COP28 isch over – und kaum war der Hammer gefallen, wurde darüber diskutiert, ob die COP ein “historisches Ergebnis” erzielt hat und das “Ende der fossilen Ära” einleitet – oder ob nur “das Nötigste” erzielt wurde. Lukas Scheid hat sich den Abschlusstext ganz genau angeschaut und ordnet die wichtigsten Ergebnisse ein.
Denn – Spoiler – Klimabeschlüsse der UN-Gremien sind manchmal beides: historisch und unzureichend. Hier ist es nochmal einmal besonders: Es läutet wohl wirklich das Ende der Fossilen ein – aber nur, wenn die Mehrheit daran glaubt, analysiert Bernhard Pötter. Er hat sich auf den Fluren der COP umgehört, wie es zu diesem Ergebnis kam und erläutert, wie ein schwacher Abschluss auf dem Papier in der Realität stark werden soll.
Eigentlich sollte die COP auch Fortschritte bei der Anpassung an den Klimawandel liefern. Doch die Ergebnisse sind ernüchternd, schreibt Alexandra Endres. Die Forderungen der verletzlichsten afrikanischen Staaten wurden kaum gehört. Einigungen gab es bei einigen Definitionen, aber wichtige Fragen zur Finanzierung und konkreten Zielen wurden auf die Zukunft verschoben.
Zudem haben wir für Sie Reaktionen aus Klimawissenschaft, von Think-Tanks und NGOs und großen internationalen Organisationen gesammelt. Damit behalten Sie den Überblick.
Nach zwei Wochen COP-Marathon heißt es jetzt erst einmal: “Climate.Table phase down”. Wir melden uns am Donnerstag vor Weihnachten mit einer letzten Ausgabe für dieses Jahr.
Beste Grüße
Der erste Global Stocktake – die Bestandsaufnahme zu den Zielen des Paris-Abkommens – ist beschlossen. Zwar gebe es Fortschritte bei der Eindämmung des Klimawandels, der Anpassung an die sich ändernden klimatischen Verhältnisse und den zur Verfügung stehenden Mitteln zur Umsetzung der Pariser Ziele. Doch um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, sei man noch nicht auf dem richtigen Weg, heißt es in dem 21 Seiten langen Dokument, dem alle 197 Vertragsstaaten zugestimmt haben.
In Dubai haben sich die Länder nun verpflichtet, auf “wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Maßnahmen” noch in diesem Jahrzehnt zu beschleunigen. Wie diese Maßnahmen aussehen, war bis zuletzt die strittigste Frage der COP28, insbesondere in Bezug auf die Rolle fossiler Brennstoffe: Der “UAE-Consensus”, wie COP-Präsident Sultan Al Jaber das Papier taufte, sieht vor:
Es ist das erste Mal, dass fossile Energien als Ganzes Einzug in einen Abschlusstext einer UN-Klimakonferenz halten, auch wenn es nicht der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen (“phase-out of fossil fuels”) ist, wie ihn Deutschland und die EU gefordert hatten. Der Widerstand einiger arabischen Länder rund um Saudi-Arabien war zu groß, eine Einigung auf das harte Ende der Fossilen war in Dubai nicht möglich. Die Formulierung “Phase-out” war aufgrund der wochenlangen Diskussionen ohnehin politisch verbrannt. Und so musste eine Alternative her, der auch Saudi-Arabien gesichtswahrend zustimmen konnte.
Dabei ist die jetzt getroffene “Abkehr” von Fossilen (im Englischen original: “transition away from fossil fuels”) für viele beinahe gleichwertig mit einem Ausstieg. Es gibt zudem keine Einschränkung für die Abkehr, beispielsweise durch den Zusatz der umstrittenen Bezeichnung “unabated fossil fuels” – oft als Synonym für Fossile ohne CCS bezeichnet. Li Shuo, Klimaexperte des Thinktanks Asia Society Policy Institute, hält das Signal, das mit der Einigung von Dubai einhergeht, ohnehin für wichtiger als die exakte semantische Differenzierung der Begrifflichkeiten.
Für die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock benennt der Beschluss von Dubai ebenfalls “klar und deutlich das Ende der Fossilen”. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sieht darin den “Anfang des Ausstiegs”. Auch für Christoph Bals, politischen Geschäftsführer von Germanwatch, ist mit der beschlossenen Formulierung das globale Ziel klar benannt: Eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe.
Wichtig ist dabei vor allem der Kontext, in dem die Abkehr von Fossilen im Absatz 28d eingebettet worden ist. Zum einen wäre da der Chapeau – der Einleitungssatz des Paragrafen. Darin erkennen die Staaten an, dass die Treibhausgase schnellstmöglich reduziert werden müssen, um 1,5 Grad Erderwärmung nicht zu überschreiten. Dadurch wird verdeutlicht, dass kurzfristige Maßnahmen zur Emissionsminderung notwendig sind – diese sind: Ausbau der Erneuerbaren und Erhöhung der Energieeffizienz.
Zwar einigten sich die Vertragsstaaten auch auf die Förderung von CCS und Kernenergie. Doch soll die Abkehr von Fossilen noch in diesem “kritischen Jahrzehnt” durch Maßnahmen beschleunigt werden. Sowohl CCS als auch Kernenergie sind in diesem Jahrzehnt aller Voraussicht nach nicht in ausreichendem Maßstab verfügbar, um ernsthaft Emissionen im Energiesektor zu reduzieren. Das bedeutet, die kurzfristigen Ziele des Global Stocktake sind nur durch eine drastische Reduzierung von Verbrauch und Herstellung fossiler Brennstoffe bei gleichzeitigem Hochlauf der Erneuerbaren möglich.
Annalena Baerbock stellte zum Abschluss der COP28 deshalb klar: “Jeder, der rechnen kann, weiß nun, dass sich Investitionen in fossile Energien langfristig nicht mehr lohnen.” Während Erneuerbare 2015 bei der COP21 in Paris im Haupttext noch keine Rolle spielten, habe sich die Welt nun entschieden. “Erneuerbare sind die globale Lösung für mehr Klimaschutz”, so die Außenministerin.
Ein Paris-Moment konnte in Dubai jedoch nicht wiederholt werden. Die Freude ist getrübt, da “Übergangskraftstoffe” für die Energiewende auch weiterhin eine Rolle spielen sollen. Gemeint ist Gas. Allerdings sei Gas keine Brückentechnologie, sondern ein fossiler Brennstoff, stellt Alden Meyer, Senior Associate und Klimapolitikexperte beim Thinktank E3G, klar. Vollends zufrieden sei er mit dem Text daher nicht.
Samoa kritisierte im Namen der Gruppe der Inselstaaten noch im Abschlussplenum der COP, dass lediglich die Rede von einem Ende der “ineffizienten” Subventionen für Fossile ist, wobei der Begriff “ineffizient” in diesem Kontext nicht definiert ist. Auch die Aufforderung, den globalen Emissionshöchststand spätestens 2025 zu erreichen, sei nicht im Text, bemängelte die samoanische Delegierte.
Vor allem aber die Frage, wie Entwicklungsländer bei der Energiewende unterstützt werden, bleibt auch in Dubai ungeklärt. Der Text gibt zudem keine Verpflichtungen für Industrienationen oder reichere Länder vor, schneller als andere zu dekarbonisieren. Der COP mag zu einer Einigung über den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gekommen sein, kommentiert Mohamed Adow von Power Shift Afrika, aber sie liefere keinen Plan zur Finanzierung. “Wenn die reichen Länder wirklich an einem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe interessiert sind, müssen sie kreative Wege finden, um diesen zu finanzieren.” Entwicklungsländer würden nicht in der Lage sein, den Ausstieg zu schaffen, so Adow.
Um 11:09 Uhr am Mittwochmorgen eröffnete der Präsident der COP28, Sultan Al Jaber, die entscheidende Sitzung der Klimakonferenz von Dubai. Im Plenum Al Hairat stellte er vor den übermüdeten Delegierten der COP28 seinen Vorschlag für das zentrale Abschlussdokument zum “Global Stocktake” (GST) vor. Wie es beim Pariser Abkommen 2015 der damalige Sitzungspräsident, Laurent Fabius, tat, blickte Al Jaber sich kurz im Saal um, sagte: “Weil ich keinen Einspruch sehe, ist das so entschieden” – und ließ den Hammer fallen. Der Saal erhob sich zu Jubel und stehenden Ovationen. Das lange umstrittene Abkommen, der “UAE Consensus”, war angenommen.
Um 11:12 Uhr, nach diesem Überraschungscoup, begann Al Jaber mit seiner Rede. Er pries das von ihm verhandelte Abkommen als “historische Errungenschaft” und “Basis für transformativen Wandel”, das “die Welt in die richtige Richtung” bewege. Damit startete der zweite und viel längere Prozess, der die Welt der Klimadiplomatie über die nächsten Jahre prägen wird: Er besteht darin, ein völkerrechtlich schwaches Abkommen politisch und ökonomisch stark zu reden.
Denn aus dem Dokument ist nur mit viel gutem Willen herauszulesen, was sehr viele in ihm sehen wollen: Den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen; die Chance, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen; effektive Hilfe für Anpassung an den Wandel und Kompensation für Klimaschäden, eine gerechtere Verteilung von Geld, Technik und Lebenschancen.
Diesen guten Willen für eine durchweg positive Sichtweise brachten dann auch praktisch alle Redner im Raum auf. Der US-Klimagesandte John Kerry sprach bei seinem letzten Auftritt auf der großen Bühne von einer “klaren und eindeutigen Botschaft an die Märkte: Raus aus den Fossilen, sie sind nicht die Zukunft.” Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock feierte einen “Tag der großen Freude, der das Ende des fossilen Zeitalters besiegelt”.
Der Kohle-Exporteur Australien lobte den Text, von Sambia hieß es, das Abkommen atme “Klima-Liebe“, die Schweiz fand es gut, Indien unterstützte es, China sprach von einem “globalen irreversiblen Trend zu grüner und CO₂-armer” Wirtschaft. Als Saudi-Arabien lobte, nun würden wirklich die schädlichen Emissionen angegangen, nämlich mit CO₂-Speicherung, und den VAE gratulierte, war endgültig klar: Die Erklärung von Dubai soll als großer Konsens und Erfolg in die Geschichte eingehen.
Die wenigen, die nicht in den Jubel einstimmten, kamen noch zu spät: Die Inselstaaten baten erst ums Wort, als der Hammer gefallen war. Sie hatten den Beginn der Sitzung, die nach hinten verschoben worden war, durch ein eigenes internes Treffen verpasst. Samoa, als Vorsitzender der Inselstaaten, erklärte dann auch, welche Probleme die verwundbaren Inseln mit den Formulierungen haben, die zu wenig und zu langsam die CO₂-Emissionen reduzieren werden – weil ihr Überleben jetzt schon bedroht ist. Der guten Stimmung tat das keinen Abbruch: Auch für die Inselstaaten gab es stehende Ovationen.
Der “UAE Consensus” ist dann auch ein Dokument, das viel verspricht und wenig konkret festlegt. Damit reiht es sich ein in die Klima-Abkommen seit Paris: Keine konkreten Regeln von oben vorgeben, sondern Rahmenbedingungen setzen, Ziele formulieren, Absichten erklären – und darauf setzen, dass neue Technologien, die Kräfte des Marktes, der Protest der Menschen und Einsicht von Politik und Wirtschaft den richtigen Kurs finden.
Das “Global Stocktake” von Dubai hat gezeigt, dass das in der Vergangenheit zu langsam ging, aber teilweise die Richtung stimmt. Jetzt sollen die neuen Klimapläne der Länder (NDC), die in zwei Jahren anstehen, diese Ideen aufgreifen. Denn in nur sieben Jahren müssen sich die CO₂-Emissionen weltweit praktisch halbieren, wenn das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar sein soll. Und für diese Umsetzung in den NDCs ist es wichtig, dass möglichst viele Staaten der Meinung sind, dieser Weg sei der richtige. Deutschland etwa hat deshalb angekündigt, auch weiterhin Schwellenländer bei der Energiewende, etwa über “Just Energy Transition Partnerships“, zu unterstützen.
Wie soll das 1,5 Grad-Ziel gehalten werden? Das Dokument von Dubai formuliert nicht klar, dass die Länder laut wissenschaftlichen Daten dafür aus den fossilen Energien aussteigen müssen, wie viele behaupten (Details siehe hier). Sondern es fordert die Staaten “auf, dazu beizutragen“, das 1,5-Grad-Ziel zu halten, indem sie etwa die Erneuerbaren verdreifachen, die Effizienz verdoppeln und “sich von den fossilen Brennstoffen in dem Energiesystem weg transformieren” (transitioning away). Das stärkt alle, die weg von den Fossilen wollen, soll Finanzinvestoren klarmachen, dass dort Risiken drohen, aber schreibt auch den Ölstaaten nicht vor, wie lange sie noch Öl verkaufen oder wann sie auf Erneuerbare umstellen müssen. Die Begeisterung für den Beschluss ist allgemein, weil er keine allgemeinen Regeln festlegt.
Das Abkommen ist ein großer Erfolg für die strategischen Interessen der Gastgeber. Sie haben eine schwierige Konferenz erfolgreich beendet und sich als Mittler zwischen dem Globalen Norden und Süden bewährt. Lange hatten die Emirate um Al Jaber darauf hingearbeitet, viel Geld und Arbeit in diese Konferenz gesteckt. Die technische Organisation der größten Klima-Konferenz aller Zeiten mit 100.000 Besuchern war sehr gut, Al Jaber und sein Team machten vieles richtig. Bis sie dann am vorletzten Tag einen Text vorlegten, der so wenig Ehrgeiz hatte, dass die Konferenz rätselte:
Antworten darauf gab es am hektischen letzten Tag der Konferenz nicht mehr.
Anders als viele andere COP-Beschlüsse kam der Deal von Dubai nicht von den klimapolitischen Großmächten. Im Gegenteil hielten sich die USA und China bis auf ihr Sunnylands-Abkommen vom Herbst und einer Ankündigung zu neuen Klima-Langfrist-Strategien auffallend zurück. Indien trat praktisch nicht in Erscheinung; Brasilien übte kaum Einfluss aus. Von Südafrika stammte immerhin der entscheidende Begriff “transition away”, der den Durchbruch bei den fossilen Energien brachte.
Doch das Abkommen selbst wurde von der EU und ihren Verbündeten bei den Inselstaaten, den lateinamerikanischen Ländern wie Kolumbien und Chile und den Verwundbarsten auf der einen Seite vorangetrieben – und den Ölstaaten rund um Saudi-Arabien auf der anderen Seite.
Das Abkommen schreibt zum Teil für die Zukunft fest, was ohnehin passiert: Die Absetzbewegung von den Fossilen ist bei den Investitionen deutlich spürbar, der Emissions-Höhepunkt in den nächsten Jahre sichtbar. Allerdings geht diese Bewegung weg von den Fossilen viel zu langsam, wie auch Alden Meyer von der Umweltorganisation E3G, ein erfahrener COP-Beobachter, sagt: “Das wird das beschleunigen, was passiert. Es wird die Fossilen aus dem System drängen. Aber wie schnell es geht, darüber entscheiden die Staaten zu Hause selbst.”
Der “UAE Consensus” bestätigt noch etwas anderes, darauf wiesen viele Redner beim Abschluss hin: Es zeigt, dass das multilaterale System der UNO trotz ermüdender Debatten und großen Interessengegensätzen zu tragfähigen Ergebnissen kommen kann. Auch wenn sie den “kleinsten gemeinsamen Nenner” ausmachen, wie Meyer sagt. Und auch dafür ist wichtig: Der Wille zur Zusammenarbeit ist entscheidend.
Die Anpassung an den Klimawandel bekam in Dubai erst gegen Ende der COP28 die ihr gebührende politische Aufmerksamkeit. Nach der langen Blockade des Verhandlungsstrangs, unter anderem durch die arabischen Länder, blieb den Parteien nur sehr wenig Zeit für die inhaltliche Arbeit am Text.
Entsprechend lückenhaft ist die Abschlusserklärung des Gipfels über das Rahmenwerk zum Global Adaptation Goal (GGA). Insbesondere:
Maheen Shan, Expertin für Anpassung der Umweltorganisation WWF, erinnert in dem Zusammenhang an die prekäre Finanzlage vieler Staaten. “Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Wie können sie ohne ausreichende Mittel die Anpassungsziele erreichen? Und wie können sie ohne klare Unterziele den Fortschritt messen und das übergeordnete Ziel erreichen?”
Der Text zur Anpassung sei “sehr schwach”, sagte Shan. Positiv bewertete sie, dass die Natur in dem Dokument stark vertreten sei. In vorherigen Versionen war die Rolle der Umwelt für Anpassung weniger betont worden. “Das ist ein Anfang. Jetzt müssen wir gemeinsam darauf aufbauen.”
Lange war unsicher gewesen, ob es überhaupt eine Einigung geben könnte, denn manche Entwicklungsländer vertraten die Position, dass klare Ziele und ausreichend finanzielle und anderweitige Unterstützung für die Anpassung aus ihrer Sicht nicht verhandelbar seien. Sie wollten kein schwaches Ergebnis für das Anpassungsziel. Das hatte Sambias Umweltminister Collins Nzovu kurz vor Schluss des Gipfels für die afrikanische Verhandlungsgruppe noch einmal bekräftigt.
Der Minister hatte dabei gefordert:
Ein solches Rahmenwerk zu verabschieden, das nach zweijähriger Vorarbeit das im Artikel 7 des Pariser Abkommens verankerte Globale Anpassungsziel konkretisieren und handhabbar machen sollte, war einer der wichtigsten Arbeitsaufträge der COP28 gewesen. Doch die vorbereitende Arbeitsgruppe kam erst spät zu Ergebnissen, und dann hielten Blockierer die Verhandlungen in Dubai auf.
Am Ende nahmen die afrikanischen Entwicklungsländer die schwachen Abschlussdokumente zur Anpassung dennoch hin. Im Abschlussplenum wurde der Text zum GGA-Rahmenwerk, ebenso wie die Erklärung zum Global Stocktake (GST), am Mittwochvormittag ohne Gegenrede verabschiedet.
Nzovu sprach gar von “Klima-Liebe”, die er in Dubai verspürt habe. Aber machte zugleich klar, dass die afrikanischen Länder weitere Arbeit am GGA erwarten, die die messbaren Unterziele, “nach denen wir uns sehnen”, garantieren werde. Sierra Leone wählte für die am wenigsten entwickelten Länder deutlichere Worte: “Das gegenwärtige GGA, frei von umsetzbaren Verpflichtungen, ist nicht die Ambition, die wir für Anpassung erwartet hatten und für die wir uns eingesetzt haben.” Dies sei “nur der Anfang eines Gesprächs über das GGA-Rahmenwerk”.
In beiden Dokumenten, dem GGA-Rahmenwerk und dem Text zum GST, sind jetzt sieben Bereiche festgelegt, in denen die Anpassung “bis 2030 und schrittweise darüber hinaus” vorangetrieben werden soll:
Die Texte lassen Raum dafür, künftig weitere Anpassungsbereiche aufzunehmen.
Darüber hinaus legen sie fest, dass alle Staaten bis 2030:
Frühwarnsysteme sollen schon 2027 in allen Ländern etabliert sein.
Die Entwicklung von konkreten, messbaren Indikatoren wird in die Zukunft verschoben. Dafür beschließt die COP ein zweijähriges Arbeitsprogramm. Parteien und Beobachter können bis März 2024 Eingaben dafür einreichen, die das UNFCCC-Sekretariat dann bis Mai 2024 zusammenfassen soll. Auf dem kommenden Zwischengipfel in Bonn sollen im Juni 2024 die weiteren Beratungen beginnen.
Ziel ist, Empfehlungen auszuarbeiten, die spätestens auf der COP30 im brasilianischen Belém beraten und angenommen werden sollen. Das sei “in dem Bereich (der Indikatoren) viel zu wenig”, kommentierte Rixa Schwarz, Co-Bereichsleiterin für internationale Klimapolitik der NGO Germanwatch.
Zur Finanzierung finden sich in den Dokumenten nur recht schwammige Formulierungen. Immerhin verweist der Text zum Global Stocktake auf die Zahlen aus dem Adaptation Gap Report der UNEP – sie waren zwischenzeitlich aus den Gipfeltexten verschwunden. Demnach liegt der Bedarf der Entwicklungsländer an Anpassungsfinanzierung im Jahr 2030 zwischen 215 und 387 Milliarden US-Dollar. Die COP erkennt also an, dass viel Geld nötig sein wird, um gerade die besonders verwundbaren Länder und Regionen gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen. Konkrete Zusagen oder Vorschläge, wie das Geld aufzubringen wäre, macht sie aber nicht.
Daneben bekräftigt der Gipfel frühere Zusagen, beispielsweise das Versprechen der traditionellen Industrieländer, ihre Anpassungsfinanzierung von 2019 bis 2025 zu verdoppeln. Doch es fehle eine klare Beschreibung des Wegs, wie das passieren könnte, kritisierte Germanwatch-Expertin Schwarz.
Alles Weitere in Bezug auf die Anpassungsfinanzierung wird auf das kommende Jahr verschoben. Dann soll auf der COP29 ein neues Klimafinanzziel beschlossen werden, das “New Collective Quantified Goal (NCQG)”. Doch in den COP28-Dokumenten sei die Verbindung zwischen dem NCQG und der Anpassungsfinanzierung “zu schwach”, sagt Schwarz. Dabei sei das “ein extrem wichtiger Punkt, dass die Finanzierung fließt, damit Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden können”.
Zu Beginn dieses Gipfels war in Dubai viel davon die Rede gewesen, dass verlorenes Vertrauen durch die schnelle Verabschiedung des Loss and Damage Fund wiedergewonnen worden sei. Im kommenden Jahr wird es darum gehen, den besonders verwundbaren Ländern zu zeigen, dass ihre Positionen sich auch in Anpassungsfragen in den COP29-Ergebnissen niederschlagen.
Die internationalen Reaktionen auf das Abschlussdokument der COP28 fallen gemischt aus. Sowohl die OPEC als auch ihr Gegenspieler, die Internationale Energieagentur (IEA), sind mit dem Ergebnis zufrieden. NGOs und Think-Tanks sprechen teils von einem “starken Signal”, beklagen aber auch “Schlupflöcher” im Bereich fossiler Energien. Klimawissenschaftler kritisieren, die Ergebnisse der Konferenz seien zwar wichtige Schritte, gingen aber längst nicht weit genug.
Fatih Birol, Vorsitzender der Internationalen Energieagentur (IEA), bezeichnete die COP-Beschlüsse als “ein wichtiges Ergebnis, in dem das Ziel der Abkehr von fossilen Brennstoffen im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel klar formuliert ist”. Allerdings müssten die Staaten die Ergebnisse “schnell in nationale Politik” umsetzen. Birols Äußerungen sind sehr diplomatisch. Vor wenigen Tagen hatte die IEA erst errechnet, dass die COP-Zusagen zur Verdreifachung der Erneuerbaren, Verdopplung der Energieeffizienz und Verminderung der Methanemissionen die globalen Treibhausgasemissionen insgesamt nicht schnell genug senken.
Die OPEC und das Forum der Gas-exportierenden Länder (GEFC) gratulierten der COP-Präsidentschaft zu einem “einvernehmlichen und positiven Ergebnis”. Die Öl- und Gasindustrie wolle zu einer “gerechten, geordneten und integrativen Energiewende” beitragen – “insbesondere durch die Verbesserung der Effizienz und die Entwicklung und den Einsatz fortschrittlicher Technologien, wie der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS)”, sagten Haitham Al Ghais und Mohamed Hamel, die Generalsekretäre der OPEC und GEFC. Weitere Investitionen in Öl und Gas seien nötig, um die zukünftige Nachfrage zu decken und eine “globale Marktstabilität sicherzustellen”. Die OPEC hatte ihre Mitglieder kurz vor dem Ende der COP aufgerufen, Formulierungen für das Abschlussdokument des Gipfels zu fossilen Brennstoffen zu blockieren.
Der Klimawissenschaftler Niklas Höhne, Geschäftsführer des New Climate Institute, sagt: “Die Konferenz ist ein kleiner Schritt nach vorn, aber nicht der große Wurf, der angesichts der offensichtlichen Klimakrise eigentlich nötig gewesen wäre.” Die Abkehr von fossilen Brennstoffen sei nicht die “notwendige Notbremse”. Das Ergebnis sei “nicht historisch, sondern nur das Nötigste”. Erst, wenn die Staaten die Beschlüsse in nationale Politik umsetzen, entscheide sich, ob die Konferenz ein Erfolg war.
Laut Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, müsse man den COP-Prozess realistisch betrachten. Zu viele Staaten verfolgten noch immer fossile Interessen. Vor diesem Hintergrund “haben die zurückliegenden drei Klimagipfel enorme Fortschritte gebracht”, nämlich fossile Energien “endlich” auf die Tagesordnung gesetzt. Obergassel mahnt: “Die über 120 Länder, die sich für einen klaren Beschluss zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ausgesprochen haben, sollten ihren Worten Taten folgen lassen.”
Wilfried Rickels sagt, “mit einer Anhebung der NDCs – wie in den Beschlüssen gefordert – ist eine Einhaltung des 2-Grad-Ziels weiterhin möglich”. Laut dem Leiter des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik am Institut für Weltwirtschaft, Kiel, sei es noch zu früh für eine Abschätzung, ob das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar sei.
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, sagt, die “Klimakonferenz sendet insgesamt ein starkes Signal an die Welt”. Die erstmals auf einer COP geforderte “Wende weg von Kohle, Öl und Gas” sei ein “wichtiger Schritt”. Allerdings könne die Akzeptanz von Gas als Brückentechnologie “große Schlupflöcher öffnen”.
Ani Dasgupta, Vorsitzender des World Resources Institute aus den USA, bezeichnete das Abschlussdokument als “historisches Ergebnis, das den Beginn des Endes der Ära der fossilen Brennstoffe markiere”. Allerdings dürften Technologien zum Auffangen von Treibhausgasen (CCS) “nicht als Vorwand dienen, um den Übergang zu erneuerbaren Energien zu verlangsamen”, mahnt er.
Auch Bill Hare von Climate Analytics fand viele positive Worte: “Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist ein erster Nagel im Sarg für die fossile Brennstoffindustrie”. Allerdings seien die Ergebnisse im Bereich Energie “schwach”. Es fehle eine Zusage, den Emissionspeak schon 2025 zu erreichen, was als notwendig gilt, um das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar zu halten. Hare fordert die Regierungen zu mehr Engagement auf: Es liege nun an ihnen, “ihre NDCs stärker als dieses Abkommen zu gestalten”.
Lavetanalagi Seru, Regional-Koordinator des Pacific Islands Climate Action Networks, kritisierte: Das COP-Ergebnis reiche “nicht aus, um Klimagerechtigkeit und Gleichberechtigung für die Menschen und Gemeinden an vorderster Front” der Klimakrise zu gewährleisten. “Dieses Ergebnis lässt weiterhin gefährliche Ablenkungsmanöver und Schlupflöcher zu, wie beispielsweise Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und Kernkraft”.
Der COP-Abschluss ist ein bedeutender Fortschritt für alle, die die Klimakrise bekämpfen wollen The Guardian
Sultan Al Jaber – wie der Petroleum-Manager überraschte El País
COP28 endet mit richtungsweisendem Deal Nikkei Asia
Asiens Klimaziele wegen bescheidener Abkehr der COP von fossilen Brennstoffen in Gefahr: “Wir stehen mit einem Bein im Grab” South China Morning Post
Der COP28-Beschluss mag zwar historisch sein, aber es gibt viele Vorbehalte The Economist
COP28: Ein unbefriedigendes Ergebnis zum Thema Klimaanpassung Le Monde
Brasilianische Umweltministerin fordert von reichen Ländern die “nötigen Maßnahmen” für einen Übergang aus den Fossilen O Globo
Erstmals einigen sich die Nationen auf dem Klimagipfel auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen New York Times
Die Gewinner des Klimadeals – und die Verlierer Der Spiegel
COP endet mit Übergang weg von Fossilen Daily Maverick
Meilenstein bei Loss und Damage, verpasste Chance bei Fossilen Hindustan Times
Die finale Struktur des globalen Emissionshandels unter Artikel 6 des Paris-Abkommens bleibt auch nach der COP28 nicht endgültig geklärt. Ein Scheitern der Verhandlungen in Dubai hatte sich bereits angekündigt, da die USA und die EU keine Einigung finden konnten, wie Länder Zertifikate für CO₂-Reduktionen untereinander handeln können.
Die Diskussionen, welche Standards und Transparenzregeln für Projekte zur CO₂-Reduzierung und die Registrierung der Zertifikate gelten (Artikel 6.2), werden in den kommenden Monaten fortgesetzt. Gilles Dufrasne, Leiter der Abteilung für globale Kohlenstoffmärkte bei Carbon Market Watch, sieht darin jedoch eher einen Gewinn für die Integrität des Instruments: “Der Handel mit Kohlenstoffgutschriften erfordert strenge Umwelt- und Menschenrechtsvorschriften.” Der auf dem Tisch liegende Text habe dies nicht erfüllen können. “Er hätte das Risiko mit sich gebracht, die Fehler der freiwilligen Kohlenstoffmärkte zu wiederholen, und durch seine Ablehnung haben die Verhandlungsführer das Beste aus einer schlechten Situation gemacht”, findet Dufrasne.
Europa fordert strenge Regeln für die Zertifizierung und will, dass Geschäftsinformationen der mit Zertifikaten handelnden Parteien nur in Ausnahmefällen vertraulich behandelt werden. Andere Länder, darunter auch die USA, wollen es Unternehmen überlassen, welche Informationen sie freigeben und welche nicht.
Für Umweltschützer geht es bei Artikel 6.2 noch immer darum, Greenwashing zu verhindern. Ein undurchsichtiger Zertifikatehandel, indem zwar viele Zertifikate gehandelt werden, aber kaum reale Emissionen eingespart werden, könnte den Markt zu einem nutzlosen Instrument für den Klimawandel machen. Ein integres System mit strengen Umweltstandards und Konsequenzen für Nichteinhaltung der Regeln dagegen könnte dabei helfen, die Dekarbonisierung des Privatsektors zu beschleunigen und CO₂-Reduktion finanziell lukrativ zu machen. luk
Nach langen Verhandlungen haben sich die Koalitionsspitzen in Berlin über den Haushalt 2024 verständigt. Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Robert Habeck ist dabei besonders hart von Einsparungen betroffen. Durch das Verfassungsgerichtsurteil war der Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem die meisten klimapolitischen Vorhaben finanziert werden, schlagartig um 60 Milliarden Euro geschrumpft. Gut die Hälfte davon, also 31 Milliarden Euro, sollen im Zeitraum bis 2027 nun tatsächlich eingespart werden.
Der Rest soll dadurch gedeckt werden, dass 13 Milliarden für den Schienenausbau nicht aus dem KTF finanziert werden, sondern über den Verkauf von Bundesbeteiligungen und eine Eigenkapitalstärkung der Bahn, die nicht der Schuldenbremse unterliegt. Die verbleibenden 16 Milliarden sollen durch zusätzliche Einnahmen gedeckt werden. Die Einigung der Koalitionsspitzen, den nationalen CO₂-Preis für Kraftstoffe, Heizöl und Gas zum Jahreswechsel stärker zu erhöhen – auf 45 statt der bisher eingeplanten 40 Euro pro Tonne – bringt aber nur rund 1,7 Milliarden Euro ein. Der Rest soll dem Fonds vom Jahr 2025 an aus dem regulären Haushalt zugeführt werden; gesichert sind diese Mittel darum bisher keineswegs.
Viele Klimaprogramme werden stark gekürzt. Schon im Jahr 2024 müssen im KTF zwölf Milliarden Euro eingespart werden. So läuft die Umweltprämie für Elektroautos praktisch sofort aus; alte Anträge werden noch abgearbeitet, neue aber nicht mehr angenommen, verlautet aus dem BMWK. Auch die lange umstrittene Heizungsförderung fällt geringer aus als zuletzt angekündigt: Die Verbesserungen, die beim Baugipfel angekündigt worden waren – unter anderem eine Ausweitung des Geschwindigkeitsbonus auch auf Vermieter -, kommen nun doch nicht. Auch die angekündigte Erhöhung der Sanierungsförderung soll entfallen. Gekürzt wird auch beim Programm “Natürlicher Klimaschutz”, mit dem etwa die Wiedervernässung von Mooren bezahlt wird; zur genauen Höhe gab es noch keine Angaben.
Erhalten bleiben dagegen viele Entlastungen für Wirtschaft und Bürger. Fast alle angekündigten Investitionsförderungen sollen in voller Höhe fließen – für die Chipfabriken ebenso wie für Wasserstoffprojekte und den Umbau der Stahlindustrie. Auch die Strompreiskompensation für die energieintensive Industrie bleibt im KTF erhalten, ebenso die Finanzierung der EEG-Umlage. Entfallen sollen dagegen dem Vernehmen nach Gelder, mit denen der Wiederaufbau der Solarindustrie unterstützt werden sollte. Eine weitere Kürzung, die nicht den KTF, aber das Wirtschaftsministerium betrifft, betrifft die Netzentgelte: Zu deren Stabilisierung waren 5,5 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorgesehen. Diese entfallen jetzt ersatzlos, was einen Anstieg der Strompreise um durchschnittlich 2 Cent pro Kilowattstunde zur Folge haben dürfte. mkr
COP28 isch over – und kaum war der Hammer gefallen, wurde darüber diskutiert, ob die COP ein “historisches Ergebnis” erzielt hat und das “Ende der fossilen Ära” einleitet – oder ob nur “das Nötigste” erzielt wurde. Lukas Scheid hat sich den Abschlusstext ganz genau angeschaut und ordnet die wichtigsten Ergebnisse ein.
Denn – Spoiler – Klimabeschlüsse der UN-Gremien sind manchmal beides: historisch und unzureichend. Hier ist es nochmal einmal besonders: Es läutet wohl wirklich das Ende der Fossilen ein – aber nur, wenn die Mehrheit daran glaubt, analysiert Bernhard Pötter. Er hat sich auf den Fluren der COP umgehört, wie es zu diesem Ergebnis kam und erläutert, wie ein schwacher Abschluss auf dem Papier in der Realität stark werden soll.
Eigentlich sollte die COP auch Fortschritte bei der Anpassung an den Klimawandel liefern. Doch die Ergebnisse sind ernüchternd, schreibt Alexandra Endres. Die Forderungen der verletzlichsten afrikanischen Staaten wurden kaum gehört. Einigungen gab es bei einigen Definitionen, aber wichtige Fragen zur Finanzierung und konkreten Zielen wurden auf die Zukunft verschoben.
Zudem haben wir für Sie Reaktionen aus Klimawissenschaft, von Think-Tanks und NGOs und großen internationalen Organisationen gesammelt. Damit behalten Sie den Überblick.
Nach zwei Wochen COP-Marathon heißt es jetzt erst einmal: “Climate.Table phase down”. Wir melden uns am Donnerstag vor Weihnachten mit einer letzten Ausgabe für dieses Jahr.
Beste Grüße
Der erste Global Stocktake – die Bestandsaufnahme zu den Zielen des Paris-Abkommens – ist beschlossen. Zwar gebe es Fortschritte bei der Eindämmung des Klimawandels, der Anpassung an die sich ändernden klimatischen Verhältnisse und den zur Verfügung stehenden Mitteln zur Umsetzung der Pariser Ziele. Doch um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, sei man noch nicht auf dem richtigen Weg, heißt es in dem 21 Seiten langen Dokument, dem alle 197 Vertragsstaaten zugestimmt haben.
In Dubai haben sich die Länder nun verpflichtet, auf “wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Maßnahmen” noch in diesem Jahrzehnt zu beschleunigen. Wie diese Maßnahmen aussehen, war bis zuletzt die strittigste Frage der COP28, insbesondere in Bezug auf die Rolle fossiler Brennstoffe: Der “UAE-Consensus”, wie COP-Präsident Sultan Al Jaber das Papier taufte, sieht vor:
Es ist das erste Mal, dass fossile Energien als Ganzes Einzug in einen Abschlusstext einer UN-Klimakonferenz halten, auch wenn es nicht der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen (“phase-out of fossil fuels”) ist, wie ihn Deutschland und die EU gefordert hatten. Der Widerstand einiger arabischen Länder rund um Saudi-Arabien war zu groß, eine Einigung auf das harte Ende der Fossilen war in Dubai nicht möglich. Die Formulierung “Phase-out” war aufgrund der wochenlangen Diskussionen ohnehin politisch verbrannt. Und so musste eine Alternative her, der auch Saudi-Arabien gesichtswahrend zustimmen konnte.
Dabei ist die jetzt getroffene “Abkehr” von Fossilen (im Englischen original: “transition away from fossil fuels”) für viele beinahe gleichwertig mit einem Ausstieg. Es gibt zudem keine Einschränkung für die Abkehr, beispielsweise durch den Zusatz der umstrittenen Bezeichnung “unabated fossil fuels” – oft als Synonym für Fossile ohne CCS bezeichnet. Li Shuo, Klimaexperte des Thinktanks Asia Society Policy Institute, hält das Signal, das mit der Einigung von Dubai einhergeht, ohnehin für wichtiger als die exakte semantische Differenzierung der Begrifflichkeiten.
Für die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock benennt der Beschluss von Dubai ebenfalls “klar und deutlich das Ende der Fossilen”. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sieht darin den “Anfang des Ausstiegs”. Auch für Christoph Bals, politischen Geschäftsführer von Germanwatch, ist mit der beschlossenen Formulierung das globale Ziel klar benannt: Eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe.
Wichtig ist dabei vor allem der Kontext, in dem die Abkehr von Fossilen im Absatz 28d eingebettet worden ist. Zum einen wäre da der Chapeau – der Einleitungssatz des Paragrafen. Darin erkennen die Staaten an, dass die Treibhausgase schnellstmöglich reduziert werden müssen, um 1,5 Grad Erderwärmung nicht zu überschreiten. Dadurch wird verdeutlicht, dass kurzfristige Maßnahmen zur Emissionsminderung notwendig sind – diese sind: Ausbau der Erneuerbaren und Erhöhung der Energieeffizienz.
Zwar einigten sich die Vertragsstaaten auch auf die Förderung von CCS und Kernenergie. Doch soll die Abkehr von Fossilen noch in diesem “kritischen Jahrzehnt” durch Maßnahmen beschleunigt werden. Sowohl CCS als auch Kernenergie sind in diesem Jahrzehnt aller Voraussicht nach nicht in ausreichendem Maßstab verfügbar, um ernsthaft Emissionen im Energiesektor zu reduzieren. Das bedeutet, die kurzfristigen Ziele des Global Stocktake sind nur durch eine drastische Reduzierung von Verbrauch und Herstellung fossiler Brennstoffe bei gleichzeitigem Hochlauf der Erneuerbaren möglich.
Annalena Baerbock stellte zum Abschluss der COP28 deshalb klar: “Jeder, der rechnen kann, weiß nun, dass sich Investitionen in fossile Energien langfristig nicht mehr lohnen.” Während Erneuerbare 2015 bei der COP21 in Paris im Haupttext noch keine Rolle spielten, habe sich die Welt nun entschieden. “Erneuerbare sind die globale Lösung für mehr Klimaschutz”, so die Außenministerin.
Ein Paris-Moment konnte in Dubai jedoch nicht wiederholt werden. Die Freude ist getrübt, da “Übergangskraftstoffe” für die Energiewende auch weiterhin eine Rolle spielen sollen. Gemeint ist Gas. Allerdings sei Gas keine Brückentechnologie, sondern ein fossiler Brennstoff, stellt Alden Meyer, Senior Associate und Klimapolitikexperte beim Thinktank E3G, klar. Vollends zufrieden sei er mit dem Text daher nicht.
Samoa kritisierte im Namen der Gruppe der Inselstaaten noch im Abschlussplenum der COP, dass lediglich die Rede von einem Ende der “ineffizienten” Subventionen für Fossile ist, wobei der Begriff “ineffizient” in diesem Kontext nicht definiert ist. Auch die Aufforderung, den globalen Emissionshöchststand spätestens 2025 zu erreichen, sei nicht im Text, bemängelte die samoanische Delegierte.
Vor allem aber die Frage, wie Entwicklungsländer bei der Energiewende unterstützt werden, bleibt auch in Dubai ungeklärt. Der Text gibt zudem keine Verpflichtungen für Industrienationen oder reichere Länder vor, schneller als andere zu dekarbonisieren. Der COP mag zu einer Einigung über den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gekommen sein, kommentiert Mohamed Adow von Power Shift Afrika, aber sie liefere keinen Plan zur Finanzierung. “Wenn die reichen Länder wirklich an einem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe interessiert sind, müssen sie kreative Wege finden, um diesen zu finanzieren.” Entwicklungsländer würden nicht in der Lage sein, den Ausstieg zu schaffen, so Adow.
Um 11:09 Uhr am Mittwochmorgen eröffnete der Präsident der COP28, Sultan Al Jaber, die entscheidende Sitzung der Klimakonferenz von Dubai. Im Plenum Al Hairat stellte er vor den übermüdeten Delegierten der COP28 seinen Vorschlag für das zentrale Abschlussdokument zum “Global Stocktake” (GST) vor. Wie es beim Pariser Abkommen 2015 der damalige Sitzungspräsident, Laurent Fabius, tat, blickte Al Jaber sich kurz im Saal um, sagte: “Weil ich keinen Einspruch sehe, ist das so entschieden” – und ließ den Hammer fallen. Der Saal erhob sich zu Jubel und stehenden Ovationen. Das lange umstrittene Abkommen, der “UAE Consensus”, war angenommen.
Um 11:12 Uhr, nach diesem Überraschungscoup, begann Al Jaber mit seiner Rede. Er pries das von ihm verhandelte Abkommen als “historische Errungenschaft” und “Basis für transformativen Wandel”, das “die Welt in die richtige Richtung” bewege. Damit startete der zweite und viel längere Prozess, der die Welt der Klimadiplomatie über die nächsten Jahre prägen wird: Er besteht darin, ein völkerrechtlich schwaches Abkommen politisch und ökonomisch stark zu reden.
Denn aus dem Dokument ist nur mit viel gutem Willen herauszulesen, was sehr viele in ihm sehen wollen: Den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen; die Chance, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen; effektive Hilfe für Anpassung an den Wandel und Kompensation für Klimaschäden, eine gerechtere Verteilung von Geld, Technik und Lebenschancen.
Diesen guten Willen für eine durchweg positive Sichtweise brachten dann auch praktisch alle Redner im Raum auf. Der US-Klimagesandte John Kerry sprach bei seinem letzten Auftritt auf der großen Bühne von einer “klaren und eindeutigen Botschaft an die Märkte: Raus aus den Fossilen, sie sind nicht die Zukunft.” Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock feierte einen “Tag der großen Freude, der das Ende des fossilen Zeitalters besiegelt”.
Der Kohle-Exporteur Australien lobte den Text, von Sambia hieß es, das Abkommen atme “Klima-Liebe“, die Schweiz fand es gut, Indien unterstützte es, China sprach von einem “globalen irreversiblen Trend zu grüner und CO₂-armer” Wirtschaft. Als Saudi-Arabien lobte, nun würden wirklich die schädlichen Emissionen angegangen, nämlich mit CO₂-Speicherung, und den VAE gratulierte, war endgültig klar: Die Erklärung von Dubai soll als großer Konsens und Erfolg in die Geschichte eingehen.
Die wenigen, die nicht in den Jubel einstimmten, kamen noch zu spät: Die Inselstaaten baten erst ums Wort, als der Hammer gefallen war. Sie hatten den Beginn der Sitzung, die nach hinten verschoben worden war, durch ein eigenes internes Treffen verpasst. Samoa, als Vorsitzender der Inselstaaten, erklärte dann auch, welche Probleme die verwundbaren Inseln mit den Formulierungen haben, die zu wenig und zu langsam die CO₂-Emissionen reduzieren werden – weil ihr Überleben jetzt schon bedroht ist. Der guten Stimmung tat das keinen Abbruch: Auch für die Inselstaaten gab es stehende Ovationen.
Der “UAE Consensus” ist dann auch ein Dokument, das viel verspricht und wenig konkret festlegt. Damit reiht es sich ein in die Klima-Abkommen seit Paris: Keine konkreten Regeln von oben vorgeben, sondern Rahmenbedingungen setzen, Ziele formulieren, Absichten erklären – und darauf setzen, dass neue Technologien, die Kräfte des Marktes, der Protest der Menschen und Einsicht von Politik und Wirtschaft den richtigen Kurs finden.
Das “Global Stocktake” von Dubai hat gezeigt, dass das in der Vergangenheit zu langsam ging, aber teilweise die Richtung stimmt. Jetzt sollen die neuen Klimapläne der Länder (NDC), die in zwei Jahren anstehen, diese Ideen aufgreifen. Denn in nur sieben Jahren müssen sich die CO₂-Emissionen weltweit praktisch halbieren, wenn das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar sein soll. Und für diese Umsetzung in den NDCs ist es wichtig, dass möglichst viele Staaten der Meinung sind, dieser Weg sei der richtige. Deutschland etwa hat deshalb angekündigt, auch weiterhin Schwellenländer bei der Energiewende, etwa über “Just Energy Transition Partnerships“, zu unterstützen.
Wie soll das 1,5 Grad-Ziel gehalten werden? Das Dokument von Dubai formuliert nicht klar, dass die Länder laut wissenschaftlichen Daten dafür aus den fossilen Energien aussteigen müssen, wie viele behaupten (Details siehe hier). Sondern es fordert die Staaten “auf, dazu beizutragen“, das 1,5-Grad-Ziel zu halten, indem sie etwa die Erneuerbaren verdreifachen, die Effizienz verdoppeln und “sich von den fossilen Brennstoffen in dem Energiesystem weg transformieren” (transitioning away). Das stärkt alle, die weg von den Fossilen wollen, soll Finanzinvestoren klarmachen, dass dort Risiken drohen, aber schreibt auch den Ölstaaten nicht vor, wie lange sie noch Öl verkaufen oder wann sie auf Erneuerbare umstellen müssen. Die Begeisterung für den Beschluss ist allgemein, weil er keine allgemeinen Regeln festlegt.
Das Abkommen ist ein großer Erfolg für die strategischen Interessen der Gastgeber. Sie haben eine schwierige Konferenz erfolgreich beendet und sich als Mittler zwischen dem Globalen Norden und Süden bewährt. Lange hatten die Emirate um Al Jaber darauf hingearbeitet, viel Geld und Arbeit in diese Konferenz gesteckt. Die technische Organisation der größten Klima-Konferenz aller Zeiten mit 100.000 Besuchern war sehr gut, Al Jaber und sein Team machten vieles richtig. Bis sie dann am vorletzten Tag einen Text vorlegten, der so wenig Ehrgeiz hatte, dass die Konferenz rätselte:
Antworten darauf gab es am hektischen letzten Tag der Konferenz nicht mehr.
Anders als viele andere COP-Beschlüsse kam der Deal von Dubai nicht von den klimapolitischen Großmächten. Im Gegenteil hielten sich die USA und China bis auf ihr Sunnylands-Abkommen vom Herbst und einer Ankündigung zu neuen Klima-Langfrist-Strategien auffallend zurück. Indien trat praktisch nicht in Erscheinung; Brasilien übte kaum Einfluss aus. Von Südafrika stammte immerhin der entscheidende Begriff “transition away”, der den Durchbruch bei den fossilen Energien brachte.
Doch das Abkommen selbst wurde von der EU und ihren Verbündeten bei den Inselstaaten, den lateinamerikanischen Ländern wie Kolumbien und Chile und den Verwundbarsten auf der einen Seite vorangetrieben – und den Ölstaaten rund um Saudi-Arabien auf der anderen Seite.
Das Abkommen schreibt zum Teil für die Zukunft fest, was ohnehin passiert: Die Absetzbewegung von den Fossilen ist bei den Investitionen deutlich spürbar, der Emissions-Höhepunkt in den nächsten Jahre sichtbar. Allerdings geht diese Bewegung weg von den Fossilen viel zu langsam, wie auch Alden Meyer von der Umweltorganisation E3G, ein erfahrener COP-Beobachter, sagt: “Das wird das beschleunigen, was passiert. Es wird die Fossilen aus dem System drängen. Aber wie schnell es geht, darüber entscheiden die Staaten zu Hause selbst.”
Der “UAE Consensus” bestätigt noch etwas anderes, darauf wiesen viele Redner beim Abschluss hin: Es zeigt, dass das multilaterale System der UNO trotz ermüdender Debatten und großen Interessengegensätzen zu tragfähigen Ergebnissen kommen kann. Auch wenn sie den “kleinsten gemeinsamen Nenner” ausmachen, wie Meyer sagt. Und auch dafür ist wichtig: Der Wille zur Zusammenarbeit ist entscheidend.
Die Anpassung an den Klimawandel bekam in Dubai erst gegen Ende der COP28 die ihr gebührende politische Aufmerksamkeit. Nach der langen Blockade des Verhandlungsstrangs, unter anderem durch die arabischen Länder, blieb den Parteien nur sehr wenig Zeit für die inhaltliche Arbeit am Text.
Entsprechend lückenhaft ist die Abschlusserklärung des Gipfels über das Rahmenwerk zum Global Adaptation Goal (GGA). Insbesondere:
Maheen Shan, Expertin für Anpassung der Umweltorganisation WWF, erinnert in dem Zusammenhang an die prekäre Finanzlage vieler Staaten. “Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Wie können sie ohne ausreichende Mittel die Anpassungsziele erreichen? Und wie können sie ohne klare Unterziele den Fortschritt messen und das übergeordnete Ziel erreichen?”
Der Text zur Anpassung sei “sehr schwach”, sagte Shan. Positiv bewertete sie, dass die Natur in dem Dokument stark vertreten sei. In vorherigen Versionen war die Rolle der Umwelt für Anpassung weniger betont worden. “Das ist ein Anfang. Jetzt müssen wir gemeinsam darauf aufbauen.”
Lange war unsicher gewesen, ob es überhaupt eine Einigung geben könnte, denn manche Entwicklungsländer vertraten die Position, dass klare Ziele und ausreichend finanzielle und anderweitige Unterstützung für die Anpassung aus ihrer Sicht nicht verhandelbar seien. Sie wollten kein schwaches Ergebnis für das Anpassungsziel. Das hatte Sambias Umweltminister Collins Nzovu kurz vor Schluss des Gipfels für die afrikanische Verhandlungsgruppe noch einmal bekräftigt.
Der Minister hatte dabei gefordert:
Ein solches Rahmenwerk zu verabschieden, das nach zweijähriger Vorarbeit das im Artikel 7 des Pariser Abkommens verankerte Globale Anpassungsziel konkretisieren und handhabbar machen sollte, war einer der wichtigsten Arbeitsaufträge der COP28 gewesen. Doch die vorbereitende Arbeitsgruppe kam erst spät zu Ergebnissen, und dann hielten Blockierer die Verhandlungen in Dubai auf.
Am Ende nahmen die afrikanischen Entwicklungsländer die schwachen Abschlussdokumente zur Anpassung dennoch hin. Im Abschlussplenum wurde der Text zum GGA-Rahmenwerk, ebenso wie die Erklärung zum Global Stocktake (GST), am Mittwochvormittag ohne Gegenrede verabschiedet.
Nzovu sprach gar von “Klima-Liebe”, die er in Dubai verspürt habe. Aber machte zugleich klar, dass die afrikanischen Länder weitere Arbeit am GGA erwarten, die die messbaren Unterziele, “nach denen wir uns sehnen”, garantieren werde. Sierra Leone wählte für die am wenigsten entwickelten Länder deutlichere Worte: “Das gegenwärtige GGA, frei von umsetzbaren Verpflichtungen, ist nicht die Ambition, die wir für Anpassung erwartet hatten und für die wir uns eingesetzt haben.” Dies sei “nur der Anfang eines Gesprächs über das GGA-Rahmenwerk”.
In beiden Dokumenten, dem GGA-Rahmenwerk und dem Text zum GST, sind jetzt sieben Bereiche festgelegt, in denen die Anpassung “bis 2030 und schrittweise darüber hinaus” vorangetrieben werden soll:
Die Texte lassen Raum dafür, künftig weitere Anpassungsbereiche aufzunehmen.
Darüber hinaus legen sie fest, dass alle Staaten bis 2030:
Frühwarnsysteme sollen schon 2027 in allen Ländern etabliert sein.
Die Entwicklung von konkreten, messbaren Indikatoren wird in die Zukunft verschoben. Dafür beschließt die COP ein zweijähriges Arbeitsprogramm. Parteien und Beobachter können bis März 2024 Eingaben dafür einreichen, die das UNFCCC-Sekretariat dann bis Mai 2024 zusammenfassen soll. Auf dem kommenden Zwischengipfel in Bonn sollen im Juni 2024 die weiteren Beratungen beginnen.
Ziel ist, Empfehlungen auszuarbeiten, die spätestens auf der COP30 im brasilianischen Belém beraten und angenommen werden sollen. Das sei “in dem Bereich (der Indikatoren) viel zu wenig”, kommentierte Rixa Schwarz, Co-Bereichsleiterin für internationale Klimapolitik der NGO Germanwatch.
Zur Finanzierung finden sich in den Dokumenten nur recht schwammige Formulierungen. Immerhin verweist der Text zum Global Stocktake auf die Zahlen aus dem Adaptation Gap Report der UNEP – sie waren zwischenzeitlich aus den Gipfeltexten verschwunden. Demnach liegt der Bedarf der Entwicklungsländer an Anpassungsfinanzierung im Jahr 2030 zwischen 215 und 387 Milliarden US-Dollar. Die COP erkennt also an, dass viel Geld nötig sein wird, um gerade die besonders verwundbaren Länder und Regionen gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu wappnen. Konkrete Zusagen oder Vorschläge, wie das Geld aufzubringen wäre, macht sie aber nicht.
Daneben bekräftigt der Gipfel frühere Zusagen, beispielsweise das Versprechen der traditionellen Industrieländer, ihre Anpassungsfinanzierung von 2019 bis 2025 zu verdoppeln. Doch es fehle eine klare Beschreibung des Wegs, wie das passieren könnte, kritisierte Germanwatch-Expertin Schwarz.
Alles Weitere in Bezug auf die Anpassungsfinanzierung wird auf das kommende Jahr verschoben. Dann soll auf der COP29 ein neues Klimafinanzziel beschlossen werden, das “New Collective Quantified Goal (NCQG)”. Doch in den COP28-Dokumenten sei die Verbindung zwischen dem NCQG und der Anpassungsfinanzierung “zu schwach”, sagt Schwarz. Dabei sei das “ein extrem wichtiger Punkt, dass die Finanzierung fließt, damit Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden können”.
Zu Beginn dieses Gipfels war in Dubai viel davon die Rede gewesen, dass verlorenes Vertrauen durch die schnelle Verabschiedung des Loss and Damage Fund wiedergewonnen worden sei. Im kommenden Jahr wird es darum gehen, den besonders verwundbaren Ländern zu zeigen, dass ihre Positionen sich auch in Anpassungsfragen in den COP29-Ergebnissen niederschlagen.
Die internationalen Reaktionen auf das Abschlussdokument der COP28 fallen gemischt aus. Sowohl die OPEC als auch ihr Gegenspieler, die Internationale Energieagentur (IEA), sind mit dem Ergebnis zufrieden. NGOs und Think-Tanks sprechen teils von einem “starken Signal”, beklagen aber auch “Schlupflöcher” im Bereich fossiler Energien. Klimawissenschaftler kritisieren, die Ergebnisse der Konferenz seien zwar wichtige Schritte, gingen aber längst nicht weit genug.
Fatih Birol, Vorsitzender der Internationalen Energieagentur (IEA), bezeichnete die COP-Beschlüsse als “ein wichtiges Ergebnis, in dem das Ziel der Abkehr von fossilen Brennstoffen im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel klar formuliert ist”. Allerdings müssten die Staaten die Ergebnisse “schnell in nationale Politik” umsetzen. Birols Äußerungen sind sehr diplomatisch. Vor wenigen Tagen hatte die IEA erst errechnet, dass die COP-Zusagen zur Verdreifachung der Erneuerbaren, Verdopplung der Energieeffizienz und Verminderung der Methanemissionen die globalen Treibhausgasemissionen insgesamt nicht schnell genug senken.
Die OPEC und das Forum der Gas-exportierenden Länder (GEFC) gratulierten der COP-Präsidentschaft zu einem “einvernehmlichen und positiven Ergebnis”. Die Öl- und Gasindustrie wolle zu einer “gerechten, geordneten und integrativen Energiewende” beitragen – “insbesondere durch die Verbesserung der Effizienz und die Entwicklung und den Einsatz fortschrittlicher Technologien, wie der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS)”, sagten Haitham Al Ghais und Mohamed Hamel, die Generalsekretäre der OPEC und GEFC. Weitere Investitionen in Öl und Gas seien nötig, um die zukünftige Nachfrage zu decken und eine “globale Marktstabilität sicherzustellen”. Die OPEC hatte ihre Mitglieder kurz vor dem Ende der COP aufgerufen, Formulierungen für das Abschlussdokument des Gipfels zu fossilen Brennstoffen zu blockieren.
Der Klimawissenschaftler Niklas Höhne, Geschäftsführer des New Climate Institute, sagt: “Die Konferenz ist ein kleiner Schritt nach vorn, aber nicht der große Wurf, der angesichts der offensichtlichen Klimakrise eigentlich nötig gewesen wäre.” Die Abkehr von fossilen Brennstoffen sei nicht die “notwendige Notbremse”. Das Ergebnis sei “nicht historisch, sondern nur das Nötigste”. Erst, wenn die Staaten die Beschlüsse in nationale Politik umsetzen, entscheide sich, ob die Konferenz ein Erfolg war.
Laut Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, müsse man den COP-Prozess realistisch betrachten. Zu viele Staaten verfolgten noch immer fossile Interessen. Vor diesem Hintergrund “haben die zurückliegenden drei Klimagipfel enorme Fortschritte gebracht”, nämlich fossile Energien “endlich” auf die Tagesordnung gesetzt. Obergassel mahnt: “Die über 120 Länder, die sich für einen klaren Beschluss zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ausgesprochen haben, sollten ihren Worten Taten folgen lassen.”
Wilfried Rickels sagt, “mit einer Anhebung der NDCs – wie in den Beschlüssen gefordert – ist eine Einhaltung des 2-Grad-Ziels weiterhin möglich”. Laut dem Leiter des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik am Institut für Weltwirtschaft, Kiel, sei es noch zu früh für eine Abschätzung, ob das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar sei.
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, sagt, die “Klimakonferenz sendet insgesamt ein starkes Signal an die Welt”. Die erstmals auf einer COP geforderte “Wende weg von Kohle, Öl und Gas” sei ein “wichtiger Schritt”. Allerdings könne die Akzeptanz von Gas als Brückentechnologie “große Schlupflöcher öffnen”.
Ani Dasgupta, Vorsitzender des World Resources Institute aus den USA, bezeichnete das Abschlussdokument als “historisches Ergebnis, das den Beginn des Endes der Ära der fossilen Brennstoffe markiere”. Allerdings dürften Technologien zum Auffangen von Treibhausgasen (CCS) “nicht als Vorwand dienen, um den Übergang zu erneuerbaren Energien zu verlangsamen”, mahnt er.
Auch Bill Hare von Climate Analytics fand viele positive Worte: “Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist ein erster Nagel im Sarg für die fossile Brennstoffindustrie”. Allerdings seien die Ergebnisse im Bereich Energie “schwach”. Es fehle eine Zusage, den Emissionspeak schon 2025 zu erreichen, was als notwendig gilt, um das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar zu halten. Hare fordert die Regierungen zu mehr Engagement auf: Es liege nun an ihnen, “ihre NDCs stärker als dieses Abkommen zu gestalten”.
Lavetanalagi Seru, Regional-Koordinator des Pacific Islands Climate Action Networks, kritisierte: Das COP-Ergebnis reiche “nicht aus, um Klimagerechtigkeit und Gleichberechtigung für die Menschen und Gemeinden an vorderster Front” der Klimakrise zu gewährleisten. “Dieses Ergebnis lässt weiterhin gefährliche Ablenkungsmanöver und Schlupflöcher zu, wie beispielsweise Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und Kernkraft”.
Der COP-Abschluss ist ein bedeutender Fortschritt für alle, die die Klimakrise bekämpfen wollen The Guardian
Sultan Al Jaber – wie der Petroleum-Manager überraschte El País
COP28 endet mit richtungsweisendem Deal Nikkei Asia
Asiens Klimaziele wegen bescheidener Abkehr der COP von fossilen Brennstoffen in Gefahr: “Wir stehen mit einem Bein im Grab” South China Morning Post
Der COP28-Beschluss mag zwar historisch sein, aber es gibt viele Vorbehalte The Economist
COP28: Ein unbefriedigendes Ergebnis zum Thema Klimaanpassung Le Monde
Brasilianische Umweltministerin fordert von reichen Ländern die “nötigen Maßnahmen” für einen Übergang aus den Fossilen O Globo
Erstmals einigen sich die Nationen auf dem Klimagipfel auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen New York Times
Die Gewinner des Klimadeals – und die Verlierer Der Spiegel
COP endet mit Übergang weg von Fossilen Daily Maverick
Meilenstein bei Loss und Damage, verpasste Chance bei Fossilen Hindustan Times
Die finale Struktur des globalen Emissionshandels unter Artikel 6 des Paris-Abkommens bleibt auch nach der COP28 nicht endgültig geklärt. Ein Scheitern der Verhandlungen in Dubai hatte sich bereits angekündigt, da die USA und die EU keine Einigung finden konnten, wie Länder Zertifikate für CO₂-Reduktionen untereinander handeln können.
Die Diskussionen, welche Standards und Transparenzregeln für Projekte zur CO₂-Reduzierung und die Registrierung der Zertifikate gelten (Artikel 6.2), werden in den kommenden Monaten fortgesetzt. Gilles Dufrasne, Leiter der Abteilung für globale Kohlenstoffmärkte bei Carbon Market Watch, sieht darin jedoch eher einen Gewinn für die Integrität des Instruments: “Der Handel mit Kohlenstoffgutschriften erfordert strenge Umwelt- und Menschenrechtsvorschriften.” Der auf dem Tisch liegende Text habe dies nicht erfüllen können. “Er hätte das Risiko mit sich gebracht, die Fehler der freiwilligen Kohlenstoffmärkte zu wiederholen, und durch seine Ablehnung haben die Verhandlungsführer das Beste aus einer schlechten Situation gemacht”, findet Dufrasne.
Europa fordert strenge Regeln für die Zertifizierung und will, dass Geschäftsinformationen der mit Zertifikaten handelnden Parteien nur in Ausnahmefällen vertraulich behandelt werden. Andere Länder, darunter auch die USA, wollen es Unternehmen überlassen, welche Informationen sie freigeben und welche nicht.
Für Umweltschützer geht es bei Artikel 6.2 noch immer darum, Greenwashing zu verhindern. Ein undurchsichtiger Zertifikatehandel, indem zwar viele Zertifikate gehandelt werden, aber kaum reale Emissionen eingespart werden, könnte den Markt zu einem nutzlosen Instrument für den Klimawandel machen. Ein integres System mit strengen Umweltstandards und Konsequenzen für Nichteinhaltung der Regeln dagegen könnte dabei helfen, die Dekarbonisierung des Privatsektors zu beschleunigen und CO₂-Reduktion finanziell lukrativ zu machen. luk
Nach langen Verhandlungen haben sich die Koalitionsspitzen in Berlin über den Haushalt 2024 verständigt. Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Robert Habeck ist dabei besonders hart von Einsparungen betroffen. Durch das Verfassungsgerichtsurteil war der Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem die meisten klimapolitischen Vorhaben finanziert werden, schlagartig um 60 Milliarden Euro geschrumpft. Gut die Hälfte davon, also 31 Milliarden Euro, sollen im Zeitraum bis 2027 nun tatsächlich eingespart werden.
Der Rest soll dadurch gedeckt werden, dass 13 Milliarden für den Schienenausbau nicht aus dem KTF finanziert werden, sondern über den Verkauf von Bundesbeteiligungen und eine Eigenkapitalstärkung der Bahn, die nicht der Schuldenbremse unterliegt. Die verbleibenden 16 Milliarden sollen durch zusätzliche Einnahmen gedeckt werden. Die Einigung der Koalitionsspitzen, den nationalen CO₂-Preis für Kraftstoffe, Heizöl und Gas zum Jahreswechsel stärker zu erhöhen – auf 45 statt der bisher eingeplanten 40 Euro pro Tonne – bringt aber nur rund 1,7 Milliarden Euro ein. Der Rest soll dem Fonds vom Jahr 2025 an aus dem regulären Haushalt zugeführt werden; gesichert sind diese Mittel darum bisher keineswegs.
Viele Klimaprogramme werden stark gekürzt. Schon im Jahr 2024 müssen im KTF zwölf Milliarden Euro eingespart werden. So läuft die Umweltprämie für Elektroautos praktisch sofort aus; alte Anträge werden noch abgearbeitet, neue aber nicht mehr angenommen, verlautet aus dem BMWK. Auch die lange umstrittene Heizungsförderung fällt geringer aus als zuletzt angekündigt: Die Verbesserungen, die beim Baugipfel angekündigt worden waren – unter anderem eine Ausweitung des Geschwindigkeitsbonus auch auf Vermieter -, kommen nun doch nicht. Auch die angekündigte Erhöhung der Sanierungsförderung soll entfallen. Gekürzt wird auch beim Programm “Natürlicher Klimaschutz”, mit dem etwa die Wiedervernässung von Mooren bezahlt wird; zur genauen Höhe gab es noch keine Angaben.
Erhalten bleiben dagegen viele Entlastungen für Wirtschaft und Bürger. Fast alle angekündigten Investitionsförderungen sollen in voller Höhe fließen – für die Chipfabriken ebenso wie für Wasserstoffprojekte und den Umbau der Stahlindustrie. Auch die Strompreiskompensation für die energieintensive Industrie bleibt im KTF erhalten, ebenso die Finanzierung der EEG-Umlage. Entfallen sollen dagegen dem Vernehmen nach Gelder, mit denen der Wiederaufbau der Solarindustrie unterstützt werden sollte. Eine weitere Kürzung, die nicht den KTF, aber das Wirtschaftsministerium betrifft, betrifft die Netzentgelte: Zu deren Stabilisierung waren 5,5 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds vorgesehen. Diese entfallen jetzt ersatzlos, was einen Anstieg der Strompreise um durchschnittlich 2 Cent pro Kilowattstunde zur Folge haben dürfte. mkr