Table.Briefing: Climate

COP29: Vor der Entscheidung + Schuldenkrise: Das Tabu von Baku + Heißes Eisen CO₂-Reduktion

Liebe Leserin, lieber Leser,

Sultan Al Jaber beteuert bis heute, dass das Majlis auf der COP28 in Dubai den Durchbruch für das Global Stocktake brachte. Die Zusammenkunft der führenden Köpfe nach dem Brauch der Emirate auf dem Klimagipfel vor einem Jahr soll den historischen Schritt zur Abkehr fossiler Brennstoffe überhaupt erst ermöglicht haben.

Eine ähnliche Dynamik könnte sich die aserbaidschanische COP-Präsidentschaft am Donnerstag ebenfalls erhofft haben, als sie zum Qurultay lud – so heißt eine traditionelle Versammlung der Turk-Völker. Doch dort ließen alle Länder erst einmal Dampf ab. Sie warfen einander vor, Spielchen zu spielen, und forderten die Präsidentschaft auf, endlich eine aktivere Rolle zu spielen. Vor allem die Debatte um Emissionsreduktion – Mitigation im COP-Jargon – spaltete die Gemüter, wie Bernhard Pötter analysiert.

Von einer positiven Dynamik war hier nichts zu spüren. Doch könnte das nicht genau das Playbook dieser COP sein? Auch in Dubai gab es kurz vor dem offiziellen Konferenzende nur einen schlechten Text, mit dem niemand wirklich zufrieden war. Doch dann bewegten sich Verhandler und erzielten den UAE Consensus “aka” die Vereinbarung zur Abkehr von den fossilen Brennstoffen.

Vielleicht erwartet uns heute ja wieder ein solches Kompromisspapier. Gerüchte auf den Gängen in Baku weisen darauf hin, wie Sie heute im Climate.Table lesen können.

Halten Sie durch!

Ihr
Lukas Knigge
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Analyse

Klimakonferenz vor dem Endspiel: Welche Strategien debattiert werden

Einige Indizien deuten darauf, dass COP-Präsident Mukhtar Babajew die gleiche Strategie verfolgt wie sein Vorgänger.

An ihrem offiziell vorletzten Tag war die COP29 am Donnerstag gleichzeitig von lähmendem Stillstand und von hektischen Aktivitäten geprägt. Neue Textentwürfe der Präsidentschaft am Morgen formulierten vor allem die altbekannten Gegensätze und führten zu scharfer Ablehnung durch viele Parteien. Eine Handschrift der Präsidentschaft zeichnete sich darin kaum ab.

Für die zentralen Fragen von Finanzen und Emissionsminderung deuteten sich den ganzen Tag über kaum Lösungen an. Allerdings gab es auch Informationen über Fortschritte beim Finanzziel und Versprechen für ehrgeizige NDCs von einer Reihe von Ländern – das könnte einen Deal befördern. Und die große Frage lautet: Steckt eine Strategie der Präsidentschaft dahinter?

In den bislang vorgelegten Texten hat die aserbaidschanische Präsidentschaft vor allem die gegensätzlichen Positionen dargestellt. Damit liegen die Vorschläge noch so weit auseinander, dass die Ministerinnen und Minister, die nun verhandeln, noch zu viele Optionen haben. Beim umkämpften Finanzziel im NCQG-Text gibt es etwa noch keine Zahlen. “Es fehlt ein Kompromissvorschlag“, um eine Brücke zwischen den Vorstellungen der einzelnen Staaten zu bauen, sagte Rob Moore, stellvertretender Direktor von E3G.

Auch die anderer Texte sind noch weit von einer Einigung entfernt. Das Thema der Emissionsminderung ist sogar so dargestellt, dass es zu einem bitteren Streit im Plenum führte.

EU-Vertreter bezeichneten die Vorschläge als “unausgewogen und inakzeptabel“. Die AOSIS-Gruppe der Inselstaaten monierte, dass es noch ein weiter Weg hin zu mehr Ausgeglichenheit und Ehrgeiz sei. Bolivien warf den entwickelten Ländern hingegen Heuchelei vor. Diese müssten die Finanzmittel aufstocken, anstatt auf Minderungszielen in den Entwicklungsländern zu beharren. Indien kritisierte andere Staaten dafür, mehr über Mitigation sprechen zu wollen. Das sei eine Ablenkung von der eigenen Verantwortung für die Bereitstellung von Finanzmitteln. Der auf die COP29 zurückgekehrte UN-Generalsekretär António Guterres mahnte: “Dies ist eine COP, um angesichts der Klimakatastrophe für Gerechtigkeit zu sorgen. Scheitern ist keine Option.”

Ein Drehbuch der Präsidentschaft?

Die entscheidende Frage ist, ob das alles möglicherweise einem Drehbuch der Präsidentschaft folgt. Das könnte sich wie im vergangenen Jahr in Dubai abspielen: Die Präsidentschaft legt nach den Konsultationen Texte vor, in denen sie die Meinungen der Länder nur zusammenfasst – und die für alle Seiten inakzeptabel sind und großen Widerstand hervorrufen. Nach einem Tag der Aufregung kommt die Präsidentschaft dann als Retter mit einem vorbereiteten Kompromisspapier – das wäre dann am Freitagmorgen. Dafür sprechen Gerüchte, es habe bereits Mittwochabend einen Kompromissvorschlag zu Finanzen gegeben, den die Präsidentschaft aber nicht aufgenommen habe.

Für eine solche Strategie der COP29-Lenker sprechen zwei Argumente: Sie hat bei der COP28 funktioniert. Und Aserbaidschan hat sich auch zum Beginn der Konferenz an das Dubai-Drehbuch gehalten, als es die Konferenz mit einem kleinen Erfolg bei den Verhandlungen zu Handelsfragen nach Artikel 6.4 eröffnete. Die Erinnerung an Dubai rief auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wach: Sie gab sich kämpferisch, was die EU-Ziele beim Thema Minderung und der “Ausweitung der Geberbasis” für eine Finanzlösung anging.

Baerbock beschwört große Koalition von Dubai

“Wir werden nicht zulassen, dass der Text aus Dubai verwässert wird”, so Baerbock. Sie erinnerte an die “große Koalition von Dubai”. Damals hatten etwa 140 Staaten den Fortschritt der Ziele im Global Stocktake (GST) durchgesetzt – mit Unterstützung der VAE-Präsidentschaft und gegen Saudi-Arabien, die auch in Baku als große Bremser auftreten. Möglicherweise wäre auch das wie vor einem Jahr: Ein Deal, der Saudi-Arabien isoliert.

In dieses Muster könnte auch die Debatte um Mitigation passen: Denn als Ausgleich für finanzielle Zusagen der Industriestaaten beim Finanzziel könnte das Abschlussdokument Fortschritte bei der Debatte um die Minderung gewähren. Das könnte zur dringend benötigten “Balance” eines Deals beitragen, den zwar jeder kritisiert, aber trotzdem etwas für sich darin findet.

Durchbruch dank EU und China?

Es gibt aber auch taktische Anzeichen für Kooperation. So gibt es offenbar Signale für Bewegung zwischen der EU, den Inselstaaten und China in der Frage des Finanzziels. China wisse, dass es hier eine Lösung geben müsse, heißt es. Sogar in der heiß umkämpften Debatte, wer zum “Quantum” beitragen müsse, soll es Fortschritte geben. “Wir sehen informelle Gespräche zwischen der EU und China, die einen Durchbruch in den kritischsten Fragen bringen könnten”, sagt Linda Kalcher, Exekutivdirektorin des Thinktanks Strategic Perspectives.

Beide Seiten arbeiten an einer Option zur Ausweitung der Geberbasis, sagen mehrere Beobachter. Sobald es Gewissheit gibt, dass die Industrieländer weiterhin die Hauptverantwortung für die Klimafinanzierung tragen, “könnte auch China seine Beiträge als Klimafinanzierung darstellen lassen. Potenziell gehören dazu auch Beiträge zum Budget von Entwicklungsbanken”, so Kalcher. Ein wichtiger Schlüssel für einen Beitrag Chinas wäre mehr Transparenz über Klimafinanzierung, die China heute schon leistet. China sendet Signale, dass es zu mehr Transparenz bereit wäre.

EU führt Initiative für ehrgeizige NDCs an

Für mehr Ehrgeiz plädierten gestern auch die EU, Kanada, Chile, Mexiko, Norwegen, Großbritannien, Brasilien, die Schweiz und Georgien. Sie versprachen in ihren Nationalen Klimazielen (NDCs), die Abkehr von fossilen Brennstoffen auf den Weg zu bringen. Sie kündigten an, ihre Ziele auf alle Wirtschaftssektoren und Treibhausgase auszuweiten und sie auf einen Pfad mit den jeweiligen Klimaneutralitätszielen zu bringen. Diesen Prinzipien sollten alle Länder in ihren nächsten NDCs folgen, erklärte EU-Kommissar Wopke Hoekstra.

Außer Großbritannien und Brasilien hat jedoch noch keines dieser Länder sein NDC für 2035 vorgestellt. Die EU wird ihres auch nicht mehr vor Ende der Deadline im Februar 2025 vorlegen, da die Mitgliedstaaten zunächst das Klimaziel für 2040 beschließen müssen, aus dem das 2035er-Ziel anschließend hervorgeht. Dennoch sehen Beobachter die Teilnahme der EU an der NDC-Initiative als positives Signal der EU.

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Staatsschulden: Warum die Entwicklungsländer keine Klimafinanzierung von China fordern

Ali Mohamed, der Vorsitzende der Afrika-Gruppe und Sondergesandte für Klimafragen des kenianischen Präsidenten William Ruto, auf der COP29.

Es ist eine der umstrittensten Fragen auf der COP29: Welche Länder sollen einen Beitrag zum neuen Finanzziel NCQG leisten? Die einkommensstarken und stark verschmutzenden Schwellenländer – zum Beispiel China – sind nicht bereit, Zahlungsverpflichtungen zu übernehmen. Die Entwicklungsländer fordern die Beteiligung Chinas nicht ein, obwohl das Land für viele von ihnen, insbesondere in Afrika, ein wichtiger Kreditgeber ist. Darüber wird auf der Klimakonferenz kaum gesprochen. Dafür gibt es gute Gründe.

Schulden schränken fiskalischen Spielraum ein

Die Verschuldung der Entwicklungsländer wird durch die vom Klimawandel verursachten, extremen Wetterereignisse und deren Folgen noch verschärft. Sie ist einer der Gründe für ihre Forderung, Zuschüsse und Darlehen zu sehr günstigen Konditionen zum Kern der Klimafinanzierung zu machen, die von den reichen Industrieländern bereitgestellt wird.

Besonders stark sind die Länder mit niedrigem und niedrigem bis mittlerem Einkommen durch Schulden belastet. Das schränkt den fiskalischen Spielraum für Maßnahmen ein, die die Energiewende beschleunigen würden – und auch das Tempo erhöhen würden, in dem diese Länder ihre Entwicklung generell klimafreundlicher ausrichten.

Ohne Verschuldungsdebatte keine sinnvolle Klimafinanzdiskussion

Solange die Frage der Verschuldung umgangen wird, kann kein sinnhaftes Gespräch über Klimafinanzierung stattfinden. In Baku wird zwar über die Vermeidung von Schulden diskutiert, aber in einem Punkt prägt offensichtliches Schweigen die Debatten: China, das anderen Entwicklungsländern mit Darlehen und Exportkrediten finanziell unter die Arme greift, wird kaum erwähnt.  

In seiner Rede auf dem World Leaders Climate Action Summit auf der COP29 sagte der stellvertretende chinesische Ministerpräsident Ding Xuexiang: “Seit 2016 hat China mehr als 177 Milliarden Yuan (umgerechnet 24,5 Milliarden US-Dollar) an Projektmitteln zur Unterstützung der Klimaschutzmaßnahmen anderer Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert.” “Bereitgestellt” meint hier Finanzmittel, die direkt aus den Staatshaushalten der Länder stammen und als offizielle Entwicklungshilfe kategorisiert werden, während “mobilisiert” sich auf öffentliches Geld aus den Staatshaushalten bezieht, das verwendet wird, um zusätzliche private Finanzmittel anzuschieben.

Der in Washington, D.C. ansässige Thinktank World Resources Institute WRI kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass China zwischen 2013 und 2022 rund 45 Milliarden US-Dollar an klimabezogenen Finanzmitteln für Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert hat. Davon entfielen etwa 26 Prozent oder 11,67 Milliarden US-Dollar auf Exportkredite, die die Verschuldung der Empfängerländer weiter in die Höhe treiben. Bei den Krediten handelt es sich um von Chinas Ex- und Importbank China EXIM gewährte Darlehen und von der chinesischen, staatseigenen Versicherungsgesellschaft SINOSURE bereitgestellte Garantien oder Versicherungen. Zum Vergleich: Im Fall der von den Industrieländern bereitgestellten Mittel machen Exportkredite drei Prozent aus.

“Alle Beträge sind irrelevant, wenn man sich nicht um den fiskalischen Spielraum kümmert”

Trotzdem wird bei den Diskussionen über das neue gemeinsame Finanzziel NCQG auf der COP29 die Verschuldung der Entwicklungsländer bei China umgangen. Das Thema ist in Baku tabu. Verhandlungsführer, die an den zweijährigen Gesprächen über das NCQG beteiligt waren, sagen, China habe deutlich gemacht, dass das UN-Klimarahmenabkommen UNFCCC und die Diskussion über das NCQG nicht der geeignete Rahmen für eine Diskussion über Schulden seien. Die Debatte gehöre nicht in den UN-Klimaprozess. 

Doch für viele Länder, darunter viele afrikanische und am wenigsten entwickelte Länder, ist die Frage der Verschuldung genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als die Höhe des neuen Ziels. Kenia zum Beispiel, ein Land mit mittlerem Einkommen, muss 67 Prozent seines Haushalts für die Schuldentilgung aufwenden. Nicht alles davon ist klimabezogen, aber die hohe Schuldenlast und der Schuldendienst schränken die Möglichkeiten eines Landes wie Kenia ein, Maßnahmen zur Emissionsreduzierung zu ergreifen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen und sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. 

“Wenn der fiskalische Spielraum keinen Zugang zu Finanzmitteln zulässt, dann kann man nichts tun. Alle hier in Baku vereinbarten Beträge sind irrelevant, wenn man sich nicht um den fiskalischen Spielraum kümmert”, sagte ein hochrangiger Verhandlungsführer aus Afrika. 

“Im Rahmen der UNFCCC muss der Schwerpunkt auf den Industriestaaten liegen”

Warum also spielen die Entwicklungsländer unter der Schirmherrschaft der G77 und Chinas die Schuldenfrage angesichts ihrer Bedeutung herunter? Das Thema ist zwar wichtig. Aber es hat auf der COP29 keine Priorität.

“Das Pariser Abkommen ist sehr klar und betont, dass die Industrieländer die Führung übernehmen und die Entwicklungsländer unterstützen müssen”, so Ali Mohamed, Vorsitzender der Afrika-Gruppe und Sondergesandter für Klimafragen des kenianischen Präsidenten William Ruto. 

Ein Diplomat eines kleinen Inselstaates erklärte: “Schulden sind natürlich wichtig, aber hier im Rahmen der Klimarahmenkonvention UNFCCC muss der Fokus darauf liegen, sicherzustellen, dass die entwickelten Industrieländer ihre rechtlichen Verpflichtungen unter der UNFCCC und dem Pariser Abkommen erfüllen, Klimafinanzierung bereitzustellen. Beim NCQG geht es um Klimafinanzierung, die von Industrieländern für Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert wird.”

Verhandlungsblock setzt auf Geschlossenheit

Die Unterhändler anderer großer und fortgeschrittener Entwicklungsländer und sogar der vulnerableren Entwicklungsländer sind ungeachtet der Zurückhaltung Chinas zum Thema Schulden der Ansicht, dass ein “gutes Finanzabkommen” nur dann zustande kommt, wenn der Block der Entwicklungsländer in Baku geschlossen bleibt. “Die G77 und China sind geschlossen aufgetreten und werden dies auch weiterhin tun. Sie haben Schritte unternommen, um ihre Einigkeit zu unterstreichen, indem sie ein kollektives Finanzziel in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar gefordert haben”, sagte Mohamed Adow, Gründungsdirektor des in Nairobi ansässigen Thinktank Power Shift Africa. 

Damit nehmen sich die Entwicklungsländer ein Beispiel an den Spielregeln der Industrieländer. Diese sind sich zwar in manchen Finanzierungsfragen uneinig, insbesondere was die Einhaltung von Zusagen betrifft. So stellt die Europäische Union mehr Finanzmittel zur Verfügung als die USA, und der französische Beitrag besteht eher aus Darlehen als aus Zuschüssen. Dennoch gibt es so etwas wie eine gemeinsame Position, wenn es um den Umgang mit Entwicklungsländern geht. Die Entwicklungsländer haben sich nun dafür entschieden, dem Vorbild zu folgen.

“Das Wichtigste nicht aus den Augen verlieren: die Zahlungspflicht der Industrieländer”

“Die Entwicklungsländer sind sich darüber im Klaren, dass in einer Gruppe von mehr als 130 Parteien mit unterschiedlichem Entwicklungs- und Wirtschaftsstand Meinungsverschiedenheiten an der Tagesordnung sind. Es kommt darauf an, wie diese gehandhabt werden, ohne das Wichtigste aus den Augen zu verlieren: sicherzustellen, dass die Industrieländer ihren Verpflichtungen zur Unterstützung nachkommen”, sagte ein Verhandlungsführer aus einem fortgeschrittenen Entwicklungsland. 

“Wir versuchen, mit Ländern wie China in Kontakt zu treten, um die Frage der Schulden und der Zuteilungsobergrenzen zu klären, aber das sind keine Bruchlinien, an denen die G77 und China zerbrechen könnten”, sagte ein hochrangiger afrikanischer Unterhändler. 

Es ist sinnvoll, zusammenzubleiben: Das mag bedeuten, dass die Diskussionen über einige Themen auf der COP29 ruhiger verlaufen oder verschoben werden. Doch das ist der Weg, den die G77 und China eingeschlagen haben. 

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COP29: Warum Emissionsreduktion zu einem heißen Eisen wird

Der bolivianische Delegationsleiter, Diego Pacheco, spricht sich dagegen aus, Emissionsreduktion im Abschlusspapier der COP29 zu verankern.

Es klingt absurd, aber so ist die COP: Einer der bittersten Kämpfe zwischen den Staatengruppen auf der COP29 dreht sich darum, ob und wie auf der Klimakonferenz eine Debatte über mehr effektiven Klimaschutz verankert werden kann: Eine Ländergruppe aus Entwicklungs- und Industrieländern macht Druck, das Thema Emissionsreduktion prominent im Entscheidungstext und damit im UNFCCC-Prozess zu verankern. Was sie unter “mehr effektive[m] Klimaschutz in den kritischen Jahren vor 2030” nennen, stößt dagegen bei vielen Schwellenländern auf Widerstand. Denn diese wehren sich dagegen, in ihren bald anstehenden Klimaplänen (NDCs) Kriterien zum Klimaschutz vorgeschrieben zu bekommen.

Die aktuellen Texte, die am Donnerstagmorgen vorgelegt wurden, zeigen diese Spaltung deutlich. Im Vorschlag zum “Mitigation Work Program” (MWP) etwa wird kaum eine Verbindung zu den anstehenden NDCs hergestellt – dafür wird aber betont, dass die Länder ihre Pläne eigenständig aufstellen und die Verbindung zu den NDCs freiwillig ist und jedes Land selbst entscheiden kann. Im Vorschlag zum “UAE Dialog” wiederum, mit dem die Ergebnisse der Globalen Bestandsaufnahme (Global Stocktake, GST) vom vergangenen Jahr fortgeführt werden sollen, finden sich zu dieser Frage vier verschiedene Optionen, die weit auseinanderliegen.

Entsprechend kontrovers waren im Plenum der COP29 am Donnerstagmittag dann auch die Meldungen. Länder wie Australien, die EU oder Deutschland wehrten sich gegen den Text, der “unakzeptabel” und “ein großer Schritt rückwärts” sei. Es brauche eine Verbindung der GST-Ergebnisse mit den Kriterien für die NDCs, der präsentierte Text “kann nicht unsere Antwort auf das Leiden der Menschen sein”, so Deutschlands Klimagesandte Jennifer Morgan. Sprecher der Entwicklungsländer warfen den Industrieländern dagegen vor, ihnen gegen das Pariser Abkommen Politik vorzuschreiben und keine Finanzierung für den Klimaschutz zu liefern.  

Emissionsreduktion in NDCs freiwillig

Der Hintergrund: Während der Begriff Finanzierung auf der COP-Agenda mehr als ein Dutzend Mal auftaucht, ist Emissionsreduktion, als Mitigation, dort bisher kaum verankert. Über die zentrale Frage der Klimakrise wird also offiziell kaum gesprochen: Nämlich wie am schnellsten die Treibhausgas-Emissionen zu senken sind.

Seit das MWP bei der COP26 in Glasgow beschlossen wurde, ist nie wirklich klar geworden, welche konkreten Folgen es haben soll. Denn laut Pariser Abkommen lassen sich die Länder Emissionssenkungen nicht vorschreiben – sie geben sie in ihren NDCs freiwillig an. Doch dass dieser Ehrgeiz in der Summe zur Erreichung der Pariser Ziele nicht ausreicht, bestätigt jedes Jahr erneut der NDC-Synthesereport aus dem UN-Klimasekretariat: Demnach sehen die aktuellen NDCS nur vor, dass die globalen Emissionen zwischen 1990 und 2030 nur um 2,6 Prozent sinken. Sie müssten allerdings ungefähr ein Minus von 45 Prozent erreichen, um das 1,5-Grad-Ziel nicht aufzugeben.

Weil schon vor dem Pariser Abkommen abzusehen war, dass die NDCs der Länder nicht ausreichen würden, gab es den Vorschlag, die Länder zu strengen NDCs zu verpflichten. Wenn diese dann nicht ausreichten, sollten sie an die Länder zur Nachbesserung zurückgeschickt werden. Das war nicht durchzusetzen. Jetzt gilt: Jedes Land tut nur, was es will und kann.

Mögliche Verbindungen zwischen NDCs und GST

Immerhin aber soll laut Pariser Abkommen das Global Stocktake die neuen NDCs, die bis Februar vorgelegt werden sollen, prägen. Im Beschluss zum GST auf der COP28 in Dubai wiederum wurde unter anderem festgehalten, dass die Länder sich von den fossilen Energien “wegbewegen” sollen (transition away), dass sie Erneuerbare verdreifachen und Effizienz verdoppeln und die Zerstörung der Wälder begrenzen. Diese Ziele hätten die Industriestaaten auch gern so verankert, dass sie die NDCs in den Ländern formen. Das könnte so aussehen:

  • Die NDCs könnten erklären, wie sie die Ziele des GST (transition away, Erneuerbare, Effizienz) umsetzen wollen.
  • In den NDCs könnten neue und weitgehende Forderungen formuliert werden – etwa einen Kohleausstieg mit Enddatum.
  • Die Länder könnten einige der bislang unverbindlichen Pledges der COP29-Präsidentschaft aufnehmen und daran die NDCs ausrichten (Ausbau Netze und Speicher, “grüne Korridore” für Erneuerbare Energien).
  • Sie könnten sich darauf beschränken, die Dubai-Sprache zu wiederholen – und damit als Fortschritt ausgeben, dass es keinen Rückschritt hinter Dubai gibt.

Kein Rückschritt ist für die EU in diesem Jahr offenbar die härteste mögliche Forderung, wie Klimakommissar Wopke Hoekstra auf der COP29 verkündete. Man dürfe nicht hinter die Sprache aus Dubai zurückfallen, lautete sein Mantra, bevor der letzte Textentwurf am Donnerstagmorgen erschien. Von neuen Forderungen zu Mitigation war nicht die Rede. Die Bestätigung der GST-Ergebnisse schien ohnehin das maximal Erreichbare in Baku. Nun, da der Textvorschlag laut Hoekstra “in die entgegengesetzte Richtung” gehe, stellt der Kommissar doch Forderungen nach “Aufwertung und Verbesserung” bei der Umsetzung der GST-Ziele.

G77 will keine Pflicht für Emissionsreduktion

Für die G77 und China wehrte sich gegen eine Verankerung von Emissionsreduktion in den Abschlussdokumenten der bolivianische Delegationsleiter Diego Pacheco. Für ihn wollen die Industriestaaten mit ihrem Vorstoß nur davon ablenken, dass sie bei Finanzen nicht zu Zugeständnissen bereit sind. Außerdem “sind das Maßnahmen, die anderen Ländern vorschreiben, was sie zu tun haben und die in ihre Politik eingreifen”, so Pacheco gegenüber Table.Briefings. Das sei ein Verstoß gegen das Pariser Abkommen.

Auch die Verschränkung der Ergebnisse von Dubai (transition away…) mit den NDCs, die im nächsten Februar 2025 anstehen, lehnt Pacheco ab. Es sei nicht einfach die Wiederholung des Konsenses von Dubai, wenn die einzelnen Länder-NDCs darauf ausgerichtet würden. Denn in Dubai richteten sich die Ziele von Erneuerbaren-Ausbau, Effizienz und fossilem Ausstieg an die globale Gemeinschaft – und nicht konkret an einzelne Länder in ihren aktuellen NDCs. Und bei der Umsetzung der Dubai-Beschlüsse müssten nun einmal die Industrieländer vorangehen, wie es überall im Prozess betont wird. Allerdings verlangen die Industrieländer nicht, dass alle Staaten die Dubai-Entscheidung in ihren NDCs umsetzen – sondern dass sie klarmachen, wie sie im Licht dieser Entscheidungen ihre eigenen Pläne auf das 1,5-Grad-Ziel ausrichten wollen.

In den Verhandlungen in Baku ist Mitigation nicht nur in sich wichtig, sondern auch einer der wichtigsten Verhandlungschips. Um ein ausgewogenes Abkommen zu erreichen, sollten Zugeständnisse der Industriestaaten beim Finanzziel mit Fortschritten bei Minderung verbunden werden. Wo genau mögliche Kompromisse liegen, wird über den Erfolg der COP29 entscheiden. Mit Lukas Knigge

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Loss & Damage: Warum Neuseeland Vanuatu Millionen zahlen will

Neuseeland will sich mit vier Millionen Neuseeland-Dollar (2,35 Millonen US-Dollar) an der Einrichtung eines Fonds für Schäden und Verluste (Loss and Damage) auf dem Inselstaat Vanuatu beteiligen. Darüber berichtet das neuseeländische Nachrichtenportal Newsroom. Der Deal soll in der kommenden Woche unterzeichnet werden. Vanuatu schätzte 2022, dass der Inselstaat im kommenden Jahrzehnt 177 Millionen Dollar benötige, um auf Schäden und Verluste reagieren zu können. Der neue Fonds für Vanuatu ist laut der neuseeländischen Delegation ein weiterer “Mosaikstein” im Funding für Schäden und Verluste.

Auch für den auf der COP27 beschlossenen, internationalen “Loss and Damage”-Fonds hat Neuseeland Geld zugesagt, nämlich rund sechs Millionen US-Dollar. Bisher ist dieser Fonds völlig unterfinanziert. Im vergangenen Jahr versprachen die Länder dafür auf der COP28 rund 675 Millionen US-Dollar, in diesem Jahr kamen bisher gerade mal weitere 85 Millionen hinzu. Der Bedarf wird aber mindestens auf hunderte Milliarden geschätzt. kul

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Mittelplate: Neue Klage gegen Ölplattform im Wattenmeer

Die Ölplattform Mittelplatte ist Naturschützern schon lange ein Dorn im Auge: Umgeben vom Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, in Sichtweite zur Vogelschutzinsel Trischen, wird seit 1987 Erdöl gefördert, das zunächst mit Schiffen und mittlerweile über eine Pipeline an Land transportiert wird. Die Förderung im Nationalpark ist zulässig, weil die Plattform genehmigt wurde, bevor der Nationalpark gegründet wurde. Nachdem frühere Klagen gegen die Ölförderung erfolglos waren, unternimmt die Deutsche Umwelthilfe jetzt einen neuen Anlauf, sie juristisch zu stoppen.

Der Verein hat am Donnerstag ein Eilverfahren eingeleitet. Es richtet sich gegen die Zulassung des Hauptbetriebsplans, der regelmäßig verlängert werden muss, um die Ölförderung fortsetzen zu dürfen. Begründet wird der Antrag auf sofortigen Förderstopp damit, dass für die Plattform nie eine Verträglichkeitsprüfung nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) durchgeführt wurde. Auch diese Richtilinie trat zwar erst in Kraft, als die Plattform schon in Betrieb war. Einen uneingeschränkten Bestandsschutz gibt es dabei aber nicht, argumentiert DUH-Anwalt Remo Klinger. So sei die Prüfung auch nachträglich durchzuführen, “wenn nicht ausgeschlossen ist, dass durch die Ausführung oder Fortsetzung eines solchen Projekts die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder der Störung von Arten besteht”.

Neben dem Schutz des Wattenmeers begründet die Umwelthilfe ihr Vorgehen gegen Mittelplate auch mit dem Klimaschutz. “Klimapolitisch kann Deutschland seine internationale Glaubwürdigkeit nur behalten, wenn die Nordsee und das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer so schnell wie möglich fossilfrei werden”, sagt der DUH-Leiter Energie und Klimaschutz, Constantin Zerger. mkr

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Industrieländer: Wie Klimafinanzierung wirtschaftliche Vorteile bringt

“Ein ehrgeiziges neues Klimafinanzierungsziel liegt ganz im Eigeninteresse aller Nationen, einschließlich der größten und reichsten”. Diese Aussage von UNFCCC-Exekutivsekretär Simon Stiell wird durch eine neue Untersuchung des Londoner Imperial College bestätigt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es “nicht nur gerecht ist, sondern auch im wirtschaftlichen Interesse der Industrieländer liegt”, Klimafinanzmittel in großem Umfang für die Entwicklungsländer zu leisten.

In ihrem Papier schätzen der Finanz- und Ökonomieprofessor Patrick Bolton und die Gastassistenzprofessorin für Finanzen Alissa M. Kleinnijenhuis das “innere Quantum” an öffentlichen Zuschüssen oder vergleichbaren Formen der Klimafinanzierung, die zur Dekarbonisierung des Energiesektors in Entwicklungsländern nötig sind, auf 255,9 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das zusätzliche “äußere Quantum”, das private Finanzmittel mit einschließt, betrage jährlich 957,9 Milliarden US-Dollar. Würden die Industrieländer dieses “innere Quantum” leisten, könnten sie daraus dem Papier zufolge einen hohen wirtschaftlichen Nutzen ziehen.

Bolton und Kleinnijenhuis empfehlen, das neue Finanzziel NCQG am 1,5-Grad-Limit auszurichten. Dazu müsse das NCGQ “sich auf den Ersatz fossiler Brennstoffe konzentrieren“, was sowohl die Opportunitätskosten einer frühzeitigen Stilllegung fossiler Brennstoffe umfasse, als auch die Investitionskosten in erneuerbare Energien, um mit dem Wachstum der Energienachfrage Schritt zu halten. Verhandlungspositionen auf der COP29, die dem widersprächen, wirkten “letztlich zum wirtschaftlichen Nachteil der Industrieländer und zum Nachteil der am wenigsten entwickelten Länder, der kleinen Inselstaaten und anderer Entwicklungsländer”. ae

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COP29: Über 50 Wissenschaftler fordern Schritte gegen Klimawirkung von Kondensstreifen

Klimaforscher aus aller Welt haben ein entschiedenes Vorgehen gegen die Kondensstreifen von Flugzeugen gefordert. In einem am Rande der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan veröffentlichten offenen Brief fordern die mehr als 50 Unterzeichner von der Politik, das Problem endlich ernst zu nehmen und zu handeln. Bereits vor 25 Jahren habe der Weltklimarat (IPCC) die Klimawirksamkeit von Kondensstreifen anerkannt. Seither sei jedoch viel zu wenig geschehen. 

Kondensstreifen so klimawirksam wie CO₂-Emissionen des Flugverkehrs 

Studien zeigen, dass Kondensstreifen mindestens ebenso stark zur globalen Erwärmung beitragen wie die CO₂-Emissionen des Luftverkehrs. Die Wissenschaftler halten deshalb eine Reihe von Maßnahmen für notwendig. Dazu gehören neben der weiteren Forschung auch der Aufbau eines Monitoringsystems und groß angelegte Pilotprojekte, damit Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden können, sobald sie verfügbar sind. Auch die Öffentlichkeit und die Passagiere sollten für das Thema sensibilisiert werden. 

Laut einer jüngsten Untersuchung verursachen nur drei Prozent aller Flüge 80 Prozent der globalen Erwärmung durch Kondensstreifen. Mehr als die Hälfte davon könnte bis 2040 durch eine Änderung von Flugrouten reduziert werden. Der daraus resultierende Nutzen für das Klima sei mindestens 15-mal größer als die zusätzlichen CO₂-Emissionen längerer Flugrouten, heißt es dort. Für eine Strecke von Frankfurt nach Washington beliefen sich die Mehrkosten pro Flug und Passagier auf weniger als vier Euro

Veränderte Flugrouten sind einfache Möglichkeit, die Erderwärmung zu stoppen 

“Die Verhinderung von Kondensstreifen hat sich als eine der am leichtesten zu erreichenden Optionen erwiesen, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu stoppen”, sagt Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich und einer der Unterzeichner des offenen Briefes. Da der Flugverkehr jedoch aus Sicherheitsgründen streng reguliert werden müsse, erforderten selbst geringfügige Änderungen der Flugrouten “eine koordinierte staatliche Federführung“. ch 

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Climate.Table Redaktion

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    Eine ähnliche Dynamik könnte sich die aserbaidschanische COP-Präsidentschaft am Donnerstag ebenfalls erhofft haben, als sie zum Qurultay lud – so heißt eine traditionelle Versammlung der Turk-Völker. Doch dort ließen alle Länder erst einmal Dampf ab. Sie warfen einander vor, Spielchen zu spielen, und forderten die Präsidentschaft auf, endlich eine aktivere Rolle zu spielen. Vor allem die Debatte um Emissionsreduktion – Mitigation im COP-Jargon – spaltete die Gemüter, wie Bernhard Pötter analysiert.

    Von einer positiven Dynamik war hier nichts zu spüren. Doch könnte das nicht genau das Playbook dieser COP sein? Auch in Dubai gab es kurz vor dem offiziellen Konferenzende nur einen schlechten Text, mit dem niemand wirklich zufrieden war. Doch dann bewegten sich Verhandler und erzielten den UAE Consensus “aka” die Vereinbarung zur Abkehr von den fossilen Brennstoffen.

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    Klimakonferenz vor dem Endspiel: Welche Strategien debattiert werden

    Einige Indizien deuten darauf, dass COP-Präsident Mukhtar Babajew die gleiche Strategie verfolgt wie sein Vorgänger.

    An ihrem offiziell vorletzten Tag war die COP29 am Donnerstag gleichzeitig von lähmendem Stillstand und von hektischen Aktivitäten geprägt. Neue Textentwürfe der Präsidentschaft am Morgen formulierten vor allem die altbekannten Gegensätze und führten zu scharfer Ablehnung durch viele Parteien. Eine Handschrift der Präsidentschaft zeichnete sich darin kaum ab.

    Für die zentralen Fragen von Finanzen und Emissionsminderung deuteten sich den ganzen Tag über kaum Lösungen an. Allerdings gab es auch Informationen über Fortschritte beim Finanzziel und Versprechen für ehrgeizige NDCs von einer Reihe von Ländern – das könnte einen Deal befördern. Und die große Frage lautet: Steckt eine Strategie der Präsidentschaft dahinter?

    In den bislang vorgelegten Texten hat die aserbaidschanische Präsidentschaft vor allem die gegensätzlichen Positionen dargestellt. Damit liegen die Vorschläge noch so weit auseinander, dass die Ministerinnen und Minister, die nun verhandeln, noch zu viele Optionen haben. Beim umkämpften Finanzziel im NCQG-Text gibt es etwa noch keine Zahlen. “Es fehlt ein Kompromissvorschlag“, um eine Brücke zwischen den Vorstellungen der einzelnen Staaten zu bauen, sagte Rob Moore, stellvertretender Direktor von E3G.

    Auch die anderer Texte sind noch weit von einer Einigung entfernt. Das Thema der Emissionsminderung ist sogar so dargestellt, dass es zu einem bitteren Streit im Plenum führte.

    EU-Vertreter bezeichneten die Vorschläge als “unausgewogen und inakzeptabel“. Die AOSIS-Gruppe der Inselstaaten monierte, dass es noch ein weiter Weg hin zu mehr Ausgeglichenheit und Ehrgeiz sei. Bolivien warf den entwickelten Ländern hingegen Heuchelei vor. Diese müssten die Finanzmittel aufstocken, anstatt auf Minderungszielen in den Entwicklungsländern zu beharren. Indien kritisierte andere Staaten dafür, mehr über Mitigation sprechen zu wollen. Das sei eine Ablenkung von der eigenen Verantwortung für die Bereitstellung von Finanzmitteln. Der auf die COP29 zurückgekehrte UN-Generalsekretär António Guterres mahnte: “Dies ist eine COP, um angesichts der Klimakatastrophe für Gerechtigkeit zu sorgen. Scheitern ist keine Option.”

    Ein Drehbuch der Präsidentschaft?

    Die entscheidende Frage ist, ob das alles möglicherweise einem Drehbuch der Präsidentschaft folgt. Das könnte sich wie im vergangenen Jahr in Dubai abspielen: Die Präsidentschaft legt nach den Konsultationen Texte vor, in denen sie die Meinungen der Länder nur zusammenfasst – und die für alle Seiten inakzeptabel sind und großen Widerstand hervorrufen. Nach einem Tag der Aufregung kommt die Präsidentschaft dann als Retter mit einem vorbereiteten Kompromisspapier – das wäre dann am Freitagmorgen. Dafür sprechen Gerüchte, es habe bereits Mittwochabend einen Kompromissvorschlag zu Finanzen gegeben, den die Präsidentschaft aber nicht aufgenommen habe.

    Für eine solche Strategie der COP29-Lenker sprechen zwei Argumente: Sie hat bei der COP28 funktioniert. Und Aserbaidschan hat sich auch zum Beginn der Konferenz an das Dubai-Drehbuch gehalten, als es die Konferenz mit einem kleinen Erfolg bei den Verhandlungen zu Handelsfragen nach Artikel 6.4 eröffnete. Die Erinnerung an Dubai rief auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wach: Sie gab sich kämpferisch, was die EU-Ziele beim Thema Minderung und der “Ausweitung der Geberbasis” für eine Finanzlösung anging.

    Baerbock beschwört große Koalition von Dubai

    “Wir werden nicht zulassen, dass der Text aus Dubai verwässert wird”, so Baerbock. Sie erinnerte an die “große Koalition von Dubai”. Damals hatten etwa 140 Staaten den Fortschritt der Ziele im Global Stocktake (GST) durchgesetzt – mit Unterstützung der VAE-Präsidentschaft und gegen Saudi-Arabien, die auch in Baku als große Bremser auftreten. Möglicherweise wäre auch das wie vor einem Jahr: Ein Deal, der Saudi-Arabien isoliert.

    In dieses Muster könnte auch die Debatte um Mitigation passen: Denn als Ausgleich für finanzielle Zusagen der Industriestaaten beim Finanzziel könnte das Abschlussdokument Fortschritte bei der Debatte um die Minderung gewähren. Das könnte zur dringend benötigten “Balance” eines Deals beitragen, den zwar jeder kritisiert, aber trotzdem etwas für sich darin findet.

    Durchbruch dank EU und China?

    Es gibt aber auch taktische Anzeichen für Kooperation. So gibt es offenbar Signale für Bewegung zwischen der EU, den Inselstaaten und China in der Frage des Finanzziels. China wisse, dass es hier eine Lösung geben müsse, heißt es. Sogar in der heiß umkämpften Debatte, wer zum “Quantum” beitragen müsse, soll es Fortschritte geben. “Wir sehen informelle Gespräche zwischen der EU und China, die einen Durchbruch in den kritischsten Fragen bringen könnten”, sagt Linda Kalcher, Exekutivdirektorin des Thinktanks Strategic Perspectives.

    Beide Seiten arbeiten an einer Option zur Ausweitung der Geberbasis, sagen mehrere Beobachter. Sobald es Gewissheit gibt, dass die Industrieländer weiterhin die Hauptverantwortung für die Klimafinanzierung tragen, “könnte auch China seine Beiträge als Klimafinanzierung darstellen lassen. Potenziell gehören dazu auch Beiträge zum Budget von Entwicklungsbanken”, so Kalcher. Ein wichtiger Schlüssel für einen Beitrag Chinas wäre mehr Transparenz über Klimafinanzierung, die China heute schon leistet. China sendet Signale, dass es zu mehr Transparenz bereit wäre.

    EU führt Initiative für ehrgeizige NDCs an

    Für mehr Ehrgeiz plädierten gestern auch die EU, Kanada, Chile, Mexiko, Norwegen, Großbritannien, Brasilien, die Schweiz und Georgien. Sie versprachen in ihren Nationalen Klimazielen (NDCs), die Abkehr von fossilen Brennstoffen auf den Weg zu bringen. Sie kündigten an, ihre Ziele auf alle Wirtschaftssektoren und Treibhausgase auszuweiten und sie auf einen Pfad mit den jeweiligen Klimaneutralitätszielen zu bringen. Diesen Prinzipien sollten alle Länder in ihren nächsten NDCs folgen, erklärte EU-Kommissar Wopke Hoekstra.

    Außer Großbritannien und Brasilien hat jedoch noch keines dieser Länder sein NDC für 2035 vorgestellt. Die EU wird ihres auch nicht mehr vor Ende der Deadline im Februar 2025 vorlegen, da die Mitgliedstaaten zunächst das Klimaziel für 2040 beschließen müssen, aus dem das 2035er-Ziel anschließend hervorgeht. Dennoch sehen Beobachter die Teilnahme der EU an der NDC-Initiative als positives Signal der EU.

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    Staatsschulden: Warum die Entwicklungsländer keine Klimafinanzierung von China fordern

    Ali Mohamed, der Vorsitzende der Afrika-Gruppe und Sondergesandte für Klimafragen des kenianischen Präsidenten William Ruto, auf der COP29.

    Es ist eine der umstrittensten Fragen auf der COP29: Welche Länder sollen einen Beitrag zum neuen Finanzziel NCQG leisten? Die einkommensstarken und stark verschmutzenden Schwellenländer – zum Beispiel China – sind nicht bereit, Zahlungsverpflichtungen zu übernehmen. Die Entwicklungsländer fordern die Beteiligung Chinas nicht ein, obwohl das Land für viele von ihnen, insbesondere in Afrika, ein wichtiger Kreditgeber ist. Darüber wird auf der Klimakonferenz kaum gesprochen. Dafür gibt es gute Gründe.

    Schulden schränken fiskalischen Spielraum ein

    Die Verschuldung der Entwicklungsländer wird durch die vom Klimawandel verursachten, extremen Wetterereignisse und deren Folgen noch verschärft. Sie ist einer der Gründe für ihre Forderung, Zuschüsse und Darlehen zu sehr günstigen Konditionen zum Kern der Klimafinanzierung zu machen, die von den reichen Industrieländern bereitgestellt wird.

    Besonders stark sind die Länder mit niedrigem und niedrigem bis mittlerem Einkommen durch Schulden belastet. Das schränkt den fiskalischen Spielraum für Maßnahmen ein, die die Energiewende beschleunigen würden – und auch das Tempo erhöhen würden, in dem diese Länder ihre Entwicklung generell klimafreundlicher ausrichten.

    Ohne Verschuldungsdebatte keine sinnvolle Klimafinanzdiskussion

    Solange die Frage der Verschuldung umgangen wird, kann kein sinnhaftes Gespräch über Klimafinanzierung stattfinden. In Baku wird zwar über die Vermeidung von Schulden diskutiert, aber in einem Punkt prägt offensichtliches Schweigen die Debatten: China, das anderen Entwicklungsländern mit Darlehen und Exportkrediten finanziell unter die Arme greift, wird kaum erwähnt.  

    In seiner Rede auf dem World Leaders Climate Action Summit auf der COP29 sagte der stellvertretende chinesische Ministerpräsident Ding Xuexiang: “Seit 2016 hat China mehr als 177 Milliarden Yuan (umgerechnet 24,5 Milliarden US-Dollar) an Projektmitteln zur Unterstützung der Klimaschutzmaßnahmen anderer Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert.” “Bereitgestellt” meint hier Finanzmittel, die direkt aus den Staatshaushalten der Länder stammen und als offizielle Entwicklungshilfe kategorisiert werden, während “mobilisiert” sich auf öffentliches Geld aus den Staatshaushalten bezieht, das verwendet wird, um zusätzliche private Finanzmittel anzuschieben.

    Der in Washington, D.C. ansässige Thinktank World Resources Institute WRI kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass China zwischen 2013 und 2022 rund 45 Milliarden US-Dollar an klimabezogenen Finanzmitteln für Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert hat. Davon entfielen etwa 26 Prozent oder 11,67 Milliarden US-Dollar auf Exportkredite, die die Verschuldung der Empfängerländer weiter in die Höhe treiben. Bei den Krediten handelt es sich um von Chinas Ex- und Importbank China EXIM gewährte Darlehen und von der chinesischen, staatseigenen Versicherungsgesellschaft SINOSURE bereitgestellte Garantien oder Versicherungen. Zum Vergleich: Im Fall der von den Industrieländern bereitgestellten Mittel machen Exportkredite drei Prozent aus.

    “Alle Beträge sind irrelevant, wenn man sich nicht um den fiskalischen Spielraum kümmert”

    Trotzdem wird bei den Diskussionen über das neue gemeinsame Finanzziel NCQG auf der COP29 die Verschuldung der Entwicklungsländer bei China umgangen. Das Thema ist in Baku tabu. Verhandlungsführer, die an den zweijährigen Gesprächen über das NCQG beteiligt waren, sagen, China habe deutlich gemacht, dass das UN-Klimarahmenabkommen UNFCCC und die Diskussion über das NCQG nicht der geeignete Rahmen für eine Diskussion über Schulden seien. Die Debatte gehöre nicht in den UN-Klimaprozess. 

    Doch für viele Länder, darunter viele afrikanische und am wenigsten entwickelte Länder, ist die Frage der Verschuldung genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als die Höhe des neuen Ziels. Kenia zum Beispiel, ein Land mit mittlerem Einkommen, muss 67 Prozent seines Haushalts für die Schuldentilgung aufwenden. Nicht alles davon ist klimabezogen, aber die hohe Schuldenlast und der Schuldendienst schränken die Möglichkeiten eines Landes wie Kenia ein, Maßnahmen zur Emissionsreduzierung zu ergreifen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen und sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. 

    “Wenn der fiskalische Spielraum keinen Zugang zu Finanzmitteln zulässt, dann kann man nichts tun. Alle hier in Baku vereinbarten Beträge sind irrelevant, wenn man sich nicht um den fiskalischen Spielraum kümmert”, sagte ein hochrangiger Verhandlungsführer aus Afrika. 

    “Im Rahmen der UNFCCC muss der Schwerpunkt auf den Industriestaaten liegen”

    Warum also spielen die Entwicklungsländer unter der Schirmherrschaft der G77 und Chinas die Schuldenfrage angesichts ihrer Bedeutung herunter? Das Thema ist zwar wichtig. Aber es hat auf der COP29 keine Priorität.

    “Das Pariser Abkommen ist sehr klar und betont, dass die Industrieländer die Führung übernehmen und die Entwicklungsländer unterstützen müssen”, so Ali Mohamed, Vorsitzender der Afrika-Gruppe und Sondergesandter für Klimafragen des kenianischen Präsidenten William Ruto. 

    Ein Diplomat eines kleinen Inselstaates erklärte: “Schulden sind natürlich wichtig, aber hier im Rahmen der Klimarahmenkonvention UNFCCC muss der Fokus darauf liegen, sicherzustellen, dass die entwickelten Industrieländer ihre rechtlichen Verpflichtungen unter der UNFCCC und dem Pariser Abkommen erfüllen, Klimafinanzierung bereitzustellen. Beim NCQG geht es um Klimafinanzierung, die von Industrieländern für Entwicklungsländer bereitgestellt und mobilisiert wird.”

    Verhandlungsblock setzt auf Geschlossenheit

    Die Unterhändler anderer großer und fortgeschrittener Entwicklungsländer und sogar der vulnerableren Entwicklungsländer sind ungeachtet der Zurückhaltung Chinas zum Thema Schulden der Ansicht, dass ein “gutes Finanzabkommen” nur dann zustande kommt, wenn der Block der Entwicklungsländer in Baku geschlossen bleibt. “Die G77 und China sind geschlossen aufgetreten und werden dies auch weiterhin tun. Sie haben Schritte unternommen, um ihre Einigkeit zu unterstreichen, indem sie ein kollektives Finanzziel in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar gefordert haben”, sagte Mohamed Adow, Gründungsdirektor des in Nairobi ansässigen Thinktank Power Shift Africa. 

    Damit nehmen sich die Entwicklungsländer ein Beispiel an den Spielregeln der Industrieländer. Diese sind sich zwar in manchen Finanzierungsfragen uneinig, insbesondere was die Einhaltung von Zusagen betrifft. So stellt die Europäische Union mehr Finanzmittel zur Verfügung als die USA, und der französische Beitrag besteht eher aus Darlehen als aus Zuschüssen. Dennoch gibt es so etwas wie eine gemeinsame Position, wenn es um den Umgang mit Entwicklungsländern geht. Die Entwicklungsländer haben sich nun dafür entschieden, dem Vorbild zu folgen.

    “Das Wichtigste nicht aus den Augen verlieren: die Zahlungspflicht der Industrieländer”

    “Die Entwicklungsländer sind sich darüber im Klaren, dass in einer Gruppe von mehr als 130 Parteien mit unterschiedlichem Entwicklungs- und Wirtschaftsstand Meinungsverschiedenheiten an der Tagesordnung sind. Es kommt darauf an, wie diese gehandhabt werden, ohne das Wichtigste aus den Augen zu verlieren: sicherzustellen, dass die Industrieländer ihren Verpflichtungen zur Unterstützung nachkommen”, sagte ein Verhandlungsführer aus einem fortgeschrittenen Entwicklungsland. 

    “Wir versuchen, mit Ländern wie China in Kontakt zu treten, um die Frage der Schulden und der Zuteilungsobergrenzen zu klären, aber das sind keine Bruchlinien, an denen die G77 und China zerbrechen könnten”, sagte ein hochrangiger afrikanischer Unterhändler. 

    Es ist sinnvoll, zusammenzubleiben: Das mag bedeuten, dass die Diskussionen über einige Themen auf der COP29 ruhiger verlaufen oder verschoben werden. Doch das ist der Weg, den die G77 und China eingeschlagen haben. 

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    COP29: Warum Emissionsreduktion zu einem heißen Eisen wird

    Der bolivianische Delegationsleiter, Diego Pacheco, spricht sich dagegen aus, Emissionsreduktion im Abschlusspapier der COP29 zu verankern.

    Es klingt absurd, aber so ist die COP: Einer der bittersten Kämpfe zwischen den Staatengruppen auf der COP29 dreht sich darum, ob und wie auf der Klimakonferenz eine Debatte über mehr effektiven Klimaschutz verankert werden kann: Eine Ländergruppe aus Entwicklungs- und Industrieländern macht Druck, das Thema Emissionsreduktion prominent im Entscheidungstext und damit im UNFCCC-Prozess zu verankern. Was sie unter “mehr effektive[m] Klimaschutz in den kritischen Jahren vor 2030” nennen, stößt dagegen bei vielen Schwellenländern auf Widerstand. Denn diese wehren sich dagegen, in ihren bald anstehenden Klimaplänen (NDCs) Kriterien zum Klimaschutz vorgeschrieben zu bekommen.

    Die aktuellen Texte, die am Donnerstagmorgen vorgelegt wurden, zeigen diese Spaltung deutlich. Im Vorschlag zum “Mitigation Work Program” (MWP) etwa wird kaum eine Verbindung zu den anstehenden NDCs hergestellt – dafür wird aber betont, dass die Länder ihre Pläne eigenständig aufstellen und die Verbindung zu den NDCs freiwillig ist und jedes Land selbst entscheiden kann. Im Vorschlag zum “UAE Dialog” wiederum, mit dem die Ergebnisse der Globalen Bestandsaufnahme (Global Stocktake, GST) vom vergangenen Jahr fortgeführt werden sollen, finden sich zu dieser Frage vier verschiedene Optionen, die weit auseinanderliegen.

    Entsprechend kontrovers waren im Plenum der COP29 am Donnerstagmittag dann auch die Meldungen. Länder wie Australien, die EU oder Deutschland wehrten sich gegen den Text, der “unakzeptabel” und “ein großer Schritt rückwärts” sei. Es brauche eine Verbindung der GST-Ergebnisse mit den Kriterien für die NDCs, der präsentierte Text “kann nicht unsere Antwort auf das Leiden der Menschen sein”, so Deutschlands Klimagesandte Jennifer Morgan. Sprecher der Entwicklungsländer warfen den Industrieländern dagegen vor, ihnen gegen das Pariser Abkommen Politik vorzuschreiben und keine Finanzierung für den Klimaschutz zu liefern.  

    Emissionsreduktion in NDCs freiwillig

    Der Hintergrund: Während der Begriff Finanzierung auf der COP-Agenda mehr als ein Dutzend Mal auftaucht, ist Emissionsreduktion, als Mitigation, dort bisher kaum verankert. Über die zentrale Frage der Klimakrise wird also offiziell kaum gesprochen: Nämlich wie am schnellsten die Treibhausgas-Emissionen zu senken sind.

    Seit das MWP bei der COP26 in Glasgow beschlossen wurde, ist nie wirklich klar geworden, welche konkreten Folgen es haben soll. Denn laut Pariser Abkommen lassen sich die Länder Emissionssenkungen nicht vorschreiben – sie geben sie in ihren NDCs freiwillig an. Doch dass dieser Ehrgeiz in der Summe zur Erreichung der Pariser Ziele nicht ausreicht, bestätigt jedes Jahr erneut der NDC-Synthesereport aus dem UN-Klimasekretariat: Demnach sehen die aktuellen NDCS nur vor, dass die globalen Emissionen zwischen 1990 und 2030 nur um 2,6 Prozent sinken. Sie müssten allerdings ungefähr ein Minus von 45 Prozent erreichen, um das 1,5-Grad-Ziel nicht aufzugeben.

    Weil schon vor dem Pariser Abkommen abzusehen war, dass die NDCs der Länder nicht ausreichen würden, gab es den Vorschlag, die Länder zu strengen NDCs zu verpflichten. Wenn diese dann nicht ausreichten, sollten sie an die Länder zur Nachbesserung zurückgeschickt werden. Das war nicht durchzusetzen. Jetzt gilt: Jedes Land tut nur, was es will und kann.

    Mögliche Verbindungen zwischen NDCs und GST

    Immerhin aber soll laut Pariser Abkommen das Global Stocktake die neuen NDCs, die bis Februar vorgelegt werden sollen, prägen. Im Beschluss zum GST auf der COP28 in Dubai wiederum wurde unter anderem festgehalten, dass die Länder sich von den fossilen Energien “wegbewegen” sollen (transition away), dass sie Erneuerbare verdreifachen und Effizienz verdoppeln und die Zerstörung der Wälder begrenzen. Diese Ziele hätten die Industriestaaten auch gern so verankert, dass sie die NDCs in den Ländern formen. Das könnte so aussehen:

    • Die NDCs könnten erklären, wie sie die Ziele des GST (transition away, Erneuerbare, Effizienz) umsetzen wollen.
    • In den NDCs könnten neue und weitgehende Forderungen formuliert werden – etwa einen Kohleausstieg mit Enddatum.
    • Die Länder könnten einige der bislang unverbindlichen Pledges der COP29-Präsidentschaft aufnehmen und daran die NDCs ausrichten (Ausbau Netze und Speicher, “grüne Korridore” für Erneuerbare Energien).
    • Sie könnten sich darauf beschränken, die Dubai-Sprache zu wiederholen – und damit als Fortschritt ausgeben, dass es keinen Rückschritt hinter Dubai gibt.

    Kein Rückschritt ist für die EU in diesem Jahr offenbar die härteste mögliche Forderung, wie Klimakommissar Wopke Hoekstra auf der COP29 verkündete. Man dürfe nicht hinter die Sprache aus Dubai zurückfallen, lautete sein Mantra, bevor der letzte Textentwurf am Donnerstagmorgen erschien. Von neuen Forderungen zu Mitigation war nicht die Rede. Die Bestätigung der GST-Ergebnisse schien ohnehin das maximal Erreichbare in Baku. Nun, da der Textvorschlag laut Hoekstra “in die entgegengesetzte Richtung” gehe, stellt der Kommissar doch Forderungen nach “Aufwertung und Verbesserung” bei der Umsetzung der GST-Ziele.

    G77 will keine Pflicht für Emissionsreduktion

    Für die G77 und China wehrte sich gegen eine Verankerung von Emissionsreduktion in den Abschlussdokumenten der bolivianische Delegationsleiter Diego Pacheco. Für ihn wollen die Industriestaaten mit ihrem Vorstoß nur davon ablenken, dass sie bei Finanzen nicht zu Zugeständnissen bereit sind. Außerdem “sind das Maßnahmen, die anderen Ländern vorschreiben, was sie zu tun haben und die in ihre Politik eingreifen”, so Pacheco gegenüber Table.Briefings. Das sei ein Verstoß gegen das Pariser Abkommen.

    Auch die Verschränkung der Ergebnisse von Dubai (transition away…) mit den NDCs, die im nächsten Februar 2025 anstehen, lehnt Pacheco ab. Es sei nicht einfach die Wiederholung des Konsenses von Dubai, wenn die einzelnen Länder-NDCs darauf ausgerichtet würden. Denn in Dubai richteten sich die Ziele von Erneuerbaren-Ausbau, Effizienz und fossilem Ausstieg an die globale Gemeinschaft – und nicht konkret an einzelne Länder in ihren aktuellen NDCs. Und bei der Umsetzung der Dubai-Beschlüsse müssten nun einmal die Industrieländer vorangehen, wie es überall im Prozess betont wird. Allerdings verlangen die Industrieländer nicht, dass alle Staaten die Dubai-Entscheidung in ihren NDCs umsetzen – sondern dass sie klarmachen, wie sie im Licht dieser Entscheidungen ihre eigenen Pläne auf das 1,5-Grad-Ziel ausrichten wollen.

    In den Verhandlungen in Baku ist Mitigation nicht nur in sich wichtig, sondern auch einer der wichtigsten Verhandlungschips. Um ein ausgewogenes Abkommen zu erreichen, sollten Zugeständnisse der Industriestaaten beim Finanzziel mit Fortschritten bei Minderung verbunden werden. Wo genau mögliche Kompromisse liegen, wird über den Erfolg der COP29 entscheiden. Mit Lukas Knigge

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    Loss & Damage: Warum Neuseeland Vanuatu Millionen zahlen will

    Neuseeland will sich mit vier Millionen Neuseeland-Dollar (2,35 Millonen US-Dollar) an der Einrichtung eines Fonds für Schäden und Verluste (Loss and Damage) auf dem Inselstaat Vanuatu beteiligen. Darüber berichtet das neuseeländische Nachrichtenportal Newsroom. Der Deal soll in der kommenden Woche unterzeichnet werden. Vanuatu schätzte 2022, dass der Inselstaat im kommenden Jahrzehnt 177 Millionen Dollar benötige, um auf Schäden und Verluste reagieren zu können. Der neue Fonds für Vanuatu ist laut der neuseeländischen Delegation ein weiterer “Mosaikstein” im Funding für Schäden und Verluste.

    Auch für den auf der COP27 beschlossenen, internationalen “Loss and Damage”-Fonds hat Neuseeland Geld zugesagt, nämlich rund sechs Millionen US-Dollar. Bisher ist dieser Fonds völlig unterfinanziert. Im vergangenen Jahr versprachen die Länder dafür auf der COP28 rund 675 Millionen US-Dollar, in diesem Jahr kamen bisher gerade mal weitere 85 Millionen hinzu. Der Bedarf wird aber mindestens auf hunderte Milliarden geschätzt. kul

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    Mittelplate: Neue Klage gegen Ölplattform im Wattenmeer

    Die Ölplattform Mittelplatte ist Naturschützern schon lange ein Dorn im Auge: Umgeben vom Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, in Sichtweite zur Vogelschutzinsel Trischen, wird seit 1987 Erdöl gefördert, das zunächst mit Schiffen und mittlerweile über eine Pipeline an Land transportiert wird. Die Förderung im Nationalpark ist zulässig, weil die Plattform genehmigt wurde, bevor der Nationalpark gegründet wurde. Nachdem frühere Klagen gegen die Ölförderung erfolglos waren, unternimmt die Deutsche Umwelthilfe jetzt einen neuen Anlauf, sie juristisch zu stoppen.

    Der Verein hat am Donnerstag ein Eilverfahren eingeleitet. Es richtet sich gegen die Zulassung des Hauptbetriebsplans, der regelmäßig verlängert werden muss, um die Ölförderung fortsetzen zu dürfen. Begründet wird der Antrag auf sofortigen Förderstopp damit, dass für die Plattform nie eine Verträglichkeitsprüfung nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) durchgeführt wurde. Auch diese Richtilinie trat zwar erst in Kraft, als die Plattform schon in Betrieb war. Einen uneingeschränkten Bestandsschutz gibt es dabei aber nicht, argumentiert DUH-Anwalt Remo Klinger. So sei die Prüfung auch nachträglich durchzuführen, “wenn nicht ausgeschlossen ist, dass durch die Ausführung oder Fortsetzung eines solchen Projekts die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder der Störung von Arten besteht”.

    Neben dem Schutz des Wattenmeers begründet die Umwelthilfe ihr Vorgehen gegen Mittelplate auch mit dem Klimaschutz. “Klimapolitisch kann Deutschland seine internationale Glaubwürdigkeit nur behalten, wenn die Nordsee und das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer so schnell wie möglich fossilfrei werden”, sagt der DUH-Leiter Energie und Klimaschutz, Constantin Zerger. mkr

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    Industrieländer: Wie Klimafinanzierung wirtschaftliche Vorteile bringt

    “Ein ehrgeiziges neues Klimafinanzierungsziel liegt ganz im Eigeninteresse aller Nationen, einschließlich der größten und reichsten”. Diese Aussage von UNFCCC-Exekutivsekretär Simon Stiell wird durch eine neue Untersuchung des Londoner Imperial College bestätigt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es “nicht nur gerecht ist, sondern auch im wirtschaftlichen Interesse der Industrieländer liegt”, Klimafinanzmittel in großem Umfang für die Entwicklungsländer zu leisten.

    In ihrem Papier schätzen der Finanz- und Ökonomieprofessor Patrick Bolton und die Gastassistenzprofessorin für Finanzen Alissa M. Kleinnijenhuis das “innere Quantum” an öffentlichen Zuschüssen oder vergleichbaren Formen der Klimafinanzierung, die zur Dekarbonisierung des Energiesektors in Entwicklungsländern nötig sind, auf 255,9 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das zusätzliche “äußere Quantum”, das private Finanzmittel mit einschließt, betrage jährlich 957,9 Milliarden US-Dollar. Würden die Industrieländer dieses “innere Quantum” leisten, könnten sie daraus dem Papier zufolge einen hohen wirtschaftlichen Nutzen ziehen.

    Bolton und Kleinnijenhuis empfehlen, das neue Finanzziel NCQG am 1,5-Grad-Limit auszurichten. Dazu müsse das NCGQ “sich auf den Ersatz fossiler Brennstoffe konzentrieren“, was sowohl die Opportunitätskosten einer frühzeitigen Stilllegung fossiler Brennstoffe umfasse, als auch die Investitionskosten in erneuerbare Energien, um mit dem Wachstum der Energienachfrage Schritt zu halten. Verhandlungspositionen auf der COP29, die dem widersprächen, wirkten “letztlich zum wirtschaftlichen Nachteil der Industrieländer und zum Nachteil der am wenigsten entwickelten Länder, der kleinen Inselstaaten und anderer Entwicklungsländer”. ae

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    COP29: Über 50 Wissenschaftler fordern Schritte gegen Klimawirkung von Kondensstreifen

    Klimaforscher aus aller Welt haben ein entschiedenes Vorgehen gegen die Kondensstreifen von Flugzeugen gefordert. In einem am Rande der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan veröffentlichten offenen Brief fordern die mehr als 50 Unterzeichner von der Politik, das Problem endlich ernst zu nehmen und zu handeln. Bereits vor 25 Jahren habe der Weltklimarat (IPCC) die Klimawirksamkeit von Kondensstreifen anerkannt. Seither sei jedoch viel zu wenig geschehen. 

    Kondensstreifen so klimawirksam wie CO₂-Emissionen des Flugverkehrs 

    Studien zeigen, dass Kondensstreifen mindestens ebenso stark zur globalen Erwärmung beitragen wie die CO₂-Emissionen des Luftverkehrs. Die Wissenschaftler halten deshalb eine Reihe von Maßnahmen für notwendig. Dazu gehören neben der weiteren Forschung auch der Aufbau eines Monitoringsystems und groß angelegte Pilotprojekte, damit Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden können, sobald sie verfügbar sind. Auch die Öffentlichkeit und die Passagiere sollten für das Thema sensibilisiert werden. 

    Laut einer jüngsten Untersuchung verursachen nur drei Prozent aller Flüge 80 Prozent der globalen Erwärmung durch Kondensstreifen. Mehr als die Hälfte davon könnte bis 2040 durch eine Änderung von Flugrouten reduziert werden. Der daraus resultierende Nutzen für das Klima sei mindestens 15-mal größer als die zusätzlichen CO₂-Emissionen längerer Flugrouten, heißt es dort. Für eine Strecke von Frankfurt nach Washington beliefen sich die Mehrkosten pro Flug und Passagier auf weniger als vier Euro

    Veränderte Flugrouten sind einfache Möglichkeit, die Erderwärmung zu stoppen 

    “Die Verhinderung von Kondensstreifen hat sich als eine der am leichtesten zu erreichenden Optionen erwiesen, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu stoppen”, sagt Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich und einer der Unterzeichner des offenen Briefes. Da der Flugverkehr jedoch aus Sicherheitsgründen streng reguliert werden müsse, erforderten selbst geringfügige Änderungen der Flugrouten “eine koordinierte staatliche Federführung“. ch 

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