777 Millionen US-Dollar – so viel Geld haben die VAE, die Bill und Melinda Gates Stiftung und andere Geber am Sonntag auf der COP28 zur Bekämpfung tropischer Krankheiten zugesagt. Krankheiten wie die Flussblindheit und die Schlafkrankheit werden durch den Klimawandel immer mehr zur Bedrohung. Die seltsam krumme Summe weckt Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit ist sicher auch ein Ziel der Geber-Staaten.
Denn Klimakonferenzen sind auch immer ein Spiel der großen Zahlen. Hier werden hunderte Millionen zugesagt, dort dutzende Milliarden versprochen. Hinter den höchsten Summen versteckt sich häufig die Hoffnung auf die Beteiligung des Privatsektors. Bernhard Pötter stellt einige dieser Initiativen vor.
Um viel Geld geht es auch beim Waldschutz. Brasilien hat neue Pläne zum Schutz der tropischen Wälder vorgestellt. Das Besondere daran: Wird der Wald zerstört, müssen die Besitzer Strafe zahlen. Doch vieles bleibt noch vage, berichtet Alexandra Endres.
Gigantisch sind auch die Besucherzahlen dieser COP. Sie knacken fast die Schwelle von 100.000 Delegierten. Einer der Besucher ist Darren Woods. Der Exxon-CEO plane, “der letzte Überlebende” im Öl- und Gasgeschäft zu sein, sagen Analysten. Mehr zu Woods und seinen fossilen Plänen im heutigen Porträt.
Beste Grüße aus Dubai und Berlin
Auf der ewigen Suche nach Geldquellen für die internationale Klimapolitik schlägt die COP28 neue Wege ein. Drehte sich die Debatte um Klimafinanzierung bisher vor allem um staatliche Mittel, rückt nun privates Kapital für die globale Energiewende in den Fokus. Unternehmen, Staaten, Stiftungen und die Finanzwirtschaft legen umfangreiche Pakete vor, die weltweit und mit einem Fokus auf Schwellen- und Entwicklungsländern den Klimaschutz voranbringen sollen. Aber auch die Kritik an diesen Plänen wird lauter.
Am Sonntag präsentierte der US-Klimagesandte John Kerry im US-Pavillon auf dem COP-Gelände offiziell den Energy Transition Accelerator (ETA). Das ist eine Initiative des US-Außenministeriums, der Rockefeller Stiftung und der Bezos Earth Foundation. Sie bringt Industriepartner und Staaten zusammen, um über Kohlenstoffzertifikate in Schwellen- und Entwicklungsländern Kapital für den “Übergang von dreckigem Strom zu einer sauberen Energiezukunft” zu sammeln, wie Kerry sagte.
Die Idee: Unternehmen wie Amazon, Bank of America, BCG, Morgan Stanley, Pepsico oder McDonald’s kaufen Zertifikate von den beteiligten Staaten. Interesse angemeldet haben bislang Chile, die Dominikanische Republik, Nigeria und die Philippinen. Die Konzerne nutzen die Carbon Credits für ihre Teilnahme am freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Die Staaten wiederum bekommen Kapital etwa für den Aufbau von Erneuerbaren, Stromtrassen und das Abschalten von Kohlekraftwerken. Die Projekte sollen “klare Leitplanken für ökologische Integrität” vorweisen. Fünf Prozent der Einnahmen sollen für Anpassungsmaßnahmen und Widerstandsfähigkeit vor Ort eingesetzt werden.
“Diese Länder brauchen etwa 1,9 Billionen Dollar an Investitionen im Jahr”, so Andres Steer, der beim Bezos Earth Fund das Projekt vorantreibt. “Das ist siebenmal so viel, wie heute zur Verfügung steht.” Im Jahr 2035 könnten die Zertifikate zwischen 72 und 207 Milliarden Dollar mobilisieren, heißt es. Allein damit würden sie etwa in der Größenordnung der 100 Milliarden Dollar jährlich liegen, die derzeit von den Industriestaaten den armen Ländern als Klimafinanzierung von 2020 bis 2025 versprochen worden sind.
Der ETA der US-Regierung wurde schon auf der COP27 vorgestellt und soll jetzt offiziell im nächsten Frühjahr starten. Schon damals gab es Kritik, weil sie mit den Empfehlungen des UN-Gremiums gegen Greenwashing im Finanzbereich verstieß. Nun erklärte Erika Lennon von der Entwicklungsorganisation CIEL, der Vorstoß sei “Lug und Trug“, der von der mageren Bilanz der USA bei der Klimafinanzierung ablenken solle. Die Idee setze auf Kohlenstoffmärkte, die gezeigt hätten, dass sie selbst bei hohen Standards nicht funktionierten. Und der ETA sei eine “gefährliche Ablenkung” von der Tatsache, dass die USA der weltweit größte Öl- und Gasproduzent sind.
Auch die COP-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, treiben die Umstrukturierung der globalen Finanzflüsse voran. Mit dem Versprechen einer milliardenschweren Initiative für grüne Investitionen soll ein neues “katalytisches Klima-Vehikel” als Investmentfonds namens Alterra “private Märkte in großem Maße Richtung Klima-Investitionen steuern, mit einem Fokus auf Entwicklungsländer und entstehende Märkte“, heißt es in einer Erklärung der COP-Präsidentschaft.
Der Fonds soll für diese Zwecke 30 Milliarden Dollar aufbringen, mit denen weltweit 250 Milliarden an Investitionen in kohlenstoffarme Investments ausgelöst werden sollen. Alterra werde das “weltweit größte private Investmentvehikel für Klimaschutz”, hieß es. Es solle “die internationalen Anstrengungen vorantreiben, ein gerechteres Klimafinanzsystem zu schaffen, mit der Betonung auf besseren Zugang zu Finanzen durch den Globalen Süden”.
Es soll eine besondere öffentlich-rechtliche Kooperation werden, in einem Land, dessen Ölkonzern Adnoc ein Staatsunternehmen ist. Dessen Vorstand und derzeitiger COP-Präsident Sultan Al Jaber soll Alterra als Aufsichtsratsvorsitzender kontrollieren. Majid Al Suwaidi, Generaldirektor der COP28, soll das Unternehmen als Vorstandschef führen. Er versammelt ein Team von “Spezialisten für Klimafinanzierung” für Schwellen- und Entwicklungsländer. Unternehmenssitz ist Abu Dhabi.
Als private Partner sind die Investitionsfonds BlackRock, Brookfield und TPG an Bord. Zusammen mit ihnen hat Alterra laut offiziellen Angaben bislang 6,5 Milliarden Dollar an Kapital an “Klima-ausgerichteten Fonds für globale Investments, einschließlich des Globalen Südens” aufgebracht. Außerdem soll weiteres Kapital “von anderen institutionellen Investoren und globalen Einrichtungen” aufgebracht werden. Die Konstruktion werde “eine transformative Lösung sein, um privates Kapital anzuziehen”, so Sultan Al Jaber.
Alterra soll sich in zwei Bereiche gliedern. “Alterra Acceleration” soll mit 25 Milliarden Dollar Kapital in umfangreiche Klimainvestitionen leiten, die die beste Chance haben, den Übergang zu Netto-Null und klimafreundlicher Wirtschaft zu beschleunigen. Der Bereich soll “Anker-Investor” sein, direkt investieren und in Partnerschaften in Industrie- und Schwellenländern sein Geld anlegen.
“Alterra Transformation” dagegen, der zweite und mit fünf Milliarden Kapital deutlich kleinere Teil des Unternehmens, soll “Risiko-Minimierungskapital” aufbringen. Damit soll es Investitionsflüsse in den Globalen Süden anregen. Damit sollen die heutigen Hindernisse für solche Investitionen umgangen werden. Die Abteilung will auch “Möglichkeiten schaffen, um verbilligte Kredite (concessional finance) zu hebeln, um Investitionen in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselstaaten (LDCs und SIDS) zu ermöglichen.”
An diesem Projekt gibt es Fragezeichen von der Klimaschutzgruppe 350.org. Das sei “im Prinzip ein Schritt in die richtige Richtung”, brauche aber eine genaue Untersuchung, so Andreas Sieber von der Initiative. Die Mehrzahl der angekündigten 30 Milliarden solle aber zu Marktkonditionen vergeben werden, es fehle an Sicherheiten, dass das in den Empfängerländern nicht zu weiterer Verschuldung führe oder etwa in CCS-Techniken fließe.
Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sieht den Bedarf, dass ein “Umschichten der Billionen”, nötig für die globale Energiewende, nicht allein aus den Staatshaushalten zu leisten ist. “Wirksamer Klimaschutz braucht vor allem privates Kapital”, sagte die Ministerin zu Table.Media. “Wir können das nicht nur öffentlich finanzieren. Für die globalen Aufgaben zu Klima und Armutsbekämpfung brauchen wir viel mehr Kapital. Umso wichtiger ist es, mit den richtigen Rahmenbedingungen privates Geld da an Bord zu kriegen, wo es Geschäftsmodelle gibt. Damit kann man die knappen öffentlichen Kassen entlasten.”
Auch Brasilien schlägt vor, eine internationale Finanzierung für Waldschutz und nachhaltige Entwicklung aufzubauen. Anders als der Amazonas-Fonds, aus dem Staaten wie Norwegen oder Deutschland bereits Maßnahmen gegen die Entwaldung finanzieren, solle der neue “Tropische Wälder für immer-Fonds” den Erhalt des stehenden Waldes sichern. Internationale Geldgeber, vor allem staatliche Vermögensfonds, sollten über eine Finanzinstitution als Zwischenstelle Kapital anlegen, mit dessen Rendite Waldschutz in Brasilien und anderen Staaten finanziert werden solle (Details in unserer zweiten Analyse).
Auch die globalen Energiewendepartnerschaften JETP bringen internationales Kapital für Schwellenländer zusammen. Dieses Geld besteht aus öffentlichen Mitteln der Industrieländer und günstigen Krediten von privaten Geldhäusern. Nach Partnerschaften mit Südafrika, Indonesien und Senegal hat jetzt auch Vietnam auf der COP28 seinen konkreten Bedarf an Finanzierung angemeldet. Demnach sollen 15,8 Milliarden Dollar in die Energiewende fließen, die internationalen Partner, vor allem die EU, übernehmen davon gut acht Milliarden. Die Verhandlungen hatten etwa ein Jahr gedauert.
Vor vier Monaten vereinbarten zwölf Länder mit tropischem Wald auf dem Amazonas-Gipfel im brasilianischen Belém “die Entwicklung innovativer Mechanismen”, die Regenwaldschutz, soziale und wirtschaftliche Belange in Einklang bringen sollen. Darunter waren unter anderem die wichtigen Regenwald-Staaten Brasilien, die Demokratische Republik Kongo und Indonesien. Jetzt hat Brasilien auf der COP28 einen ersten “innovativen Mechanismus” vorgelegt.
Ein “Tropische-Wälder-für-immer-Fonds” soll in Zukunft den Regenwaldschutz finanzieren. Brasilien hofft dadurch zunächst mindestens 250 Milliarden US-Dollar zu “mobilisieren”. Woher das Geld kommen soll, ist noch nicht klar. Auf der Konferenz wurden verschiedene Möglichkeiten ins Spiel gebracht. Unter anderem könnten Staatsfonds umworben werden, um zu investieren.
Bisher stehen für den weltweiten Waldschutz nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Entwaldung lohnt sich in der Regel mehr als der Erhalt des Ökosystems: Land wird etwa für Viehzucht und Sojaanbau gerodet, Natur wird für Ölbohrungen und Goldschürfen zerstört. Der neue Fonds soll das ändern, indem er wirtschaftliche Anreize für den Erhalt des Ökosystems bietet.
Das Geld soll vor allem an die Menschen und Gemeinden fließen, die den Wald schützen und bewahren. Der brasilianischen Regierung zufolge könnten rund 80 Länder von dem Fonds profitieren. Sie würden in einem möglichst simplen und daher schnell umzusetzenden Mechanismus Jahr für Jahr einen festen Betrag erhalten – und zwar für jeden Hektar Wald, der erhalten bleibt oder restauriert wird. Für jeden abgeholzten Hektar würde das Hundertfache an Strafzahlungen für die Waldbesitzer fällig.
In der wirtschaftlichen Kalkulation eines Waldbesitzers könnten die Strafzahlungen der entscheidende Faktor sein. Soja anzubauen, verspricht pro Hektar einen deutlich höheren Ertrag als Waldschutz, selbst mit den Zahlungen aus dem Fonds, rechnet Tasso Azevedo vor, der Erfinder des brasilianischen Amazonasfonds. Doch eine Strafe, die Zahlungen von hundert geschützten Hektar zunichtemachen würde, sei ein sehr starker Anreiz, den Wald zu erhalten. Man müsse gewährleisten, dass der Naturschutz handfeste Erträge abwerfe, schrieb Azevedo jüngst in einem Artikel.
Auf der COP28 wurde die Initiative hochkarätig unter Anwesenheit von Umweltministerin Marina Silva und Finanzminister Fernando Haddad präsentiert. Jetzt lade Brasilien “Partner” ein, um die operativen Details des Fonds zu entwickeln, sagte Silva. Bis zur COP30 soll der neue Fonds arbeitsfähig sein.
Bislang ist jedoch unklar, inwieweit andere tropische Länder die Initiative unterstützen. Man stehe mit einigen im Dialog, sagte Garo Batmanian im Gespräch mit Table.Media. Er ist Direktor der Forstbehörde im brasilianischen Umweltministerium. Konkrete Namen nannte er aber nicht. Aus der Delegation hieß es, zunächst gehe es darum, ein Gespräch über die neue Idee in Gang zu bringen.
Ein Sprecher der Coalition for Rainforest Nations, der eigenen Angaben zufolge mehr als 50 Länder angehören, äußerte sich auf Anfrage nicht konkret zu Brasiliens Initiative: “Wir unterstützen die brasilianische Regierung unter Lula grundsätzlich”, teilte er lediglich mit, “und glauben an den REDD+-Mechanismus der UNFCCC”.
REDD+ ist ein etabliertes Konzept, das sich darauf konzentriert, Geld für Emissionen zu zahlen, die durch den Waldschutz vermieden werden. Es sieht das Ökosystem in erster Linie als Kohlenstoffspeicher. Brasiliens Initiative könnte als Konkurrenz verstanden werden. Tatsächlich sagt man in der brasilianischen Delegation, dass die eigene Idee deutlich einfacher umzusetzen sei als REDD+ und deshalb auch schneller nennenswerte Mittel generieren könnte.
Die Idee sieht vor, die Zahlungen nicht mehr an die Menge an Kohlenstoff zu knüpfen, die ein Wald speichert, sondern an die erhaltene Fläche. So will man berücksichtigen, dass ein Wald auch ökologische und soziale Funktionen erfüllt. Pro Hektar könnten beispielsweise 25 oder 30 US-Dollar fließen – pro Hektar gefälltem Wald würde die Summe für hundert Hektar abgezogen.
Man wolle den Fonds so simpel wie möglich gestalten, sagt Batmanian. Die Vorgaben sollten nicht zu detailliert sein, auch um möglichst vielen Ländern die Teilnahme zu ermöglichen: “Wir alle haben Wald. Aber wir befinden uns in verschiedenen Phasen der Entwicklung, und es gibt sozioökonomische und kulturelle Unterschiede zwischen uns. Ein One-Size-Fits-All-Ansatz würde dem nicht gerecht werden.”
Einige grundlegende Kriterien sollen aber alle teilnehmenden Länder erfüllen:
Indem man um Staatsfonds als Investoren wirbt, hofft man, ausreichend Mittel für den neuen Mechanismus zusammenzubekommen. Batmanian zufolge verwalten die Staatsfonds weltweit ein Vermögen von zusammen zwölf Billionen Dollar. Sie haben klare Investmentregeln: Ein großer Teil des Geldes muss in sichere Anleihen mit AAA-Rating investiert werden. Batmanians Idee: Eine Finanzinstitution – denkbar wäre beispielsweise die Weltbank – gibt solche AAA-Anleihen zu einem marktüblichen Zinssatz an Investoren aus. Die Mittel, die sie dadurch einnimmt, investiert sie am Finanzmarkt. So erzielt sie Gewinn. Der könnte in den Schutz der tropischen Wälder fließen.
Unklar bleibt dabei, wie mit Marktschwankungen umgegangen wird – und ob staatliche Fonds überhaupt in einer nennenswerten Größenordnung in die Anleihen investieren dürfen, die der von Brasilien initiierte Fonds ausgeben möchte. In der Regel müssen sie recht strenge Auflagen beachten.
Tasso Azevedo favorisiert ganz persönlich eine andere Finanzquelle: Ölproduzenten könnten für jedes geförderte Fass einen Dollar in den Fonds zahlen – und Brasilien selbst könnte den Anfang machen. “Was, wenn wir dann die USA aufforderten, ebenfalls einen Dollar zu geben? Oder Saudi-Arabien?” Auch private Ölkonzerne sollten ihren Beitrag leisten, “nur vier oder fünf Jahre, bis wir die Umsetzung geschafft haben”. Die benötigten Summen, glaubt er, wären schnell zusammen.
Beim ansonsten gescheiterten Klimagipfel COP15 in Kopenhagen 2009 versprachen die Industrieländer, ab 2020 für Klimaschutz und Anpassung in den Entwicklungsländern jedes Jahr 100 Milliarden Dollar zu “mobilisieren”. Das Geld soll den Staaten helfen, die zur Klimakrise kaum etwas beigetragen haben, aber am meisten unter ihr leiden.
Das Geld ist einerseits wichtig, um die grüne Transformation in den Ländern des Globalen Südens voranzubringen. Der Bedarf für die Reduzierung von Emissionen etwa durch grüne Technologien und für die Anpassung an den Klimawandel ist riesig: Allein für Investitionen in Erneuerbare werden bis 2030 weltweit 35 Billionen Dollar benötigt, schätzt die IRENA. Und der Bedarf für Anpassungsgeld vor allem in den armen Staaten ist ebenfalls groß: 215 Milliarden jährlich bis 2030. Bisher müssen die armen Länder das oft zu großen Teilen selbst aufbringen, was in der Schuldenkrise praktisch unmöglich ist.
Zweitens haben die “100 Milliarden” eine immense politische Bedeutung: Weil sie 2020 und 2021 nicht erreicht wurden, gilt dieses allgemein eingestandene “Versagen” den Schwellen- und Entwicklungsländern als ein Beweis dafür, dass es der Globale Norden mit den Zielen des Pariser Abkommens nicht ernst meint. Dokumente und Äußerungen von Verhandlern verweisen regelmäßig auf diese Tatsache.
Statt der zugesagten 100 Milliarden lieferten die Industrieländer nach den offiziellen Zahlen der OECD 2020 nur 83,3 Milliarden. Der Wert stieg 2021 auf 89,6 Milliarden. Politisch bedeutsam: Die OECD erklärte, “vorläufige Daten” zeigten, “dass 2022 das Ziel (100 Milliarden) wohl erreicht” werde. Das wird nun von vielen Vertretern des Nordens praktisch als gesicherte Tatsache verkündet.
Zur COP26 in Glasgow hatten 2021 Deutschland und Kanada für die Industriestaaten ein Konzept vorgelegt, um den Vorwurf zu entkräften, die reichen Länder würden sich drücken: Demnach sollen 2023 die 100 Milliarden erreicht werden und danach bis 2025 jeweils deutlich mehr als 100 Milliarden fließen – sodass die Summe über die Jahre bei 100 Milliarden liegt. Der jetzige Trend liegt leicht über diesen Rechnungen.
Neben dem Verpassen des Ziels für 2020, 2021 und 2022 stören die Entwicklungsländer noch andere Dinge: So wurde in Glasgow zugesagt, die Gelder sollten halbe-halbe in Emissionsreduzierung (Mitigation) und Anpassung fließen – bisher gelangen aber nur etwa 25 Prozent in die Anpassungsfinanzierung. Der Hintergrund: Mitigation-Geld fließt schneller, etwa in Wind- und Solarkraftwerke, die gute Geschäfte sind – und hauptsächlich in den nicht so armen Ländern stehen. Anpassungsmaßnahmen sind kaum Geschäftsmodelle und werden vor allem in den wirklich armen Ländern benötigt.
Darüber hinaus kalkuliert Oxfam, dass von den Klimahilfen nur etwa ein Drittel bis ein Viertel effektiv als Netto-Klimahilfen in den armen Ländern ankommen. Der Grund: Bei den Rechnungen werden oft viele Aktivitäten unter “Klimaschutz” verbucht, die das kaum leisten. Auch wird kritisiert, dass viele der “mobilisierten” Gelder nur Kredite sind, die sich arme Länder kaum leisten können. Zuschüsse (Grants) sind nur zu etwa einem Drittel dabei.
Die Ankündigung, man habe die Summe deutlich und stetig gesteigert und werde 2023 die 100-Milliarden-Grenze knacken, soll für gute Stimmung auf der COP sorgen – oder zumindest der andauernden Kritik den Wind aus den Segeln nehmen. Gleichzeitig monieren Länder wie China aber, man könne den Daten der OECD nicht trauen.
Doch die Debatte zu den 100 Milliarden ist nur ein Vorspiel. Denn auf der COP28 beginnt ein ernsthaftes Ringen darum, wie die Klimafinanzen in Zukunft aussehen sollen:
4. Dezember, 9 Uhr, World Bank Pavilion
Diskussion Women as Catalysts for Climate Action for a Livable Planet
Auf der Weltbank-Veranstaltung wird diskutiert, wie Geschlechtergerechtigkeit und Klimaschutz gleichzeitig vorangebracht werden können. Infos
4. Dezember, 10 Uhr, The Women’s Pavilion – Humanitarian Hub
Podiumsdiskussion Gendered Dimensions of Climate-Related Emergencies: Impact on Livelihoods, Food Security and Partnerships and Financing Through a Gender Lens
Verschiedene UN-Institutionen und humanitäre Akteure werden gemeinsam mit lokalen Frauenorganisationen über Praktiken und Herausforderungen diskutieren, denen sich der humanitäre Sektor bei der Verringerung von Risiken für Frauen und Mädchen in klimabedingten Krisen gegenübersieht. Infos
4. Dezember, 11.30 Uhr, SE Room 7
Diskussion Coordinating for Greater Ocean-based Climate Change Ambition: A UN-Oceans Perspective
UN-Oceans koordiniert die klimagerechte, ökosystemorientierte und nachhaltige Bewirtschaftung der Ozeane. Mit Blick auf die Globale Bestandsaufnahme (GST) und die gesteigerten Ambitionen will dieses Side-Event zeigen, wie das zu ozeanbasiertem Klimaschutz beiträgt. Infos
4. Dezember, 16 Uhr, Blue Zone
Dialog High Level Dialogue on Gender-Responsive Just Transitions & Climate Action
Dieser Ministerdialog soll den Startschuss für die geschlechtergerechte Partnerschaft für gerechte Übergange und Klimaschutz geben. Infos
Während auf der COP28 nach den optimistischen Anfangstagen der Verhandlungsalltag einkehrt, gibt es aus der Wissenschaft eine weitere lautstarke Warnung an die Konferenz: Mit einem Update zu neuen Erkenntnissen aus der Klima- und Erdsystemforschung haben sich etwa 200 Wissenschaftler zu Wort gemeldet. In ihrem Bericht “10 New Insights in Climate Science” für 2023/2024 beschreibt das Konsortium aus Thinktanks, Unis und UN-Behörden unter den Dächern der Organisationen futurearth, The Earth League und World Climate Reseach Programme neueste Erkenntnisse aus der Forschung:
Mit Blick auf die COP28 schreiben die Forscher, den Global Stocktake solle “die internationale Verpflichtung zur Emissionsreduktion verstärken, um einen lang dauernden Overshoot zu verhindern”. Die Wissenschaftler schreiben: “Wir hoffen, dass die diesjährigen ‘zehn neuen Einsichten’ sich in den Ergebnissen der COP28 widerspiegelt”. Vor allem brauche es:
Bisher sind sehr wenige Länder Verpflichtungen eingegangen, um aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Zwar sind mittlerweile rund 88 Prozent der globalen Treibhausgasemission von staatlichen Zielen zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen erfasst. Aber nur 13 Prozent aller Staaten mit Netto-Null-Zielen haben sich auch zum Ausstieg aus fossilen Energien verpflichtet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von Net Zero Tracker, einem Zusammenschluss von Thinktanks und Stiftungen.
Mehr als 90 Prozent der Länder, die Öl oder Gas produzieren, haben bisher kein Ausstiegsdatum aus der Suche und Erschließung neuer Vorkommen festgelegt. Die fehlenden Ausstiegspläne zeigten eine deutliche Abweichung von dem Net Zero Pathway der International Energy Agency, der Szenarien zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels und dem Ausstieg aus Fossilen darlegt. Demnach müsste die Nutzung von Kohle bis 2050 um 95 Prozent, die von Erdöl um 60 Prozent und die von Erdgas um 45 Prozent fallen. Bei der Kohle sieht es laut Net Zero Tracker besser aus. Mehr als die Hälfte der öffentlich gelisteten Kohleunternehmen mit Netto-Null-Zielen haben sich auch Ziele zum Kohleausstieg gesetzt. kul
Frankreich, Spanien, Kenia, Barbados und Antigua und Barbuda haben auf der COP28 eine Taskforce für internationale Klimasteuern gegründet. Die Arbeitsgruppe soll bis zur COP30 neue Steuermodelle ausfindig machen, um “neue, zusätzliche, vorhersehbare und angemessene Finanzmittel” für den Klimaschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern zu mobilisieren. Auf der COP30 in zwei Jahren sollen dann “konkrete Vorschläge” für internationale Klima- und Entwicklungssteuern präsentiert werden. Im Frühjahr 2024 soll die Taskforce erstmals auf Arbeitsebene zusammenkommen. Ihr Sekretariat wird bei der European Climate Foundation eingerichtet.
Die Initiative baut unter anderem auf dem Pariser Gipfel für einen neuen globalen Finanzpakt im Juni 2023 und dem Africa Climate Summit im September 2023 auf. Auf dem Afrika-Gipfel wurde eine globale CO₂-Besteuerung debattiert, beispielsweise durch eine Steuer auf den Handel mit fossilen Energien, eine Abgabe für Schiffstreibstoffe, Steuern für den Flugverkehr oder eine Finanztransaktionssteuer. Laut Berechnungen der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) könnten solche Steuern hunderte Milliarden US-Dollar an Einnahmen generieren. nib
Mehr als 97.000 Teilnehmende wurden für diesjährige COP in Dubai registriert. Das sind fast doppelt so viele wie im vergangenen Jahr in Ägypten. Zum ersten Mal wurde für die COP28 eine namentliche Liste zu allen Delegierten veröffentlicht.
Mit mehr als 4.400 Delegierten stellen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als Gastgeber die größte Gruppe überhaupt. Zusätzliche haben die VAE noch rund 5.000 Gäste in die “Blue Zone” der Klimakonferenz eingeladen. Darunter viele Lobbyisten, den Interims-Chef von BP, Murray Auchincloss, oder Larry Fink von BlackRock, schreibt die Financial Times.
Sehr große Delegationen haben auch Brasilien (3.081) und China und Nigeria (je 1.411) angemeldet. Indonesien, Japan und die Türkei haben ebenfalls mehr als 1.000 Personen registriert. Deutschland schickt 468 Delegierte. Im Gegensatz dazu senden Afghanistan und Myanmar keine Repräsentanten. Nach einer Auswertung von Carbon Brief sind 62 Prozent der Teilnehmenden männlich und nur 38 Prozent weiblich.
Um mehr Fairness bei der Interessenvertretung zu erreichen, fordern Autoren einer aktuellen Studie der Lund University in Schweden eine Obergrenze für die Anzahl an Delegierten, die ein Land zur Klimakonferenz schicken darf. Von der aktuellen Teilnehmerstruktur profitierten große und finanzstarke Länder. kul
Darren Woods ist der erste CEO von ExxonMobil, der eine Klimakonferenz besucht. Auf der COP28 wird indirekt auch über das Geschäftsmodell fossiler Riesen verhandelt: ein Ausstieg oder das Auslaufen-lassen der Öl- und Gasförderung. Woods will das verhindern, denn sein Kurs für Exxon ist klar: Das Unternehmen plane, “der letzte Überlebende” (“last man standing”) im Öl- und Gasgeschäft zu sein, so die Einschätzung eines Beobachters.
Das Unternehmen ist auf der COP28 zwar einer neuen Initiative von 50 Öl- und Gasunternehmen beigetreten. Sie wollen die CO₂-Emissionen aus der fossilen Förderung bis 2050 auf null und die Methan-Emissionen bis 2030 stark senken. Doch laut Kritikern ist das nur ein Feigenblatt. Anders als einige andere Öl- und Gasfirmen investiert Exxon kaum in erneuerbare Energien. Ganz im Gegenteil.
Der 57-jährige Woods ist seit Januar 2017 Vorstandsvorsitzender von Exxon. In seiner Amtszeit hat Exxon dutzende Milliarden US-Dollar in ein Schieferölunternehmen und in CCS-Infrastruktur investiert. Vor der Küste Guyanas investiert das Unternehmen massiv in die eigene Förderung. Die Energiewende werde noch “viele Jahrzehnte” Zeit brauchen, zeigt sich Woods überzeugt. Öl und Gas werden nach Exxon-Vorstellungen auch 2050 noch mehr als die Hälfte der Energienachfrage ausmachen.
Wie COP-Präsident Al Jaber will Woods “die mit der Verbrennung von Öl und Gas verbundenen Emissionen angehen” und die dafür notwendige “Technologie finden”. Fossile Energieträger böten ein “Maß an Bequemlichkeit, Zuverlässigkeit und Erschwinglichkeit, das nur schwer zu ersetzen ist”, so der Exxon-CEO in einem Gespräch mit der Beratungsfirma McKinsey. Auf der COP28 werde zu viel über das Ende fossiler Energien gesprochen, sagte Woods gegenüber der Financial Times.
Der in der Industriestadt Wichita, Kansas, geborene Woods ist ein großer Befürworter der CCS-Technologie. Er hat Elektrotechnik studiert und einen Management-Abschluss (MBA), ist verheiratet und hat drei Kinder. “Von meiner Ausbildung her bin ich Ingenieur, und in vielerlei Hinsicht sehe ich mich auch heute noch als jemand, der Probleme löst”, sagt Woods über sich. Er sei Vater und Großvater und kümmere sich um seine Familie und ihre Zukunft.
Und er rühmt sich, Exxon habe “mehr CO₂ aufgefangen als jedes andere Unternehmen der Welt”. Doch ein Großteil der CCS-Anwendungen wird für die Ausweitung der Öl- und Gasproduktion genutzt. Exxon sieht hier neue Geschäftschancen. Der Öl-Multi hat im Sommer 2023 mit 4,9 Milliarden US-Dollar das Unternehmen Denbury Inc übernommen und dadurch das größte Netzwerk an CO₂-Pipelines der USA erworben. Der Deal ist Teil von Exxons Versprechen, bis 2027 gut 17 Milliarden US-Dollar in “kohlenstoffarme Lösung” zu investieren, wie das Unternehmen seine Investments in CCS, Wasserstoff und Biokraftstoffe nennt.
Doch Woods größte Übernahme zielt auf einen Schieferöl-Produzenten. Exxon will mit 60 Milliarden US-Dollar das Unternehmen Pioneer Natural Resources und dessen Förderlizenzen im Permian-Becken in Texas und Neu-Mexiko übernehmen – und wartet noch auf grünes Licht der Biden-Regierung. Der Konzern bezeichnet die Übernahme als “großen Sieg für die Umwelt” und behauptet, es könne das Öl mit weniger Emissionen fördern als Pioneer. Ende 2020 stieß Exxons Umweltbilanz noch auf viel Kritik, die in einer Kampagne des aktivistischen Investors Engine No. 1 kulminierte. Doch die Übernahme von Pioneer wurde von den drei Vorstandsmitgliedern von Engine No. 1 akzeptiert. Woods hofft, den Ertrag durch die Schieferöl-Vorkommen durch technische Verbesserungen beim Fracking zu verdoppeln.
Auch politisch spielt Exxon unter Woods weiterhin eine große Rolle. Wenn es um die Gestaltung der Energiewende gehe, könne Exxon “sein Fachwissen und Verständnis des heutigen Energiesystems einbringen”, so Woods gegenüber McKinsey. Im politischen Tagesgeschäft geschieht das jedoch teils etwas rabiater. Im Sommer 2021 bezeichnete Exxons Cheflobbyist, Keith McCoy, Bidens Klimapläne als “wahnsinnig”. Exxon stimme einer CO₂-Steuer nur zu, weil sie so unwahrscheinlich sei, so McCoy in einem von Aktivisten heimlich aufgezeichneten Video. Exxon übe Druck auf Senatoren aus und unterstütze Schattengruppen, die die Klimapolitik der Regierung ins schlechte Licht rücken, gab der Exxon-Lobbyist zu. Woods nannte die Äußerungen “verstörend und falsch” (“disturbing and inaccurate”).
Derzeit lobbyiert Exxon die US-Regierung in Sachen Wasserstoff-Subventionen. Das Unternehmen will erreichen, dass auch Wasserstoff aus Gas (“blauer Wasserstoff”) als klimafreundlich gilt und Produzenten wie Exxon hohe Subventionen erhalten. Das Unternehmen will das bei der Produktion anfallende CO₂ auffangen und speichern.
Woods, der seit 1992 im Unternehmen ist, fährt persönlich sehr gut mit dem fossilen Kurs, den er Exxon verschrieben hat. In der Energiekrise des Jahres 2022 schoss sein jährliches Einkommen auf knapp 36 Millionen US-Dollar in die Höhe. Sein Grundgehalt wurde um zehn Prozent auf fast zwei Millionen US-Dollar erhöht. US-Präsident Joe Biden kritisierte das Unternehmen damals mit den Worten, es verdiene “mehr Geld als Gott”. Gegen die EU-Steuer auf Übergewinne wehrt sich Exxon juristisch und klagt. Sollte die Steuer durchkommen, drohen dem Konzern Zahlungen von mindestens zwei Milliarden US-Dollar. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus. Nico Beckert
Die Staats- und Regierungschefs haben Dubai wieder verlassen und die Verhandlungen zum Global Stocktake nehmen so richtig Fahrt auf. Eigentlich sollte noch am Sonntagnachmittag ein zweiter Textentwurf erscheinen. Allerdings liefen die informellen Verhandlungen noch bis in die späten Abend- und möglicherweise auch Morgenstunden.
Bis Ende der ersten COP-Woche soll der wichtigste Text dieser Konferenz so weit sortiert sein, dass die Ministerinnen und Minister in der zweiten Woche politische Entscheidungen über die verschiedenen Optionen treffen können. Viele Staaten – darunter auch die europäischen – fordern ein “phase out” (Ausstieg) oder mindestens einen “phase down of fossil fuels”, um die COP28 zu einem Erfolg zu machen. Die große Frage bleibt: Ist ein phase-out/phase-down für COP-Präsident Al Jaber überhaupt eine Option?
In Dubai wurde diesbezüglich am Sonntag heftig diskutiert aufgrund bekanntgewordener Äußerungen des COP28-Präsidenten. Es gebe keine wissenschaftlichen Belege und kein Szenario, das belege, durch den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe könne 1,5 Grad erreicht werden, sagte Al Jaber kurz vor COP-Start laut Berichten des Guardian. Der Ausstieg aus den Fossilen würde die Weltgemeinschaft zurück in die Höhlen bringen, so Al Jaber.
Nur zur Erinnerung: UN-Chef Guterres erklärte erst am Freitag, die Wissenschaft sei eindeutig. “Die 1,6-Grad-Grenze ist nur möglich, wenn wir die Verbrennung aller fossilen Brennstoffe endgültig einstellen. Nicht reduzieren, nicht vermindern. Einstellen – mit einem klaren Zeitrahmen.”
Al Jabers Team verteidigte laut Guardian die Äußerungen ihres Chefs. Die 1,5-Grad-Szenarien von IEA und IPCC zeigten, dass fossile Brennstoffe im zukünftigen Energiesystem eine Rolle spielen müssen, wenn auch eine kleinere. Völlig falsch liegt Al Jabers nicht. Weder IPCC- noch IEA-Berichte formulieren eine eindeutige Forderung nach einem fossilen Phase-out. Allerdings tun es eine ganze Reihe der Wissenschaftler, die diese Berichte schreiben. Zudem lässt der CO₂-Reduktionspfad, den der 6. IPCC-Sachstandsbericht für ein 1,5-Grad-Szenario vorgibt (99 Prozent Reduktion bis 2050) faktisch keine großflächige Nutzung fossiler Brennstoffe zu.
Al Jabers Äußerungen sind unglücklich, da sie die Wissenschaft in ein verzerrtes Bild rücken. Neu ist seine Haltung, dass er weiter fossile Brennstoffe nutzen will, jedoch nicht. Der Bericht des Guardian ist also mehr Nebelkerze als Breaking News. Lukas Scheid
777 Millionen US-Dollar – so viel Geld haben die VAE, die Bill und Melinda Gates Stiftung und andere Geber am Sonntag auf der COP28 zur Bekämpfung tropischer Krankheiten zugesagt. Krankheiten wie die Flussblindheit und die Schlafkrankheit werden durch den Klimawandel immer mehr zur Bedrohung. Die seltsam krumme Summe weckt Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit ist sicher auch ein Ziel der Geber-Staaten.
Denn Klimakonferenzen sind auch immer ein Spiel der großen Zahlen. Hier werden hunderte Millionen zugesagt, dort dutzende Milliarden versprochen. Hinter den höchsten Summen versteckt sich häufig die Hoffnung auf die Beteiligung des Privatsektors. Bernhard Pötter stellt einige dieser Initiativen vor.
Um viel Geld geht es auch beim Waldschutz. Brasilien hat neue Pläne zum Schutz der tropischen Wälder vorgestellt. Das Besondere daran: Wird der Wald zerstört, müssen die Besitzer Strafe zahlen. Doch vieles bleibt noch vage, berichtet Alexandra Endres.
Gigantisch sind auch die Besucherzahlen dieser COP. Sie knacken fast die Schwelle von 100.000 Delegierten. Einer der Besucher ist Darren Woods. Der Exxon-CEO plane, “der letzte Überlebende” im Öl- und Gasgeschäft zu sein, sagen Analysten. Mehr zu Woods und seinen fossilen Plänen im heutigen Porträt.
Beste Grüße aus Dubai und Berlin
Auf der ewigen Suche nach Geldquellen für die internationale Klimapolitik schlägt die COP28 neue Wege ein. Drehte sich die Debatte um Klimafinanzierung bisher vor allem um staatliche Mittel, rückt nun privates Kapital für die globale Energiewende in den Fokus. Unternehmen, Staaten, Stiftungen und die Finanzwirtschaft legen umfangreiche Pakete vor, die weltweit und mit einem Fokus auf Schwellen- und Entwicklungsländern den Klimaschutz voranbringen sollen. Aber auch die Kritik an diesen Plänen wird lauter.
Am Sonntag präsentierte der US-Klimagesandte John Kerry im US-Pavillon auf dem COP-Gelände offiziell den Energy Transition Accelerator (ETA). Das ist eine Initiative des US-Außenministeriums, der Rockefeller Stiftung und der Bezos Earth Foundation. Sie bringt Industriepartner und Staaten zusammen, um über Kohlenstoffzertifikate in Schwellen- und Entwicklungsländern Kapital für den “Übergang von dreckigem Strom zu einer sauberen Energiezukunft” zu sammeln, wie Kerry sagte.
Die Idee: Unternehmen wie Amazon, Bank of America, BCG, Morgan Stanley, Pepsico oder McDonald’s kaufen Zertifikate von den beteiligten Staaten. Interesse angemeldet haben bislang Chile, die Dominikanische Republik, Nigeria und die Philippinen. Die Konzerne nutzen die Carbon Credits für ihre Teilnahme am freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Die Staaten wiederum bekommen Kapital etwa für den Aufbau von Erneuerbaren, Stromtrassen und das Abschalten von Kohlekraftwerken. Die Projekte sollen “klare Leitplanken für ökologische Integrität” vorweisen. Fünf Prozent der Einnahmen sollen für Anpassungsmaßnahmen und Widerstandsfähigkeit vor Ort eingesetzt werden.
“Diese Länder brauchen etwa 1,9 Billionen Dollar an Investitionen im Jahr”, so Andres Steer, der beim Bezos Earth Fund das Projekt vorantreibt. “Das ist siebenmal so viel, wie heute zur Verfügung steht.” Im Jahr 2035 könnten die Zertifikate zwischen 72 und 207 Milliarden Dollar mobilisieren, heißt es. Allein damit würden sie etwa in der Größenordnung der 100 Milliarden Dollar jährlich liegen, die derzeit von den Industriestaaten den armen Ländern als Klimafinanzierung von 2020 bis 2025 versprochen worden sind.
Der ETA der US-Regierung wurde schon auf der COP27 vorgestellt und soll jetzt offiziell im nächsten Frühjahr starten. Schon damals gab es Kritik, weil sie mit den Empfehlungen des UN-Gremiums gegen Greenwashing im Finanzbereich verstieß. Nun erklärte Erika Lennon von der Entwicklungsorganisation CIEL, der Vorstoß sei “Lug und Trug“, der von der mageren Bilanz der USA bei der Klimafinanzierung ablenken solle. Die Idee setze auf Kohlenstoffmärkte, die gezeigt hätten, dass sie selbst bei hohen Standards nicht funktionierten. Und der ETA sei eine “gefährliche Ablenkung” von der Tatsache, dass die USA der weltweit größte Öl- und Gasproduzent sind.
Auch die COP-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, treiben die Umstrukturierung der globalen Finanzflüsse voran. Mit dem Versprechen einer milliardenschweren Initiative für grüne Investitionen soll ein neues “katalytisches Klima-Vehikel” als Investmentfonds namens Alterra “private Märkte in großem Maße Richtung Klima-Investitionen steuern, mit einem Fokus auf Entwicklungsländer und entstehende Märkte“, heißt es in einer Erklärung der COP-Präsidentschaft.
Der Fonds soll für diese Zwecke 30 Milliarden Dollar aufbringen, mit denen weltweit 250 Milliarden an Investitionen in kohlenstoffarme Investments ausgelöst werden sollen. Alterra werde das “weltweit größte private Investmentvehikel für Klimaschutz”, hieß es. Es solle “die internationalen Anstrengungen vorantreiben, ein gerechteres Klimafinanzsystem zu schaffen, mit der Betonung auf besseren Zugang zu Finanzen durch den Globalen Süden”.
Es soll eine besondere öffentlich-rechtliche Kooperation werden, in einem Land, dessen Ölkonzern Adnoc ein Staatsunternehmen ist. Dessen Vorstand und derzeitiger COP-Präsident Sultan Al Jaber soll Alterra als Aufsichtsratsvorsitzender kontrollieren. Majid Al Suwaidi, Generaldirektor der COP28, soll das Unternehmen als Vorstandschef führen. Er versammelt ein Team von “Spezialisten für Klimafinanzierung” für Schwellen- und Entwicklungsländer. Unternehmenssitz ist Abu Dhabi.
Als private Partner sind die Investitionsfonds BlackRock, Brookfield und TPG an Bord. Zusammen mit ihnen hat Alterra laut offiziellen Angaben bislang 6,5 Milliarden Dollar an Kapital an “Klima-ausgerichteten Fonds für globale Investments, einschließlich des Globalen Südens” aufgebracht. Außerdem soll weiteres Kapital “von anderen institutionellen Investoren und globalen Einrichtungen” aufgebracht werden. Die Konstruktion werde “eine transformative Lösung sein, um privates Kapital anzuziehen”, so Sultan Al Jaber.
Alterra soll sich in zwei Bereiche gliedern. “Alterra Acceleration” soll mit 25 Milliarden Dollar Kapital in umfangreiche Klimainvestitionen leiten, die die beste Chance haben, den Übergang zu Netto-Null und klimafreundlicher Wirtschaft zu beschleunigen. Der Bereich soll “Anker-Investor” sein, direkt investieren und in Partnerschaften in Industrie- und Schwellenländern sein Geld anlegen.
“Alterra Transformation” dagegen, der zweite und mit fünf Milliarden Kapital deutlich kleinere Teil des Unternehmens, soll “Risiko-Minimierungskapital” aufbringen. Damit soll es Investitionsflüsse in den Globalen Süden anregen. Damit sollen die heutigen Hindernisse für solche Investitionen umgangen werden. Die Abteilung will auch “Möglichkeiten schaffen, um verbilligte Kredite (concessional finance) zu hebeln, um Investitionen in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselstaaten (LDCs und SIDS) zu ermöglichen.”
An diesem Projekt gibt es Fragezeichen von der Klimaschutzgruppe 350.org. Das sei “im Prinzip ein Schritt in die richtige Richtung”, brauche aber eine genaue Untersuchung, so Andreas Sieber von der Initiative. Die Mehrzahl der angekündigten 30 Milliarden solle aber zu Marktkonditionen vergeben werden, es fehle an Sicherheiten, dass das in den Empfängerländern nicht zu weiterer Verschuldung führe oder etwa in CCS-Techniken fließe.
Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sieht den Bedarf, dass ein “Umschichten der Billionen”, nötig für die globale Energiewende, nicht allein aus den Staatshaushalten zu leisten ist. “Wirksamer Klimaschutz braucht vor allem privates Kapital”, sagte die Ministerin zu Table.Media. “Wir können das nicht nur öffentlich finanzieren. Für die globalen Aufgaben zu Klima und Armutsbekämpfung brauchen wir viel mehr Kapital. Umso wichtiger ist es, mit den richtigen Rahmenbedingungen privates Geld da an Bord zu kriegen, wo es Geschäftsmodelle gibt. Damit kann man die knappen öffentlichen Kassen entlasten.”
Auch Brasilien schlägt vor, eine internationale Finanzierung für Waldschutz und nachhaltige Entwicklung aufzubauen. Anders als der Amazonas-Fonds, aus dem Staaten wie Norwegen oder Deutschland bereits Maßnahmen gegen die Entwaldung finanzieren, solle der neue “Tropische Wälder für immer-Fonds” den Erhalt des stehenden Waldes sichern. Internationale Geldgeber, vor allem staatliche Vermögensfonds, sollten über eine Finanzinstitution als Zwischenstelle Kapital anlegen, mit dessen Rendite Waldschutz in Brasilien und anderen Staaten finanziert werden solle (Details in unserer zweiten Analyse).
Auch die globalen Energiewendepartnerschaften JETP bringen internationales Kapital für Schwellenländer zusammen. Dieses Geld besteht aus öffentlichen Mitteln der Industrieländer und günstigen Krediten von privaten Geldhäusern. Nach Partnerschaften mit Südafrika, Indonesien und Senegal hat jetzt auch Vietnam auf der COP28 seinen konkreten Bedarf an Finanzierung angemeldet. Demnach sollen 15,8 Milliarden Dollar in die Energiewende fließen, die internationalen Partner, vor allem die EU, übernehmen davon gut acht Milliarden. Die Verhandlungen hatten etwa ein Jahr gedauert.
Vor vier Monaten vereinbarten zwölf Länder mit tropischem Wald auf dem Amazonas-Gipfel im brasilianischen Belém “die Entwicklung innovativer Mechanismen”, die Regenwaldschutz, soziale und wirtschaftliche Belange in Einklang bringen sollen. Darunter waren unter anderem die wichtigen Regenwald-Staaten Brasilien, die Demokratische Republik Kongo und Indonesien. Jetzt hat Brasilien auf der COP28 einen ersten “innovativen Mechanismus” vorgelegt.
Ein “Tropische-Wälder-für-immer-Fonds” soll in Zukunft den Regenwaldschutz finanzieren. Brasilien hofft dadurch zunächst mindestens 250 Milliarden US-Dollar zu “mobilisieren”. Woher das Geld kommen soll, ist noch nicht klar. Auf der Konferenz wurden verschiedene Möglichkeiten ins Spiel gebracht. Unter anderem könnten Staatsfonds umworben werden, um zu investieren.
Bisher stehen für den weltweiten Waldschutz nur begrenzte Mittel zur Verfügung. Entwaldung lohnt sich in der Regel mehr als der Erhalt des Ökosystems: Land wird etwa für Viehzucht und Sojaanbau gerodet, Natur wird für Ölbohrungen und Goldschürfen zerstört. Der neue Fonds soll das ändern, indem er wirtschaftliche Anreize für den Erhalt des Ökosystems bietet.
Das Geld soll vor allem an die Menschen und Gemeinden fließen, die den Wald schützen und bewahren. Der brasilianischen Regierung zufolge könnten rund 80 Länder von dem Fonds profitieren. Sie würden in einem möglichst simplen und daher schnell umzusetzenden Mechanismus Jahr für Jahr einen festen Betrag erhalten – und zwar für jeden Hektar Wald, der erhalten bleibt oder restauriert wird. Für jeden abgeholzten Hektar würde das Hundertfache an Strafzahlungen für die Waldbesitzer fällig.
In der wirtschaftlichen Kalkulation eines Waldbesitzers könnten die Strafzahlungen der entscheidende Faktor sein. Soja anzubauen, verspricht pro Hektar einen deutlich höheren Ertrag als Waldschutz, selbst mit den Zahlungen aus dem Fonds, rechnet Tasso Azevedo vor, der Erfinder des brasilianischen Amazonasfonds. Doch eine Strafe, die Zahlungen von hundert geschützten Hektar zunichtemachen würde, sei ein sehr starker Anreiz, den Wald zu erhalten. Man müsse gewährleisten, dass der Naturschutz handfeste Erträge abwerfe, schrieb Azevedo jüngst in einem Artikel.
Auf der COP28 wurde die Initiative hochkarätig unter Anwesenheit von Umweltministerin Marina Silva und Finanzminister Fernando Haddad präsentiert. Jetzt lade Brasilien “Partner” ein, um die operativen Details des Fonds zu entwickeln, sagte Silva. Bis zur COP30 soll der neue Fonds arbeitsfähig sein.
Bislang ist jedoch unklar, inwieweit andere tropische Länder die Initiative unterstützen. Man stehe mit einigen im Dialog, sagte Garo Batmanian im Gespräch mit Table.Media. Er ist Direktor der Forstbehörde im brasilianischen Umweltministerium. Konkrete Namen nannte er aber nicht. Aus der Delegation hieß es, zunächst gehe es darum, ein Gespräch über die neue Idee in Gang zu bringen.
Ein Sprecher der Coalition for Rainforest Nations, der eigenen Angaben zufolge mehr als 50 Länder angehören, äußerte sich auf Anfrage nicht konkret zu Brasiliens Initiative: “Wir unterstützen die brasilianische Regierung unter Lula grundsätzlich”, teilte er lediglich mit, “und glauben an den REDD+-Mechanismus der UNFCCC”.
REDD+ ist ein etabliertes Konzept, das sich darauf konzentriert, Geld für Emissionen zu zahlen, die durch den Waldschutz vermieden werden. Es sieht das Ökosystem in erster Linie als Kohlenstoffspeicher. Brasiliens Initiative könnte als Konkurrenz verstanden werden. Tatsächlich sagt man in der brasilianischen Delegation, dass die eigene Idee deutlich einfacher umzusetzen sei als REDD+ und deshalb auch schneller nennenswerte Mittel generieren könnte.
Die Idee sieht vor, die Zahlungen nicht mehr an die Menge an Kohlenstoff zu knüpfen, die ein Wald speichert, sondern an die erhaltene Fläche. So will man berücksichtigen, dass ein Wald auch ökologische und soziale Funktionen erfüllt. Pro Hektar könnten beispielsweise 25 oder 30 US-Dollar fließen – pro Hektar gefälltem Wald würde die Summe für hundert Hektar abgezogen.
Man wolle den Fonds so simpel wie möglich gestalten, sagt Batmanian. Die Vorgaben sollten nicht zu detailliert sein, auch um möglichst vielen Ländern die Teilnahme zu ermöglichen: “Wir alle haben Wald. Aber wir befinden uns in verschiedenen Phasen der Entwicklung, und es gibt sozioökonomische und kulturelle Unterschiede zwischen uns. Ein One-Size-Fits-All-Ansatz würde dem nicht gerecht werden.”
Einige grundlegende Kriterien sollen aber alle teilnehmenden Länder erfüllen:
Indem man um Staatsfonds als Investoren wirbt, hofft man, ausreichend Mittel für den neuen Mechanismus zusammenzubekommen. Batmanian zufolge verwalten die Staatsfonds weltweit ein Vermögen von zusammen zwölf Billionen Dollar. Sie haben klare Investmentregeln: Ein großer Teil des Geldes muss in sichere Anleihen mit AAA-Rating investiert werden. Batmanians Idee: Eine Finanzinstitution – denkbar wäre beispielsweise die Weltbank – gibt solche AAA-Anleihen zu einem marktüblichen Zinssatz an Investoren aus. Die Mittel, die sie dadurch einnimmt, investiert sie am Finanzmarkt. So erzielt sie Gewinn. Der könnte in den Schutz der tropischen Wälder fließen.
Unklar bleibt dabei, wie mit Marktschwankungen umgegangen wird – und ob staatliche Fonds überhaupt in einer nennenswerten Größenordnung in die Anleihen investieren dürfen, die der von Brasilien initiierte Fonds ausgeben möchte. In der Regel müssen sie recht strenge Auflagen beachten.
Tasso Azevedo favorisiert ganz persönlich eine andere Finanzquelle: Ölproduzenten könnten für jedes geförderte Fass einen Dollar in den Fonds zahlen – und Brasilien selbst könnte den Anfang machen. “Was, wenn wir dann die USA aufforderten, ebenfalls einen Dollar zu geben? Oder Saudi-Arabien?” Auch private Ölkonzerne sollten ihren Beitrag leisten, “nur vier oder fünf Jahre, bis wir die Umsetzung geschafft haben”. Die benötigten Summen, glaubt er, wären schnell zusammen.
Beim ansonsten gescheiterten Klimagipfel COP15 in Kopenhagen 2009 versprachen die Industrieländer, ab 2020 für Klimaschutz und Anpassung in den Entwicklungsländern jedes Jahr 100 Milliarden Dollar zu “mobilisieren”. Das Geld soll den Staaten helfen, die zur Klimakrise kaum etwas beigetragen haben, aber am meisten unter ihr leiden.
Das Geld ist einerseits wichtig, um die grüne Transformation in den Ländern des Globalen Südens voranzubringen. Der Bedarf für die Reduzierung von Emissionen etwa durch grüne Technologien und für die Anpassung an den Klimawandel ist riesig: Allein für Investitionen in Erneuerbare werden bis 2030 weltweit 35 Billionen Dollar benötigt, schätzt die IRENA. Und der Bedarf für Anpassungsgeld vor allem in den armen Staaten ist ebenfalls groß: 215 Milliarden jährlich bis 2030. Bisher müssen die armen Länder das oft zu großen Teilen selbst aufbringen, was in der Schuldenkrise praktisch unmöglich ist.
Zweitens haben die “100 Milliarden” eine immense politische Bedeutung: Weil sie 2020 und 2021 nicht erreicht wurden, gilt dieses allgemein eingestandene “Versagen” den Schwellen- und Entwicklungsländern als ein Beweis dafür, dass es der Globale Norden mit den Zielen des Pariser Abkommens nicht ernst meint. Dokumente und Äußerungen von Verhandlern verweisen regelmäßig auf diese Tatsache.
Statt der zugesagten 100 Milliarden lieferten die Industrieländer nach den offiziellen Zahlen der OECD 2020 nur 83,3 Milliarden. Der Wert stieg 2021 auf 89,6 Milliarden. Politisch bedeutsam: Die OECD erklärte, “vorläufige Daten” zeigten, “dass 2022 das Ziel (100 Milliarden) wohl erreicht” werde. Das wird nun von vielen Vertretern des Nordens praktisch als gesicherte Tatsache verkündet.
Zur COP26 in Glasgow hatten 2021 Deutschland und Kanada für die Industriestaaten ein Konzept vorgelegt, um den Vorwurf zu entkräften, die reichen Länder würden sich drücken: Demnach sollen 2023 die 100 Milliarden erreicht werden und danach bis 2025 jeweils deutlich mehr als 100 Milliarden fließen – sodass die Summe über die Jahre bei 100 Milliarden liegt. Der jetzige Trend liegt leicht über diesen Rechnungen.
Neben dem Verpassen des Ziels für 2020, 2021 und 2022 stören die Entwicklungsländer noch andere Dinge: So wurde in Glasgow zugesagt, die Gelder sollten halbe-halbe in Emissionsreduzierung (Mitigation) und Anpassung fließen – bisher gelangen aber nur etwa 25 Prozent in die Anpassungsfinanzierung. Der Hintergrund: Mitigation-Geld fließt schneller, etwa in Wind- und Solarkraftwerke, die gute Geschäfte sind – und hauptsächlich in den nicht so armen Ländern stehen. Anpassungsmaßnahmen sind kaum Geschäftsmodelle und werden vor allem in den wirklich armen Ländern benötigt.
Darüber hinaus kalkuliert Oxfam, dass von den Klimahilfen nur etwa ein Drittel bis ein Viertel effektiv als Netto-Klimahilfen in den armen Ländern ankommen. Der Grund: Bei den Rechnungen werden oft viele Aktivitäten unter “Klimaschutz” verbucht, die das kaum leisten. Auch wird kritisiert, dass viele der “mobilisierten” Gelder nur Kredite sind, die sich arme Länder kaum leisten können. Zuschüsse (Grants) sind nur zu etwa einem Drittel dabei.
Die Ankündigung, man habe die Summe deutlich und stetig gesteigert und werde 2023 die 100-Milliarden-Grenze knacken, soll für gute Stimmung auf der COP sorgen – oder zumindest der andauernden Kritik den Wind aus den Segeln nehmen. Gleichzeitig monieren Länder wie China aber, man könne den Daten der OECD nicht trauen.
Doch die Debatte zu den 100 Milliarden ist nur ein Vorspiel. Denn auf der COP28 beginnt ein ernsthaftes Ringen darum, wie die Klimafinanzen in Zukunft aussehen sollen:
4. Dezember, 9 Uhr, World Bank Pavilion
Diskussion Women as Catalysts for Climate Action for a Livable Planet
Auf der Weltbank-Veranstaltung wird diskutiert, wie Geschlechtergerechtigkeit und Klimaschutz gleichzeitig vorangebracht werden können. Infos
4. Dezember, 10 Uhr, The Women’s Pavilion – Humanitarian Hub
Podiumsdiskussion Gendered Dimensions of Climate-Related Emergencies: Impact on Livelihoods, Food Security and Partnerships and Financing Through a Gender Lens
Verschiedene UN-Institutionen und humanitäre Akteure werden gemeinsam mit lokalen Frauenorganisationen über Praktiken und Herausforderungen diskutieren, denen sich der humanitäre Sektor bei der Verringerung von Risiken für Frauen und Mädchen in klimabedingten Krisen gegenübersieht. Infos
4. Dezember, 11.30 Uhr, SE Room 7
Diskussion Coordinating for Greater Ocean-based Climate Change Ambition: A UN-Oceans Perspective
UN-Oceans koordiniert die klimagerechte, ökosystemorientierte und nachhaltige Bewirtschaftung der Ozeane. Mit Blick auf die Globale Bestandsaufnahme (GST) und die gesteigerten Ambitionen will dieses Side-Event zeigen, wie das zu ozeanbasiertem Klimaschutz beiträgt. Infos
4. Dezember, 16 Uhr, Blue Zone
Dialog High Level Dialogue on Gender-Responsive Just Transitions & Climate Action
Dieser Ministerdialog soll den Startschuss für die geschlechtergerechte Partnerschaft für gerechte Übergange und Klimaschutz geben. Infos
Während auf der COP28 nach den optimistischen Anfangstagen der Verhandlungsalltag einkehrt, gibt es aus der Wissenschaft eine weitere lautstarke Warnung an die Konferenz: Mit einem Update zu neuen Erkenntnissen aus der Klima- und Erdsystemforschung haben sich etwa 200 Wissenschaftler zu Wort gemeldet. In ihrem Bericht “10 New Insights in Climate Science” für 2023/2024 beschreibt das Konsortium aus Thinktanks, Unis und UN-Behörden unter den Dächern der Organisationen futurearth, The Earth League und World Climate Reseach Programme neueste Erkenntnisse aus der Forschung:
Mit Blick auf die COP28 schreiben die Forscher, den Global Stocktake solle “die internationale Verpflichtung zur Emissionsreduktion verstärken, um einen lang dauernden Overshoot zu verhindern”. Die Wissenschaftler schreiben: “Wir hoffen, dass die diesjährigen ‘zehn neuen Einsichten’ sich in den Ergebnissen der COP28 widerspiegelt”. Vor allem brauche es:
Bisher sind sehr wenige Länder Verpflichtungen eingegangen, um aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Zwar sind mittlerweile rund 88 Prozent der globalen Treibhausgasemission von staatlichen Zielen zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen erfasst. Aber nur 13 Prozent aller Staaten mit Netto-Null-Zielen haben sich auch zum Ausstieg aus fossilen Energien verpflichtet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von Net Zero Tracker, einem Zusammenschluss von Thinktanks und Stiftungen.
Mehr als 90 Prozent der Länder, die Öl oder Gas produzieren, haben bisher kein Ausstiegsdatum aus der Suche und Erschließung neuer Vorkommen festgelegt. Die fehlenden Ausstiegspläne zeigten eine deutliche Abweichung von dem Net Zero Pathway der International Energy Agency, der Szenarien zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels und dem Ausstieg aus Fossilen darlegt. Demnach müsste die Nutzung von Kohle bis 2050 um 95 Prozent, die von Erdöl um 60 Prozent und die von Erdgas um 45 Prozent fallen. Bei der Kohle sieht es laut Net Zero Tracker besser aus. Mehr als die Hälfte der öffentlich gelisteten Kohleunternehmen mit Netto-Null-Zielen haben sich auch Ziele zum Kohleausstieg gesetzt. kul
Frankreich, Spanien, Kenia, Barbados und Antigua und Barbuda haben auf der COP28 eine Taskforce für internationale Klimasteuern gegründet. Die Arbeitsgruppe soll bis zur COP30 neue Steuermodelle ausfindig machen, um “neue, zusätzliche, vorhersehbare und angemessene Finanzmittel” für den Klimaschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern zu mobilisieren. Auf der COP30 in zwei Jahren sollen dann “konkrete Vorschläge” für internationale Klima- und Entwicklungssteuern präsentiert werden. Im Frühjahr 2024 soll die Taskforce erstmals auf Arbeitsebene zusammenkommen. Ihr Sekretariat wird bei der European Climate Foundation eingerichtet.
Die Initiative baut unter anderem auf dem Pariser Gipfel für einen neuen globalen Finanzpakt im Juni 2023 und dem Africa Climate Summit im September 2023 auf. Auf dem Afrika-Gipfel wurde eine globale CO₂-Besteuerung debattiert, beispielsweise durch eine Steuer auf den Handel mit fossilen Energien, eine Abgabe für Schiffstreibstoffe, Steuern für den Flugverkehr oder eine Finanztransaktionssteuer. Laut Berechnungen der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) könnten solche Steuern hunderte Milliarden US-Dollar an Einnahmen generieren. nib
Mehr als 97.000 Teilnehmende wurden für diesjährige COP in Dubai registriert. Das sind fast doppelt so viele wie im vergangenen Jahr in Ägypten. Zum ersten Mal wurde für die COP28 eine namentliche Liste zu allen Delegierten veröffentlicht.
Mit mehr als 4.400 Delegierten stellen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als Gastgeber die größte Gruppe überhaupt. Zusätzliche haben die VAE noch rund 5.000 Gäste in die “Blue Zone” der Klimakonferenz eingeladen. Darunter viele Lobbyisten, den Interims-Chef von BP, Murray Auchincloss, oder Larry Fink von BlackRock, schreibt die Financial Times.
Sehr große Delegationen haben auch Brasilien (3.081) und China und Nigeria (je 1.411) angemeldet. Indonesien, Japan und die Türkei haben ebenfalls mehr als 1.000 Personen registriert. Deutschland schickt 468 Delegierte. Im Gegensatz dazu senden Afghanistan und Myanmar keine Repräsentanten. Nach einer Auswertung von Carbon Brief sind 62 Prozent der Teilnehmenden männlich und nur 38 Prozent weiblich.
Um mehr Fairness bei der Interessenvertretung zu erreichen, fordern Autoren einer aktuellen Studie der Lund University in Schweden eine Obergrenze für die Anzahl an Delegierten, die ein Land zur Klimakonferenz schicken darf. Von der aktuellen Teilnehmerstruktur profitierten große und finanzstarke Länder. kul
Darren Woods ist der erste CEO von ExxonMobil, der eine Klimakonferenz besucht. Auf der COP28 wird indirekt auch über das Geschäftsmodell fossiler Riesen verhandelt: ein Ausstieg oder das Auslaufen-lassen der Öl- und Gasförderung. Woods will das verhindern, denn sein Kurs für Exxon ist klar: Das Unternehmen plane, “der letzte Überlebende” (“last man standing”) im Öl- und Gasgeschäft zu sein, so die Einschätzung eines Beobachters.
Das Unternehmen ist auf der COP28 zwar einer neuen Initiative von 50 Öl- und Gasunternehmen beigetreten. Sie wollen die CO₂-Emissionen aus der fossilen Förderung bis 2050 auf null und die Methan-Emissionen bis 2030 stark senken. Doch laut Kritikern ist das nur ein Feigenblatt. Anders als einige andere Öl- und Gasfirmen investiert Exxon kaum in erneuerbare Energien. Ganz im Gegenteil.
Der 57-jährige Woods ist seit Januar 2017 Vorstandsvorsitzender von Exxon. In seiner Amtszeit hat Exxon dutzende Milliarden US-Dollar in ein Schieferölunternehmen und in CCS-Infrastruktur investiert. Vor der Küste Guyanas investiert das Unternehmen massiv in die eigene Förderung. Die Energiewende werde noch “viele Jahrzehnte” Zeit brauchen, zeigt sich Woods überzeugt. Öl und Gas werden nach Exxon-Vorstellungen auch 2050 noch mehr als die Hälfte der Energienachfrage ausmachen.
Wie COP-Präsident Al Jaber will Woods “die mit der Verbrennung von Öl und Gas verbundenen Emissionen angehen” und die dafür notwendige “Technologie finden”. Fossile Energieträger böten ein “Maß an Bequemlichkeit, Zuverlässigkeit und Erschwinglichkeit, das nur schwer zu ersetzen ist”, so der Exxon-CEO in einem Gespräch mit der Beratungsfirma McKinsey. Auf der COP28 werde zu viel über das Ende fossiler Energien gesprochen, sagte Woods gegenüber der Financial Times.
Der in der Industriestadt Wichita, Kansas, geborene Woods ist ein großer Befürworter der CCS-Technologie. Er hat Elektrotechnik studiert und einen Management-Abschluss (MBA), ist verheiratet und hat drei Kinder. “Von meiner Ausbildung her bin ich Ingenieur, und in vielerlei Hinsicht sehe ich mich auch heute noch als jemand, der Probleme löst”, sagt Woods über sich. Er sei Vater und Großvater und kümmere sich um seine Familie und ihre Zukunft.
Und er rühmt sich, Exxon habe “mehr CO₂ aufgefangen als jedes andere Unternehmen der Welt”. Doch ein Großteil der CCS-Anwendungen wird für die Ausweitung der Öl- und Gasproduktion genutzt. Exxon sieht hier neue Geschäftschancen. Der Öl-Multi hat im Sommer 2023 mit 4,9 Milliarden US-Dollar das Unternehmen Denbury Inc übernommen und dadurch das größte Netzwerk an CO₂-Pipelines der USA erworben. Der Deal ist Teil von Exxons Versprechen, bis 2027 gut 17 Milliarden US-Dollar in “kohlenstoffarme Lösung” zu investieren, wie das Unternehmen seine Investments in CCS, Wasserstoff und Biokraftstoffe nennt.
Doch Woods größte Übernahme zielt auf einen Schieferöl-Produzenten. Exxon will mit 60 Milliarden US-Dollar das Unternehmen Pioneer Natural Resources und dessen Förderlizenzen im Permian-Becken in Texas und Neu-Mexiko übernehmen – und wartet noch auf grünes Licht der Biden-Regierung. Der Konzern bezeichnet die Übernahme als “großen Sieg für die Umwelt” und behauptet, es könne das Öl mit weniger Emissionen fördern als Pioneer. Ende 2020 stieß Exxons Umweltbilanz noch auf viel Kritik, die in einer Kampagne des aktivistischen Investors Engine No. 1 kulminierte. Doch die Übernahme von Pioneer wurde von den drei Vorstandsmitgliedern von Engine No. 1 akzeptiert. Woods hofft, den Ertrag durch die Schieferöl-Vorkommen durch technische Verbesserungen beim Fracking zu verdoppeln.
Auch politisch spielt Exxon unter Woods weiterhin eine große Rolle. Wenn es um die Gestaltung der Energiewende gehe, könne Exxon “sein Fachwissen und Verständnis des heutigen Energiesystems einbringen”, so Woods gegenüber McKinsey. Im politischen Tagesgeschäft geschieht das jedoch teils etwas rabiater. Im Sommer 2021 bezeichnete Exxons Cheflobbyist, Keith McCoy, Bidens Klimapläne als “wahnsinnig”. Exxon stimme einer CO₂-Steuer nur zu, weil sie so unwahrscheinlich sei, so McCoy in einem von Aktivisten heimlich aufgezeichneten Video. Exxon übe Druck auf Senatoren aus und unterstütze Schattengruppen, die die Klimapolitik der Regierung ins schlechte Licht rücken, gab der Exxon-Lobbyist zu. Woods nannte die Äußerungen “verstörend und falsch” (“disturbing and inaccurate”).
Derzeit lobbyiert Exxon die US-Regierung in Sachen Wasserstoff-Subventionen. Das Unternehmen will erreichen, dass auch Wasserstoff aus Gas (“blauer Wasserstoff”) als klimafreundlich gilt und Produzenten wie Exxon hohe Subventionen erhalten. Das Unternehmen will das bei der Produktion anfallende CO₂ auffangen und speichern.
Woods, der seit 1992 im Unternehmen ist, fährt persönlich sehr gut mit dem fossilen Kurs, den er Exxon verschrieben hat. In der Energiekrise des Jahres 2022 schoss sein jährliches Einkommen auf knapp 36 Millionen US-Dollar in die Höhe. Sein Grundgehalt wurde um zehn Prozent auf fast zwei Millionen US-Dollar erhöht. US-Präsident Joe Biden kritisierte das Unternehmen damals mit den Worten, es verdiene “mehr Geld als Gott”. Gegen die EU-Steuer auf Übergewinne wehrt sich Exxon juristisch und klagt. Sollte die Steuer durchkommen, drohen dem Konzern Zahlungen von mindestens zwei Milliarden US-Dollar. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus. Nico Beckert
Die Staats- und Regierungschefs haben Dubai wieder verlassen und die Verhandlungen zum Global Stocktake nehmen so richtig Fahrt auf. Eigentlich sollte noch am Sonntagnachmittag ein zweiter Textentwurf erscheinen. Allerdings liefen die informellen Verhandlungen noch bis in die späten Abend- und möglicherweise auch Morgenstunden.
Bis Ende der ersten COP-Woche soll der wichtigste Text dieser Konferenz so weit sortiert sein, dass die Ministerinnen und Minister in der zweiten Woche politische Entscheidungen über die verschiedenen Optionen treffen können. Viele Staaten – darunter auch die europäischen – fordern ein “phase out” (Ausstieg) oder mindestens einen “phase down of fossil fuels”, um die COP28 zu einem Erfolg zu machen. Die große Frage bleibt: Ist ein phase-out/phase-down für COP-Präsident Al Jaber überhaupt eine Option?
In Dubai wurde diesbezüglich am Sonntag heftig diskutiert aufgrund bekanntgewordener Äußerungen des COP28-Präsidenten. Es gebe keine wissenschaftlichen Belege und kein Szenario, das belege, durch den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe könne 1,5 Grad erreicht werden, sagte Al Jaber kurz vor COP-Start laut Berichten des Guardian. Der Ausstieg aus den Fossilen würde die Weltgemeinschaft zurück in die Höhlen bringen, so Al Jaber.
Nur zur Erinnerung: UN-Chef Guterres erklärte erst am Freitag, die Wissenschaft sei eindeutig. “Die 1,6-Grad-Grenze ist nur möglich, wenn wir die Verbrennung aller fossilen Brennstoffe endgültig einstellen. Nicht reduzieren, nicht vermindern. Einstellen – mit einem klaren Zeitrahmen.”
Al Jabers Team verteidigte laut Guardian die Äußerungen ihres Chefs. Die 1,5-Grad-Szenarien von IEA und IPCC zeigten, dass fossile Brennstoffe im zukünftigen Energiesystem eine Rolle spielen müssen, wenn auch eine kleinere. Völlig falsch liegt Al Jabers nicht. Weder IPCC- noch IEA-Berichte formulieren eine eindeutige Forderung nach einem fossilen Phase-out. Allerdings tun es eine ganze Reihe der Wissenschaftler, die diese Berichte schreiben. Zudem lässt der CO₂-Reduktionspfad, den der 6. IPCC-Sachstandsbericht für ein 1,5-Grad-Szenario vorgibt (99 Prozent Reduktion bis 2050) faktisch keine großflächige Nutzung fossiler Brennstoffe zu.
Al Jabers Äußerungen sind unglücklich, da sie die Wissenschaft in ein verzerrtes Bild rücken. Neu ist seine Haltung, dass er weiter fossile Brennstoffe nutzen will, jedoch nicht. Der Bericht des Guardian ist also mehr Nebelkerze als Breaking News. Lukas Scheid