in Baku nähert sich die erste COP-Woche dem Ende, der Wirbel um die Regierungschefs ist vorbei. Wirklich hilfreich waren diese nicht, eher im Gegenteil: Die undiplomatischen Ausfälle von Aserbaidschans Präsident Alijew etwa haben das Konferenzklima belastet. Jetzt ist Detailarbeit angesagt. Wie üblich, wenn es um Inhalte geht, wird es zäh: Beim Finanzziel sind die Fortschritte kaum messbar, die Verhandlungen sind weit hinter dem Zeitplan zurück. Ab und zu tauchen Elemente einer möglichen Einigung auf, wie Nico Beckert berichtet.
Weil es ernst wird, müsse die Konferenzführung jetzt führen, monieren viele. Große Namen der Klimaszene fordern dagegen gleich ein ganz neues Verhandlungssystem für den Klimaschutz. Langweilig wird es auf den vollgestopften Korridoren im Bauch des Stadions von Baku jedenfalls nicht. Und eine Schokoladenquelle haben wir auch entdeckt, aber die ist geheim.
Unfassbar für alle Gipfelteilnehmer: Das Leben außerhalb der COP geht weiter. Und so nimmt ein Vorschlag Gestalt an, den Emissionshandel der EU mit der neuen EU-Kommission grundlegend zu verändern: Neue Zertifikate sollen den Markt für Negativemissionen anschieben, schreibt Lukas Knigge. Und auch Vorschläge, das Fliegen durch andere Flughöhen weniger klimaschädlich zu machen, haben mit der COP erstmal nichts zu tun. Bis in gut einer Woche alle wieder ins Flugzeug nach Hause steigen.
Bis dahin bleiben wir für Sie dran. Halten Sie durch!
Auf der COP29 ringen die Verhandler um mögliche Puzzleteile für eine Lösung bei den Klimafinanzen. Die offiziellen Verhandlungen sind ernsthaft gestartet, verlaufen aber sehr zäh und sind hinter dem Zeitplan zurück. Schweden sorgte für ein positives Zeichen. Ein angekündigter neuer Klimafonds des COP-Gastgebers wurde verschoben, bei der Anpassungsfinanzierung gab es “Ernüchterung”, wie eine Beobachterin sagt – während ein neuer Bericht einer hochrangigen Expertengruppe erneut deutlich macht, wie viel Geld benötigt wird.
Beim neuen Klimafinanzziel “drängt die Zeit”, räumte der führende Verhandler der COP-Präsidentschaft Yalchin Rafiyev gestern ein. Wie groß der Bedarf für und der Handlungsdruck in der Klimafinanzierung ist, zeigt der gestern vorgelegte Dritte Bericht der Independent High-Level Expert Group on Climate Finance (IHLEG) der unter Führung des britischen Ökonomen Lord Nicholas Stern den Finanzierungsbedarf bezifferte:
Die EU-Verhandler zeigen sich derweil “sehr besorgt” über die Trägheit der bisherigen Gespräche zum NCQG und bezeichnen den noch immer über 30 Seiten umfassenden Entwurf als “Rückschritt”. Der finale Text solle nicht mehr als zwei Seiten lang sein, fordert der Chefverhandler für die Europäische Kommission, Jacob Werksman. “Wir sind noch weit von einem Kompromiss entfernt.” Da müsse nun die COP-Präsidentschaft einschreiten, forderte er.
“Die NCQG Verhandlungen würden jetzt von einem Impuls der Präsidentschaft profitieren“, sagt David Ryfisch, Klimafinanzexperte bei Germanwatch. Bis Samstag sollen die technischen Verhandlungen eigentlich abgeschlossen sein. “Die Präsidentschaft könnte dies mit einer klaren Strategie, wie Fortschritte gemacht werden sollen, unterstützen.”
Positive Nachrichten kommen von Schweden. Das Land hat umgerechnet 725 Millionen US-Dollar für den Green Climate Fund (GCF) für die Jahre 2024 bis 2027 zur Verfügung gestellt. “Mit seinem Beitrag zum GCF ist Schweden der größte Pro-Kopf-Geber unter den großen Gebern”, sagte Schwedens Minister für Entwicklungszusammenarbeit und Außenhandel, Benjamin Dousa.
Anders als bei anderen COPs sind in Baku solche frühzeitigen öffentlichkeitswirksamen Beiträge Mangelware. Doch auf der diesjährigen Klimakonferenz “hat sich diese normale Dynamik durch das NCQG verändert“, sagt Rob Moore von E3G. Die Staaten wollen ihr Pulver für die entscheidenden NCQG-Verhandlungstage trocken halten.
Das zeigt sich auch bei der Finanzierung von Klimaanpassung. Auf dem sogenannten Contributor Dialogue des Adaptation Fund kamen am Donnerstag nur 61 Millionen US-Dollar von zehn verschiedenen Geberstaaten zusammen. “Das ist absolut ernüchternd. Die heutigen Zusagen umfassen gerade einmal ein Fünftel des selbstgesteckten Mobilisierungsziels – das sendet ein schlechtes Signal an die COP-Verhandlungen”, sagt Julia Grimm, Referentin für Klimafinanzierung und Anpassung bei Germanwatch. Deutschlands Zusage stehe noch aus und soll kommende Woche erfolgen.
Eigentlich war für den gestrigen COP-Finanztag auch die Vorstellung des “Climate Finance Action Fund” (CFAF) der COP-Präsidentschaft erwartet worden. Doch ein High Level Event zur Einführung des Fonds wurde kurzfristig abgesagt, wie Climate Home News berichtet. Der CFAF sollte freiwillige Zahlungen von Öl- und Gasstaaten für die Klimafinanzierung einsammeln und ein Volumen von einer Milliarde US-Dollar erreichen. Laut Berichten scheuen Entwicklungsländer einen möglichen Präzedenzfall für die Klimafinanzierung. Laut Rafiyev soll nun eine Arbeitsgruppe ein Konzept für den CFAF ausarbeiten.
Um die Themen Finanzen, Investitionen und Handel näher zusammen zu bringen, hat der COP29-Gastgeber gestern die Baku Initiative on Climate Finance, Investment and Trade (BICFIT) gestartet. Sie soll als Dialogplattform dienen, um “klima-positive Investitionen” voranzubringen. Die Initiative sei wichtig, um die Bedeutung von Handel und Investitionen für den Klimaschutz in den Vordergrund zu rücken. Ob sie jedoch strittige Handelsfragen beseitigen kann, wird angezweifelt. “Es fehlt im multilateralen System noch immer ein geeigneter Ort, um Fortschritte in den strittigeren Fragen an der Schnittstelle von Klima- und Handelspolitik, wie etwa einseitige Handelsmaßnahmen zu behandeln”, sagt Ellie Belton, E3G Senior Policy Advisor. Mitarbeit: Lukas Knigge
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat am Donnerstag in Baku seine Vorschläge vorgestellt, wie die Abscheidung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) aus der Atmosphäre marktreif und vor allem rentabel werden kann. Er schlägt sogenannte “Clean-up”-Zertifikate vor, die zusätzlich zu der herkömmlichen CO₂-Abgabe des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) das Versprechen beinhalten, das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt der Atmosphäre wieder zu entziehen. Auf der COP29 erläuterte Edenhofer seine Vorstellungen.
Demnach hätten Unternehmen, die unter das ETS fallen, die Wahl. Sie können entweder reguläre Emissionsrechte kaufen oder Clean-up-Zertifikate, die mit einer Kohlenstoffschuld versehen sind. Für Letztere würden sie bei einer zentralen Stelle – Edenhofer schlägt die Gründung einer Kohlenstoff-Zentralbank vor – Sicherheiten hinterlegen, die sie nur zurückerhalten, wenn sie dafür sorgen, dass das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt wieder der Atmosphäre entzogen wird.
Ein Entnahmezertifikat würde dabei keine zusätzlichen Emissionen über der Emissionsobergrenze des ETS – dem sogenannten Cap – ermöglichen, sondern ein reguläres Emissionsrecht eins zu eins ersetzen.
Dies hätte laut Edenhofer mehrere Vorteile:
Clean-up-Zertifikate seien interessant für Unternehmen, die davon ausgehen, dass CDR-Kosten in der Zukunft niedriger sind als die derzeitigen Kosten für die Emissionsminderung, erklärt Edenhofer. Risikokosten für CDR-Projekte würden sinken, Investitionen in CDR könnten steigen.
Die Hoffnung des Ansatzes: Privates Kapital würde den CDR-Hochlauf finanzieren. Denn öffentliche Mittel allein können die CO₂-Entnahmen, die in Europa für das Erreichen der Klimaziele nötig sind, kaum finanzieren. Im LULUCF-Sektor rechnet die EU mit einem Potenzial von bis zu 472 Megatonnen CO₂-Äquivalenten. Das entspricht 13 Prozent der Gesamtemissionen der EU von 2019. Für technologische CO₂-Entnahmen geht die EU von bis zu 606 Megatonnen CO₂e aus; das entspricht 17 Prozent der EU-Emission von 2019.
Diese Senkleistungen werden gebraucht, um auch nach der geplanten Klimaneutralität Europas im Jahr 2050 Restemissionen beispielsweise aus der Industrie oder der Landwirtschaft zu kompensieren. Bei geschätzten Kosten von bis zu 400 Euro pro Tonne CO₂ müssten die Länder mehrere hundert Milliarden Euro jährlich in Kohlenstoffsenken investieren.
Die Diskussionen dazu auf EU-Ebene laufen. Sowohl Klimakommissar Wopke Hoekstra als auch der Generaldirektor für die Klimapolitik Kurt Vandenberghe haben bereits unterstrichen, wie wichtig die Aufnahme von CO₂-Entnahmen in den Emissionshandel ist.
15. November, 10 Uhr, Deutscher Pavillion
Diskussion Distributed Renewable Energy Systems: Ensuring Sustainable and Reliable Energy Supply in Remote Areas and Island Communities through minigrids
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstaltet diese Diskussion zu sogenannten “Mini-Grids” als Klimalösungen. Zu den Speakern gehört unter anderem Staatssekretär Jochen Flasbarth. Infos
15. November, 11.30 Uhr, Side Event Room 6
Diskussion Enhancing NDCs 3.0: The Role of Carbon Markets in Emission Reductions and Removals
Die Florence School of Governance veranstaltet diese Diskussion auf der COP29 zur Frage, welche Rolle Kohlenstoffmärkte in der nächsten Generation der nationalen Klimaziele spielen. Infos
15. November, 13.15 Uhr, Side Event Room 3
Diskussion Peace and Security in a Changing Climate: From Analysis to Action
Auf diesem Event werden Verbindungen zwischen Klima, Frieden und Sicherheit vorgestellt. Außerdem wird diskutiert, wie Klimaschutz auch zur Friedensbildung beitragen kann. Infos
15. November, 18 Uhr, Online
Webinar Ask Carbon Brief anything about COP29
Expertinnen und Experten von CarbonBrief ziehen nach der ersten Woche der Klimaverhandlungen eine Zwischenbilanz und schauen darauf, was von den Verhandlungen noch zu erwarten ist. Infos
Die globale Klimapolitik und das Rahmenübereinkommen UNFCCC müssten dringend überarbeitet werden, das fordern verschiedene Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Klimaszene in einem offenen Brief. Es brauche “einen Wechsel von Verhandlung zu Umsetzung“, heißt es darin. Der Brief fordert unter anderem ein besseres Auswahlverfahren für die COP-Präsidentschaft.
Außerdem brauche der COP-Prozess Mechanismen, um die Staaten für ihre Klimaziele und Verpflichtungen tatsächlich zur Verantwortung zu ziehen. Zudem wird in dem Schreiben kritisiert, dass zu viele Lobbyisten der fossilen Industrien auf den COPs anwesend seien und auf die Verhandlungen Einfluss nähmen. Eine aktuelle Analyse von dem Zusammenschluss Kick Big Polluters Out kommt zu dem Ergebnis, dass mindestens 1773 fossile Lobbyisten in diesem Jahr Zugang zur Klimakonferenz haben. Im vergangenen Jahr waren demnach sogar mehr als 2400 Lobbyisten anwesend, vor zwei Jahren in Ägypten waren es noch rund 630.
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören Sandrine Dixson-Declève, Vorstandsvorsitzende von Earth4All und globale Botschafterin des Club of Rome; Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung; Ban Ki-moon, ehemaliger UN-Generalsekretär; Mary Robinson, frühere Präsidentin von Irland; Christina Figueres, ehemalige Generalsekretärin den UNFCCC, und der brasilianische Klimawissenschaftler Carlos Nobre. kul
Der Flugverkehr könnte ohne größeren Aufwand erheblich klimafreundlicher werden. Denn die schädliche Wirkung von Flugzeugen beruht nur zum kleineren Teil auf dem ausgestoßenen CO₂; mehr als die Hälfte entfällt auf Kondensstreifen, die durch ihre reflektierende Wirkung den Treibhauseffekt verstärken. Doch diese ließen sich mit vergleichsweise niedrigen Kosten zu einem großen Teil verhindern, zeigt eine neue Studie des Thinktanks Transport & Environment.
Denn Kondensstreifen entstehen nur, wenn Flugzeuge besonders kalte und feuchte Luftschichten durchfliegen. Weil diese nur selten vorkommen, sind nur rund fünf Prozent der europäischen Flüge für 80 Prozent der Kondensstreifen verantwortlich. Und bei diesen Flügen könnten die Kondensstreifen durch eine geringfügige Veränderung der Flughöhe stark verringert werden. Durch die Abweichung von der berechneten Idealroute würde zwar der Treibstoffverbrauch um bis zu fünf Prozent steigen; der Klimaeffekt wäre der Studie zufolge aber trotzdem extrem positiv, weil der Klimanutzen durch die entfallenden Kondensstreifen 15- bis 40-mal so groß ist wie der Schaden durch die zusätzlichen CO₂-Emissionen.
Um die Regionen, in denen sich Kondensstreifen bilden, umfliegen zu können, bräuchte es bessere Vorhersagen detaillierter Wetterdaten. Feuchtigkeitssensoren an den Flügen könnten zudem helfen, die Flughöhe noch während des Fluges anzupassen. Pro Tonne vermiedenes CO₂-Äquivalent wäre diese Lösung rund 15-mal billiger als andere Klimaschutzlösungen wie CCS, schätzen die Autoren. Würden sie auf die Ticketpreise umgelegt, würde sich ein Flug von Frankfurt nach Washington um maximal vier Euro verteuern, wenn er kondensstreifen-vermindernd umgeleitet würde. mkr
Am Mittwoch hat Argentinien den Klimagipfel in Baku verlassen – am Donnerstag meldete die Washington Post, der argentinische Präsident Javier Milei erwäge wie US-Wahlsieger Donald Trump den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Am Tag, bevor die Entscheidung für Argentiniens Rückzug von der COP29 bekannt wurde, soll Milei mit Trump gesprochen haben. Ein Treffen beider Politiker ist den Berichten zufolge noch in der laufenden Woche in Mar-a-Lago in den USA geplant.
Die argentinische Delegation auf der COP29 war sehr klein: Laut UN-Klimasekretariat hatten sich 21 Personen registriert, Fahrer und Botschaftspersonal eingeschlossen (hinzu kamen 64 weitere Personen als “Overflow”, also z.B. Unternehmensvertreter, Abgeordnete, Umweltschützer oder Forschende). Doch tatsächlich nach Baku gefahren seien wohl sehr viel weniger, sagt der argentinische Umweltaktivist und ehemalige Politiker Juan Carlos Villalonga auf Anfrage von Table.Briefings. Er schätzt die Größe der Delegation auf “nicht einmal acht Personen“. Laut der Tageszeitung Clarín entsandte Argentinien vor allem Fachleute der technischen Ebene, die “angereist waren, weil am Ende des Jahres der Transparenzbericht vorgelegt werden muss” und sie sich die dafür nötigen Kenntnisse in Baku aneignen wollten. Doch als es darum ging, sich zu positionieren, hätten sie den Gipfel verlassen, “um die Verhandlungen nicht zu stören”.
Ein Sprecher der argentinischen Präsidentschaft antwortete nicht auf eine Anfrage von Table.Briefings nach den Gründen. Doch klar ist: Der Anarchokapitalist Milei sieht die Klimabewegung als “Teil der Agenda der Sozialisten”, und er hat die Vereinten Nationen scharf attackiert. Sie bestünden aus Bürokraten, die beispielsweise mit der Agenda 2030 eine “Agenda sozialistischen Zuschnitts” vorantrieben, sagte er in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung im September. Kurz vor der COP29 sorgte Milei zudem für diplomatische Unsicherheit, weil er seine bisherige Außenministerin Diana Mondino entließ und durch Gerardo Werthein ersetzte, der zuvor Botschafter in Washington, D.C., gewesen war.
Für die Verhandlungen in Baku sei die Abreise der argentinischen Delegation “ein symbolischer Schlag”, der die Gespräche belaste, schreibt Villalongas. “Für Argentinien ist es ein Risiko, denn es schließt sich selbst von umfangreicher internationaler Kooperation aus, die mit der Klimapolitik zusammenhängt.” Auch die Umweltstiftung FARN fürchtet Nachteile durch den Rückzug von der COP29: Die Klimagipfel seien “der Schlüssel, damit die Länder des Globalen Südens, wie Argentinien, vom Globalen Norden eine adäquate Finanzierung für die Klimaanpassung und den Klimaschutz verlangen können”, schreibt FARN auf der Plattform X. Doch daran ist Milei offenbar nicht interessiert. Stattdessen hat er in Argentinien den Markt für fossile Energien liberalisiert – die Ölproduktion erreicht unter ihm neue Rekordhöhen. ae
Klimaschutzprojekte, mit denen Unternehmen ihren CO₂-Ausstoß kompensieren wollen, tragen deutlich weniger zur Emissionsminderung bei als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb und anderen Institutionen, die am Mittwoch im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der Markt für Emissionsgutschriften aktuell wirkungslos sei.
In ihrer Metastudie haben neben Max-Planck auch Wissenschaftler anderer Forschungsinstitutionen und Universitäten wie Harvard, Berkeley, Cambridge, Oxford oder der ETH Zürich über 60 empirische Studien zu mehr als 2.300 Klimaschutzprojekten systematisch ausgewertet.
Das Ergebnis: Weniger als 16 Prozent der ausgestellten Emissionsgutschriften entsprechen tatsächlichen Emissionsreduktionen.
Grund dafür seien “systematische Qualitätsprobleme” der Zertifikate über alle Projekttypen hinweg, so die Autoren. So sei bei Projekten zur Reduktion des starken Treibhausgases SF6, das vorwiegend in der Elektroindustrie verwendet wird, nur knapp ein Sechstel der Emissionen tatsächlich gemindert worden. Bei Windenergie- und Aufforstungsprojekten bestätigt die Studie, dass viele Aktivitäten auch ohne Zertifikatsverkäufe umgesetzt worden wären. Damit fehlt die Zusätzlichkeit, ein wesentliches Qualitätskriterium für Kompensationsprojekte. In einigen Branchen der Chemieindustrie sei der Treibhausgasausstoß seit der Einführung von Emissionsgutschriften sogar gestiegen.
“Die Regeln der Kohlenstoffmarktprogramme räumen den Projektentwicklern oft zu viel Flexibilität ein”, sagt Co-Autor Lambert Schneider, Experte für internationale Klimapolitik am Öko-Institut. Dies könne dazu führen, dass “unrealistische Annahmen” getroffen oder “ungenaue Daten” verwendet würden, was die tatsächliche Reduktion überschätzen könne.
Die Autoren fordern, die Regeln für Emissionsgutschriften grundlegend zu überarbeiten. Vor allem die Kohlenstoffmarktprogramme müssten ihre Methoden bei der Überprüfung und Bewertung von Klimaschutzprojekten nachjustieren. Nur so könne das Vertrauen hergestellt werden, dass CO₂-Zertifikate tatsächlich den Klimawandel eindämmen.
“Wenn Emissionsgutschriften nicht zu einer echten Emissionsreduzierung führen, machen wir im Kampf gegen den Klimawandel nicht die Fortschritte, die wir zu erzielen glauben”, warnt Benedict Probst, Co-Autor und Leiter des Net Zero Lab am Max-Planck-Institut.
Derweil wurde die Einführung von Klimazertifikaten zur Emissionsminderung auch auf der diesjährigen COP 29 in Baku breit diskutiert. Am vergangenen Dienstag einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf Standards für die Entwicklung von Klimaschutzprojekten zur Vergabe von Emissionsgutschriften. Die Entscheidung löste heftige Gegenreaktionen aus.
Insgesamt wurden in diesem Jahr weltweit 37,4 Gigatonnen CO₂ ausgestoßen, 0,8 Prozent mehr als noch 2023. Zusammengerechnet mit den Emissionen aus der Landnutzung, insbesondere durch das Abholzen tropischer Regenwälder, könnte das verbliebene Kohlenstoffbudget zur Erreichung der 1,5-Grad-Marke bereits in sechs Jahren aufgebraucht sein. ag
Das EU-Parlament hat gestern wesentlichen Änderungen an der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) zugestimmt: Die Umsetzungsfrist wird um ein Jahr verschoben, sodass größere Unternehmen die Regeln ab Ende 2025, kleinere ab Mitte 2026 befolgen müssen. Für Produkte wie Kakao, Kaffee und Soja muss dann sichergestellt werden, dass diese nicht von nach 2020 entwaldeten Flächen stammen. Einige EU-Mitgliedstaaten, Handelspartner und betroffene Unternehmen hatten sich massiv für eine Verschiebung der Frist eingesetzt.
Darüber hinaus müssen für das Gesetz, das bereits 2023 von Kommission, Parlament und Rat verabschiedet worden war, erneut Trilogverhandlungen eröffnet werden. Mehrere der von Christine Schneider (EVP) eingereichten Änderungsanträge bekamen gestern Vormittag eine Mehrheit von EVP, den rechten Parteien und einigen Renew-Abgeordneten, darunter auch von der FDP.
Nach einer informellen Einigung mit der Renew-Fraktion unter der Leitung von Pascal Canfin und unter dem Druck weiterer Fraktionen, hatte die EVP gestern Morgen sechs von 15 Änderungsanträgen wieder zurückgezogen. Diese wären noch deutlich weiter gegangen. Sie hätten Händler von den Regeln ausgenommen und die Frist um zwei Jahre verschoben.
Bei den jetzigen Änderungen geht es vor allem um eine Ergänzung des Länder-Benchmarkings, anhand dessen die Kommission Erzeugerländer je nach Entwaldungsrisiko bis Mitte 2025 in drei verschiedene Kategorien einteilen muss: “geringes”, “normales” und “hohes” Risiko. Auf dieser Basis gelten dann bestimmte Kontrollquoten für die betroffenen Produktgruppen. Die EVP hat nun eine vierte Kategorie für Länder “ohne Risiko” ins Spiel gebracht. Für diese sollen deutlich weniger strenge Anforderungen gelten.
“Wir wollen nicht diejenigen bestrafen, die schon ihre Hausaufgaben gemacht haben”, erklärte Schneider bei einer Pressekonferenz. Für Länder, die ein nachhaltiges Waldmanagement nachweisen können, sei eine zusätzliche Überprüfung und Dokumentation unnötig.
Sozialdemokraten und Grüne, die gegen alle Änderungen gestimmt hatten, hatten vor einer solchen Null-Risiko-Kategorie gewarnt: Die EVP wisse, dass diese Kategorie “unter den EU-Mitgliedstaaten hochumstritten ist”, sagte Delara Burkhardt, die das Gesetz für die S&D-Fraktion mitverhandelt hatte. Denn: Auch die EU-Mitgliedstaaten würden in unterschiedliche Risikokategorien eingeteilt, der Binnenmarkt so fragmentiert. Burkhardt hält es deshalb für unmöglich, dass erneute Verhandlungen mit dem Rat bis Jahresende abgeschlossen werden können. Das könnte dann bedeuten, dass die EUDR zunächst in ihrer bisherigen Form zum 30. Dezember 2024 in Kraft tritt.
Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses (IMCO), forderte die EU-Kommission auf, den Vorschlag für eine Verschiebung wieder zurückzuziehen. Mit diesem hätte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen “die Büchse der Pandora geöffnet”.
Cavazzini warnte, die Ausnahme für EU-Mitgliedstaaten durch die Null-Risiko-Kategorie werde “nach hinten losgehen und die Verordnung mit der WTO unvereinbar machen.” Diese würde es ermöglichen, in der einen Region alte Mischwälder abzuholzen und dies durch das Pflanzen von Monokulturen auszugleichen. “Das ist katastrophal für die Biodiversität”, sagte sie.
Christine Schneider hingegen äußerte sich optimistisch, dass die Trilogverhandlungen bis Weihnachten abgeschlossen sein können. Applaus erhielt sie unter anderem vom europäischen Handelsverband EuroCommerce, der insbesondere die Verschiebung begrüßte. “Diese Zeit wird benötigt, um verbleibende Unsicherheiten bei der Umsetzung zu beseitigen, die Komplexität zu verringern und die Zulieferer in unseren Lieferketten vorzubereiten”, hieß es in einer Pressemitteilung.
Dass die Mehrheiten für einige Änderungsanträge nur mithilfe rechter Stimmen – inklusive der AfD – zustande kamen, schien Schneider nicht weiter bedenklich zu finden. “Wir sind alle gewählte Mitglieder dieses Parlaments“, sagte sie. leo
Auf der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Deutschland 100 Millionen US-Dollar für den “Loss-and-Damage”-Fonds zugesagt, der 2023 vom UN-Klimasekretariat ins Leben gerufen wurde – 42 Jahre nachdem Länder des Globalen Südens erstmals Entschädigungen für die Schäden gefordert hatten, die durch die Klimakrise verursacht wurden. Zunächst wurde der Fonds als Erfolg für die Länder gefeiert, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind und am wenigsten dazu beigetragen haben. Doch bei genauerer Betrachtung zeigen sich erhebliche Mängel.
Der Loss-and-Damage-Fonds basiert auf einer Logik der Entwicklungshilfe, die freiwillige Hilfsleistungen von Ländern des Globalen Nordens an den Globalen Süden umfasst. Oft sind damit Bedingungen verbunden. Doch diese Form der Hilfe hat in den vergangenen 50 Jahren weder die Machtverhältnisse zwischen Nord und Süd verändert noch den betroffenen Menschen effektiv geholfen.
Was die Länder des Globalen Südens wirklich benötigen, ist die Möglichkeit zur Selbstbestimmung, die durch die ungleichen Machtverhältnisse zwischen ihren Volkswirtschaften und denen des Globalen Nordens behindert wird. Ein erhebliches Hindernis dafür stellen derzeit die aus der kolonialen Vergangenheit stammenden Schulden des Globalen Südens dar, deren Bedienung von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank weiterhin erzwungen wird.
Das Problem mit Entwicklungshilfe und Fonds wie dem Loss-and-Damage-Fonds besteht darin, dass sie nur einen Bruchteil des Geldes ausmachen, das umgekehrt in Form von Schulden, Zinszahlungen und ungleichem Handel vom Süden in den Norden fließt. Dieser ungleiche Tausch bedeutet, dass der Norden Ressourcen zu günstigeren Preisen bezieht als der Süden.
Diese Machtdynamik ist so tief im globalen Handelssystem verankert, dass der Globale Norden dem Süden jährlich rund zehn Billionen US-Dollar entzieht – das Dreißigfache der Entwicklungshilfe, die vom Globalen Norden zurückfließt. Der Loss-and-Damage-Fonds ändert nichts an dieser extraktivistischen Logik und befreit die Volkswirtschaften des Südens nicht aus ihrer Abhängigkeit, da weder Schuldenerlass noch das Ende extraktiver Beziehungen vorgesehen sind.
Um gerecht mit der Klimakrise umzugehen, müssen wir daher zu einem Ansatz übergehen, der Klimareparationen in den Fokus stellt. Dieser Ansatz umfasst mehrere Komponenten:
Zunächst ist eine Entschuldigung für den angerichteten Schaden erforderlich. Länder des Globalen Nordens sind durch exzessive CO₂-Emissionen und das Überschreiten eines fairen Pro-Kopf-CO₂-Budgets hauptverantwortlich für die Klimakrise. Der Globale Norden muss diese Klimaschuld anerkennen und Verantwortung übernehmen.
Doch das passiert nicht: Die verantwortlichen Länder machten in den Verhandlungen für den Loss-and-Damage-Fonds sogar zur Bedingung, dass nicht über diese Verantwortung oder gar eine Haftung für die entstandenen Schäden diskutiert wird. Ohne eine Anerkennung der Verantwortung bleibt das Geld im Fonds eine freiwillige Wohltätigkeit und keine Wiedergutmachung für jahrhundertelange Ausbeutung.
Zweitens beinhalten Reparationen finanzielle oder andere Formen der Entschädigung. Dazu gehören:
Im derzeitigen System der Entwicklungshilfe wird die Abhängigkeit des Globalen Südens weiterhin bewahrt und dessen Fähigkeiten zu einer Dekarbonisierung massiv eingeschränkt. Daher braucht es einen massiven Ausbau der Kompensationsleistungen, um dem Übernehmen der Verantwortung des Globalen Nordens Gewicht zu verleihen.
Drittens erfordern Reparationen eine Garantie der Nichtwiederholung. Dies bedeutet eine Versicherung der Länder des Globalen Nordens, vergangene Vergehen wie das massive Übernutzen planetarer Ressourcen oder die Ausbeutung des Globalen Südens nicht zu wiederholen.
Die Begleichung bestehender Klimaschulden durch Reparationen ist das Paradigma, das den Globalen Süden befähigen kann, die Klimakrise zu bewältigen. Die Anerkennung der Verantwortung des Nordens ist der erste Schritt. Danach folgt die Streichung der unrechtmäßigen Schulden gegenüber dem Globalen Süden. Dann müssen wir neue Wege beschreiten, um von “Loss and Damage” zu Klimareparationen zu gelangen.
Lee Amaduzzis Schwerpunkt liegt auf der Überschneidung von Degrowth und dekolonialen Reparationen. Oumarou arbeitet zu den Themen Klimaschulden und Reparationen. Beide gehören zu dem Thinktank Konzeptwerk Neue Ökonomie.
in Baku nähert sich die erste COP-Woche dem Ende, der Wirbel um die Regierungschefs ist vorbei. Wirklich hilfreich waren diese nicht, eher im Gegenteil: Die undiplomatischen Ausfälle von Aserbaidschans Präsident Alijew etwa haben das Konferenzklima belastet. Jetzt ist Detailarbeit angesagt. Wie üblich, wenn es um Inhalte geht, wird es zäh: Beim Finanzziel sind die Fortschritte kaum messbar, die Verhandlungen sind weit hinter dem Zeitplan zurück. Ab und zu tauchen Elemente einer möglichen Einigung auf, wie Nico Beckert berichtet.
Weil es ernst wird, müsse die Konferenzführung jetzt führen, monieren viele. Große Namen der Klimaszene fordern dagegen gleich ein ganz neues Verhandlungssystem für den Klimaschutz. Langweilig wird es auf den vollgestopften Korridoren im Bauch des Stadions von Baku jedenfalls nicht. Und eine Schokoladenquelle haben wir auch entdeckt, aber die ist geheim.
Unfassbar für alle Gipfelteilnehmer: Das Leben außerhalb der COP geht weiter. Und so nimmt ein Vorschlag Gestalt an, den Emissionshandel der EU mit der neuen EU-Kommission grundlegend zu verändern: Neue Zertifikate sollen den Markt für Negativemissionen anschieben, schreibt Lukas Knigge. Und auch Vorschläge, das Fliegen durch andere Flughöhen weniger klimaschädlich zu machen, haben mit der COP erstmal nichts zu tun. Bis in gut einer Woche alle wieder ins Flugzeug nach Hause steigen.
Bis dahin bleiben wir für Sie dran. Halten Sie durch!
Auf der COP29 ringen die Verhandler um mögliche Puzzleteile für eine Lösung bei den Klimafinanzen. Die offiziellen Verhandlungen sind ernsthaft gestartet, verlaufen aber sehr zäh und sind hinter dem Zeitplan zurück. Schweden sorgte für ein positives Zeichen. Ein angekündigter neuer Klimafonds des COP-Gastgebers wurde verschoben, bei der Anpassungsfinanzierung gab es “Ernüchterung”, wie eine Beobachterin sagt – während ein neuer Bericht einer hochrangigen Expertengruppe erneut deutlich macht, wie viel Geld benötigt wird.
Beim neuen Klimafinanzziel “drängt die Zeit”, räumte der führende Verhandler der COP-Präsidentschaft Yalchin Rafiyev gestern ein. Wie groß der Bedarf für und der Handlungsdruck in der Klimafinanzierung ist, zeigt der gestern vorgelegte Dritte Bericht der Independent High-Level Expert Group on Climate Finance (IHLEG) der unter Führung des britischen Ökonomen Lord Nicholas Stern den Finanzierungsbedarf bezifferte:
Die EU-Verhandler zeigen sich derweil “sehr besorgt” über die Trägheit der bisherigen Gespräche zum NCQG und bezeichnen den noch immer über 30 Seiten umfassenden Entwurf als “Rückschritt”. Der finale Text solle nicht mehr als zwei Seiten lang sein, fordert der Chefverhandler für die Europäische Kommission, Jacob Werksman. “Wir sind noch weit von einem Kompromiss entfernt.” Da müsse nun die COP-Präsidentschaft einschreiten, forderte er.
“Die NCQG Verhandlungen würden jetzt von einem Impuls der Präsidentschaft profitieren“, sagt David Ryfisch, Klimafinanzexperte bei Germanwatch. Bis Samstag sollen die technischen Verhandlungen eigentlich abgeschlossen sein. “Die Präsidentschaft könnte dies mit einer klaren Strategie, wie Fortschritte gemacht werden sollen, unterstützen.”
Positive Nachrichten kommen von Schweden. Das Land hat umgerechnet 725 Millionen US-Dollar für den Green Climate Fund (GCF) für die Jahre 2024 bis 2027 zur Verfügung gestellt. “Mit seinem Beitrag zum GCF ist Schweden der größte Pro-Kopf-Geber unter den großen Gebern”, sagte Schwedens Minister für Entwicklungszusammenarbeit und Außenhandel, Benjamin Dousa.
Anders als bei anderen COPs sind in Baku solche frühzeitigen öffentlichkeitswirksamen Beiträge Mangelware. Doch auf der diesjährigen Klimakonferenz “hat sich diese normale Dynamik durch das NCQG verändert“, sagt Rob Moore von E3G. Die Staaten wollen ihr Pulver für die entscheidenden NCQG-Verhandlungstage trocken halten.
Das zeigt sich auch bei der Finanzierung von Klimaanpassung. Auf dem sogenannten Contributor Dialogue des Adaptation Fund kamen am Donnerstag nur 61 Millionen US-Dollar von zehn verschiedenen Geberstaaten zusammen. “Das ist absolut ernüchternd. Die heutigen Zusagen umfassen gerade einmal ein Fünftel des selbstgesteckten Mobilisierungsziels – das sendet ein schlechtes Signal an die COP-Verhandlungen”, sagt Julia Grimm, Referentin für Klimafinanzierung und Anpassung bei Germanwatch. Deutschlands Zusage stehe noch aus und soll kommende Woche erfolgen.
Eigentlich war für den gestrigen COP-Finanztag auch die Vorstellung des “Climate Finance Action Fund” (CFAF) der COP-Präsidentschaft erwartet worden. Doch ein High Level Event zur Einführung des Fonds wurde kurzfristig abgesagt, wie Climate Home News berichtet. Der CFAF sollte freiwillige Zahlungen von Öl- und Gasstaaten für die Klimafinanzierung einsammeln und ein Volumen von einer Milliarde US-Dollar erreichen. Laut Berichten scheuen Entwicklungsländer einen möglichen Präzedenzfall für die Klimafinanzierung. Laut Rafiyev soll nun eine Arbeitsgruppe ein Konzept für den CFAF ausarbeiten.
Um die Themen Finanzen, Investitionen und Handel näher zusammen zu bringen, hat der COP29-Gastgeber gestern die Baku Initiative on Climate Finance, Investment and Trade (BICFIT) gestartet. Sie soll als Dialogplattform dienen, um “klima-positive Investitionen” voranzubringen. Die Initiative sei wichtig, um die Bedeutung von Handel und Investitionen für den Klimaschutz in den Vordergrund zu rücken. Ob sie jedoch strittige Handelsfragen beseitigen kann, wird angezweifelt. “Es fehlt im multilateralen System noch immer ein geeigneter Ort, um Fortschritte in den strittigeren Fragen an der Schnittstelle von Klima- und Handelspolitik, wie etwa einseitige Handelsmaßnahmen zu behandeln”, sagt Ellie Belton, E3G Senior Policy Advisor. Mitarbeit: Lukas Knigge
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat am Donnerstag in Baku seine Vorschläge vorgestellt, wie die Abscheidung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) aus der Atmosphäre marktreif und vor allem rentabel werden kann. Er schlägt sogenannte “Clean-up”-Zertifikate vor, die zusätzlich zu der herkömmlichen CO₂-Abgabe des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) das Versprechen beinhalten, das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt der Atmosphäre wieder zu entziehen. Auf der COP29 erläuterte Edenhofer seine Vorstellungen.
Demnach hätten Unternehmen, die unter das ETS fallen, die Wahl. Sie können entweder reguläre Emissionsrechte kaufen oder Clean-up-Zertifikate, die mit einer Kohlenstoffschuld versehen sind. Für Letztere würden sie bei einer zentralen Stelle – Edenhofer schlägt die Gründung einer Kohlenstoff-Zentralbank vor – Sicherheiten hinterlegen, die sie nur zurückerhalten, wenn sie dafür sorgen, dass das emittierte CO₂ zu einem späteren Zeitpunkt wieder der Atmosphäre entzogen wird.
Ein Entnahmezertifikat würde dabei keine zusätzlichen Emissionen über der Emissionsobergrenze des ETS – dem sogenannten Cap – ermöglichen, sondern ein reguläres Emissionsrecht eins zu eins ersetzen.
Dies hätte laut Edenhofer mehrere Vorteile:
Clean-up-Zertifikate seien interessant für Unternehmen, die davon ausgehen, dass CDR-Kosten in der Zukunft niedriger sind als die derzeitigen Kosten für die Emissionsminderung, erklärt Edenhofer. Risikokosten für CDR-Projekte würden sinken, Investitionen in CDR könnten steigen.
Die Hoffnung des Ansatzes: Privates Kapital würde den CDR-Hochlauf finanzieren. Denn öffentliche Mittel allein können die CO₂-Entnahmen, die in Europa für das Erreichen der Klimaziele nötig sind, kaum finanzieren. Im LULUCF-Sektor rechnet die EU mit einem Potenzial von bis zu 472 Megatonnen CO₂-Äquivalenten. Das entspricht 13 Prozent der Gesamtemissionen der EU von 2019. Für technologische CO₂-Entnahmen geht die EU von bis zu 606 Megatonnen CO₂e aus; das entspricht 17 Prozent der EU-Emission von 2019.
Diese Senkleistungen werden gebraucht, um auch nach der geplanten Klimaneutralität Europas im Jahr 2050 Restemissionen beispielsweise aus der Industrie oder der Landwirtschaft zu kompensieren. Bei geschätzten Kosten von bis zu 400 Euro pro Tonne CO₂ müssten die Länder mehrere hundert Milliarden Euro jährlich in Kohlenstoffsenken investieren.
Die Diskussionen dazu auf EU-Ebene laufen. Sowohl Klimakommissar Wopke Hoekstra als auch der Generaldirektor für die Klimapolitik Kurt Vandenberghe haben bereits unterstrichen, wie wichtig die Aufnahme von CO₂-Entnahmen in den Emissionshandel ist.
15. November, 10 Uhr, Deutscher Pavillion
Diskussion Distributed Renewable Energy Systems: Ensuring Sustainable and Reliable Energy Supply in Remote Areas and Island Communities through minigrids
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstaltet diese Diskussion zu sogenannten “Mini-Grids” als Klimalösungen. Zu den Speakern gehört unter anderem Staatssekretär Jochen Flasbarth. Infos
15. November, 11.30 Uhr, Side Event Room 6
Diskussion Enhancing NDCs 3.0: The Role of Carbon Markets in Emission Reductions and Removals
Die Florence School of Governance veranstaltet diese Diskussion auf der COP29 zur Frage, welche Rolle Kohlenstoffmärkte in der nächsten Generation der nationalen Klimaziele spielen. Infos
15. November, 13.15 Uhr, Side Event Room 3
Diskussion Peace and Security in a Changing Climate: From Analysis to Action
Auf diesem Event werden Verbindungen zwischen Klima, Frieden und Sicherheit vorgestellt. Außerdem wird diskutiert, wie Klimaschutz auch zur Friedensbildung beitragen kann. Infos
15. November, 18 Uhr, Online
Webinar Ask Carbon Brief anything about COP29
Expertinnen und Experten von CarbonBrief ziehen nach der ersten Woche der Klimaverhandlungen eine Zwischenbilanz und schauen darauf, was von den Verhandlungen noch zu erwarten ist. Infos
Die globale Klimapolitik und das Rahmenübereinkommen UNFCCC müssten dringend überarbeitet werden, das fordern verschiedene Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Klimaszene in einem offenen Brief. Es brauche “einen Wechsel von Verhandlung zu Umsetzung“, heißt es darin. Der Brief fordert unter anderem ein besseres Auswahlverfahren für die COP-Präsidentschaft.
Außerdem brauche der COP-Prozess Mechanismen, um die Staaten für ihre Klimaziele und Verpflichtungen tatsächlich zur Verantwortung zu ziehen. Zudem wird in dem Schreiben kritisiert, dass zu viele Lobbyisten der fossilen Industrien auf den COPs anwesend seien und auf die Verhandlungen Einfluss nähmen. Eine aktuelle Analyse von dem Zusammenschluss Kick Big Polluters Out kommt zu dem Ergebnis, dass mindestens 1773 fossile Lobbyisten in diesem Jahr Zugang zur Klimakonferenz haben. Im vergangenen Jahr waren demnach sogar mehr als 2400 Lobbyisten anwesend, vor zwei Jahren in Ägypten waren es noch rund 630.
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören Sandrine Dixson-Declève, Vorstandsvorsitzende von Earth4All und globale Botschafterin des Club of Rome; Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung; Ban Ki-moon, ehemaliger UN-Generalsekretär; Mary Robinson, frühere Präsidentin von Irland; Christina Figueres, ehemalige Generalsekretärin den UNFCCC, und der brasilianische Klimawissenschaftler Carlos Nobre. kul
Der Flugverkehr könnte ohne größeren Aufwand erheblich klimafreundlicher werden. Denn die schädliche Wirkung von Flugzeugen beruht nur zum kleineren Teil auf dem ausgestoßenen CO₂; mehr als die Hälfte entfällt auf Kondensstreifen, die durch ihre reflektierende Wirkung den Treibhauseffekt verstärken. Doch diese ließen sich mit vergleichsweise niedrigen Kosten zu einem großen Teil verhindern, zeigt eine neue Studie des Thinktanks Transport & Environment.
Denn Kondensstreifen entstehen nur, wenn Flugzeuge besonders kalte und feuchte Luftschichten durchfliegen. Weil diese nur selten vorkommen, sind nur rund fünf Prozent der europäischen Flüge für 80 Prozent der Kondensstreifen verantwortlich. Und bei diesen Flügen könnten die Kondensstreifen durch eine geringfügige Veränderung der Flughöhe stark verringert werden. Durch die Abweichung von der berechneten Idealroute würde zwar der Treibstoffverbrauch um bis zu fünf Prozent steigen; der Klimaeffekt wäre der Studie zufolge aber trotzdem extrem positiv, weil der Klimanutzen durch die entfallenden Kondensstreifen 15- bis 40-mal so groß ist wie der Schaden durch die zusätzlichen CO₂-Emissionen.
Um die Regionen, in denen sich Kondensstreifen bilden, umfliegen zu können, bräuchte es bessere Vorhersagen detaillierter Wetterdaten. Feuchtigkeitssensoren an den Flügen könnten zudem helfen, die Flughöhe noch während des Fluges anzupassen. Pro Tonne vermiedenes CO₂-Äquivalent wäre diese Lösung rund 15-mal billiger als andere Klimaschutzlösungen wie CCS, schätzen die Autoren. Würden sie auf die Ticketpreise umgelegt, würde sich ein Flug von Frankfurt nach Washington um maximal vier Euro verteuern, wenn er kondensstreifen-vermindernd umgeleitet würde. mkr
Am Mittwoch hat Argentinien den Klimagipfel in Baku verlassen – am Donnerstag meldete die Washington Post, der argentinische Präsident Javier Milei erwäge wie US-Wahlsieger Donald Trump den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Am Tag, bevor die Entscheidung für Argentiniens Rückzug von der COP29 bekannt wurde, soll Milei mit Trump gesprochen haben. Ein Treffen beider Politiker ist den Berichten zufolge noch in der laufenden Woche in Mar-a-Lago in den USA geplant.
Die argentinische Delegation auf der COP29 war sehr klein: Laut UN-Klimasekretariat hatten sich 21 Personen registriert, Fahrer und Botschaftspersonal eingeschlossen (hinzu kamen 64 weitere Personen als “Overflow”, also z.B. Unternehmensvertreter, Abgeordnete, Umweltschützer oder Forschende). Doch tatsächlich nach Baku gefahren seien wohl sehr viel weniger, sagt der argentinische Umweltaktivist und ehemalige Politiker Juan Carlos Villalonga auf Anfrage von Table.Briefings. Er schätzt die Größe der Delegation auf “nicht einmal acht Personen“. Laut der Tageszeitung Clarín entsandte Argentinien vor allem Fachleute der technischen Ebene, die “angereist waren, weil am Ende des Jahres der Transparenzbericht vorgelegt werden muss” und sie sich die dafür nötigen Kenntnisse in Baku aneignen wollten. Doch als es darum ging, sich zu positionieren, hätten sie den Gipfel verlassen, “um die Verhandlungen nicht zu stören”.
Ein Sprecher der argentinischen Präsidentschaft antwortete nicht auf eine Anfrage von Table.Briefings nach den Gründen. Doch klar ist: Der Anarchokapitalist Milei sieht die Klimabewegung als “Teil der Agenda der Sozialisten”, und er hat die Vereinten Nationen scharf attackiert. Sie bestünden aus Bürokraten, die beispielsweise mit der Agenda 2030 eine “Agenda sozialistischen Zuschnitts” vorantrieben, sagte er in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung im September. Kurz vor der COP29 sorgte Milei zudem für diplomatische Unsicherheit, weil er seine bisherige Außenministerin Diana Mondino entließ und durch Gerardo Werthein ersetzte, der zuvor Botschafter in Washington, D.C., gewesen war.
Für die Verhandlungen in Baku sei die Abreise der argentinischen Delegation “ein symbolischer Schlag”, der die Gespräche belaste, schreibt Villalongas. “Für Argentinien ist es ein Risiko, denn es schließt sich selbst von umfangreicher internationaler Kooperation aus, die mit der Klimapolitik zusammenhängt.” Auch die Umweltstiftung FARN fürchtet Nachteile durch den Rückzug von der COP29: Die Klimagipfel seien “der Schlüssel, damit die Länder des Globalen Südens, wie Argentinien, vom Globalen Norden eine adäquate Finanzierung für die Klimaanpassung und den Klimaschutz verlangen können”, schreibt FARN auf der Plattform X. Doch daran ist Milei offenbar nicht interessiert. Stattdessen hat er in Argentinien den Markt für fossile Energien liberalisiert – die Ölproduktion erreicht unter ihm neue Rekordhöhen. ae
Klimaschutzprojekte, mit denen Unternehmen ihren CO₂-Ausstoß kompensieren wollen, tragen deutlich weniger zur Emissionsminderung bei als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb und anderen Institutionen, die am Mittwoch im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der Markt für Emissionsgutschriften aktuell wirkungslos sei.
In ihrer Metastudie haben neben Max-Planck auch Wissenschaftler anderer Forschungsinstitutionen und Universitäten wie Harvard, Berkeley, Cambridge, Oxford oder der ETH Zürich über 60 empirische Studien zu mehr als 2.300 Klimaschutzprojekten systematisch ausgewertet.
Das Ergebnis: Weniger als 16 Prozent der ausgestellten Emissionsgutschriften entsprechen tatsächlichen Emissionsreduktionen.
Grund dafür seien “systematische Qualitätsprobleme” der Zertifikate über alle Projekttypen hinweg, so die Autoren. So sei bei Projekten zur Reduktion des starken Treibhausgases SF6, das vorwiegend in der Elektroindustrie verwendet wird, nur knapp ein Sechstel der Emissionen tatsächlich gemindert worden. Bei Windenergie- und Aufforstungsprojekten bestätigt die Studie, dass viele Aktivitäten auch ohne Zertifikatsverkäufe umgesetzt worden wären. Damit fehlt die Zusätzlichkeit, ein wesentliches Qualitätskriterium für Kompensationsprojekte. In einigen Branchen der Chemieindustrie sei der Treibhausgasausstoß seit der Einführung von Emissionsgutschriften sogar gestiegen.
“Die Regeln der Kohlenstoffmarktprogramme räumen den Projektentwicklern oft zu viel Flexibilität ein”, sagt Co-Autor Lambert Schneider, Experte für internationale Klimapolitik am Öko-Institut. Dies könne dazu führen, dass “unrealistische Annahmen” getroffen oder “ungenaue Daten” verwendet würden, was die tatsächliche Reduktion überschätzen könne.
Die Autoren fordern, die Regeln für Emissionsgutschriften grundlegend zu überarbeiten. Vor allem die Kohlenstoffmarktprogramme müssten ihre Methoden bei der Überprüfung und Bewertung von Klimaschutzprojekten nachjustieren. Nur so könne das Vertrauen hergestellt werden, dass CO₂-Zertifikate tatsächlich den Klimawandel eindämmen.
“Wenn Emissionsgutschriften nicht zu einer echten Emissionsreduzierung führen, machen wir im Kampf gegen den Klimawandel nicht die Fortschritte, die wir zu erzielen glauben”, warnt Benedict Probst, Co-Autor und Leiter des Net Zero Lab am Max-Planck-Institut.
Derweil wurde die Einführung von Klimazertifikaten zur Emissionsminderung auch auf der diesjährigen COP 29 in Baku breit diskutiert. Am vergangenen Dienstag einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf Standards für die Entwicklung von Klimaschutzprojekten zur Vergabe von Emissionsgutschriften. Die Entscheidung löste heftige Gegenreaktionen aus.
Insgesamt wurden in diesem Jahr weltweit 37,4 Gigatonnen CO₂ ausgestoßen, 0,8 Prozent mehr als noch 2023. Zusammengerechnet mit den Emissionen aus der Landnutzung, insbesondere durch das Abholzen tropischer Regenwälder, könnte das verbliebene Kohlenstoffbudget zur Erreichung der 1,5-Grad-Marke bereits in sechs Jahren aufgebraucht sein. ag
Das EU-Parlament hat gestern wesentlichen Änderungen an der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) zugestimmt: Die Umsetzungsfrist wird um ein Jahr verschoben, sodass größere Unternehmen die Regeln ab Ende 2025, kleinere ab Mitte 2026 befolgen müssen. Für Produkte wie Kakao, Kaffee und Soja muss dann sichergestellt werden, dass diese nicht von nach 2020 entwaldeten Flächen stammen. Einige EU-Mitgliedstaaten, Handelspartner und betroffene Unternehmen hatten sich massiv für eine Verschiebung der Frist eingesetzt.
Darüber hinaus müssen für das Gesetz, das bereits 2023 von Kommission, Parlament und Rat verabschiedet worden war, erneut Trilogverhandlungen eröffnet werden. Mehrere der von Christine Schneider (EVP) eingereichten Änderungsanträge bekamen gestern Vormittag eine Mehrheit von EVP, den rechten Parteien und einigen Renew-Abgeordneten, darunter auch von der FDP.
Nach einer informellen Einigung mit der Renew-Fraktion unter der Leitung von Pascal Canfin und unter dem Druck weiterer Fraktionen, hatte die EVP gestern Morgen sechs von 15 Änderungsanträgen wieder zurückgezogen. Diese wären noch deutlich weiter gegangen. Sie hätten Händler von den Regeln ausgenommen und die Frist um zwei Jahre verschoben.
Bei den jetzigen Änderungen geht es vor allem um eine Ergänzung des Länder-Benchmarkings, anhand dessen die Kommission Erzeugerländer je nach Entwaldungsrisiko bis Mitte 2025 in drei verschiedene Kategorien einteilen muss: “geringes”, “normales” und “hohes” Risiko. Auf dieser Basis gelten dann bestimmte Kontrollquoten für die betroffenen Produktgruppen. Die EVP hat nun eine vierte Kategorie für Länder “ohne Risiko” ins Spiel gebracht. Für diese sollen deutlich weniger strenge Anforderungen gelten.
“Wir wollen nicht diejenigen bestrafen, die schon ihre Hausaufgaben gemacht haben”, erklärte Schneider bei einer Pressekonferenz. Für Länder, die ein nachhaltiges Waldmanagement nachweisen können, sei eine zusätzliche Überprüfung und Dokumentation unnötig.
Sozialdemokraten und Grüne, die gegen alle Änderungen gestimmt hatten, hatten vor einer solchen Null-Risiko-Kategorie gewarnt: Die EVP wisse, dass diese Kategorie “unter den EU-Mitgliedstaaten hochumstritten ist”, sagte Delara Burkhardt, die das Gesetz für die S&D-Fraktion mitverhandelt hatte. Denn: Auch die EU-Mitgliedstaaten würden in unterschiedliche Risikokategorien eingeteilt, der Binnenmarkt so fragmentiert. Burkhardt hält es deshalb für unmöglich, dass erneute Verhandlungen mit dem Rat bis Jahresende abgeschlossen werden können. Das könnte dann bedeuten, dass die EUDR zunächst in ihrer bisherigen Form zum 30. Dezember 2024 in Kraft tritt.
Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses (IMCO), forderte die EU-Kommission auf, den Vorschlag für eine Verschiebung wieder zurückzuziehen. Mit diesem hätte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen “die Büchse der Pandora geöffnet”.
Cavazzini warnte, die Ausnahme für EU-Mitgliedstaaten durch die Null-Risiko-Kategorie werde “nach hinten losgehen und die Verordnung mit der WTO unvereinbar machen.” Diese würde es ermöglichen, in der einen Region alte Mischwälder abzuholzen und dies durch das Pflanzen von Monokulturen auszugleichen. “Das ist katastrophal für die Biodiversität”, sagte sie.
Christine Schneider hingegen äußerte sich optimistisch, dass die Trilogverhandlungen bis Weihnachten abgeschlossen sein können. Applaus erhielt sie unter anderem vom europäischen Handelsverband EuroCommerce, der insbesondere die Verschiebung begrüßte. “Diese Zeit wird benötigt, um verbleibende Unsicherheiten bei der Umsetzung zu beseitigen, die Komplexität zu verringern und die Zulieferer in unseren Lieferketten vorzubereiten”, hieß es in einer Pressemitteilung.
Dass die Mehrheiten für einige Änderungsanträge nur mithilfe rechter Stimmen – inklusive der AfD – zustande kamen, schien Schneider nicht weiter bedenklich zu finden. “Wir sind alle gewählte Mitglieder dieses Parlaments“, sagte sie. leo
Auf der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Deutschland 100 Millionen US-Dollar für den “Loss-and-Damage”-Fonds zugesagt, der 2023 vom UN-Klimasekretariat ins Leben gerufen wurde – 42 Jahre nachdem Länder des Globalen Südens erstmals Entschädigungen für die Schäden gefordert hatten, die durch die Klimakrise verursacht wurden. Zunächst wurde der Fonds als Erfolg für die Länder gefeiert, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind und am wenigsten dazu beigetragen haben. Doch bei genauerer Betrachtung zeigen sich erhebliche Mängel.
Der Loss-and-Damage-Fonds basiert auf einer Logik der Entwicklungshilfe, die freiwillige Hilfsleistungen von Ländern des Globalen Nordens an den Globalen Süden umfasst. Oft sind damit Bedingungen verbunden. Doch diese Form der Hilfe hat in den vergangenen 50 Jahren weder die Machtverhältnisse zwischen Nord und Süd verändert noch den betroffenen Menschen effektiv geholfen.
Was die Länder des Globalen Südens wirklich benötigen, ist die Möglichkeit zur Selbstbestimmung, die durch die ungleichen Machtverhältnisse zwischen ihren Volkswirtschaften und denen des Globalen Nordens behindert wird. Ein erhebliches Hindernis dafür stellen derzeit die aus der kolonialen Vergangenheit stammenden Schulden des Globalen Südens dar, deren Bedienung von Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank weiterhin erzwungen wird.
Das Problem mit Entwicklungshilfe und Fonds wie dem Loss-and-Damage-Fonds besteht darin, dass sie nur einen Bruchteil des Geldes ausmachen, das umgekehrt in Form von Schulden, Zinszahlungen und ungleichem Handel vom Süden in den Norden fließt. Dieser ungleiche Tausch bedeutet, dass der Norden Ressourcen zu günstigeren Preisen bezieht als der Süden.
Diese Machtdynamik ist so tief im globalen Handelssystem verankert, dass der Globale Norden dem Süden jährlich rund zehn Billionen US-Dollar entzieht – das Dreißigfache der Entwicklungshilfe, die vom Globalen Norden zurückfließt. Der Loss-and-Damage-Fonds ändert nichts an dieser extraktivistischen Logik und befreit die Volkswirtschaften des Südens nicht aus ihrer Abhängigkeit, da weder Schuldenerlass noch das Ende extraktiver Beziehungen vorgesehen sind.
Um gerecht mit der Klimakrise umzugehen, müssen wir daher zu einem Ansatz übergehen, der Klimareparationen in den Fokus stellt. Dieser Ansatz umfasst mehrere Komponenten:
Zunächst ist eine Entschuldigung für den angerichteten Schaden erforderlich. Länder des Globalen Nordens sind durch exzessive CO₂-Emissionen und das Überschreiten eines fairen Pro-Kopf-CO₂-Budgets hauptverantwortlich für die Klimakrise. Der Globale Norden muss diese Klimaschuld anerkennen und Verantwortung übernehmen.
Doch das passiert nicht: Die verantwortlichen Länder machten in den Verhandlungen für den Loss-and-Damage-Fonds sogar zur Bedingung, dass nicht über diese Verantwortung oder gar eine Haftung für die entstandenen Schäden diskutiert wird. Ohne eine Anerkennung der Verantwortung bleibt das Geld im Fonds eine freiwillige Wohltätigkeit und keine Wiedergutmachung für jahrhundertelange Ausbeutung.
Zweitens beinhalten Reparationen finanzielle oder andere Formen der Entschädigung. Dazu gehören:
Im derzeitigen System der Entwicklungshilfe wird die Abhängigkeit des Globalen Südens weiterhin bewahrt und dessen Fähigkeiten zu einer Dekarbonisierung massiv eingeschränkt. Daher braucht es einen massiven Ausbau der Kompensationsleistungen, um dem Übernehmen der Verantwortung des Globalen Nordens Gewicht zu verleihen.
Drittens erfordern Reparationen eine Garantie der Nichtwiederholung. Dies bedeutet eine Versicherung der Länder des Globalen Nordens, vergangene Vergehen wie das massive Übernutzen planetarer Ressourcen oder die Ausbeutung des Globalen Südens nicht zu wiederholen.
Die Begleichung bestehender Klimaschulden durch Reparationen ist das Paradigma, das den Globalen Süden befähigen kann, die Klimakrise zu bewältigen. Die Anerkennung der Verantwortung des Nordens ist der erste Schritt. Danach folgt die Streichung der unrechtmäßigen Schulden gegenüber dem Globalen Süden. Dann müssen wir neue Wege beschreiten, um von “Loss and Damage” zu Klimareparationen zu gelangen.
Lee Amaduzzis Schwerpunkt liegt auf der Überschneidung von Degrowth und dekolonialen Reparationen. Oumarou arbeitet zu den Themen Klimaschulden und Reparationen. Beide gehören zu dem Thinktank Konzeptwerk Neue Ökonomie.