für uns ist es sehr wichtig, was wir schreiben – aber manchmal auch, was wir nicht schreiben. So haben wir in der Redaktion lange debattiert, ob wir über den Vorstoß der CDU/CSU berichten sollen, das Aus für Verbrennungsmotoren in der EU ab 2035 zurückzunehmen. Unsere Antwort: Nein. Denn der Vorschlag kommt nicht zufällig kurz vor den EU-Wahlen und lässt für ernstgemeinte Politik alle Fragen offen: Wie sonst sollen die Klimaziele realistisch erreicht werden, außer mit der Hoffnung auf unbekannte, neue Technik? Woher sollen klimafreundliche Ersatztreibstoffe kommen? Wo ist die Investitionssicherheit für die europäische Autoindustrie? Und warum machen die Christdemokraten Stimmung gegen den Green Deal ihrer eigenen Parteifreundin und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen? Sollten sich ernsthafte Antworten abzeichnen, werden wir selbstverständlich darüber berichten.
Dafür blicken wir heute wieder einmal auf reale Herausforderungen: Auf die Pläne der EU-Kommission, wie es langfristig mit dem Green Deal weitergeht, auf die Ansprüche an die deutsche Wasserversorgung in Zeiten des Klimawandels, auf den schlimmen Zustand der Mangrovenwälder, die weltweit Küsten schützen, auf einen schmelzenden Mega-Gletscher in der Antarktis und auf das Risiko, dass Deutschland sein Effizienz-Ziel für 2030 verpasst.
Wir bleiben dran an den relevanten Themen.
Herr Vandenberghe, die Kommission hat ein Netto-Treibhausgasreduktionsziel von 90 Prozent für das Jahr 2040 vorgeschlagen. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Regelungen für das Klimaziel 2030 noch nicht vollständig umgesetzt sind. Was genau bereiten Sie derzeit vor?
Der vollständige Übergang zum Klimaschutz ist im Grunde eine Agenda für die Modernisierung unserer Wirtschaft und für Investitionen. Investitionen, die unsere Wirtschaft braucht, denn in China machen Investitionen 40 Prozent des BIP aus, in Europa sind es 20 Prozent. Das ganze Gerede über Wettbewerbsfähigkeit läuft also im Grunde auf die Frage hinaus, wie viel man in seine Wirtschaft investiert. Und da haben wir einen großen Nachholbedarf.
Aber warum gerade jetzt? Es gibt im Moment kaum Impulse für Klimapolitik.
Wenn man über Investitionen spricht, kann man nicht nur die eine Zeitspanne von sechs Jahren betrachten. Man braucht eine Perspektive von zehn, 15, 20 Jahren. Denn das ist der Zeithorizont für viele dieser Investitionen. Wir haben das THG-Reduktionsziel von 90 Prozent für 2040 vorgelegt, um den Investoren und Wirtschaftsakteuren langfristige Vorhersehbarkeit und Sicherheit zu geben.
Und der Green Deal bietet diese Vorhersehbarkeit derzeit nicht? Das war doch der Hauptgrund, ihn überhaupt einst einzuführen, oder nicht?
Wenn es um Investitionen in die Zukunft geht, haben wir mit dem Fit-for-55-Paket einen gesetzlichen Rahmen, der sehr gut für 2030 geeignet ist. Aber er ist nicht unbedingt für 2040 geeignet. Wenn wir mit unserem derzeitigen Rahmen über 2030 hinausgehen, werden wir die Emissionen im Jahr 2040 um 88 Prozent senken, aber nicht auf die kosteneffizienteste Weise.
Warum nicht?
Im ETS 1 würde es beispielsweise ab 2039 keine neuen Emissionszertifikate geben, was für eine Reihe von Industriezweigen unerschwinglich wäre. Die Zementindustrie zum Beispiel hat prozessbedingte Emissionen, die sie nicht vermeiden oder eindämmen kann, sodass es für sie sehr teuer werden würde. Auch sind nicht alle Sektoren ausreichend abgedeckt, wie beispielsweise die Landwirtschaft. Den Rahmen für 2030 wollen wir jedoch nicht ändern. Wir werden also keine Regeln zum Fit-for-55-Programm hinzufügen oder ändern. Wir sprechen nur darüber, was sich danach ändern muss.
Was ist der kosteneffizienteste Weg?
Es wird keine radikale Überarbeitung sein. Was sehr gut funktioniert, ist der Emissionshandel. Die Bepreisung von Treibhausgasen wird also das Zugpferd unserer Klimapolitik bleiben. Aber wir müssen Netto-Negativ-Emissionen erreichen, also brauchen wir in Zukunft CO₂-Abbau in großem Umfang. Deshalb untersuchen wir, wie wir den CO₂-Abbau im Rahmen des ETS belohnen können.
Zum Beispiel durch die Einbeziehung des Agrar- und Lebensmittelsektors?
Der Agrar- und Lebensmittelsektor kann eine sehr wichtige Kohlenstoffsenke sein. Aber lassen Sie mich ganz klar sagen, dass wir uns noch nicht dazu positioniert haben, ob wir ein Agrifood-ETS einführen. Wir prüfen dies derzeit. Aber wir sehen für die Zukunft einen steigenden Bedarf an Land, nicht nur für Lebensmittel. Lebensmittelproduktion ist zwar nach wie vor die zentrale Aufgabe der Landwirtschaft, aber in Zukunft wird noch viel mehr von den Flächen abhängen: Bioenergie, biogener Kohlenstoff, Biomasse, die wir für eine Kreislaufwirtschaft brauchen, die sich von fossilen Brennstoffen wegbewegt. Es besteht die Möglichkeit, Kohlenstoff in den Böden zu speichern. Wir sind also der Meinung, dass den Landwirten ein größeres Portfolio an Geschäftsmöglichkeiten zur Verfügung steht, zusätzliche Bereiche der Landwirtschaft, die sich für sie lohnen. Einer davon ist der CO₂-Abbau.
Und was passiert mit dem EU-Subventionsprogramm für Landwirte, der sogenannten GAP?
Wenn es ein breiteres Spektrum an Geschäftsmöglichkeiten gibt, sollten wir das Landwirtschaftsmodell von einem auf europäischen Subventionen basierenden Modell auf ein Modell umstellen, das auf Marktsignalen beruht. Auf diese Weise werden die Landwirte zu echten Unternehmern und Wirtschaftsakteuren, die nicht auf Subventionen reagieren, für die sie eine Menge Papierkram ausfüllen müssen, sondern auf das, was der Markt bereit ist zu kaufen und dafür zu bezahlen. Wenn wir in diese Richtung gehen, dann ist es sehr wichtig, dass die Marktsignale die externen Kosten internalisieren. Mit anderen Worten, die Kosten der Treibhausgasemissionen. Aus diesem Grund prüfen wir die Möglichkeit eines Agrifood-ETS.
Und Sie glauben, dass die Landwirte dies unterstützen werden?
Ich denke, dass das gesamte Ökosystem der Agrar- und Ernährungswirtschaft nicht grundsätzlich dagegen ist, weil die Lebensmittelhersteller wissen, dass dies eine Möglichkeit ist, mit Scope-3-Emissionen umzugehen, für die sie sonst keine Lösung haben. Und der Landwirtschaftssektor sagt, dass dies insofern interessant sein könnte, als es Einnahmen generiert, die wieder in die Belohnung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken fließen könnten. Und es würde auch ein Preissignal an den Verbraucher senden, der zu einem besseren Verbrauchsverhalten angeregt werden würde.
Wie sieht der Zeitplan für das Gesetzespaket zum 2040-Ziel aus?
Wir sind gerade dabei, alle Studien, alle Expertengruppen und alle erforderlichen Analysen zu erstellen. Die Reihenfolge, die wir der nächsten Kommission empfehlen werden, ist, dass wir, sobald das College sein Amt antritt – Ende dieses Jahres oder Anfang 2025 – den Vorschlag zur Änderung des Klimagesetzes annehmen, um das 2040-Ziel einzuführen. Dieser wird dann das Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament und im Rat durchlaufen. Bis zum Sommer 2025 muss die Kommission einen Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vorlegen, der ebenfalls von entscheidender Bedeutung sein wird, da es bei der Erreichung der Ziele vor allem um Investitionen gehen wird. Daher wird die Art und Weise, wie der europäische Haushalt Investitionen mobilisieren und kapitalisieren kann, sehr wichtig sein. Im Jahr 2026 würden wir dann ein neues Paket von Vorschlägen vorlegen, um uns für 2040 fit zu machen.
2026 ist auch das Jahr, in dem viele Überprüfungen der aktuellen Regelungen anstehen …
Ja, wir müssen vermeiden, dass diese Überprüfungen isoliert voneinander durchgeführt werden, denn wir brauchen eine systemische Sichtweise auf die Dinge. Deshalb wollen wir das neue Legislativpaket im Jahr 2026, was uns dann drei oder vier Jahre Zeit gibt, um mit den Interessengruppen, den Mitgliedstaaten und dem Parlament zu diskutieren und zu verhandeln. Auf diese Weise können wir die nächsten Jahrzehnte in einem sehr engen Dialog mit allen Beteiligten vorbereiten.
Dürre im letzten Sommer, ein extrem nasser Winter, nun Hochwasser im Saarland: Der Klimawandel stellt die öffentliche Infrastruktur in Deutschland vor große Herausforderungen. Auch bei der Versorgung mit Trinkwasser wird er ein immer wichtigerer Faktor. Unregelmäßige Niederschläge, höherer Wasserbedarf in Dürrezeiten und mehr Aufwand bei der Sicherung der Qualität stellen vor allem das Management von Talsperren vor große Aufgaben. Zwar ist die Versorgung gesichert, aber Aufwand und Kosten für die Anpassung an die Klimakrise werden weiter steigen, warnen Experten.
Rund zehn Prozent des Trinkwassers in Deutschland kommt aus Talsperren. Ungefähr acht Millionen Menschen werden so versorgt. Die Klimakrise erfordert dabei zunehmend Anpassungsmaßnahmen: Lange, intensive Dürren, Hochwasser und mehr Aufwand für die Aufbereitung zu Trinkwasser sind Herausforderungen, die die Bundesregierung in der nationalen Wasserstrategie aus dem vergangenen Jahr benennt.
“Als Oberflächengewässer sind Talsperren viel anfälliger für Klimaveränderungen als das Grundwasser“, erklärt Karsten Rinke, der am Umweltforschungs-Zentrum (UFZ) in Leipzig den Bereich Seenforschung leitet.
Die Wasserqualität in den Talsperren wird demnach von folgenden Faktoren beeinflusst:
“Die mittleren Zustände des Wasserhaushalts verändern sich in Deutschland zukünftig nicht so stark”, erklärt Andreas Marx gegenüber Table.Briefings. Er ist am UFZ verantwortlich für den Dürremonitor. “Was der Klimawandel aber gebracht hat, ist eine größere Variabilität.” Das heißt: Einzelne Jahre können nasser oder trockener sein als im langjährigen Mittel. Und auch innerhalb eines Jahres kann die Niederschlagsmenge stärker schwanken als gewohnt.
Das sind Herausforderungen für die Talsperren-Betreiber, denn die Reservoire dienen sowohl der Trinkwasserversorgung als auch dem Hochwasserschutz. Dafür richten sie sich nach Wasserwirtschaftsplänen. In diesen sind bisher häufig kalendarische Zeitpunkte festgelegt, wann etwa mehr Wasser abgelassen beziehungsweise aufgefangen werden sollte. Diese Pläne müssen wegen des Klimawandels flexibler werden und die Talsperren-Betreiber müssten viel kurzfristiger entscheiden, argumentiert Maren Dietze im Gespräch mit Table.Briefings. Sie ist beim Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt unter anderem für die Rappbode-Talsperre im Harz zuständig.
Dazu kommt: Höhere Temperaturen führen auch zu einer steigenden Nachfrage an Trinkwasser. Matthias Strandfuß von der Elbhaus-Ostharz GmbH geht allerdings davon aus, dass diese punktuelle Schwankung im Jahresmittel nur gering sein wird. Ein Temperaturanstieg von zwei Grad führt nach seinen Prognosen nur zu einem Anstieg des Trinkwasserbedarfs um ein Prozent. Problematischer sei allerdings, dass man sich für Hitzewellen auch auf stark steigende Spitzenbedarfe einstellen müsse. Diese Veränderung werde für die Betreiber der Talsperren teuer und aufwändig.
“Technisch können wir inzwischen jedes Wasser zu Trinkwasserqualität aufbereiten“, sagt Matthias Böhme zu Table.Briefings. Er arbeitet mit dem Ingenieurbüro Rinne aktuell daran, in Steina im Harz eine neue Aufbereitungsanlage zu installieren. Dort hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme mit der Wasserqualität gegeben und die Anlage musste deswegen zeitweise aus dem Betrieb genommen werden.
Die neue Anlage wird das Wasser mithilfe von Ozon aufbereiten. All das habe aber seinen Preis, meint Böhme. Wenn in Zukunft noch komplexere, technischere Lösungen nötig wären, steigen die Betriebskosten von Talsperren. Das könnte auch die Wasserpreise deutlich nach oben treiben.
Neben technischen Anpassungsmaßnahmen seien deshalb auch andere Instrumente nötig, meint Böhme. Zum einen ist nachhaltiges Wald- und Forstmanagement nötig: Wälder sollten widerstandsfähig aufgeforstet werden, dafür müssen verschiedene Akteure zusammenarbeiten.
Auch im Management der Talsperren gebe es Möglichkeiten: Karsten Rinke vom UFZ erklärt beispielsweise, dass das Ökosystem der Seen stabilisiert werden kann, wenn nicht kaltes Wasser vom Grund der Stauseen abgeleitet wird, sondern stattdessen warmes Wasser von der Oberfläche. Unter Umständen würden dafür allerdings teure Investitionen in Infrastruktur für tiefen-variable Wasserentnahme nötig. Zudem sei es wichtig, dass Behörden, wissenschaftliche Institutionen und Betreiber von Talsperren gut zusammenarbeiten, meint Dietze.
Andreas Marx vom UFZ gibt allerdings Entwarnung zur Frage der Versorgungssicherheit. Die Trinkwasserversorgung in Deutschland sei nicht unmittelbar gefährdet. “Wir haben ein gesellschaftlich resilientes System. Wir haben sowohl Behörden als auch Regularien, die funktionieren. Und gleichzeitig sind wir ein wohlhabendes Land.” In Südeuropa oder auch in Ländern des Globalen Südens sei diese Herausforderung viel größer.
Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs, beispielsweise das Gebäudeenergiegesetz, reichen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus, um das Effizienzziel der Bundesregierung für 2030 zu erreichen. Dieses sieht vor, den Energieverbrauch im Vergleich zum Jahr 2008 um 26,5 Prozent zu senken.
Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse des Beratungsinstituts Prognos, das von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) beauftragt wurde. Der Aufholbedarf liege demnach bei jährlich rund 60 Milliarden Kilowattstunden, die eingespart werden müssten. Das entspricht der Stromerzeugung von mehreren Großkraftwerken.
Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass es viel weitgehendere Maßnahmen brauche. Zum Beispiel einen deutlich höheren CO₂-Preis, Sanierungsverpflichtungen für die energetisch schlechtesten Gebäuden und die Pflicht für Unternehmen, ein Energie- und Umweltmanagement-System einzuführen. “In den letzten Jahren ist der Primärenergieverbrauch vor allem durch den Umbau der Stromversorgung deutlich gesunken. Der Endverbrauch von Gebäuden, Industrie und Verkehr aber kaum”, sagt Friedrich Seefeldt von Prognos. Deshalb erwarten die Studienautoren, dass vor allem die Ziele beim Endenergieverbrauch verfehlt werden.
Im Herbst 2023 hat die Bundesregierung das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) beschlossen, das erstmals verbindliche Energieeinsparziele festlegt. Mit dem Energieeffizienzgesetz wurden die EU-Vorgaben der Energieeffizienzrichtlinie in nationales Gesetz übertragen. Die Energieeffizienz-Ziele zu erreichen und den Energieverbrauch zu senken sind wichtige Voraussetzungen zur Erreichung der Klimaschutzziele in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie. seh
Durch Sturm, Hagel und Starkregen sind im vergangenen Jahr versicherte Schäden in Höhe von 5,7 Milliarden Euro entstanden. “Das sind 1,7 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2022”, teilte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Montag in Berlin mit. Grund dafür seien “vor allem schwere und teure Hagelschäden an Kraftfahrzeugen” – auch, weil Ersatzteile und Reparaturen teurer geworden sind. Der bisherige registrierte Rekord lag dem Verband zufolge mit 13,9 Milliarden Euro im Jahr 2021, dem Jahr des Hochwassers im Ahrtal.
2023 seien die meisten versicherten Schäden in Bayern entstanden – mehr als zwei Milliarden Euro wurden dort registriert. Hessen kam in der Statistik auf Platz zwei mit 890 Millionen Euro. Nicht in die Statistik eingeflossen sind die Schäden durch die Unwetter im Saarland zu Pfingsten 2024. Der GDV schätzt die versicherten Schäden auf rund 200 Millionen Euro.
Als Reaktion auf die Naturgewalten kam zuletzt aus der Politik erneut die Forderung nach Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden auf. Darüber wollen die Ministerpräsidenten der Länder im nächsten Monat mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen. Dazu sagte Asmussen: “Eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel hilft niemandem – weder Hausbesitzern noch Ländern und Kommunen.”
Der Fokus beim Schutz vor Naturgefahren müsse auf Klimafolgen-Anpassung liegen, forderte der Hauptgeschäftsführer. “Wir benötigen eine Verankerung der Anpassung an den Klimawandel im Bauordnungsrecht, weniger Flächenversiegelungen und Bauverbote in Überschwemmungsgebieten.” dpa/lb
In den letzten Jahrzehnten hat das Antarktische Eisschild bereits signifikant zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen. Neu ausgewertete Satellitendaten aus dem Frühjahr 2023 legen nun nahe, dass der Thwaites-Gletscher in der westlichen Antarktis in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wieder schneller schmelzen könnte, nachdem sich die Gletscherschmelze zuvor verlangsamt hatte. Grund dafür sei warmes Meerwasser, das unter das Eisschelf eindringt und es “hebt, senkt und biegt”, wie eine aktuelle Studie im Fachmagazin PNAS zeigt.
Der Thwaites-Gletscher ist halb so groß wie Deutschland. Schmilzt er vollständig ab, würde der Meeresspiegel um 60 Zentimeter ansteigen. Er gilt als “instabilster Ort in der Antarktis” und wird daher auch “Weltuntergangsgletscher” genannt. Erstmals konnte das amerikanische Forscherteam nun die Folgen der Gezeiten modellieren. Die Aufnahmen zeigen, wie die Flut warmes Meerwasser viele Kilometer weit unter das Eisschelf presst. Dadurch rutscht das Eisschild nach, was den Schmelzvorgang demnächst beschleunigen könnte.
“Die Sorge ist, dass wir die Geschwindigkeit unterschätzen, mit der sich der Gletscher verändert. Das wäre für die Küstengemeinden auf der ganzen Welt verheerend”, sagte Christine Dow, Co-Autorin der Studie und Professorin an der Umweltfakultät der Universität Waterloo in Ontario, Kanada. “Derzeit haben wir nicht genügend Informationen, um sagen zu können, ab wann das Eindringen von Meerwasser unumkehrbar ist.” Durch die Verbesserung der Modelle könne man dies zumindest für Jahrzehnte statt Jahrhunderte festlegen.
Ihr Kollege und Leitautor der Studie, Eric Rignot von der Universität Kalifornien, mahnte, dass es für detailliertere Ergebnisse auch mehr Budget brauche: “Derzeit besteigen wir den Mount Everest mit Tennisschuhen.” Die neue Satellitendaten zeigen jedenfalls: Der Thwaites-Gletscher ist verwundbarer und könnte schneller an Eismasse verlieren als bisher angenommen. lb
Mehr als die Hälfte der Mangroven-Ökosysteme weltweit könnten bis zum Jahr 2050 kippen und verschwinden. Sie seien vor allem bedroht durch fortschreitende Abholzung und Verschmutzung, den Bau von Staudämmen, den Anstieg des Meeresspiegels und durch Stürme, die im Klimawandel häufiger auftreten. Das zeigt die erste weltweite Erhebung der Mangrovenbestände, die die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) anhand der Roten Liste für Ökosysteme durchgeführt hat. Mehr als 250 Experten in 44 Ländern haben daran mitgewirkt.
Demnach gefährdet der Klimawandel ein Drittel der Mangroven-Ökosysteme. “Ihr Verlust könnte für die Natur und die Menschen auf der ganzen Welt katastrophale Folgen haben”, sagte Angela Andrade, Vorsitzende der IUCN-Kommission für Ökosystemmanagement. Ohne “signifikante Veränderungen” drohe der Verlust von:
Der Auswertung zufolge müssten die Mangrovenbestände erhalten und verlorene Mangroven renaturiert werden, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Zudem solle man ermöglichen, dass sich Mangroven weiter landeinwärts ausdehnen können, um den Anstieg des Meeresspiegels zu bewältigen. Entscheidend dafür sei auch die Mangrove-Breakthrough-Intitiative, die auf der COP27 vorgestellt wurde und auch von Deutschland unterstützt wird. Sie sieht vor, bis 2030 mehr als 15 Millionen Hektar Mangroven zu schützen. lb
Mit den CO₂-basierten Einnahmen aus der Lkw-Maut sollte die Bundesregierung aus Sicht der Speditions- und Logistikbranche künftig auch den Umbau der Lastwagenflotten auf fossilfreie Antriebe fördern. “Bereits für das Haushaltsjahr 2025 müssen dafür die kumulierten Mehreinnahmen (30 Milliarden Euro bis 2027) als Teil eines ‘nachhaltigen Finanzierungskreislaufs Straße’ in die klimafreundliche Transformation des Straßengüterverkehrs zurückfließen”, fordern mehrere Branchenverbände nach einem Treffen mit Vertretern aus dem Bundeskanzleramt.
Konkret geht es dabei um die Einnahmen aus dem zum 1. Dezember 2023 eingeführten CO₂-Aufschlag bei der Lkw-Maut für schwere Lastwagen auf Bundesstraßen und Autobahnen. Die Mauteinnahmen werden zweckgebunden verwendet für die Verbesserung der Bundesfernstraßen-Infrastruktur sowie für Maßnahmen im Mobilitätsbereich mit Schwerpunkt auf den Bundesschienenwegen. Nach Vorstellung der Branche soll die Regierung stattdessen die Unternehmen bei der Anschaffung elektrisch oder mit Wasserstoff betriebener Nutzfahrzeuge fördern. Auch der Ausbau von Ladeinfrastruktur solle mit den Mitteln vorangetrieben werden.
Daneben fordern der Bundesverband Spedition und Logistik, der Bundesverband für Eigenlogistik und Verlader sowie der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung auch eine Reform der Kraftstoffbesteuerung. Bio- und strombasierte Kraftstoffe sollen demnach je nach ihrer Klimawirkung besteuert und begünstigt werden. Der Branche zufolge liegt der Anteil von rein elektrisch angetriebenen Lastwagen im zugelassenen Bestand in Deutschland bei lediglich 0,07 Prozent. dpa/lb
In Mexiko könnte mit Claudia Sheinbaum bald eine Klimawissenschaftlerin regieren. Am 2. Juni stellt sich die 61-Jährige zur Wahl. Ihren Wahlkampf eröffnete sie Anfang März in Mexiko-Stadt. Sheinbaum gilt als eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen und soll die Arbeit von Andrés Manuel López Obrador weiterführen, der nicht mehr kandidieren darf. Beide gehören der Morena-Partei an. Mexikos aktueller Präsident gilt als volksnaher Linkspopulist. Sheinbaum hingegen ist eine Technokratin und profitiert von der Popularität des aktuellen Präsidenten. In Umfragen für die Wahlen führt sie aktuell deutlich.
Für die Klimapolitik des Landes könnte die Wahl von Sheinbaum zumindest theoretisch ein echter Fortschritt sein. Sheinbaum hat einen Doktortitel als Energieingenieurin, hat an zwei IPCC-Berichten mitgearbeitet und gilt als Politikerin, die sich stark an der Wissenschaft ausrichtet. Manche bezeichnen sie darum sogar als “Lateinamerikas Angela Merkel”. Sheinbaum kommt aus einer jüdischen Familie von Einwanderern aus Litauen und Bulgarien und hat Physik studiert. Sie hat zwei Kinder. 2016 trennte sie sich von ihrem damaligen Ehemann und heirate im vergangenen Jahr erneut. Ansonsten ist wenig über ihr Privatleben bekannt; Mitarbeitende hatten sie in der Vergangenheit als eher arrogant und kurz angebunden beschrieben.
Ihre politische Karriere begann Sheinbaum im Jahr 2000 als Umweltsekretärin von Mexiko-Stadt. Nach verschiedenen anderen Stationen wurde sie 2018 Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt. Im vergangenen Jahr legte sie das Amt der Bürgermeisterin nieder, um als Präsidentin zu kandieren. Als Bürgermeisterin der 20-Millionen-Metropole trieb sie Klimaschutz eher punktuell voran, beispielsweise durch die Elektrifizierung von Bussen oder in dem sie auf die riesigen Markthallen des Lebensmittelmarkts “Mercado de Abastos” Solarzellen montieren ließ.
Projekte wie diese sind aber kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein: Mexiko habe die “schwächste Klimapolitik der G20”, titelte das Online-Portal Energy Monitor beispielsweise im letzten Jahr. Der Climate Action Tracker bewertet die Klimapolitik mit der schlechtesten Kategorie “kritisch unzureichend”. Seit 2018 wurde unter López Obrador “Energiesouveränität” priorisiert und Erneuerbare wurden kaum ausgebaut. Ende 2022 kamen gerade einmal 23 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren. Das Ziel, bis Ende 2024 35 Prozent zu erreichen, gilt als unrealistisch. Als einziges G20-Land hat Mexiko bisher kein Netto-Null-Ziel vorgelegt.
Ein wenig tut sich trotzdem in Sachen Erneuerbare: Großes Vorzeigeprojekt des Landes ist “Sonora”, ein Solarpark mit einer Kapazität von 1.000 Megawatt, der aber nicht vor 2028 ans Netz gehen wird. Gleichzeitig wurden in den vergangenen Jahren aber auch neue Ölraffinerien eröffnet und der staatseigene Konzern PEMEX ist ein wichtiger Player. López Obrador hatte außerdem versprochen, mindestens 54 Prozent der Stromproduktion in staatlicher Hand – und damit auch in der Hand des staatseigenen Ölkonzerns PEMEX – zu halten. Sheinbaum will an diesem Ziel festhalten, private Investoren in Erneuerbare schreckt das ab.
Es ist unklar, ob Sheinbaum tatsächlich eine deutlich ambitioniertere Energiepolitik als López Obrador durchsetzen würde: Sie steht als Zögling von López Obrador zunächst für seine Politik, Kritiker bezeichnen sie gar als seine Marionette. Sie zeigt sich aber zumindest privaten Investitionen für Erneuerbare gegenüber offener als der amtierende Präsident. Mitte April legte Sheinbaum einen Plan vor, der Hoffnung macht. Im Falle eines Wahlsiegs will sie demnach bis 2030 rund 13,5 Milliarden US-Dollar in Erneuerbare-Projekte investieren.
Unter Umständen würde Mexikos Klimapolitik aber noch mehr gewinnen, wenn Sheinbaum die Wahlen überraschend verliert: Neben ihr hat noch die 60-jährige Computeringenieurin und Unternehmerin Xochitl Gálvez Chancen zu gewinnen. Das Land wird zukünftig demnach wohl zum ersten Mal von einer Frau regiert werden. Gálvez tritt für das Bündnis “Frente Amplio” an. Sie gilt als Verfechterin des Ausbaus von Erneuerbaren, will die “Sucht nach fossilen Energieträgern” bekämpfen und zusammen mit der Privatwirtschaft billige und saubere Energie ausbauen.
für uns ist es sehr wichtig, was wir schreiben – aber manchmal auch, was wir nicht schreiben. So haben wir in der Redaktion lange debattiert, ob wir über den Vorstoß der CDU/CSU berichten sollen, das Aus für Verbrennungsmotoren in der EU ab 2035 zurückzunehmen. Unsere Antwort: Nein. Denn der Vorschlag kommt nicht zufällig kurz vor den EU-Wahlen und lässt für ernstgemeinte Politik alle Fragen offen: Wie sonst sollen die Klimaziele realistisch erreicht werden, außer mit der Hoffnung auf unbekannte, neue Technik? Woher sollen klimafreundliche Ersatztreibstoffe kommen? Wo ist die Investitionssicherheit für die europäische Autoindustrie? Und warum machen die Christdemokraten Stimmung gegen den Green Deal ihrer eigenen Parteifreundin und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen? Sollten sich ernsthafte Antworten abzeichnen, werden wir selbstverständlich darüber berichten.
Dafür blicken wir heute wieder einmal auf reale Herausforderungen: Auf die Pläne der EU-Kommission, wie es langfristig mit dem Green Deal weitergeht, auf die Ansprüche an die deutsche Wasserversorgung in Zeiten des Klimawandels, auf den schlimmen Zustand der Mangrovenwälder, die weltweit Küsten schützen, auf einen schmelzenden Mega-Gletscher in der Antarktis und auf das Risiko, dass Deutschland sein Effizienz-Ziel für 2030 verpasst.
Wir bleiben dran an den relevanten Themen.
Herr Vandenberghe, die Kommission hat ein Netto-Treibhausgasreduktionsziel von 90 Prozent für das Jahr 2040 vorgeschlagen. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Regelungen für das Klimaziel 2030 noch nicht vollständig umgesetzt sind. Was genau bereiten Sie derzeit vor?
Der vollständige Übergang zum Klimaschutz ist im Grunde eine Agenda für die Modernisierung unserer Wirtschaft und für Investitionen. Investitionen, die unsere Wirtschaft braucht, denn in China machen Investitionen 40 Prozent des BIP aus, in Europa sind es 20 Prozent. Das ganze Gerede über Wettbewerbsfähigkeit läuft also im Grunde auf die Frage hinaus, wie viel man in seine Wirtschaft investiert. Und da haben wir einen großen Nachholbedarf.
Aber warum gerade jetzt? Es gibt im Moment kaum Impulse für Klimapolitik.
Wenn man über Investitionen spricht, kann man nicht nur die eine Zeitspanne von sechs Jahren betrachten. Man braucht eine Perspektive von zehn, 15, 20 Jahren. Denn das ist der Zeithorizont für viele dieser Investitionen. Wir haben das THG-Reduktionsziel von 90 Prozent für 2040 vorgelegt, um den Investoren und Wirtschaftsakteuren langfristige Vorhersehbarkeit und Sicherheit zu geben.
Und der Green Deal bietet diese Vorhersehbarkeit derzeit nicht? Das war doch der Hauptgrund, ihn überhaupt einst einzuführen, oder nicht?
Wenn es um Investitionen in die Zukunft geht, haben wir mit dem Fit-for-55-Paket einen gesetzlichen Rahmen, der sehr gut für 2030 geeignet ist. Aber er ist nicht unbedingt für 2040 geeignet. Wenn wir mit unserem derzeitigen Rahmen über 2030 hinausgehen, werden wir die Emissionen im Jahr 2040 um 88 Prozent senken, aber nicht auf die kosteneffizienteste Weise.
Warum nicht?
Im ETS 1 würde es beispielsweise ab 2039 keine neuen Emissionszertifikate geben, was für eine Reihe von Industriezweigen unerschwinglich wäre. Die Zementindustrie zum Beispiel hat prozessbedingte Emissionen, die sie nicht vermeiden oder eindämmen kann, sodass es für sie sehr teuer werden würde. Auch sind nicht alle Sektoren ausreichend abgedeckt, wie beispielsweise die Landwirtschaft. Den Rahmen für 2030 wollen wir jedoch nicht ändern. Wir werden also keine Regeln zum Fit-for-55-Programm hinzufügen oder ändern. Wir sprechen nur darüber, was sich danach ändern muss.
Was ist der kosteneffizienteste Weg?
Es wird keine radikale Überarbeitung sein. Was sehr gut funktioniert, ist der Emissionshandel. Die Bepreisung von Treibhausgasen wird also das Zugpferd unserer Klimapolitik bleiben. Aber wir müssen Netto-Negativ-Emissionen erreichen, also brauchen wir in Zukunft CO₂-Abbau in großem Umfang. Deshalb untersuchen wir, wie wir den CO₂-Abbau im Rahmen des ETS belohnen können.
Zum Beispiel durch die Einbeziehung des Agrar- und Lebensmittelsektors?
Der Agrar- und Lebensmittelsektor kann eine sehr wichtige Kohlenstoffsenke sein. Aber lassen Sie mich ganz klar sagen, dass wir uns noch nicht dazu positioniert haben, ob wir ein Agrifood-ETS einführen. Wir prüfen dies derzeit. Aber wir sehen für die Zukunft einen steigenden Bedarf an Land, nicht nur für Lebensmittel. Lebensmittelproduktion ist zwar nach wie vor die zentrale Aufgabe der Landwirtschaft, aber in Zukunft wird noch viel mehr von den Flächen abhängen: Bioenergie, biogener Kohlenstoff, Biomasse, die wir für eine Kreislaufwirtschaft brauchen, die sich von fossilen Brennstoffen wegbewegt. Es besteht die Möglichkeit, Kohlenstoff in den Böden zu speichern. Wir sind also der Meinung, dass den Landwirten ein größeres Portfolio an Geschäftsmöglichkeiten zur Verfügung steht, zusätzliche Bereiche der Landwirtschaft, die sich für sie lohnen. Einer davon ist der CO₂-Abbau.
Und was passiert mit dem EU-Subventionsprogramm für Landwirte, der sogenannten GAP?
Wenn es ein breiteres Spektrum an Geschäftsmöglichkeiten gibt, sollten wir das Landwirtschaftsmodell von einem auf europäischen Subventionen basierenden Modell auf ein Modell umstellen, das auf Marktsignalen beruht. Auf diese Weise werden die Landwirte zu echten Unternehmern und Wirtschaftsakteuren, die nicht auf Subventionen reagieren, für die sie eine Menge Papierkram ausfüllen müssen, sondern auf das, was der Markt bereit ist zu kaufen und dafür zu bezahlen. Wenn wir in diese Richtung gehen, dann ist es sehr wichtig, dass die Marktsignale die externen Kosten internalisieren. Mit anderen Worten, die Kosten der Treibhausgasemissionen. Aus diesem Grund prüfen wir die Möglichkeit eines Agrifood-ETS.
Und Sie glauben, dass die Landwirte dies unterstützen werden?
Ich denke, dass das gesamte Ökosystem der Agrar- und Ernährungswirtschaft nicht grundsätzlich dagegen ist, weil die Lebensmittelhersteller wissen, dass dies eine Möglichkeit ist, mit Scope-3-Emissionen umzugehen, für die sie sonst keine Lösung haben. Und der Landwirtschaftssektor sagt, dass dies insofern interessant sein könnte, als es Einnahmen generiert, die wieder in die Belohnung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken fließen könnten. Und es würde auch ein Preissignal an den Verbraucher senden, der zu einem besseren Verbrauchsverhalten angeregt werden würde.
Wie sieht der Zeitplan für das Gesetzespaket zum 2040-Ziel aus?
Wir sind gerade dabei, alle Studien, alle Expertengruppen und alle erforderlichen Analysen zu erstellen. Die Reihenfolge, die wir der nächsten Kommission empfehlen werden, ist, dass wir, sobald das College sein Amt antritt – Ende dieses Jahres oder Anfang 2025 – den Vorschlag zur Änderung des Klimagesetzes annehmen, um das 2040-Ziel einzuführen. Dieser wird dann das Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament und im Rat durchlaufen. Bis zum Sommer 2025 muss die Kommission einen Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vorlegen, der ebenfalls von entscheidender Bedeutung sein wird, da es bei der Erreichung der Ziele vor allem um Investitionen gehen wird. Daher wird die Art und Weise, wie der europäische Haushalt Investitionen mobilisieren und kapitalisieren kann, sehr wichtig sein. Im Jahr 2026 würden wir dann ein neues Paket von Vorschlägen vorlegen, um uns für 2040 fit zu machen.
2026 ist auch das Jahr, in dem viele Überprüfungen der aktuellen Regelungen anstehen …
Ja, wir müssen vermeiden, dass diese Überprüfungen isoliert voneinander durchgeführt werden, denn wir brauchen eine systemische Sichtweise auf die Dinge. Deshalb wollen wir das neue Legislativpaket im Jahr 2026, was uns dann drei oder vier Jahre Zeit gibt, um mit den Interessengruppen, den Mitgliedstaaten und dem Parlament zu diskutieren und zu verhandeln. Auf diese Weise können wir die nächsten Jahrzehnte in einem sehr engen Dialog mit allen Beteiligten vorbereiten.
Dürre im letzten Sommer, ein extrem nasser Winter, nun Hochwasser im Saarland: Der Klimawandel stellt die öffentliche Infrastruktur in Deutschland vor große Herausforderungen. Auch bei der Versorgung mit Trinkwasser wird er ein immer wichtigerer Faktor. Unregelmäßige Niederschläge, höherer Wasserbedarf in Dürrezeiten und mehr Aufwand bei der Sicherung der Qualität stellen vor allem das Management von Talsperren vor große Aufgaben. Zwar ist die Versorgung gesichert, aber Aufwand und Kosten für die Anpassung an die Klimakrise werden weiter steigen, warnen Experten.
Rund zehn Prozent des Trinkwassers in Deutschland kommt aus Talsperren. Ungefähr acht Millionen Menschen werden so versorgt. Die Klimakrise erfordert dabei zunehmend Anpassungsmaßnahmen: Lange, intensive Dürren, Hochwasser und mehr Aufwand für die Aufbereitung zu Trinkwasser sind Herausforderungen, die die Bundesregierung in der nationalen Wasserstrategie aus dem vergangenen Jahr benennt.
“Als Oberflächengewässer sind Talsperren viel anfälliger für Klimaveränderungen als das Grundwasser“, erklärt Karsten Rinke, der am Umweltforschungs-Zentrum (UFZ) in Leipzig den Bereich Seenforschung leitet.
Die Wasserqualität in den Talsperren wird demnach von folgenden Faktoren beeinflusst:
“Die mittleren Zustände des Wasserhaushalts verändern sich in Deutschland zukünftig nicht so stark”, erklärt Andreas Marx gegenüber Table.Briefings. Er ist am UFZ verantwortlich für den Dürremonitor. “Was der Klimawandel aber gebracht hat, ist eine größere Variabilität.” Das heißt: Einzelne Jahre können nasser oder trockener sein als im langjährigen Mittel. Und auch innerhalb eines Jahres kann die Niederschlagsmenge stärker schwanken als gewohnt.
Das sind Herausforderungen für die Talsperren-Betreiber, denn die Reservoire dienen sowohl der Trinkwasserversorgung als auch dem Hochwasserschutz. Dafür richten sie sich nach Wasserwirtschaftsplänen. In diesen sind bisher häufig kalendarische Zeitpunkte festgelegt, wann etwa mehr Wasser abgelassen beziehungsweise aufgefangen werden sollte. Diese Pläne müssen wegen des Klimawandels flexibler werden und die Talsperren-Betreiber müssten viel kurzfristiger entscheiden, argumentiert Maren Dietze im Gespräch mit Table.Briefings. Sie ist beim Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt unter anderem für die Rappbode-Talsperre im Harz zuständig.
Dazu kommt: Höhere Temperaturen führen auch zu einer steigenden Nachfrage an Trinkwasser. Matthias Strandfuß von der Elbhaus-Ostharz GmbH geht allerdings davon aus, dass diese punktuelle Schwankung im Jahresmittel nur gering sein wird. Ein Temperaturanstieg von zwei Grad führt nach seinen Prognosen nur zu einem Anstieg des Trinkwasserbedarfs um ein Prozent. Problematischer sei allerdings, dass man sich für Hitzewellen auch auf stark steigende Spitzenbedarfe einstellen müsse. Diese Veränderung werde für die Betreiber der Talsperren teuer und aufwändig.
“Technisch können wir inzwischen jedes Wasser zu Trinkwasserqualität aufbereiten“, sagt Matthias Böhme zu Table.Briefings. Er arbeitet mit dem Ingenieurbüro Rinne aktuell daran, in Steina im Harz eine neue Aufbereitungsanlage zu installieren. Dort hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme mit der Wasserqualität gegeben und die Anlage musste deswegen zeitweise aus dem Betrieb genommen werden.
Die neue Anlage wird das Wasser mithilfe von Ozon aufbereiten. All das habe aber seinen Preis, meint Böhme. Wenn in Zukunft noch komplexere, technischere Lösungen nötig wären, steigen die Betriebskosten von Talsperren. Das könnte auch die Wasserpreise deutlich nach oben treiben.
Neben technischen Anpassungsmaßnahmen seien deshalb auch andere Instrumente nötig, meint Böhme. Zum einen ist nachhaltiges Wald- und Forstmanagement nötig: Wälder sollten widerstandsfähig aufgeforstet werden, dafür müssen verschiedene Akteure zusammenarbeiten.
Auch im Management der Talsperren gebe es Möglichkeiten: Karsten Rinke vom UFZ erklärt beispielsweise, dass das Ökosystem der Seen stabilisiert werden kann, wenn nicht kaltes Wasser vom Grund der Stauseen abgeleitet wird, sondern stattdessen warmes Wasser von der Oberfläche. Unter Umständen würden dafür allerdings teure Investitionen in Infrastruktur für tiefen-variable Wasserentnahme nötig. Zudem sei es wichtig, dass Behörden, wissenschaftliche Institutionen und Betreiber von Talsperren gut zusammenarbeiten, meint Dietze.
Andreas Marx vom UFZ gibt allerdings Entwarnung zur Frage der Versorgungssicherheit. Die Trinkwasserversorgung in Deutschland sei nicht unmittelbar gefährdet. “Wir haben ein gesellschaftlich resilientes System. Wir haben sowohl Behörden als auch Regularien, die funktionieren. Und gleichzeitig sind wir ein wohlhabendes Land.” In Südeuropa oder auch in Ländern des Globalen Südens sei diese Herausforderung viel größer.
Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs, beispielsweise das Gebäudeenergiegesetz, reichen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus, um das Effizienzziel der Bundesregierung für 2030 zu erreichen. Dieses sieht vor, den Energieverbrauch im Vergleich zum Jahr 2008 um 26,5 Prozent zu senken.
Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse des Beratungsinstituts Prognos, das von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) beauftragt wurde. Der Aufholbedarf liege demnach bei jährlich rund 60 Milliarden Kilowattstunden, die eingespart werden müssten. Das entspricht der Stromerzeugung von mehreren Großkraftwerken.
Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass es viel weitgehendere Maßnahmen brauche. Zum Beispiel einen deutlich höheren CO₂-Preis, Sanierungsverpflichtungen für die energetisch schlechtesten Gebäuden und die Pflicht für Unternehmen, ein Energie- und Umweltmanagement-System einzuführen. “In den letzten Jahren ist der Primärenergieverbrauch vor allem durch den Umbau der Stromversorgung deutlich gesunken. Der Endverbrauch von Gebäuden, Industrie und Verkehr aber kaum”, sagt Friedrich Seefeldt von Prognos. Deshalb erwarten die Studienautoren, dass vor allem die Ziele beim Endenergieverbrauch verfehlt werden.
Im Herbst 2023 hat die Bundesregierung das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) beschlossen, das erstmals verbindliche Energieeinsparziele festlegt. Mit dem Energieeffizienzgesetz wurden die EU-Vorgaben der Energieeffizienzrichtlinie in nationales Gesetz übertragen. Die Energieeffizienz-Ziele zu erreichen und den Energieverbrauch zu senken sind wichtige Voraussetzungen zur Erreichung der Klimaschutzziele in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie. seh
Durch Sturm, Hagel und Starkregen sind im vergangenen Jahr versicherte Schäden in Höhe von 5,7 Milliarden Euro entstanden. “Das sind 1,7 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2022”, teilte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Montag in Berlin mit. Grund dafür seien “vor allem schwere und teure Hagelschäden an Kraftfahrzeugen” – auch, weil Ersatzteile und Reparaturen teurer geworden sind. Der bisherige registrierte Rekord lag dem Verband zufolge mit 13,9 Milliarden Euro im Jahr 2021, dem Jahr des Hochwassers im Ahrtal.
2023 seien die meisten versicherten Schäden in Bayern entstanden – mehr als zwei Milliarden Euro wurden dort registriert. Hessen kam in der Statistik auf Platz zwei mit 890 Millionen Euro. Nicht in die Statistik eingeflossen sind die Schäden durch die Unwetter im Saarland zu Pfingsten 2024. Der GDV schätzt die versicherten Schäden auf rund 200 Millionen Euro.
Als Reaktion auf die Naturgewalten kam zuletzt aus der Politik erneut die Forderung nach Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden auf. Darüber wollen die Ministerpräsidenten der Länder im nächsten Monat mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen. Dazu sagte Asmussen: “Eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel hilft niemandem – weder Hausbesitzern noch Ländern und Kommunen.”
Der Fokus beim Schutz vor Naturgefahren müsse auf Klimafolgen-Anpassung liegen, forderte der Hauptgeschäftsführer. “Wir benötigen eine Verankerung der Anpassung an den Klimawandel im Bauordnungsrecht, weniger Flächenversiegelungen und Bauverbote in Überschwemmungsgebieten.” dpa/lb
In den letzten Jahrzehnten hat das Antarktische Eisschild bereits signifikant zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen. Neu ausgewertete Satellitendaten aus dem Frühjahr 2023 legen nun nahe, dass der Thwaites-Gletscher in der westlichen Antarktis in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wieder schneller schmelzen könnte, nachdem sich die Gletscherschmelze zuvor verlangsamt hatte. Grund dafür sei warmes Meerwasser, das unter das Eisschelf eindringt und es “hebt, senkt und biegt”, wie eine aktuelle Studie im Fachmagazin PNAS zeigt.
Der Thwaites-Gletscher ist halb so groß wie Deutschland. Schmilzt er vollständig ab, würde der Meeresspiegel um 60 Zentimeter ansteigen. Er gilt als “instabilster Ort in der Antarktis” und wird daher auch “Weltuntergangsgletscher” genannt. Erstmals konnte das amerikanische Forscherteam nun die Folgen der Gezeiten modellieren. Die Aufnahmen zeigen, wie die Flut warmes Meerwasser viele Kilometer weit unter das Eisschelf presst. Dadurch rutscht das Eisschild nach, was den Schmelzvorgang demnächst beschleunigen könnte.
“Die Sorge ist, dass wir die Geschwindigkeit unterschätzen, mit der sich der Gletscher verändert. Das wäre für die Küstengemeinden auf der ganzen Welt verheerend”, sagte Christine Dow, Co-Autorin der Studie und Professorin an der Umweltfakultät der Universität Waterloo in Ontario, Kanada. “Derzeit haben wir nicht genügend Informationen, um sagen zu können, ab wann das Eindringen von Meerwasser unumkehrbar ist.” Durch die Verbesserung der Modelle könne man dies zumindest für Jahrzehnte statt Jahrhunderte festlegen.
Ihr Kollege und Leitautor der Studie, Eric Rignot von der Universität Kalifornien, mahnte, dass es für detailliertere Ergebnisse auch mehr Budget brauche: “Derzeit besteigen wir den Mount Everest mit Tennisschuhen.” Die neue Satellitendaten zeigen jedenfalls: Der Thwaites-Gletscher ist verwundbarer und könnte schneller an Eismasse verlieren als bisher angenommen. lb
Mehr als die Hälfte der Mangroven-Ökosysteme weltweit könnten bis zum Jahr 2050 kippen und verschwinden. Sie seien vor allem bedroht durch fortschreitende Abholzung und Verschmutzung, den Bau von Staudämmen, den Anstieg des Meeresspiegels und durch Stürme, die im Klimawandel häufiger auftreten. Das zeigt die erste weltweite Erhebung der Mangrovenbestände, die die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) anhand der Roten Liste für Ökosysteme durchgeführt hat. Mehr als 250 Experten in 44 Ländern haben daran mitgewirkt.
Demnach gefährdet der Klimawandel ein Drittel der Mangroven-Ökosysteme. “Ihr Verlust könnte für die Natur und die Menschen auf der ganzen Welt katastrophale Folgen haben”, sagte Angela Andrade, Vorsitzende der IUCN-Kommission für Ökosystemmanagement. Ohne “signifikante Veränderungen” drohe der Verlust von:
Der Auswertung zufolge müssten die Mangrovenbestände erhalten und verlorene Mangroven renaturiert werden, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Zudem solle man ermöglichen, dass sich Mangroven weiter landeinwärts ausdehnen können, um den Anstieg des Meeresspiegels zu bewältigen. Entscheidend dafür sei auch die Mangrove-Breakthrough-Intitiative, die auf der COP27 vorgestellt wurde und auch von Deutschland unterstützt wird. Sie sieht vor, bis 2030 mehr als 15 Millionen Hektar Mangroven zu schützen. lb
Mit den CO₂-basierten Einnahmen aus der Lkw-Maut sollte die Bundesregierung aus Sicht der Speditions- und Logistikbranche künftig auch den Umbau der Lastwagenflotten auf fossilfreie Antriebe fördern. “Bereits für das Haushaltsjahr 2025 müssen dafür die kumulierten Mehreinnahmen (30 Milliarden Euro bis 2027) als Teil eines ‘nachhaltigen Finanzierungskreislaufs Straße’ in die klimafreundliche Transformation des Straßengüterverkehrs zurückfließen”, fordern mehrere Branchenverbände nach einem Treffen mit Vertretern aus dem Bundeskanzleramt.
Konkret geht es dabei um die Einnahmen aus dem zum 1. Dezember 2023 eingeführten CO₂-Aufschlag bei der Lkw-Maut für schwere Lastwagen auf Bundesstraßen und Autobahnen. Die Mauteinnahmen werden zweckgebunden verwendet für die Verbesserung der Bundesfernstraßen-Infrastruktur sowie für Maßnahmen im Mobilitätsbereich mit Schwerpunkt auf den Bundesschienenwegen. Nach Vorstellung der Branche soll die Regierung stattdessen die Unternehmen bei der Anschaffung elektrisch oder mit Wasserstoff betriebener Nutzfahrzeuge fördern. Auch der Ausbau von Ladeinfrastruktur solle mit den Mitteln vorangetrieben werden.
Daneben fordern der Bundesverband Spedition und Logistik, der Bundesverband für Eigenlogistik und Verlader sowie der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung auch eine Reform der Kraftstoffbesteuerung. Bio- und strombasierte Kraftstoffe sollen demnach je nach ihrer Klimawirkung besteuert und begünstigt werden. Der Branche zufolge liegt der Anteil von rein elektrisch angetriebenen Lastwagen im zugelassenen Bestand in Deutschland bei lediglich 0,07 Prozent. dpa/lb
In Mexiko könnte mit Claudia Sheinbaum bald eine Klimawissenschaftlerin regieren. Am 2. Juni stellt sich die 61-Jährige zur Wahl. Ihren Wahlkampf eröffnete sie Anfang März in Mexiko-Stadt. Sheinbaum gilt als eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen und soll die Arbeit von Andrés Manuel López Obrador weiterführen, der nicht mehr kandidieren darf. Beide gehören der Morena-Partei an. Mexikos aktueller Präsident gilt als volksnaher Linkspopulist. Sheinbaum hingegen ist eine Technokratin und profitiert von der Popularität des aktuellen Präsidenten. In Umfragen für die Wahlen führt sie aktuell deutlich.
Für die Klimapolitik des Landes könnte die Wahl von Sheinbaum zumindest theoretisch ein echter Fortschritt sein. Sheinbaum hat einen Doktortitel als Energieingenieurin, hat an zwei IPCC-Berichten mitgearbeitet und gilt als Politikerin, die sich stark an der Wissenschaft ausrichtet. Manche bezeichnen sie darum sogar als “Lateinamerikas Angela Merkel”. Sheinbaum kommt aus einer jüdischen Familie von Einwanderern aus Litauen und Bulgarien und hat Physik studiert. Sie hat zwei Kinder. 2016 trennte sie sich von ihrem damaligen Ehemann und heirate im vergangenen Jahr erneut. Ansonsten ist wenig über ihr Privatleben bekannt; Mitarbeitende hatten sie in der Vergangenheit als eher arrogant und kurz angebunden beschrieben.
Ihre politische Karriere begann Sheinbaum im Jahr 2000 als Umweltsekretärin von Mexiko-Stadt. Nach verschiedenen anderen Stationen wurde sie 2018 Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt. Im vergangenen Jahr legte sie das Amt der Bürgermeisterin nieder, um als Präsidentin zu kandieren. Als Bürgermeisterin der 20-Millionen-Metropole trieb sie Klimaschutz eher punktuell voran, beispielsweise durch die Elektrifizierung von Bussen oder in dem sie auf die riesigen Markthallen des Lebensmittelmarkts “Mercado de Abastos” Solarzellen montieren ließ.
Projekte wie diese sind aber kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein: Mexiko habe die “schwächste Klimapolitik der G20”, titelte das Online-Portal Energy Monitor beispielsweise im letzten Jahr. Der Climate Action Tracker bewertet die Klimapolitik mit der schlechtesten Kategorie “kritisch unzureichend”. Seit 2018 wurde unter López Obrador “Energiesouveränität” priorisiert und Erneuerbare wurden kaum ausgebaut. Ende 2022 kamen gerade einmal 23 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren. Das Ziel, bis Ende 2024 35 Prozent zu erreichen, gilt als unrealistisch. Als einziges G20-Land hat Mexiko bisher kein Netto-Null-Ziel vorgelegt.
Ein wenig tut sich trotzdem in Sachen Erneuerbare: Großes Vorzeigeprojekt des Landes ist “Sonora”, ein Solarpark mit einer Kapazität von 1.000 Megawatt, der aber nicht vor 2028 ans Netz gehen wird. Gleichzeitig wurden in den vergangenen Jahren aber auch neue Ölraffinerien eröffnet und der staatseigene Konzern PEMEX ist ein wichtiger Player. López Obrador hatte außerdem versprochen, mindestens 54 Prozent der Stromproduktion in staatlicher Hand – und damit auch in der Hand des staatseigenen Ölkonzerns PEMEX – zu halten. Sheinbaum will an diesem Ziel festhalten, private Investoren in Erneuerbare schreckt das ab.
Es ist unklar, ob Sheinbaum tatsächlich eine deutlich ambitioniertere Energiepolitik als López Obrador durchsetzen würde: Sie steht als Zögling von López Obrador zunächst für seine Politik, Kritiker bezeichnen sie gar als seine Marionette. Sie zeigt sich aber zumindest privaten Investitionen für Erneuerbare gegenüber offener als der amtierende Präsident. Mitte April legte Sheinbaum einen Plan vor, der Hoffnung macht. Im Falle eines Wahlsiegs will sie demnach bis 2030 rund 13,5 Milliarden US-Dollar in Erneuerbare-Projekte investieren.
Unter Umständen würde Mexikos Klimapolitik aber noch mehr gewinnen, wenn Sheinbaum die Wahlen überraschend verliert: Neben ihr hat noch die 60-jährige Computeringenieurin und Unternehmerin Xochitl Gálvez Chancen zu gewinnen. Das Land wird zukünftig demnach wohl zum ersten Mal von einer Frau regiert werden. Gálvez tritt für das Bündnis “Frente Amplio” an. Sie gilt als Verfechterin des Ausbaus von Erneuerbaren, will die “Sucht nach fossilen Energieträgern” bekämpfen und zusammen mit der Privatwirtschaft billige und saubere Energie ausbauen.