der zweite Tag des Klimagipfels in Baku brachte harte Worte und wenig Hoffnung: Auf dem Leaders Summit zeigte sich Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew kritikresistent und warf stattdessen den USA und der EU sowie deren “Fake-News-Medien” eine Kampagne gegen sein Land vor. Eigentlich sollte der Gipfel mit den Staatschefs gute Stimmung und Kooperation fördern, um die schwierigen Fragen etwa zu Finanzen zu lösen. Doch die mächtigsten Länder der G20 schickten praktisch keine hochrangigen Vertreter. Das größte Hoffnungszeichen kam noch von Großbritannien, wie Bernhard Pötter analysiert.
Hoffnung, aber auch Kritik gab es unterdessen zur Einigung um Artikel 6.4 des Pariser Abkommens. Die neu beschlossenen Handelsregelungen für Treibhausgasminderungen verschafften der COP-Präsidentschaft einen frühen Erfolg. Doch einige Aspekte zum Artikel werden weiterhin verhandelt, das Thema ist noch nicht durch – und vor allem die Art, wie die Einigung in Baku zustande kam, bleibt umstritten, wie Lukas Knigge berichtet.
In den News lesen Sie heute über erste Ergebnisse des Klimaclubs, warum sich weiterhin kein Höchststand bei den CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen abzeichnet und welche Auswirkungen das Urteil zu Shells Emissionsverpflichtungen haben könnte.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Mit dringenden Appellen zu mehr Klimaschutz, scharfen Angriffen gegen die Kritiker Aserbaidschans und praktisch ohne hochrangige Beteiligung der mächtigsten Länder hat am zweiten Tag der COP29 das offizielle Programm begonnen. Am Vortag hatte sich das Plenum der COP noch in einem stundenlangen Kampf um die Tagesordnung gegenseitig blockiert. Dann gab es am späten Montagabend doch noch eine Teileinigung beim umstrittenen Thema Marktmechanismen (Artikel 6.4).
Am zweiten Tag der Konferenz sollten die höchstens dreiminütigen Statements der Staats- und Regierungschefs (manche hielten sich fast an ihre Redezeit) die Delegationen auf Gemeinsamkeiten und Kompromissbereitschaft für die nächsten zehn Tage einstellen.
Der “World Leaders Climate Action Summit” (WLCAS) mit über 80 Staats- und Regierungschefs am Beginn der Konferenz, der erst seit einigen Jahren üblich ist, sollte also zum Start der Verhandlungsphase Schwung und Glaubwürdigkeit geben. Aufbruchstimmung zu erzeugen, war nicht einfach. Denn es sprachen zum Großteil Vertreterinnen und Vertreter von Staaten, die wenig zum Klimaproblem beitragen und dringend auf Finanzhilfe warten.
Dagegen waren die großen G20-Länder und Hauptemittenten von Treibhausgasen nicht hochrangig erschienen: Weder China noch die USA, die EU, Indien, Brasilien, Russland oder Südafrika hatten wirkliche Entscheider nach Baku geschickt. Die G20, die zusammen etwa 80 Prozent der Emissionen erzeugen, treffen sich nächste Woche in Brasilien. Daher setzte der WLCAS kaum Impulse, um die verhärteten Fronten zwischen den Ländern bei Finanzmitteln, Anpassung und Klimaschutz aufzuweichen.
Die Stimmung wurde auch durch eine undiplomatische Begrüßungsrede gesetzt. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew wehrte sich vehement gegen die Kritik an seinem Land. Im Krieg um Bergkarabach im Herbst 2023 habe sein Staat das UN-Recht wiederhergestellt. Aserbaidschan sei der ideale “Brückenbauer zwischen Ost und West, Nord und Süd” und verfüge über große Ressourcen an Öl und Gas – die er ausdrücklich wiederholt als “Geschenk Gottes” bezeichnete. Per Pressemitteilung widersprach ihm Pastor Fletcher Harper von der religiösen Umweltgruppe Green Faith: “Mehr fossile Brennstoffe sind buchstäblich der Highway zur Hölle für Milliarden Menschen und den Planeten und sicher kein Geschenk Gottes. Das wären heute erneuerbare Energien.”
Alijew verwahrte sich auch dagegen, Aserbaidschan einen “Petro-Staat” zu nennen, da weniger als ein Prozent der globalen Gas- und Ölproduktion von hier stammten. Deutlich kritisierte er die USA, aber auch die EU als heuchlerisch, weil die Europäer Gas kaufen, dann aber durch “doppelte Standards und ihre Fake-News-Medien” sein Land kritisierten. Und für alle, die die COP boykottieren wollten, sagte er, “habe ich schlechte Nachrichten: Mehr als 80 Regierungschefs sind hier.”
Indirekt antwortete UN-Generalsekretär António Guterres darauf in seiner anschließenden Rede: Er nannte Pläne, fossile Energien auszubauen, absurd. Die Staaten hätten bei der COP28 beschlossen, sich von den Fossilen wegzubewegen und müssten nun liefern – bei Emissionsreduktionen, aber auch bei Finanzen und mehr Maßnahmen zur Anpassung. Auch er forderte aber: “Die G20-Staaten müssen vorangehen.” Bei Finanzen “muss es einen Deal geben, und ich bin zuversichtlich, dass er erreicht wird.”
Das klang bei den Wortmeldungen der ersten Staatschefs dann eher pessimistisch und kämpferisch. Am Nachmittag sprachen die Vertreter von Ländern wie Kasachstan, Serbien, Simbabwe, Usbekistan, Marshallinseln, Irak oder Kongo. Der türkische Präsident Recep Erdoğan bewarb sich wieder als Gastgeber für die COP31 im Jahr 2026, und Präsident Alexander Lukaschenko von Weißrussland fragte: “Wie effektiv kann unser Treffen sein, wenn diejenigen, die zahlen müssen, nicht hier sind?”.
Der scheidende EU-Ratspräsident Charles Michel wiederum vertritt den größten Zahler in der Klimapolitik: 31 Milliarden US-Dollar habe die EU für Klimahilfen aufgebracht, so Michel, “der Euro ist die Währung des Klimas”. Die Welt “kann sich auf Europa verlassen”, so Michel. Von einer allgemein geforderten starken Aufstockung dieser Mittel redete aber auch Michel, dessen Amtszeit in zwei Wochen endet, nicht.
Das größte Hoffnungszeichen setzte dagegen der neue britische Premierminister Keir Starmer. Er kündigte an, Großbritanniens neues NDC werde eine CO₂-Reduktion um 81 Prozent bis 2035 vorsehen, dafür werde man die fossile Stromversorgung durch massiven Ausbau von Offshore-Wind, CCS und Atomkraft dekarbonisieren. Von Umweltgruppen wurde der Plan, der dem Vorschlag des britischen Expertenrats CCC folgt, denn auch gelobt, weil er einen Weg zum Netto-Null-Ziel 2050 zeige und mit den Ergebnissen des Global Stocktage (GST) aus der COP28 übereinstimme.
Ob der britische Vorstoß ausreicht, um die Stimmung der Konferenz hin zu Kooperation, weniger Geiz und mehr Ehrgeiz zu verschieben, werden die nächsten Tage zeigen.
Es war der Auftakt, um den Gastgeber Aserbaidschan lange gerungen hatte: Zum Beginn der COP29 einigten sich die Delegationen auf einen Teilaspekt des umkämpften Artikels 6.4 des Pariser Klimaabkommens. Die Einigung regelt Standards für die Bewertung von Emissionsminderungs- und Entnahmeprojekten, aus denen Zertifikate in einem internationalen Emissionshandel für staatliche und private Akteure angeboten werden. Aufforstungsprojekte im Globalen Süden können ein Beispiel dafür sein.
Die Regeln sind mit der Annahme durch die COP am Montag bereits in Kraft. Damit können sich Projektentwickler und Firmen oder Organisationen, die solche Emissionszertifikate herausbringen, jetzt auf die neuen Standards einstellen. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil der bisherige Handel mit Emissionsminderungen aus dem Kyoto-Protokoll – der sogenannte Clean Development Mechanism (CDM) – im Jahr 2025 in die Regeln nach Artikel 6.4 des Pariser Klimaabkommens überführt wird.
Ein Expertengremium der UNFCCC hatte die neuen Regeln ausgearbeitet und bereits im Oktober veröffentlicht. Die COP-Präsidentschaft wollte einen frühen Erfolg verzeichnen und setzte am Montagabend die Annahme durch. Die Standards regeln im Detail, wie Projekte für Emissionsminderungen und Entnahmen ihre Emissionsreduktionen berechnen müssen.
So gilt unter anderem:
Projekte zur Treibhausgasentnahme unterliegen noch strengeren Regeln:
Andere Aspekte von Artikel 6.4 werden jedoch weiterhin verhandelt, das Thema ist somit nicht abgeschlossen. Unter anderem ist noch unklar, wie mit den Zertifikaten nach der Bestätigung durch das UN-Expertengremium umgegangen wird, zum Beispiel welche Regeln für die Dauer der Entnahmen gelten oder inwieweit Staaten sich diese Emissionsminderungen auf ihre eigenen Klimaziele (NDCs) anrechnen lassen können. Auch der Großteil der Details zu Artikel 6.2, der den zwischenstaatlichen Handel mit Emissionsminderungen regelt, muss noch zu Ende verhandelt werden.
Kritik wurde vor allem am Prozedere der Einigung geäußert. Kohlenstoffmarkt-Expertin Isa Mulder von Carbon Market Watch bezeichnete die Einigung als einen “Hinterzimmer-Deal”, der Ländern und Beobachtern nicht die nötige Zeit einräumte, sich mit den Vorschlägen zu befassen. Europäische Verhandler, die in den Verhandlungen zu Artikel 6 stets auf integre und strenge Regeln pochen, äußerten sich dagegen positiv über das Ergebnis: Man habe genug Zeit gehabt, die Vorschläge des Expertengremiums zu prüfen und sei froh, dass ein Teil von Artikel 6.4 nun ausgeräumt sei, hieß es.
Andere Beobachter bemängelten, dass der globale Kohlenstoffmarkt unter Artikel 6 verheerende Auswirkungen auf den Globalen Süden, auf indigene Völker und vor allem auf Kleinbauern haben werde. Florence Laloe, leitende Direktorin für Klimapolitik bei Conservation International, kommentierte, die Einigung helfe, den Kohlenstoffmarkt voll funktionsfähig zu machen. Man könne sich nun auf andere ausstehende Themen konzentrieren.
13. November, 10 Uhr, Karabakh Room/online
Pressekonferenz UNEP: Release of the Nitrous Oxide (N2O) Global Assessment
Auf dieser Pressekonferenz stellt das UN-Umweltprogramm (UNEP) einen globalen Bericht zum “vergessenen Superverschmutzer” Lachgas vor. INFOS
13. November, 11 Uhr, Mugham Room
Gipfel Troika High-level Dialogue: Our Roadmap to Mission 1.5 towards a future of shared prosperity
Bei diesem High-Level-Dialog stellen die Troika-Staaten der COP – Aserbaidschan, UAE und Brasilien – ihre Roadmap für das 1,5-Grad-Ziel vor. INFOS
13. November, 13.15 Uhr, Natavan Room
Side Event UNFCCC: Key reports of the Standing Committee on Finance for COP29
Auf diesem Side Event stellt UNFCCC die wichtigsten Berichte zu Fragen der Klimafinanz vor. INFOS
13. November, 14.30 Uhr, German Pavillon/online
Side Event Definding the Defenders – Safeguarding Human Rights and the Environment
Auf diesem Side Event am German Pavillon auf der COP29 erzählen Umweltaktivisten über ihre Lebensrealitäten. Im Jahr 2024 allein wurden mindestens 196 Umweltaktivisten ermordet. Diese Tatsache und die anhaltenden Repressionen sollen sichtbar gemacht werden. INFOS
Kommenden Montag will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der COP29 in Baku einen Standard für die Herstellung von grünem Zement vorstellen. Es ist ein erstes wichtiges Ergebnis des von Bundeskanzler Olaf Scholz initiierten und bei der COP28 in Dubai offiziell gegründeten Klimaclubs. Auch bei grünem Stahl gehen die Diskussionen über gemeinsame Standards voran. Die Definition der Internationalen Energieagentur gilt als Arbeitsgrundlage.
Offen ist noch, wie die Dekarbonisierung der Schwerindustrien insbesondere im Globalen Süden finanziert werden soll. In einer gemeinsamen Ankündigung einiger Industrieländer des Klimaclubs kommende Woche – darunter auch Deutschland und die USA – soll bereits erstes Geld versprochen werden, heißt es in Baku.
Darüber hinaus sollen Schwellenländer mit emissionsintensiven Industriezweigen über eine sogenannte Matchmaking-Plattform mit möglichen Finanziers zusammengebracht werden. Chile, Kolumbien, Indonesien, Kenia und Marokko seien bereits Teil der Plattform und sollen darüber finanzielle sowie technische Unterstützung bei der Dekarbonisierung erhalten.
Der Klimaclub wächst derweil weiter. Kroatien, die Slowakei, Polen und Bangladesch sind neu dabei, die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt somit 43 Länder. luk
Die weltweiten CO₂-Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe steigen im Jahr 2024 erneut an. Weiterhin gebe es “kein klares Zeichen” für einen Höchststand dieser Emissionen, warnt ein Bericht zum Global Carbon Budget, der am Mittwoch auf der COP29 in Baku vorgestellt wurde. Demnach gäbe es ein 50-prozentiges Risiko, dass das CO₂-Budget zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits in den nächsten sechs Jahren aufgebraucht sei.
Laut Bericht steigen die fossilen CO₂-Emissionen in diesem Jahr voraussichtlich um 0,3 bis 1,9 Prozent auf 37,4 Milliarden Tonnen CO₂. Sinkende Emissionen gebe es nur in 22 Staaten: etwa in den USA, Großbritannien und in einigen EU-Mitgliedsländern. Für die EU prognostiziert der Bericht einen Rückgang um 3,8 Prozent. Das sei vor allem auf den Ausbau erneuerbarer Energien und zu einem kleineren Teil auf eine niedrigere Wirtschaftsleistung zurückzuführen.
Weitere Fortschritte gebe es bei den CO₂-Emissionen aus der Landnutzung. Diese blieben zwar hoch, seien in den vergangenen zehn Jahren aber um 20 Prozent gesunken. Allerdings habe der Klimawandel die CO₂-Speicherfähigkeit der Landmassen in den letzten zehn Jahren um ein Viertel verringert. Insgesamt stagnierten somit die weltweiten CO₂-Emissionen bei 41,6 Milliarden Tonnen CO₂. Sie setzen sich aus Emissionen aus fossilen Energien und Veränderungen in der Landnutzung zusammen.
Derzeit befindet sich der jährliche aktualisierte Bericht im Peer-Review, er soll im Fachmagazin Earth System Science Data erscheinen. Mehr als 100 Experten haben unter Leitung der University of Exeter daran mitgearbeitet. lb
Das Überschreiten des 1,5-Grad-Limits führt nach Ansicht vieler Glaziologen dazu, dass große Teile des Grönländischen und Westantarktischen Eisschilds abschmelzen. Dadurch steige der Meeresspiegel um zehn Meter innerhalb der nächsten Jahrhunderte und bedrohe viele dicht besiedelte Küstenstädte, warnt der Bericht “State of the Cryosphere 2024” der International Cryosphere Climate Initiative. Dieser wurde am Dienstag auf der COP29 in Baku vorgestellt.
Mit den derzeitigen Klimaschutzmaßnahmen drohe eine Erwärmung jenseits von 3,1 Grad. Sie würde laut Bericht zu extremen Verlusten und Schäden führen, “die weit über dem Anpassungslimit vieler Gemeinden und Länder” liegen. Bis zum Jahr 2300 sei ein Anstieg des Meeresspiegels um rund 15 Meter möglich. Die meisten Gletscher in den Hochlagen Asiens würden verschwinden, was große Schäden in der Landwirtschaft der betroffenen Gegenden verursachen würde. Zudem wären die jährlichen Emissionen durch den tauenden Permafrost ähnlich hoch wie jene von China.
Nur eine Begrenzung auf 1,5 Grad könne die Eisschmelze so weit verlangsamen, dass sich Küsten- und Bergregionen daran anpassen können. Das würde die Anstiegsrate des Meeresspiegels stabilisieren und bis zu einem Drittel der Gletschermasse in Skandinavien und den Alpen retten. “Jegliche Überschreitung von 1,5 Grad ist extrem riskant aufgrund des Feedbacks der Kryosphäre“, warnt der Bericht zudem vor Overshoot-Szenarien, in denen die Temperaturen kurzzeitig 1,5 Grad überschreiten und danach wieder darunter sinken. Damit riskiere man, irreversible Kipppunkte wie die Schmelze der polaren Eisschilder und einen Kollaps der Atlantischen Umwälzströmung (AMOC) auszulösen. lb
Auf dem gestrigen “COP29 Summit on Methane and Non-CO₂ GHGs” gab es nur kleine Fortschritte im Kampf gegen die weltweiten Methanemissionen. Die Ergebnisse im Detail:
Der britische Öl- und Erdgaskonzern Shell muss seinen CO₂-Ausstoß doch nicht drastisch reduzieren. Ein Zivilgericht in Den Haag hob ein entsprechendes Klimaurteil der ersten Instanz auf und wies die Klage der Umweltschutzorganisation Milieudefensie ab. Das Urteil gilt als Sieg für den Energiekonzern, doch Milieudefensie kündigte an, weiterzukämpfen. Wahrscheinlich wird die Organisation nun bei der höchsten Instanz in Revision gehen.
2021 hatte ein Gericht Milieudefensie recht gegeben und Shell verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 um netto 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 zu senken. Das damalige Urteil legte dem Unternehmen eine weitreichende Verantwortung auf: Ihm zufolge galt die Reduktionsverpflichtung für den Treibhausgasausstoß entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also auch für die Emissionen von Zulieferern und Kunden. Diese sogenannten Scope-3-Emissionen machen rund 95 Prozent der gesamten Shell-Emissionen aus.
Die damalige Entscheidung galt als wegweisend für weitere Klimaklagen gegen Unternehmen. Das Berufungsgericht entschied jetzt anders. Shell habe zwar eine Pflicht, sich für den internationalen Klimaschutz einzusetzen. Doch dem Konzern könne nicht auferlegt werden, seine CO₂-Emissionen um einen konkreten Prozentsatz zu senken.
Die britische Investmentfirma Hargreaves Lansdown bewertete das Berufungsurteil als “Signal an die großen Emittenten, dass sie vorerst vor der Rechtsprechung zu internationalen Rahmenabkommen sicher sind“. Sébastien Duyck, Anwalt beim Center for International Environmental Law (CIEL), schrieb auf Anfrage von Table.Briefings: Das Urteil schütze Shell zwar vorübergehend davor, unmittelbar vor Gericht zur Rechenschaft gezogen zu werden, aber es berge auch für den Klimaschutz positive Elemente. Es sei “nur eine Frage der Zeit”, dass die großen fossilen Konzerne (Carbon Majors) Verantwortung für die von ihnen verursachten Kosten und Schäden übernehmen müssten.
Milieudefensie selbst sieht “einige Lichtblicke“ im Berufungsurteil:
Klimaanwältin Roda Verheyen, die in Deutschland unter anderem Klimaklagen gegen den Kohlekonzern RWE und den Automobilhersteller VW vertritt, bewertet das Urteil ähnlich: Es etabliere “sehr wichtige Grundsätze, die die Tür für zivilrechtliche Ansprüche öffnet und nicht schließt“, schrieb sie Table.Briefings – das betreffe auch die bereits laufenden Verfahren gegen RWE und VW in Deutschland sowie gegen Holcim in der Schweiz. dpa/ae
Der CEO von Exxon Mobil, Darren Woods, hat sich offenbar dafür ausgesprochen, dass die USA im Pariser Klimaabkommen bleiben – und sich damit gegen anderslautende Ankündigungen des kommenden Präsidenten Donald Trump gestellt. Das berichtet das Wall Street Journal (WSJ) exklusiv.
Demnach sagte Woods, ein zweiter Rückzug der USA aus dem Abkommen – nach 2015 – würde Unsicherheit erzeugen und die weltweiten Bemühungen, die schlimmsten Folgen des Klimawandels aufzuhalten, verwirren. Für das Geschäft sei es nicht hilfreich, “wenn das Pendel mit jedem Regierungswechsel hin und her schwingt”. Es sei auch “extrem ineffizient”.
Exxon hat die Ziele des Pariser Abkommens bislang öffentlich unterstützt. Als US-Präsident Joe Biden 2021 dem Abkommen nach Trumps erstem Austritt wieder beitrat, begrüßte der Konzern das. Dem Unternehmen wird jedoch vorgeworfen, bereits in den 1970er-Jahren über die Gefahren der Erderwärmung und die Rolle der fossilen Brennstoffe für den Klimawandel Bescheid gewusst, aber die Öffentlichkeit jahrzehntelang darüber getäuscht zu haben.
Woods’ Vorgänger Rex Tillerson war unter Trump in dessen erster Amtszeit von Februar 2017 bis März 2018 Außenminister. Für Tillerson war der Klimawandel ein “technisches Problem“, das auch technisch zu lösen sei. Woods scheint das ähnlich zu sehen: Auf der COP28 in Dubai kritisierte er die Debatte über das Ende der fossilen Energien und warb für Fracking – und CCS, mit dem klimaschädliche Emissionen, einmal aus der Atmosphäre geholt, gespeichert werden sollen. Wie das WSJ berichtet, sucht Exxon auch verstärkt das Gespräch darüber mit der US-Regierung. Derzeit sei Woods in Baku auf der COP29. ae
Ein erfolgreicher COP-Tag startet normalerweise schon am Eingang zum Konferenz-Gelände. Das Badge wird gescannt und dahinter stehen für gewöhnlich zwei freundlich dreinblickende Menschenketten. Die erste drückt interessierten COP-Besuchern die ECO in die Hand. Die Zeitschrift des Climate Action Network (CAN) ist eine der besten und wichtigsten Quellen für das, was in den Verhandlungsräumen so vor sich geht.
Die zweite Gruppe ist eigentlich noch überlebenswichtiger, denn hält das Elixier bereit, was die COP schon an vielen anstrengenden Tagen erträglicher gemacht hat: Schokolade. Doch genauso wie Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen glänzen die sonst so zuverlässigen UNFCCC-Ersthelfer, die die “Change Chocolate” bei vergangenen COPs unter die Leute brachten, in Baku durch Abwesenheit und sorgen bei Beobachtern, Verhandlern und Journalisten für ein schwerwiegendes Kaloriendefizit.
Womöglich startete die COP29 deshalb so holprig. Die UNFCCC sollte daher schleunigst ihren Vorrat wieder auffüllen und die 1,5-Grad-Schokolade unters COP-Volk bringen. Lukas Knigge
der zweite Tag des Klimagipfels in Baku brachte harte Worte und wenig Hoffnung: Auf dem Leaders Summit zeigte sich Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew kritikresistent und warf stattdessen den USA und der EU sowie deren “Fake-News-Medien” eine Kampagne gegen sein Land vor. Eigentlich sollte der Gipfel mit den Staatschefs gute Stimmung und Kooperation fördern, um die schwierigen Fragen etwa zu Finanzen zu lösen. Doch die mächtigsten Länder der G20 schickten praktisch keine hochrangigen Vertreter. Das größte Hoffnungszeichen kam noch von Großbritannien, wie Bernhard Pötter analysiert.
Hoffnung, aber auch Kritik gab es unterdessen zur Einigung um Artikel 6.4 des Pariser Abkommens. Die neu beschlossenen Handelsregelungen für Treibhausgasminderungen verschafften der COP-Präsidentschaft einen frühen Erfolg. Doch einige Aspekte zum Artikel werden weiterhin verhandelt, das Thema ist noch nicht durch – und vor allem die Art, wie die Einigung in Baku zustande kam, bleibt umstritten, wie Lukas Knigge berichtet.
In den News lesen Sie heute über erste Ergebnisse des Klimaclubs, warum sich weiterhin kein Höchststand bei den CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen abzeichnet und welche Auswirkungen das Urteil zu Shells Emissionsverpflichtungen haben könnte.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Mit dringenden Appellen zu mehr Klimaschutz, scharfen Angriffen gegen die Kritiker Aserbaidschans und praktisch ohne hochrangige Beteiligung der mächtigsten Länder hat am zweiten Tag der COP29 das offizielle Programm begonnen. Am Vortag hatte sich das Plenum der COP noch in einem stundenlangen Kampf um die Tagesordnung gegenseitig blockiert. Dann gab es am späten Montagabend doch noch eine Teileinigung beim umstrittenen Thema Marktmechanismen (Artikel 6.4).
Am zweiten Tag der Konferenz sollten die höchstens dreiminütigen Statements der Staats- und Regierungschefs (manche hielten sich fast an ihre Redezeit) die Delegationen auf Gemeinsamkeiten und Kompromissbereitschaft für die nächsten zehn Tage einstellen.
Der “World Leaders Climate Action Summit” (WLCAS) mit über 80 Staats- und Regierungschefs am Beginn der Konferenz, der erst seit einigen Jahren üblich ist, sollte also zum Start der Verhandlungsphase Schwung und Glaubwürdigkeit geben. Aufbruchstimmung zu erzeugen, war nicht einfach. Denn es sprachen zum Großteil Vertreterinnen und Vertreter von Staaten, die wenig zum Klimaproblem beitragen und dringend auf Finanzhilfe warten.
Dagegen waren die großen G20-Länder und Hauptemittenten von Treibhausgasen nicht hochrangig erschienen: Weder China noch die USA, die EU, Indien, Brasilien, Russland oder Südafrika hatten wirkliche Entscheider nach Baku geschickt. Die G20, die zusammen etwa 80 Prozent der Emissionen erzeugen, treffen sich nächste Woche in Brasilien. Daher setzte der WLCAS kaum Impulse, um die verhärteten Fronten zwischen den Ländern bei Finanzmitteln, Anpassung und Klimaschutz aufzuweichen.
Die Stimmung wurde auch durch eine undiplomatische Begrüßungsrede gesetzt. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew wehrte sich vehement gegen die Kritik an seinem Land. Im Krieg um Bergkarabach im Herbst 2023 habe sein Staat das UN-Recht wiederhergestellt. Aserbaidschan sei der ideale “Brückenbauer zwischen Ost und West, Nord und Süd” und verfüge über große Ressourcen an Öl und Gas – die er ausdrücklich wiederholt als “Geschenk Gottes” bezeichnete. Per Pressemitteilung widersprach ihm Pastor Fletcher Harper von der religiösen Umweltgruppe Green Faith: “Mehr fossile Brennstoffe sind buchstäblich der Highway zur Hölle für Milliarden Menschen und den Planeten und sicher kein Geschenk Gottes. Das wären heute erneuerbare Energien.”
Alijew verwahrte sich auch dagegen, Aserbaidschan einen “Petro-Staat” zu nennen, da weniger als ein Prozent der globalen Gas- und Ölproduktion von hier stammten. Deutlich kritisierte er die USA, aber auch die EU als heuchlerisch, weil die Europäer Gas kaufen, dann aber durch “doppelte Standards und ihre Fake-News-Medien” sein Land kritisierten. Und für alle, die die COP boykottieren wollten, sagte er, “habe ich schlechte Nachrichten: Mehr als 80 Regierungschefs sind hier.”
Indirekt antwortete UN-Generalsekretär António Guterres darauf in seiner anschließenden Rede: Er nannte Pläne, fossile Energien auszubauen, absurd. Die Staaten hätten bei der COP28 beschlossen, sich von den Fossilen wegzubewegen und müssten nun liefern – bei Emissionsreduktionen, aber auch bei Finanzen und mehr Maßnahmen zur Anpassung. Auch er forderte aber: “Die G20-Staaten müssen vorangehen.” Bei Finanzen “muss es einen Deal geben, und ich bin zuversichtlich, dass er erreicht wird.”
Das klang bei den Wortmeldungen der ersten Staatschefs dann eher pessimistisch und kämpferisch. Am Nachmittag sprachen die Vertreter von Ländern wie Kasachstan, Serbien, Simbabwe, Usbekistan, Marshallinseln, Irak oder Kongo. Der türkische Präsident Recep Erdoğan bewarb sich wieder als Gastgeber für die COP31 im Jahr 2026, und Präsident Alexander Lukaschenko von Weißrussland fragte: “Wie effektiv kann unser Treffen sein, wenn diejenigen, die zahlen müssen, nicht hier sind?”.
Der scheidende EU-Ratspräsident Charles Michel wiederum vertritt den größten Zahler in der Klimapolitik: 31 Milliarden US-Dollar habe die EU für Klimahilfen aufgebracht, so Michel, “der Euro ist die Währung des Klimas”. Die Welt “kann sich auf Europa verlassen”, so Michel. Von einer allgemein geforderten starken Aufstockung dieser Mittel redete aber auch Michel, dessen Amtszeit in zwei Wochen endet, nicht.
Das größte Hoffnungszeichen setzte dagegen der neue britische Premierminister Keir Starmer. Er kündigte an, Großbritanniens neues NDC werde eine CO₂-Reduktion um 81 Prozent bis 2035 vorsehen, dafür werde man die fossile Stromversorgung durch massiven Ausbau von Offshore-Wind, CCS und Atomkraft dekarbonisieren. Von Umweltgruppen wurde der Plan, der dem Vorschlag des britischen Expertenrats CCC folgt, denn auch gelobt, weil er einen Weg zum Netto-Null-Ziel 2050 zeige und mit den Ergebnissen des Global Stocktage (GST) aus der COP28 übereinstimme.
Ob der britische Vorstoß ausreicht, um die Stimmung der Konferenz hin zu Kooperation, weniger Geiz und mehr Ehrgeiz zu verschieben, werden die nächsten Tage zeigen.
Es war der Auftakt, um den Gastgeber Aserbaidschan lange gerungen hatte: Zum Beginn der COP29 einigten sich die Delegationen auf einen Teilaspekt des umkämpften Artikels 6.4 des Pariser Klimaabkommens. Die Einigung regelt Standards für die Bewertung von Emissionsminderungs- und Entnahmeprojekten, aus denen Zertifikate in einem internationalen Emissionshandel für staatliche und private Akteure angeboten werden. Aufforstungsprojekte im Globalen Süden können ein Beispiel dafür sein.
Die Regeln sind mit der Annahme durch die COP am Montag bereits in Kraft. Damit können sich Projektentwickler und Firmen oder Organisationen, die solche Emissionszertifikate herausbringen, jetzt auf die neuen Standards einstellen. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil der bisherige Handel mit Emissionsminderungen aus dem Kyoto-Protokoll – der sogenannte Clean Development Mechanism (CDM) – im Jahr 2025 in die Regeln nach Artikel 6.4 des Pariser Klimaabkommens überführt wird.
Ein Expertengremium der UNFCCC hatte die neuen Regeln ausgearbeitet und bereits im Oktober veröffentlicht. Die COP-Präsidentschaft wollte einen frühen Erfolg verzeichnen und setzte am Montagabend die Annahme durch. Die Standards regeln im Detail, wie Projekte für Emissionsminderungen und Entnahmen ihre Emissionsreduktionen berechnen müssen.
So gilt unter anderem:
Projekte zur Treibhausgasentnahme unterliegen noch strengeren Regeln:
Andere Aspekte von Artikel 6.4 werden jedoch weiterhin verhandelt, das Thema ist somit nicht abgeschlossen. Unter anderem ist noch unklar, wie mit den Zertifikaten nach der Bestätigung durch das UN-Expertengremium umgegangen wird, zum Beispiel welche Regeln für die Dauer der Entnahmen gelten oder inwieweit Staaten sich diese Emissionsminderungen auf ihre eigenen Klimaziele (NDCs) anrechnen lassen können. Auch der Großteil der Details zu Artikel 6.2, der den zwischenstaatlichen Handel mit Emissionsminderungen regelt, muss noch zu Ende verhandelt werden.
Kritik wurde vor allem am Prozedere der Einigung geäußert. Kohlenstoffmarkt-Expertin Isa Mulder von Carbon Market Watch bezeichnete die Einigung als einen “Hinterzimmer-Deal”, der Ländern und Beobachtern nicht die nötige Zeit einräumte, sich mit den Vorschlägen zu befassen. Europäische Verhandler, die in den Verhandlungen zu Artikel 6 stets auf integre und strenge Regeln pochen, äußerten sich dagegen positiv über das Ergebnis: Man habe genug Zeit gehabt, die Vorschläge des Expertengremiums zu prüfen und sei froh, dass ein Teil von Artikel 6.4 nun ausgeräumt sei, hieß es.
Andere Beobachter bemängelten, dass der globale Kohlenstoffmarkt unter Artikel 6 verheerende Auswirkungen auf den Globalen Süden, auf indigene Völker und vor allem auf Kleinbauern haben werde. Florence Laloe, leitende Direktorin für Klimapolitik bei Conservation International, kommentierte, die Einigung helfe, den Kohlenstoffmarkt voll funktionsfähig zu machen. Man könne sich nun auf andere ausstehende Themen konzentrieren.
13. November, 10 Uhr, Karabakh Room/online
Pressekonferenz UNEP: Release of the Nitrous Oxide (N2O) Global Assessment
Auf dieser Pressekonferenz stellt das UN-Umweltprogramm (UNEP) einen globalen Bericht zum “vergessenen Superverschmutzer” Lachgas vor. INFOS
13. November, 11 Uhr, Mugham Room
Gipfel Troika High-level Dialogue: Our Roadmap to Mission 1.5 towards a future of shared prosperity
Bei diesem High-Level-Dialog stellen die Troika-Staaten der COP – Aserbaidschan, UAE und Brasilien – ihre Roadmap für das 1,5-Grad-Ziel vor. INFOS
13. November, 13.15 Uhr, Natavan Room
Side Event UNFCCC: Key reports of the Standing Committee on Finance for COP29
Auf diesem Side Event stellt UNFCCC die wichtigsten Berichte zu Fragen der Klimafinanz vor. INFOS
13. November, 14.30 Uhr, German Pavillon/online
Side Event Definding the Defenders – Safeguarding Human Rights and the Environment
Auf diesem Side Event am German Pavillon auf der COP29 erzählen Umweltaktivisten über ihre Lebensrealitäten. Im Jahr 2024 allein wurden mindestens 196 Umweltaktivisten ermordet. Diese Tatsache und die anhaltenden Repressionen sollen sichtbar gemacht werden. INFOS
Kommenden Montag will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der COP29 in Baku einen Standard für die Herstellung von grünem Zement vorstellen. Es ist ein erstes wichtiges Ergebnis des von Bundeskanzler Olaf Scholz initiierten und bei der COP28 in Dubai offiziell gegründeten Klimaclubs. Auch bei grünem Stahl gehen die Diskussionen über gemeinsame Standards voran. Die Definition der Internationalen Energieagentur gilt als Arbeitsgrundlage.
Offen ist noch, wie die Dekarbonisierung der Schwerindustrien insbesondere im Globalen Süden finanziert werden soll. In einer gemeinsamen Ankündigung einiger Industrieländer des Klimaclubs kommende Woche – darunter auch Deutschland und die USA – soll bereits erstes Geld versprochen werden, heißt es in Baku.
Darüber hinaus sollen Schwellenländer mit emissionsintensiven Industriezweigen über eine sogenannte Matchmaking-Plattform mit möglichen Finanziers zusammengebracht werden. Chile, Kolumbien, Indonesien, Kenia und Marokko seien bereits Teil der Plattform und sollen darüber finanzielle sowie technische Unterstützung bei der Dekarbonisierung erhalten.
Der Klimaclub wächst derweil weiter. Kroatien, die Slowakei, Polen und Bangladesch sind neu dabei, die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt somit 43 Länder. luk
Die weltweiten CO₂-Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe steigen im Jahr 2024 erneut an. Weiterhin gebe es “kein klares Zeichen” für einen Höchststand dieser Emissionen, warnt ein Bericht zum Global Carbon Budget, der am Mittwoch auf der COP29 in Baku vorgestellt wurde. Demnach gäbe es ein 50-prozentiges Risiko, dass das CO₂-Budget zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits in den nächsten sechs Jahren aufgebraucht sei.
Laut Bericht steigen die fossilen CO₂-Emissionen in diesem Jahr voraussichtlich um 0,3 bis 1,9 Prozent auf 37,4 Milliarden Tonnen CO₂. Sinkende Emissionen gebe es nur in 22 Staaten: etwa in den USA, Großbritannien und in einigen EU-Mitgliedsländern. Für die EU prognostiziert der Bericht einen Rückgang um 3,8 Prozent. Das sei vor allem auf den Ausbau erneuerbarer Energien und zu einem kleineren Teil auf eine niedrigere Wirtschaftsleistung zurückzuführen.
Weitere Fortschritte gebe es bei den CO₂-Emissionen aus der Landnutzung. Diese blieben zwar hoch, seien in den vergangenen zehn Jahren aber um 20 Prozent gesunken. Allerdings habe der Klimawandel die CO₂-Speicherfähigkeit der Landmassen in den letzten zehn Jahren um ein Viertel verringert. Insgesamt stagnierten somit die weltweiten CO₂-Emissionen bei 41,6 Milliarden Tonnen CO₂. Sie setzen sich aus Emissionen aus fossilen Energien und Veränderungen in der Landnutzung zusammen.
Derzeit befindet sich der jährliche aktualisierte Bericht im Peer-Review, er soll im Fachmagazin Earth System Science Data erscheinen. Mehr als 100 Experten haben unter Leitung der University of Exeter daran mitgearbeitet. lb
Das Überschreiten des 1,5-Grad-Limits führt nach Ansicht vieler Glaziologen dazu, dass große Teile des Grönländischen und Westantarktischen Eisschilds abschmelzen. Dadurch steige der Meeresspiegel um zehn Meter innerhalb der nächsten Jahrhunderte und bedrohe viele dicht besiedelte Küstenstädte, warnt der Bericht “State of the Cryosphere 2024” der International Cryosphere Climate Initiative. Dieser wurde am Dienstag auf der COP29 in Baku vorgestellt.
Mit den derzeitigen Klimaschutzmaßnahmen drohe eine Erwärmung jenseits von 3,1 Grad. Sie würde laut Bericht zu extremen Verlusten und Schäden führen, “die weit über dem Anpassungslimit vieler Gemeinden und Länder” liegen. Bis zum Jahr 2300 sei ein Anstieg des Meeresspiegels um rund 15 Meter möglich. Die meisten Gletscher in den Hochlagen Asiens würden verschwinden, was große Schäden in der Landwirtschaft der betroffenen Gegenden verursachen würde. Zudem wären die jährlichen Emissionen durch den tauenden Permafrost ähnlich hoch wie jene von China.
Nur eine Begrenzung auf 1,5 Grad könne die Eisschmelze so weit verlangsamen, dass sich Küsten- und Bergregionen daran anpassen können. Das würde die Anstiegsrate des Meeresspiegels stabilisieren und bis zu einem Drittel der Gletschermasse in Skandinavien und den Alpen retten. “Jegliche Überschreitung von 1,5 Grad ist extrem riskant aufgrund des Feedbacks der Kryosphäre“, warnt der Bericht zudem vor Overshoot-Szenarien, in denen die Temperaturen kurzzeitig 1,5 Grad überschreiten und danach wieder darunter sinken. Damit riskiere man, irreversible Kipppunkte wie die Schmelze der polaren Eisschilder und einen Kollaps der Atlantischen Umwälzströmung (AMOC) auszulösen. lb
Auf dem gestrigen “COP29 Summit on Methane and Non-CO₂ GHGs” gab es nur kleine Fortschritte im Kampf gegen die weltweiten Methanemissionen. Die Ergebnisse im Detail:
Der britische Öl- und Erdgaskonzern Shell muss seinen CO₂-Ausstoß doch nicht drastisch reduzieren. Ein Zivilgericht in Den Haag hob ein entsprechendes Klimaurteil der ersten Instanz auf und wies die Klage der Umweltschutzorganisation Milieudefensie ab. Das Urteil gilt als Sieg für den Energiekonzern, doch Milieudefensie kündigte an, weiterzukämpfen. Wahrscheinlich wird die Organisation nun bei der höchsten Instanz in Revision gehen.
2021 hatte ein Gericht Milieudefensie recht gegeben und Shell verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 um netto 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 zu senken. Das damalige Urteil legte dem Unternehmen eine weitreichende Verantwortung auf: Ihm zufolge galt die Reduktionsverpflichtung für den Treibhausgasausstoß entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also auch für die Emissionen von Zulieferern und Kunden. Diese sogenannten Scope-3-Emissionen machen rund 95 Prozent der gesamten Shell-Emissionen aus.
Die damalige Entscheidung galt als wegweisend für weitere Klimaklagen gegen Unternehmen. Das Berufungsgericht entschied jetzt anders. Shell habe zwar eine Pflicht, sich für den internationalen Klimaschutz einzusetzen. Doch dem Konzern könne nicht auferlegt werden, seine CO₂-Emissionen um einen konkreten Prozentsatz zu senken.
Die britische Investmentfirma Hargreaves Lansdown bewertete das Berufungsurteil als “Signal an die großen Emittenten, dass sie vorerst vor der Rechtsprechung zu internationalen Rahmenabkommen sicher sind“. Sébastien Duyck, Anwalt beim Center for International Environmental Law (CIEL), schrieb auf Anfrage von Table.Briefings: Das Urteil schütze Shell zwar vorübergehend davor, unmittelbar vor Gericht zur Rechenschaft gezogen zu werden, aber es berge auch für den Klimaschutz positive Elemente. Es sei “nur eine Frage der Zeit”, dass die großen fossilen Konzerne (Carbon Majors) Verantwortung für die von ihnen verursachten Kosten und Schäden übernehmen müssten.
Milieudefensie selbst sieht “einige Lichtblicke“ im Berufungsurteil:
Klimaanwältin Roda Verheyen, die in Deutschland unter anderem Klimaklagen gegen den Kohlekonzern RWE und den Automobilhersteller VW vertritt, bewertet das Urteil ähnlich: Es etabliere “sehr wichtige Grundsätze, die die Tür für zivilrechtliche Ansprüche öffnet und nicht schließt“, schrieb sie Table.Briefings – das betreffe auch die bereits laufenden Verfahren gegen RWE und VW in Deutschland sowie gegen Holcim in der Schweiz. dpa/ae
Der CEO von Exxon Mobil, Darren Woods, hat sich offenbar dafür ausgesprochen, dass die USA im Pariser Klimaabkommen bleiben – und sich damit gegen anderslautende Ankündigungen des kommenden Präsidenten Donald Trump gestellt. Das berichtet das Wall Street Journal (WSJ) exklusiv.
Demnach sagte Woods, ein zweiter Rückzug der USA aus dem Abkommen – nach 2015 – würde Unsicherheit erzeugen und die weltweiten Bemühungen, die schlimmsten Folgen des Klimawandels aufzuhalten, verwirren. Für das Geschäft sei es nicht hilfreich, “wenn das Pendel mit jedem Regierungswechsel hin und her schwingt”. Es sei auch “extrem ineffizient”.
Exxon hat die Ziele des Pariser Abkommens bislang öffentlich unterstützt. Als US-Präsident Joe Biden 2021 dem Abkommen nach Trumps erstem Austritt wieder beitrat, begrüßte der Konzern das. Dem Unternehmen wird jedoch vorgeworfen, bereits in den 1970er-Jahren über die Gefahren der Erderwärmung und die Rolle der fossilen Brennstoffe für den Klimawandel Bescheid gewusst, aber die Öffentlichkeit jahrzehntelang darüber getäuscht zu haben.
Woods’ Vorgänger Rex Tillerson war unter Trump in dessen erster Amtszeit von Februar 2017 bis März 2018 Außenminister. Für Tillerson war der Klimawandel ein “technisches Problem“, das auch technisch zu lösen sei. Woods scheint das ähnlich zu sehen: Auf der COP28 in Dubai kritisierte er die Debatte über das Ende der fossilen Energien und warb für Fracking – und CCS, mit dem klimaschädliche Emissionen, einmal aus der Atmosphäre geholt, gespeichert werden sollen. Wie das WSJ berichtet, sucht Exxon auch verstärkt das Gespräch darüber mit der US-Regierung. Derzeit sei Woods in Baku auf der COP29. ae
Ein erfolgreicher COP-Tag startet normalerweise schon am Eingang zum Konferenz-Gelände. Das Badge wird gescannt und dahinter stehen für gewöhnlich zwei freundlich dreinblickende Menschenketten. Die erste drückt interessierten COP-Besuchern die ECO in die Hand. Die Zeitschrift des Climate Action Network (CAN) ist eine der besten und wichtigsten Quellen für das, was in den Verhandlungsräumen so vor sich geht.
Die zweite Gruppe ist eigentlich noch überlebenswichtiger, denn hält das Elixier bereit, was die COP schon an vielen anstrengenden Tagen erträglicher gemacht hat: Schokolade. Doch genauso wie Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen glänzen die sonst so zuverlässigen UNFCCC-Ersthelfer, die die “Change Chocolate” bei vergangenen COPs unter die Leute brachten, in Baku durch Abwesenheit und sorgen bei Beobachtern, Verhandlern und Journalisten für ein schwerwiegendes Kaloriendefizit.
Womöglich startete die COP29 deshalb so holprig. Die UNFCCC sollte daher schleunigst ihren Vorrat wieder auffüllen und die 1,5-Grad-Schokolade unters COP-Volk bringen. Lukas Knigge