Klimastreik! In den vergangenen Jahren war das oft ein zentrales politisches Ereignis: Hunderttausende, vor allem junge Menschen gingen weltweit auf die Straße, um Druck zu machen für mehr Klimaschutz -begleitet und beklatscht von weiten Teilen der Gesellschaft. Jetzt ist am Freitag wieder Protesttag fürs Klima, aber der Wind hat sich gedreht: Wer mehr Klimaschutz fordert, wird oft bedrängt, kritisiert, ausgegrenzt und abgewählt – und wer radikaler protestiert, wird als Straftäter oder Öko-Terrorist gebrandmarkt. Wir schreiben heute darüber, wie der Klimabewegung europaweit eine Welle von harten Urteilen und scharfen Gesetzen entgegenrollt.
Hoffnungszeichen gibt es dagegen aus Brüssel: In der neuen EU-Kommission sind für die Bereiche Klima und Green Deal Politikerinnen und Politiker nominiert, die beim grünen Umbau großen Ehrgeiz zeigen – wir analysieren im Detail, was da möglich sein könnte. Dann melden wir, dass Deutschland bei den Innovationen im Nachhaltigkeitsbereich weltweit an der Spitze liegt. Auch beim Ausbau der Windenergie geht es in Deutschland kräftiger voran als gedacht. Na bitte, geht doch!
Oder? Die Geschichte, warum die Unionsfraktion angesichts der Hochwasserschäden eine neue “Gemeinschaftsaufgabe” für Bund und Länder ablehnt, ist eher bizarr. Und lässt uns vermuten, dass in der politischen Debatte doch immer wieder das Motto “Nach uns die Sintflut” regiert.
Wir wünschen eine interessante Lektüre
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein vielversprechendes Kommissars-Team zusammengestellt, um die klimapolitische Agenda in den kommenden fünf Jahren fortzuführen. Die Spanierin Teresa Ribera soll die neue Wettbewerbskommissarin werden. Was zunächst nicht nach einem Klimaressort klingt, beinhaltet die Aufgabe, das Beihilferecht der Europäischen Union auf die Klimaziele der EU auszurichten – konkret auf den Erneuerbaren-Ausbau und die Dekarbonisierung der Industrie.
Das Wettbewerbs-Portfolio von Ribera sei der Schlüssel zum Erreichen der 2030er-Klimaziele, sagte ein hochrangiger Kommissionsbeamter. Das fünfjährige Mandat dieser Kommission ende, kurz bevor das Treibhausgasreduktionsziel von 55 Prozent im Vergleich zu 1990 erreicht sein müsse. Die neue Kommission sei daher “voll fokussiert” auf das EU-Klimaziel 2030.
Das Vorhaben soll mit einem Green Deal 2.0 mit Leben gefüllt werden. Er trägt den Namen “Clean Industrial Deal”. Die ambitionierte und erfahrene Klimapolitikerin Ribera sowie der französische, liberale Industriekommissar Stéphane Séjourné werden ihn federführend überwachen. Dies zeige, dass es keinen Raum für Rückschritte gebe, sondern vielmehr die Absicht, den Ehrgeiz für mehr Klimaschutz in der Industrie- und Wirtschaftspolitik zu erhöhen, sagt Chiara Martinelli, Direktorin des Climate Action Network Europe (CAN). Europa soll ohne jeden Zweifel auch weiterhin Klima-Champion sein und bis 2050 klimaneutral werden, aber auf dem Weg dorthin eben auch wettbewerbsfähig bleiben – das ist das Signal, das von der Leyen am Dienstag sendete.
Ribera unterstellt sollen Klimakommissar Wopke Hoekstra, Energiekommissar Dan Jørgensen und Umweltkommissarin Jessika Roswall sein. Hoekstra und Jørgensen sind ebenfalls erfahrene Klimapolitiker – der eine als amtierender Klimakommissar, der andere als ehemaliger Energie- und Umweltminister in Dänemark.
Von der Leyens Auftrag, Klimaschutz sowie Industrie- und Wirtschaftspolitik zusammenzudenken, zeigt sich auch hier an der Aufgabenzuteilung. Die legislative Arbeit für den “Clean Industrial Deal” kommt aus den Generaldirektionen für Klimapolitik (DG CLIMA) sowie Binnenmarkt und Industrie (DG GROW). Das bedeutet, dass Hoekstra und Séjourné gemeinsam die industrielle Dekarbonisierung, den Hochlauf sauberer Technologien und Investitionsanreize vorantreiben sollen.
Mit Hoekstras Nominierung ist zudem auch für Kontinuität gesorgt. Er wird wie bereits vergangenes Jahr in Dubai auch diesen November in Baku die internationalen Klimaverhandlungen bei der COP29 leiten. Ein Ressortwechsel Hoekstras hätte die EU angesichts einer klimapolitisch unambitionierten ungarischen Ratspräsidentschaft in Baku kopflos wirken lassen. Auch dafür hat von der Leyen nun eine elegante und sowohl für Hoekstra persönlich als auch für die niederländische Regierung zufriedenstellende Lösung gefunden.
Er und die ihm unterstellte DG CLIMA sind zudem verantwortlich für die Ausarbeitung des Gesetzespakets für das 2040er-Klimaziel der EU, dessen Reduktionsziel von 90 Prozent er bereits im Februar selbst vorgestellt hatte. Außerdem wurde Hoekstra das Portfolio für Steuern zugeteilt – der von den Niederlanden erhoffte ökonomische Aufgabenbereich. Er soll unter anderem daran arbeiten, Mehrwertsteuern nach Umweltkriterien auszurichten. Zudem könnte Hoekstra auch die Einführung von Klimasteuern und das Ende von umweltschädigenden Subventionen und Steuerprivilegien vorantreiben. So könnte er nun bei der bereits vor einem Jahr angekündigten Besteuerung von Kerosin Nägel mit Köpfen machen.
Der Däne Jørgensen hat ebenfalls ein einschlägiges Klimaprofil, wird aber jetzt Energiekommissar. Die ökonomischen Aspekte seines Portfolios sind offenkundig: Niedrige Energiepreise sind unverzichtbar für wirtschaftlichen Aufschwung. Doch die Energieträger müssen sauberer werden, fordert von der Leyen. Dabei helfen laut der Kommissionspräsidentin auch kleine modulare Kernkraftwerke sowie CO₂-Abscheidungstechnologien, denen Jørgensen zum Hochlauf verhelfen soll.
Jørgensen sei als Energiekommissar eine gute Wahl, sagt Linda Kalcher, Direktorin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives. “Ich erwarte, dass er immun gegen das Greenwashing ist, dass blauer Wasserstoff oder verschiedene Technologien zur Kohlenstoffabscheidung alle unsere Probleme von morgen lösen werden, und dass er bei der Kernenergie pragmatisch ist.”
Die designierte Umweltkommissarin Jessika Roswall kann zwar noch keine Vorerfahrung in ihrem neuen Aufgabenfeld vorweisen, ist jedoch ein kluger politischer Kompromiss. Die EVP-Parteienfamilie hatte ihre Kritik zuletzt vor allem auf den Naturschutz gezielt und bekommt nun eine verantwortliche Kommissarin aus den eigenen Reihen.
Freie Hand wird ihr von der Leyen dabei keineswegs lassen. Ihr Ressort muss einen erheblichen Teil zum geplanten europäischen Klimaanpassungsplan beitragen und die umstrittene EU-Chemikalienverordnung REACH überarbeiten, was einigen in der EVP nicht gefallen und erhebliche Auswirkungen für die chemische Industrie haben dürfte.
Zwar wird sie es leichter haben, Umweltschutz in ihrer Parteienfamilie zu verkaufen, als ihr grüner Vorgänger Virginijus Sinkevičius. Doch der Umweltausschuss könnte ihr das Leben durchaus schwer machen. Schweden habe gegen das Renaturierungsgesetz gestimmt und die Anti-Entwaldungs-Verordnung nicht unterstützt, twitterte der liberale Umweltpolitiker Pascal Canfin. Üblicherweise vertreten Kommissare Vorschläge aus der Kommission gemeinsam. Nun, so deutet Canfin an, bestehe die Gefahr, dass Roswall sich gegen die Kommissionslinie stellt. “Wir müssen dafür sorgen, dass sie als echte EU-Kommissarin handelt.”
Séjourné wurde außerdem beauftragt, einen “Industrial Decarbonisation Accelerator Act” vorzuschlagen. Dieser soll “Europäische Leitmärkte für die Entwicklung, Produktion und Diffusion von Clean Tech in der Industrie fördern” und Planungs-, Ausschreibungs- und Zulassungsverfahren beschleunigen, speziell für energieintensive Industrien. Damit nimmt die Europäische Kommission eine Idee auf, die auch Wirtschaftsminister Robert Habeck mit seinem Konzept für Grüne Leitmärkte schon vorgebracht hat.
An einer Podiumsdiskussion am Mittwoch gaben Generaldirektorin Kerstin Jorna (DG GROW) und Generaldirektor Kurt Vandenberghe (DG CLIMA) einen ersten Einblick in die Industriestrategie der neuen Kommission: “Die zentrale Frage ist, wie man aus der ökologischen Transformation einen guten Business-Case macht”, sagte Jorna. Speziell in energieintensiven Industrien wie Stahl, Glas, Zement und Chemie sei dieser Business Case in Europa noch nicht gegeben. Während der Net Zero Industry Act (NZIA) des vergangenen Mandats die Zulassungsprozesse für nachhaltige Energietechnologien verbessert habe, sei dies für die Abnehmer dieser Technologien noch nicht gemacht worden.
Parallel zum Accelerator Act hat Séjourné denn auch den Auftrag gefasst, die Regeln für öffentliche Beschaffung anzupassen, um europäische Produzenten zu bevorzugen. Das explizit formulierte Ziel, europäische Produzenten zu bevorzugen, ist neu. In Entwurf-Versionen des NZIA waren solche “Buy European” Klauseln schon mal zu sehen – sie waren im finalen Vorschlag der Kommission dann aber doch nicht mehr enthalten.
Die designierten Kommissare müssen sich nun den zuständigen Fachausschüssen im EU-Parlament zur Anhörung stellen. Dabei werden sie sowohl zu ihrer Eignung für den Job als auch zu möglichen politischen Konflikten befragt. Anschließend stimmen die Ausschusskoordinatoren der Fraktionen über die Ernennung ab. Das Plenum des EU-Parlaments stimmt schließlich über das gesamte College der neuen EU-Kommission in einem Votum ab.
Eine Übersicht, welche Generaldirektionen den einzelnen Exekutiv-Vizepräsidenten und Kommissaren zugeordnet sind, finden Sie hier.
Längere Haftstrafen, Verschärfung der Strafen und eine öffentliche Meinung, die sich gegen sie wendet – die Klimabewegung sieht sich in Deutschland immer mehr direkten und indirekten Repressionen gegenüber. Der Protest für eine schnellere und effektivere Klimapolitik gerät dabei in ein Dilemma: Einerseits schwindet die öffentliche Aufmerksamkeit für Großdemos wie den Klimastreik am morgigen Freitag, dem 20. September, während die Auswirkungen der Klimakrise wie bei der Flutkatastrophe in Osteuropa immer sichtbarer werden. Und während Aktivisten zu extremeren Aktionsformen wie Blockaden von Straßen und Flughäfen greifen, werden die Reaktionen von Politik, Behörden und Gerichten auf den Protest immer schärfer.
Diese Entwicklung besorgt auch die UNO. Anfang des Jahres sagte Michel Forst, UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer im Rahmen der Aarhus-Konvention, dazu Folgendes: “Die Unterdrückung von Umweltaktivisten in Europa, die friedlichen zivilen Ungehorsam leisten, ist eine große Bedrohung für die Demokratie und die Menschenrechte.” Der ökologische Notstand könne nicht angegangen werden, indem diejenigen, die Alarm schlagen, kriminalisiert werden.
Für den 20. September haben “Fridays for Future” und andere Gruppen zu ihren traditionellen Herbst-Demonstrationen aufgerufen: Während sich vor fünf Jahren 1, 4 Millionen Menschen an den Protesten beteiligten, erwarten die Organisatoren für dieses Jahr deutlich weniger Zuspruch.
Das gesellschaftliche Klima in der Klimadebatte hat sich verschärft. In Deutschland gab es zuletzt eine ganz Reihe restriktiver Reaktionen auf Klimaaktivismus. Darunter:
Für Emmanuel Schlichter von der NGO Green Legal Impact, die Klimaaktivisten über rechtliche Rahmenbedingen aufklärt, ist klar: “Politischer Aktivismus wird kriminalisiert.” Besonders besorgniserregend ist aus seiner Sicht, dass Verschärfungen inzwischen nicht mehr für einen großen Aufschrei sorgen. Viele hätten sich bereits an das harte Vorgehen gewöhnt und andere Themen stünden aktuell im Vordergrund. Eins der größten Probleme ist für ihn, dass gegen Klimaaktiven der Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs verwendet wird und sie damit wegen “Bildung einer kriminellen Vereinigung” angeklagt werden. Er fordert, dass Repressionsmaßnahmen gegen friedlichen Klimaaktivismus aufhören müssten. “In einer Demokratie spielt Protest eine essenzielle Rolle”, sagt er.
Nicht nur in Deutschland wird zunehmend harsch gegen Klimaaktivismus vorgegangen. “Klimaaktivismus ist in verschiedenen Ländern in Europa mit denselben restriktiven Methoden konfrontiert“, meint Schlichter. Ein Bericht von Amnesty International stellt in allen 21 untersuchten, europäischen Ländern Einschränkungen des Rechts auf Protest fest, in verschiedenen Fällen dokumentiert er sogar Körperverletzungen. Ein Bericht von Climate Rights, der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
Beispiele für zunehmende Unterdrückung, speziell von Klimaaktivismus in Europa:
Das “ganze Besteck” an repressiven Maßnahmen werde bewusst gegen Klimaaktivismus eingesetzt, meint dazu Paula Zimmermann von Amnesty. Dazu gehören Gesetzesverschärfungen, behördliche Repressionen wie Versammlungsverbote, Polizeigewalt, hohe Strafurteile, aber auch diffamierende Rhetorik. “Klimakriminelle” oder “Ökoterroristen” gehört inzwischen zum gängigen Vokabular, wenn über diese Proteste gesprochen wird. Verkehrsminister Volker Wissing beispielsweise sprach von “kriminellen Machenschaften”. “Das führt zu einem gesellschaftlichen Klima, das Gewalt gegen Klimaaktivismus legitimiert“, warnt Zimmermann.
Sie beobachtet eine zunehmende Intensität der Maßnahmen: Vor wenigen Jahre hätten die meisten Staaten noch hauptsächlich auf Abschreckung gesetzt, jetzt komme es zur präventiven Ingewahrsamnahme und zu immer mehr Verurteilungen mit teilweise hohen Haftstrafen. Kriminalisiert würden nicht mehr nur einzelne Personen, sondern auch ganze Gruppen.
19. September, 10 Uhr, Online
Webinar Nachhaltiger Einkauf
Das Förderprojekt Klimawirtschaft veranstaltet dieses Webinar, dass sich mit der Rolle von nachhaltigem Einkauf für eine klimafreundliche Wirtschaft beschäftigt. Infos
19. September, 14 Uhr, Berlin/Online
Preisverleihung Bundespreis Blauer Kompass
Der Bundespreis “Blauer Kompass” ist die höchste staatliche Auszeichnung in Deutschland, die im Rahmen eines Wettbewerbs für Projekte zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels vergeben wird. Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt suchen hierfür gemeinsam die besten Projekte zum Umgang mit Klimafolgen wie Hitze, Dürre und Starkregen. Infos
19. und 20. September, Berlin
Konferenz CLEW turns 10 – Journalism for the age of climate consequences
Das Journalismus-Netzwerk Clean Energy Wire (CLEW) wird zehn Jahre alt und diskutiert aus diesem Anlass über die Rolle von Journalismus in der Klimakrise. Infos
20. September, deutschlandweit
Demonstration Klimastreik
Mehrere Klimabewegungen wie “Fridays for Future” rufen in ganz Deutschland und auch weltweit zum globalen Klimastreik auf. In vielen Städten sind Aktionen geplant.
22. September
Wahlen Landtagswahlen in Brandenburg
Brandenburg wählt einen neuen Landtag. Die Zusammensetzung des künftigen Landesparlaments hat auch große Auswirkungen auf die Klimapolitik.
23. bis 25. September
Forum Circular Economy – What’s next?
Die Bundesregierung beschließt in den kommenden Monaten die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und bekennt sich damit klar zur Circular Economy. Also einer Produktions- und Konsumweise, die weniger Ressourcen benötigt, Produkte länger nutzt und geschlossene Materialkreisläufe schafft. Doch was kommt nach dem Kabinettsbeschluss? Darum wird auf dem Wissenschaftsforum des Öko-Instituts diskutiert. Infos
24. September, 9.30 Uhr, Online
Webinar Navigating the ESG Regulation – What implications for Carbon Removal Projects in Europe?
Euractiv veranstaltet diese Online-Diskussion zu den Zusammenhängen zwischen der europäischen ESG-Gesetzgebung und CO₂-Entnahme-Projekten. Es geht auch um die Rolle von Kohlenstoff- und Biodiversitätszertifikaten. Infos
25. und 26. September, Kassel
Forum Zukunftsforum Energie & Klima
Auf dem Zukunftsforum soll unter dem Motto “Jetzt für morgen” praxisorientiert über verschiedene Klima- und Nachhaltigkeitsthemen diskutiert werden. Es geht unter anderem um die Wärmewende und Sustainable Finance. Infos
25. bis 27. September, Hamburg
Kongress Extremwetterkongress
Auf dem Kongress geht es in vielen verschiedenen Sessions um die Zusammenhänge zwischen Klima und Extremwetter. Zum ersten Mal findet in diesem Rahmen auch die Deutsche KlimaManagementTagung (KMT) mit über 30 Workshops statt. Infos
25. September, 9 Uhr, Berlin
Konferenz Regionale Klimaanpassung in Nord- und Ostdeutschland: Herausforderungen und Lösungsansätze
Wie ist die Anpassung an heute schon unvermeidbare Folgen der Klimakrise noch rechtzeitig möglich? Was können Regionen in Nord- und Ostdeutschland hierfür tun und welche Unterstützung brauchen sie? Die 13. REKLIM Regionalkonferenz widmet sich gemeinsam mit dem Umweltbundesamt den mit dem Klimawandel verbundenen Risiken für die Wasserversorgung und -entsorgung sowie für die menschliche Gesundheit. Infos
Bis 2045 soll Deutschland Netto-Treibhausgasneutralität erreichen, so verlangt es das Klimaschutzgesetz. Doch die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung reichen dafür nicht aus. Wie viele Emissionen könnte die deutsche Industrie zusätzlich einsparen, wenn die Stahlherstellung klimaneutral wäre? Was brächte das Verbot von Einwegkunststoffen dem Klima, was ein schnellerer Wind- und Solarausbau, ein Tempolimit oder das Verbot, neue Verbrenner-Autos zu verkaufen?
Die Klimaschutzorganisation GermanZero hat am Dienstag ein Tool vorgestellt, das Antworten darauf gibt. “MappingZero” bilanziert die Emissionsreduktionswirkung einzelner Maßnahmen und soll so “wie ein Routenplaner” zur Klimaneutralität Deutschlands wirken. Denn viel zu oft, schreibt GermanZero dazu, gehe bisher “in der politischen Debatte die wichtigste Frage verloren: Wie groß ist die Wirkung der Maßnahmen, über die gesprochen wird?” Hier können Sie das Tool selbst austesten.
Die Internetseite von “MappingZero” soll darauf eine klare und dennoch differenzierte Antwort geben. Sie ermöglicht es, konkrete Klimaschutzmaßnahmen in den einzelnen Sektoren auszuwählen, und zeigt dann, wie viele Emissionen sie reduzieren würden. Beispielsweise könnten demnach bis 2045 knapp 136 Megatonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden, wenn der Verkaufsstopp für neue Verbrenner auf 2030 vorgezogen würde. Eine E-Fuel-Quote schneidet hingegen mit 24 Megatonnen deutlich schlechter ab. Besonders viel brächte ein strenger Emissionshandel: Würde der EU-ETS auf alle Sektoren ausgeweitet – die Landwirtschaft eingeschlossen – und würde Menge der verfügbaren Zertifikate gedrittelt, dann könnte man die Emissionen um 5.215 Megatonnen CO₂-Äquivalente senken. Das würde die Emissionen deutlich stärker sinken lassen als ein beschleunigter Wind- und Solarausbau und Tempolimit zusammen.
Grundlagen der Bilanzierung sind wissenschaftliche Studien und Daten aus den Inventar- und Projektionsbericht der Bundesregierung. Daneben informiert das Tool über die konkreten Wege zur Umsetzung der einzelnen Maßnahmen, über mögliche Risiken und soziale Auswirkungen und benennt zuständige Regierungsmitglieder sowie Bundestagsabgeordnete. ae
Unter dem Eindruck der aktuellen Flutkatastrophe in Österreich, Tschechien und Polen hat die Unionsfraktion im Bundestag eine Unterstützung des Bundes für die Länder und Kommunen beim Hochwasserschutz gefordert – aber eine Bund-Länder-“Gemeinschaftsaufgabe” in diesem Bereich abgelehnt. Für eine solche Regelung, für die das Grundgesetz geändert werden müsste, haben Bundesumweltministerin Steffi Lemke und die Umweltministerkonferenz der Länder wiederholt plädiert. Auch die Unionsfraktion hatte sie noch 2022 ins Spiel gebracht.
Bei der vom Klimawandel mitverursachten Flutkatastrophe in Osteuropa sind mehr als 20 Menschen gestorben und Schäden in Milliardenhöhe entstanden. Die deutschen Regionen sind bislang von größeren Schäden verschont geblieben. Wegen der Entwicklung und der aktuellen “Woche der Klimaanpassung” hatte Umweltministerin Lemke ihre Forderung wiederholt, Bund und Länder sollten ähnlich wie beim Thema “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) eine “Gemeinschaftsaufgabe” zur Finanzierung der Klimaanpassung beschließen. Schließlich gehen Schätzungen davon aus, dass bis 2050 insgesamt 38 Milliarden Euro für die Anpassung an den Klimawandel anfallen könnten. Bisher sind allein die Länder und Kommunen dafür zuständig, der Bund darf das nicht regelmäßig finanzieren. Um den Bund dafür mit ins Boot zu holen, bräuchte es eine Änderung des Grundgesetzes mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit, und damit die Zustimmung der Unionsfraktion.
Deren umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber erklärte gegenüber Table.Briefings, es sei ein “Armutszeugnis” für die Regierung, dass das Klimaanpassungsgesetz offen lasse, wie seine Maßnahmen zu finanzieren seien. Es müssten “ohne neue Schulden und durch Umschichtungen im Haushalt ausreichend Finanzmittel für die Klimaanpassung” zur Verfügung gestellt werden. Die “Herausforderungen sind so groß, dass sie nicht nur von den Kommunen und Ländern angegangen werden können. Der Bund muss hier ebenfalls unterstützen.” Eine “Gemeinschaftsaufgabe”, die solche Zahlungen langfristig festlegen würde, lehnen Weisgerber und die CDU/CSU-Fraktion allerdings ab.
Das war nicht immer so. Im April 2022 hatte die Union einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der die Bundesregierung aufforderte, “die Finanzierung der Zukunftsaufgabe Klimaanpassung sicherzustellen und die hierfür erforderlichen Optionen, zum Beispiel die Erweiterung einer bestehenden Gemeinschaftsaufgabe bzw. die Schaffung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe ‘Klimaanpassung’ zu prüfen“. Und auch mit den Stimmen der unionsregierten Länder hatte die Umweltministerkonferenz schon mehrfach auf die Einrichtung einer Gemeinschaftsaufgabe gedrängt. Hintergrund der Ablehnung aus der CDU/CSU-Fraktion ist offenbar die Sorge, der Bund könne sich bei leeren Kassen langfristig auf neue Ausgaben festlegen. bpo
Die vielen Erleichterungen bei der Genehmigung neuer Windräder zeigen Wirkung: Bei der jüngsten Ausschreibungsrunde für Windräder an Land im August war sowohl die Beteiligung als auch die bezuschlagte Leistung so hoch wie nie zuvor. Wie die Bundesnetzagentur am Dienstag mitteilte, wurden für die ausgeschriebene Leistung von 2,7 Gigawatt fast drei Gigawatt geboten. Setzt sich dieser Trend fort, dürfte Deutschland sein jährliches Ausbauziel vom Jahr 2026 an erreichen.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die installierte Leistung von Windrädern an Land bis 2030 auf 115 Gigawatt ungefähr zu verdoppeln. Um das zu erreichen, ist ab dem Jahr 2025 ein jährlicher Netto-Zubau von rund acht Gigawatt erforderlich. Weil gleichzeitig alte Windräder stillgelegt werden, ist für den Zielpfad ein Brutto-Zubau von zehn Gigawatt erforderlich. Diese Menge soll deshalb laut EEG jedes Jahr ausgeschrieben werden, und zwar in vierteljährlichen Tranchen von jeweils 2,5 Gigawatt.
Bisher wurde dieser Wert aber nie erreicht. Im Jahr 2023 wurden mangels ausreichender Gebote statt zehn nur 6,5 Gigawatt bezuschlagt. Im Mai dieses Jahres wurde der Zielwert erstmals fast erreicht; im August wurde er mit 2,7 Gigawatt übertroffen. Dass mehr als 2,5 Gigawatt ausgeschrieben wurden, liegt daran, dass der Rückstand aus den vorherigen Auktionen durch höhere Ausschreibungsmengen wettgemacht werden soll. Das gelang allerdings nur zu einem kleinen Teil: Ursprünglich war geplant, sogar vier Gigawatt auszuschreiben. Die Menge war im Vorfeld der Auktion aber wieder reduziert worden, weil abzusehen war, dass es dafür nicht genügend Gebote und somit keinen Preiswettbewerb gegeben hätte.
Die Bundesregierung hatte mit mehreren Gesetzespaketen die Bedingungen für Windenergie verbessert, unter anderem sind diese jetzt im “überragenden öffentlichen Interesse”, was Klagen erschwert. Zudem wurden den Ländern Vorgaben zur Ausweisung von Windflächen gemacht. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte die Entwicklung. “Die Beschleunigungsmaßnahmen, insbesondere aus dem Oster-, Sommer- und PV-Paket, sind nun in ihrer Wirkung zu erkennen”, erklärte der Verband. Um das Ziel für 2030 zu erreichen, sei aber erforderlich, die Planung weiter zu erleichtern und auf eine Verschärfung der Lärmvorgaben zu verzichten. mkr
Investitionen in den Klimaschutz sind für zwei Drittel der deutschen Unternehmen “unausweichlich”, um wirtschaftliche Nachteile in Zukunft zu vermeiden. Allerdings befürchten 90 Prozent der Unternehmen steigende Produktionskosten und 75 Prozent sorgen sich um Arbeitsplatzverluste in den energieintensiven Branchen. Vor allem kleine Unternehmen in Ostdeutschland machen sich Sorgen. Wirtschaftsvertreter fordern deshalb die Politik dazu auf, klare Rahmenbedingungen zu schaffen sowie die Energiepreise zu senken und zu stabilisieren.
Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter fast 550 Unternehmen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Bundesverbands der Energie-Abnehmer (VEA) und der gemeinnützigen Stiftung KlimaWirtschaft. Die Mehrheit der Unternehmen befürchtet demnach negative Auswirkungen der Klimaziele auf die deutsche Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren – im eigenen Unternehmen schätzt man die Situation aber differenzierter ein. “Die Unternehmen glauben mehrheitlich und trotz aller Krisen an den Standort Deutschland“, sagt Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft. “Sie wissen, dass ihr wirtschaftliches Überleben von einer erfolgreichen Transformation abhängt.”
Allerdings seien die Unternehmen “extrem verunsichert”. Jedes zehnte Unternehmen plant, nicht mehr in Deutschland zu produzieren; weit mehr befürchten eine zunehmende Auswanderung ins Ausland. Die Standortwahl hängt vor allem von der Verfügbarkeit von Fachkräften, den Energiekosten und dem regulatorischen Umfeld ab – und eben dieses wird in der Umfrage besonders schlecht bewertet. “Die meisten Unternehmen sind sehr viel weiter als die Politik“, kritisiert dazu die Vorstandssprecherin der GLS Bank, Aysel Osmanoglu. Sie fordert – ähnlich wie der Großteil der befragten Unternehmen – klare Rahmenbedingungen von der deutschen Bundesregierung. lb
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Deutschland gehört laut einem neuen Index bei Innovationen im Bereich Nachhaltigkeit zur internationalen Spitze. Von 35 Industrieländern landet die Bundesrepublik auf Platz 3 nach Dänemark und Finnland, gleichauf mit Südkorea und kurz vor Großbritannien. Das ergibt der jährliche “Innovationsindikator”, der am Mittwoch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vorgestellt wurde.
Der Bereich Nachhaltigkeit wird dabei seit 2023 erhoben. Er misst Anstrengungen etwa in den Bereichen:
Deutschland steht auch in den Bereichen Kreislaufwirtschaft, Energietechnologie und Produktionstechnologien vergleichsweise gut da. Insgesamt ist das Land allerdings gegenüber der Konkurrenz von Platz 10 auf Platz 12 der Rangliste abgerutscht – mehr dazu hier. Bei Innovationen führend sind laut diesem Innovationsindikator die Schweiz, Singapur und Dänemark. Entscheidend für den Erfolg seien vor allem hohe Investitionen in das Wissenschaftssystem, hohe Ausgaben für Hochschulen und enge Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. bpo
Ein Entwurf des BMWK zur Carbon Management-Strategie (CMS) der Bundesregierung verschiebt die Frage einer öffentlichen Förderung für ein privat betriebenes CO₂-Leitungsnetz in das nächste Jahr. Man prüfe “den Bedarf an Absicherungsmechanismen für Investoren in der Hochlaufphase”, heißt es in dem noch nicht zwischen den Ministerien abgestimmten Entwurf, der Table.Briefings vorliegt. Neben bestehenden Förderinstrumenten wie Klimaschutzverträgen – die allerdings eher produzierenden Großunternehmen anstatt Netzbetreibern zugutekommen – werde die Bundesregierung “voraussichtlich im ersten Halbjahr 2025 Möglichkeiten für eine staatliche Absicherung bei der Finanzierung der Infrastruktur prüfen”. In Frage kämen Instrumente der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Durch das CO₂-Netz soll abgeschiedenes Kohlendioxid aus Müllverbrennungsanlagen, Zementfabriken und anderen Industrien zu Lagerstätten in der Nordsee strömen. Eine Studie des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ) veranschlagt 14 Milliarden Euro Baukosten.
Um die CO₂-Leitungen schnell verlegen zu können, biete sich eine “Trassenbündelung beim Bau von Pipelines” an, so der Strategieentwurf aus dem BMWK. Gemeint ist eine parallele Verlegung von Kohlendioxid- und Wasserstoff-Pipelines. Allerdings wird es schwer, das Pipelinenetz so schnell zu planen: Schon Ende dieser Woche soll der Antrag der Ferngas-Netzbetreiber für den Bau des Wasserstoff-Kernnetzes durch die Bundesnetzagentur beschieden werden. Auf eine Genehmigung werden zügig Bauplanungen folgen müssen, denn bereits 2032 soll ein Großteil des H2-Kernnetzes betriebsbereit sein. Einzelne Großverbraucher wie der Stahlproduzent Salzgitter AG hoffen sogar auf einen bis zu fünf Jahre früheren Anschluss.
Zumindest die Gesetzeslage könnte rechtzeitig an einen gemeinsamen Pipelinebau angepasst sein: Für nächste Woche plant der Bundestag die erste Lesung einer Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes, in dem auch der CO₂-Pipelinebau neu geregelt wird. Darin heißt es, dass Kohlendioxidleitungen, die “weit überwiegend oder unmittelbar neben” einer Wasserstoffleitung gebaut werden, die planungsrechtlichen Privilegien des Wasserstoffkernnetzes genießen sollen. Für das H2-Kernnetz gilt ein “überragendes öffentliches Interesse”. Für alleinverlegte CO₂-Leitungen soll hingegen nur ein “öffentliches Interesse” bestehen. Letzteres macht längere Einspruchs- und Planungsverfahren wahrscheinlich. av
RND: Zentralasiens Gletscher schmelzen. Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben die Staatschefs der fünf zentralasiatischen Staaten vor den Folgen des Klimawandels gewarnt. Der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow betonte, dass der Klimawandel in der Region von besonderer Bedeutung sei, da die Temperaturen dort schneller steigen als anderswo. In Zentralasien sind bereits über 1.000 Gletscher vollständig geschmolzen. Zum Artikel
BBC: Klimakrise ist für Großbritanniens Außenminister größer Bedrohung als Terror. In einer Rede erklärte der britische Außenminister David Lammy, dass das Klimathema im Mittelpunkt aller Aktivitäten des Außenministeriums stehen werde. Er kündigte zudem an, dass die Regierung eine globale Initiative zur Beschleunigung der Einführung sauberer Energien starten werde. Allerdings warnte der Minister, dass die bisherigen Finanzierungszusagen Großbritanniens in dieser Angelegenheit angesichts der katastrophalen Finanzlage des Landes überprüft werden müssten. Zum Artikel
Brookings: Hürden für staatliches und privates Geld für Klimaschutz. Angesichts der zunehmenden Schäden und Kosten durch den Klimawandel erkennen US-Staats- und Regierungschefs die Notwendigkeit einer umfassenden nationalen Reaktion. Finanzmärkte helfen, Klimaabsichten in Maßnahmen umzusetzen – sind jedoch nicht immer auf die dringendsten Klimaprobleme oder sozialen Bedürfnisse ausgerichtet. Zum Artikel
BBC: Klimawandel verschärft Somalias Probleme. Somalia wird seit Jahrzehnten von Krisen heimgesucht. Im Jahr 2022 erlebte das Land die schlimmste Dürre seit 40 Jahren – ein Ereignis, das laut Wissenschaftlern durch den menschgemachten Klimawandel 100-mal wahrscheinlicher geworden ist. Doch viele Somalier handeln. So hat das örtliche Kraftwerk in Garowe beispielsweise in Wind- und Solarenergie investiert. Zum Artikel
Financial Times: Präsidentenwahl entscheidend für Klimaschutz. Der ehemalige US-Vizepräsident, Friedensnobelpreisträger und Klimaaktivist Al Gore sieht den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl als entscheidend für den Weg der USA beim Thema Klimaschutz an. Die US-Bürger hätten die Wahl zwischen Kamala Harris, die das Klimathema ernst nimmt und dem Klimawandelleugner Donald Trump. Zum Artikel
Klimastreik! In den vergangenen Jahren war das oft ein zentrales politisches Ereignis: Hunderttausende, vor allem junge Menschen gingen weltweit auf die Straße, um Druck zu machen für mehr Klimaschutz -begleitet und beklatscht von weiten Teilen der Gesellschaft. Jetzt ist am Freitag wieder Protesttag fürs Klima, aber der Wind hat sich gedreht: Wer mehr Klimaschutz fordert, wird oft bedrängt, kritisiert, ausgegrenzt und abgewählt – und wer radikaler protestiert, wird als Straftäter oder Öko-Terrorist gebrandmarkt. Wir schreiben heute darüber, wie der Klimabewegung europaweit eine Welle von harten Urteilen und scharfen Gesetzen entgegenrollt.
Hoffnungszeichen gibt es dagegen aus Brüssel: In der neuen EU-Kommission sind für die Bereiche Klima und Green Deal Politikerinnen und Politiker nominiert, die beim grünen Umbau großen Ehrgeiz zeigen – wir analysieren im Detail, was da möglich sein könnte. Dann melden wir, dass Deutschland bei den Innovationen im Nachhaltigkeitsbereich weltweit an der Spitze liegt. Auch beim Ausbau der Windenergie geht es in Deutschland kräftiger voran als gedacht. Na bitte, geht doch!
Oder? Die Geschichte, warum die Unionsfraktion angesichts der Hochwasserschäden eine neue “Gemeinschaftsaufgabe” für Bund und Länder ablehnt, ist eher bizarr. Und lässt uns vermuten, dass in der politischen Debatte doch immer wieder das Motto “Nach uns die Sintflut” regiert.
Wir wünschen eine interessante Lektüre
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein vielversprechendes Kommissars-Team zusammengestellt, um die klimapolitische Agenda in den kommenden fünf Jahren fortzuführen. Die Spanierin Teresa Ribera soll die neue Wettbewerbskommissarin werden. Was zunächst nicht nach einem Klimaressort klingt, beinhaltet die Aufgabe, das Beihilferecht der Europäischen Union auf die Klimaziele der EU auszurichten – konkret auf den Erneuerbaren-Ausbau und die Dekarbonisierung der Industrie.
Das Wettbewerbs-Portfolio von Ribera sei der Schlüssel zum Erreichen der 2030er-Klimaziele, sagte ein hochrangiger Kommissionsbeamter. Das fünfjährige Mandat dieser Kommission ende, kurz bevor das Treibhausgasreduktionsziel von 55 Prozent im Vergleich zu 1990 erreicht sein müsse. Die neue Kommission sei daher “voll fokussiert” auf das EU-Klimaziel 2030.
Das Vorhaben soll mit einem Green Deal 2.0 mit Leben gefüllt werden. Er trägt den Namen “Clean Industrial Deal”. Die ambitionierte und erfahrene Klimapolitikerin Ribera sowie der französische, liberale Industriekommissar Stéphane Séjourné werden ihn federführend überwachen. Dies zeige, dass es keinen Raum für Rückschritte gebe, sondern vielmehr die Absicht, den Ehrgeiz für mehr Klimaschutz in der Industrie- und Wirtschaftspolitik zu erhöhen, sagt Chiara Martinelli, Direktorin des Climate Action Network Europe (CAN). Europa soll ohne jeden Zweifel auch weiterhin Klima-Champion sein und bis 2050 klimaneutral werden, aber auf dem Weg dorthin eben auch wettbewerbsfähig bleiben – das ist das Signal, das von der Leyen am Dienstag sendete.
Ribera unterstellt sollen Klimakommissar Wopke Hoekstra, Energiekommissar Dan Jørgensen und Umweltkommissarin Jessika Roswall sein. Hoekstra und Jørgensen sind ebenfalls erfahrene Klimapolitiker – der eine als amtierender Klimakommissar, der andere als ehemaliger Energie- und Umweltminister in Dänemark.
Von der Leyens Auftrag, Klimaschutz sowie Industrie- und Wirtschaftspolitik zusammenzudenken, zeigt sich auch hier an der Aufgabenzuteilung. Die legislative Arbeit für den “Clean Industrial Deal” kommt aus den Generaldirektionen für Klimapolitik (DG CLIMA) sowie Binnenmarkt und Industrie (DG GROW). Das bedeutet, dass Hoekstra und Séjourné gemeinsam die industrielle Dekarbonisierung, den Hochlauf sauberer Technologien und Investitionsanreize vorantreiben sollen.
Mit Hoekstras Nominierung ist zudem auch für Kontinuität gesorgt. Er wird wie bereits vergangenes Jahr in Dubai auch diesen November in Baku die internationalen Klimaverhandlungen bei der COP29 leiten. Ein Ressortwechsel Hoekstras hätte die EU angesichts einer klimapolitisch unambitionierten ungarischen Ratspräsidentschaft in Baku kopflos wirken lassen. Auch dafür hat von der Leyen nun eine elegante und sowohl für Hoekstra persönlich als auch für die niederländische Regierung zufriedenstellende Lösung gefunden.
Er und die ihm unterstellte DG CLIMA sind zudem verantwortlich für die Ausarbeitung des Gesetzespakets für das 2040er-Klimaziel der EU, dessen Reduktionsziel von 90 Prozent er bereits im Februar selbst vorgestellt hatte. Außerdem wurde Hoekstra das Portfolio für Steuern zugeteilt – der von den Niederlanden erhoffte ökonomische Aufgabenbereich. Er soll unter anderem daran arbeiten, Mehrwertsteuern nach Umweltkriterien auszurichten. Zudem könnte Hoekstra auch die Einführung von Klimasteuern und das Ende von umweltschädigenden Subventionen und Steuerprivilegien vorantreiben. So könnte er nun bei der bereits vor einem Jahr angekündigten Besteuerung von Kerosin Nägel mit Köpfen machen.
Der Däne Jørgensen hat ebenfalls ein einschlägiges Klimaprofil, wird aber jetzt Energiekommissar. Die ökonomischen Aspekte seines Portfolios sind offenkundig: Niedrige Energiepreise sind unverzichtbar für wirtschaftlichen Aufschwung. Doch die Energieträger müssen sauberer werden, fordert von der Leyen. Dabei helfen laut der Kommissionspräsidentin auch kleine modulare Kernkraftwerke sowie CO₂-Abscheidungstechnologien, denen Jørgensen zum Hochlauf verhelfen soll.
Jørgensen sei als Energiekommissar eine gute Wahl, sagt Linda Kalcher, Direktorin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives. “Ich erwarte, dass er immun gegen das Greenwashing ist, dass blauer Wasserstoff oder verschiedene Technologien zur Kohlenstoffabscheidung alle unsere Probleme von morgen lösen werden, und dass er bei der Kernenergie pragmatisch ist.”
Die designierte Umweltkommissarin Jessika Roswall kann zwar noch keine Vorerfahrung in ihrem neuen Aufgabenfeld vorweisen, ist jedoch ein kluger politischer Kompromiss. Die EVP-Parteienfamilie hatte ihre Kritik zuletzt vor allem auf den Naturschutz gezielt und bekommt nun eine verantwortliche Kommissarin aus den eigenen Reihen.
Freie Hand wird ihr von der Leyen dabei keineswegs lassen. Ihr Ressort muss einen erheblichen Teil zum geplanten europäischen Klimaanpassungsplan beitragen und die umstrittene EU-Chemikalienverordnung REACH überarbeiten, was einigen in der EVP nicht gefallen und erhebliche Auswirkungen für die chemische Industrie haben dürfte.
Zwar wird sie es leichter haben, Umweltschutz in ihrer Parteienfamilie zu verkaufen, als ihr grüner Vorgänger Virginijus Sinkevičius. Doch der Umweltausschuss könnte ihr das Leben durchaus schwer machen. Schweden habe gegen das Renaturierungsgesetz gestimmt und die Anti-Entwaldungs-Verordnung nicht unterstützt, twitterte der liberale Umweltpolitiker Pascal Canfin. Üblicherweise vertreten Kommissare Vorschläge aus der Kommission gemeinsam. Nun, so deutet Canfin an, bestehe die Gefahr, dass Roswall sich gegen die Kommissionslinie stellt. “Wir müssen dafür sorgen, dass sie als echte EU-Kommissarin handelt.”
Séjourné wurde außerdem beauftragt, einen “Industrial Decarbonisation Accelerator Act” vorzuschlagen. Dieser soll “Europäische Leitmärkte für die Entwicklung, Produktion und Diffusion von Clean Tech in der Industrie fördern” und Planungs-, Ausschreibungs- und Zulassungsverfahren beschleunigen, speziell für energieintensive Industrien. Damit nimmt die Europäische Kommission eine Idee auf, die auch Wirtschaftsminister Robert Habeck mit seinem Konzept für Grüne Leitmärkte schon vorgebracht hat.
An einer Podiumsdiskussion am Mittwoch gaben Generaldirektorin Kerstin Jorna (DG GROW) und Generaldirektor Kurt Vandenberghe (DG CLIMA) einen ersten Einblick in die Industriestrategie der neuen Kommission: “Die zentrale Frage ist, wie man aus der ökologischen Transformation einen guten Business-Case macht”, sagte Jorna. Speziell in energieintensiven Industrien wie Stahl, Glas, Zement und Chemie sei dieser Business Case in Europa noch nicht gegeben. Während der Net Zero Industry Act (NZIA) des vergangenen Mandats die Zulassungsprozesse für nachhaltige Energietechnologien verbessert habe, sei dies für die Abnehmer dieser Technologien noch nicht gemacht worden.
Parallel zum Accelerator Act hat Séjourné denn auch den Auftrag gefasst, die Regeln für öffentliche Beschaffung anzupassen, um europäische Produzenten zu bevorzugen. Das explizit formulierte Ziel, europäische Produzenten zu bevorzugen, ist neu. In Entwurf-Versionen des NZIA waren solche “Buy European” Klauseln schon mal zu sehen – sie waren im finalen Vorschlag der Kommission dann aber doch nicht mehr enthalten.
Die designierten Kommissare müssen sich nun den zuständigen Fachausschüssen im EU-Parlament zur Anhörung stellen. Dabei werden sie sowohl zu ihrer Eignung für den Job als auch zu möglichen politischen Konflikten befragt. Anschließend stimmen die Ausschusskoordinatoren der Fraktionen über die Ernennung ab. Das Plenum des EU-Parlaments stimmt schließlich über das gesamte College der neuen EU-Kommission in einem Votum ab.
Eine Übersicht, welche Generaldirektionen den einzelnen Exekutiv-Vizepräsidenten und Kommissaren zugeordnet sind, finden Sie hier.
Längere Haftstrafen, Verschärfung der Strafen und eine öffentliche Meinung, die sich gegen sie wendet – die Klimabewegung sieht sich in Deutschland immer mehr direkten und indirekten Repressionen gegenüber. Der Protest für eine schnellere und effektivere Klimapolitik gerät dabei in ein Dilemma: Einerseits schwindet die öffentliche Aufmerksamkeit für Großdemos wie den Klimastreik am morgigen Freitag, dem 20. September, während die Auswirkungen der Klimakrise wie bei der Flutkatastrophe in Osteuropa immer sichtbarer werden. Und während Aktivisten zu extremeren Aktionsformen wie Blockaden von Straßen und Flughäfen greifen, werden die Reaktionen von Politik, Behörden und Gerichten auf den Protest immer schärfer.
Diese Entwicklung besorgt auch die UNO. Anfang des Jahres sagte Michel Forst, UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer im Rahmen der Aarhus-Konvention, dazu Folgendes: “Die Unterdrückung von Umweltaktivisten in Europa, die friedlichen zivilen Ungehorsam leisten, ist eine große Bedrohung für die Demokratie und die Menschenrechte.” Der ökologische Notstand könne nicht angegangen werden, indem diejenigen, die Alarm schlagen, kriminalisiert werden.
Für den 20. September haben “Fridays for Future” und andere Gruppen zu ihren traditionellen Herbst-Demonstrationen aufgerufen: Während sich vor fünf Jahren 1, 4 Millionen Menschen an den Protesten beteiligten, erwarten die Organisatoren für dieses Jahr deutlich weniger Zuspruch.
Das gesellschaftliche Klima in der Klimadebatte hat sich verschärft. In Deutschland gab es zuletzt eine ganz Reihe restriktiver Reaktionen auf Klimaaktivismus. Darunter:
Für Emmanuel Schlichter von der NGO Green Legal Impact, die Klimaaktivisten über rechtliche Rahmenbedingen aufklärt, ist klar: “Politischer Aktivismus wird kriminalisiert.” Besonders besorgniserregend ist aus seiner Sicht, dass Verschärfungen inzwischen nicht mehr für einen großen Aufschrei sorgen. Viele hätten sich bereits an das harte Vorgehen gewöhnt und andere Themen stünden aktuell im Vordergrund. Eins der größten Probleme ist für ihn, dass gegen Klimaaktiven der Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs verwendet wird und sie damit wegen “Bildung einer kriminellen Vereinigung” angeklagt werden. Er fordert, dass Repressionsmaßnahmen gegen friedlichen Klimaaktivismus aufhören müssten. “In einer Demokratie spielt Protest eine essenzielle Rolle”, sagt er.
Nicht nur in Deutschland wird zunehmend harsch gegen Klimaaktivismus vorgegangen. “Klimaaktivismus ist in verschiedenen Ländern in Europa mit denselben restriktiven Methoden konfrontiert“, meint Schlichter. Ein Bericht von Amnesty International stellt in allen 21 untersuchten, europäischen Ländern Einschränkungen des Rechts auf Protest fest, in verschiedenen Fällen dokumentiert er sogar Körperverletzungen. Ein Bericht von Climate Rights, der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, kommt zu ähnlichen Ergebnissen.
Beispiele für zunehmende Unterdrückung, speziell von Klimaaktivismus in Europa:
Das “ganze Besteck” an repressiven Maßnahmen werde bewusst gegen Klimaaktivismus eingesetzt, meint dazu Paula Zimmermann von Amnesty. Dazu gehören Gesetzesverschärfungen, behördliche Repressionen wie Versammlungsverbote, Polizeigewalt, hohe Strafurteile, aber auch diffamierende Rhetorik. “Klimakriminelle” oder “Ökoterroristen” gehört inzwischen zum gängigen Vokabular, wenn über diese Proteste gesprochen wird. Verkehrsminister Volker Wissing beispielsweise sprach von “kriminellen Machenschaften”. “Das führt zu einem gesellschaftlichen Klima, das Gewalt gegen Klimaaktivismus legitimiert“, warnt Zimmermann.
Sie beobachtet eine zunehmende Intensität der Maßnahmen: Vor wenigen Jahre hätten die meisten Staaten noch hauptsächlich auf Abschreckung gesetzt, jetzt komme es zur präventiven Ingewahrsamnahme und zu immer mehr Verurteilungen mit teilweise hohen Haftstrafen. Kriminalisiert würden nicht mehr nur einzelne Personen, sondern auch ganze Gruppen.
19. September, 10 Uhr, Online
Webinar Nachhaltiger Einkauf
Das Förderprojekt Klimawirtschaft veranstaltet dieses Webinar, dass sich mit der Rolle von nachhaltigem Einkauf für eine klimafreundliche Wirtschaft beschäftigt. Infos
19. September, 14 Uhr, Berlin/Online
Preisverleihung Bundespreis Blauer Kompass
Der Bundespreis “Blauer Kompass” ist die höchste staatliche Auszeichnung in Deutschland, die im Rahmen eines Wettbewerbs für Projekte zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels vergeben wird. Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt suchen hierfür gemeinsam die besten Projekte zum Umgang mit Klimafolgen wie Hitze, Dürre und Starkregen. Infos
19. und 20. September, Berlin
Konferenz CLEW turns 10 – Journalism for the age of climate consequences
Das Journalismus-Netzwerk Clean Energy Wire (CLEW) wird zehn Jahre alt und diskutiert aus diesem Anlass über die Rolle von Journalismus in der Klimakrise. Infos
20. September, deutschlandweit
Demonstration Klimastreik
Mehrere Klimabewegungen wie “Fridays for Future” rufen in ganz Deutschland und auch weltweit zum globalen Klimastreik auf. In vielen Städten sind Aktionen geplant.
22. September
Wahlen Landtagswahlen in Brandenburg
Brandenburg wählt einen neuen Landtag. Die Zusammensetzung des künftigen Landesparlaments hat auch große Auswirkungen auf die Klimapolitik.
23. bis 25. September
Forum Circular Economy – What’s next?
Die Bundesregierung beschließt in den kommenden Monaten die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und bekennt sich damit klar zur Circular Economy. Also einer Produktions- und Konsumweise, die weniger Ressourcen benötigt, Produkte länger nutzt und geschlossene Materialkreisläufe schafft. Doch was kommt nach dem Kabinettsbeschluss? Darum wird auf dem Wissenschaftsforum des Öko-Instituts diskutiert. Infos
24. September, 9.30 Uhr, Online
Webinar Navigating the ESG Regulation – What implications for Carbon Removal Projects in Europe?
Euractiv veranstaltet diese Online-Diskussion zu den Zusammenhängen zwischen der europäischen ESG-Gesetzgebung und CO₂-Entnahme-Projekten. Es geht auch um die Rolle von Kohlenstoff- und Biodiversitätszertifikaten. Infos
25. und 26. September, Kassel
Forum Zukunftsforum Energie & Klima
Auf dem Zukunftsforum soll unter dem Motto “Jetzt für morgen” praxisorientiert über verschiedene Klima- und Nachhaltigkeitsthemen diskutiert werden. Es geht unter anderem um die Wärmewende und Sustainable Finance. Infos
25. bis 27. September, Hamburg
Kongress Extremwetterkongress
Auf dem Kongress geht es in vielen verschiedenen Sessions um die Zusammenhänge zwischen Klima und Extremwetter. Zum ersten Mal findet in diesem Rahmen auch die Deutsche KlimaManagementTagung (KMT) mit über 30 Workshops statt. Infos
25. September, 9 Uhr, Berlin
Konferenz Regionale Klimaanpassung in Nord- und Ostdeutschland: Herausforderungen und Lösungsansätze
Wie ist die Anpassung an heute schon unvermeidbare Folgen der Klimakrise noch rechtzeitig möglich? Was können Regionen in Nord- und Ostdeutschland hierfür tun und welche Unterstützung brauchen sie? Die 13. REKLIM Regionalkonferenz widmet sich gemeinsam mit dem Umweltbundesamt den mit dem Klimawandel verbundenen Risiken für die Wasserversorgung und -entsorgung sowie für die menschliche Gesundheit. Infos
Bis 2045 soll Deutschland Netto-Treibhausgasneutralität erreichen, so verlangt es das Klimaschutzgesetz. Doch die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung reichen dafür nicht aus. Wie viele Emissionen könnte die deutsche Industrie zusätzlich einsparen, wenn die Stahlherstellung klimaneutral wäre? Was brächte das Verbot von Einwegkunststoffen dem Klima, was ein schnellerer Wind- und Solarausbau, ein Tempolimit oder das Verbot, neue Verbrenner-Autos zu verkaufen?
Die Klimaschutzorganisation GermanZero hat am Dienstag ein Tool vorgestellt, das Antworten darauf gibt. “MappingZero” bilanziert die Emissionsreduktionswirkung einzelner Maßnahmen und soll so “wie ein Routenplaner” zur Klimaneutralität Deutschlands wirken. Denn viel zu oft, schreibt GermanZero dazu, gehe bisher “in der politischen Debatte die wichtigste Frage verloren: Wie groß ist die Wirkung der Maßnahmen, über die gesprochen wird?” Hier können Sie das Tool selbst austesten.
Die Internetseite von “MappingZero” soll darauf eine klare und dennoch differenzierte Antwort geben. Sie ermöglicht es, konkrete Klimaschutzmaßnahmen in den einzelnen Sektoren auszuwählen, und zeigt dann, wie viele Emissionen sie reduzieren würden. Beispielsweise könnten demnach bis 2045 knapp 136 Megatonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden, wenn der Verkaufsstopp für neue Verbrenner auf 2030 vorgezogen würde. Eine E-Fuel-Quote schneidet hingegen mit 24 Megatonnen deutlich schlechter ab. Besonders viel brächte ein strenger Emissionshandel: Würde der EU-ETS auf alle Sektoren ausgeweitet – die Landwirtschaft eingeschlossen – und würde Menge der verfügbaren Zertifikate gedrittelt, dann könnte man die Emissionen um 5.215 Megatonnen CO₂-Äquivalente senken. Das würde die Emissionen deutlich stärker sinken lassen als ein beschleunigter Wind- und Solarausbau und Tempolimit zusammen.
Grundlagen der Bilanzierung sind wissenschaftliche Studien und Daten aus den Inventar- und Projektionsbericht der Bundesregierung. Daneben informiert das Tool über die konkreten Wege zur Umsetzung der einzelnen Maßnahmen, über mögliche Risiken und soziale Auswirkungen und benennt zuständige Regierungsmitglieder sowie Bundestagsabgeordnete. ae
Unter dem Eindruck der aktuellen Flutkatastrophe in Österreich, Tschechien und Polen hat die Unionsfraktion im Bundestag eine Unterstützung des Bundes für die Länder und Kommunen beim Hochwasserschutz gefordert – aber eine Bund-Länder-“Gemeinschaftsaufgabe” in diesem Bereich abgelehnt. Für eine solche Regelung, für die das Grundgesetz geändert werden müsste, haben Bundesumweltministerin Steffi Lemke und die Umweltministerkonferenz der Länder wiederholt plädiert. Auch die Unionsfraktion hatte sie noch 2022 ins Spiel gebracht.
Bei der vom Klimawandel mitverursachten Flutkatastrophe in Osteuropa sind mehr als 20 Menschen gestorben und Schäden in Milliardenhöhe entstanden. Die deutschen Regionen sind bislang von größeren Schäden verschont geblieben. Wegen der Entwicklung und der aktuellen “Woche der Klimaanpassung” hatte Umweltministerin Lemke ihre Forderung wiederholt, Bund und Länder sollten ähnlich wie beim Thema “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) eine “Gemeinschaftsaufgabe” zur Finanzierung der Klimaanpassung beschließen. Schließlich gehen Schätzungen davon aus, dass bis 2050 insgesamt 38 Milliarden Euro für die Anpassung an den Klimawandel anfallen könnten. Bisher sind allein die Länder und Kommunen dafür zuständig, der Bund darf das nicht regelmäßig finanzieren. Um den Bund dafür mit ins Boot zu holen, bräuchte es eine Änderung des Grundgesetzes mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit, und damit die Zustimmung der Unionsfraktion.
Deren umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber erklärte gegenüber Table.Briefings, es sei ein “Armutszeugnis” für die Regierung, dass das Klimaanpassungsgesetz offen lasse, wie seine Maßnahmen zu finanzieren seien. Es müssten “ohne neue Schulden und durch Umschichtungen im Haushalt ausreichend Finanzmittel für die Klimaanpassung” zur Verfügung gestellt werden. Die “Herausforderungen sind so groß, dass sie nicht nur von den Kommunen und Ländern angegangen werden können. Der Bund muss hier ebenfalls unterstützen.” Eine “Gemeinschaftsaufgabe”, die solche Zahlungen langfristig festlegen würde, lehnen Weisgerber und die CDU/CSU-Fraktion allerdings ab.
Das war nicht immer so. Im April 2022 hatte die Union einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der die Bundesregierung aufforderte, “die Finanzierung der Zukunftsaufgabe Klimaanpassung sicherzustellen und die hierfür erforderlichen Optionen, zum Beispiel die Erweiterung einer bestehenden Gemeinschaftsaufgabe bzw. die Schaffung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe ‘Klimaanpassung’ zu prüfen“. Und auch mit den Stimmen der unionsregierten Länder hatte die Umweltministerkonferenz schon mehrfach auf die Einrichtung einer Gemeinschaftsaufgabe gedrängt. Hintergrund der Ablehnung aus der CDU/CSU-Fraktion ist offenbar die Sorge, der Bund könne sich bei leeren Kassen langfristig auf neue Ausgaben festlegen. bpo
Die vielen Erleichterungen bei der Genehmigung neuer Windräder zeigen Wirkung: Bei der jüngsten Ausschreibungsrunde für Windräder an Land im August war sowohl die Beteiligung als auch die bezuschlagte Leistung so hoch wie nie zuvor. Wie die Bundesnetzagentur am Dienstag mitteilte, wurden für die ausgeschriebene Leistung von 2,7 Gigawatt fast drei Gigawatt geboten. Setzt sich dieser Trend fort, dürfte Deutschland sein jährliches Ausbauziel vom Jahr 2026 an erreichen.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die installierte Leistung von Windrädern an Land bis 2030 auf 115 Gigawatt ungefähr zu verdoppeln. Um das zu erreichen, ist ab dem Jahr 2025 ein jährlicher Netto-Zubau von rund acht Gigawatt erforderlich. Weil gleichzeitig alte Windräder stillgelegt werden, ist für den Zielpfad ein Brutto-Zubau von zehn Gigawatt erforderlich. Diese Menge soll deshalb laut EEG jedes Jahr ausgeschrieben werden, und zwar in vierteljährlichen Tranchen von jeweils 2,5 Gigawatt.
Bisher wurde dieser Wert aber nie erreicht. Im Jahr 2023 wurden mangels ausreichender Gebote statt zehn nur 6,5 Gigawatt bezuschlagt. Im Mai dieses Jahres wurde der Zielwert erstmals fast erreicht; im August wurde er mit 2,7 Gigawatt übertroffen. Dass mehr als 2,5 Gigawatt ausgeschrieben wurden, liegt daran, dass der Rückstand aus den vorherigen Auktionen durch höhere Ausschreibungsmengen wettgemacht werden soll. Das gelang allerdings nur zu einem kleinen Teil: Ursprünglich war geplant, sogar vier Gigawatt auszuschreiben. Die Menge war im Vorfeld der Auktion aber wieder reduziert worden, weil abzusehen war, dass es dafür nicht genügend Gebote und somit keinen Preiswettbewerb gegeben hätte.
Die Bundesregierung hatte mit mehreren Gesetzespaketen die Bedingungen für Windenergie verbessert, unter anderem sind diese jetzt im “überragenden öffentlichen Interesse”, was Klagen erschwert. Zudem wurden den Ländern Vorgaben zur Ausweisung von Windflächen gemacht. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte die Entwicklung. “Die Beschleunigungsmaßnahmen, insbesondere aus dem Oster-, Sommer- und PV-Paket, sind nun in ihrer Wirkung zu erkennen”, erklärte der Verband. Um das Ziel für 2030 zu erreichen, sei aber erforderlich, die Planung weiter zu erleichtern und auf eine Verschärfung der Lärmvorgaben zu verzichten. mkr
Investitionen in den Klimaschutz sind für zwei Drittel der deutschen Unternehmen “unausweichlich”, um wirtschaftliche Nachteile in Zukunft zu vermeiden. Allerdings befürchten 90 Prozent der Unternehmen steigende Produktionskosten und 75 Prozent sorgen sich um Arbeitsplatzverluste in den energieintensiven Branchen. Vor allem kleine Unternehmen in Ostdeutschland machen sich Sorgen. Wirtschaftsvertreter fordern deshalb die Politik dazu auf, klare Rahmenbedingungen zu schaffen sowie die Energiepreise zu senken und zu stabilisieren.
Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter fast 550 Unternehmen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Bundesverbands der Energie-Abnehmer (VEA) und der gemeinnützigen Stiftung KlimaWirtschaft. Die Mehrheit der Unternehmen befürchtet demnach negative Auswirkungen der Klimaziele auf die deutsche Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren – im eigenen Unternehmen schätzt man die Situation aber differenzierter ein. “Die Unternehmen glauben mehrheitlich und trotz aller Krisen an den Standort Deutschland“, sagt Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft. “Sie wissen, dass ihr wirtschaftliches Überleben von einer erfolgreichen Transformation abhängt.”
Allerdings seien die Unternehmen “extrem verunsichert”. Jedes zehnte Unternehmen plant, nicht mehr in Deutschland zu produzieren; weit mehr befürchten eine zunehmende Auswanderung ins Ausland. Die Standortwahl hängt vor allem von der Verfügbarkeit von Fachkräften, den Energiekosten und dem regulatorischen Umfeld ab – und eben dieses wird in der Umfrage besonders schlecht bewertet. “Die meisten Unternehmen sind sehr viel weiter als die Politik“, kritisiert dazu die Vorstandssprecherin der GLS Bank, Aysel Osmanoglu. Sie fordert – ähnlich wie der Großteil der befragten Unternehmen – klare Rahmenbedingungen von der deutschen Bundesregierung. lb
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Deutschland gehört laut einem neuen Index bei Innovationen im Bereich Nachhaltigkeit zur internationalen Spitze. Von 35 Industrieländern landet die Bundesrepublik auf Platz 3 nach Dänemark und Finnland, gleichauf mit Südkorea und kurz vor Großbritannien. Das ergibt der jährliche “Innovationsindikator”, der am Mittwoch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vorgestellt wurde.
Der Bereich Nachhaltigkeit wird dabei seit 2023 erhoben. Er misst Anstrengungen etwa in den Bereichen:
Deutschland steht auch in den Bereichen Kreislaufwirtschaft, Energietechnologie und Produktionstechnologien vergleichsweise gut da. Insgesamt ist das Land allerdings gegenüber der Konkurrenz von Platz 10 auf Platz 12 der Rangliste abgerutscht – mehr dazu hier. Bei Innovationen führend sind laut diesem Innovationsindikator die Schweiz, Singapur und Dänemark. Entscheidend für den Erfolg seien vor allem hohe Investitionen in das Wissenschaftssystem, hohe Ausgaben für Hochschulen und enge Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. bpo
Ein Entwurf des BMWK zur Carbon Management-Strategie (CMS) der Bundesregierung verschiebt die Frage einer öffentlichen Förderung für ein privat betriebenes CO₂-Leitungsnetz in das nächste Jahr. Man prüfe “den Bedarf an Absicherungsmechanismen für Investoren in der Hochlaufphase”, heißt es in dem noch nicht zwischen den Ministerien abgestimmten Entwurf, der Table.Briefings vorliegt. Neben bestehenden Förderinstrumenten wie Klimaschutzverträgen – die allerdings eher produzierenden Großunternehmen anstatt Netzbetreibern zugutekommen – werde die Bundesregierung “voraussichtlich im ersten Halbjahr 2025 Möglichkeiten für eine staatliche Absicherung bei der Finanzierung der Infrastruktur prüfen”. In Frage kämen Instrumente der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Durch das CO₂-Netz soll abgeschiedenes Kohlendioxid aus Müllverbrennungsanlagen, Zementfabriken und anderen Industrien zu Lagerstätten in der Nordsee strömen. Eine Studie des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ) veranschlagt 14 Milliarden Euro Baukosten.
Um die CO₂-Leitungen schnell verlegen zu können, biete sich eine “Trassenbündelung beim Bau von Pipelines” an, so der Strategieentwurf aus dem BMWK. Gemeint ist eine parallele Verlegung von Kohlendioxid- und Wasserstoff-Pipelines. Allerdings wird es schwer, das Pipelinenetz so schnell zu planen: Schon Ende dieser Woche soll der Antrag der Ferngas-Netzbetreiber für den Bau des Wasserstoff-Kernnetzes durch die Bundesnetzagentur beschieden werden. Auf eine Genehmigung werden zügig Bauplanungen folgen müssen, denn bereits 2032 soll ein Großteil des H2-Kernnetzes betriebsbereit sein. Einzelne Großverbraucher wie der Stahlproduzent Salzgitter AG hoffen sogar auf einen bis zu fünf Jahre früheren Anschluss.
Zumindest die Gesetzeslage könnte rechtzeitig an einen gemeinsamen Pipelinebau angepasst sein: Für nächste Woche plant der Bundestag die erste Lesung einer Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes, in dem auch der CO₂-Pipelinebau neu geregelt wird. Darin heißt es, dass Kohlendioxidleitungen, die “weit überwiegend oder unmittelbar neben” einer Wasserstoffleitung gebaut werden, die planungsrechtlichen Privilegien des Wasserstoffkernnetzes genießen sollen. Für das H2-Kernnetz gilt ein “überragendes öffentliches Interesse”. Für alleinverlegte CO₂-Leitungen soll hingegen nur ein “öffentliches Interesse” bestehen. Letzteres macht längere Einspruchs- und Planungsverfahren wahrscheinlich. av
RND: Zentralasiens Gletscher schmelzen. Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben die Staatschefs der fünf zentralasiatischen Staaten vor den Folgen des Klimawandels gewarnt. Der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow betonte, dass der Klimawandel in der Region von besonderer Bedeutung sei, da die Temperaturen dort schneller steigen als anderswo. In Zentralasien sind bereits über 1.000 Gletscher vollständig geschmolzen. Zum Artikel
BBC: Klimakrise ist für Großbritanniens Außenminister größer Bedrohung als Terror. In einer Rede erklärte der britische Außenminister David Lammy, dass das Klimathema im Mittelpunkt aller Aktivitäten des Außenministeriums stehen werde. Er kündigte zudem an, dass die Regierung eine globale Initiative zur Beschleunigung der Einführung sauberer Energien starten werde. Allerdings warnte der Minister, dass die bisherigen Finanzierungszusagen Großbritanniens in dieser Angelegenheit angesichts der katastrophalen Finanzlage des Landes überprüft werden müssten. Zum Artikel
Brookings: Hürden für staatliches und privates Geld für Klimaschutz. Angesichts der zunehmenden Schäden und Kosten durch den Klimawandel erkennen US-Staats- und Regierungschefs die Notwendigkeit einer umfassenden nationalen Reaktion. Finanzmärkte helfen, Klimaabsichten in Maßnahmen umzusetzen – sind jedoch nicht immer auf die dringendsten Klimaprobleme oder sozialen Bedürfnisse ausgerichtet. Zum Artikel
BBC: Klimawandel verschärft Somalias Probleme. Somalia wird seit Jahrzehnten von Krisen heimgesucht. Im Jahr 2022 erlebte das Land die schlimmste Dürre seit 40 Jahren – ein Ereignis, das laut Wissenschaftlern durch den menschgemachten Klimawandel 100-mal wahrscheinlicher geworden ist. Doch viele Somalier handeln. So hat das örtliche Kraftwerk in Garowe beispielsweise in Wind- und Solarenergie investiert. Zum Artikel
Financial Times: Präsidentenwahl entscheidend für Klimaschutz. Der ehemalige US-Vizepräsident, Friedensnobelpreisträger und Klimaaktivist Al Gore sieht den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl als entscheidend für den Weg der USA beim Thema Klimaschutz an. Die US-Bürger hätten die Wahl zwischen Kamala Harris, die das Klimathema ernst nimmt und dem Klimawandelleugner Donald Trump. Zum Artikel