensation als “dreiste Verbrauchertäuschung” und “Greenwashing”. dpa/lb

    • CO2-Kompensationen
    • Flugverkehr
    • Greenwashing

    Ernährungsunsicherheit: Krieg und Klimakrise verschlimmern globale Lage

    Knapp 282 Millionen Menschen weltweit waren 2023 stark von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Zu dem Ergebnis kommt der Globale Bericht zu Ernährungskrisen, der seit 2016 jährlich von einer Allianz internationaler Akteure erstellt wird, darunter die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), das Welternährungsprogramm (WFP) und die EU. “Das ist die höchste Zahl, die wir jemals gemessen haben“, betonte Sara McHattie, mitverantwortlich für den Bericht, bei der Vorstellung vergangene Woche.

    Vor allem Kriege und bewaffnete Konflikte waren demnach dafür verantwortlich, dass sich trotz Bemühungen um Entwicklungs- und humanitäre Hilfe die Lage verschlechtert hat. Sie sind, gemessen an der betroffenen Bevölkerung, die häufigste Ursache für Ernährungsunsicherheit. “In Konfliktherden eskalierten Ernährungskrisen 2023 in alarmierendem Maße – vor allem in Palästina (Gaza-Streifen) und dem Sudan“, heißt es in dem Bericht. Zweithäufigster Grund waren 2023 wirtschaftliche Schocks. Fast gleichauf sind Extremwetterereignisse – Tendenz steigend.

    Düstere Prognose für 2024

    Ein weiterer Befund ist eine hohe geografische Konzentration der weltweiten Ernährungsunsicherheit: “Ein Großteil der Betroffenen ist in nur 19 Ländern zu finden”, betont McHattie. Dazu gehören viele afrikanische Länder, aber auch beispielsweise Syrien und Jemen.

    Besserung ist vorerst nicht zu erwarten: Für 2024 gibt der Bericht eine düstere Prognose ab. Bei vielen bewaffneten Konflikten sei kurzfristig keine Lösung zu erwarten. Dazu kämen die Auswirkungen des Wetterphänomens El Niño, das durch Extremwetterereignisse wie Überflutungen oder Dürreperioden die Lage in Süd- und Ostafrika verschlimmern könnte. “Abnehmende Mittel für humanitäre Hilfe und steigende Kosten für die Bereitstellung stellen eine weitere Bedrohung dar”, so der Bericht. jd

    • Entwicklungspolitik
    • Ernährungssicherheit

    Studie: Klimawandel könnte Möglichkeiten für Wiederaufforstung stark einschränken

    In bestimmten Regionen Europas könnten bis zu 50 Prozent der dort wachsenden Baumarten künftigen Klimabedingungen nicht mehr standhalten – was erhebliche, negative Folgen für die Wiederaufforstung hätte. Denn auch Baumarten, die heute gepflanzt werden, müssten unter veränderten klimatischen Bedingungen wachsen. Aber die Zahl der dafür geeigneten Arten werde voraussichtlich abnehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Montag in Nature Ecology & Evolution erschienen ist.

    “Der Mehrwert der Studie besteht im Hinweis auf einen möglichen Bottleneck-Effekt bei der Klimaanpassung der Wälder”, sagt Uta Berger, Forscherin an der TU Dresden. “Neu an dieser Arbeit ist nun, dass nicht nur die heutige und die zukünftige Arealeignung für Baumarten bestimmt wurde, sondern dass die Dynamik des Klimawandels mit den langen Umtriebszeiten, wie sie in der Forstwirtschaft üblich sind, in Bezug gesetzt wurde“, ergänzt Arthur Gessler, der das Forschungsprogramm Walddynamik, Waldwachstum und Klima am Schweizer WSL leitet.

    Weitere Faktoren wichtig

    Eher als konservativ schätzt Henrik Hartmann die Modellierung ein. Die künftige Eignung der Baumarten werde nur durch klimatische Einflüsse berechnet. “Das kann man sicherlich mit einem großen Fragezeichen versehen”, denn die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Stress durch Klimafolgen “in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt”, sagt der Leiter des Instituts für Waldschutz am Julius Kühn-Institut.

    Die Modellierung berücksichtige “methodisch und konzeptionell” nicht “die angemessenen Grenzen der Modellierbarkeit des Klimawandels und der Reaktionen von komplexen Ökosystemen”, sagt Pierre Ibisch, Forscher an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Studien zeigten, dass etwa Dürren als Folge des Klimawandels “schneller voranschreiten als modelliert”. Problematisch sei auch, dass “die Lebens- und Anpassungsfähigkeit von Bäumen beziehungsweise Wäldern lokal und regional ganz erheblich auch von den Böden, dem Mikroklima, der Landnutzung und der Forstwirtschaft” abhänge, ergänzt der Wissenschaftler. nh

    • Dürre
    • Klimaschäden
    • Wald

    Standpunkt

    Lukas Köhler: Wir brauchen keine Reichensteuer – der Markt schützt das Klima besser

    Von Lukas Köhler
    Lukas Köhler, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag.

    Die sogenannte “Reichensteuer” gilt manchen als eierlegende Wollmilchsau unter den politischen Instrumenten – ein scheinbar unerschöpflicher Quell ewiger Finanzmittel, um nahezu sämtliche Probleme der Welt mit Geld zuzuschütten. In einem aktuellen Beispiel argumentierte etwa Till Kellerhoff, Programmdirektor des Club of Rome, kürzlich an dieser Stelle, dass die “Reichensteuer” zur Finanzierung staatlicher Zukunftsinvestitionen diene und damit zur klimapolitischen Wunderwaffe werden könne.

    Zweifellos stellt der Klimawandel unsere Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Doch Klimaschutz deshalb als Vehikel ausufernder Umverteilungsfantasien zu nutzen, ist genauso falsch, wie dem Staat reflexhaft die alleinige Lösungskompetenz zuzuschreiben. Denn tatsächlich gibt es bereits ein funktionierendes Klimaschutzinstrument, das klugerweise nicht den Staat, sondern den Markt in die Pflicht nimmt und auch einer gesellschaftlich gerechten Kostenverteilung Rechnung trägt: den Emissionshandel.

    Technologie und Märkte statt staatlicher Glaskugel

    Till Kellerhoffs Argumentation basiert auf der Annahme, der Staat könne über Subventionen oder Verbote unmittelbar für die Umstellung auf klimafreundliche Produktions- und Verhaltensweisen sorgen. Dass dies bloß ein naiver Glaube ist, wissen nicht nur wir Freien Demokraten, sondern auch das Bundesverfassungsgericht gemäß seinem Klimaschutzurteil von 2021. Das Gericht erklärte, dass der Staat nicht für diese klimafreundliche Umstellung zuständig sein könne oder überhaupt sein sollte, weil es “dem Gesetzgeber auch kaum gelingen [kann], die erforderlichen Entwicklungen konkret vorzugeben”.

    Der Weg zur Klimaneutralität ist mit technologischen Durchbrüchen, variablen Marktdynamiken und sich veränderndem menschlichen Verhalten gepflastert. Und weil sich selbst mit einer “Reichensteuer” keine wahrsagende Glaskugel für einen anpassungsfähigeren Staat herbeizaubern lässt, muss die Klimapolitik konsequenterweise auf andere Anreize und Instrumente zurückgreifen.

    Die effizienteste Verteilung der CO₂-Emissionen

    Letztlich, hierin stimme ich Till Kellerhoff grundsätzlich zu, geht es in der Klimapolitik um eine fundamentale Verteilungsfrage. Es geht allerdings nicht um die staatlich organisierte Umverteilung von Geld, sondern darum, wie die verbliebenen CO₂-Emissionen verteilt werden, die bis zur Klimaneutralität 2045 noch ausgestoßen werden dürfen. Und wie immer zeigt sich der Markt als unschlagbar bei der ebenso effizienten wie fairen Verteilung knapper Ressourcen.

    Mit dem Emissionshandel werden die Restemissionen gemäß den Klimazielen streng gedeckelt. Der Ausstoß von CO₂ ist nur mit einem entsprechenden Zertifikat erlaubt. Damit wird sichergestellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert erreichen. Die begrenzte Menge an zulässigen Emissionen wird nicht durch staatliche Willkür, sondern im freien Handel verteilt. Der Preis bildet sich in bewährter Manier durch Angebot und Nachfrage. Das sorgt dafür, dass die Emissionen zuerst von denen reduziert werden, die dies mit dem geringsten Aufwand bewerkstelligen können. Dem Staat fehlt alleine schon das Wissen über die unterschiedlichen CO₂-Vermeidungskosten der einzelnen Akteure, um die Verteilung der Emissionen auch nur annähernd so effizient zu gestalten.

    Sozialer Ausgleich durch Klimageld

    Außerdem generiert der Emissionshandel über den CO₂-Preis Einnahmen, mit denen ein Sozialausgleich in Form eines pauschal ausgezahlten Klimagelds geschaffen werden kann. Menschen mit geringeren Einkommen werden dadurch im Verhältnis stärker entlastet und müssen im Schnitt auch weniger CO₂-Kosten tragen. Denn im Emissionshandel gilt das Verursacherprinzip: Wer viele Emissionen verursacht, ob reich oder arm, muss auch mehr dafür zahlen. Wer klimafreundlicher lebt, hat geringere Kosten und kann sogar profitieren. Und weil die Restemissionen bis zur Klimaneutralität gedeckelt sind, ist auch kein endloses “Freikaufen” wie zu Zeiten des christlichen Ablasshandels möglich.

    Anstatt also über fragwürdige Schätzgrößen wie den sogenannten CO₂-Fußabdruck einen vermeintlich gerechten Kostenanteil zu überschlagen, wird die CO₂-Intensität individueller sowie unternehmerischer Verhaltensweisen im marktbasierten Ansatz unmittelbar und viel präziser eingepreist – und obendrein noch positiv beeinflusst.

    Leider war es dem Staat in Deutschland bislang technisch nicht möglich, Geld an alle Bürger zu überweisen. Dank Bundesfinanzminister Christian Lindner ändert sich das nun. Sobald der Auszahlungsmechanismus Anfang 2025 final steht, kann das Klimageld ausgezahlt werden – wenn die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung nicht für fragwürdige Subventionen aufgebraucht werden.

    Emissionshandel ist der Schlüssel

    Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Übergang in eine klimaneutrale Gesellschaft liegt in einer Politik, die Innovationen anreizt, den Markt als Verbündeten gewinnt und die Kosten gerecht verteilt. In Europa hat man sich daher zurecht für den Emissionshandel als zentrales Klimaschutzinstrument entschieden, weil er sicherstellt, dass wir die Emissionsminderungsziele garantiert und zu den geringsten Kosten erreichen.

    Durch seine Lenkungswirkung macht der Emissionshandel private Investitionen in saubere Zukunftstechnologien attraktiv und verhilft damit den Technologien zum Durchbruch, die CO₂ am besten einsparen – ganz ohne staatliche Subventionsspritzen. Während der Emissionshandel also eine effektive Lösung im Klimaschutz bietet, ist die “Reichensteuer” nur ein politisches Blendwerk, das Wohlstand bestraft, ohne das Klima zu retten.

    Lukas Köhler ist stellvertretender Vorsitzender der FDP im Bundestag. In der vergangenen Legislaturperiode war er klimapolitischer Sprecher der Fraktion.

    • Emissionshandel
    • Finanzpolitik
    • Klimafinanzierung
    • Klimageld
    • Steuerpolitik

    Climate.Table Redaktion

    CLIMATE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen