Bei den Europawahlen stehen Green Deal und Klimaschutz auf dem Spiel. Kein Wunder also, dass sich jetzt auch die Klimabewegung in den Wahlkampf einmischt. Wir beschreiben heute, wer sich wo einbringt und warum das auch Klimaschützer nicht immer gut finden.
Keine Wahl haben dagegen die Menschen in Afghanistan. Das Land ist bitterarm und dem Klimawandel praktisch schutzlos ausgesetzt. Seit die Taliban wieder regieren, wurden alle Klimahilfen gestoppt und das Land darf bei UN-Konferenzen nicht mehr mitreden. Aber das könnte sich jetzt zumindest in Teilen ändern, zeigt unser aktueller Text.
Und manchmal ist es die Angst vor Wahlen, die alles verhindert: Verantwortliche in der Politik, die Geld für Klimafinanzierung anderswo ausgeben wollen, haben es nicht leicht. Das zeigte auch wieder der Petersberger Klimadialog, zu dem wir heute eine Nachlese anbieten.
Viel Spaß beim Lesen!
Rund sechs Wochen vor der Europawahl am 9. Juni haben in Deutschland der Wahlkampf – etwa von SPD und CSU – und der Versand der Wahlbenachrichtigungen begonnen. Auf dem Wahlzettel stehen diesmal auch Namen, die man sonst eher von Klimastreiks kennt. Die Klimabewegung “Letzte Generation” etwa will “den Widerstand endlich ins Parlament bringen”, so Sprecherin Carla Hinrichs, und deshalb tritt die Bewegung bei den Wahlen fürs Europaparlament an. Lena Johnsen und Theodorr Schnarr sind ihre Spitzenkandidaten.
Vollkommen aussichtslos ist ihre Kandidatur nicht: Mit rund 0,5 Prozent der Stimme würden sie ins Europäische Parlament einziehen. Rund 250.000 Stimmen brauche es dafür, hat die Letzte Generation errechnet. Die Bewegung denkt nicht, dass sie im Europaparlament politisch etwas ändern könnte. Viel mehr will sie die “Bühnen nutzen”, die der Wahlkampf und ein möglicher Einzug mit sich bringen, erklärt Sprecherin Maike Grunst im Gespräch mit Table.Briefings. Nachdem die Bewegung Anfang des Jahres verkündet hatte, sich nicht mehr auf die Straße zu kleben, ist die Kandidatur nun ein neuer Versuch, Aufmerksamkeit zu erhalten.
Aus dem Aktivismus ins Parlament – das ist eine Möglichkeit, um einer Klimaagenda mehr Schlagkraft zu geben. Nach aktuellen Umfragen sieht es nicht so aus, als ob Klimapolitik von einem neuen EU-Parlament besonders progressiv vorangetrieben werden wird. Im Gegenteil: Viele Umfragen prognostizieren einen Zuwachs von konservativen Parteien und damit einen “Green Backlash”. Die Klimabewegung begegnet dem ganz unterschiedlich:
Die 27-jährige Anna Peters, früher Bundessprecherin der Grünen Jugend, möchte im EU-Parlament ebenfalls inhaltlich etwas bewegen. Sie will sich besonders für eine klimagerechte Finanzpolitik einsetzen. Peters steht auf Listenplatz 13 für die Grünen und hat gute Chancen, einen Sitz zu erhalten. Sie sei keine Aktivistin, fühle sich der Klimagerechtigkeitsbewegung aber sehr nah, erzählt sie im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir müssen jetzt sehr guten Wahlkampf machen, um uns einem Rechtsruck entgegenzustellen“, meint sie. Für sie bedeutet das, vor allem auch junge Menschen zu erreichen – beispielsweise durch Wahlkampf an Schulen.
Dass Klimaaktivistinnen und -aktivisten für Kleinstparteien anstatt für die Grünen antreten, sieht sie nicht unbedingt als Bedrohung: “Ich sehe das eher als Ansporn für uns Grüne, uns zu beweisen“. Und: “Ich freue mich über jede Person der Klimagerechtigkeitsbewegung in der Politik.” Es brauche sowohl Menschen, die Themen von außen durch Protest vorantreiben als auch solche, die innerhalb des politischen Systems daran arbeiteten, Klimaschutz voranzubringen.
Die Letzte Generation arbeitet aktuell dezentral und basisdemokratisch an Runden Tischen an ihrer inhaltlichen Ausrichtung für die Wahl. Das ist eher untypisch für die Organisation, bisher war sie vor allem für ihre hierarchischen Strukturen bekannt. “Keine der anderen Parteien macht, was es braucht”, erklärt Maike Grunst. Die Kandidatur der Letzten Generation führe nicht zur Zersplitterung der Klimabewegung im Parlament, sondern mache sie bunter, vielfältiger und damit letztendlich stärker.
Im Moment arbeitet die Letzte Generation vor allem daran, ihre Kandidatur bekannter zu machen, mit einer TikTok-Challenge will die Bewegung junge Menschen erreichen. Grunst hat das Gefühl, dass die Gruppe durch den Wahlkampf nun wieder mehr Aufmerksamkeit erhält. Die Chancen auf einen tatsächlichen Einzug ins EU-Parlament lägen bei ungefähr 50 Prozent, meint sie. Mit anderen Parteien zusammenarbeiten wollen die Aktivisten im Europaparlament nicht, stattdessen wollen sie auch im Parlament auf Protest setzen.
Michael Bloss, Abgeordneter des Europäischen Parlaments für die Grünen, sieht die Kandidatur der Letzten Generation hingegen kritisch: Es scheine so, als ob die Aktivisten “wie bei den Straßenaktionen keine Strategie haben, wie sie mehr für den Klimaschutz erreichen können.” Er sieht eine andere Motivation: “Um nicht als kriminelle Vereinigung zu gelten, gründen Sie jetzt eine Partei, weil die grundrechtlich besseren Schutz bietet. Legitim, aber dem Klimaschutz im Parlament nützt es nicht.” Das Europaparlament nur für die Produktion für Videos zu benutzen, würde die demokratischen Institutionen verhöhnen, meint er. Und für Witze sei schon eine andere Partei im Europaparlament zuständig.
Auch darüber hinaus sieht er Probleme: “Klimaschutz steht unglaublich unter Beschuss”. Da sei es wichtig, zusammenzuhalten. Es bestehe die Gefahr, dass sich auf die verschiedenen Kleinstparteien viele Stimmen für Klimaschutz aufteilten, die Parteien dann nicht einzögen und die Stimmen dann einfach nicht repräsentiert wären. Das schade dem Klimaschutz. Bloss betont auch, dass das EU-Parlament den Druck von der Straße brauche und sich in den vergangenen fünf Jahren auch dank der breiten Proteste unter FFF viel getan habe. Aktivismus sei allerdings etwas anderes, als im Parlament um Mehrheiten für Klimaschutz und Kompromisse zu ringen.
Afghanistan ist eines der verwundbarsten Länder in der Klimakrise. Doch seit die Taliban wieder die Macht übernommen haben, ist das Land international isoliert und auch von allen Finanzhilfen in diesem Bereich abgeschnitten. Jetzt hat die erste Klimakonferenz im Land den Fokus auf die dramatischen Folgen der Erderhitzung gerichtet. Und es gibt erste Versuche, den Menschen wieder internationale Hilfe zukommen zu lassen.
Vom 10. bis 12. Februar trafen sich fast 100 Wissenschaftler aus afghanischen Bildungseinrichtungen zur ersten Klimakonferenz. An der Universität von Nangarhar in der östlichen Stadt Dschalalabad diskutierten sie über Fragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel: Landwirtschaft, Technik, Medizin und Bildung – sowie Scharia und Koran.
Die Diskussion ist dringend nötig: Afghanistan steht an sechster Stelle der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Länder und gehört zu den am wenigsten vorbereiteten Ländern, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. In den letzten 60 Jahren ist die Temperatur in Afghanistan um 1,8 °C gestiegen, während das Land nur für 0,06 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.
80 Prozent der Afghanen leben von der Landwirtschaft. Aber nach 43 Jahren Konflikt ist das verarmte Land mit klimabedingten Problemen konfrontiert: Verheerende Dürren, Sturzfluten, Wasserknappheit. Das verschärft die Ernährungsunsicherheit und fördert Vertreibung, aber auch Kinderheiraten, Nierenverkäufe und Kinderarbeit, warnen Experten.
Afghanistan importiert den größten Teil seiner Elektrizität aus den Nachbarländern. Weniger als 50 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu Strom. Obwohl erneuerbare Energien, vor allem Bioenergie, 19 Prozent des afghanischen Energiemixes ausmachen, ist das Land weit davon entfernt, sein Potenzial voll auszuschöpfen. Mit über 300 Sonnentagen im Jahr könnte Afghanistan Solarstrom von 222.000 MW erzeugen, was die Kapazität des “Sonnengürtels” der USA deutlich übersteigt.
Doch eine solche Entwicklung bräuchte viel internationale Unterstützung und Zusammenarbeit. Allerdings haben der Abzug der NATO-Truppen, der Zusammenbruch der afghanischen Republik 2021 und die Machtübernahme der Taliban in Kabul Afghanistan zu einem Pariastaat gemacht. Dabei scheint die Klimakrise Experten zufolge eines der wenigen Themen zu sein, bei denen die Taliban und die internationale Gemeinschaft auf einer Wellenlänge liegen.
“Die Taliban sind 1994 aus dem Aufstand der Bauern in Kandahar hervorgegangen und waren daher schon immer mit den Belangen des ländlichen Raums verbunden”, erklärt Graeme Smith, Afghanistan-Analyst bei der International Crisis Group, gegenüber Table Briefings. “Jetzt müssen dieselben Bauern zusehen, wie ihre Felder verdorren oder wie Überschwemmungen ihre Häuser zerstören – alles Folgen des Klimawandels. Die Taliban sind also gezwungen, sich mit dem Thema Klima zu befassen, und zwar nicht, weil sie Umweltschützer sind, sondern weil ihre Anhänger Schutzmaßnahmen fordern.”
“Wir versuchen, den Flutopfern die Hand zu reichen, aber Tausende von Bewohnern haben ihre Häuser verloren. Die internationale Gemeinschaft sollte uns dabei unterstützen, denjenigen zu helfen, die unter der Klimakrise leiden”, sagte auch Abdullah Mofaghir, Direktor für Katastrophenmanagement in der Provinz Logar, im Sommer 2022, als viele Familien von Sturzfluten betroffen waren.
Doch Afghanistan ist von den UN-Klimaverhandlungen ausgeschlossen – 2023 das dritte Jahr in Folge. “Die Menschen in Afghanistan haben ein Recht darauf, auf der internationalen Bühne vertreten zu sein”, sagte Nourullah Amini, Leiter der Abteilung für Klimaanpassung bei der Nationalen Umweltschutzbehörde (NEPA) des Landes zu Table.Briefings. So verpasste das Land bei der COP27 einen der größten Durchbrüche – die Einrichtung des lang erwarteten Loss & Damage Fund für Klimaschäden. Er fordert, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan dringend in die Klimaverhandlungen einbeziehen müsse.
Abdulhadi Achakzai, ein Klimaaktivist des Environmental Volunteer Network, nahm unabhängig an der COP27 und COP28 teil, um auf die Notlage Afghanistans aufmerksam zu machen. “Ich habe mich nicht nur für mich selbst eingesetzt, nicht für die Regierung Afghanistans, sondern für die 40 Millionen Menschen, die direkt vom Klimawandel betroffen sind. Kinder und Frauen in Afghanistan, denn sie sind am meisten von den Auswirkungen betroffen”, sagte Achakzai.
Vor dem Regimewechsel hatte Afghanistan Anspruch auf rund 800 Millionen Dollar aus dem Grünen Klimafonds GCF, der Globalen Umweltfazilität und dem Anpassungsfonds. Doch liegen zum Beispiel 18 Millionen Dollar für nachhaltige Energieprojekte in Afghanistan aus dem GCF auf Eis: Afghanistan hat unter der Herrschaft der Taliban keinen Zugang zu diesen Mitteln. Die Geber hüten sich davor, die De-facto-Behörden zu unterstützen und konzentrieren sich auf humanitäre Hilfe. Mittel zur Eindämmung der Klimakrise werden dagegen oft als Entwicklungshilfe angesehen, die es für das Land nicht geben soll.
Graeme Smith von der International Crisis Group weist darauf hin, dass ausländische Mächte in den letzten Jahrzehnten Ressourcen in die Stabilisierung Afghanistans investiert haben. Der Grund: Sie gingen davon aus, dass Instabilität die Region erschüttern und Terrorismus begünstigen könnte. Nun bedroht der Klimawandel die Stabilität – doch dieselben ausländischen Regierungen verweigern Mittel zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels.
“Es ist obszön, dass Afghanistan, eines der ärmsten Länder der Welt, das hauptsächlich von der Landwirtschaft lebt, als einziges ausgeschlossen wird”, kommentiert Jonathan Noel, Klimaaktivist und Schriftsteller, der auf der Klimakonferenz in Nangarhar eine Grundsatzrede hielt.
Allerdings scheint sich der Ausschluss gegenüber der afghanischen De-facto-Regierung langsam zu ändern. Im März kündigte das UN-Entwicklungsprogramm UNDP in Zusammenarbeit mit Japan ein einjähriges Projekt zur Klimaanpassung durch Wiederherstellung von Wasserressourcen und Ökosystemen an. Anfang April nahmen die Taliban die ersten Gespräche mit den Vereinten Nationen, Gebern, NGOs und Gemeinden über Klima-Auswirkungen in Afghanistan auf. Die Gespräche wurden vom norwegischen Afghanistan-Komitee unter Beteiligung von Fachorganisationen geführt und waren je zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt.
“Es ist kein Schritt in Richtung einer Anerkennung, sondern nur die Erkenntnis, dass alle an einem Tisch sitzen müssen, wenn wir wirksam auf die Auswirkungen des Klimawandels reagieren wollen. Dazu gehören auch diejenigen, die Afghanistan derzeit regieren”, erklärte Tjere Watterdal, Landesdirektorin des NAC, gegenüber dem Climate Table.
Mehr Pragmatismus könnte viele Schocks als Folge der Klimakrise verhindern – von Massenvertreibungen bis hin zu internen oder sogar externen Konflikten um knappe Ressourcen, vor allem Wasser – wie etwa die Spannungen mit dem Iran um den Helmand-Fluss. Auch hat das Ministerium für Energie und Wasser (MoEW) einen Ausschuss eingerichtet, um Unternehmen dazu bringen, in erneuerbare Energien zu investieren. Kürzlich erklärte das kasachische Unternehmen Silk Road, es werde in die Stromerzeugung aus Wasser- und Windressourcen investieren. Jagoda Grondecka
Nach dem 15. Petersberger Klimadialog in Berlin zeichnen sich einige Trends für die internationalen Klimaverhandlungen der kommenden Monate ab:
Das Treffen von Vertretern aus etwa 40 Staaten im Außenministerium sollte wie jeder Petersberger Klimadialog dazu dienen, Ideen zu testen und mögliche Kompromisse auszuloten. Hochkarätige Reden, ein offener Austausch über Fortschritte und Ziele und verschwiegene Gespräche hinter verschlossenen Türen führten – wie geplant – nicht zu konkreten Ergebnissen. Trotzdem lassen sich Entwicklungen erkennen:
Bis 2035 soll in den reichsten Industriestaaten Schluss mit Kohle sein. Darauf einigten sich am Montag die Energie-, Umwelt- und Klimaminister der G7 beim Ministertreffen in Turin. Deutschland müsse damit “mindestens drei Jahre früher als bisher vereinbart” aus der Kohle aussteigen, kommentierte Petter Lydén, Leiter der Internationalen Klimapolitik bei Germanwatch, die Entscheidung. Das sei ein großer Fortschritt, aber noch nicht genug. Denn um die Pariser Klimaziele einzuhalten, wäre “zumindest für alle Industriestaaten ein Kohleausstieg bis 2030 notwendig”.
Neben Gastgeber Italien zählen zu den G7 auch Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Japan. Zusammen sind sie für 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und 20 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Bei einem G7-Ministertreffen vor einem Jahr hatten sie sich erstmals auf einen gemeinsamen Kohleausstieg geeinigt, damals aber ohne konkretes Datum. Nun findet das erste G7-Ministertreffen seit der COP28 im Dezember 2023 statt, bei der damals ein internationaler Beschluss zur Abkehr von fossilen Brennstoffen vereinbart wurde. Auf dem Klimagipfel war auch beschlossen worden, die Energieeffizienz zu verdoppeln und die globale Kapazität für Erneuerbare bis 2030 zu verdreifachen.
Für dieses Ziel braucht es auch mehr Speicherkapazitäten. Erwogen wird daher eine Versechsfachung der Speicherkapazitäten bis 2030 auf 1.500 Gigawatt, verglichen mit dem Jahr 2022. Auch höhere Investitionen in das Stromnetz könnten am heutigen Dienstag, wenn das G7-Ministertreffen endet, beschlossen werden. Diskutiert wird außerdem über ein Ende von Subventionen für fossile Projekte im Ausland. rtr/lb
Am Rande der Hannover-Messe hat der Klimaclub für eine klimaneutrale Industrie am vergangenen Donnerstag seine Arbeit aufgenommen. Vertreter der 38 Mitgliederstaaten, unter ihnen China, USA, Indien, die EU, Kenia, Kasachstan, Mosambik und Vanuatu, trafen sich unter dem Vorsitz von Deutschland und Chile, um gemeinsame Standards für den Weg zu einer klimaneutralen Zement- und Stahlindustrie zu klären. Dabei geht es nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums um internationale Zusammenarbeit bei Standards und Emissionsmessung – aber auch um ein gemeinsames Verständnis von “Carbon Leakage”, also der Abwanderung von Industrieproduktion durch Maßnahmen der Klimapolitik.
Der Club geht auf eine Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz aus seiner Zeit als Finanzminister zurück. Zum Auftakt stellte die OECD in einem Überblick fest, dass die Staaten beim grünen Umbau der Sektoren bisher vor allem die Politik “Zuckerbrot statt Peitsche” verfolgt hatten. Zwar hätten alle großen Stahl-Länder politische Maßnahmen installiert, um den Sektor auf Netto-Null zu bringen, und sie nutzten dabei vor allem die Angebotsseite. Aber nur die wenigsten Maßnahmen seien verpflichtend. Top-Instrumente seien “nicht bindende Ziele” und “öffentliche Fonds für CO₂-arme Innovation und den Umbau von Werken”.
Bei der Produktion von klimaneutralem Stahl wurden im letzten Jahr deutlich weniger neue Projekte (neun) angekündigt als in den Vorjahren (36 in 2021) – und die Vorhaben verlagern sich aus Europa heraus etwa Richtung Asien. Das ist ein Ergebnis des Portals Green Steel Tracker, der einen Überblick über die bisherigen 99 Projekte gibt. Es sei “ermutigend”, dass sich die Technik der Wasserstoff-Direktreduktion verbreite, noch aber würden auch kohlebasierte Hochöfen gebaut. bpo
Vor der Abstimmung über das Klimaschutzgesetz hatten renommierte Umweltjuristinnen und -juristen die Novelle hart kritisiert und die Abgeordneten aufgefordert, den Entwurf abzulehnen. Dennoch hat der Bundestag das neue Gesetz verabschiedet – und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Klagen dagegen erhoben werden.
Offiziell prüfen die großen Umweltverbände zwar noch. Ihre Entscheidung wollen sie erst dann bekannt geben, wenn das Gesetz durch den Bundesrat ist und auch vom Bundespräsidenten unterschrieben wurde. Doch hinter den Kulissen ist zu hören, dass man die Veränderungen wohl nicht hinnehmen werde.
Zwischen den Zeilen war die Absicht schon auf einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag deutlich geworden: Die geplante Gesetzesvorlage sei voraussichtlich verfassungswidrig, in zentralen Punkten nicht mit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, und sie stehe auch im Widerspruch zum jüngsten Klima-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR): Das sagten die Klimaanwältinnen und -anwälte Remo Klinger, Franziska Heß, Roda Verheyen und Felix Ekardt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace, Fridays for Future und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland.
Explizit wurden auch auf dieser Veranstaltung zwar keine Klagen angekündigt – aber es wurde sehr klar, wie intensiv und detailliert die beteiligten Juristinnen und Juristen den Sachverhalt bereits prüfen.
Auch Politiker der Union hatten vor der Abstimmung im Parlament deutliche Kritik an der Abschaffung der verbindlichen Sektorziele geübt. Mit der “Entkernung” des Gesetzes verspielten die Grünen ihre klimapolitische Glaubwürdigkeit, kritisierte Unions-Vize Andreas Jung. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hatte den “Kompromiss”, wie sie ihn nannte, vor der Abstimmung wortreich verteidigt.
Doch mindestens elf Grünen-Abgeordnete sprachen sich ebenfalls gegen die Neufassung aus, darunter sämtliche Mitglieder der von Stefan Gelbhaar geleiteten Grünen-Arbeitsgruppe Mobilität, die Klimaexpertinnen Lisa Badum und Kathrin Henneberger sowie die Parteilinken Anton Hofreiter, Canan Bayram und Jamila Schäfer. Sie veröffentlichten persönliche Erklärungen, in denen sie darstellten, warum sie der Gesetzesänderung nicht zustimmen könnten. Hofreiter kritisierte beispielsweise unter Anspielung auf Volker Wissing, die Änderung sende die “gefährliche Botschaft aus, dass für Minister, die sich nicht an geltendes Recht halten, einfach die Gesetze geändert werden”.
Enthaltungen oder Nein-Stimmen aus der Grünen-Fraktion gab es trotz dieser Erklärungen nicht. Stattdessen blieben die Kritikerinnen und Kritiker der Abstimmung fern, teils verließen sie unmittelbar davor den Plenarsaal. Als Grund dafür wurde angegeben, dass die Union – wohl mit Rücksicht auf den am Freitag startenden FDP-Parteitag – keine namentliche Abstimmung beantragt hatte. Bei einfachen Abstimmungen, bei denen sehr viel weniger Abgeordnete anwesend sind, ist von der Fraktionsmeinung abweichendes Stimmverhalten unüblich, um die Mehrheit nicht zu gefährden. Stattdessen sei es dann “Gepflogenheit, eine persönliche Erklärung abzugeben”, erklärte Badum gegenüber Table.Briefings. ae/mkr
Die Sorge mancher Immobilienbesitzer, nach Fertigstellung der kommunalen Wärmeplanung zum Anschluss an ein neues Fernwärmenetz gezwungen zu werden, auch wenn man eine Wärmepumpe nutzt, ist unbegründet. Zu diesem Ergebnis kommt ein am Montag vorgestelltes Gutachten, das die auf Energierecht spezialisierte Juristin Miriam Vollmer im Auftrag des Bundesverbands Wärmepumpe erstellt hat.
Zwar sei es grundsätzlich möglich, Anlieger zum Anschluss an ein neues Fernwärmenetz zu verpflichten, heißt es darin. Für die Besitzer von Wärmepumpen müssten dabei aber Ausnahmen gelten. Denn der Eingriff in das Eigentum, der mit einem Anschlusszwang einhergehe, sei nur gerechtfertigt, wenn dadurch Emissionen verringert würden. Das sei bei Wärmepumpen in der Regel nicht der Fall, weil diese meist geringere Emissionen verursachen als die noch überwiegend fossil betriebenen Fernwärme.
Und selbst in dem Fall, dass ein neues Fernwärmenetz komplett mit erneuerbaren Energien betrieben werde, wäre ein Anschlusszwang für Wärmepumpen-Nutzer nicht verhältnismäßig. Denn die Entwertung der Investition stünde in keinem Verhältnis zum geringen zusätzlichen Klimanutzen – zumal dieser durch den kontinuierlich steigen Anteil erneuerbarer Energien im Strommix jedes Jahr geringer würde. Abgelehnt werden könne eine Ausnahme allenfalls, wenn dadurch das gesamte Wärmenetz unwirtschaftlich würde – was in der Praxis kaum vorkommen dürfte, erst recht nicht bei einzelnen Wohnhäusern.
Für Autorin Vollmer steht darum fest: “Wer sich aufgrund von Heizungsförderung oder Gebäudeenergiegesetz für die Installation einer Wärmepumpe entscheidet, für den besteht keine Rechtsunsicherheit darin, dass Kommunen noch keine Wärmepläne oder Ausbaupläne der Fernwärme vorgelegt haben.” Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe, begrüßte das klare Ergebnis. Es unterstütze Gebäudeeigentümer dabei, sich “auch ohne Wärmeplanung auf den Weg der Klimaneutralität zu machen”. mkr
Um den Bau von Wohnungen zu fördern, die sowohl Klima als auch Geldbeutel schonen, hat die Bundesregierung ein neues Förderprogramm mit dem Titel “Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment” (KNN) angekündigt. Für das laufende Jahr wurde dafür im Januar bereits eine Milliarde Euro bewilligt; derzeit verhandeln die Haushälter über die genauen Förderrichtlinien. Doch diese drohen nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) so auszufallen, dass das Programm keinen wirklichen Klimanutzen bringt.
Die DUH stützt ihre Einschätzung auf ein Gutachten des Instituts für Ressourceneffizienz und Energiestrategien, das an diesem Dienstag veröffentlicht werden soll und das Table.Briefings vorab vorlag. Dies kommt zum Ergebnis, dass bei der gewählten Lebenszyklus-Betrachtung praktisch alle nach aktuellem Baustandard errichteten Gebäude unterhalb des relevanten Grenzwerts liegen und somit gefördert werden können, sofern sie zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erhalten (die sich auch ohne zusätzliche Förderung rechnet).
Das Ziel, umweltfreundlichere Baumaterialien zu fördern – also etwa Holz statt Beton -, würde auf diese Weise nicht erreicht, heißt es im Gutachten. Dafür sei es sinnvoll, “die Vorgaben für nachhaltiges Bauen ausschließlich auf die Herstellungs- und Errichtungsphase von Gebäuden zu beziehen”, schreiben die Gutachter.
Auch die DUH kritisiert die aktuellen Pläne und fordert, die Förderbedingungen zu verschärfen. Anderenfalls drohe eine “bilanzielle Schönrechnerei von Energieverschwendung”, sagte DUH-Energieexpertin Elisabeth Staudt zu Table.Briefings. “Was die Bundesregierung unter dem Deckmantel des Lebenszyklusansatzes als Fortschritt zu verkaufen versucht, fördert in der Realität weder die dringend benötigte Bauwende noch sichert es in irgendeiner Form die langfristige Bezahlbarkeit für Bewohnerinnen und Bewohner ab.” Besonders kritisch sei dies, weil die KNN als Blaupause für die zukünftige Ausrichtung der Gebäudeförderung insgesamt dienen solle. mkr
Mit einer Kooperation aus Forschung, Stiftungen, Politik und Unternehmen will die Initiative “toMOORow” einen Absatzmarkt für Produkte aus der Bewirtschaftung von Moorflächen in Deutschland schaffen. Bei einer Auftaktveranstaltung am Dienstag in Berlin präsentiert sich die “Allianz der Pioniere”, die über Pilotprojekte neue Lieferketten etwa für Schilfgrasprodukte anstoßen will, die auf wiedervernässten Moorböden entstehen sollen.
Das Projekt wird wegen seiner Bedeutung für Arten- und Klimaschutz und für die Wertschöpfung auf dem Land vom Bundes-Landwirtschaftsministerium mit etwa 1,8 Millionen Euro aus dem “Klima- und Transformationsfonds” gefördert. Minister Cem Özdemir und seine Kollegin aus dem Umweltministerium Steffi Lemke wollen die Veranstaltung besuchen.
Entwässerte Moore sind in Deutschland jedes Jahr für die Emission von Treibhausgasen in der Höhe von 53 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Derzeit sind nur fünf Prozent der deutschen Moorböden nass und binden so Kohlenstoff. Bei der Vernässung der Böden ist bisher ein großes Hindernis, dass Landwirten dadurch Einnahmen verloren gehen.
Gründer der “Paludi-Allianz” sind die Umweltstiftung Michael Otto, die Michael Succow Stiftung und das Greifswald Moor Centrum. Sie präsentieren 14 Unternehmen vor allem aus den Branchen Bau, Verpackung, Dämmung, Holz und Papier, die für Wiedervernässung und wirtschaftliche Nutzung von Moorflächen plädieren: Bau-Fritz, Leipa, Otto Wulff, Prezero Stiftung, Procter & Gamble Service, Sto, Strabag, Tengelmann (Twenty-One, Kik Textilien und Non-Food GmbH und OBI), toom Baumarkt und Wepa Stiftung. bpo
Am Montag gaben BMUV und BMUL bekannt, rund 130 Millionen Euro für Waldbesitzende und Kommunen bereitstellen zu wollen. Die Mittel stammen aus dem Förderprogramm “Klimaangepasstes Waldmanagement”, das Teil des “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz” (ANK) ist. Mit dem Förderprogramm werden seit 2022 laut Regierungsangaben mehr als 8.500 private und kommunale Waldbesitzende unterstützt, die zusammen über eine Gesamtfläche von 1,52 Millionen Hektar Wald verfügen. Das sind rund zehn Prozent der Waldfläche Deutschlands.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte, er freue sich, “trotz schwieriger Haushaltslage” das Förderprogramm fortführen zu können. Dahinter steckt, dass die Mittel für das ANK um rund ein Drittel gekürzt werden, wie schon im Januar bekannt wurde. Von den ursprünglich bis 2027 vorgesehenen fünf Milliarden Euro bleiben nur 3,5 Milliarden erhalten. Finanziert werden sollen damit Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, der klimaverträgliche Waldumbau und die Schaffung von Überschwemmungsflächen gegen Hochwasser.
Allerdings sind 2023 überhaupt nur zwei Prozent der Mittel abgeflossen, die das BMUV für das ANK hätte ausgeben können, wie der jüngste KTF-Bericht des Finanzministeriums gezeigt hatte. Für dieses Jahr erwartet das BMUV einen deutlich höheren Mittelabfluss – unter anderem für das “Klimaangepasste Waldmanagement”. Ab sofort werden die Bewilligungsbescheide für das Programm ausgestellt, Förderanträge können noch eingereicht werden. lb
Bei den Europawahlen stehen Green Deal und Klimaschutz auf dem Spiel. Kein Wunder also, dass sich jetzt auch die Klimabewegung in den Wahlkampf einmischt. Wir beschreiben heute, wer sich wo einbringt und warum das auch Klimaschützer nicht immer gut finden.
Keine Wahl haben dagegen die Menschen in Afghanistan. Das Land ist bitterarm und dem Klimawandel praktisch schutzlos ausgesetzt. Seit die Taliban wieder regieren, wurden alle Klimahilfen gestoppt und das Land darf bei UN-Konferenzen nicht mehr mitreden. Aber das könnte sich jetzt zumindest in Teilen ändern, zeigt unser aktueller Text.
Und manchmal ist es die Angst vor Wahlen, die alles verhindert: Verantwortliche in der Politik, die Geld für Klimafinanzierung anderswo ausgeben wollen, haben es nicht leicht. Das zeigte auch wieder der Petersberger Klimadialog, zu dem wir heute eine Nachlese anbieten.
Viel Spaß beim Lesen!
Rund sechs Wochen vor der Europawahl am 9. Juni haben in Deutschland der Wahlkampf – etwa von SPD und CSU – und der Versand der Wahlbenachrichtigungen begonnen. Auf dem Wahlzettel stehen diesmal auch Namen, die man sonst eher von Klimastreiks kennt. Die Klimabewegung “Letzte Generation” etwa will “den Widerstand endlich ins Parlament bringen”, so Sprecherin Carla Hinrichs, und deshalb tritt die Bewegung bei den Wahlen fürs Europaparlament an. Lena Johnsen und Theodorr Schnarr sind ihre Spitzenkandidaten.
Vollkommen aussichtslos ist ihre Kandidatur nicht: Mit rund 0,5 Prozent der Stimme würden sie ins Europäische Parlament einziehen. Rund 250.000 Stimmen brauche es dafür, hat die Letzte Generation errechnet. Die Bewegung denkt nicht, dass sie im Europaparlament politisch etwas ändern könnte. Viel mehr will sie die “Bühnen nutzen”, die der Wahlkampf und ein möglicher Einzug mit sich bringen, erklärt Sprecherin Maike Grunst im Gespräch mit Table.Briefings. Nachdem die Bewegung Anfang des Jahres verkündet hatte, sich nicht mehr auf die Straße zu kleben, ist die Kandidatur nun ein neuer Versuch, Aufmerksamkeit zu erhalten.
Aus dem Aktivismus ins Parlament – das ist eine Möglichkeit, um einer Klimaagenda mehr Schlagkraft zu geben. Nach aktuellen Umfragen sieht es nicht so aus, als ob Klimapolitik von einem neuen EU-Parlament besonders progressiv vorangetrieben werden wird. Im Gegenteil: Viele Umfragen prognostizieren einen Zuwachs von konservativen Parteien und damit einen “Green Backlash”. Die Klimabewegung begegnet dem ganz unterschiedlich:
Die 27-jährige Anna Peters, früher Bundessprecherin der Grünen Jugend, möchte im EU-Parlament ebenfalls inhaltlich etwas bewegen. Sie will sich besonders für eine klimagerechte Finanzpolitik einsetzen. Peters steht auf Listenplatz 13 für die Grünen und hat gute Chancen, einen Sitz zu erhalten. Sie sei keine Aktivistin, fühle sich der Klimagerechtigkeitsbewegung aber sehr nah, erzählt sie im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir müssen jetzt sehr guten Wahlkampf machen, um uns einem Rechtsruck entgegenzustellen“, meint sie. Für sie bedeutet das, vor allem auch junge Menschen zu erreichen – beispielsweise durch Wahlkampf an Schulen.
Dass Klimaaktivistinnen und -aktivisten für Kleinstparteien anstatt für die Grünen antreten, sieht sie nicht unbedingt als Bedrohung: “Ich sehe das eher als Ansporn für uns Grüne, uns zu beweisen“. Und: “Ich freue mich über jede Person der Klimagerechtigkeitsbewegung in der Politik.” Es brauche sowohl Menschen, die Themen von außen durch Protest vorantreiben als auch solche, die innerhalb des politischen Systems daran arbeiteten, Klimaschutz voranzubringen.
Die Letzte Generation arbeitet aktuell dezentral und basisdemokratisch an Runden Tischen an ihrer inhaltlichen Ausrichtung für die Wahl. Das ist eher untypisch für die Organisation, bisher war sie vor allem für ihre hierarchischen Strukturen bekannt. “Keine der anderen Parteien macht, was es braucht”, erklärt Maike Grunst. Die Kandidatur der Letzten Generation führe nicht zur Zersplitterung der Klimabewegung im Parlament, sondern mache sie bunter, vielfältiger und damit letztendlich stärker.
Im Moment arbeitet die Letzte Generation vor allem daran, ihre Kandidatur bekannter zu machen, mit einer TikTok-Challenge will die Bewegung junge Menschen erreichen. Grunst hat das Gefühl, dass die Gruppe durch den Wahlkampf nun wieder mehr Aufmerksamkeit erhält. Die Chancen auf einen tatsächlichen Einzug ins EU-Parlament lägen bei ungefähr 50 Prozent, meint sie. Mit anderen Parteien zusammenarbeiten wollen die Aktivisten im Europaparlament nicht, stattdessen wollen sie auch im Parlament auf Protest setzen.
Michael Bloss, Abgeordneter des Europäischen Parlaments für die Grünen, sieht die Kandidatur der Letzten Generation hingegen kritisch: Es scheine so, als ob die Aktivisten “wie bei den Straßenaktionen keine Strategie haben, wie sie mehr für den Klimaschutz erreichen können.” Er sieht eine andere Motivation: “Um nicht als kriminelle Vereinigung zu gelten, gründen Sie jetzt eine Partei, weil die grundrechtlich besseren Schutz bietet. Legitim, aber dem Klimaschutz im Parlament nützt es nicht.” Das Europaparlament nur für die Produktion für Videos zu benutzen, würde die demokratischen Institutionen verhöhnen, meint er. Und für Witze sei schon eine andere Partei im Europaparlament zuständig.
Auch darüber hinaus sieht er Probleme: “Klimaschutz steht unglaublich unter Beschuss”. Da sei es wichtig, zusammenzuhalten. Es bestehe die Gefahr, dass sich auf die verschiedenen Kleinstparteien viele Stimmen für Klimaschutz aufteilten, die Parteien dann nicht einzögen und die Stimmen dann einfach nicht repräsentiert wären. Das schade dem Klimaschutz. Bloss betont auch, dass das EU-Parlament den Druck von der Straße brauche und sich in den vergangenen fünf Jahren auch dank der breiten Proteste unter FFF viel getan habe. Aktivismus sei allerdings etwas anderes, als im Parlament um Mehrheiten für Klimaschutz und Kompromisse zu ringen.
Afghanistan ist eines der verwundbarsten Länder in der Klimakrise. Doch seit die Taliban wieder die Macht übernommen haben, ist das Land international isoliert und auch von allen Finanzhilfen in diesem Bereich abgeschnitten. Jetzt hat die erste Klimakonferenz im Land den Fokus auf die dramatischen Folgen der Erderhitzung gerichtet. Und es gibt erste Versuche, den Menschen wieder internationale Hilfe zukommen zu lassen.
Vom 10. bis 12. Februar trafen sich fast 100 Wissenschaftler aus afghanischen Bildungseinrichtungen zur ersten Klimakonferenz. An der Universität von Nangarhar in der östlichen Stadt Dschalalabad diskutierten sie über Fragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel: Landwirtschaft, Technik, Medizin und Bildung – sowie Scharia und Koran.
Die Diskussion ist dringend nötig: Afghanistan steht an sechster Stelle der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Länder und gehört zu den am wenigsten vorbereiteten Ländern, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. In den letzten 60 Jahren ist die Temperatur in Afghanistan um 1,8 °C gestiegen, während das Land nur für 0,06 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.
80 Prozent der Afghanen leben von der Landwirtschaft. Aber nach 43 Jahren Konflikt ist das verarmte Land mit klimabedingten Problemen konfrontiert: Verheerende Dürren, Sturzfluten, Wasserknappheit. Das verschärft die Ernährungsunsicherheit und fördert Vertreibung, aber auch Kinderheiraten, Nierenverkäufe und Kinderarbeit, warnen Experten.
Afghanistan importiert den größten Teil seiner Elektrizität aus den Nachbarländern. Weniger als 50 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu Strom. Obwohl erneuerbare Energien, vor allem Bioenergie, 19 Prozent des afghanischen Energiemixes ausmachen, ist das Land weit davon entfernt, sein Potenzial voll auszuschöpfen. Mit über 300 Sonnentagen im Jahr könnte Afghanistan Solarstrom von 222.000 MW erzeugen, was die Kapazität des “Sonnengürtels” der USA deutlich übersteigt.
Doch eine solche Entwicklung bräuchte viel internationale Unterstützung und Zusammenarbeit. Allerdings haben der Abzug der NATO-Truppen, der Zusammenbruch der afghanischen Republik 2021 und die Machtübernahme der Taliban in Kabul Afghanistan zu einem Pariastaat gemacht. Dabei scheint die Klimakrise Experten zufolge eines der wenigen Themen zu sein, bei denen die Taliban und die internationale Gemeinschaft auf einer Wellenlänge liegen.
“Die Taliban sind 1994 aus dem Aufstand der Bauern in Kandahar hervorgegangen und waren daher schon immer mit den Belangen des ländlichen Raums verbunden”, erklärt Graeme Smith, Afghanistan-Analyst bei der International Crisis Group, gegenüber Table Briefings. “Jetzt müssen dieselben Bauern zusehen, wie ihre Felder verdorren oder wie Überschwemmungen ihre Häuser zerstören – alles Folgen des Klimawandels. Die Taliban sind also gezwungen, sich mit dem Thema Klima zu befassen, und zwar nicht, weil sie Umweltschützer sind, sondern weil ihre Anhänger Schutzmaßnahmen fordern.”
“Wir versuchen, den Flutopfern die Hand zu reichen, aber Tausende von Bewohnern haben ihre Häuser verloren. Die internationale Gemeinschaft sollte uns dabei unterstützen, denjenigen zu helfen, die unter der Klimakrise leiden”, sagte auch Abdullah Mofaghir, Direktor für Katastrophenmanagement in der Provinz Logar, im Sommer 2022, als viele Familien von Sturzfluten betroffen waren.
Doch Afghanistan ist von den UN-Klimaverhandlungen ausgeschlossen – 2023 das dritte Jahr in Folge. “Die Menschen in Afghanistan haben ein Recht darauf, auf der internationalen Bühne vertreten zu sein”, sagte Nourullah Amini, Leiter der Abteilung für Klimaanpassung bei der Nationalen Umweltschutzbehörde (NEPA) des Landes zu Table.Briefings. So verpasste das Land bei der COP27 einen der größten Durchbrüche – die Einrichtung des lang erwarteten Loss & Damage Fund für Klimaschäden. Er fordert, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan dringend in die Klimaverhandlungen einbeziehen müsse.
Abdulhadi Achakzai, ein Klimaaktivist des Environmental Volunteer Network, nahm unabhängig an der COP27 und COP28 teil, um auf die Notlage Afghanistans aufmerksam zu machen. “Ich habe mich nicht nur für mich selbst eingesetzt, nicht für die Regierung Afghanistans, sondern für die 40 Millionen Menschen, die direkt vom Klimawandel betroffen sind. Kinder und Frauen in Afghanistan, denn sie sind am meisten von den Auswirkungen betroffen”, sagte Achakzai.
Vor dem Regimewechsel hatte Afghanistan Anspruch auf rund 800 Millionen Dollar aus dem Grünen Klimafonds GCF, der Globalen Umweltfazilität und dem Anpassungsfonds. Doch liegen zum Beispiel 18 Millionen Dollar für nachhaltige Energieprojekte in Afghanistan aus dem GCF auf Eis: Afghanistan hat unter der Herrschaft der Taliban keinen Zugang zu diesen Mitteln. Die Geber hüten sich davor, die De-facto-Behörden zu unterstützen und konzentrieren sich auf humanitäre Hilfe. Mittel zur Eindämmung der Klimakrise werden dagegen oft als Entwicklungshilfe angesehen, die es für das Land nicht geben soll.
Graeme Smith von der International Crisis Group weist darauf hin, dass ausländische Mächte in den letzten Jahrzehnten Ressourcen in die Stabilisierung Afghanistans investiert haben. Der Grund: Sie gingen davon aus, dass Instabilität die Region erschüttern und Terrorismus begünstigen könnte. Nun bedroht der Klimawandel die Stabilität – doch dieselben ausländischen Regierungen verweigern Mittel zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels.
“Es ist obszön, dass Afghanistan, eines der ärmsten Länder der Welt, das hauptsächlich von der Landwirtschaft lebt, als einziges ausgeschlossen wird”, kommentiert Jonathan Noel, Klimaaktivist und Schriftsteller, der auf der Klimakonferenz in Nangarhar eine Grundsatzrede hielt.
Allerdings scheint sich der Ausschluss gegenüber der afghanischen De-facto-Regierung langsam zu ändern. Im März kündigte das UN-Entwicklungsprogramm UNDP in Zusammenarbeit mit Japan ein einjähriges Projekt zur Klimaanpassung durch Wiederherstellung von Wasserressourcen und Ökosystemen an. Anfang April nahmen die Taliban die ersten Gespräche mit den Vereinten Nationen, Gebern, NGOs und Gemeinden über Klima-Auswirkungen in Afghanistan auf. Die Gespräche wurden vom norwegischen Afghanistan-Komitee unter Beteiligung von Fachorganisationen geführt und waren je zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt.
“Es ist kein Schritt in Richtung einer Anerkennung, sondern nur die Erkenntnis, dass alle an einem Tisch sitzen müssen, wenn wir wirksam auf die Auswirkungen des Klimawandels reagieren wollen. Dazu gehören auch diejenigen, die Afghanistan derzeit regieren”, erklärte Tjere Watterdal, Landesdirektorin des NAC, gegenüber dem Climate Table.
Mehr Pragmatismus könnte viele Schocks als Folge der Klimakrise verhindern – von Massenvertreibungen bis hin zu internen oder sogar externen Konflikten um knappe Ressourcen, vor allem Wasser – wie etwa die Spannungen mit dem Iran um den Helmand-Fluss. Auch hat das Ministerium für Energie und Wasser (MoEW) einen Ausschuss eingerichtet, um Unternehmen dazu bringen, in erneuerbare Energien zu investieren. Kürzlich erklärte das kasachische Unternehmen Silk Road, es werde in die Stromerzeugung aus Wasser- und Windressourcen investieren. Jagoda Grondecka
Nach dem 15. Petersberger Klimadialog in Berlin zeichnen sich einige Trends für die internationalen Klimaverhandlungen der kommenden Monate ab:
Das Treffen von Vertretern aus etwa 40 Staaten im Außenministerium sollte wie jeder Petersberger Klimadialog dazu dienen, Ideen zu testen und mögliche Kompromisse auszuloten. Hochkarätige Reden, ein offener Austausch über Fortschritte und Ziele und verschwiegene Gespräche hinter verschlossenen Türen führten – wie geplant – nicht zu konkreten Ergebnissen. Trotzdem lassen sich Entwicklungen erkennen:
Bis 2035 soll in den reichsten Industriestaaten Schluss mit Kohle sein. Darauf einigten sich am Montag die Energie-, Umwelt- und Klimaminister der G7 beim Ministertreffen in Turin. Deutschland müsse damit “mindestens drei Jahre früher als bisher vereinbart” aus der Kohle aussteigen, kommentierte Petter Lydén, Leiter der Internationalen Klimapolitik bei Germanwatch, die Entscheidung. Das sei ein großer Fortschritt, aber noch nicht genug. Denn um die Pariser Klimaziele einzuhalten, wäre “zumindest für alle Industriestaaten ein Kohleausstieg bis 2030 notwendig”.
Neben Gastgeber Italien zählen zu den G7 auch Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Japan. Zusammen sind sie für 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und 20 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Bei einem G7-Ministertreffen vor einem Jahr hatten sie sich erstmals auf einen gemeinsamen Kohleausstieg geeinigt, damals aber ohne konkretes Datum. Nun findet das erste G7-Ministertreffen seit der COP28 im Dezember 2023 statt, bei der damals ein internationaler Beschluss zur Abkehr von fossilen Brennstoffen vereinbart wurde. Auf dem Klimagipfel war auch beschlossen worden, die Energieeffizienz zu verdoppeln und die globale Kapazität für Erneuerbare bis 2030 zu verdreifachen.
Für dieses Ziel braucht es auch mehr Speicherkapazitäten. Erwogen wird daher eine Versechsfachung der Speicherkapazitäten bis 2030 auf 1.500 Gigawatt, verglichen mit dem Jahr 2022. Auch höhere Investitionen in das Stromnetz könnten am heutigen Dienstag, wenn das G7-Ministertreffen endet, beschlossen werden. Diskutiert wird außerdem über ein Ende von Subventionen für fossile Projekte im Ausland. rtr/lb
Am Rande der Hannover-Messe hat der Klimaclub für eine klimaneutrale Industrie am vergangenen Donnerstag seine Arbeit aufgenommen. Vertreter der 38 Mitgliederstaaten, unter ihnen China, USA, Indien, die EU, Kenia, Kasachstan, Mosambik und Vanuatu, trafen sich unter dem Vorsitz von Deutschland und Chile, um gemeinsame Standards für den Weg zu einer klimaneutralen Zement- und Stahlindustrie zu klären. Dabei geht es nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums um internationale Zusammenarbeit bei Standards und Emissionsmessung – aber auch um ein gemeinsames Verständnis von “Carbon Leakage”, also der Abwanderung von Industrieproduktion durch Maßnahmen der Klimapolitik.
Der Club geht auf eine Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz aus seiner Zeit als Finanzminister zurück. Zum Auftakt stellte die OECD in einem Überblick fest, dass die Staaten beim grünen Umbau der Sektoren bisher vor allem die Politik “Zuckerbrot statt Peitsche” verfolgt hatten. Zwar hätten alle großen Stahl-Länder politische Maßnahmen installiert, um den Sektor auf Netto-Null zu bringen, und sie nutzten dabei vor allem die Angebotsseite. Aber nur die wenigsten Maßnahmen seien verpflichtend. Top-Instrumente seien “nicht bindende Ziele” und “öffentliche Fonds für CO₂-arme Innovation und den Umbau von Werken”.
Bei der Produktion von klimaneutralem Stahl wurden im letzten Jahr deutlich weniger neue Projekte (neun) angekündigt als in den Vorjahren (36 in 2021) – und die Vorhaben verlagern sich aus Europa heraus etwa Richtung Asien. Das ist ein Ergebnis des Portals Green Steel Tracker, der einen Überblick über die bisherigen 99 Projekte gibt. Es sei “ermutigend”, dass sich die Technik der Wasserstoff-Direktreduktion verbreite, noch aber würden auch kohlebasierte Hochöfen gebaut. bpo
Vor der Abstimmung über das Klimaschutzgesetz hatten renommierte Umweltjuristinnen und -juristen die Novelle hart kritisiert und die Abgeordneten aufgefordert, den Entwurf abzulehnen. Dennoch hat der Bundestag das neue Gesetz verabschiedet – und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Klagen dagegen erhoben werden.
Offiziell prüfen die großen Umweltverbände zwar noch. Ihre Entscheidung wollen sie erst dann bekannt geben, wenn das Gesetz durch den Bundesrat ist und auch vom Bundespräsidenten unterschrieben wurde. Doch hinter den Kulissen ist zu hören, dass man die Veränderungen wohl nicht hinnehmen werde.
Zwischen den Zeilen war die Absicht schon auf einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag deutlich geworden: Die geplante Gesetzesvorlage sei voraussichtlich verfassungswidrig, in zentralen Punkten nicht mit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, und sie stehe auch im Widerspruch zum jüngsten Klima-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR): Das sagten die Klimaanwältinnen und -anwälte Remo Klinger, Franziska Heß, Roda Verheyen und Felix Ekardt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace, Fridays for Future und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland.
Explizit wurden auch auf dieser Veranstaltung zwar keine Klagen angekündigt – aber es wurde sehr klar, wie intensiv und detailliert die beteiligten Juristinnen und Juristen den Sachverhalt bereits prüfen.
Auch Politiker der Union hatten vor der Abstimmung im Parlament deutliche Kritik an der Abschaffung der verbindlichen Sektorziele geübt. Mit der “Entkernung” des Gesetzes verspielten die Grünen ihre klimapolitische Glaubwürdigkeit, kritisierte Unions-Vize Andreas Jung. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hatte den “Kompromiss”, wie sie ihn nannte, vor der Abstimmung wortreich verteidigt.
Doch mindestens elf Grünen-Abgeordnete sprachen sich ebenfalls gegen die Neufassung aus, darunter sämtliche Mitglieder der von Stefan Gelbhaar geleiteten Grünen-Arbeitsgruppe Mobilität, die Klimaexpertinnen Lisa Badum und Kathrin Henneberger sowie die Parteilinken Anton Hofreiter, Canan Bayram und Jamila Schäfer. Sie veröffentlichten persönliche Erklärungen, in denen sie darstellten, warum sie der Gesetzesänderung nicht zustimmen könnten. Hofreiter kritisierte beispielsweise unter Anspielung auf Volker Wissing, die Änderung sende die “gefährliche Botschaft aus, dass für Minister, die sich nicht an geltendes Recht halten, einfach die Gesetze geändert werden”.
Enthaltungen oder Nein-Stimmen aus der Grünen-Fraktion gab es trotz dieser Erklärungen nicht. Stattdessen blieben die Kritikerinnen und Kritiker der Abstimmung fern, teils verließen sie unmittelbar davor den Plenarsaal. Als Grund dafür wurde angegeben, dass die Union – wohl mit Rücksicht auf den am Freitag startenden FDP-Parteitag – keine namentliche Abstimmung beantragt hatte. Bei einfachen Abstimmungen, bei denen sehr viel weniger Abgeordnete anwesend sind, ist von der Fraktionsmeinung abweichendes Stimmverhalten unüblich, um die Mehrheit nicht zu gefährden. Stattdessen sei es dann “Gepflogenheit, eine persönliche Erklärung abzugeben”, erklärte Badum gegenüber Table.Briefings. ae/mkr
Die Sorge mancher Immobilienbesitzer, nach Fertigstellung der kommunalen Wärmeplanung zum Anschluss an ein neues Fernwärmenetz gezwungen zu werden, auch wenn man eine Wärmepumpe nutzt, ist unbegründet. Zu diesem Ergebnis kommt ein am Montag vorgestelltes Gutachten, das die auf Energierecht spezialisierte Juristin Miriam Vollmer im Auftrag des Bundesverbands Wärmepumpe erstellt hat.
Zwar sei es grundsätzlich möglich, Anlieger zum Anschluss an ein neues Fernwärmenetz zu verpflichten, heißt es darin. Für die Besitzer von Wärmepumpen müssten dabei aber Ausnahmen gelten. Denn der Eingriff in das Eigentum, der mit einem Anschlusszwang einhergehe, sei nur gerechtfertigt, wenn dadurch Emissionen verringert würden. Das sei bei Wärmepumpen in der Regel nicht der Fall, weil diese meist geringere Emissionen verursachen als die noch überwiegend fossil betriebenen Fernwärme.
Und selbst in dem Fall, dass ein neues Fernwärmenetz komplett mit erneuerbaren Energien betrieben werde, wäre ein Anschlusszwang für Wärmepumpen-Nutzer nicht verhältnismäßig. Denn die Entwertung der Investition stünde in keinem Verhältnis zum geringen zusätzlichen Klimanutzen – zumal dieser durch den kontinuierlich steigen Anteil erneuerbarer Energien im Strommix jedes Jahr geringer würde. Abgelehnt werden könne eine Ausnahme allenfalls, wenn dadurch das gesamte Wärmenetz unwirtschaftlich würde – was in der Praxis kaum vorkommen dürfte, erst recht nicht bei einzelnen Wohnhäusern.
Für Autorin Vollmer steht darum fest: “Wer sich aufgrund von Heizungsförderung oder Gebäudeenergiegesetz für die Installation einer Wärmepumpe entscheidet, für den besteht keine Rechtsunsicherheit darin, dass Kommunen noch keine Wärmepläne oder Ausbaupläne der Fernwärme vorgelegt haben.” Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe, begrüßte das klare Ergebnis. Es unterstütze Gebäudeeigentümer dabei, sich “auch ohne Wärmeplanung auf den Weg der Klimaneutralität zu machen”. mkr
Um den Bau von Wohnungen zu fördern, die sowohl Klima als auch Geldbeutel schonen, hat die Bundesregierung ein neues Förderprogramm mit dem Titel “Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment” (KNN) angekündigt. Für das laufende Jahr wurde dafür im Januar bereits eine Milliarde Euro bewilligt; derzeit verhandeln die Haushälter über die genauen Förderrichtlinien. Doch diese drohen nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) so auszufallen, dass das Programm keinen wirklichen Klimanutzen bringt.
Die DUH stützt ihre Einschätzung auf ein Gutachten des Instituts für Ressourceneffizienz und Energiestrategien, das an diesem Dienstag veröffentlicht werden soll und das Table.Briefings vorab vorlag. Dies kommt zum Ergebnis, dass bei der gewählten Lebenszyklus-Betrachtung praktisch alle nach aktuellem Baustandard errichteten Gebäude unterhalb des relevanten Grenzwerts liegen und somit gefördert werden können, sofern sie zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erhalten (die sich auch ohne zusätzliche Förderung rechnet).
Das Ziel, umweltfreundlichere Baumaterialien zu fördern – also etwa Holz statt Beton -, würde auf diese Weise nicht erreicht, heißt es im Gutachten. Dafür sei es sinnvoll, “die Vorgaben für nachhaltiges Bauen ausschließlich auf die Herstellungs- und Errichtungsphase von Gebäuden zu beziehen”, schreiben die Gutachter.
Auch die DUH kritisiert die aktuellen Pläne und fordert, die Förderbedingungen zu verschärfen. Anderenfalls drohe eine “bilanzielle Schönrechnerei von Energieverschwendung”, sagte DUH-Energieexpertin Elisabeth Staudt zu Table.Briefings. “Was die Bundesregierung unter dem Deckmantel des Lebenszyklusansatzes als Fortschritt zu verkaufen versucht, fördert in der Realität weder die dringend benötigte Bauwende noch sichert es in irgendeiner Form die langfristige Bezahlbarkeit für Bewohnerinnen und Bewohner ab.” Besonders kritisch sei dies, weil die KNN als Blaupause für die zukünftige Ausrichtung der Gebäudeförderung insgesamt dienen solle. mkr
Mit einer Kooperation aus Forschung, Stiftungen, Politik und Unternehmen will die Initiative “toMOORow” einen Absatzmarkt für Produkte aus der Bewirtschaftung von Moorflächen in Deutschland schaffen. Bei einer Auftaktveranstaltung am Dienstag in Berlin präsentiert sich die “Allianz der Pioniere”, die über Pilotprojekte neue Lieferketten etwa für Schilfgrasprodukte anstoßen will, die auf wiedervernässten Moorböden entstehen sollen.
Das Projekt wird wegen seiner Bedeutung für Arten- und Klimaschutz und für die Wertschöpfung auf dem Land vom Bundes-Landwirtschaftsministerium mit etwa 1,8 Millionen Euro aus dem “Klima- und Transformationsfonds” gefördert. Minister Cem Özdemir und seine Kollegin aus dem Umweltministerium Steffi Lemke wollen die Veranstaltung besuchen.
Entwässerte Moore sind in Deutschland jedes Jahr für die Emission von Treibhausgasen in der Höhe von 53 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Derzeit sind nur fünf Prozent der deutschen Moorböden nass und binden so Kohlenstoff. Bei der Vernässung der Böden ist bisher ein großes Hindernis, dass Landwirten dadurch Einnahmen verloren gehen.
Gründer der “Paludi-Allianz” sind die Umweltstiftung Michael Otto, die Michael Succow Stiftung und das Greifswald Moor Centrum. Sie präsentieren 14 Unternehmen vor allem aus den Branchen Bau, Verpackung, Dämmung, Holz und Papier, die für Wiedervernässung und wirtschaftliche Nutzung von Moorflächen plädieren: Bau-Fritz, Leipa, Otto Wulff, Prezero Stiftung, Procter & Gamble Service, Sto, Strabag, Tengelmann (Twenty-One, Kik Textilien und Non-Food GmbH und OBI), toom Baumarkt und Wepa Stiftung. bpo
Am Montag gaben BMUV und BMUL bekannt, rund 130 Millionen Euro für Waldbesitzende und Kommunen bereitstellen zu wollen. Die Mittel stammen aus dem Förderprogramm “Klimaangepasstes Waldmanagement”, das Teil des “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz” (ANK) ist. Mit dem Förderprogramm werden seit 2022 laut Regierungsangaben mehr als 8.500 private und kommunale Waldbesitzende unterstützt, die zusammen über eine Gesamtfläche von 1,52 Millionen Hektar Wald verfügen. Das sind rund zehn Prozent der Waldfläche Deutschlands.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte, er freue sich, “trotz schwieriger Haushaltslage” das Förderprogramm fortführen zu können. Dahinter steckt, dass die Mittel für das ANK um rund ein Drittel gekürzt werden, wie schon im Januar bekannt wurde. Von den ursprünglich bis 2027 vorgesehenen fünf Milliarden Euro bleiben nur 3,5 Milliarden erhalten. Finanziert werden sollen damit Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, der klimaverträgliche Waldumbau und die Schaffung von Überschwemmungsflächen gegen Hochwasser.
Allerdings sind 2023 überhaupt nur zwei Prozent der Mittel abgeflossen, die das BMUV für das ANK hätte ausgeben können, wie der jüngste KTF-Bericht des Finanzministeriums gezeigt hatte. Für dieses Jahr erwartet das BMUV einen deutlich höheren Mittelabfluss – unter anderem für das “Klimaangepasste Waldmanagement”. Ab sofort werden die Bewilligungsbescheide für das Programm ausgestellt, Förderanträge können noch eingereicht werden. lb