Table.Briefing: Climate

EU nennt kein Klimafinanzziel + Potenzial von Pilzen + CO₂-Markt: Menschenrechte in Artikel 6

Liebe Leserin, lieber Leser,

knapp vier Wochen vor der COP29 hat die EU ihre Position für die Klimakonferenz in Baku festgelegt – darin fehlt allerdings eine konkrete Zahl zur Klimafinanzierung. Warum das möglicherweise die falsche Strategie ist, erklärt Lukas Knigge. Konkretere Fortschritte gab es dagegen bei der COP-Vorbereitungskonferenz vergangene Woche zu Kohlenstoffmärkten und Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens. Wir fassen für Sie zusammen, welche Neuerungen ein Expertengremium vorgelegt hat.

In unserer Serie “Ideen fürs Klima” analysieren wir heute, was Pilze zum Klimaschutz beitragen können. Forschung und erste Start-ups sehen Pilze als geeignete Alternative im Bausektor, für Fleisch oder Leder. Wir haben vielfältige Einsatzmöglichkeiten zusammengetragen und welches Potenzial Pilze als CO₂-Senke haben.

Im Standpunkt fordert IPCC-Autor Hans-Otto Pörtner pünktlich zur Biodiversitätskonferenz in Cali (COP16), dass Klima- und Biodiversitätsschutz Verfassungsrang erhalten sollten. Im Kampf gegen diese beiden Krisen läuft uns die Zeit davon, argumentiert Pörtner. Er sieht die Politik, aber auch die Medien, in der Pflicht, schneller zu agieren und die Krisen besser zu vermitteln.

Eine gute Lektüre!

Ihre
Lisa Kuner
Bild von Lisa  Kuner

Analyse

COP29: Welche Rolle die EU in Baku spielt

Jennifer Morgan und Wopke Hoekstra werden zwei wichtige europäische Stimmen auf der COP29 in Baku sein.

Europa hat in Baku vor allem ein Ziel. Bei der UN-Klimakonferenz im November (COP29) soll der Kreis der Geberländer für die internationale Klimafinanzierung erweitert werden. Das legten die für die Klimapolitik zuständigen Minister am Montag beim Umweltrat in Luxemburg fest.

Bislang zahlen die Anfang der 1990er-Jahre als solche eingestuften Industriestaaten für Klimaschutz- und Klimaanpassungs-Maßnahmen im Globalen Süden. Geht es nach der EU, muss diese Einstufung nach drei Jahrzehnten überarbeitet werden. Vor allem jene Länder, die in der Zwischenzeit zu erheblichem Wohlstand gekommen sind und zusätzlich mit einem hohen Treibhausgasausstoß zur Erderwärmung beitragen, sollen ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Dazu gehören China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten.

Beim Umweltrat legten die EU-Staaten nun ihre offizielle Verhandlungsposition für die COP29 fest. Darin heißt es unter anderem:

  • Die Mitgliedstaaten unterstreichen die Einigung der COP28 auf einen Übergang weg von fossilen Brennstoffen.
  • Lange wurde um die Rolle der Kernenergie in den Schlussfolgerungen gestritten. Frankreich und andere Atomländer wollten Kernkraft als eine von vielen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung festschreiben. Deutschland und eine Fraktion der Atomkraftgegner wollten einen besonderen Fokus auf Erneuerbare. Obwohl das Thema bei der COP kaum eine Rolle spielt, hielt es die Einigung über Stunden auf. Schließlich entschied man sich für eine Formulierung aus der COP28-Einigung, in der Kernenergie als eine von vielen Möglichkeiten angesehen wird.
  • Die EU-Länder fordern ein neues Klimafinanzierungsziel (NCQG), das erreichbar und zweckmäßig ist.
  • Die Voraussetzung für ein ambitioniertes NCQG ist für die EU, dass die Gruppe der Geberländer für internationale Klimafinanzierung erweitert wird. Länder, die in der Lage sind, einen Beitrag zu zahlen, sollten dies tun, forderte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.
  • Entwicklungs- und Schwellenländer, die bereits beitragen, sollten dies offenlegen, um Transparenz zu schaffen.

Europa baut “zusätzliche Front” auf

Eine konkrete Zahl für den europäischen Beitrag zum NCQG wollen die EU-Länder aus taktischen Gründen jedoch nicht nennen. Sie fürchten, dass ihr Ziel, den Kreis der Geberländer zu erweitern, scheitern könnte, wenn sie sich schon jetzt zu einer bestimmten Summe verpflichten. Sven Harmeling, Head of Climate beim Climate Action Network Europa (CAN Europe), hält diese Strategie nicht für zielführend. “Es baut eine zusätzliche Front auf.”

Harmeling kritisiert im Gespräch mit Table.Briefings, der EU fehle eine klare Strategie, wie man andere als Geberländer gewinnt oder sie dazu bringt, ihre Beiträge zur Klimafinanzierung offenzulegen. Gleichzeitig müsse die EU auch klar benennen, dass sie bei der Klimafinanzierung in der Hauptverantwortung sei.

Das NCQG ist der Nachfolger des derzeit noch geltenden 100-Milliarden-Ziels, in dem Industrieländer an Entwicklungsländer zahlen. “Solange die Industrieländer nicht klar machen, dass sie diesmal höher gehen als die 100 Milliarden, sollten sie selbst auch keine Voraussetzungen festlegen.” Dass sie sich nicht bereit erklärten, die 100 Milliarden fortzuführen, sondern sie im schlimmsten Fall sogar unterbieten, spiegelt laut Harmeling weder die Weltökonomie wider noch wird es der historischen Verantwortung der Industrieländer gerecht. Sogar die USA haben die 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr als Mindestgröße für das NCQG betitelt. “Europa müsste da mehr Offenheit signalisieren”, fordert Harmeling.

Geldsorgen und wenig Ehrgeiz in Ungarn

Die Gründe für die fehlende Offenheit Europas sind die schwierige Haushaltslage in den großen EU-Mitgliedstaaten und die in den Hauptstädten geführte politische Debatte über Finanzen. Frankreich ist geplagt von einem massiven Haushaltsdefizit, in Berlin drohen Haushaltsstreitigkeiten immer wieder die Regierungskoalition zu sprengen, zudem sinkt die Klimafinanzierung, und die italienische Regierung hat andere Prioritäten als den Kampf gegen den Klimawandel und dessen Finanzierung. Die EU fährt entsprechend geschwächt nach Baku, besonders beim Thema Finanzen.

Doch Geld ist nicht das einzige Problem. Zwar bleibt der Worst Case aus, denn Klimakommissar Wopke Hoekstra bleibt im Amt, fährt also nicht als scheidender Kommissar nach Baku. Er bringt sowohl für die Klimaverhandlungen als auch als Finanzexperte einiges an Erfahrung mit. Doch die ungarische Ratspräsidentschaft gilt nicht als besonders ambitioniert und dürfte sich in Baku daher auf seine Moderationsrolle innerhalb der EU beschränken. Umso mehr stehen in den Verhandlungen mit den anderen Ländern in Baku die Haushalts-gebeutelten großen Mitgliedstaaten im Fokus.

“Sehr komplizierte Verhandlungslage”

“Im Optimalfall hat die EU bis zur COP eine Strategie, wie weit sie bei der Klimafinanzierung gehen kann, sowohl über öffentliche Finanzierung als auch über die Entwicklungsbanken”, sagt Harmeling vom CAN Europe. Er vermutet: Sollte die EU von ihrem harten Kurs zur Erweiterung der Geberländer abrücken, könnten auch andere Länder einwilligen, ihre Klimafinanzierung offenzulegen und einen längerfristigen Prozess mit dem Ziel, die Geberländer zu erweitern, starten.

In der offiziellen Schlussfolgerung der EU-Mitgliedstaaten wird zwar noch keine solche Strategie angedeutet, jedoch sagte Klimakommissar Hoekstra am Montagabend, man wolle sicherstellen, dass mehr Geld aus öffentlichen und privaten Quellen für die bedürftigsten Länder zur Verfügung steht. Ob dies auch gelinge, müsse sich zeigen. Die derzeitige geopolitische Situation sorge für eine komplizierte Verhandlungslage. Auch die Positionen der COP-Teilnehmerländer seien teilweise noch sehr weit voneinander entfernt, so Hoekstra.

Die Ratsschlussfolgerungen zur COP29 sind also nur das Minimum zum Thema Klimafinanzierung. In Baku werden sie nachlegen müssen, um ihrer Führungsrolle gerecht zu werden. Ein Scheitern der COP in Baku, ähnlich wie in Kopenhagen 2009 würde vor allem der EU schaden, sagt Harmeling. “Die europäische Öffentlichkeit ist immer noch relativ stark sensibilisiert für diese Themen.”

  • Atomkraft
  • COP29
  • Dekarbonisierung
  • EU-Klimapolitik
  • Europapolitik
  • Klima & Umwelt
  • Klimafinanzierung
  • NCQG
Translation missing.

Kreislaufwirtschaft: Dieses Potenzial für Klimaschutz schlummert in Pilzen

Lederersatz aus Pilzmyzel – Pilze können in verschieden Bereichen eine klimafreundliche Alternative sein.

Auf der Suche nach neuen Materialien, die klimaschonend und kreislauffähig sind, rücken biologische Systeme in den Vordergrund, die von einer kaum beachteten Spezies stammen: Pilze. Sie, oder genauer gesagt ihre Wurzeln, könnten in der Zukunft viel für den Klimaschutz tun – etwa als Baumaterial, zur Isolierung oder als Fleischersatz. Das legen Studien und erste Versuche für großskalige Anwendung der neuen Materialien nahe.

“Wir beobachten gerade erste Kommerzialisierungen durch Start-ups“, sagt etwa Dirk Hebel. Er ist Professor für Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und forscht seit rund acht Jahren zu Pilzen als Baumaterial.

Pilze als kompostierbares Baumaterial

Hebel ist begeistert: Platten auf der Basis von Pilzmyzel könnten zukünftig überall dort Verwendung finden, wo heute Holzspanplatten genutzt werden. Diese haben nämlich ein Problem: Sie bestehen aus einem Gemisch aus Kleber und Holz, deshalb sind sie kaum recyclebar und werden am Ende ihrer Nutzungszeit meist verbrannt – das in ihnen gespeicherte CO₂ entweicht in die Atmosphäre.

Aus dem Pilzmyzel sowie organischen Resten wie beispielsweise Holz oder Gras lassen sich ähnlich stabile Platten herstellen: Das Myzel durchwächst die losen Materialien auf der Suche nach Nährstoffen und “klebt” sie dabei zusammen. Danach stirbt der Organismus durch Erhitzung und den dadurch stattfindenden Wasserentzug ab, übrig bleibt eine feste Struktur. Aber anders als die Holzspanplatten ist der neue Werkstoff “vollständig biologisch kompostierbar”, erklärt Hebel. Pilzmyzel als Alternative zu synthetischen Klebestoffen, die nicht kompostierbar sind, seien darum ein guter Ansatz für zirkuläres Wirtschaften, wie es die Bundesregierung in der Nationalen Kreislaufstrategie festschreiben möchte.

Wolfgang Hinterdobler, Mitgründer des österreichischen Unternehmens MyPilz, nutzt Pilze im Kampf gegen den Klimawandel ganz anders. Dafür entwickelte MyPilz einen Service, um Bodenpilze als Nützlinge für die Landwirtschaft zugänglich zu machen  – dort sollen sie gegen Pflanzenschädlinge wirken und gleichzeitig den Humusaufbau im Boden vorantreiben. Dadurch wird CO₂ im Boden gebunden, weil Bodenpilze Pflanzenreste schnell verstoffwechseln, mit den Pflanzenwurzeln Symbiosen eingehen und dadurch Biomasse im Boden aufbauen und stabilisieren. Landwirte benötigen dann im Idealfall weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel. Aus einer lokalen Bodenprobe isoliert MyPilz für diese Anwendung einen lokalen Pilz. Landwirte bekommen diesen in Form von Pilzsporen geliefert. 1.345 Euro kostet das Basispaket für diesen Service.

Pilze im Klimawandel

Die Zucht von Pilzen führt nicht nur zu niedrigeren Emissionen, Pilze können gleichzeitig auch große Mengen an Kohlenstoff speichern. Eine Studie kam beispielsweise im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Mykorrhiza-Pilze jährlich bis zu 13 Gigatonnen CO₂ speichern. Das entspricht etwa einem Drittel der CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Ein Myzel ist die “Pilzwurzel” – eine Mykorrhiza entsteht, wenn ein Pilz die feinsten Wurzeln von Pflanzen mit dem Myzel umhüllt und so einen Austausch zwischen Pilz und Pflanze über die Wurzeln ermöglicht. Tausende Pilzarten bilden Mykorrhiza, beispielsweise Fliegenpilze, Pfifferlinge, Steinpilze und auch Trüffel.

Der Hauptgrund, warum Pilze so viel CO₂ speichern können: Anders als Pflanzen beherrschen sie keine Photosynthese, Zucker müssen sie deshalb aus anderem organischem Material aufnehmen. Das zersetzen sie bei der richtigen Feuchtigkeit und Temperatur sehr effizient.

Der Haken an der Sache: Pilze speichern den Kohlenstoff nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend. Aktuell wird daran geforscht, unter welchen Bedingungen sie dazu genutzt werden können, CO₂ möglichst lange und effizient im Boden zu halten.

Für Fleischersatz oder Leder – Pilze sind vielfältig einsetzbar

Großes Klimapotenzial sieht Wolfgang Hinterdobler auch für Pilze in der Ernährung. Pilzprotein kann als Ersatzprodukt für emissionsintensives Fleisch eingesetzt werden. Das Start-up Hermann.Bio stellt beispielsweise mit dem Fungi Pad eine Fleischalternative auf der Basis von Kräuterseitlingen her. Das Unternehmen Quorn produziert Chickennuggets und Fleischbällchen aus Pilzprotein und bei Revo Foods gibt es auch Fisch- und Meeresfrüchteersatz daraus. Die Herstellung von einem Kilogramm Pilzen verursacht laut Studien rund zwei bis drei Kilogramm CO₂e, während die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch rund 100 Kilogramm CO₂e ausstößt.

Und Pilze könnten noch in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden: Der Schuhhersteller Giesswein beispielsweise nutzt Lederersatz auf der Basis von Pilzen. Genutzt werden dafür Pilze, die nicht den Standards der Lebensmittelindustrie entsprechen. Beim Unternehmen Mycoworks kann man auch Fußbälle, Handtaschen oder Hüte aus dem Pilzleder kaufen. Bisher sind das eher hochpreisige Designerprodukte, aber eine Studie geht davon aus, dass “Pilz-Leder” in der Herstellung sogar günstiger als tierisches oder synthetisches Leder sei.

Klimalösung mit Entwicklungspotenzial

Ich sehe die Zukunft der Pilzwirtschaft sehr positiv“, sagt MyPilz-Mitgründer Hinterdobler. Ein großer Vorteil sei, dass der Anbau von Pilzen gut skalierbar ist und kaum Boden verbrauche – statt auf dem Ackerland können Pilze nämlich in Industrieanlagen aufgezogen werden.

Aktuell werden Pilzprodukte noch von kleinen Start-ups mit “viel Herzblut” hergestellt, meint der Wissenschaftler Dirk Hebel. Es gebe noch keinen stabilen Markt, keine Skaleneffekte. “Wir erleben auch noch viele Vorbehalte gegenüber dem Thema”, sagt er. Menschen hätten Angst, die Pilzprodukte anzufassen, weil sie denken, sie bestünden aus noch lebendigen Produkten. Da müsse es noch ein bisschen Aufklärung geben. Aber Hebel ist zuversichtlich: In zehn bis 15 Jahren werde man Pilzplatten auch im Baumarkt kaufen können. “Da bin ich mir eigentlich fast sicher”, sagt er.

Außerdem liege in der Pilzwelt noch sehr viel unerforschtes Potenzial, fügt Wolfgang Hinterdobler hinzu. Weniger als ein Prozent der Pilzarten weltweit wurde bisher im Detail erforscht. “Wenn wir damit schon so weit gekommen sind, dann ist da zukünftig noch sehr viel möglich”, sagt er.

  • Biomasse
  • CO2-Emissionen
  • Forschung
  • Ideen fürs Klima
  • Kreislaufwirtschaft
  • Technologie
  • Zirkuläres Wirtschaften
Translation missing.

News

CO₂-Markt: Entwurf zu Artikel 6 soll Umwelt- und Menschenrechte schützen

Im Kohlenstoffmarkt der UN soll es durch eine detaillierte Risikobewertung einen verpflichtenden Mechanismus zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt geben. Das ist ein Novum im UN-Klimaprozess und eins der Ergebnisse der Vorbereitungskonferenz der COP29 in Baku, Aserbaidschan. Allerdings müssen die Staaten den erarbeiteten Entwürfen auf der COP29 in Baku noch zustimmen.

Der UN-Kohlenstoffmarkt wird in Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens geregelt. Über dessen genaue Ausgestaltung gibt es seit Jahren Diskussionen. Bei der COP28 konnte keine Einigung erzielt werden. Gegen den vorherigen Kohlenstoffmarkt der UN, den sogenannten Clean Development Mechanism aus dem Kyoto-Protokoll, gab es immer wieder Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen.

Artikel 6 soll um Sustainable Development Tool ergänzt werden

Die neuen Regelungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt sollen jetzt nach einem Entwurf des sogenannten “Supervisory Body” aus der vergangenen Woche als sogenanntes “Sustainable Development Tool” in Artikel 6.4 festgeschrieben werden. Projektentwickler sollen demnach in Zukunft nicht nur darlegen, wie sie zur Reduzierung von Treibhausgasen beitragen, sondern auch, wie ihre Projekte auf andere Ziele der Nachhaltigen Entwicklung (SDGs) einzahlen. Dafür müssen die Entwickler in Zukunft einen elf Bereiche umfassenden Fragebogen ausfüllen. Die Risikobewertung soll außerdem von externen Prüfern kontrolliert werden. In diesem Jahr hatte es im Zusammenhang mit Artikel 6 auch schon eine Einigung auf ein Beschwerde- und Einspruchsverfahren gegeben. kul

  • CO2-Kompensationen
  • CO2-Zertifikate
  • COP28
  • COP29
  • Menschenrechte
  • Pariser Klimaabkommen

Irena: Warum die Verdreifachung der Erneuerbaren außer Reichweite ist

Die Welt droht das bei der Klimakonferenz im vergangenen Jahr vereinbarte Ziel zur Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 massiv zu verfehlen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena). Die installierte Erzeugungskapazität müsste demnach von derzeit 3.900 Gigawatt auf 11.200 Gigawatt wachsen. Mit derzeitigen nationalen Plänen würde das globale Ausbauziel demnach um 34 Prozent verfehlt, also um mehr als ein Drittel. Allerdings betont die Internationale Energieagentur (IEA) in einem kürzlich vorgestellten Bericht, viele nationale Pläne würden wahrscheinlich übertroffen. Laut IEA sei das Ziel der Verdreifachung in Reichweite.

Nach Irena-Berechnungen ist beinahe eine Verdreifachung der jährlichen Investitionen nötig, um das Ziel der Verdreifachung der Kapazität zu erreichen. Die Investitionen müssten demnach von 570 Milliarden US-Dollar auf 1,5 Billionen US-Dollar steigen.

Die Irena mahnt:

  • Entwicklungs- und Schwellenländern fehle weiterhin das Geld für die Umstellung auf klimafreundlichere Technologien. Investitionen in erneuerbare Energien seien in Afrika zwischen 2022 und 2023 um 47 Prozent gesunken. 
  • Auch das Ziel zur Verdopplung der Energieeffizienz drohe verfehlt zu werden.
  • Es brauche “erhebliche Fortschritte” beim Ausbau der Infrastruktur, beispielsweise der Stromnetze, bei Lieferketten, Know-how, der Finanzierung und der internationalen Zusammenarbeit. dpa/nib
  • COP29
  • Energieeffizienz
  • Energiewende
  • Erneuerbare Energien
  • IRENA

Generationenkapital: Greenpeace-Studie zweifelt Nachhaltigkeitsstrategie von Staatsfonds an

Die aktuelle Nachhaltigkeitsstrategie des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) erfüllt die Anforderungen an nachhaltige Geldanlagen nicht ausreichend. Zu diesem Ergebnis kommt eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie, die am Montag vorgestellt wurde. Der Fonds, der das Generationenkapital künftig verwalten wird und dessen Nachhaltigkeitsstrategie als Blaupause dafür dienen soll, investiere gegenwärtig 1,3 Milliarden Euro oder 5,5 Prozent seines Portfolios in Unternehmen, die in Umweltzerstörung oder Menschenrechtsverletzungen verwickelt seien. 

In der Studie hat Greenpeace sowohl die formale Kenfo-Nachhaltigkeitsstrategie als auch deren praktische Umsetzung untersucht. Demnach weise die Strategie “erhebliche Lücken” auf, die dazu führen würden, dass in umweltschädliche Unternehmen investiert werde und die Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens nicht gewährleistet sei. 

Ausschluss fossiler Unternehmen laut Kenfo-Chefin nicht zielführend 

Bei der Umsetzung kritisiert Greenpeace, dass sich im Kenfo-Portfolio “kontroverse” Fossilkonzerne wie SaudiAramco, Total Energies, Petrobras, Shell und BP, sowie der brasilianische Rindfleischproduzent JBS befinden.

Den Ausschluss von Fossilkonzernen aus Nachhaltigkeitsgründen lehnt der Kenfo allerdings ab. “Wenn wir Aktien fossiler Unternehmen nicht mehr kaufen, wird dadurch keinerlei CO₂ eingespart”, sagte Kenfo-Vorstandsvorsitzende Anja Mikus im Interview mit Table.Briefings. Denn in der Regel würden die Aktien auf dem Sekundärmarkt, also von anderen Aktionären gekauft. Eine Steuerungswirkung hätte der Kauf somit nicht mehr. 

Bei Infrastruktur-Projekten habe der Fonds “Investitionen in neue Öl- und Gasförderungen, Öl- und Gaspipelines und Raffinerien ausgeschlossen, soweit diese nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind”, so Mikus. 

Greenpeace empfiehlt Ausschlusskriterien zu etablieren 

“Das Generationenkapital braucht stärkere Nachhaltigkeitsregeln, damit nicht Milliarden in umweltzerstörende Unternehmen investiert werden”, fordert Mauricio Vargas, Finanzexperte bei Greenpeace und Autor der Studie.

Um eine “zukunftssichere und ethisch verantwortliche Kapitalanlage” zu gewährleisten, empfiehlt Greenpeace deshalb, die ethische Geldanlage gesetzlich zu verankern, strikte Ausschlusskriterien und mehr Transparenz zu etablieren, sowie zivilgesellschaftliche Akteure stärker miteinzubeziehen. ag

  • COP28
  • ESG-Fonds
  • Finanzen
  • Fossile Industrien
  • Generationenkapital
  • Greenpeace
  • Menschenrechtsverletzungen
  • Nachhaltigkeitsstrategie

CCS: Exxon pachtet Offshore-Flächen für CO₂-Speicherung

Exxon Mobil hat mit dem Staat Texas Pachtverträge für über 271.000 Hektar in texanischen Staatsgewässern für ein Offshore-CCS-Projekt (Carbon Capture and Storage) abgeschlossen. Die Fläche ist größer als das Saarland. Das teilte der US-Ölkonzern kürzlich mit. Die Offshore-CCS-Projekte sollten CCS-Projekte an Land ergänzen. Das CO₂ soll in 1,6 bis 3,2 Kilometern Tiefe gespeichert werden. Über die Dauer der Pacht, die Bedingungen und die Kosten hat Exxon bisher keine Auskunft gegeben. Bereits im Jahr 2021 hatte Exxon Bundesgebiet in Texas zur CO₂-Speicherung erworben und sich im Vorjahr als Höchstbietender Gebiete im Golf von Mexiko gesichert. Die USA subventionieren die CCS-Technologie mit Steuerrabatten in Höhe von 85 US-Dollar pro Tonne CO₂. rtr/lb

  • Carbon Capture
  • CCS
  • CO2-Speicher
  • Fossile Brennstoffe
  • Fossile Industrien

Klimarisiken: Europäisches Uni-Netzwerk will Lehre anpassen

25 medizinische Universitäten und -fakultäten haben sich am Montag zum European Network on Climate and Health Education (ENCHE) zusammengeschlossen. Das Netzwerk will mehr als 10.000 Medizinstudentinnen und -studenten über die Gesundheitsfolgen des Klimawandels informieren und ihnen entsprechende Fähigkeiten vermitteln. Koordiniert wird der Zusammenschluss von der University of Glasgow, auch Universitäten aus Deutschland und Frankreich sind unter den Gründungsmitgliedern.

Das Netzwerk sieht im Klimawandel “eine der größten Herausforderungen für die Gesundheit”. Faktoren wie extreme Temperaturen und Luftverschmutzung verschlimmern infektiöse und chronische Krankheiten – einschließlich durch Vektoren übertragene Krankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber. Auch Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und psychische Erkrankungen können dadurch zunehmen. Gleichzeitig stammen fünf Prozent der Treibhausgasemissionen aus dem Gesundheitssektor, vor allem wegen der Medizinprodukte und deren Emissionen entlang der Lieferkette. Angesichts dessen sei der Klimawandel im Medizinstudium unzureichend integriert, oft auf ein Modul oder eine Unterrichtseinheit limitiert, kritisiert das Netzwerk.

Kooperieren möchte man eng mit dem Global Consortium on Climate and Health Education (GCCHE) und der WHO. Unterstützt wird das Netzwerk auch von Unternehmen aus dem Gesundheitssektor wie AstraZeneca, Novartis, Novo Nordisk, Roche und Sanofi. Für die Zukunft sei eine Ausweitung auf andere Fachkräfte des Gesundheitswesens und auf Partner in anderen Regionen denkbar. lb

  • Gesundheit
  • Klimaforschung
  • Medizin
  • Universitäten

Zukunftsforscher: Warum sich Berlin schneller an den Klimawandel anpassen sollte

Berlin werde “in extrem kurzer Zeit” das Klima einer südeuropäischen Stadt haben. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Zukunftsforschers Stephan Rammler im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung und unter Mitwirkung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Unter dem Titel “Klimabauhaus Berlin” befasst sich Rammler mit Konsequenzen und Möglichkeiten der Anpassung an den Klimawandel. Denn Berlin wird sich auf die neue Welt besonders schnell einstellen müssen, da die Hauptstadt in einer überaus trockenen Region Deutschlands liegt.

“Städte wirken wie Brenngläser der Erderwärmung”, heißt es in der Studie. Der Grund liegt nahe: enge Bebauung, reduzierte Verdunstung, fehlende Belüftungsschneisen – und viel Beton und Asphalt. Für die Hauptstadt könnte darin auch eine Chance liegen: “Bei frühzeitiger und entschiedener Handlungsbereitschaft von Politik und Zivilgesellschaft könnte sich Berlin als Vorbild einer Stadt etablieren, deren gesellschaftlicher Zusammenhalt durch die gemeinsame Bewältigung der Krise sogar noch gestärkt wird.” Dafür bedürfe es allerdings gezielter politischer Interventionen. Langfristige, kulturell eingebettete Anpassungsinnovationen müssten kurzfristig stimuliert und stabilisiert werden. Generell werde stetige, nicht nachlassende Klimaadaption zu den Kernaufgaben von Stadtentwicklung “in vielen kommenden Jahrhunderten”. Ob da ausgerechnet Berlin Trendsetter wird? “Ich bin Optimist”, sagt Rammler, denn “es bleibt nur Optimismus”. kn 

  • Anpassung
  • Berlin
  • Klimaanpassung
  • Klimawandel

Presseschau

Zeit: Das Gas-Problem. Gas ist deutlich klimaschädlicher, als es in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Zudem tragen Gaskraftwerke dazu bei, dass Solarenergie und Windkraft langsamer ausgebaut werden, als es nötig und machbar wäre. Auch der Umbau von Gas- zu Wasserstoffnetzen behindert die Umstellung auf eine effektive Energienutzung. Zum Artikel

FAZ: Immer weniger Wildtiere. Die Bestände von Wildtieren weltweit nehmen dramatisch ab. Dies geht aus dem “Living Planet Report 2024” der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London hervor, der Daten zu mehr als 5.500 Wirbeltierarten umfasst. Laut Bericht sind die insgesamt 35.000 untersuchten Populationen – darunter Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien – in den letzten 50 Jahren im Durchschnitt um 73 Prozent geschrumpft. Zum Artikel

Welt: Hurrikan Milton rotiert als hunderte Kilometer großes System. Der Hurrikan “Milton” stieß im US-Bundesstaat Florida mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 195 km/h auf Land. Von Bojen wurden bis zu acht Meter hohe Wellen aufgezeichnet. Der Hurrikan rotierte als ein hunderte Kilometer großes System. Zum Artikel

Washington Examiner: Kalifornien bringt sich vor Trump in Sicherheit. Kalifornien setzt seine Bemühungen fort, einer zweiten Trump-Regierung präventiv entgegenzuwirken. Der ehemalige Präsident beabsichtigt, viele der umweltpolitischen Maßnahmen des Staates rückgängig zu machen. Zur Strategie von Kalifornien gehören auch Klagen, die auf umfassende Vergleiche mit Industrien abzielen, welche Treibhausgase erzeugen, die außerhalb der Reichweite der Bundesregierung liegen. Zum Artikel

BBC: Schiffswracks als Zeitbombe. Der Klimawandel führt zu stärkeren Stürmen und einem Anstieg der Meerestemperaturen, was zur Folge hat, dass Schiffswracks, von denen manche noch Treibstoff an Bord haben, rasch verfallen. In britischen Gewässern liegen mehr als 10.000 Schiffswracks. Bei zwei Dritteln von ihnen gibt es weiterhin Rätsel bezüglich Identität und Ladung. Wracks, bei denen noch Treibstoff an Bord ist, könnten aufgrund der Zersetzung des Metalls zu ernsthaften Umweltproblemen führen. Zum Artikel

Standpunkt

Klima- und Biodiversitätsschutz Verfassungsrang einräumen

von Hans-Otto Pörtner
Der Ökologe und IPCC-Autor Hans-Otto Pörtner.

32 Jahre Klimarahmenkonvention, 36 Jahre Weltklimarat – und kein Ende des Klimawandels absehbar, was ist da los? Wir wissen seit Jahrzehnten, dass fossile Brennstoffe das Hauptproblem sind. Erst vergangenes Jahr hat man dies endlich in der Abschlusserklärung der COP28 anerkannt. Wenn aber der Spiegel recht hat, wird diese Einsicht wieder aus den Texten verschwinden. Wir sind auf der falschen Spur, denn der erdgeschichtlich schnelle Klimawandel, wie wir ihn ausgelöst haben, verursacht massive Schäden, kostet Menschenleben und zerstört die Natur, wie wir sie kennen.

Mit dem fortschreitenden Klimawandel kommen Grenzen der Beherrschbarkeit auf uns zu. Der Klimawandel, nicht der Klimaschutz, wird uns Schritt für Schritt unseren Wohlstand nehmen. Dementsprechend verteidigen wir den Wohlstand mit den falschen Mitteln, wenn wir meinen, wir bräuchten dafür fossile Brennstoffe.

Zeitenwende für Klima- und Biodiversitätsschutz

Wir brauchen eine Zeitenwende im Klimaschutz, die den Namen verdient. Und das Gleiche brauchen wir auch im Biodiversitätsschutz. Denn diese beiden existenziellen Krisen sind miteinander verknüpft. Durch Hitze, Dürren und Überflutungen beschädigt der Klimawandel die Artenvielfalt und die lebenserhaltenden Funktionen der Ökosysteme, darunter auch die Fähigkeit, CO₂ zu binden und den Klimawandel auf natürliche Weise zu bremsen. Umgekehrt beschleunigt die Freisetzung von Treibhausgasen aus absterbenden Wäldern, austrocknenden Mooren und auftauenden Permafrostböden den Klimawandel mit seinen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Klimaschutz und Biodiversitätsschutz, auch durch Lösung der Verschmutzungskrise, haben keine Alternative.

Das Klima und auch die Ökosysteme der Erde funktionieren nach Naturgesetzen, die die Wissenschaft mehr und mehr versteht. Diese Gesetze lassen sich im gesellschaftlichen Bereich mit Verkehrsregeln vergleichen; wer sie verletzt, riskiert schwere Unfälle. Die zunehmenden Klimakatastrophen zeigen: Mit den Naturgesetzen kann man nicht verhandeln, man muss sie respektieren, so wie man die rote Ampel respektiert. Naturgesetze sind keine Meinungssache.

Trotzdem gibt es viele, die die Sachverhalte und die Bedrohung eigentlich nicht verstanden haben und das notwendige Handeln als beliebig ansehen. Formulierungen einiger Politiker wie “Klimapolitik mit Augenmaß” und “die Erde geht morgen noch nicht unter” spiegeln diese Problematik. Ausbremsen und Verzögern, Kopf in den Sand sind die aktuell dominierenden Strategien in der internationalen Klimapolitik und zum Teil auch auf der nationalen Ebene. Entschlossenes Handeln ist aber angesagt, um Versäumtes nachzuholen und den Klimawandel und seine Schäden zu begrenzen.

Zunehmende Katastrophen werden die Menschheit erziehen

Machen wir uns nichts vor: Mit unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen wird der fortschreitende Klimawandel durch immer schlimmere Katastrophen die Menschheit erziehen und Veränderungen erzwingen. “Wer nicht hören will, muss fühlen” – heißt es. Trotzdem sind viele Menschen nicht bereit zu handeln; die Bremser entscheiden für die anderen mit, zwingen ihnen den Klimawandel auf. Warum aber sind wir bereit, unseren Wohlstand zu riskieren und 6-mal mehr für die Reparaturen von Katastrophen zu bezahlen als für effektiven und erfolgreichen Klimaschutz? So geht unser Wohlstand dahin. Schon jetzt müssen wir uns an den laufenden Klimawandel anpassen, aber wir sollten uns klarmachen, dass unsere Anpassungsfähigkeit mit zunehmendem Klimawandel nachlässt.

Dieser Missstand und das aktuelle Wählerverhalten zeigen, dass wir ein Bildungs- und Aufklärungsproblem haben. Klimawandel und Biodiversitätsverlust betreffen alle Lebensbereiche. Für konsequenten Schutz brauchen wir eine breite Wertschätzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, und die erreichen wir mit entsprechender Prioritätensetzung nur über die Bildung und die Medien. In den Schulen und den Universitäten braucht es in allen Fächern Querschnittsthemen dazu und ein entsprechendes Engagement der Lehrenden. Politik ist hier gefragt zu steuern, die Religionsgemeinschaften können helfen.

Rechte der Natur in Verfassungen

In Deutschland ist der Erhalt der Demokratie wesentliches Fundament und Konsens unter den demokratischen Parteien. Dies ist bei den existenziellen Problemen Klimawandel und Artenverlust gegenwärtig nicht der Fall. Demokratie, Klimaschutz und Biodiversitätsschutz sind zusammen genommen das Fundament einer gesunden Gesellschaft und ihrer gesunden natürlichen Ressourcen. Es gibt nur noch ein kleines Zeitfenster von zehn bis zwanzig Jahren, an dessen Ende Schutzmaßnahmen erfolgreich gewesen sein müssen. Es wird höchste Zeit, dass alle Parteien auf diesem Fundament zeitgerecht und im Konsens agieren und diesen existenziellen Fragen Verfassungsrang einräumen.

Was ist zu tun? Die Verfassungen der Nationen dieser Welt sollten diese Fundamente der Existenz des Menschen und der Natur ausformulieren und in dieser Normierung keinen Spielraum für schädliches Verhalten lassen. So kann es gelingen, neue wirtschaftliche Entwicklungen nur noch mit Erneuerbaren zu erlauben und den Fossilen auch sonst mittelfristig den Garaus zu machen. Sozialer und internationaler Ausgleich ist auf dem Weg dorthin essenziell.

Aber es gibt Hoffnung: Inzwischen wurden die Rechte der Natur in so unterschiedlichen Ländern wie Ecuador, Bolivien, Neuseeland, Indien und Uganda anerkannt, teilweise mit Verfassungsrang. Es wird Zeit, sich auch in unserem Land entsprechend aufzustellen, das Klima explizit hinzuzunehmen und die Kakophonie der Parteien zu den Themen Klima- und Biodiversitätsschutz zu beenden.

Der Ökologe Hans-Otto Pörtner ist Professor für Integrative Ökophysiologie am Alfred-Wegener-Institut und der Universität Bremen. Er hat als Autor und koordinierender Leitautor an diversen Sachstands- und Sonderberichten des IPCC mitgewirkt.

  • Bildung
  • Biodiversität
  • COP28
  • Demokratie
  • Dürre
  • Fossile Brennstoffe
  • IPCC
  • Klimaschutz
  • Klimaschutzgesetz
  • Universitäten
  • Wissenschaft

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    knapp vier Wochen vor der COP29 hat die EU ihre Position für die Klimakonferenz in Baku festgelegt – darin fehlt allerdings eine konkrete Zahl zur Klimafinanzierung. Warum das möglicherweise die falsche Strategie ist, erklärt Lukas Knigge. Konkretere Fortschritte gab es dagegen bei der COP-Vorbereitungskonferenz vergangene Woche zu Kohlenstoffmärkten und Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens. Wir fassen für Sie zusammen, welche Neuerungen ein Expertengremium vorgelegt hat.

    In unserer Serie “Ideen fürs Klima” analysieren wir heute, was Pilze zum Klimaschutz beitragen können. Forschung und erste Start-ups sehen Pilze als geeignete Alternative im Bausektor, für Fleisch oder Leder. Wir haben vielfältige Einsatzmöglichkeiten zusammengetragen und welches Potenzial Pilze als CO₂-Senke haben.

    Im Standpunkt fordert IPCC-Autor Hans-Otto Pörtner pünktlich zur Biodiversitätskonferenz in Cali (COP16), dass Klima- und Biodiversitätsschutz Verfassungsrang erhalten sollten. Im Kampf gegen diese beiden Krisen läuft uns die Zeit davon, argumentiert Pörtner. Er sieht die Politik, aber auch die Medien, in der Pflicht, schneller zu agieren und die Krisen besser zu vermitteln.

    Eine gute Lektüre!

    Ihre
    Lisa Kuner
    Bild von Lisa  Kuner

    Analyse

    COP29: Welche Rolle die EU in Baku spielt

    Jennifer Morgan und Wopke Hoekstra werden zwei wichtige europäische Stimmen auf der COP29 in Baku sein.

    Europa hat in Baku vor allem ein Ziel. Bei der UN-Klimakonferenz im November (COP29) soll der Kreis der Geberländer für die internationale Klimafinanzierung erweitert werden. Das legten die für die Klimapolitik zuständigen Minister am Montag beim Umweltrat in Luxemburg fest.

    Bislang zahlen die Anfang der 1990er-Jahre als solche eingestuften Industriestaaten für Klimaschutz- und Klimaanpassungs-Maßnahmen im Globalen Süden. Geht es nach der EU, muss diese Einstufung nach drei Jahrzehnten überarbeitet werden. Vor allem jene Länder, die in der Zwischenzeit zu erheblichem Wohlstand gekommen sind und zusätzlich mit einem hohen Treibhausgasausstoß zur Erderwärmung beitragen, sollen ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Dazu gehören China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten.

    Beim Umweltrat legten die EU-Staaten nun ihre offizielle Verhandlungsposition für die COP29 fest. Darin heißt es unter anderem:

    • Die Mitgliedstaaten unterstreichen die Einigung der COP28 auf einen Übergang weg von fossilen Brennstoffen.
    • Lange wurde um die Rolle der Kernenergie in den Schlussfolgerungen gestritten. Frankreich und andere Atomländer wollten Kernkraft als eine von vielen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung festschreiben. Deutschland und eine Fraktion der Atomkraftgegner wollten einen besonderen Fokus auf Erneuerbare. Obwohl das Thema bei der COP kaum eine Rolle spielt, hielt es die Einigung über Stunden auf. Schließlich entschied man sich für eine Formulierung aus der COP28-Einigung, in der Kernenergie als eine von vielen Möglichkeiten angesehen wird.
    • Die EU-Länder fordern ein neues Klimafinanzierungsziel (NCQG), das erreichbar und zweckmäßig ist.
    • Die Voraussetzung für ein ambitioniertes NCQG ist für die EU, dass die Gruppe der Geberländer für internationale Klimafinanzierung erweitert wird. Länder, die in der Lage sind, einen Beitrag zu zahlen, sollten dies tun, forderte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.
    • Entwicklungs- und Schwellenländer, die bereits beitragen, sollten dies offenlegen, um Transparenz zu schaffen.

    Europa baut “zusätzliche Front” auf

    Eine konkrete Zahl für den europäischen Beitrag zum NCQG wollen die EU-Länder aus taktischen Gründen jedoch nicht nennen. Sie fürchten, dass ihr Ziel, den Kreis der Geberländer zu erweitern, scheitern könnte, wenn sie sich schon jetzt zu einer bestimmten Summe verpflichten. Sven Harmeling, Head of Climate beim Climate Action Network Europa (CAN Europe), hält diese Strategie nicht für zielführend. “Es baut eine zusätzliche Front auf.”

    Harmeling kritisiert im Gespräch mit Table.Briefings, der EU fehle eine klare Strategie, wie man andere als Geberländer gewinnt oder sie dazu bringt, ihre Beiträge zur Klimafinanzierung offenzulegen. Gleichzeitig müsse die EU auch klar benennen, dass sie bei der Klimafinanzierung in der Hauptverantwortung sei.

    Das NCQG ist der Nachfolger des derzeit noch geltenden 100-Milliarden-Ziels, in dem Industrieländer an Entwicklungsländer zahlen. “Solange die Industrieländer nicht klar machen, dass sie diesmal höher gehen als die 100 Milliarden, sollten sie selbst auch keine Voraussetzungen festlegen.” Dass sie sich nicht bereit erklärten, die 100 Milliarden fortzuführen, sondern sie im schlimmsten Fall sogar unterbieten, spiegelt laut Harmeling weder die Weltökonomie wider noch wird es der historischen Verantwortung der Industrieländer gerecht. Sogar die USA haben die 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr als Mindestgröße für das NCQG betitelt. “Europa müsste da mehr Offenheit signalisieren”, fordert Harmeling.

    Geldsorgen und wenig Ehrgeiz in Ungarn

    Die Gründe für die fehlende Offenheit Europas sind die schwierige Haushaltslage in den großen EU-Mitgliedstaaten und die in den Hauptstädten geführte politische Debatte über Finanzen. Frankreich ist geplagt von einem massiven Haushaltsdefizit, in Berlin drohen Haushaltsstreitigkeiten immer wieder die Regierungskoalition zu sprengen, zudem sinkt die Klimafinanzierung, und die italienische Regierung hat andere Prioritäten als den Kampf gegen den Klimawandel und dessen Finanzierung. Die EU fährt entsprechend geschwächt nach Baku, besonders beim Thema Finanzen.

    Doch Geld ist nicht das einzige Problem. Zwar bleibt der Worst Case aus, denn Klimakommissar Wopke Hoekstra bleibt im Amt, fährt also nicht als scheidender Kommissar nach Baku. Er bringt sowohl für die Klimaverhandlungen als auch als Finanzexperte einiges an Erfahrung mit. Doch die ungarische Ratspräsidentschaft gilt nicht als besonders ambitioniert und dürfte sich in Baku daher auf seine Moderationsrolle innerhalb der EU beschränken. Umso mehr stehen in den Verhandlungen mit den anderen Ländern in Baku die Haushalts-gebeutelten großen Mitgliedstaaten im Fokus.

    “Sehr komplizierte Verhandlungslage”

    “Im Optimalfall hat die EU bis zur COP eine Strategie, wie weit sie bei der Klimafinanzierung gehen kann, sowohl über öffentliche Finanzierung als auch über die Entwicklungsbanken”, sagt Harmeling vom CAN Europe. Er vermutet: Sollte die EU von ihrem harten Kurs zur Erweiterung der Geberländer abrücken, könnten auch andere Länder einwilligen, ihre Klimafinanzierung offenzulegen und einen längerfristigen Prozess mit dem Ziel, die Geberländer zu erweitern, starten.

    In der offiziellen Schlussfolgerung der EU-Mitgliedstaaten wird zwar noch keine solche Strategie angedeutet, jedoch sagte Klimakommissar Hoekstra am Montagabend, man wolle sicherstellen, dass mehr Geld aus öffentlichen und privaten Quellen für die bedürftigsten Länder zur Verfügung steht. Ob dies auch gelinge, müsse sich zeigen. Die derzeitige geopolitische Situation sorge für eine komplizierte Verhandlungslage. Auch die Positionen der COP-Teilnehmerländer seien teilweise noch sehr weit voneinander entfernt, so Hoekstra.

    Die Ratsschlussfolgerungen zur COP29 sind also nur das Minimum zum Thema Klimafinanzierung. In Baku werden sie nachlegen müssen, um ihrer Führungsrolle gerecht zu werden. Ein Scheitern der COP in Baku, ähnlich wie in Kopenhagen 2009 würde vor allem der EU schaden, sagt Harmeling. “Die europäische Öffentlichkeit ist immer noch relativ stark sensibilisiert für diese Themen.”

    • Atomkraft
    • COP29
    • Dekarbonisierung
    • EU-Klimapolitik
    • Europapolitik
    • Klima & Umwelt
    • Klimafinanzierung
    • NCQG
    Translation missing.

    Kreislaufwirtschaft: Dieses Potenzial für Klimaschutz schlummert in Pilzen

    Lederersatz aus Pilzmyzel – Pilze können in verschieden Bereichen eine klimafreundliche Alternative sein.

    Auf der Suche nach neuen Materialien, die klimaschonend und kreislauffähig sind, rücken biologische Systeme in den Vordergrund, die von einer kaum beachteten Spezies stammen: Pilze. Sie, oder genauer gesagt ihre Wurzeln, könnten in der Zukunft viel für den Klimaschutz tun – etwa als Baumaterial, zur Isolierung oder als Fleischersatz. Das legen Studien und erste Versuche für großskalige Anwendung der neuen Materialien nahe.

    “Wir beobachten gerade erste Kommerzialisierungen durch Start-ups“, sagt etwa Dirk Hebel. Er ist Professor für Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und forscht seit rund acht Jahren zu Pilzen als Baumaterial.

    Pilze als kompostierbares Baumaterial

    Hebel ist begeistert: Platten auf der Basis von Pilzmyzel könnten zukünftig überall dort Verwendung finden, wo heute Holzspanplatten genutzt werden. Diese haben nämlich ein Problem: Sie bestehen aus einem Gemisch aus Kleber und Holz, deshalb sind sie kaum recyclebar und werden am Ende ihrer Nutzungszeit meist verbrannt – das in ihnen gespeicherte CO₂ entweicht in die Atmosphäre.

    Aus dem Pilzmyzel sowie organischen Resten wie beispielsweise Holz oder Gras lassen sich ähnlich stabile Platten herstellen: Das Myzel durchwächst die losen Materialien auf der Suche nach Nährstoffen und “klebt” sie dabei zusammen. Danach stirbt der Organismus durch Erhitzung und den dadurch stattfindenden Wasserentzug ab, übrig bleibt eine feste Struktur. Aber anders als die Holzspanplatten ist der neue Werkstoff “vollständig biologisch kompostierbar”, erklärt Hebel. Pilzmyzel als Alternative zu synthetischen Klebestoffen, die nicht kompostierbar sind, seien darum ein guter Ansatz für zirkuläres Wirtschaften, wie es die Bundesregierung in der Nationalen Kreislaufstrategie festschreiben möchte.

    Wolfgang Hinterdobler, Mitgründer des österreichischen Unternehmens MyPilz, nutzt Pilze im Kampf gegen den Klimawandel ganz anders. Dafür entwickelte MyPilz einen Service, um Bodenpilze als Nützlinge für die Landwirtschaft zugänglich zu machen  – dort sollen sie gegen Pflanzenschädlinge wirken und gleichzeitig den Humusaufbau im Boden vorantreiben. Dadurch wird CO₂ im Boden gebunden, weil Bodenpilze Pflanzenreste schnell verstoffwechseln, mit den Pflanzenwurzeln Symbiosen eingehen und dadurch Biomasse im Boden aufbauen und stabilisieren. Landwirte benötigen dann im Idealfall weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel. Aus einer lokalen Bodenprobe isoliert MyPilz für diese Anwendung einen lokalen Pilz. Landwirte bekommen diesen in Form von Pilzsporen geliefert. 1.345 Euro kostet das Basispaket für diesen Service.

    Pilze im Klimawandel

    Die Zucht von Pilzen führt nicht nur zu niedrigeren Emissionen, Pilze können gleichzeitig auch große Mengen an Kohlenstoff speichern. Eine Studie kam beispielsweise im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Mykorrhiza-Pilze jährlich bis zu 13 Gigatonnen CO₂ speichern. Das entspricht etwa einem Drittel der CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Ein Myzel ist die “Pilzwurzel” – eine Mykorrhiza entsteht, wenn ein Pilz die feinsten Wurzeln von Pflanzen mit dem Myzel umhüllt und so einen Austausch zwischen Pilz und Pflanze über die Wurzeln ermöglicht. Tausende Pilzarten bilden Mykorrhiza, beispielsweise Fliegenpilze, Pfifferlinge, Steinpilze und auch Trüffel.

    Der Hauptgrund, warum Pilze so viel CO₂ speichern können: Anders als Pflanzen beherrschen sie keine Photosynthese, Zucker müssen sie deshalb aus anderem organischem Material aufnehmen. Das zersetzen sie bei der richtigen Feuchtigkeit und Temperatur sehr effizient.

    Der Haken an der Sache: Pilze speichern den Kohlenstoff nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend. Aktuell wird daran geforscht, unter welchen Bedingungen sie dazu genutzt werden können, CO₂ möglichst lange und effizient im Boden zu halten.

    Für Fleischersatz oder Leder – Pilze sind vielfältig einsetzbar

    Großes Klimapotenzial sieht Wolfgang Hinterdobler auch für Pilze in der Ernährung. Pilzprotein kann als Ersatzprodukt für emissionsintensives Fleisch eingesetzt werden. Das Start-up Hermann.Bio stellt beispielsweise mit dem Fungi Pad eine Fleischalternative auf der Basis von Kräuterseitlingen her. Das Unternehmen Quorn produziert Chickennuggets und Fleischbällchen aus Pilzprotein und bei Revo Foods gibt es auch Fisch- und Meeresfrüchteersatz daraus. Die Herstellung von einem Kilogramm Pilzen verursacht laut Studien rund zwei bis drei Kilogramm CO₂e, während die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch rund 100 Kilogramm CO₂e ausstößt.

    Und Pilze könnten noch in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden: Der Schuhhersteller Giesswein beispielsweise nutzt Lederersatz auf der Basis von Pilzen. Genutzt werden dafür Pilze, die nicht den Standards der Lebensmittelindustrie entsprechen. Beim Unternehmen Mycoworks kann man auch Fußbälle, Handtaschen oder Hüte aus dem Pilzleder kaufen. Bisher sind das eher hochpreisige Designerprodukte, aber eine Studie geht davon aus, dass “Pilz-Leder” in der Herstellung sogar günstiger als tierisches oder synthetisches Leder sei.

    Klimalösung mit Entwicklungspotenzial

    Ich sehe die Zukunft der Pilzwirtschaft sehr positiv“, sagt MyPilz-Mitgründer Hinterdobler. Ein großer Vorteil sei, dass der Anbau von Pilzen gut skalierbar ist und kaum Boden verbrauche – statt auf dem Ackerland können Pilze nämlich in Industrieanlagen aufgezogen werden.

    Aktuell werden Pilzprodukte noch von kleinen Start-ups mit “viel Herzblut” hergestellt, meint der Wissenschaftler Dirk Hebel. Es gebe noch keinen stabilen Markt, keine Skaleneffekte. “Wir erleben auch noch viele Vorbehalte gegenüber dem Thema”, sagt er. Menschen hätten Angst, die Pilzprodukte anzufassen, weil sie denken, sie bestünden aus noch lebendigen Produkten. Da müsse es noch ein bisschen Aufklärung geben. Aber Hebel ist zuversichtlich: In zehn bis 15 Jahren werde man Pilzplatten auch im Baumarkt kaufen können. “Da bin ich mir eigentlich fast sicher”, sagt er.

    Außerdem liege in der Pilzwelt noch sehr viel unerforschtes Potenzial, fügt Wolfgang Hinterdobler hinzu. Weniger als ein Prozent der Pilzarten weltweit wurde bisher im Detail erforscht. “Wenn wir damit schon so weit gekommen sind, dann ist da zukünftig noch sehr viel möglich”, sagt er.

    • Biomasse
    • CO2-Emissionen
    • Forschung
    • Ideen fürs Klima
    • Kreislaufwirtschaft
    • Technologie
    • Zirkuläres Wirtschaften
    Translation missing.

    News

    CO₂-Markt: Entwurf zu Artikel 6 soll Umwelt- und Menschenrechte schützen

    Im Kohlenstoffmarkt der UN soll es durch eine detaillierte Risikobewertung einen verpflichtenden Mechanismus zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt geben. Das ist ein Novum im UN-Klimaprozess und eins der Ergebnisse der Vorbereitungskonferenz der COP29 in Baku, Aserbaidschan. Allerdings müssen die Staaten den erarbeiteten Entwürfen auf der COP29 in Baku noch zustimmen.

    Der UN-Kohlenstoffmarkt wird in Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens geregelt. Über dessen genaue Ausgestaltung gibt es seit Jahren Diskussionen. Bei der COP28 konnte keine Einigung erzielt werden. Gegen den vorherigen Kohlenstoffmarkt der UN, den sogenannten Clean Development Mechanism aus dem Kyoto-Protokoll, gab es immer wieder Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen.

    Artikel 6 soll um Sustainable Development Tool ergänzt werden

    Die neuen Regelungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt sollen jetzt nach einem Entwurf des sogenannten “Supervisory Body” aus der vergangenen Woche als sogenanntes “Sustainable Development Tool” in Artikel 6.4 festgeschrieben werden. Projektentwickler sollen demnach in Zukunft nicht nur darlegen, wie sie zur Reduzierung von Treibhausgasen beitragen, sondern auch, wie ihre Projekte auf andere Ziele der Nachhaltigen Entwicklung (SDGs) einzahlen. Dafür müssen die Entwickler in Zukunft einen elf Bereiche umfassenden Fragebogen ausfüllen. Die Risikobewertung soll außerdem von externen Prüfern kontrolliert werden. In diesem Jahr hatte es im Zusammenhang mit Artikel 6 auch schon eine Einigung auf ein Beschwerde- und Einspruchsverfahren gegeben. kul

    • CO2-Kompensationen
    • CO2-Zertifikate
    • COP28
    • COP29
    • Menschenrechte
    • Pariser Klimaabkommen

    Irena: Warum die Verdreifachung der Erneuerbaren außer Reichweite ist

    Die Welt droht das bei der Klimakonferenz im vergangenen Jahr vereinbarte Ziel zur Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 massiv zu verfehlen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena). Die installierte Erzeugungskapazität müsste demnach von derzeit 3.900 Gigawatt auf 11.200 Gigawatt wachsen. Mit derzeitigen nationalen Plänen würde das globale Ausbauziel demnach um 34 Prozent verfehlt, also um mehr als ein Drittel. Allerdings betont die Internationale Energieagentur (IEA) in einem kürzlich vorgestellten Bericht, viele nationale Pläne würden wahrscheinlich übertroffen. Laut IEA sei das Ziel der Verdreifachung in Reichweite.

    Nach Irena-Berechnungen ist beinahe eine Verdreifachung der jährlichen Investitionen nötig, um das Ziel der Verdreifachung der Kapazität zu erreichen. Die Investitionen müssten demnach von 570 Milliarden US-Dollar auf 1,5 Billionen US-Dollar steigen.

    Die Irena mahnt:

    • Entwicklungs- und Schwellenländern fehle weiterhin das Geld für die Umstellung auf klimafreundlichere Technologien. Investitionen in erneuerbare Energien seien in Afrika zwischen 2022 und 2023 um 47 Prozent gesunken. 
    • Auch das Ziel zur Verdopplung der Energieeffizienz drohe verfehlt zu werden.
    • Es brauche “erhebliche Fortschritte” beim Ausbau der Infrastruktur, beispielsweise der Stromnetze, bei Lieferketten, Know-how, der Finanzierung und der internationalen Zusammenarbeit. dpa/nib
    • COP29
    • Energieeffizienz
    • Energiewende
    • Erneuerbare Energien
    • IRENA

    Generationenkapital: Greenpeace-Studie zweifelt Nachhaltigkeitsstrategie von Staatsfonds an

    Die aktuelle Nachhaltigkeitsstrategie des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) erfüllt die Anforderungen an nachhaltige Geldanlagen nicht ausreichend. Zu diesem Ergebnis kommt eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie, die am Montag vorgestellt wurde. Der Fonds, der das Generationenkapital künftig verwalten wird und dessen Nachhaltigkeitsstrategie als Blaupause dafür dienen soll, investiere gegenwärtig 1,3 Milliarden Euro oder 5,5 Prozent seines Portfolios in Unternehmen, die in Umweltzerstörung oder Menschenrechtsverletzungen verwickelt seien. 

    In der Studie hat Greenpeace sowohl die formale Kenfo-Nachhaltigkeitsstrategie als auch deren praktische Umsetzung untersucht. Demnach weise die Strategie “erhebliche Lücken” auf, die dazu führen würden, dass in umweltschädliche Unternehmen investiert werde und die Einhaltung der Ziele des Pariser Abkommens nicht gewährleistet sei. 

    Ausschluss fossiler Unternehmen laut Kenfo-Chefin nicht zielführend 

    Bei der Umsetzung kritisiert Greenpeace, dass sich im Kenfo-Portfolio “kontroverse” Fossilkonzerne wie SaudiAramco, Total Energies, Petrobras, Shell und BP, sowie der brasilianische Rindfleischproduzent JBS befinden.

    Den Ausschluss von Fossilkonzernen aus Nachhaltigkeitsgründen lehnt der Kenfo allerdings ab. “Wenn wir Aktien fossiler Unternehmen nicht mehr kaufen, wird dadurch keinerlei CO₂ eingespart”, sagte Kenfo-Vorstandsvorsitzende Anja Mikus im Interview mit Table.Briefings. Denn in der Regel würden die Aktien auf dem Sekundärmarkt, also von anderen Aktionären gekauft. Eine Steuerungswirkung hätte der Kauf somit nicht mehr. 

    Bei Infrastruktur-Projekten habe der Fonds “Investitionen in neue Öl- und Gasförderungen, Öl- und Gaspipelines und Raffinerien ausgeschlossen, soweit diese nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind”, so Mikus. 

    Greenpeace empfiehlt Ausschlusskriterien zu etablieren 

    “Das Generationenkapital braucht stärkere Nachhaltigkeitsregeln, damit nicht Milliarden in umweltzerstörende Unternehmen investiert werden”, fordert Mauricio Vargas, Finanzexperte bei Greenpeace und Autor der Studie.

    Um eine “zukunftssichere und ethisch verantwortliche Kapitalanlage” zu gewährleisten, empfiehlt Greenpeace deshalb, die ethische Geldanlage gesetzlich zu verankern, strikte Ausschlusskriterien und mehr Transparenz zu etablieren, sowie zivilgesellschaftliche Akteure stärker miteinzubeziehen. ag

    • COP28
    • ESG-Fonds
    • Finanzen
    • Fossile Industrien
    • Generationenkapital
    • Greenpeace
    • Menschenrechtsverletzungen
    • Nachhaltigkeitsstrategie

    CCS: Exxon pachtet Offshore-Flächen für CO₂-Speicherung

    Exxon Mobil hat mit dem Staat Texas Pachtverträge für über 271.000 Hektar in texanischen Staatsgewässern für ein Offshore-CCS-Projekt (Carbon Capture and Storage) abgeschlossen. Die Fläche ist größer als das Saarland. Das teilte der US-Ölkonzern kürzlich mit. Die Offshore-CCS-Projekte sollten CCS-Projekte an Land ergänzen. Das CO₂ soll in 1,6 bis 3,2 Kilometern Tiefe gespeichert werden. Über die Dauer der Pacht, die Bedingungen und die Kosten hat Exxon bisher keine Auskunft gegeben. Bereits im Jahr 2021 hatte Exxon Bundesgebiet in Texas zur CO₂-Speicherung erworben und sich im Vorjahr als Höchstbietender Gebiete im Golf von Mexiko gesichert. Die USA subventionieren die CCS-Technologie mit Steuerrabatten in Höhe von 85 US-Dollar pro Tonne CO₂. rtr/lb

    • Carbon Capture
    • CCS
    • CO2-Speicher
    • Fossile Brennstoffe
    • Fossile Industrien

    Klimarisiken: Europäisches Uni-Netzwerk will Lehre anpassen

    25 medizinische Universitäten und -fakultäten haben sich am Montag zum European Network on Climate and Health Education (ENCHE) zusammengeschlossen. Das Netzwerk will mehr als 10.000 Medizinstudentinnen und -studenten über die Gesundheitsfolgen des Klimawandels informieren und ihnen entsprechende Fähigkeiten vermitteln. Koordiniert wird der Zusammenschluss von der University of Glasgow, auch Universitäten aus Deutschland und Frankreich sind unter den Gründungsmitgliedern.

    Das Netzwerk sieht im Klimawandel “eine der größten Herausforderungen für die Gesundheit”. Faktoren wie extreme Temperaturen und Luftverschmutzung verschlimmern infektiöse und chronische Krankheiten – einschließlich durch Vektoren übertragene Krankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber. Auch Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und psychische Erkrankungen können dadurch zunehmen. Gleichzeitig stammen fünf Prozent der Treibhausgasemissionen aus dem Gesundheitssektor, vor allem wegen der Medizinprodukte und deren Emissionen entlang der Lieferkette. Angesichts dessen sei der Klimawandel im Medizinstudium unzureichend integriert, oft auf ein Modul oder eine Unterrichtseinheit limitiert, kritisiert das Netzwerk.

    Kooperieren möchte man eng mit dem Global Consortium on Climate and Health Education (GCCHE) und der WHO. Unterstützt wird das Netzwerk auch von Unternehmen aus dem Gesundheitssektor wie AstraZeneca, Novartis, Novo Nordisk, Roche und Sanofi. Für die Zukunft sei eine Ausweitung auf andere Fachkräfte des Gesundheitswesens und auf Partner in anderen Regionen denkbar. lb

    • Gesundheit
    • Klimaforschung
    • Medizin
    • Universitäten

    Zukunftsforscher: Warum sich Berlin schneller an den Klimawandel anpassen sollte

    Berlin werde “in extrem kurzer Zeit” das Klima einer südeuropäischen Stadt haben. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Zukunftsforschers Stephan Rammler im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung und unter Mitwirkung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Unter dem Titel “Klimabauhaus Berlin” befasst sich Rammler mit Konsequenzen und Möglichkeiten der Anpassung an den Klimawandel. Denn Berlin wird sich auf die neue Welt besonders schnell einstellen müssen, da die Hauptstadt in einer überaus trockenen Region Deutschlands liegt.

    “Städte wirken wie Brenngläser der Erderwärmung”, heißt es in der Studie. Der Grund liegt nahe: enge Bebauung, reduzierte Verdunstung, fehlende Belüftungsschneisen – und viel Beton und Asphalt. Für die Hauptstadt könnte darin auch eine Chance liegen: “Bei frühzeitiger und entschiedener Handlungsbereitschaft von Politik und Zivilgesellschaft könnte sich Berlin als Vorbild einer Stadt etablieren, deren gesellschaftlicher Zusammenhalt durch die gemeinsame Bewältigung der Krise sogar noch gestärkt wird.” Dafür bedürfe es allerdings gezielter politischer Interventionen. Langfristige, kulturell eingebettete Anpassungsinnovationen müssten kurzfristig stimuliert und stabilisiert werden. Generell werde stetige, nicht nachlassende Klimaadaption zu den Kernaufgaben von Stadtentwicklung “in vielen kommenden Jahrhunderten”. Ob da ausgerechnet Berlin Trendsetter wird? “Ich bin Optimist”, sagt Rammler, denn “es bleibt nur Optimismus”. kn 

    • Anpassung
    • Berlin
    • Klimaanpassung
    • Klimawandel

    Presseschau

    Zeit: Das Gas-Problem. Gas ist deutlich klimaschädlicher, als es in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Zudem tragen Gaskraftwerke dazu bei, dass Solarenergie und Windkraft langsamer ausgebaut werden, als es nötig und machbar wäre. Auch der Umbau von Gas- zu Wasserstoffnetzen behindert die Umstellung auf eine effektive Energienutzung. Zum Artikel

    FAZ: Immer weniger Wildtiere. Die Bestände von Wildtieren weltweit nehmen dramatisch ab. Dies geht aus dem “Living Planet Report 2024” der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London hervor, der Daten zu mehr als 5.500 Wirbeltierarten umfasst. Laut Bericht sind die insgesamt 35.000 untersuchten Populationen – darunter Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien – in den letzten 50 Jahren im Durchschnitt um 73 Prozent geschrumpft. Zum Artikel

    Welt: Hurrikan Milton rotiert als hunderte Kilometer großes System. Der Hurrikan “Milton” stieß im US-Bundesstaat Florida mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 195 km/h auf Land. Von Bojen wurden bis zu acht Meter hohe Wellen aufgezeichnet. Der Hurrikan rotierte als ein hunderte Kilometer großes System. Zum Artikel

    Washington Examiner: Kalifornien bringt sich vor Trump in Sicherheit. Kalifornien setzt seine Bemühungen fort, einer zweiten Trump-Regierung präventiv entgegenzuwirken. Der ehemalige Präsident beabsichtigt, viele der umweltpolitischen Maßnahmen des Staates rückgängig zu machen. Zur Strategie von Kalifornien gehören auch Klagen, die auf umfassende Vergleiche mit Industrien abzielen, welche Treibhausgase erzeugen, die außerhalb der Reichweite der Bundesregierung liegen. Zum Artikel

    BBC: Schiffswracks als Zeitbombe. Der Klimawandel führt zu stärkeren Stürmen und einem Anstieg der Meerestemperaturen, was zur Folge hat, dass Schiffswracks, von denen manche noch Treibstoff an Bord haben, rasch verfallen. In britischen Gewässern liegen mehr als 10.000 Schiffswracks. Bei zwei Dritteln von ihnen gibt es weiterhin Rätsel bezüglich Identität und Ladung. Wracks, bei denen noch Treibstoff an Bord ist, könnten aufgrund der Zersetzung des Metalls zu ernsthaften Umweltproblemen führen. Zum Artikel

    Standpunkt

    Klima- und Biodiversitätsschutz Verfassungsrang einräumen

    von Hans-Otto Pörtner
    Der Ökologe und IPCC-Autor Hans-Otto Pörtner.

    32 Jahre Klimarahmenkonvention, 36 Jahre Weltklimarat – und kein Ende des Klimawandels absehbar, was ist da los? Wir wissen seit Jahrzehnten, dass fossile Brennstoffe das Hauptproblem sind. Erst vergangenes Jahr hat man dies endlich in der Abschlusserklärung der COP28 anerkannt. Wenn aber der Spiegel recht hat, wird diese Einsicht wieder aus den Texten verschwinden. Wir sind auf der falschen Spur, denn der erdgeschichtlich schnelle Klimawandel, wie wir ihn ausgelöst haben, verursacht massive Schäden, kostet Menschenleben und zerstört die Natur, wie wir sie kennen.

    Mit dem fortschreitenden Klimawandel kommen Grenzen der Beherrschbarkeit auf uns zu. Der Klimawandel, nicht der Klimaschutz, wird uns Schritt für Schritt unseren Wohlstand nehmen. Dementsprechend verteidigen wir den Wohlstand mit den falschen Mitteln, wenn wir meinen, wir bräuchten dafür fossile Brennstoffe.

    Zeitenwende für Klima- und Biodiversitätsschutz

    Wir brauchen eine Zeitenwende im Klimaschutz, die den Namen verdient. Und das Gleiche brauchen wir auch im Biodiversitätsschutz. Denn diese beiden existenziellen Krisen sind miteinander verknüpft. Durch Hitze, Dürren und Überflutungen beschädigt der Klimawandel die Artenvielfalt und die lebenserhaltenden Funktionen der Ökosysteme, darunter auch die Fähigkeit, CO₂ zu binden und den Klimawandel auf natürliche Weise zu bremsen. Umgekehrt beschleunigt die Freisetzung von Treibhausgasen aus absterbenden Wäldern, austrocknenden Mooren und auftauenden Permafrostböden den Klimawandel mit seinen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Klimaschutz und Biodiversitätsschutz, auch durch Lösung der Verschmutzungskrise, haben keine Alternative.

    Das Klima und auch die Ökosysteme der Erde funktionieren nach Naturgesetzen, die die Wissenschaft mehr und mehr versteht. Diese Gesetze lassen sich im gesellschaftlichen Bereich mit Verkehrsregeln vergleichen; wer sie verletzt, riskiert schwere Unfälle. Die zunehmenden Klimakatastrophen zeigen: Mit den Naturgesetzen kann man nicht verhandeln, man muss sie respektieren, so wie man die rote Ampel respektiert. Naturgesetze sind keine Meinungssache.

    Trotzdem gibt es viele, die die Sachverhalte und die Bedrohung eigentlich nicht verstanden haben und das notwendige Handeln als beliebig ansehen. Formulierungen einiger Politiker wie “Klimapolitik mit Augenmaß” und “die Erde geht morgen noch nicht unter” spiegeln diese Problematik. Ausbremsen und Verzögern, Kopf in den Sand sind die aktuell dominierenden Strategien in der internationalen Klimapolitik und zum Teil auch auf der nationalen Ebene. Entschlossenes Handeln ist aber angesagt, um Versäumtes nachzuholen und den Klimawandel und seine Schäden zu begrenzen.

    Zunehmende Katastrophen werden die Menschheit erziehen

    Machen wir uns nichts vor: Mit unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen wird der fortschreitende Klimawandel durch immer schlimmere Katastrophen die Menschheit erziehen und Veränderungen erzwingen. “Wer nicht hören will, muss fühlen” – heißt es. Trotzdem sind viele Menschen nicht bereit zu handeln; die Bremser entscheiden für die anderen mit, zwingen ihnen den Klimawandel auf. Warum aber sind wir bereit, unseren Wohlstand zu riskieren und 6-mal mehr für die Reparaturen von Katastrophen zu bezahlen als für effektiven und erfolgreichen Klimaschutz? So geht unser Wohlstand dahin. Schon jetzt müssen wir uns an den laufenden Klimawandel anpassen, aber wir sollten uns klarmachen, dass unsere Anpassungsfähigkeit mit zunehmendem Klimawandel nachlässt.

    Dieser Missstand und das aktuelle Wählerverhalten zeigen, dass wir ein Bildungs- und Aufklärungsproblem haben. Klimawandel und Biodiversitätsverlust betreffen alle Lebensbereiche. Für konsequenten Schutz brauchen wir eine breite Wertschätzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, und die erreichen wir mit entsprechender Prioritätensetzung nur über die Bildung und die Medien. In den Schulen und den Universitäten braucht es in allen Fächern Querschnittsthemen dazu und ein entsprechendes Engagement der Lehrenden. Politik ist hier gefragt zu steuern, die Religionsgemeinschaften können helfen.

    Rechte der Natur in Verfassungen

    In Deutschland ist der Erhalt der Demokratie wesentliches Fundament und Konsens unter den demokratischen Parteien. Dies ist bei den existenziellen Problemen Klimawandel und Artenverlust gegenwärtig nicht der Fall. Demokratie, Klimaschutz und Biodiversitätsschutz sind zusammen genommen das Fundament einer gesunden Gesellschaft und ihrer gesunden natürlichen Ressourcen. Es gibt nur noch ein kleines Zeitfenster von zehn bis zwanzig Jahren, an dessen Ende Schutzmaßnahmen erfolgreich gewesen sein müssen. Es wird höchste Zeit, dass alle Parteien auf diesem Fundament zeitgerecht und im Konsens agieren und diesen existenziellen Fragen Verfassungsrang einräumen.

    Was ist zu tun? Die Verfassungen der Nationen dieser Welt sollten diese Fundamente der Existenz des Menschen und der Natur ausformulieren und in dieser Normierung keinen Spielraum für schädliches Verhalten lassen. So kann es gelingen, neue wirtschaftliche Entwicklungen nur noch mit Erneuerbaren zu erlauben und den Fossilen auch sonst mittelfristig den Garaus zu machen. Sozialer und internationaler Ausgleich ist auf dem Weg dorthin essenziell.

    Aber es gibt Hoffnung: Inzwischen wurden die Rechte der Natur in so unterschiedlichen Ländern wie Ecuador, Bolivien, Neuseeland, Indien und Uganda anerkannt, teilweise mit Verfassungsrang. Es wird Zeit, sich auch in unserem Land entsprechend aufzustellen, das Klima explizit hinzuzunehmen und die Kakophonie der Parteien zu den Themen Klima- und Biodiversitätsschutz zu beenden.

    Der Ökologe Hans-Otto Pörtner ist Professor für Integrative Ökophysiologie am Alfred-Wegener-Institut und der Universität Bremen. Er hat als Autor und koordinierender Leitautor an diversen Sachstands- und Sonderberichten des IPCC mitgewirkt.

    • Bildung
    • Biodiversität
    • COP28
    • Demokratie
    • Dürre
    • Fossile Brennstoffe
    • IPCC
    • Klimaschutz
    • Klimaschutzgesetz
    • Universitäten
    • Wissenschaft

    Climate.Table Redaktion

    CLIMATE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen