selten haben technische Details wie das Landeklappenverhalten an einem Flugzeugflügel zu so großen Debatten geführt wie in den letzten Tagen. Wie und warum Außenministerin Annalena Baerbock ihre geplante große Reise nach Ozeanien in Abu Dhabi abbrechen musste, war Thema in Deutschland. Und erst recht bei uns Mitreisenden an Bord des Flugzeugs der deutschen Flugbereitschaft, als es wieder nicht nach oben ging. Was darüber vergessen wurde: Welche Auswirkungen hat dieses Scheitern eigentlich auf die deutsche Außen- und Klimapolitik? Weil in Ozeanien wichtige Weichen der neuen deutschen Klima-Außenpolitik gestellt werden sollten, liefern wir diese Informationen jetzt hier.
Neun Flugstunden entfernt feiert das größte Investitionsprogramm der Industriestaaten Jubiläum: Der “Inflation Reduction Act” (IRA) sorgt ein Jahr nach seiner Verabschiedung für Abermilliarden von grünen Investments und bringt Klimaschutz voran. Wo und wie erfolgreich bisher, das hat Nico Beckert recherchiert. Und einen zweiten genauen Blick werfen wir auch nach Südamerika: Dort haben gerade die Regenwald-Staaten beschlossen, den Amazonas-Wald zu schützen. Warum das so schwer ist und welche kriminellen Verbindungen das verhindern, hat Alexandra Endres herausgefunden.
Wir bleiben erstmal am Boden und wünschen interessante Lektüre.
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Als der US-Inflation Reduction Act (IRA) vor einem Jahr in Kraft trat, war die Aufregung groß. Das zunächst mit 369 Milliarden US-Dollar budgetierte Subventionsprogramm für die Ansiedlung grüner Industrien und die Förderung eines grünen Energiesystems benachteilige europäische Hersteller und könnte zu einem Handelskrieg und einem Wettlauf um staatliche Subventionen führen, so die Befürchtungen.
Ein Jahr nach Inkrafttreten zeigt sich eine gemischte IRA-Bilanz:
Allerdings gibt es auch Zweifel an diesen Zahlen, die meist von Klima-Interessenvertretungen stammen. “Teilweise wurden Investitionsprojekte nach Inkrafttreten des IRA einfach noch mal angekündigt. Und ein Teil der Investitionen wäre wahrscheinlich auch ohne IRA-Förderung realisiert worden“, sagt Niclas Poitiers, Research Fellow des Think-Tanks Bruegel gegenüber Table.Media.
Betrachtet man die Größe der US-Volkswirtschaft, seien 170.000 Arbeitsplätze nicht viel. In einigen Bereichen “fließen Milliarden-Subventionen, aber es werden nur sehr wenige Jobs geschaffen”, kritisiert Poitiers. Der Bruegel-Forscher warnt vor einem internationalen Subventionswettlauf, “an dessen Ende Milliarden bei großen Unternehmen landen könnten, aber kaum positive Effekte hinsichtlich Arbeitsplätzen und wirklich neuen Investitionen erzielt werden”.
Über die Klimawirkungen des IRA herrscht mehr Einigkeit. Laut einem Science-Paper werde der IRA zu einer Emissionsreduktion von 43 bis 48 Prozent im Jahr 2035 im Vergleich zum Basisjahr 2005 beitragen. Ohne IRA-Maßnahmen würden die Emissionen nur um 27 bis 35 Prozent sinken. Die Studie basiert auf neun Berechnungen und zeigt recht deutlich den Klimanutzen des Subventionsprogramms. Durch reduzierte Kosten für grüne Technologien werde der IRA auch positive Klimawirkungen in anderen Staaten haben, so Bruegel.
Allerdings könnten ausbleibende Investitionen in das teils marode Stromnetz die Wirkung des IRA schmälern. Wenn die USA die Energieübertragungskapazität nicht doppelt so schnell ausbaue wie im vergangenen Jahrzehnt, könnte gut die Hälfte des IRA-Klimaeffekts zunichtegemacht werden, zeigt eine Studie der Princeton-Universität. Um die Klimaziele der USA zu erreichen, brauche es “robuste Vorschriften und zusätzliche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene“, sagt Jesse Jenkins, IRA-Experte an der Princeton-Universität. Er nennt beispielsweise einen früheren Kohleausstieg und bessere Regulierungen im Land- und Forstwirtschaftssektor. Der Think-Tank BloombergNEF hatte kürzlich einen CO₂-Preis als zusätzliche Maßnahme angeführt, um den IRA zu ergänzen.
Poitiers von Bruegel hält fokussiertere Subventionen für sinnvoller als das Gießkannenprinzip des IRA: “Der Aufbau einer westlichen Solarindustrie führt nicht notwendigerweise dazu, dass auch nur ein Solarpanel mehr hergestellt wird, wenn es nur zu Produktionsverlagerungen kommt.” Poitiers schlägt stattdessen staatliche Investitionen in die Infrastruktur vor, wie beispielsweise in E-Auto-Ladestationen oder in die Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie, oder auch den sozialen Ausgleich der Klimakosten.
Auch Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centres für Europapolitik, mahnt gegenüber Table.Media zielgerichtetere Subventionen an. Die USA lägen bei der Produktion grüner Technologien hinter China und Europa. Das Gießkannenprinzip des IRA lehnt auch Redeker ab: “Bei neuen Technologien wie Wasserstoff oder modernen Batterien können solche Subventionen den Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien unterstützen. Bei etablierten Massenprodukten wie Solarzellen werden die USA den Vorsprung asiatischer Hersteller dagegen kaum aufholen können”.
Europa rät er, den IRA nicht direkt zu kopieren, sondern “fokussiert Sektoren zu fördern, bei denen man bereits einen Fuß in der Tür hat oder technologisch noch Entwicklungspotenzial besteht”. Die nächste EU-Kommission müsse eine bessere Antwort auf die industriepolitische Herausforderung finden. “Mittelfristig können wir das Problem durch nationale Beihilfen allein nicht lösen. Um den Binnenmarkt vor wirtschaftlicher Divergenz und unfairem Wettbewerb zu schützen, braucht es Koordinierung und Finanzierung auf EU-Ebene”. Das sei ein dickes Brett, aber eines, das die EU auf jeden Fall bohren müsse.
Wie hoch die Kosten des IRA in den kommenden Jahren werden, ist derweil noch unklar. Die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs gehen sogar davon aus, dass die Unternehmen in den kommenden zehn Jahren bis zu 1,2 Billionen US-Dollar an IRA-Steuervorteilen und Subventionen geltend machen könnten, um damit bis zu 2,9 Billionen US-Dollar an Investitionen zu leisten. Eine Brookings-Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Trotz dieser hohen Kosten könne der IRA “ein kosteneffizienter Anreiz für die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen sein”, so die Autoren. Die IRA-Anreize werden die USA pro Tonne eingesparten CO₂ wahrscheinlich weniger als 100 US-Dollar kosten, was niedriger sei als die geschätzten Schäden durch Treibhausgase, die zwischen 100 und 380 US-Dollar pro Tonne liegen.
Die gescheiterte Reise von Außenministerin Annalena Baerbock nach Ozeanien hat auch Konsequenzen für die deutsche und internationale Klimapolitik. Jenseits der politischen Peinlichkeiten und technischen Pannen bremst und verhindert die Absage der Außenministerin auch zahlreiche Entwicklungen und Projekte, die für den internationalen Klimaschutz im Auswärtige Amt wichtige Elemente sind.
In Australien etwa wollte Baerbock einerseits die gute Zusammenarbeit betonen: Deutschland könne beim Schutz gegen Cyberangriffe von Australien viel lernen und wolle sich für die Unterstützung der Ukraine bedanken. Geplant war etwa auch ein Besuch beim Nationalen Krisennotfallzentrum, das vor einem Jahr nach der Erfahrung mit den katastrophalen Waldbränden 2019/20 eingerichtet worden war. Mit Vertretern der australischen Wirtschaft wollte die Delegation unter anderem auch über grünen Wasserstoff sprechen.
Gleichzeitig hätte die Außenministerin bei den internen Gesprächen aber Australien auch zu mehr Ehrgeiz bei der Klimapolitik auffordern können: Denn die neue Labor-Regierung unter Premierminister Anthony Albanese und besonders einzelne Bundesstaaten haben zwar den extrem klimafeindlichen Kurs der Vorgänger geändert. Sie investieren massiv in erneuerbare Energien und diskutieren einen CO₂-Zoll (CBAM) nach Vorbild der EU.
Trotzdem unterstützt die australische Bundesregierung weiterhin viele neue Öl- und Gasprojekte mit staatlichen Mitteln und will die Gasförderung ausweiten. Der Klimakurs der neuen Regierung liegt laut dem Think-Tank Climate Action Tracker noch weit von dem entfernt, was für 1,5 Grad notwendig wäre. Deren Urteil: Ungenügend.
Weil Australien überlegt, die COP31 im Jahr 2026 auszurichten, wollte die deutsche Delegation mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz anmahnen. Immerhin ist Australien das einzige Industrieland, das als “Hotspot” der Entwaldung gilt. Es hat global den achtgrößten CO₂-Ausstoß pro Kopf und den höchsten weltweit bei CO₂-Emissionen aus der Kohlenutzung. Auch weigert sich das Land seit 2019, einen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung im Green Climate Fonds der UN zu leisten – was in der Debatte um Finanzfragen auf den Klimakonferenzen ein steter Vorwurf an die Seite der Industriestaaten ist.
Auch ein Treffen von NGO-Delegierten zum Klima findet nun nicht statt: In Baerbocks Delegation reisten auch die Chefin des Climate Action Networks Europa und der Chef des Europäischen Umweltbüros aus Brüssel, Chiara Martinelli und Patrick ten Brink mit. Sie wollten sich mit australischen NGOs für eine gemeinsame Strategieplanung zusammensetzen.
Der Abbruch der Reise legt zudem die deutsche Planung auf Eis, im Indopazifik nicht nur in der Geo-, sondern auch in der Klimapolitik eine stärkere Rolle zu spielen. Der Reiseplan sah vor, dass Baerbock in Suva, der Hauptstadt der Inselrepublik Fidschi, eine neue deutsche Botschaft einweiht. Vorantreiben soll diese Pläne die deutsche Sonderbotschafterin für die pazifischen Inselstaaten, Beate Greski, die derzeit in Canberra residiert.
Die neue Botschaft ist in Zeiten knapper Kassen eine gezielte Investition der AA-Spitze. Sie soll zeigen, dass sich Deutschland gerade in Fidschi engagiert, dem vom Klimawandel besonders bedrohten Inselstaat und Gastgeber der Klimakonferenz COP23 in Bonn 2017. Das Land ist ein wichtiger Partner in der Gruppe der “kleinen Inselstaaten” bei den UN-Verhandlungen. Schon vor einem Jahr hatte Baerbock den Pazifik-Inselstaat Palau besucht. Dort war die Regierung für mögliche finanzielle Hilfe empfänglich, blockte aber wegen unklarer interner und ökonomischer Verflechtungen beim Ausbau von Erneuerbaren. Nun fiel die deutsche Wahl für einen Standpunkt auf Fidschi.
Die neue Botschaft soll außerdem zeigen, wie die Klimaaußenpolitik die Organisation des Auswärtigen Dienstes verändert – unter anderem dadurch, dass alle wichtigen Botschaften die Klimapolitik ihrer Gastländer genau beobachten und unterstützen. Die AA-Spitze hat weltweit etwa 50 Vertretungen als Schwerpunkt-Botschaften für Klima identifiziert: die Botschaften in den G20-Staaten, den V20-Ländern (den 20 für den Klimawandel anfälligsten Ländern) und weiteren wichtigen Ländern. Derzeit stimmt das AA eine neue “Strategie zur Klimaaußenpolitik” in der Regierung ab.
Für die anstehende COP28 in Dubai hat der technische Notfall am Regierungsflugzeug ebenfalls eine mögliche Auswirkung: Die deutsche Außenministerin hat wichtiges politisches Kapital eingesetzt, um sich in einer Notlage von den VAE helfen zu lassen. Beim ersten ungeplanten längeren Aufenthalt sprach sie auch mit dem Außenminister des Landes. Eigentlich aber will Deutschland, die Gastgeber der nächsten Klima-COP im Dezember zu mehr Anstrengungen drängen und Fortschritte bei Klima- und Menschenrechtsfragen einfordern.
Beim Petersberger Klimadialog etwa wurden die Differenzen zwischen Baerbock und dem VAE-Industrieminister und Chef des Öl- und Gaskonzerns Adnoc, Sultan Al Jaber, deutlich. Während Deutschland etwa auf einen möglichst schnellen und kompletten Ausstieg aus den fossilen Energien drängt, wollen die Öl- und Gasländer wie die VAE nur von einem Auslaufen der “unverminderten” CO₂-Emissionen (“unabated”) sprechen. Das ginge mit einem massiven Ausbau der umstrittenen CCUS-Technologie einher. Eine harte Auseinandersetzung in dieser Sache wird mit Baerbocks aktueller “Dankesschuld” gegenüber dem arabischen Land nun nicht einfacher.
Der Gipfel in Belém der vergangenen Woche brachte – neben der Gründung einer internationalen Anti-Abholzungs-Allianz – einen Fortschritt, über den bisher wenig berichtet wurde: Die acht Amazonas-Anrainerstaaten haben in ihrer Abschlusserklärung vereinbart, künftig gemeinsam über nationale Grenzen hinweg gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. Die illegalen Aktivitäten der Mafia sind ein wesentlicher Treiber für die Zerstörung der Natur am Amazonas, doch in der internationalen Waldschutz-Debatte spielte das Thema bisher so gut wie keine Rolle. Allein dass der Amazonas-Gipfel sich überhaupt damit befasste, werten Fachleute nun als Fortschritt.
María Fernanda Ramírez, Expertin für Umweltverbrechen für Insight Crime, einem auf Sicherheitsfragen spezialisierten Think-Tank mit Sitz in den USA und Kolumbien, spricht gegenüber Table.Media von einem “wichtigen regionalen Präzedenzfall im Kampf gegen Umweltverbrechen”. Dennoch gehe die Abschlusserklärung des Treffens “nur unzureichend auf die spezifischen Punkte ein, die zur Eindämmung der Entwaldung nötig sind”, kritisiert sie. Eine “umfassende Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Entwaldung im Amazonas-Gebiet” fehle.
In dem Zusammenhang zitiert Ramírez auch Gustavo Faleiros, Direktor für Umweltrecherchen am Pulitzer Center: “Die Länder der Region sehen (die Präsenz bewaffneter Gruppen) immer noch als interne Angelegenheit, die nicht wirklich mit dem übergeordneten Ziel zusammenhängt, die Umwelt zu schützen und klimaschädliche Emissionen zu senken.” Wie das Online-Medium InfoAmazonía berichtet, sind zwischen Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela in rund 70 Prozent der Gemeindebezirke bewaffnete Banden aktiv und betreiben über die Staatsgrenzen hinweg ihre Geschäfte.
Naturgemäß lässt sich nicht exakt messen, wie groß die Schäden sind, die die organisierte Kriminalität im Regenwald anrichtet. Doch Ruth Nogueron, Waldexpertin des World Resources Institute (WRI), schreibt auf Anfrage von Table.Media: Man sehe, dass parallel zur wachsenden Abholzung auch illegale Aktivitäten und Gewalt im Amazonas-Becken zunähmen. Und der UN-Weltdrogenbericht nennt die “Narco-Deforestation” eine “wachsende Bedrohung” für den Amazonas.
Die Zerstörung des Waldes werde durch das organisierte Verbrechen beschleunigt, schreibt Robert Muggah, Gründer des brasilianischen Igarapé-Instituts, das zu Klima- und Sicherheitsfragen arbeitet, in der Zeitschrift Foreign Policy. Die Mafia diversifiziere ihr Geschäft über den Drogenhandel hinaus, so entstehe ein “Ökosystem des Verbrechens”. Besonders detailliert wird es in einem Report beschrieben, den das Igarapé Instituts zusammen mit Insight Crime erstellt hat.
Künftig wollen die Amazonas-Staaten entschlossener dagegen vorgehen. Unter anderem wollen sie:
Doch wie die Pläne konkret umgesetzt werden sollen, ist noch unklar. Laut der WRI-Waldexpertin Ruth Nogueron ist nun wichtig:
Die WRI-Expertin plädiert auch dafür, dass die Umweltbehörden im Kampf gegen das organisierte Verbrechen vom Zoll, dem Militär und anderen Sicherheitsbehörden unterstützt werden.
Doch Bram Ebus, der für die Crisis Group in Bogotá die grenzüberschreitenden Sicherheitsprobleme und Ressourcenkonflikte in der Region analysiert, sieht gerade darin eine Gefahr. Zwar sei die geplante Kooperation in Sicherheitsfragen von “äußerster Wichtigkeit”. Aber sie berge Risiken vor allem dort, wo Streitkräfte zusammenarbeiten sollen, “die bereits durch Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen in Verruf geraten sind”. Deshalb sei es unabdingbar, die Zustimmung der Bevölkerung des Amazonas einzuholen und nicht-militärische staatliche Stellen aktiv in die Zusammenarbeit mit einzubeziehen.
Hinzu kommt: Das geopolitische Klima in Lateinamerika könne sich schnell ändern, schreibt Ebus. Zwar würden Brasilien und Kolumbien gerade “von fortschrittlichen Präsidenten geführt, die dem Umweltschutz und dem Amazonas-Gebiet Vorrang einräumen”. Deshalb habe sich “ein kleines Zeitfenster” für “eine solide Amazonas-Agenda” aufgetan. Doch niemand weiß, wann sich das Fenster wieder schließt. Deshalb müssten laut Ebus “umgehend konkrete Vorschläge vorgelegt werden, die von der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden können, insbesondere im Hinblick auf eine finanzielle Förderung“.
Auch die acht Amazonas-Staaten, die gemeinsam die Erklärung von Belém unterzeichnet haben, fordern die industrialisierten Länder auf, den Schutz des Amazonas-Regenwalds auch finanziell zu unterstützen. Auf der COP28 dürfte das Thema damit wichtig werden.
Die Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) besuchte am Montag und Dienstag Mauretanien. Der Staat gilt nach den Militärputschen in Niger, Burkina Faso und Mali als eines der wenigen stabilen Länder in der Region und als Europas wichtigster und letzter Partner in der Sahel-Zone. Seit Juli ist Schulze Vorsitzende der Sahel-Allianz, einem internationalen Geberbündnis. Die Entwicklungsministerin sagte zu ihrem Besuch: “Deutschland engagiert sich im Sahel nicht, weil es leicht wäre. Wir engagieren uns gerade deshalb so stark, weil die Lage schwierig und fragil ist.” Ein Ziel des deutschen Engagements ist es, wirtschaftliche Perspektiven für die Region zu schaffen. Eine Möglichkeit dafür ist der Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft.
“Mauretanien ist weltweit einer der besten Wasserstoff-Standorte”, sagt Stefan Liebing, Geschäftsführer von Conjuncta im Interview mit Table Media. Es gebe rund um die Uhr günstigen Strom – tagsüber aus Sonne, nachts aus Wind. Außerdem sei durch die Lage am Atlantik Zugang zu Wasser gegeben und eine Hafeninfrastruktur vorhanden. Voraussetzungen, die laut Liebing über die Wirtschaftlichkeit eines Projektes entscheiden.
Vor Ort in Mauretanien ist noch nichts zu sehen von grünem Wasserstoff, denn bisher gibt es nur eine Absichtserklärung zwischen dem Konsortium mit deutscher Beteiligung und der mauretanischen Regierung für das 34 Milliarden US-Dollar schwere Projekt. 2028 soll es dann losgehen für den deutschen Unternehmensberatung Conjuncta: mit einer 400-Megawatt-Anlage für die Produktion von grünem Wasserstoff, nordöstlich von der Hauptstadt Nouakchott. Das Hamburger Unternehmen hat sich dazu mit dem Gemeinschaftsunternehmen Infinity Power zusammengetan. Dahinter stehen der ägyptische Grünstromerzeuger Infinity aus Ägypten und ein Staatsunternehmen für erneuerbare Energien, Masdar aus dem Golfemirat Abu Dhabi. Den klimafreundlichen Strom für die Elektrolyse sollen Windräder und Photovoltaikanlagen in Mauretanien liefern, der Energie-Export soll dann über einen Hafen abgewickelt werden.
“Die Technologien für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind da“, sagt Sylvia Schattauer, seit 2022 kommissarische Leiterin des Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme im Gespräch mit Table Media. Aber: “Jetzt geht es um das Hochskalieren. Die Systeme und Komponenten sind bisher manufakturgefertigt und sollen jetzt in großen Stückzahlen seriell hergestellt werden.” Für die Ingenieurin vergleichbar mit dem Übergang vom individuell zusammenschraubten Liebhaberauto zur Serienproduktion. “Es geht um Optimierung. Das ist keine Fragestellung der Grundlagenforschung, sondern eine Ingenieursaufgabe.”
Idee des Konsortiums mit deutscher Beteiligung ist denn auch, in Mauretanien zunächst mehrere kleine Anlagen modular zusammenzuschließen, um 2028 auf die angepeilten 400 Megawatt Elektrolysekapazität zu kommen. Für die anwendungsnahen Forschung geht es laut Schattauer unter anderem um den Bereich Offshore, also die Produktion von Windenergie auf dem offenen Meer, gekoppelt mit der Produktion von Wasserstoff. Eine Herausforderung, denn die Technik mag es nicht, immer im Grenzbereich gefahren zu werden, so Schattauer.
Laut Conjuncta werden langfristig bis zu 10 Gigawatt Elektrolysekapazität angepeilt. Was das deutsche Projekt angeht, laufen derzeit zwei Schritte parallel: Die mauretanische Regierung, die noch mit drei weiteren internationalen Konsortien Memoranda of Understanding unterzeichnet hat, prüfe die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen. Conjuncta führe eine eigene Machbarkeitsstudie zu Finanzierung, Technik, Standorten und Verbindungsinfrastruktur durch.
Fläche für den Aufbau von Anlagen für Wind- und Sonnenstrom gibt es jedenfalls reichlich. Mauretanien hat etwas mehr als eine Million Quadratkilometer und ist damit rund dreimal so groß wie Deutschland. Und das bei etwa einem Zwanzigstel der deutschen Bevölkerungsgröße: 4,2 Millionen Einwohner leben dort.
Der mauretanische Energieminister Nani Ould Chrougha gibt sich im Gespräch mit Table.Media selbstbewusst:”Wir glauben, dass es nicht nur unser Land verändern wird, sondern dass wir damit auch zum weltweiten Paradigmenwechsel in Sachen Energie etwas beitragen können”. Der Mindset für das nötige Umsteuern in der Energiepolitik sei in Mauretanien jedenfalls ausgeprägt vorhanden: Sein Land spüre den Klimawandel stärker als der globale Norden, etwa durch die Veränderungen der Regenzeit.
Energieminister Chrougha, der erst im Juli das Amt des jetzigen Wirtschaftsministers Abdessalam Ould Mohamed Saleh übernommen hat, gibt sich realistisch und optimistisch: “Es stimmt, dass wir keine Gelder vor Ort haben und keine Technologien. Aber was wir haben ist großes Potenzial.”
Die Pläne des deutschen Konsortiums, bis 2028 rund 400 Megawatt Elektrolyse-Kapazität in Mauretanien aufzubauen, findet Fraunhofer-Forscherin Schattauer durchaus realistisch, sofern keine bürokratischen Hürden den Prozess verlangsamen. Eine Sache allerdings dürfe man langfristig nicht vergessen: “Für die Produktion von grünem Wasserstoff bedarf es eines funktionierenden Stromnetzes. Wenn keiner diese Investition tätigt, kann das nicht funktionieren.” Aus politischer Perspektive liegt hier die Win-Win-Situation für Mauretanien als einem der ärmsten Länder weltweit, das auf einen Entwicklungssprung hofft.
17. August, 10 Uhr, Online
Webinar Klimaanpassungs-Check für Kommunen in NRW
Die “Kommunalberatung Klimafolgenanpassung NRW” hat im Auftrag des Umweltministeriums NRW eine Orientierungshilfe zur Unterstützung der Kommunen bei der Umsetzung des Berücksichtigungsgebots gemäß § 6 Klimaanpassungsgesetz NRW veröffentlicht. Die Orientierungshilfe “Klimaanpassungs-Check für Kommunen in NRW” skizziert die wesentlichen Prämissen – Zuständigkeit, Frühzeitigkeit, Nachvollziehbarkeit. Auf der Veranstaltung wird über diese Themen diskutiert. Infos
18. August, 19 Uhr, Hannover
Ausstellungseröffnung Klimaprotest & Kriminalisierung
Die Klima-Protestbewegungen stehen unter genauer Beobachtung der Behörden, die von Vorwürfen gegen die “letzte Generation” als “kriminelle Vereinigung” nach § 129 Strafgesetzbuch bis hin zur Beobachtung der Bewegung “Ende Gelände” durch den Verfassungsschutz reicht. Das Kulturzentrum Faust und die Rosa Luxemburg Stiftung nähern sich dem Thema mit einer Fotoausstellung. Die Ausstellung kann bis Ende August besucht werden. Infos
19. bis 20. August, Berlin
Infoveranstaltung Tag der offenen Tür der Bundesregierung
Am Wochenende des 19. und 20. August 2023 laden das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien und das Bundespresseamt wieder zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung ein. Beim Blick hinter die Kulissen können Bürgerinnen und Bürger auch direkt mit Regierungsmitgliedern ins Gespräch kommen. Infos
20. bis 24. August, Stockholm
Konferenz World Water Week
Die Weltwasserwoche 2023 steht unter dem Motto “Seeds of Change: Innovative Lösungen für eine wasserbewusste Welt”. Sie soll dazu anregen, die Art und Weise, wie die Welt mit Wasser umgeht, zu überdenken und Lösungen für wasserbezogene Herausforderungen zu erkunden. Die Konferenz wird vom World Resources Institute ausgerichtet. Ifnos
22. August, Berlin
Veröffentlichung Prüfbericht zu den Maßnahmen Gebäude und Verkehr
Der Expertenrat für Klimafragen veröffentlicht seine Stellungnahme und seinen Prüfbericht zu Klimaschutzmaßnahmen in den Sektoren Gebäude und Verkehr. Infos
22. August, 14 Uhr, Buenos Aires
Runder Tisch Argentina Energy Round Table
Auf dem Meeting geht es darum, wie die Energiewende in Argentinien funktionieren kann und welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssen. Im Fokus stehen besonders Finanzierung, Infrastruktur und kritische Rohstoffe. Infos
22. bis 24. August, Johannesburg
Gipfeltreffen BRICS Summit
Der BRICS-Gipfel 2023 ist der fünfzehnte jährliche BRICS-Gipfel, eine Konferenz über internationale Beziehungen, an der die Staats- und Regierungschefs von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika teilnehmen. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat außerdem die Staats- und Regierungschefs von 70 Ländern zu diesem Gipfel eingeladen, darunter 53 weitere afrikanische Länder sowie Bangladesch und Bolivien. Infos
22. bis 26. August, Vancouver
Versammlung Global Environment Facility Assembly
Vom 22. bis 26. August treffen sich Umweltpolitiker aus 185 Ländern in Vancouver, Kanada, zur siebten Versammlung der Globalen Umweltfazilität. Im Fokus steht eine Bestandsaufnahme für die 2030-Ziele zur Beendigung von Umweltverschmutzung und Naturverlust, zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung eines integrativen, lokal geführten Naturschutzes. Infos
23. August, 16 Uhr, Online
Webinar Topline Findings from Corporate Standard & Scope 3 Surveys
Zwischen November 2022 und März 2023 sammelte das Greenhouse Gas Protocol über vier Online-Umfragen Beiträge von Stakeholdern zum Corporate Standard, Scope 2 Guidance, Scope 3 Standard und zu marktbasierten Ansätzen. In diesem Webinar des World Resources Institute wird das Sekretariat des GHG Protocol die wichtigsten Themen debattieren, die in den kürzlich abgeschlossenen Umfragen zum Corporate Standard und Scope 3 Standard aufgetaucht sind. Infos
Die US-Regierung hat 1,2 Milliarden US-Dollar an Subventionen für zwei Projekte zur Entnahme von CO₂ aus der Umgebungsluft (Direct Air Capture – DAC) bewilligt. Eine Tochtergesellschaft von Occidental Petroleum und ein Konsortium aus den Unternehmen Climeworks, Battelle und Heirloom Carbon Technologies sollen die Fördermittel erhalten, um die DAC-Technologie voranzubringen und zwei kommerzielle DAC-Anlagen zu bauen. Die Mittel fließen aus einem 3,5-Milliarden US-Dollar schweren Fonds zur Entwicklung der DAC-Technologie.
Die beiden Projekte sollen zusammen jährlich mehr als zwei Millionen Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre entfernen. Manager der beteiligten Unternehmen gehen allerdings davon aus, dass die DAC-Anlagen diese Zielmarke erst im Jahr 2030 erreichen werden. Zum Vergleich: Die US-Emissionen liegen bei gut fünf Milliarden Tonnen. Die weltweit größte DAC-Anlage von Climeworks auf Island schafft lediglich 4.000 Tonnen CO₂ pro Jahr.
Die DAC-Technologie befindet sich wie andere Carbon-Capture-Technologien (CCS) derzeit noch in der Entwicklung. Weltweit gibt es laut Bloomberg 18 DAC-Anlagen. Laut IEA-Daten sind zahlreiche CCS-Projekte geplant, die die Kapazität zum Auffangen von CO₂ vervielfachen würden. Es ist allerdings fraglich, ob die Projekte alle realisiert werden, da sie sehr kostenintensiv sind. US-Subventionen zur Entwicklung der CCS- und DAC-Technologien könnten die Technik weltweit wettbewerbsfähiger machen, sodass die Kosten sinken. nib
Die australische Regierung prüft, nach dem Vorbild der Europäischen Union Zölle auf Waren zu erheben, die aus Ländern mit weniger ehrgeizigen Klimazielen importiert werden. Das berichtet der Guardian. Klima- und Energieminister Chris Bowen hat demnach angekündigt, zunächst über Zölle auf Stahl- und Zementeinfuhren zu beraten.
CO₂-Zölle, die offiziell CO₂-Grenzabgaben (CBAM) heißen, sollen Wettbewerbsnachteile für CO₂-intensive heimische Sektoren ausgleichen, die durch klimapolitische Vorgaben entstehen können. Dadurch wollen die Staaten verhindern, dass Stahl-, Zement- oder Chemiefabriken ins Ausland abwandern. Die EU wird die CO₂-Grenzzölle im Rahmen des CBAM ab 2026 erheben.
In Australien legt ein Gesetz seit Kurzem harte Obergrenzen für den Ausstoß von Treibhausgas der rund 200 größten industriellen Emittenten fest. Laut Guardian gelten die Grenzwerte aber für “handelsorientierte” Stahl- und Aluminiumfabriken nur eingeschränkt.
Nun denke die Regierung über weitere Schutzvorkehrungen nach. Dem Guardian zufolge sagte Bowen, man werde sich das Modell der EU “im australischen Kontext genau ansehen”. Bis zum dritten Quartal 2024 erwarte er dazu einen Bericht mit wissenschaftlich gestützten Empfehlungen. Zu berücksichtigen sei dabei unter anderem:
Eine Gruppe junger Klimaaktivistinnen und -aktivisten hat in einem Prozess im US-Bundesstaat Montana einen bahnbrechenden Erfolg erzielt. Durch seine Energiepolitik verletze der Bundesstaat das in der Verfassung garantierte Recht der Jugendlichen auf eine “saubere und gesunde Umwelt”, urteilte die zuständige Richterin Kathy Seeley.
Montanas Energiesystem basiert stark auf Kohle, Öl und Gas. Die Gesetze des Bundesstaates geben eine Weiterentwicklung seiner fossilen Energievorkommen vor. Zugleich untersagen sie den örtlichen Behörden, die Auswirkungen von Treibhausgasemissionen oder des Klimawandels in ihre Umweltprüfungen mit einzubeziehen. Dagegen hatten 16 Menschen im Alter zwischen fünf und 22 Jahren geklagt. Seeley gab ihnen nun Recht: Es sei verfassungswidrig, wenn Behörden bei der Entscheidung über Erdöl- oder Erdgasprojekte die Folgen für das Klima nicht berücksichtigen dürfen.
Die Entscheidung des Gerichts könnte zu einem Präzedenzfall für weitere Klagen werden, die in den USA anhängig sind – falls sie bestehen bleibt. Das von der Republikanischen Partei dominierte Parlament Montanas müsste das Urteil dann durch entsprechende Gesetze umsetzen. Doch noch ist unsicher, ob es so weit kommt: Montanas Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Rechtsmittel einzulegen.
Die Verhandlung in Montana war die erste Klimaklage, die bisher in den USA zu einer Verhandlung vor Gericht zugelassen wurde. Auch deshalb wird dem Fall eine Signalwirkung zugesprochen. Michael Gerrard, Gründer des Sabin Center for Climate Change Law an der Columbia Law School, bezeichnete das Urteil als “die strengste Entscheidung zum Klimawandel, die jemals von einem Gericht getroffen wurde”. Tatsächlich gibt es international bereits einige bahnbrechende Fälle, in denen Gerichte den Klimaschutz gestärkt haben, unter anderem in den Niederlanden und auch in Deutschland.
Die NGO Our Children’s Trust, deren Anwältinnen die Kläger von Montana vertreten, sprach nach dem Urteil von einem “überwältigenden Sieg”. Our Children’s Trust treibt Klimaklagen in den USA maßgeblich voran. Die NGO vertritt auch eine Klimaklage in Hawaii, wo ein Gerichtstermin für Juni kommenden Jahres festgesetzt ist. International bekannt ist vor allem eine bereits vor acht Jahren erhobene Klage gegen die US-Bundesregierung, für die der Weg zum Gericht ebenfalls vor kurzem frei wurde. In allen Fällen fordern die klagenden Kinder und Jugendlichen von den Regierungen eine strengere Klimapolitik. Immer ist ihr Hauptargument, dass zu wenig Klimaschutz ihre garantierten Grundrechte verletze. ae
Deutschland liegt in einem Ranking aus 47 Staaten über den Anteil von Solarstrom am Energiemix auf Rang 9. Das geht aus einer Analyse des Solarenergie-Unternehmens Enpal hervor. Im Zeitraum von Anfang 2022 bis April 2023 lag der Anteil der Solarenergie in der Bundesrepublik demnach bei 10,9 Prozent.
Im Vergleich mit 38 OECD-Staaten und neun weiteren Ländern schneidet die Bundesrepublik somit recht positiv ab. Auf den vordersten Plätzen liegen:
Allerdings hat Deutschland zwischen Januar 2023 und April 2023 9,4 Prozent weniger Solarstrom produziert als im Vorjahreszeitraum. Als Ursache wird vor allem der ungewöhnlich regenreiche März dieses Jahres angeführt.
Um den Anteil der Solarenergie zu erhöhen, hat die Bundesregierung am gestrigen Mittwoch das sogenannte “Solarpaket 1” verabschiedet. Der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen (PV) auf Balkonen, Dächern und Agrarflächen soll deutlich vereinfacht werden. Balkonsolargeräte sollen mit alten Zählern betrieben werden dürfen, was den Betreibern große Ersparnisse ermöglicht. Auch soll die Kombination aus landwirtschaftlicher Flächennutzung und PV-Einsatz (Agri-PV) besser vergütet werden. Zudem sollen mit dem Solarpaket 1 über 50 bürokratische Hürden abgebaut werden, wie beispielsweise die Anmeldung eines Balkonkraftwerks beim Netzbetreiber. nib
Der Chef der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), Josef Aschbacher, hat die Politik aufgefordert, Europas Führungsrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels ernst zu nehmen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Aussage ist eine Reaktion auf die unsichere Finanzierung eines Programms für Klima-Satelliten der ESA: So diskutiert Großbritannien seit Monaten mit der EU darüber, ob und in welchem Umfang sich das Land in Zukunft an dem Satellitenprogramm der ESA beteiligt.
Die ESA beobachtet die Folgen der Erderwärmung, unter anderem mit dem Copernicus-Programm und den sogenannten Sentinel-Satelliten. Sie zeichnen wichtige Daten zum CO₂-Gehalt in der Atmosphäre und den globalen Land- und Meerestemperaturen auf. Eigentlich sollte das Programm ab 2026 um sechs weitere Satelliten ergänzt werden. Unter anderem wegen des Wegfalls der britischen Beiträge zur EU ist aber eine Finanzierungslücke von 721 Millionen Euro entstanden. Aschbacher sagte, bis spätestens Juni 2024 müsse eine Entscheidung über die Finanzierung des Copernicus-Programms fallen, sonst würden die Planungsabläufe beeinträchtigt. rtr/kul
Die wachsende CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ließ Pflanzen lange Zeit schneller wachsen. Doch mit diesem beschleunigten Wachstum könnte es in Zukunft vorbei sein – mit entsprechenden Folgen für die Fähigkeit der Pflanzen, CO₂ aus der Luft aufzunehmen und zu speichern. Das legt eine Studie nahe, die in der Fachzeitschrift Science erschienen ist.
Für den globalen Klimaschutz ist das von Bedeutung, weil Pflanzen als CO₂-Senke – also als natürliches Reservoir, das für lange Zeit mehr CO₂ aufnimmt und speichert, als es abgibt – immer wichtiger werden. Die Studie legt nahe, dass diese Speicherfähigkeit mit fortschreitendem Klimawandel nicht mehr so schnell wächst, wie sie es bisher durch die steigende CO₂-Konzentration tat. Denn um zu wachsen, benötigen Pflanzen nicht nur CO₂, sondern auch Wasser. Doch je weiter die Erderwärmung zunimmt, desto weniger Wasser steht ihnen zur Verfügung.
Für ihre Studie arbeitete die Forschungsgruppe mit Messdaten zum CO₂– und Wassergehalt der Luft aus den Jahren von 1982 bis 2016, die sie mit Satellitenaufnahmen von Wäldern, Gras-, Busch- und landwirtschaftlichen Flächen verglich. Unterschiede im Grünton werteten sie als Veränderungen in der Fotosyntheserate der Pflanzen, also ihrer Wachstumsgeschwindigkeit.
Ihren Ergebnissen zufolge beschleunigte sich die Fotosynthese bis etwa um das Jahr 2000. Dann nahm die Trockenheit vielerorts zu, und die Beschleunigungsrate wurde langsamer. In Zukunft könnte sie laut der Studie gar nicht mehr steigen. ae
Viele Innovationen im Bereich der Photovoltaik (PV) kommen ursprünglich aus deutschen oder europäischen Forschungseinrichtungen. Die Massenproduktion von Solarmodulen hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch fast vollständig nach Asien, insbesondere China, verlagert, auch weil dortige Regierungen diese Produktionsanlagen massiv gefördert haben. Aber können wir wirklich auf eine eigene Solarindustrie verzichten? Sollten wir uns in Europa darauf beschränken, zu forschen und vielleicht noch Prototypen zu entwickeln, die dann anderswo produziert werden? Ich bin davon überzeugt, dass dies fatal wäre. Nicht nur, weil es Abhängigkeiten schafft, sondern auch, weil die Abwesenheit von relevanten Industrieanlagen unsere Innovationskraft deutlich reduziert.
Denn auch wenn eine Technologie produktionsreif ist und bereits als Massenfertigung läuft, wird sie stetig weiter verbessert – oft in sehr kleinen, inkrementellen Schritten. Diese Verbesserungen können nur im engen Kontakt mit der Produktionspraxis gelingen, wo hierzu Daten und Beobachtungen anfallen und ausgewertet werden. In den Laboren einer Forschungseinrichtung dagegen arbeiten Expertinnen und Experten mit sehr viel kleineren Solarzellen und anderen Verfahren, sodass sie Optimierungspotenziale im Prozessablauf einer Massenproduktion schlicht nicht erkennen können.
Daher ist es eine Tatsache, dass die besten Silizium-Solarzellen heute nicht aus dem Labor von Forschungseinrichtungen kommen, sondern von den bekannten Unternehmen, die Siliziumtechnologien in allen Varianten perfektioniert haben. Das gilt für alle Technologien mit hohem Technology Readiness Level (TRL). Für Entwicklungen mit niedrigem TRL, wie den Tandem-Solarzellen, gilt dies noch nicht: Hier punkten die Forschungseinrichtungen mit neuen Materialien, Strukturen und Verfahren, mit denen sie neue Wirkungsgradrekorde erzielen können. Nur müssen solche vielversprechenden Konzepte aus der Forschung dann auch in die Anwendung kommen, und zwar schnell. Entscheidend für einen schnellen Technologietransfer sind vertrauensvolle Kooperationen mit Unternehmen, die Erfahrung in der Massenproduktion mit modernsten Anlagen besitzen.
Für die Führungsrolle in der Technologie und eine innovative, starke Wirtschaft brauchen wir also beides: Sowohl die Forschung im Labor, die neue Ideen voranbringt, als auch Forschung und Entwicklung in Unternehmen – nur so schaffen wir insgesamt eine schlagkräftige Innovationskette.
Aktuell kommen fast 90 Prozent der Solarmodule aus China. Seit einiger Zeit bauen jedoch auch die USA und Indien aktiv eigene PV-Unternehmen auf, unterstützen sie finanziell und schützen sie mit Zöllen vor Konkurrenz. Denn die PV-Industrie nimmt strategisch einen entscheidenden Platz für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ein, das hat nicht nur China erkannt, sondern auch die USA und Indien: Eine starke PV-Industrie verringert die Abhängigkeit von fossilen Importen und ermöglicht Klimaschutz zu günstigsten Strompreisen. Dank großer Fortschritte in der Forschung kostet die Kilowattstunde Sonnenstrom heute im Vergleich zu anderen Energiequellen am wenigsten. Eine leistungsstarke und innovative PV-Industrie sorgt für eine starke, positive wirtschaftliche Dynamik. Auf diesen Wirtschaftsmotor sollten wir in Deutschland und Europa nicht verzichten.
Rutger Schlatmann ist Vorsitzender der Europäischen Technologie- und Innovationsplattform für Photovoltaik (ETIP PV), die zu Fragen der Energiepolitik und zum Ausbau der Photovoltaik in Europa berät. Am Helmholtz-Zentrum Berlin leitet Schlatmann den Bereich Solarenergie. Zusammen mit knapp 50 weltweit renommierten Fachleuten hat der Physiker kürzlich einen Aufruf in der Fachzeitschrift Science publiziert, der den zügigen Ausbau der Photovoltaik fordert.
selten haben technische Details wie das Landeklappenverhalten an einem Flugzeugflügel zu so großen Debatten geführt wie in den letzten Tagen. Wie und warum Außenministerin Annalena Baerbock ihre geplante große Reise nach Ozeanien in Abu Dhabi abbrechen musste, war Thema in Deutschland. Und erst recht bei uns Mitreisenden an Bord des Flugzeugs der deutschen Flugbereitschaft, als es wieder nicht nach oben ging. Was darüber vergessen wurde: Welche Auswirkungen hat dieses Scheitern eigentlich auf die deutsche Außen- und Klimapolitik? Weil in Ozeanien wichtige Weichen der neuen deutschen Klima-Außenpolitik gestellt werden sollten, liefern wir diese Informationen jetzt hier.
Neun Flugstunden entfernt feiert das größte Investitionsprogramm der Industriestaaten Jubiläum: Der “Inflation Reduction Act” (IRA) sorgt ein Jahr nach seiner Verabschiedung für Abermilliarden von grünen Investments und bringt Klimaschutz voran. Wo und wie erfolgreich bisher, das hat Nico Beckert recherchiert. Und einen zweiten genauen Blick werfen wir auch nach Südamerika: Dort haben gerade die Regenwald-Staaten beschlossen, den Amazonas-Wald zu schützen. Warum das so schwer ist und welche kriminellen Verbindungen das verhindern, hat Alexandra Endres herausgefunden.
Wir bleiben erstmal am Boden und wünschen interessante Lektüre.
Behalten Sie einen langen Atem!
Als der US-Inflation Reduction Act (IRA) vor einem Jahr in Kraft trat, war die Aufregung groß. Das zunächst mit 369 Milliarden US-Dollar budgetierte Subventionsprogramm für die Ansiedlung grüner Industrien und die Förderung eines grünen Energiesystems benachteilige europäische Hersteller und könnte zu einem Handelskrieg und einem Wettlauf um staatliche Subventionen führen, so die Befürchtungen.
Ein Jahr nach Inkrafttreten zeigt sich eine gemischte IRA-Bilanz:
Allerdings gibt es auch Zweifel an diesen Zahlen, die meist von Klima-Interessenvertretungen stammen. “Teilweise wurden Investitionsprojekte nach Inkrafttreten des IRA einfach noch mal angekündigt. Und ein Teil der Investitionen wäre wahrscheinlich auch ohne IRA-Förderung realisiert worden“, sagt Niclas Poitiers, Research Fellow des Think-Tanks Bruegel gegenüber Table.Media.
Betrachtet man die Größe der US-Volkswirtschaft, seien 170.000 Arbeitsplätze nicht viel. In einigen Bereichen “fließen Milliarden-Subventionen, aber es werden nur sehr wenige Jobs geschaffen”, kritisiert Poitiers. Der Bruegel-Forscher warnt vor einem internationalen Subventionswettlauf, “an dessen Ende Milliarden bei großen Unternehmen landen könnten, aber kaum positive Effekte hinsichtlich Arbeitsplätzen und wirklich neuen Investitionen erzielt werden”.
Über die Klimawirkungen des IRA herrscht mehr Einigkeit. Laut einem Science-Paper werde der IRA zu einer Emissionsreduktion von 43 bis 48 Prozent im Jahr 2035 im Vergleich zum Basisjahr 2005 beitragen. Ohne IRA-Maßnahmen würden die Emissionen nur um 27 bis 35 Prozent sinken. Die Studie basiert auf neun Berechnungen und zeigt recht deutlich den Klimanutzen des Subventionsprogramms. Durch reduzierte Kosten für grüne Technologien werde der IRA auch positive Klimawirkungen in anderen Staaten haben, so Bruegel.
Allerdings könnten ausbleibende Investitionen in das teils marode Stromnetz die Wirkung des IRA schmälern. Wenn die USA die Energieübertragungskapazität nicht doppelt so schnell ausbaue wie im vergangenen Jahrzehnt, könnte gut die Hälfte des IRA-Klimaeffekts zunichtegemacht werden, zeigt eine Studie der Princeton-Universität. Um die Klimaziele der USA zu erreichen, brauche es “robuste Vorschriften und zusätzliche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene“, sagt Jesse Jenkins, IRA-Experte an der Princeton-Universität. Er nennt beispielsweise einen früheren Kohleausstieg und bessere Regulierungen im Land- und Forstwirtschaftssektor. Der Think-Tank BloombergNEF hatte kürzlich einen CO₂-Preis als zusätzliche Maßnahme angeführt, um den IRA zu ergänzen.
Poitiers von Bruegel hält fokussiertere Subventionen für sinnvoller als das Gießkannenprinzip des IRA: “Der Aufbau einer westlichen Solarindustrie führt nicht notwendigerweise dazu, dass auch nur ein Solarpanel mehr hergestellt wird, wenn es nur zu Produktionsverlagerungen kommt.” Poitiers schlägt stattdessen staatliche Investitionen in die Infrastruktur vor, wie beispielsweise in E-Auto-Ladestationen oder in die Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie, oder auch den sozialen Ausgleich der Klimakosten.
Auch Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centres für Europapolitik, mahnt gegenüber Table.Media zielgerichtetere Subventionen an. Die USA lägen bei der Produktion grüner Technologien hinter China und Europa. Das Gießkannenprinzip des IRA lehnt auch Redeker ab: “Bei neuen Technologien wie Wasserstoff oder modernen Batterien können solche Subventionen den Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien unterstützen. Bei etablierten Massenprodukten wie Solarzellen werden die USA den Vorsprung asiatischer Hersteller dagegen kaum aufholen können”.
Europa rät er, den IRA nicht direkt zu kopieren, sondern “fokussiert Sektoren zu fördern, bei denen man bereits einen Fuß in der Tür hat oder technologisch noch Entwicklungspotenzial besteht”. Die nächste EU-Kommission müsse eine bessere Antwort auf die industriepolitische Herausforderung finden. “Mittelfristig können wir das Problem durch nationale Beihilfen allein nicht lösen. Um den Binnenmarkt vor wirtschaftlicher Divergenz und unfairem Wettbewerb zu schützen, braucht es Koordinierung und Finanzierung auf EU-Ebene”. Das sei ein dickes Brett, aber eines, das die EU auf jeden Fall bohren müsse.
Wie hoch die Kosten des IRA in den kommenden Jahren werden, ist derweil noch unklar. Die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs gehen sogar davon aus, dass die Unternehmen in den kommenden zehn Jahren bis zu 1,2 Billionen US-Dollar an IRA-Steuervorteilen und Subventionen geltend machen könnten, um damit bis zu 2,9 Billionen US-Dollar an Investitionen zu leisten. Eine Brookings-Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Trotz dieser hohen Kosten könne der IRA “ein kosteneffizienter Anreiz für die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen sein”, so die Autoren. Die IRA-Anreize werden die USA pro Tonne eingesparten CO₂ wahrscheinlich weniger als 100 US-Dollar kosten, was niedriger sei als die geschätzten Schäden durch Treibhausgase, die zwischen 100 und 380 US-Dollar pro Tonne liegen.
Die gescheiterte Reise von Außenministerin Annalena Baerbock nach Ozeanien hat auch Konsequenzen für die deutsche und internationale Klimapolitik. Jenseits der politischen Peinlichkeiten und technischen Pannen bremst und verhindert die Absage der Außenministerin auch zahlreiche Entwicklungen und Projekte, die für den internationalen Klimaschutz im Auswärtige Amt wichtige Elemente sind.
In Australien etwa wollte Baerbock einerseits die gute Zusammenarbeit betonen: Deutschland könne beim Schutz gegen Cyberangriffe von Australien viel lernen und wolle sich für die Unterstützung der Ukraine bedanken. Geplant war etwa auch ein Besuch beim Nationalen Krisennotfallzentrum, das vor einem Jahr nach der Erfahrung mit den katastrophalen Waldbränden 2019/20 eingerichtet worden war. Mit Vertretern der australischen Wirtschaft wollte die Delegation unter anderem auch über grünen Wasserstoff sprechen.
Gleichzeitig hätte die Außenministerin bei den internen Gesprächen aber Australien auch zu mehr Ehrgeiz bei der Klimapolitik auffordern können: Denn die neue Labor-Regierung unter Premierminister Anthony Albanese und besonders einzelne Bundesstaaten haben zwar den extrem klimafeindlichen Kurs der Vorgänger geändert. Sie investieren massiv in erneuerbare Energien und diskutieren einen CO₂-Zoll (CBAM) nach Vorbild der EU.
Trotzdem unterstützt die australische Bundesregierung weiterhin viele neue Öl- und Gasprojekte mit staatlichen Mitteln und will die Gasförderung ausweiten. Der Klimakurs der neuen Regierung liegt laut dem Think-Tank Climate Action Tracker noch weit von dem entfernt, was für 1,5 Grad notwendig wäre. Deren Urteil: Ungenügend.
Weil Australien überlegt, die COP31 im Jahr 2026 auszurichten, wollte die deutsche Delegation mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz anmahnen. Immerhin ist Australien das einzige Industrieland, das als “Hotspot” der Entwaldung gilt. Es hat global den achtgrößten CO₂-Ausstoß pro Kopf und den höchsten weltweit bei CO₂-Emissionen aus der Kohlenutzung. Auch weigert sich das Land seit 2019, einen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung im Green Climate Fonds der UN zu leisten – was in der Debatte um Finanzfragen auf den Klimakonferenzen ein steter Vorwurf an die Seite der Industriestaaten ist.
Auch ein Treffen von NGO-Delegierten zum Klima findet nun nicht statt: In Baerbocks Delegation reisten auch die Chefin des Climate Action Networks Europa und der Chef des Europäischen Umweltbüros aus Brüssel, Chiara Martinelli und Patrick ten Brink mit. Sie wollten sich mit australischen NGOs für eine gemeinsame Strategieplanung zusammensetzen.
Der Abbruch der Reise legt zudem die deutsche Planung auf Eis, im Indopazifik nicht nur in der Geo-, sondern auch in der Klimapolitik eine stärkere Rolle zu spielen. Der Reiseplan sah vor, dass Baerbock in Suva, der Hauptstadt der Inselrepublik Fidschi, eine neue deutsche Botschaft einweiht. Vorantreiben soll diese Pläne die deutsche Sonderbotschafterin für die pazifischen Inselstaaten, Beate Greski, die derzeit in Canberra residiert.
Die neue Botschaft ist in Zeiten knapper Kassen eine gezielte Investition der AA-Spitze. Sie soll zeigen, dass sich Deutschland gerade in Fidschi engagiert, dem vom Klimawandel besonders bedrohten Inselstaat und Gastgeber der Klimakonferenz COP23 in Bonn 2017. Das Land ist ein wichtiger Partner in der Gruppe der “kleinen Inselstaaten” bei den UN-Verhandlungen. Schon vor einem Jahr hatte Baerbock den Pazifik-Inselstaat Palau besucht. Dort war die Regierung für mögliche finanzielle Hilfe empfänglich, blockte aber wegen unklarer interner und ökonomischer Verflechtungen beim Ausbau von Erneuerbaren. Nun fiel die deutsche Wahl für einen Standpunkt auf Fidschi.
Die neue Botschaft soll außerdem zeigen, wie die Klimaaußenpolitik die Organisation des Auswärtigen Dienstes verändert – unter anderem dadurch, dass alle wichtigen Botschaften die Klimapolitik ihrer Gastländer genau beobachten und unterstützen. Die AA-Spitze hat weltweit etwa 50 Vertretungen als Schwerpunkt-Botschaften für Klima identifiziert: die Botschaften in den G20-Staaten, den V20-Ländern (den 20 für den Klimawandel anfälligsten Ländern) und weiteren wichtigen Ländern. Derzeit stimmt das AA eine neue “Strategie zur Klimaaußenpolitik” in der Regierung ab.
Für die anstehende COP28 in Dubai hat der technische Notfall am Regierungsflugzeug ebenfalls eine mögliche Auswirkung: Die deutsche Außenministerin hat wichtiges politisches Kapital eingesetzt, um sich in einer Notlage von den VAE helfen zu lassen. Beim ersten ungeplanten längeren Aufenthalt sprach sie auch mit dem Außenminister des Landes. Eigentlich aber will Deutschland, die Gastgeber der nächsten Klima-COP im Dezember zu mehr Anstrengungen drängen und Fortschritte bei Klima- und Menschenrechtsfragen einfordern.
Beim Petersberger Klimadialog etwa wurden die Differenzen zwischen Baerbock und dem VAE-Industrieminister und Chef des Öl- und Gaskonzerns Adnoc, Sultan Al Jaber, deutlich. Während Deutschland etwa auf einen möglichst schnellen und kompletten Ausstieg aus den fossilen Energien drängt, wollen die Öl- und Gasländer wie die VAE nur von einem Auslaufen der “unverminderten” CO₂-Emissionen (“unabated”) sprechen. Das ginge mit einem massiven Ausbau der umstrittenen CCUS-Technologie einher. Eine harte Auseinandersetzung in dieser Sache wird mit Baerbocks aktueller “Dankesschuld” gegenüber dem arabischen Land nun nicht einfacher.
Der Gipfel in Belém der vergangenen Woche brachte – neben der Gründung einer internationalen Anti-Abholzungs-Allianz – einen Fortschritt, über den bisher wenig berichtet wurde: Die acht Amazonas-Anrainerstaaten haben in ihrer Abschlusserklärung vereinbart, künftig gemeinsam über nationale Grenzen hinweg gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. Die illegalen Aktivitäten der Mafia sind ein wesentlicher Treiber für die Zerstörung der Natur am Amazonas, doch in der internationalen Waldschutz-Debatte spielte das Thema bisher so gut wie keine Rolle. Allein dass der Amazonas-Gipfel sich überhaupt damit befasste, werten Fachleute nun als Fortschritt.
María Fernanda Ramírez, Expertin für Umweltverbrechen für Insight Crime, einem auf Sicherheitsfragen spezialisierten Think-Tank mit Sitz in den USA und Kolumbien, spricht gegenüber Table.Media von einem “wichtigen regionalen Präzedenzfall im Kampf gegen Umweltverbrechen”. Dennoch gehe die Abschlusserklärung des Treffens “nur unzureichend auf die spezifischen Punkte ein, die zur Eindämmung der Entwaldung nötig sind”, kritisiert sie. Eine “umfassende Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Entwaldung im Amazonas-Gebiet” fehle.
In dem Zusammenhang zitiert Ramírez auch Gustavo Faleiros, Direktor für Umweltrecherchen am Pulitzer Center: “Die Länder der Region sehen (die Präsenz bewaffneter Gruppen) immer noch als interne Angelegenheit, die nicht wirklich mit dem übergeordneten Ziel zusammenhängt, die Umwelt zu schützen und klimaschädliche Emissionen zu senken.” Wie das Online-Medium InfoAmazonía berichtet, sind zwischen Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela in rund 70 Prozent der Gemeindebezirke bewaffnete Banden aktiv und betreiben über die Staatsgrenzen hinweg ihre Geschäfte.
Naturgemäß lässt sich nicht exakt messen, wie groß die Schäden sind, die die organisierte Kriminalität im Regenwald anrichtet. Doch Ruth Nogueron, Waldexpertin des World Resources Institute (WRI), schreibt auf Anfrage von Table.Media: Man sehe, dass parallel zur wachsenden Abholzung auch illegale Aktivitäten und Gewalt im Amazonas-Becken zunähmen. Und der UN-Weltdrogenbericht nennt die “Narco-Deforestation” eine “wachsende Bedrohung” für den Amazonas.
Die Zerstörung des Waldes werde durch das organisierte Verbrechen beschleunigt, schreibt Robert Muggah, Gründer des brasilianischen Igarapé-Instituts, das zu Klima- und Sicherheitsfragen arbeitet, in der Zeitschrift Foreign Policy. Die Mafia diversifiziere ihr Geschäft über den Drogenhandel hinaus, so entstehe ein “Ökosystem des Verbrechens”. Besonders detailliert wird es in einem Report beschrieben, den das Igarapé Instituts zusammen mit Insight Crime erstellt hat.
Künftig wollen die Amazonas-Staaten entschlossener dagegen vorgehen. Unter anderem wollen sie:
Doch wie die Pläne konkret umgesetzt werden sollen, ist noch unklar. Laut der WRI-Waldexpertin Ruth Nogueron ist nun wichtig:
Die WRI-Expertin plädiert auch dafür, dass die Umweltbehörden im Kampf gegen das organisierte Verbrechen vom Zoll, dem Militär und anderen Sicherheitsbehörden unterstützt werden.
Doch Bram Ebus, der für die Crisis Group in Bogotá die grenzüberschreitenden Sicherheitsprobleme und Ressourcenkonflikte in der Region analysiert, sieht gerade darin eine Gefahr. Zwar sei die geplante Kooperation in Sicherheitsfragen von “äußerster Wichtigkeit”. Aber sie berge Risiken vor allem dort, wo Streitkräfte zusammenarbeiten sollen, “die bereits durch Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen in Verruf geraten sind”. Deshalb sei es unabdingbar, die Zustimmung der Bevölkerung des Amazonas einzuholen und nicht-militärische staatliche Stellen aktiv in die Zusammenarbeit mit einzubeziehen.
Hinzu kommt: Das geopolitische Klima in Lateinamerika könne sich schnell ändern, schreibt Ebus. Zwar würden Brasilien und Kolumbien gerade “von fortschrittlichen Präsidenten geführt, die dem Umweltschutz und dem Amazonas-Gebiet Vorrang einräumen”. Deshalb habe sich “ein kleines Zeitfenster” für “eine solide Amazonas-Agenda” aufgetan. Doch niemand weiß, wann sich das Fenster wieder schließt. Deshalb müssten laut Ebus “umgehend konkrete Vorschläge vorgelegt werden, die von der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden können, insbesondere im Hinblick auf eine finanzielle Förderung“.
Auch die acht Amazonas-Staaten, die gemeinsam die Erklärung von Belém unterzeichnet haben, fordern die industrialisierten Länder auf, den Schutz des Amazonas-Regenwalds auch finanziell zu unterstützen. Auf der COP28 dürfte das Thema damit wichtig werden.
Die Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) besuchte am Montag und Dienstag Mauretanien. Der Staat gilt nach den Militärputschen in Niger, Burkina Faso und Mali als eines der wenigen stabilen Länder in der Region und als Europas wichtigster und letzter Partner in der Sahel-Zone. Seit Juli ist Schulze Vorsitzende der Sahel-Allianz, einem internationalen Geberbündnis. Die Entwicklungsministerin sagte zu ihrem Besuch: “Deutschland engagiert sich im Sahel nicht, weil es leicht wäre. Wir engagieren uns gerade deshalb so stark, weil die Lage schwierig und fragil ist.” Ein Ziel des deutschen Engagements ist es, wirtschaftliche Perspektiven für die Region zu schaffen. Eine Möglichkeit dafür ist der Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft.
“Mauretanien ist weltweit einer der besten Wasserstoff-Standorte”, sagt Stefan Liebing, Geschäftsführer von Conjuncta im Interview mit Table Media. Es gebe rund um die Uhr günstigen Strom – tagsüber aus Sonne, nachts aus Wind. Außerdem sei durch die Lage am Atlantik Zugang zu Wasser gegeben und eine Hafeninfrastruktur vorhanden. Voraussetzungen, die laut Liebing über die Wirtschaftlichkeit eines Projektes entscheiden.
Vor Ort in Mauretanien ist noch nichts zu sehen von grünem Wasserstoff, denn bisher gibt es nur eine Absichtserklärung zwischen dem Konsortium mit deutscher Beteiligung und der mauretanischen Regierung für das 34 Milliarden US-Dollar schwere Projekt. 2028 soll es dann losgehen für den deutschen Unternehmensberatung Conjuncta: mit einer 400-Megawatt-Anlage für die Produktion von grünem Wasserstoff, nordöstlich von der Hauptstadt Nouakchott. Das Hamburger Unternehmen hat sich dazu mit dem Gemeinschaftsunternehmen Infinity Power zusammengetan. Dahinter stehen der ägyptische Grünstromerzeuger Infinity aus Ägypten und ein Staatsunternehmen für erneuerbare Energien, Masdar aus dem Golfemirat Abu Dhabi. Den klimafreundlichen Strom für die Elektrolyse sollen Windräder und Photovoltaikanlagen in Mauretanien liefern, der Energie-Export soll dann über einen Hafen abgewickelt werden.
“Die Technologien für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind da“, sagt Sylvia Schattauer, seit 2022 kommissarische Leiterin des Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme im Gespräch mit Table Media. Aber: “Jetzt geht es um das Hochskalieren. Die Systeme und Komponenten sind bisher manufakturgefertigt und sollen jetzt in großen Stückzahlen seriell hergestellt werden.” Für die Ingenieurin vergleichbar mit dem Übergang vom individuell zusammenschraubten Liebhaberauto zur Serienproduktion. “Es geht um Optimierung. Das ist keine Fragestellung der Grundlagenforschung, sondern eine Ingenieursaufgabe.”
Idee des Konsortiums mit deutscher Beteiligung ist denn auch, in Mauretanien zunächst mehrere kleine Anlagen modular zusammenzuschließen, um 2028 auf die angepeilten 400 Megawatt Elektrolysekapazität zu kommen. Für die anwendungsnahen Forschung geht es laut Schattauer unter anderem um den Bereich Offshore, also die Produktion von Windenergie auf dem offenen Meer, gekoppelt mit der Produktion von Wasserstoff. Eine Herausforderung, denn die Technik mag es nicht, immer im Grenzbereich gefahren zu werden, so Schattauer.
Laut Conjuncta werden langfristig bis zu 10 Gigawatt Elektrolysekapazität angepeilt. Was das deutsche Projekt angeht, laufen derzeit zwei Schritte parallel: Die mauretanische Regierung, die noch mit drei weiteren internationalen Konsortien Memoranda of Understanding unterzeichnet hat, prüfe die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen. Conjuncta führe eine eigene Machbarkeitsstudie zu Finanzierung, Technik, Standorten und Verbindungsinfrastruktur durch.
Fläche für den Aufbau von Anlagen für Wind- und Sonnenstrom gibt es jedenfalls reichlich. Mauretanien hat etwas mehr als eine Million Quadratkilometer und ist damit rund dreimal so groß wie Deutschland. Und das bei etwa einem Zwanzigstel der deutschen Bevölkerungsgröße: 4,2 Millionen Einwohner leben dort.
Der mauretanische Energieminister Nani Ould Chrougha gibt sich im Gespräch mit Table.Media selbstbewusst:”Wir glauben, dass es nicht nur unser Land verändern wird, sondern dass wir damit auch zum weltweiten Paradigmenwechsel in Sachen Energie etwas beitragen können”. Der Mindset für das nötige Umsteuern in der Energiepolitik sei in Mauretanien jedenfalls ausgeprägt vorhanden: Sein Land spüre den Klimawandel stärker als der globale Norden, etwa durch die Veränderungen der Regenzeit.
Energieminister Chrougha, der erst im Juli das Amt des jetzigen Wirtschaftsministers Abdessalam Ould Mohamed Saleh übernommen hat, gibt sich realistisch und optimistisch: “Es stimmt, dass wir keine Gelder vor Ort haben und keine Technologien. Aber was wir haben ist großes Potenzial.”
Die Pläne des deutschen Konsortiums, bis 2028 rund 400 Megawatt Elektrolyse-Kapazität in Mauretanien aufzubauen, findet Fraunhofer-Forscherin Schattauer durchaus realistisch, sofern keine bürokratischen Hürden den Prozess verlangsamen. Eine Sache allerdings dürfe man langfristig nicht vergessen: “Für die Produktion von grünem Wasserstoff bedarf es eines funktionierenden Stromnetzes. Wenn keiner diese Investition tätigt, kann das nicht funktionieren.” Aus politischer Perspektive liegt hier die Win-Win-Situation für Mauretanien als einem der ärmsten Länder weltweit, das auf einen Entwicklungssprung hofft.
17. August, 10 Uhr, Online
Webinar Klimaanpassungs-Check für Kommunen in NRW
Die “Kommunalberatung Klimafolgenanpassung NRW” hat im Auftrag des Umweltministeriums NRW eine Orientierungshilfe zur Unterstützung der Kommunen bei der Umsetzung des Berücksichtigungsgebots gemäß § 6 Klimaanpassungsgesetz NRW veröffentlicht. Die Orientierungshilfe “Klimaanpassungs-Check für Kommunen in NRW” skizziert die wesentlichen Prämissen – Zuständigkeit, Frühzeitigkeit, Nachvollziehbarkeit. Auf der Veranstaltung wird über diese Themen diskutiert. Infos
18. August, 19 Uhr, Hannover
Ausstellungseröffnung Klimaprotest & Kriminalisierung
Die Klima-Protestbewegungen stehen unter genauer Beobachtung der Behörden, die von Vorwürfen gegen die “letzte Generation” als “kriminelle Vereinigung” nach § 129 Strafgesetzbuch bis hin zur Beobachtung der Bewegung “Ende Gelände” durch den Verfassungsschutz reicht. Das Kulturzentrum Faust und die Rosa Luxemburg Stiftung nähern sich dem Thema mit einer Fotoausstellung. Die Ausstellung kann bis Ende August besucht werden. Infos
19. bis 20. August, Berlin
Infoveranstaltung Tag der offenen Tür der Bundesregierung
Am Wochenende des 19. und 20. August 2023 laden das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien und das Bundespresseamt wieder zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung ein. Beim Blick hinter die Kulissen können Bürgerinnen und Bürger auch direkt mit Regierungsmitgliedern ins Gespräch kommen. Infos
20. bis 24. August, Stockholm
Konferenz World Water Week
Die Weltwasserwoche 2023 steht unter dem Motto “Seeds of Change: Innovative Lösungen für eine wasserbewusste Welt”. Sie soll dazu anregen, die Art und Weise, wie die Welt mit Wasser umgeht, zu überdenken und Lösungen für wasserbezogene Herausforderungen zu erkunden. Die Konferenz wird vom World Resources Institute ausgerichtet. Ifnos
22. August, Berlin
Veröffentlichung Prüfbericht zu den Maßnahmen Gebäude und Verkehr
Der Expertenrat für Klimafragen veröffentlicht seine Stellungnahme und seinen Prüfbericht zu Klimaschutzmaßnahmen in den Sektoren Gebäude und Verkehr. Infos
22. August, 14 Uhr, Buenos Aires
Runder Tisch Argentina Energy Round Table
Auf dem Meeting geht es darum, wie die Energiewende in Argentinien funktionieren kann und welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssen. Im Fokus stehen besonders Finanzierung, Infrastruktur und kritische Rohstoffe. Infos
22. bis 24. August, Johannesburg
Gipfeltreffen BRICS Summit
Der BRICS-Gipfel 2023 ist der fünfzehnte jährliche BRICS-Gipfel, eine Konferenz über internationale Beziehungen, an der die Staats- und Regierungschefs von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika teilnehmen. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat außerdem die Staats- und Regierungschefs von 70 Ländern zu diesem Gipfel eingeladen, darunter 53 weitere afrikanische Länder sowie Bangladesch und Bolivien. Infos
22. bis 26. August, Vancouver
Versammlung Global Environment Facility Assembly
Vom 22. bis 26. August treffen sich Umweltpolitiker aus 185 Ländern in Vancouver, Kanada, zur siebten Versammlung der Globalen Umweltfazilität. Im Fokus steht eine Bestandsaufnahme für die 2030-Ziele zur Beendigung von Umweltverschmutzung und Naturverlust, zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung eines integrativen, lokal geführten Naturschutzes. Infos
23. August, 16 Uhr, Online
Webinar Topline Findings from Corporate Standard & Scope 3 Surveys
Zwischen November 2022 und März 2023 sammelte das Greenhouse Gas Protocol über vier Online-Umfragen Beiträge von Stakeholdern zum Corporate Standard, Scope 2 Guidance, Scope 3 Standard und zu marktbasierten Ansätzen. In diesem Webinar des World Resources Institute wird das Sekretariat des GHG Protocol die wichtigsten Themen debattieren, die in den kürzlich abgeschlossenen Umfragen zum Corporate Standard und Scope 3 Standard aufgetaucht sind. Infos
Die US-Regierung hat 1,2 Milliarden US-Dollar an Subventionen für zwei Projekte zur Entnahme von CO₂ aus der Umgebungsluft (Direct Air Capture – DAC) bewilligt. Eine Tochtergesellschaft von Occidental Petroleum und ein Konsortium aus den Unternehmen Climeworks, Battelle und Heirloom Carbon Technologies sollen die Fördermittel erhalten, um die DAC-Technologie voranzubringen und zwei kommerzielle DAC-Anlagen zu bauen. Die Mittel fließen aus einem 3,5-Milliarden US-Dollar schweren Fonds zur Entwicklung der DAC-Technologie.
Die beiden Projekte sollen zusammen jährlich mehr als zwei Millionen Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre entfernen. Manager der beteiligten Unternehmen gehen allerdings davon aus, dass die DAC-Anlagen diese Zielmarke erst im Jahr 2030 erreichen werden. Zum Vergleich: Die US-Emissionen liegen bei gut fünf Milliarden Tonnen. Die weltweit größte DAC-Anlage von Climeworks auf Island schafft lediglich 4.000 Tonnen CO₂ pro Jahr.
Die DAC-Technologie befindet sich wie andere Carbon-Capture-Technologien (CCS) derzeit noch in der Entwicklung. Weltweit gibt es laut Bloomberg 18 DAC-Anlagen. Laut IEA-Daten sind zahlreiche CCS-Projekte geplant, die die Kapazität zum Auffangen von CO₂ vervielfachen würden. Es ist allerdings fraglich, ob die Projekte alle realisiert werden, da sie sehr kostenintensiv sind. US-Subventionen zur Entwicklung der CCS- und DAC-Technologien könnten die Technik weltweit wettbewerbsfähiger machen, sodass die Kosten sinken. nib
Die australische Regierung prüft, nach dem Vorbild der Europäischen Union Zölle auf Waren zu erheben, die aus Ländern mit weniger ehrgeizigen Klimazielen importiert werden. Das berichtet der Guardian. Klima- und Energieminister Chris Bowen hat demnach angekündigt, zunächst über Zölle auf Stahl- und Zementeinfuhren zu beraten.
CO₂-Zölle, die offiziell CO₂-Grenzabgaben (CBAM) heißen, sollen Wettbewerbsnachteile für CO₂-intensive heimische Sektoren ausgleichen, die durch klimapolitische Vorgaben entstehen können. Dadurch wollen die Staaten verhindern, dass Stahl-, Zement- oder Chemiefabriken ins Ausland abwandern. Die EU wird die CO₂-Grenzzölle im Rahmen des CBAM ab 2026 erheben.
In Australien legt ein Gesetz seit Kurzem harte Obergrenzen für den Ausstoß von Treibhausgas der rund 200 größten industriellen Emittenten fest. Laut Guardian gelten die Grenzwerte aber für “handelsorientierte” Stahl- und Aluminiumfabriken nur eingeschränkt.
Nun denke die Regierung über weitere Schutzvorkehrungen nach. Dem Guardian zufolge sagte Bowen, man werde sich das Modell der EU “im australischen Kontext genau ansehen”. Bis zum dritten Quartal 2024 erwarte er dazu einen Bericht mit wissenschaftlich gestützten Empfehlungen. Zu berücksichtigen sei dabei unter anderem:
Eine Gruppe junger Klimaaktivistinnen und -aktivisten hat in einem Prozess im US-Bundesstaat Montana einen bahnbrechenden Erfolg erzielt. Durch seine Energiepolitik verletze der Bundesstaat das in der Verfassung garantierte Recht der Jugendlichen auf eine “saubere und gesunde Umwelt”, urteilte die zuständige Richterin Kathy Seeley.
Montanas Energiesystem basiert stark auf Kohle, Öl und Gas. Die Gesetze des Bundesstaates geben eine Weiterentwicklung seiner fossilen Energievorkommen vor. Zugleich untersagen sie den örtlichen Behörden, die Auswirkungen von Treibhausgasemissionen oder des Klimawandels in ihre Umweltprüfungen mit einzubeziehen. Dagegen hatten 16 Menschen im Alter zwischen fünf und 22 Jahren geklagt. Seeley gab ihnen nun Recht: Es sei verfassungswidrig, wenn Behörden bei der Entscheidung über Erdöl- oder Erdgasprojekte die Folgen für das Klima nicht berücksichtigen dürfen.
Die Entscheidung des Gerichts könnte zu einem Präzedenzfall für weitere Klagen werden, die in den USA anhängig sind – falls sie bestehen bleibt. Das von der Republikanischen Partei dominierte Parlament Montanas müsste das Urteil dann durch entsprechende Gesetze umsetzen. Doch noch ist unsicher, ob es so weit kommt: Montanas Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Rechtsmittel einzulegen.
Die Verhandlung in Montana war die erste Klimaklage, die bisher in den USA zu einer Verhandlung vor Gericht zugelassen wurde. Auch deshalb wird dem Fall eine Signalwirkung zugesprochen. Michael Gerrard, Gründer des Sabin Center for Climate Change Law an der Columbia Law School, bezeichnete das Urteil als “die strengste Entscheidung zum Klimawandel, die jemals von einem Gericht getroffen wurde”. Tatsächlich gibt es international bereits einige bahnbrechende Fälle, in denen Gerichte den Klimaschutz gestärkt haben, unter anderem in den Niederlanden und auch in Deutschland.
Die NGO Our Children’s Trust, deren Anwältinnen die Kläger von Montana vertreten, sprach nach dem Urteil von einem “überwältigenden Sieg”. Our Children’s Trust treibt Klimaklagen in den USA maßgeblich voran. Die NGO vertritt auch eine Klimaklage in Hawaii, wo ein Gerichtstermin für Juni kommenden Jahres festgesetzt ist. International bekannt ist vor allem eine bereits vor acht Jahren erhobene Klage gegen die US-Bundesregierung, für die der Weg zum Gericht ebenfalls vor kurzem frei wurde. In allen Fällen fordern die klagenden Kinder und Jugendlichen von den Regierungen eine strengere Klimapolitik. Immer ist ihr Hauptargument, dass zu wenig Klimaschutz ihre garantierten Grundrechte verletze. ae
Deutschland liegt in einem Ranking aus 47 Staaten über den Anteil von Solarstrom am Energiemix auf Rang 9. Das geht aus einer Analyse des Solarenergie-Unternehmens Enpal hervor. Im Zeitraum von Anfang 2022 bis April 2023 lag der Anteil der Solarenergie in der Bundesrepublik demnach bei 10,9 Prozent.
Im Vergleich mit 38 OECD-Staaten und neun weiteren Ländern schneidet die Bundesrepublik somit recht positiv ab. Auf den vordersten Plätzen liegen:
Allerdings hat Deutschland zwischen Januar 2023 und April 2023 9,4 Prozent weniger Solarstrom produziert als im Vorjahreszeitraum. Als Ursache wird vor allem der ungewöhnlich regenreiche März dieses Jahres angeführt.
Um den Anteil der Solarenergie zu erhöhen, hat die Bundesregierung am gestrigen Mittwoch das sogenannte “Solarpaket 1” verabschiedet. Der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen (PV) auf Balkonen, Dächern und Agrarflächen soll deutlich vereinfacht werden. Balkonsolargeräte sollen mit alten Zählern betrieben werden dürfen, was den Betreibern große Ersparnisse ermöglicht. Auch soll die Kombination aus landwirtschaftlicher Flächennutzung und PV-Einsatz (Agri-PV) besser vergütet werden. Zudem sollen mit dem Solarpaket 1 über 50 bürokratische Hürden abgebaut werden, wie beispielsweise die Anmeldung eines Balkonkraftwerks beim Netzbetreiber. nib
Der Chef der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), Josef Aschbacher, hat die Politik aufgefordert, Europas Führungsrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels ernst zu nehmen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Aussage ist eine Reaktion auf die unsichere Finanzierung eines Programms für Klima-Satelliten der ESA: So diskutiert Großbritannien seit Monaten mit der EU darüber, ob und in welchem Umfang sich das Land in Zukunft an dem Satellitenprogramm der ESA beteiligt.
Die ESA beobachtet die Folgen der Erderwärmung, unter anderem mit dem Copernicus-Programm und den sogenannten Sentinel-Satelliten. Sie zeichnen wichtige Daten zum CO₂-Gehalt in der Atmosphäre und den globalen Land- und Meerestemperaturen auf. Eigentlich sollte das Programm ab 2026 um sechs weitere Satelliten ergänzt werden. Unter anderem wegen des Wegfalls der britischen Beiträge zur EU ist aber eine Finanzierungslücke von 721 Millionen Euro entstanden. Aschbacher sagte, bis spätestens Juni 2024 müsse eine Entscheidung über die Finanzierung des Copernicus-Programms fallen, sonst würden die Planungsabläufe beeinträchtigt. rtr/kul
Die wachsende CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ließ Pflanzen lange Zeit schneller wachsen. Doch mit diesem beschleunigten Wachstum könnte es in Zukunft vorbei sein – mit entsprechenden Folgen für die Fähigkeit der Pflanzen, CO₂ aus der Luft aufzunehmen und zu speichern. Das legt eine Studie nahe, die in der Fachzeitschrift Science erschienen ist.
Für den globalen Klimaschutz ist das von Bedeutung, weil Pflanzen als CO₂-Senke – also als natürliches Reservoir, das für lange Zeit mehr CO₂ aufnimmt und speichert, als es abgibt – immer wichtiger werden. Die Studie legt nahe, dass diese Speicherfähigkeit mit fortschreitendem Klimawandel nicht mehr so schnell wächst, wie sie es bisher durch die steigende CO₂-Konzentration tat. Denn um zu wachsen, benötigen Pflanzen nicht nur CO₂, sondern auch Wasser. Doch je weiter die Erderwärmung zunimmt, desto weniger Wasser steht ihnen zur Verfügung.
Für ihre Studie arbeitete die Forschungsgruppe mit Messdaten zum CO₂– und Wassergehalt der Luft aus den Jahren von 1982 bis 2016, die sie mit Satellitenaufnahmen von Wäldern, Gras-, Busch- und landwirtschaftlichen Flächen verglich. Unterschiede im Grünton werteten sie als Veränderungen in der Fotosyntheserate der Pflanzen, also ihrer Wachstumsgeschwindigkeit.
Ihren Ergebnissen zufolge beschleunigte sich die Fotosynthese bis etwa um das Jahr 2000. Dann nahm die Trockenheit vielerorts zu, und die Beschleunigungsrate wurde langsamer. In Zukunft könnte sie laut der Studie gar nicht mehr steigen. ae
Viele Innovationen im Bereich der Photovoltaik (PV) kommen ursprünglich aus deutschen oder europäischen Forschungseinrichtungen. Die Massenproduktion von Solarmodulen hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch fast vollständig nach Asien, insbesondere China, verlagert, auch weil dortige Regierungen diese Produktionsanlagen massiv gefördert haben. Aber können wir wirklich auf eine eigene Solarindustrie verzichten? Sollten wir uns in Europa darauf beschränken, zu forschen und vielleicht noch Prototypen zu entwickeln, die dann anderswo produziert werden? Ich bin davon überzeugt, dass dies fatal wäre. Nicht nur, weil es Abhängigkeiten schafft, sondern auch, weil die Abwesenheit von relevanten Industrieanlagen unsere Innovationskraft deutlich reduziert.
Denn auch wenn eine Technologie produktionsreif ist und bereits als Massenfertigung läuft, wird sie stetig weiter verbessert – oft in sehr kleinen, inkrementellen Schritten. Diese Verbesserungen können nur im engen Kontakt mit der Produktionspraxis gelingen, wo hierzu Daten und Beobachtungen anfallen und ausgewertet werden. In den Laboren einer Forschungseinrichtung dagegen arbeiten Expertinnen und Experten mit sehr viel kleineren Solarzellen und anderen Verfahren, sodass sie Optimierungspotenziale im Prozessablauf einer Massenproduktion schlicht nicht erkennen können.
Daher ist es eine Tatsache, dass die besten Silizium-Solarzellen heute nicht aus dem Labor von Forschungseinrichtungen kommen, sondern von den bekannten Unternehmen, die Siliziumtechnologien in allen Varianten perfektioniert haben. Das gilt für alle Technologien mit hohem Technology Readiness Level (TRL). Für Entwicklungen mit niedrigem TRL, wie den Tandem-Solarzellen, gilt dies noch nicht: Hier punkten die Forschungseinrichtungen mit neuen Materialien, Strukturen und Verfahren, mit denen sie neue Wirkungsgradrekorde erzielen können. Nur müssen solche vielversprechenden Konzepte aus der Forschung dann auch in die Anwendung kommen, und zwar schnell. Entscheidend für einen schnellen Technologietransfer sind vertrauensvolle Kooperationen mit Unternehmen, die Erfahrung in der Massenproduktion mit modernsten Anlagen besitzen.
Für die Führungsrolle in der Technologie und eine innovative, starke Wirtschaft brauchen wir also beides: Sowohl die Forschung im Labor, die neue Ideen voranbringt, als auch Forschung und Entwicklung in Unternehmen – nur so schaffen wir insgesamt eine schlagkräftige Innovationskette.
Aktuell kommen fast 90 Prozent der Solarmodule aus China. Seit einiger Zeit bauen jedoch auch die USA und Indien aktiv eigene PV-Unternehmen auf, unterstützen sie finanziell und schützen sie mit Zöllen vor Konkurrenz. Denn die PV-Industrie nimmt strategisch einen entscheidenden Platz für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ein, das hat nicht nur China erkannt, sondern auch die USA und Indien: Eine starke PV-Industrie verringert die Abhängigkeit von fossilen Importen und ermöglicht Klimaschutz zu günstigsten Strompreisen. Dank großer Fortschritte in der Forschung kostet die Kilowattstunde Sonnenstrom heute im Vergleich zu anderen Energiequellen am wenigsten. Eine leistungsstarke und innovative PV-Industrie sorgt für eine starke, positive wirtschaftliche Dynamik. Auf diesen Wirtschaftsmotor sollten wir in Deutschland und Europa nicht verzichten.
Rutger Schlatmann ist Vorsitzender der Europäischen Technologie- und Innovationsplattform für Photovoltaik (ETIP PV), die zu Fragen der Energiepolitik und zum Ausbau der Photovoltaik in Europa berät. Am Helmholtz-Zentrum Berlin leitet Schlatmann den Bereich Solarenergie. Zusammen mit knapp 50 weltweit renommierten Fachleuten hat der Physiker kürzlich einen Aufruf in der Fachzeitschrift Science publiziert, der den zügigen Ausbau der Photovoltaik fordert.