Table.Briefing: Climate

Deutsch-Kolumbianische Klimapartnerschaft + Essen aus CO₂ + Waldziele in weiter Ferne

Liebe Leserin, lieber Leser,

Kolumbien ist in eineinhalb Wochen Austragungsort der UN-Biodiversitätskonferenz COP16. Das Land ist auch für Deutschland ein wichtiger Partner in Klimafragen. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten und eines Staatshaushalts, der stark durch Einnahmen aus Öl- und Kohleexporten finanziert wird, verfolgt das Land ehrgeizige Ziele. Alexandra Endres analysiert, wie die Bundesregierung das Land unterstützt – finanziell und mit der Deutsch-Kolumbianischen Partnerschaft für Klima und eine gerechte Energiewende.

Außerdem stellen wir Ihnen heute unsere neue Serie vor: In “Ideen fürs Klima” lesen Sie in unregelmäßigen Abständen über Fortschritte, mögliche Lösungen und Innovationen für die Zukunft. Nick Nuttall berichtet zum Auftakt über Lebensmittel, die aus CO₂, Wasser und Erneuerbaren hergestellt werden. Immer mehr Start-ups verfolgen diesen Ansatz.

In den News: Ernüchterung beim Ziel, die globale Entwaldung bis 2030 zu stoppen, eine gemischte Zwischenbilanz bei der Verdreifachung der erneuerbaren Energien und ein Lob für die Klimapolitik Chiles.

Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!

Ihr
Lukas Bayer
Bild von Lukas  Bayer

Analyse

Kolumbien: So hilft Deutschland bei Klimaschutz und fossilem Ausstieg

Ein Kitesurfer am Cabo de la Vela, Guajira, Kolumbien. Die Region gilt als besonders attraktiv für die Erzeugung von Windstrom und ist deshalb wichtig für die kolumbianische Energiewende.

Kolumbien verfolgt in der Klimapolitik ehrgeizige Ziele. Die Regierung unter Präsident Gustavo Petro will raus aus den fossilen Energien und die Wirtschaft komplett klimafreundlich umbauen – obwohl das Schwellenland historisch stark von den Staatseinnahmen aus Öl- und Kohleexporten abhängt. Auch auf den UN-Klimagipfeln setzt Kolumbien sich für den globalen Ausstieg aus den fossilen Energien ein. Es werde wohl rund 15 Jahre dauern, um sich im eigenen Land vollständig von Öl und Kohle zu lösen, sagte Umweltministerin Susana Muhamad kürzlich im Gespräch mit Table.Briefings. Ohne Unterstützung aus den Industrieländern werde es kaum gelingen.

Deutschland hat Kolumbien dabei Hilfe zugesichert. Das Land ist “als Amazonasanrainer und eines der Länder mit der höchsten Artenvielfalt für uns ein wichtiger und verlässlicher Partner in Sachen Klima- und Umweltschutz”, heißt es aus dem Auswärtigen Amt (AA). “Kolumbien möchte seine eigene Energiewende in Zukunft weiter vorantreiben. Mit der 2023 vereinbarten Deutsch-Kolumbianischen Partnerschaft für Klima und eine gerechte Energiewende unterstützen wir dies.” Anlässlich bilateraler Konsultationen vermeldete das AA Mitte September “große Fortschritte”. Die Umsetzung der bilateralen Klima- und Energiepartnerschaft habe für beide Seiten hohe Priorität.

Partnerschaft für Erneuerbare, Wasserstoff, Artenvielfalt, Klimafinanzierung

Neben dem AA sind auf deutscher Seite das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), Bundesumweltministerium (BMUV) und Bundesentwicklungsministerium (BMZ) an der Partnerschaft beteiligt. In ihrem Mittelpunkt stehen fünf Arbeitsgruppen zu:

  • Klimaschutz,
  • dem Ausbau der Erneuerbaren und der Entwicklung einer Wasserstoffproduktion für eine “gerechte Energiewende”,
  • dem Schutz von Umwelt und Artenvielfalt,
  • einer nachhaltigen Stadtentwicklung und
  • Klimafinanzierung.

Eine Zeitlang stand grüner Wasserstoff aus Kolumbien besonders im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Regierung Kolumbiens hofft, die heutigen fossilen Exporte zukünftig durch Ausfuhren von grünem Wasserstoff zu ersetzen – und Deutschland wird Wasserstoffimporte aus dem Ausland brauchen. Die Bundesregierung möchte deutschen Unternehmen die Investition in kolumbianische Wasserstoffprojekte erleichtern. Eine Steuerungsgruppe zwischen dem BMWK und dem kolumbianischen Energie- sowie dem Industrieministerium koordiniert hier die Zusammenarbeit.

Geld vom BMZ für Erneuerbare, Waldschutz und klimaresiliente Städte

Innerhalb der Partnerschaft stellt Deutschland auch Geld zur Verfügung. So hat das BMZ Ende 2023 ein zinsverbilligtes Darlehen in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro zugesagt, um Kolumbien in der Umsetzung seiner Klimaziele zu unterstützen – vor allem durch den Ausbau der Erneuerbaren und Maßnahmen zur Klimaanpassung. Laut seinem Nationalen Klimaschutzbeitrag (NDC) will Kolumbien seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu einem Business-as-usual-Szenario um 51 Prozent reduzieren. Dafür sind vor allem die Dekarbonisierung des Energiesektors und der Kampf gegen die Entwaldung wichtig.

Laut einer Sprecherin des Ministeriums wurden 2024 zudem zwei weitere Darlehen für besseren Klimaschutz und Klimaanpassung in kolumbianischen Städten zugesagt. Hier bestehe “großes Potenzial, mit klimaresilienter Stadtentwicklung einen Beitrag zum weltweiten Klima- und Umweltschutz zu leisten”, teilte sie auf Anfrage von Table.Briefings mit. Das BMZ unterstütze daneben das auf Initiative Kolumbiens eingerichtete “Expertenpanel Klima, Schulden und Natur”.

IKI für Kohleausstieg und Energiegemeinschaften

Weitere finanzielle Unterstützung fließt durch die Internationale Klimaschutzinitiative IKI. Für sie ist Kolumbien ein Schwerpunktland. Laut BMUV umfasst “die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Kolumbien im Rahmen der IKI derzeit sieben bilaterale laufende Vorhaben mit einem Fördervolumen von 65,1 Millionen Euro”.

Ein Beispiel ist das Projekt “IKI JET”, kofinanziert von der Europäischen Union, das sich für eine gerechte Energiewende in Kolumbiens Kohleregionen La Guajira und Cesar einsetzt. In seinem Rahmen unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die örtlichen Gemeinschaften, Behörden, Unternehmen und Gewerkschaften dabei, gemeinsame Pläne für die Zeit nach der Kohle zu erarbeiten. Darin soll klar werden, wie die Region die Erneuerbaren ausbauen und den Kohleausstieg sozial gerecht organisieren will. Derzeit läuft eine weitere IKI-Ausschreibung für Projekte aus zwei Bereichen, die vom BMWK und BMUV mit je 20 bis 25 Millionen Euro gefördert werden sollen: die Dekarbonisierung des Energiesektors “für einen gerechten Kohleausstieg” und die Renaturierung von Landschaften “als wirtschaftliche und multifunktionale naturbasierte Lösung für den Frieden”.

COP16 wichtig für “Frieden mit der Natur” – und für den Klimaschutz

In Kolumbien wird deutlich, wie eng Klimaschutz, Schutz der Artenvielfalt, wirtschaftliche Transformation und Friedenspolitik zusammenhängen. So verringert beispielsweise der Erhalt des Regenwalds im Amazonas-Gebiet oder an der Pazifik-Küste die kolumbianischen Treibhausgasemissionen und verbessert die Fähigkeit des Landes zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise. Die gegenwärtige kolumbianische Regierung hofft zudem, dass der Regenwald zukünftig eine Basis für die klimafreundliche Wirtschaft sein kann, etwa durch nachhaltigen Tourismus.

Umgekehrt hilft es dem besseren Management von Naturschutzgebieten – und damit auch dem Klimaschutz -, wenn Landkonflikte verringert werden können, wenn die Menschen eine nachhaltige Existenzgrundlage haben und die Gemeinschaften friedlicher zusammenleben.

Das spiegelt sich auch im Motto der UN-Biodiversitätskonferenz COP16, die am 21. Oktober in Cali beginnt: “Paz con la Naturaleza”, Frieden mit der Natur. Aus Sicht des BMUV ist die Konferenz “von zentraler Bedeutung für die Bewältigung der Doppelkrise von Klima und Biodiversität”, wie ein Sprecher mitteilt. Das Ministerium erhoffe sich von der COP16 “entscheidende Fortschritte, um die Integration von Biodiversität und Klimawandel voranzutreiben” und konkrete Maßnahmen zur Bewältigung beider Krisen zu vereinbaren.

Kolumbiens Regierung hat der Bevölkerung versprochen, einen “vollständigen Frieden” (paz total) im Land zu erreichen. Wenn in zwei Jahren die nächsten Präsidentschaftswahlen anstehen, wird sich entscheiden, ob die Menschen ihre Pläne weiter unterstützen – und ob der fossile Ausstieg im Land weiter vorangetrieben werden soll.

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Landwirtschaft: Essen aus CO2, Wasser und Erneuerbaren

Das Start-Up Green-On stellt Fette, Käse und andere Lebensmittel ohne den Einsatz von Ackerland her.
Das Start-up Green-On stellt Fette, Käse und andere Lebensmittel ohne den Einsatz von Ackerland her.

Eine breite Palette von Lebensmittelzutaten, die heute aus Produkten wie Palm- und Kokosnussöl oder Fetten aus der Milchwirtschaft hergestellt werden, könnte schon bald vom Speiseplan verschwinden. Weltweit kommen neue Unternehmen auf den Markt, die das in Kraftwerken abgeschiedene CO₂ nutzen, um neue Zutaten herzustellen, die noch nie in der Nähe einer Kuh oder eines Bauernhofs waren. Die Entwickler behaupten, dass ihre Produkte – darunter Butter und Öle, die zum Backen und Kochen verwendet werden – genauso gut schmecken und funktionieren wie die konventionellen Produkte.

Start-ups wollen negative Folgen der Lebensmittelindustrie verringern

“Ich kann nicht glauben, dass ich keine echte Butter gegessen habe”, sagte der Milliardär Bill Gates, nachdem er an einem Geschmackstest teilgenommen hatte. Gates hat in ein kalifornisches Start-up-Unternehmen investiert, das eine Milchalternative herstellt. Auch das schwedische Start-up Green-on behauptet, dass die Menschen keinen Unterschied bemerken würden. Annette Graneli, ehemalige Mitarbeiterin des RISE-Forschungsinstituts und jetzt Geschäftsführerin von Green-On, sagt zu Table.Briefings: “Unsere Rohstoffe sind Ökostrom, Wasser und Kohlendioxid.”

Das in Göteborg ansässige Unternehmen plant bis Ende des Jahres eine Pilotanlage, in der Kohlendioxid, das möglicherweise aus einer Papierfabrik stammt, verwendet wird. Graneli sagt, ihr Ziel sei es, die Abholzung der Wälder zu stoppen, den Verlust der Artenvielfalt rückgängig zu machen und die Wasserknappheit im Zusammenhang mit Palm- und anderen Ölplantagen zu verringern.

Der Technologiechef des Unternehmens hat einen Preis der Schwedischen Chemiegesellschaft für die Herstellung von Lebensmitteln ohne den Einsatz von Ackerland gewonnen. Das Unternehmen hat sich Risikokapital für die Expansion gesichert und wird von AKK unterstützt, einem Unternehmen, das Öl- und Fette herstellt.

Soja und Palmöl haben großen ökologischen Fußabdruck

Ein kürzlich in Nature Sustainability erschienener Artikel mit dem Titel “Food Without Agriculture” hat diesen neuen Trend in der Lebensmitteltechnologie und die potenziellen Vorteile untersucht: “Ölpflanzen wie Soja und Palmöl haben weltweit einen enormen ökologischen Fußabdruck.” Demnach werden derzeit rund 300 Millionen Hektar Land für die Herstellung dieser Lebensmittel genutzt, was schätzungsweise 20 Prozent der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft und der Landnutzung ausmacht.

Zu den anderen Unternehmen in diesem aufstrebenden Bereich gehören Solar Foods in Finnland, das ein Pilotprojekt zur Herstellung von Proteinen durchführt, und Savor in Kalifornien, das zur Herstellung von Butter CO₂ und Wasserstoff verwendet.

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Termine

10. und 11. Oktober, Berlin
Tagung Starke Netze – Starke Zukunft
Auf der Veranstaltung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft wird über die zukünftigen Herausforderungen für Energienetze diskutiert. Infos

10. und 11. Oktober, Berlin
Konferenz Marktoffensive Erneuerbare Energien
Die Deutsche Energieagentur diskutiert auf dieser Konferenz zur Leitfrage: Welchen Rahmen und welche Instrumente benötigen wir zur Erreichung der 2030-Ziele im Stromsektor? Im Fokus stehen dabei zusätzliche Instrumente zur Finanzierung des weiteren Ausbaus erneuerbarer Energien, Ableitungen aus der Electricity Market Directive der EU für Deutschland sowie Geschäftsmodelle und Dekarbonisierungsstrategien für Industrie und Gewerbe. Infos

15. Oktober, 9 Uhr, Berlin
Kongress BDI Klimakongress
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) veranstaltet diesen Kongress unter der Leitfrage: Welche Transformationspfade führen in die Zukunft des Industriestandorts? Unter anderem wird das Risiko der De-Industrialisierung für Deutschland diskutiert. Infos

15. Oktober, Berlin/Online
Tagung Deutscher Klimatag
Die Klima-Allianz Deutschland veranstaltet diese Tagung zu sozial gerechtem Klimaschutz. Es wird unter anderem ein Grußwort von Robert Habeck geben. Infos

15. und 16. Oktober, Paris/Online
Forum 11th OECD Forum on Green Finance and Investment
Die OECD-Konferenz findet unter dem Motto “Shifting the financial system and strengthening enabling environments to mobilise trillions” statt. Infos

16. Oktober, 9 Uhr, Online
Online-Konferenz Integration der E-Mobilität in das Stromsystem
Das “Deutsch-französische Büro für die Energiewende” will auf dieser digitalen Konferenz über Herausforderungen, Potenziale und Geschäftsmodelle zur Integration von E-Mobilität ins deutsche und französische Stromsystem diskutieren. Infos

16. Oktober
Veröffentlichung World Energy Outlook IEA
Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht ihren jährlichen Bericht “World Energy Outlook”. Infos

16. Oktober, 18 Uhr, Online
Vortrag Klimakommunikation – Klima und Gesellschaft im Wandel
Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft veranstaltet eine Vortragsreihe zu Klimakommunikation. Der erste Vortrag trägt den Titel “Welches Potenzial haben Klima-Endspiel-Narrative, um notwendige Verhaltensänderung auszulösen?”. Infos

16. und 17. Oktober, Berlin
Kongress Sustainability Kongress 2024
Auf dem Kongress treffen sich Vertreter der deutschen Wirtschaft, unter anderem, um über CSRD, Circular Economy, Energietransformation und Sustainable Finance zu diskutieren. Infos

17. Oktober, 12 Uhr, Berlin/Online
Diskussion Klimaneutrales Deutschland – von der Zielsetzung zur Umsetzung
Während der Veranstaltung will Agora Energiewende diskutieren, welche Weichen jetzt in der Politik gestellt werden müssen und wie wir einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens für den Klimaschutz erzielen. Die zentralen Szenarienergebnisse der Studie “Klimaneutrales Deutschland” werden vorgestellt und im Anschluss mit verschiedenen politischen Vertretern diskutiert. Infos

News

Klima in Zahlen: Trend bei Entwaldung zeigt in falsche Richtung

In mehreren internationalen Abkommen wurde beschlossen, die weltweite Entwaldung bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Doch im Jahr 2023 wurde der Zielpfad um 45 Prozent verfehlt. Statt die jährliche Entwaldung auf 4,38 Millionen Hektar zu begrenzen, wurden 6,37 Millionen Hektar Wald vernichtet. Der Trend zeigt in die falsche Richtung, bilanziert das Forest Declaration Assessment, das jährlich die Erreichung des Ziels überprüft.

Das 2030-Ziel zum Entwaldungsstopp wurde unter anderem in der Glasgow Leaders Declaration 2021 auf der COP26 vereinbart. Staats- und Regierungschefs haben sich mit dem Forest Pledge dazu verpflichtet, Wälder zu erhalten und Waldbrände zu bekämpfen. Außerdem wollen sie nachhaltige Landwirtschaft fördern und indigene Gemeinschaften unterstützen. Auch die Gelder für diese Ziele sollen “deutlich” erhöht werden. Reiche Länder versprachen zwischen 2021 und 2025 zwölf Milliarden Dollar Klimafinanzierung für den Waldschutz.

Im Vorjahr wurde das Ziel bereits um 21 Prozent verfehlt, nun verdoppelte sich die Lücke auf 45 Prozent. Gründe dafür sind laut dem Bericht vor allem die Entwaldung tropischer Regenwälder (61 Prozent über dem Zielwert), häufigere und intensivere Waldbrände und die zunehmende Degradierung von Wäldern zu Graslandschaften und Steppen. Die neu degradierte Fläche im Jahr 2022 war zehnmal so groß wie die gesamte Abholzung im selben Zeitraum. lb/kul

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CCS in Europa: Bis zu 140 Milliarden Euro Subventionen nötig

Für den Bau und den Betrieb der in Europa geplanten CCS-Projekte könnten bis zu 140 Milliarden Euro an Subventionen benötigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Thinktanks Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA), die heute veröffentlicht werden soll. Demnach seien die meisten geplanten CCS-Projekte zu teuer und würden dementsprechend nicht auf einer kommerziellen Basis funktionieren können. Laut IEEFA werden die Kosten wahrscheinlich sogar weiter ansteigen, weil es beim Betrieb von CCS-Projekten immer wieder zu Problemen komme.

“Wenn Europa sich auf CCS als Lösung für das Problem des Klimawandels verlässt, werden die europäischen Regierungen gezwungen sein, horrende Subventionen für eine Technologie einzuführen, die in der Vergangenheit bereits versagt hat“, sagt Andrew Reid, Energie-Finanzexperte bei IEEFA. Erst vor wenigen Tagen hat Großbritannien mehr als 21 Milliarden Pfund an Subventionen für drei CCS-Projekte und -Infrastruktur zugesagt.

Europas Zeitplan “zu optimistisch”

Die IEEFA mahnt:

  • 90 der 200 in Europa geplanten CCS-Projekte müssten schon 2030 fertiggestellt sein, damit Europa seine Klimaziele erreichen kann. Derzeit gäbe es in der EU erst drei CCS-Projekte. “90 Prozent der vorgeschlagenen Emissionsabscheidungen stammen aus Projekten, die sich erst im Prototyp- oder Demonstrationsstadium befinden”, heißt es in der Analyse. Der Zeitplan sei “zu optimistisch”.
  • Es fehle noch immer an den nötigen Gesetzen und Standards, von denen viele CCS-Anwendungen abhängig seien.
  • Die geplanten CCS-Anwendungen basierten auf einer “außergewöhnlich komplexen Wertschöpfungskette, die auf vielen technisch und wirtschaftlich anspruchsvollen Einzelprojekten beruht”. Gibt es Probleme in einem Einzelprojekt, würden sie viele andere Aspekte der CCS-Wertschöpfungskette (Abscheidung, Transport, Speicherung) beeinträchtigen.

Laut IEEFA-Analyse darf sich die EU nicht auf CCS als Klimalösung verlassen. Bei einem Scheitern von CCS könne “es zu spät sein, um die Emissionen durch alternative Maßnahmen zu reduzieren”, sagt Reid. nib

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Erneuerbare: Verdrängung der fossilen Energien noch zu langsam

Der weltweite Zubau der erneuerbaren Energien geht noch nicht schnell genug, um Kohle, Öl und Gas für die Erreichung der globalen Klimaziele rechtzeitig aus dem Strommix zu verdrängen. Zu diesem Ergebnis kommt der heute veröffentlichte “Renewable Energy Tracker” des NGO-Netzwerks CAN International. Demnach müssten die Industriestaaten bis 2040 und der Rest der Welt bis 2050 auf 100 Prozent erneuerbare Energien kommen.

Der Großteil der Staaten befindet sich allerdings nicht auf dem richtigen Pfad, um diese Ziele zu erreichen, so der Bericht. Die Industrieländer müssten die Entwicklungs- und Schwellenländer durch finanzielle Zuschüsse, Technologietransfer und die Vermittlung von Wissen unterstützen. Die Finanzierung fossiler Energien müsse schnellstmöglich beendet werden, fordert das CAN.

Rasanter Erneuerbaren-Zuwachs steht bevor

Bezüglich des auf der COP28 beschlossenen Ziels zur Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 ist die Weltgemeinschaft aber auf einem guten Weg. Nach neuen Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) werden die Staaten das Ziel zwar knapp verfehlen. Doch in den nächsten Jahren soll es einen rasanten Zuwachs geben. Die Erneuerbaren-Kapazität steigt demnach bis 2030 um den Faktor 2,7. Im Juni war die IEA noch von einer 2,5-fachen Erhöhung ausgegangen.

Laut neuer IEA-Prognose:

  • werden die Staaten weltweit zwischen 2024 und 2030 mehr als 5.500 Gigawatt an Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien zubauen. Das wäre fast das Dreifache zum Zeitraum 2017 bis 2023 und entspreche laut IEA-Chef Fatih Birol “in etwa der gemeinsamen, derzeitigen Stromerzeugungskapazität Chinas, der Europäischen Union, Indiens und der Vereinigten Staaten”;
  • werden Erneuerbare 2030 die Hälfte der weltweiten Stromnachfrage abdecken;
  • wird China fast 60 Prozent des Erneuerbaren-Zubaus ausmachen. Die Volksrepublik muss allerdings auch den weltweit größten Anteil an Kohlestrom durch Erneuerbare ersetzen;
  • werden sich die Produktionskapazitäten für Photovoltaikanlagen in den USA und Indien bis 2030 verdreifachen, was zur Diversifizierung weg von China beitragen könne;
  • wird Solarstrom 80 Prozent des Erneuerbaren-Zubaus bis 2030 ausmachen. Auch der Windsektor wird laut IEA neues Wachstum erzielen und die Krise der letzten Jahre überwinden.

Die IEA ruft die Staaten dazu auf, in ihren neuen Nationalen Klimazielen (NDCs) für 2035 ehrgeizige Ausbauziele und die Unterstützung für Entwicklungs- und Schwellenländer festzuschreiben. Damit wäre eine Verdreifachung der Kapazitäten durchaus möglich. Die NDCs müssen bis Februar 2025 vorgelegt werden. nib

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Energiesektor: CO2-Emissionen kurz vor Höchststand

Die weltweiten CO₂-Emissionen aus dem Energiesektor werden in diesem Jahr wahrscheinlich ihren Höchststand erreichen und anschließend endgültig sinken. Die geringeren Kosten für Solarenergie und Batterien führen dazu, dass weniger Kohlekraftwerke und Öl genutzt werden, zeigt ein Bericht der norwegischen Beratungsfirma DNV am Mittwoch.

Noch vergangenes Jahr war der CO₂-Ausstoß auf ein Rekordhoch gestiegen. Ein langsamer Rückgang nach einem Höhepunkt in diesem Jahr bedeute der DNV zufolge, dass eine Erwärmung um 2,2 Grad Celsius das wahrscheinlichste Szenario in diesem Jahrhundert sei. “Der Ausbau von Solarenergie und Batterien steigt schneller, als wir vorhergesagt haben”, sagte Remi Eriksen, Präsident und Vorstandsvorsitzender der DNV-Gruppe. Zur Erreichung der Klimaziele müsse die Energiewende aber weiter beschleunigt werden.

Der Ölkonzern BP, der kürzlich seine Klimaziele heruntergeschraubt hatte, war in seinem jährlichen Energiebericht noch davon ausgegangen, dass die CO₂-Emissionen aus Energieverbrauch, industriellen Prozessen und Landnutzung erst im Jahr 2030 den Höchststand erreichen würden. rtr/lb

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Klimafinanzierung: EU-Finanzminister fordern mehr Transparenz

Alle Länder, die bereits einen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung leisten, sollten die Zahlen dazu offenlegen. So fordern es die Finanzminister der EU und schielen dabei wohl insbesondere auf China. Das Land ist als ehemaliges Entwicklungsland nicht verpflichtet, zur Klimafinanzierung beizutragen. Es zahlt aber laut einer Studie bereits durchschnittlich 4,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Beim Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) haben die EU-Ministerinnen und ihre Stellvertreter am Dienstag ihre Verhandlungsposition für die UN-Klimakonferenz diesen November festgelegt. Bei der COP29 in Baku soll der Rahmen für die internationale Klimafinanzierung ab 2025 entschieden werden. Die westlichen Industriestaaten fordern, dass der Kreis der Geberländer erweitert wird. Bislang waren diese Forderungen vor allem an China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten gerichtet.

Sollten diese Länder, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, zur Klimafinanzierung beizutragen, bereits zahlen, müssten sie dies nun offenlegen, fordern die EU-Minister. Dies würde die Transparenz verbessern und könnte weitere Klimafinanzierung hebeln, heißt es in den Schlussfolgerungen.

Welchen Beitrag Europa künftig leistet, legte der Ecofin noch nicht fest. Über die Höhe der europäischen Klimafinanzierung ab 2025 will die EU erst in Baku verhandeln. Kommende Woche legen die für die COP29 federführenden Umweltminister noch ihre Verhandlungsposition fest. luk

  • COP29
  • EU-Klimapolitik
  • Klima & Umwelt
  • Klimafinanzierung

Chile: Warum die Klimapolitik “fast ausreichend” ist

Chiles Klimapolitik zeigt Wirkung und wird inzwischen als “fast ausreichend” bezeichnet, damit das Land seinen Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beiträgt. Zu diesem Ergebnis kommt der Climate Action Tracker (CAT) in seiner aktualisierten Bewertung des Landes.

Nach der Verabschiedung eines Rahmengesetzes zum Klimawandel im Jahr 2022 habe es starke Fortschritte beim Klimaschutz gegeben. Dazu zählen:

  • schneller Ausbau der Erneuerbaren und des Übertragungsnetzes,
  • ein Plan zum Kohleausstieg, der sogar schneller als erwartet umgesetzt werden soll,
  • das Ziel einer Netto-Null-Industrie bis 2040,
  • ein Aktionsplan für grünen Wasserstoff und
  • eine Plan zur Entwicklung der Elektromobilität.

Nach den Schätzungen des CAT haben die Emissionen in Chile bereits 2021 ihren Höhepunkt erreicht – und damit vier Jahre bevor sie es laut Zielsetzung sollten. Trotzdem werde das Land sein NDC für 2030 (minus 45 Prozent Netto-Emissionen im Vergleich zu 2016) mit der aktuellen Politik nicht erreichen, weil die Emissionen in der Industrie, in der Landwirtschaft und im Abfallsektor in den kommenden Jahren noch leicht ansteigen werden. Eine Gefahr sei auch, dass der Kohleausstieg in dem Land zu einem größeren Verbrauch von Erdgas und so nur zu geringen Emissionsreduktionen führe. Außerdem verlaufe die Umsetzung von Maßnahmen im Verkehrssektor zu langsam, kritisieren die Analysten des CAT.

Trotz einiger Schwächen: nur wenige Länder weltweit erhalten die Bewertung “fast ausreichend” für ihre Klimapolitik. In keinem einzigen Land ist die Klimapolitik demnach mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. kul

  • Chile
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  • Klimapolitik
  • NDC
  • Pariser Klimaabkommen

Must-Reads

Deutschlandfunk Nova: Klima und Erderwärmung: “Besser wird es nicht mehr”. Die Vitalzeichen unseres Ökosystems Erde lassen nach, beobachtet das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Menschheit steht am Rand einer unumkehrbaren Klimakatastrophe, das ist die Diagnose. Zum Artikel

El Pais: Mehr Hurrikane durch den Klimawandel. Wissenschaftler warnen schon lange davor, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel Hurrikane zerstörerischer macht. Einer neuen Studie zufolge hat der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher intensiven Hurrikane wie Helene im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um das 2,5-fache erhöht. Zum Artikel

Süddeutsche Zeitung: Schlechte Apfelernte wegen Wetterkapriolen. In diesem Jahr befürchten einige deutsche Apfelbauern einen vollständigen Ernteausfall. Grund dafür ist, dass die Bäume im Frühjahr ungewöhnlich früh zu blühen begannen und im April unerwarteter Frost einsetzte. Die Bauern sehen darin eine Auswirkung des Klimawandels. Zum Artikel

Swiss Info: Trockene Luft führt zu geringeren Ernten. Das “Dampfdruckdefizit” (VPD), das die Auswirkungen der Luftfeuchtigkeit auf das Wachstum und die Entwicklung der Pflanzen misst, steigt exponentiell mit steigenden Temperaturen. Dieser Anstieg wurde erst kürzlich von Forschern entdeckt. Diese “Trocknungskraft” der Luft beschleunigt die Bodenverdunstung und ist mit einem erhöhten Waldbrandrisiko und geringeren landwirtschaftlichen Ernteerträgen verbunden. Zum Artikel

t3n: Ferien in der Kälte. Das staatliche schwedische Tourismusunternehmen Visit Sweden hat den neuen Marketingbegriff “Coolcation” kreiert. Laut einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU liegen die Tourismuswerber mit diesem Marketing richtig. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Europäer aufgrund des Klimawandels ihren Urlaub künftig weiter im Norden verbringen werden. Zum Artikel

Standpunkt

Warum wir dringend einen europäischen Stahlpakt brauchen

Von Dennis Radtke
Dennis Radtke ist seit 2017 Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament.

Eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie in der Europäischen Union ist essenziell für Wohlstand, die Resilienz industrieller Wertschöpfungsketten, Beschäftigung, wirtschaftliche Sicherheit und die grüne Transformation. Sie bietet mehr als 300.000 Arbeitnehmern gute, tariflich abgesicherte und mitbestimmte Industriearbeitsplätze. Stahl ist als Fundament industrieller Wertschöpfung in Europa systemrelevant. Zahlreiche integrierte Wertschöpfungsketten brauchen den Grundstoff Stahl. Hinzu kommt, dass Stahl als Hightech-Werkstoff der grünen Transformation den Weg ebnet. Ohne Stahl würde sich kein Windrad drehen. Keine einzige Kilowattstunde Strom könnte transportiert werden. Ohne Stahl würde kein Elektroauto auch nur einen Kilometer fahren.

Als Basiswerkstoff für die Mobilitäts- und Energiewende sorgt zukünftig vor allem grüner Stahl für eine sichere und nachhaltige Grundstoffversorgung. Daher haben europäische Stahlerzeuger begonnen, mit staatlicher Unterstützung Milliarden in die CO₂-arme Stahlherstellung zu investieren und hierbei innovative Dekarbonisierungskonzepte umzusetzen.

Die Stahlindustrie schrumpft bereits

Dennoch befindet sich die europäische Stahlindustrie in einer historischen Krise. Eine schleichende Deindustrialisierung ist im Gange. Europa ist die einzige Weltregion mit einer schrumpfenden Stahlindustrie. In den letzten zehn Jahren hat die EU ein Fünftel ihrer Produktionskapazität sowie mehr als 20.000 Arbeitsplätze verloren. Statt eines Handelsüberschusses (16 Millionen Tonnen in 2012) weist die EU mittlerweile ein hohes Defizit aus (10 Millionen Tonnen in 2023). Die Auslastung europäischer Stahlwerke liegt mittlerweile bei unter 65 Prozent.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Eine Schlüsselrolle spielt der steigende Importdruck aus Ländern mit Überkapazitäten. Allein die Überkapazitäten aus China übersteigen die gesamte europäische Produktion um den Faktor 5. Gerade die Kombination mit unfairen Handelspraktiken und fehlenden europäischen Antworten hierauf machen dies für die Stahlindustrie zu einem toxischen Gemisch.

Ein Mix aus unterschiedlichen Maßnahmen kann helfen

Einige Instrumente, mit denen die europäische Stahlindustrie gestützt wird, funktionieren bereits. Ein Beispiel sind Mindesteinfuhrpreise wie etwa bei kornorientiertem Elektroband. Hier sind aber dringend Preisanpassungen notwendig. Auch für die 2026 auslaufenden Steel Safeguards braucht es dringend eine Anschlusslösung.

Darüber hinaus müssen die bestehenden Handelsschutzinstrumente (Anti-Dumping und Anti-Subsidy-Verfahren) schneller und wirksamer gegen unfaire Handelspraktiken eingesetzt werden. Hierfür gilt es, WTO- und EU-rechtliche Handlungsspielräume zu nutzen. Als ersten Schritt sollte die neue Europäische Kommission diese Spielräume im 1. Quartal 2025 klar identifizieren.

CBAM und günstige grüne Energie sind dringende Baustellen

Bevor der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM 2026 an den Start geht, muss die EU dringend die offenkundigen Konstruktionsfehler korrigieren. Denn bislang fehlt eine Lösung zur Entlastung von Stahlexporten in Drittstaaten. Damit Produkte, die im Wesentlichen aus Stahl bestehen, nach der Einführung von CBAM nicht nur im außereuropäischen Ausland wirtschaftlich hergestellt werden können, fordern wir eine Prüfung des Anwendungsbereichs mit Rücksichtnahme auf bürokratische, ökonomische und handelspolitische Hürden. Dies betrifft vor allem Downstream-Produkte, für die sich die Wettbewerbsfähigkeit in Europa massiv verschlechtern würde, weil sie nicht in den Anwendungsbereich fallen.

Die Entwicklung der Energiekosten ist eine weitere Schlüsselfrage. Kurzfristig sollte die EU den Mitgliedstaaten ermöglichen, zeitlich begrenzte Entlastungsmechanismen wie Industriestrompreise zu etablieren. Eine wettbewerbsfähige Energieversorgung lässt sich perspektivisch aber nur über einen echten europäischen Energiemarkt sicherstellen. Dafür muss die Energietransportinfrastruktur konsequent über nationale Grenzen hinweg ausgebaut werden.

Ein Stahlaktionsplan muss geschmiedet werden

Um grünen Stahl wettbewerbsfähig zu bekommen, muss die EU ihren Beitrag dazu leisten, Leitmärkte für grünen Stahl zu entwickeln. Neben einer Revision der Vergaberichtlinie, die Fragen der Pariser Klimaziele und Tarifbindung inkludiert, kann auch eine vorgezogene Review der CO₂-Flottengrenzwerte für PKW eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen weg von einer reinen Betrachtung, was aus dem Auspuff kommt, hin zu einer gesamten CO₂-Bilanz eines Fahrzeugs. Dies würde für die Hersteller grünen Stahl attraktiver machen.

Die EU-Kommission ist nun gefordert, schnell die Akteure an einen Tisch zu holen und mit Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräten einen verbindlichen Stahlaktionsplan zu verabreden. Die Politik muss endlich in den Handlungsmodus kommen. Der Entwicklung weiter tatenlos zuzuschauen würde bedeuten, dass wir den Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten akzeptieren und künftig autoritäre Regime bestimmen, ob in Europa Nachrüstung und Energiewende überhaupt noch möglich sind und wenn ja, zu welchem Preis.

Dennis Radtke ist seit 2017 Mitglied im Europäischen Parlament. Für die CDU/EVP sitzt er im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Seit Kurzem ist er zudem Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Zuvor war Radtke Gewerkschaftssekretär der IG BCE.

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Climate.Table Redaktion

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    Außerdem stellen wir Ihnen heute unsere neue Serie vor: In “Ideen fürs Klima” lesen Sie in unregelmäßigen Abständen über Fortschritte, mögliche Lösungen und Innovationen für die Zukunft. Nick Nuttall berichtet zum Auftakt über Lebensmittel, die aus CO₂, Wasser und Erneuerbaren hergestellt werden. Immer mehr Start-ups verfolgen diesen Ansatz.

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    Kolumbien: So hilft Deutschland bei Klimaschutz und fossilem Ausstieg

    Ein Kitesurfer am Cabo de la Vela, Guajira, Kolumbien. Die Region gilt als besonders attraktiv für die Erzeugung von Windstrom und ist deshalb wichtig für die kolumbianische Energiewende.

    Kolumbien verfolgt in der Klimapolitik ehrgeizige Ziele. Die Regierung unter Präsident Gustavo Petro will raus aus den fossilen Energien und die Wirtschaft komplett klimafreundlich umbauen – obwohl das Schwellenland historisch stark von den Staatseinnahmen aus Öl- und Kohleexporten abhängt. Auch auf den UN-Klimagipfeln setzt Kolumbien sich für den globalen Ausstieg aus den fossilen Energien ein. Es werde wohl rund 15 Jahre dauern, um sich im eigenen Land vollständig von Öl und Kohle zu lösen, sagte Umweltministerin Susana Muhamad kürzlich im Gespräch mit Table.Briefings. Ohne Unterstützung aus den Industrieländern werde es kaum gelingen.

    Deutschland hat Kolumbien dabei Hilfe zugesichert. Das Land ist “als Amazonasanrainer und eines der Länder mit der höchsten Artenvielfalt für uns ein wichtiger und verlässlicher Partner in Sachen Klima- und Umweltschutz”, heißt es aus dem Auswärtigen Amt (AA). “Kolumbien möchte seine eigene Energiewende in Zukunft weiter vorantreiben. Mit der 2023 vereinbarten Deutsch-Kolumbianischen Partnerschaft für Klima und eine gerechte Energiewende unterstützen wir dies.” Anlässlich bilateraler Konsultationen vermeldete das AA Mitte September “große Fortschritte”. Die Umsetzung der bilateralen Klima- und Energiepartnerschaft habe für beide Seiten hohe Priorität.

    Partnerschaft für Erneuerbare, Wasserstoff, Artenvielfalt, Klimafinanzierung

    Neben dem AA sind auf deutscher Seite das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), Bundesumweltministerium (BMUV) und Bundesentwicklungsministerium (BMZ) an der Partnerschaft beteiligt. In ihrem Mittelpunkt stehen fünf Arbeitsgruppen zu:

    • Klimaschutz,
    • dem Ausbau der Erneuerbaren und der Entwicklung einer Wasserstoffproduktion für eine “gerechte Energiewende”,
    • dem Schutz von Umwelt und Artenvielfalt,
    • einer nachhaltigen Stadtentwicklung und
    • Klimafinanzierung.

    Eine Zeitlang stand grüner Wasserstoff aus Kolumbien besonders im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Regierung Kolumbiens hofft, die heutigen fossilen Exporte zukünftig durch Ausfuhren von grünem Wasserstoff zu ersetzen – und Deutschland wird Wasserstoffimporte aus dem Ausland brauchen. Die Bundesregierung möchte deutschen Unternehmen die Investition in kolumbianische Wasserstoffprojekte erleichtern. Eine Steuerungsgruppe zwischen dem BMWK und dem kolumbianischen Energie- sowie dem Industrieministerium koordiniert hier die Zusammenarbeit.

    Geld vom BMZ für Erneuerbare, Waldschutz und klimaresiliente Städte

    Innerhalb der Partnerschaft stellt Deutschland auch Geld zur Verfügung. So hat das BMZ Ende 2023 ein zinsverbilligtes Darlehen in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro zugesagt, um Kolumbien in der Umsetzung seiner Klimaziele zu unterstützen – vor allem durch den Ausbau der Erneuerbaren und Maßnahmen zur Klimaanpassung. Laut seinem Nationalen Klimaschutzbeitrag (NDC) will Kolumbien seine Emissionen bis 2030 im Vergleich zu einem Business-as-usual-Szenario um 51 Prozent reduzieren. Dafür sind vor allem die Dekarbonisierung des Energiesektors und der Kampf gegen die Entwaldung wichtig.

    Laut einer Sprecherin des Ministeriums wurden 2024 zudem zwei weitere Darlehen für besseren Klimaschutz und Klimaanpassung in kolumbianischen Städten zugesagt. Hier bestehe “großes Potenzial, mit klimaresilienter Stadtentwicklung einen Beitrag zum weltweiten Klima- und Umweltschutz zu leisten”, teilte sie auf Anfrage von Table.Briefings mit. Das BMZ unterstütze daneben das auf Initiative Kolumbiens eingerichtete “Expertenpanel Klima, Schulden und Natur”.

    IKI für Kohleausstieg und Energiegemeinschaften

    Weitere finanzielle Unterstützung fließt durch die Internationale Klimaschutzinitiative IKI. Für sie ist Kolumbien ein Schwerpunktland. Laut BMUV umfasst “die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Kolumbien im Rahmen der IKI derzeit sieben bilaterale laufende Vorhaben mit einem Fördervolumen von 65,1 Millionen Euro”.

    Ein Beispiel ist das Projekt “IKI JET”, kofinanziert von der Europäischen Union, das sich für eine gerechte Energiewende in Kolumbiens Kohleregionen La Guajira und Cesar einsetzt. In seinem Rahmen unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die örtlichen Gemeinschaften, Behörden, Unternehmen und Gewerkschaften dabei, gemeinsame Pläne für die Zeit nach der Kohle zu erarbeiten. Darin soll klar werden, wie die Region die Erneuerbaren ausbauen und den Kohleausstieg sozial gerecht organisieren will. Derzeit läuft eine weitere IKI-Ausschreibung für Projekte aus zwei Bereichen, die vom BMWK und BMUV mit je 20 bis 25 Millionen Euro gefördert werden sollen: die Dekarbonisierung des Energiesektors “für einen gerechten Kohleausstieg” und die Renaturierung von Landschaften “als wirtschaftliche und multifunktionale naturbasierte Lösung für den Frieden”.

    COP16 wichtig für “Frieden mit der Natur” – und für den Klimaschutz

    In Kolumbien wird deutlich, wie eng Klimaschutz, Schutz der Artenvielfalt, wirtschaftliche Transformation und Friedenspolitik zusammenhängen. So verringert beispielsweise der Erhalt des Regenwalds im Amazonas-Gebiet oder an der Pazifik-Küste die kolumbianischen Treibhausgasemissionen und verbessert die Fähigkeit des Landes zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise. Die gegenwärtige kolumbianische Regierung hofft zudem, dass der Regenwald zukünftig eine Basis für die klimafreundliche Wirtschaft sein kann, etwa durch nachhaltigen Tourismus.

    Umgekehrt hilft es dem besseren Management von Naturschutzgebieten – und damit auch dem Klimaschutz -, wenn Landkonflikte verringert werden können, wenn die Menschen eine nachhaltige Existenzgrundlage haben und die Gemeinschaften friedlicher zusammenleben.

    Das spiegelt sich auch im Motto der UN-Biodiversitätskonferenz COP16, die am 21. Oktober in Cali beginnt: “Paz con la Naturaleza”, Frieden mit der Natur. Aus Sicht des BMUV ist die Konferenz “von zentraler Bedeutung für die Bewältigung der Doppelkrise von Klima und Biodiversität”, wie ein Sprecher mitteilt. Das Ministerium erhoffe sich von der COP16 “entscheidende Fortschritte, um die Integration von Biodiversität und Klimawandel voranzutreiben” und konkrete Maßnahmen zur Bewältigung beider Krisen zu vereinbaren.

    Kolumbiens Regierung hat der Bevölkerung versprochen, einen “vollständigen Frieden” (paz total) im Land zu erreichen. Wenn in zwei Jahren die nächsten Präsidentschaftswahlen anstehen, wird sich entscheiden, ob die Menschen ihre Pläne weiter unterstützen – und ob der fossile Ausstieg im Land weiter vorangetrieben werden soll.

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    Landwirtschaft: Essen aus CO2, Wasser und Erneuerbaren

    Das Start-Up Green-On stellt Fette, Käse und andere Lebensmittel ohne den Einsatz von Ackerland her.
    Das Start-up Green-On stellt Fette, Käse und andere Lebensmittel ohne den Einsatz von Ackerland her.

    Eine breite Palette von Lebensmittelzutaten, die heute aus Produkten wie Palm- und Kokosnussöl oder Fetten aus der Milchwirtschaft hergestellt werden, könnte schon bald vom Speiseplan verschwinden. Weltweit kommen neue Unternehmen auf den Markt, die das in Kraftwerken abgeschiedene CO₂ nutzen, um neue Zutaten herzustellen, die noch nie in der Nähe einer Kuh oder eines Bauernhofs waren. Die Entwickler behaupten, dass ihre Produkte – darunter Butter und Öle, die zum Backen und Kochen verwendet werden – genauso gut schmecken und funktionieren wie die konventionellen Produkte.

    Start-ups wollen negative Folgen der Lebensmittelindustrie verringern

    “Ich kann nicht glauben, dass ich keine echte Butter gegessen habe”, sagte der Milliardär Bill Gates, nachdem er an einem Geschmackstest teilgenommen hatte. Gates hat in ein kalifornisches Start-up-Unternehmen investiert, das eine Milchalternative herstellt. Auch das schwedische Start-up Green-on behauptet, dass die Menschen keinen Unterschied bemerken würden. Annette Graneli, ehemalige Mitarbeiterin des RISE-Forschungsinstituts und jetzt Geschäftsführerin von Green-On, sagt zu Table.Briefings: “Unsere Rohstoffe sind Ökostrom, Wasser und Kohlendioxid.”

    Das in Göteborg ansässige Unternehmen plant bis Ende des Jahres eine Pilotanlage, in der Kohlendioxid, das möglicherweise aus einer Papierfabrik stammt, verwendet wird. Graneli sagt, ihr Ziel sei es, die Abholzung der Wälder zu stoppen, den Verlust der Artenvielfalt rückgängig zu machen und die Wasserknappheit im Zusammenhang mit Palm- und anderen Ölplantagen zu verringern.

    Der Technologiechef des Unternehmens hat einen Preis der Schwedischen Chemiegesellschaft für die Herstellung von Lebensmitteln ohne den Einsatz von Ackerland gewonnen. Das Unternehmen hat sich Risikokapital für die Expansion gesichert und wird von AKK unterstützt, einem Unternehmen, das Öl- und Fette herstellt.

    Soja und Palmöl haben großen ökologischen Fußabdruck

    Ein kürzlich in Nature Sustainability erschienener Artikel mit dem Titel “Food Without Agriculture” hat diesen neuen Trend in der Lebensmitteltechnologie und die potenziellen Vorteile untersucht: “Ölpflanzen wie Soja und Palmöl haben weltweit einen enormen ökologischen Fußabdruck.” Demnach werden derzeit rund 300 Millionen Hektar Land für die Herstellung dieser Lebensmittel genutzt, was schätzungsweise 20 Prozent der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft und der Landnutzung ausmacht.

    Zu den anderen Unternehmen in diesem aufstrebenden Bereich gehören Solar Foods in Finnland, das ein Pilotprojekt zur Herstellung von Proteinen durchführt, und Savor in Kalifornien, das zur Herstellung von Butter CO₂ und Wasserstoff verwendet.

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    • Rohstoffe

    Termine

    10. und 11. Oktober, Berlin
    Tagung Starke Netze – Starke Zukunft
    Auf der Veranstaltung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft wird über die zukünftigen Herausforderungen für Energienetze diskutiert. Infos

    10. und 11. Oktober, Berlin
    Konferenz Marktoffensive Erneuerbare Energien
    Die Deutsche Energieagentur diskutiert auf dieser Konferenz zur Leitfrage: Welchen Rahmen und welche Instrumente benötigen wir zur Erreichung der 2030-Ziele im Stromsektor? Im Fokus stehen dabei zusätzliche Instrumente zur Finanzierung des weiteren Ausbaus erneuerbarer Energien, Ableitungen aus der Electricity Market Directive der EU für Deutschland sowie Geschäftsmodelle und Dekarbonisierungsstrategien für Industrie und Gewerbe. Infos

    15. Oktober, 9 Uhr, Berlin
    Kongress BDI Klimakongress
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) veranstaltet diesen Kongress unter der Leitfrage: Welche Transformationspfade führen in die Zukunft des Industriestandorts? Unter anderem wird das Risiko der De-Industrialisierung für Deutschland diskutiert. Infos

    15. Oktober, Berlin/Online
    Tagung Deutscher Klimatag
    Die Klima-Allianz Deutschland veranstaltet diese Tagung zu sozial gerechtem Klimaschutz. Es wird unter anderem ein Grußwort von Robert Habeck geben. Infos

    15. und 16. Oktober, Paris/Online
    Forum 11th OECD Forum on Green Finance and Investment
    Die OECD-Konferenz findet unter dem Motto “Shifting the financial system and strengthening enabling environments to mobilise trillions” statt. Infos

    16. Oktober, 9 Uhr, Online
    Online-Konferenz Integration der E-Mobilität in das Stromsystem
    Das “Deutsch-französische Büro für die Energiewende” will auf dieser digitalen Konferenz über Herausforderungen, Potenziale und Geschäftsmodelle zur Integration von E-Mobilität ins deutsche und französische Stromsystem diskutieren. Infos

    16. Oktober
    Veröffentlichung World Energy Outlook IEA
    Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht ihren jährlichen Bericht “World Energy Outlook”. Infos

    16. Oktober, 18 Uhr, Online
    Vortrag Klimakommunikation – Klima und Gesellschaft im Wandel
    Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft veranstaltet eine Vortragsreihe zu Klimakommunikation. Der erste Vortrag trägt den Titel “Welches Potenzial haben Klima-Endspiel-Narrative, um notwendige Verhaltensänderung auszulösen?”. Infos

    16. und 17. Oktober, Berlin
    Kongress Sustainability Kongress 2024
    Auf dem Kongress treffen sich Vertreter der deutschen Wirtschaft, unter anderem, um über CSRD, Circular Economy, Energietransformation und Sustainable Finance zu diskutieren. Infos

    17. Oktober, 12 Uhr, Berlin/Online
    Diskussion Klimaneutrales Deutschland – von der Zielsetzung zur Umsetzung
    Während der Veranstaltung will Agora Energiewende diskutieren, welche Weichen jetzt in der Politik gestellt werden müssen und wie wir einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens für den Klimaschutz erzielen. Die zentralen Szenarienergebnisse der Studie “Klimaneutrales Deutschland” werden vorgestellt und im Anschluss mit verschiedenen politischen Vertretern diskutiert. Infos

    News

    Klima in Zahlen: Trend bei Entwaldung zeigt in falsche Richtung

    In mehreren internationalen Abkommen wurde beschlossen, die weltweite Entwaldung bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Doch im Jahr 2023 wurde der Zielpfad um 45 Prozent verfehlt. Statt die jährliche Entwaldung auf 4,38 Millionen Hektar zu begrenzen, wurden 6,37 Millionen Hektar Wald vernichtet. Der Trend zeigt in die falsche Richtung, bilanziert das Forest Declaration Assessment, das jährlich die Erreichung des Ziels überprüft.

    Das 2030-Ziel zum Entwaldungsstopp wurde unter anderem in der Glasgow Leaders Declaration 2021 auf der COP26 vereinbart. Staats- und Regierungschefs haben sich mit dem Forest Pledge dazu verpflichtet, Wälder zu erhalten und Waldbrände zu bekämpfen. Außerdem wollen sie nachhaltige Landwirtschaft fördern und indigene Gemeinschaften unterstützen. Auch die Gelder für diese Ziele sollen “deutlich” erhöht werden. Reiche Länder versprachen zwischen 2021 und 2025 zwölf Milliarden Dollar Klimafinanzierung für den Waldschutz.

    Im Vorjahr wurde das Ziel bereits um 21 Prozent verfehlt, nun verdoppelte sich die Lücke auf 45 Prozent. Gründe dafür sind laut dem Bericht vor allem die Entwaldung tropischer Regenwälder (61 Prozent über dem Zielwert), häufigere und intensivere Waldbrände und die zunehmende Degradierung von Wäldern zu Graslandschaften und Steppen. Die neu degradierte Fläche im Jahr 2022 war zehnmal so groß wie die gesamte Abholzung im selben Zeitraum. lb/kul

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    CCS in Europa: Bis zu 140 Milliarden Euro Subventionen nötig

    Für den Bau und den Betrieb der in Europa geplanten CCS-Projekte könnten bis zu 140 Milliarden Euro an Subventionen benötigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Thinktanks Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA), die heute veröffentlicht werden soll. Demnach seien die meisten geplanten CCS-Projekte zu teuer und würden dementsprechend nicht auf einer kommerziellen Basis funktionieren können. Laut IEEFA werden die Kosten wahrscheinlich sogar weiter ansteigen, weil es beim Betrieb von CCS-Projekten immer wieder zu Problemen komme.

    “Wenn Europa sich auf CCS als Lösung für das Problem des Klimawandels verlässt, werden die europäischen Regierungen gezwungen sein, horrende Subventionen für eine Technologie einzuführen, die in der Vergangenheit bereits versagt hat“, sagt Andrew Reid, Energie-Finanzexperte bei IEEFA. Erst vor wenigen Tagen hat Großbritannien mehr als 21 Milliarden Pfund an Subventionen für drei CCS-Projekte und -Infrastruktur zugesagt.

    Europas Zeitplan “zu optimistisch”

    Die IEEFA mahnt:

    • 90 der 200 in Europa geplanten CCS-Projekte müssten schon 2030 fertiggestellt sein, damit Europa seine Klimaziele erreichen kann. Derzeit gäbe es in der EU erst drei CCS-Projekte. “90 Prozent der vorgeschlagenen Emissionsabscheidungen stammen aus Projekten, die sich erst im Prototyp- oder Demonstrationsstadium befinden”, heißt es in der Analyse. Der Zeitplan sei “zu optimistisch”.
    • Es fehle noch immer an den nötigen Gesetzen und Standards, von denen viele CCS-Anwendungen abhängig seien.
    • Die geplanten CCS-Anwendungen basierten auf einer “außergewöhnlich komplexen Wertschöpfungskette, die auf vielen technisch und wirtschaftlich anspruchsvollen Einzelprojekten beruht”. Gibt es Probleme in einem Einzelprojekt, würden sie viele andere Aspekte der CCS-Wertschöpfungskette (Abscheidung, Transport, Speicherung) beeinträchtigen.

    Laut IEEFA-Analyse darf sich die EU nicht auf CCS als Klimalösung verlassen. Bei einem Scheitern von CCS könne “es zu spät sein, um die Emissionen durch alternative Maßnahmen zu reduzieren”, sagt Reid. nib

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    Erneuerbare: Verdrängung der fossilen Energien noch zu langsam

    Der weltweite Zubau der erneuerbaren Energien geht noch nicht schnell genug, um Kohle, Öl und Gas für die Erreichung der globalen Klimaziele rechtzeitig aus dem Strommix zu verdrängen. Zu diesem Ergebnis kommt der heute veröffentlichte “Renewable Energy Tracker” des NGO-Netzwerks CAN International. Demnach müssten die Industriestaaten bis 2040 und der Rest der Welt bis 2050 auf 100 Prozent erneuerbare Energien kommen.

    Der Großteil der Staaten befindet sich allerdings nicht auf dem richtigen Pfad, um diese Ziele zu erreichen, so der Bericht. Die Industrieländer müssten die Entwicklungs- und Schwellenländer durch finanzielle Zuschüsse, Technologietransfer und die Vermittlung von Wissen unterstützen. Die Finanzierung fossiler Energien müsse schnellstmöglich beendet werden, fordert das CAN.

    Rasanter Erneuerbaren-Zuwachs steht bevor

    Bezüglich des auf der COP28 beschlossenen Ziels zur Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 ist die Weltgemeinschaft aber auf einem guten Weg. Nach neuen Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) werden die Staaten das Ziel zwar knapp verfehlen. Doch in den nächsten Jahren soll es einen rasanten Zuwachs geben. Die Erneuerbaren-Kapazität steigt demnach bis 2030 um den Faktor 2,7. Im Juni war die IEA noch von einer 2,5-fachen Erhöhung ausgegangen.

    Laut neuer IEA-Prognose:

    • werden die Staaten weltweit zwischen 2024 und 2030 mehr als 5.500 Gigawatt an Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien zubauen. Das wäre fast das Dreifache zum Zeitraum 2017 bis 2023 und entspreche laut IEA-Chef Fatih Birol “in etwa der gemeinsamen, derzeitigen Stromerzeugungskapazität Chinas, der Europäischen Union, Indiens und der Vereinigten Staaten”;
    • werden Erneuerbare 2030 die Hälfte der weltweiten Stromnachfrage abdecken;
    • wird China fast 60 Prozent des Erneuerbaren-Zubaus ausmachen. Die Volksrepublik muss allerdings auch den weltweit größten Anteil an Kohlestrom durch Erneuerbare ersetzen;
    • werden sich die Produktionskapazitäten für Photovoltaikanlagen in den USA und Indien bis 2030 verdreifachen, was zur Diversifizierung weg von China beitragen könne;
    • wird Solarstrom 80 Prozent des Erneuerbaren-Zubaus bis 2030 ausmachen. Auch der Windsektor wird laut IEA neues Wachstum erzielen und die Krise der letzten Jahre überwinden.

    Die IEA ruft die Staaten dazu auf, in ihren neuen Nationalen Klimazielen (NDCs) für 2035 ehrgeizige Ausbauziele und die Unterstützung für Entwicklungs- und Schwellenländer festzuschreiben. Damit wäre eine Verdreifachung der Kapazitäten durchaus möglich. Die NDCs müssen bis Februar 2025 vorgelegt werden. nib

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    Energiesektor: CO2-Emissionen kurz vor Höchststand

    Die weltweiten CO₂-Emissionen aus dem Energiesektor werden in diesem Jahr wahrscheinlich ihren Höchststand erreichen und anschließend endgültig sinken. Die geringeren Kosten für Solarenergie und Batterien führen dazu, dass weniger Kohlekraftwerke und Öl genutzt werden, zeigt ein Bericht der norwegischen Beratungsfirma DNV am Mittwoch.

    Noch vergangenes Jahr war der CO₂-Ausstoß auf ein Rekordhoch gestiegen. Ein langsamer Rückgang nach einem Höhepunkt in diesem Jahr bedeute der DNV zufolge, dass eine Erwärmung um 2,2 Grad Celsius das wahrscheinlichste Szenario in diesem Jahrhundert sei. “Der Ausbau von Solarenergie und Batterien steigt schneller, als wir vorhergesagt haben”, sagte Remi Eriksen, Präsident und Vorstandsvorsitzender der DNV-Gruppe. Zur Erreichung der Klimaziele müsse die Energiewende aber weiter beschleunigt werden.

    Der Ölkonzern BP, der kürzlich seine Klimaziele heruntergeschraubt hatte, war in seinem jährlichen Energiebericht noch davon ausgegangen, dass die CO₂-Emissionen aus Energieverbrauch, industriellen Prozessen und Landnutzung erst im Jahr 2030 den Höchststand erreichen würden. rtr/lb

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    Klimafinanzierung: EU-Finanzminister fordern mehr Transparenz

    Alle Länder, die bereits einen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung leisten, sollten die Zahlen dazu offenlegen. So fordern es die Finanzminister der EU und schielen dabei wohl insbesondere auf China. Das Land ist als ehemaliges Entwicklungsland nicht verpflichtet, zur Klimafinanzierung beizutragen. Es zahlt aber laut einer Studie bereits durchschnittlich 4,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

    Beim Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) haben die EU-Ministerinnen und ihre Stellvertreter am Dienstag ihre Verhandlungsposition für die UN-Klimakonferenz diesen November festgelegt. Bei der COP29 in Baku soll der Rahmen für die internationale Klimafinanzierung ab 2025 entschieden werden. Die westlichen Industriestaaten fordern, dass der Kreis der Geberländer erweitert wird. Bislang waren diese Forderungen vor allem an China sowie die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten gerichtet.

    Sollten diese Länder, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, zur Klimafinanzierung beizutragen, bereits zahlen, müssten sie dies nun offenlegen, fordern die EU-Minister. Dies würde die Transparenz verbessern und könnte weitere Klimafinanzierung hebeln, heißt es in den Schlussfolgerungen.

    Welchen Beitrag Europa künftig leistet, legte der Ecofin noch nicht fest. Über die Höhe der europäischen Klimafinanzierung ab 2025 will die EU erst in Baku verhandeln. Kommende Woche legen die für die COP29 federführenden Umweltminister noch ihre Verhandlungsposition fest. luk

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    Chile: Warum die Klimapolitik “fast ausreichend” ist

    Chiles Klimapolitik zeigt Wirkung und wird inzwischen als “fast ausreichend” bezeichnet, damit das Land seinen Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels beiträgt. Zu diesem Ergebnis kommt der Climate Action Tracker (CAT) in seiner aktualisierten Bewertung des Landes.

    Nach der Verabschiedung eines Rahmengesetzes zum Klimawandel im Jahr 2022 habe es starke Fortschritte beim Klimaschutz gegeben. Dazu zählen:

    • schneller Ausbau der Erneuerbaren und des Übertragungsnetzes,
    • ein Plan zum Kohleausstieg, der sogar schneller als erwartet umgesetzt werden soll,
    • das Ziel einer Netto-Null-Industrie bis 2040,
    • ein Aktionsplan für grünen Wasserstoff und
    • eine Plan zur Entwicklung der Elektromobilität.

    Nach den Schätzungen des CAT haben die Emissionen in Chile bereits 2021 ihren Höhepunkt erreicht – und damit vier Jahre bevor sie es laut Zielsetzung sollten. Trotzdem werde das Land sein NDC für 2030 (minus 45 Prozent Netto-Emissionen im Vergleich zu 2016) mit der aktuellen Politik nicht erreichen, weil die Emissionen in der Industrie, in der Landwirtschaft und im Abfallsektor in den kommenden Jahren noch leicht ansteigen werden. Eine Gefahr sei auch, dass der Kohleausstieg in dem Land zu einem größeren Verbrauch von Erdgas und so nur zu geringen Emissionsreduktionen führe. Außerdem verlaufe die Umsetzung von Maßnahmen im Verkehrssektor zu langsam, kritisieren die Analysten des CAT.

    Trotz einiger Schwächen: nur wenige Länder weltweit erhalten die Bewertung “fast ausreichend” für ihre Klimapolitik. In keinem einzigen Land ist die Klimapolitik demnach mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. kul

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    Must-Reads

    Deutschlandfunk Nova: Klima und Erderwärmung: “Besser wird es nicht mehr”. Die Vitalzeichen unseres Ökosystems Erde lassen nach, beobachtet das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Menschheit steht am Rand einer unumkehrbaren Klimakatastrophe, das ist die Diagnose. Zum Artikel

    El Pais: Mehr Hurrikane durch den Klimawandel. Wissenschaftler warnen schon lange davor, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel Hurrikane zerstörerischer macht. Einer neuen Studie zufolge hat der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher intensiven Hurrikane wie Helene im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um das 2,5-fache erhöht. Zum Artikel

    Süddeutsche Zeitung: Schlechte Apfelernte wegen Wetterkapriolen. In diesem Jahr befürchten einige deutsche Apfelbauern einen vollständigen Ernteausfall. Grund dafür ist, dass die Bäume im Frühjahr ungewöhnlich früh zu blühen begannen und im April unerwarteter Frost einsetzte. Die Bauern sehen darin eine Auswirkung des Klimawandels. Zum Artikel

    Swiss Info: Trockene Luft führt zu geringeren Ernten. Das “Dampfdruckdefizit” (VPD), das die Auswirkungen der Luftfeuchtigkeit auf das Wachstum und die Entwicklung der Pflanzen misst, steigt exponentiell mit steigenden Temperaturen. Dieser Anstieg wurde erst kürzlich von Forschern entdeckt. Diese “Trocknungskraft” der Luft beschleunigt die Bodenverdunstung und ist mit einem erhöhten Waldbrandrisiko und geringeren landwirtschaftlichen Ernteerträgen verbunden. Zum Artikel

    t3n: Ferien in der Kälte. Das staatliche schwedische Tourismusunternehmen Visit Sweden hat den neuen Marketingbegriff “Coolcation” kreiert. Laut einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU liegen die Tourismuswerber mit diesem Marketing richtig. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Europäer aufgrund des Klimawandels ihren Urlaub künftig weiter im Norden verbringen werden. Zum Artikel

    Standpunkt

    Warum wir dringend einen europäischen Stahlpakt brauchen

    Von Dennis Radtke
    Dennis Radtke ist seit 2017 Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament.

    Eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie in der Europäischen Union ist essenziell für Wohlstand, die Resilienz industrieller Wertschöpfungsketten, Beschäftigung, wirtschaftliche Sicherheit und die grüne Transformation. Sie bietet mehr als 300.000 Arbeitnehmern gute, tariflich abgesicherte und mitbestimmte Industriearbeitsplätze. Stahl ist als Fundament industrieller Wertschöpfung in Europa systemrelevant. Zahlreiche integrierte Wertschöpfungsketten brauchen den Grundstoff Stahl. Hinzu kommt, dass Stahl als Hightech-Werkstoff der grünen Transformation den Weg ebnet. Ohne Stahl würde sich kein Windrad drehen. Keine einzige Kilowattstunde Strom könnte transportiert werden. Ohne Stahl würde kein Elektroauto auch nur einen Kilometer fahren.

    Als Basiswerkstoff für die Mobilitäts- und Energiewende sorgt zukünftig vor allem grüner Stahl für eine sichere und nachhaltige Grundstoffversorgung. Daher haben europäische Stahlerzeuger begonnen, mit staatlicher Unterstützung Milliarden in die CO₂-arme Stahlherstellung zu investieren und hierbei innovative Dekarbonisierungskonzepte umzusetzen.

    Die Stahlindustrie schrumpft bereits

    Dennoch befindet sich die europäische Stahlindustrie in einer historischen Krise. Eine schleichende Deindustrialisierung ist im Gange. Europa ist die einzige Weltregion mit einer schrumpfenden Stahlindustrie. In den letzten zehn Jahren hat die EU ein Fünftel ihrer Produktionskapazität sowie mehr als 20.000 Arbeitsplätze verloren. Statt eines Handelsüberschusses (16 Millionen Tonnen in 2012) weist die EU mittlerweile ein hohes Defizit aus (10 Millionen Tonnen in 2023). Die Auslastung europäischer Stahlwerke liegt mittlerweile bei unter 65 Prozent.

    Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Eine Schlüsselrolle spielt der steigende Importdruck aus Ländern mit Überkapazitäten. Allein die Überkapazitäten aus China übersteigen die gesamte europäische Produktion um den Faktor 5. Gerade die Kombination mit unfairen Handelspraktiken und fehlenden europäischen Antworten hierauf machen dies für die Stahlindustrie zu einem toxischen Gemisch.

    Ein Mix aus unterschiedlichen Maßnahmen kann helfen

    Einige Instrumente, mit denen die europäische Stahlindustrie gestützt wird, funktionieren bereits. Ein Beispiel sind Mindesteinfuhrpreise wie etwa bei kornorientiertem Elektroband. Hier sind aber dringend Preisanpassungen notwendig. Auch für die 2026 auslaufenden Steel Safeguards braucht es dringend eine Anschlusslösung.

    Darüber hinaus müssen die bestehenden Handelsschutzinstrumente (Anti-Dumping und Anti-Subsidy-Verfahren) schneller und wirksamer gegen unfaire Handelspraktiken eingesetzt werden. Hierfür gilt es, WTO- und EU-rechtliche Handlungsspielräume zu nutzen. Als ersten Schritt sollte die neue Europäische Kommission diese Spielräume im 1. Quartal 2025 klar identifizieren.

    CBAM und günstige grüne Energie sind dringende Baustellen

    Bevor der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM 2026 an den Start geht, muss die EU dringend die offenkundigen Konstruktionsfehler korrigieren. Denn bislang fehlt eine Lösung zur Entlastung von Stahlexporten in Drittstaaten. Damit Produkte, die im Wesentlichen aus Stahl bestehen, nach der Einführung von CBAM nicht nur im außereuropäischen Ausland wirtschaftlich hergestellt werden können, fordern wir eine Prüfung des Anwendungsbereichs mit Rücksichtnahme auf bürokratische, ökonomische und handelspolitische Hürden. Dies betrifft vor allem Downstream-Produkte, für die sich die Wettbewerbsfähigkeit in Europa massiv verschlechtern würde, weil sie nicht in den Anwendungsbereich fallen.

    Die Entwicklung der Energiekosten ist eine weitere Schlüsselfrage. Kurzfristig sollte die EU den Mitgliedstaaten ermöglichen, zeitlich begrenzte Entlastungsmechanismen wie Industriestrompreise zu etablieren. Eine wettbewerbsfähige Energieversorgung lässt sich perspektivisch aber nur über einen echten europäischen Energiemarkt sicherstellen. Dafür muss die Energietransportinfrastruktur konsequent über nationale Grenzen hinweg ausgebaut werden.

    Ein Stahlaktionsplan muss geschmiedet werden

    Um grünen Stahl wettbewerbsfähig zu bekommen, muss die EU ihren Beitrag dazu leisten, Leitmärkte für grünen Stahl zu entwickeln. Neben einer Revision der Vergaberichtlinie, die Fragen der Pariser Klimaziele und Tarifbindung inkludiert, kann auch eine vorgezogene Review der CO₂-Flottengrenzwerte für PKW eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen weg von einer reinen Betrachtung, was aus dem Auspuff kommt, hin zu einer gesamten CO₂-Bilanz eines Fahrzeugs. Dies würde für die Hersteller grünen Stahl attraktiver machen.

    Die EU-Kommission ist nun gefordert, schnell die Akteure an einen Tisch zu holen und mit Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräten einen verbindlichen Stahlaktionsplan zu verabreden. Die Politik muss endlich in den Handlungsmodus kommen. Der Entwicklung weiter tatenlos zuzuschauen würde bedeuten, dass wir den Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten akzeptieren und künftig autoritäre Regime bestimmen, ob in Europa Nachrüstung und Energiewende überhaupt noch möglich sind und wenn ja, zu welchem Preis.

    Dennis Radtke ist seit 2017 Mitglied im Europäischen Parlament. Für die CDU/EVP sitzt er im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Seit Kurzem ist er zudem Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Zuvor war Radtke Gewerkschaftssekretär der IG BCE.

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