synthetische Kraftstoffe sind der Heilige Gral der Dekarbonisierung: Alle warten sehnsüchtig auf diesen Wunderstoff, um klimaneutral zu heizen, zu fahren oder zu fliegen. Aber wie das so ist mit dem Gral: Auf dem Weg zu ihm lauern viele Hindernisse. In Deutschland jedenfalls wird die geplante Produktion von klimaneutralem Flugbenzin derzeit von massiven Kürzungen im Bundeshaushalt und von großen technischen Schwierigkeiten gebremst, hat ein Team von Climate.Table recherchiert.
Das zeigt, wie gut die Entscheidung war, die wir ab heute umsetzen: Zweimal in der Woche zu erscheinen. Immer dienstags und donnerstags gibt es nun hier von uns Analysen, News, Standpunkte und die gewohnten Tiefenbohrungen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik rund um die Klimakrise. In dieser Ausgabe noch mit einem Rückblick auf die Sicherheitskonferenz in München, einem Ausblick auf die Zukunft des Green Deal der EU und vielen Seitenblicken auf Entwicklungen in der ganzen Welt.
Behalten Sie einen langen Atem und viel Spaß beim Lesen.
Die geplante und angelaufene Produktion von klimafreundlichem Kerosin in Deutschland kommt derzeit kaum vom Fleck. Technische und finanzielle Hürden halten dieses zentrale Projekt für die Zukunft des Luftverkehrs am Boden. Die Luftfahrtbranche ist empört. Und gleichzeitig verzögert sich ein Vorzeigeprojekt für sythetisches Flugbenzin wegen großer technischer Probleme.
Im Bundeshaushalt 2024 gab es aufgrund der Einsparungen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) massive Kürzungen bei erneuerbaren Kraftstoffen: Bisher waren in drei verschiedenen Titeln für das laufende und die nächsten Jahre insgesamt 3,3 Milliarden Euro zur Förderung der Entwicklung und der Produktion regenerativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien für die Luftfahrt vorgesehen. Im gerade verabschiedeten Haushalt bleiben davon ganze 505 Millionen übrig. Das entspricht einer Kürzung von 85 Prozent.
Besonders stark betroffen ist der vom Verkehrsministerium bewirtschaftete Titel 89204 “Förderung von Erzeugungsanlagen für strombasierte Kraftstoffe und fortschrittliche Biokraftstoffe sowie von Antriebstechnologien für die Luftfahrt”. Für ihn waren in den nächsten Jahren ursprünglich 2,16 Milliarden Euro vorgesehen. Dieser wird praktisch komplett eingestellt, lediglich bereits zugesagte Mittel von 60 Millionen Euro bleiben erhalten.
Auch für den zweiten großen Posten des BMDV, der Titel 68625 “Entwicklung regenerativer Kraftstoffe”, ist für die nächsten Jahre weitaus weniger Geld eingeplant: Von 834 Millionen Euro bleiben 170 Millionen erhalten – was das Ministerium bereits als Erfolg wertet, weil zwischenzeitlich auch hier eine fast vollständige Kürzung im Raum stand. Weitgehend erhalten bleibt dagegen der vom BMWK bewirtschaftete Titel 68305 “Klimaneutrales Fliegen”, für den insgesamt 275 Millionen Euro vorgesehen sind.
Auch technisch gibt es Probleme: So liegt derzeit das erste deutsche Projekt zur Produktion von synthetischem Flugtreibstoff, das 2023 im Emsland mit der Produktion starten sollte, hinter dem Zeitplan, weil technische Kernkomponenten wie Elektrolyse und die Synthese des Kraftstoffs noch nicht richtig funktionieren.
Eigentlich sollte die Anlage bei Werlte nach Beginn der Inbetriebnahme im Herbst 2021 schon Mitte 2023 die Produktion von grünem Rohkerosin aus Wasser und lokalen Wind- und Solaranlagen mit CO₂ aus einer Biogasanlage und einer eigenen Direct-Air-Caputre-Anlage (DAC) in industriellem Umfang beginnen. Das Rohkerosin sollte dann in eine Raffinerie geliefert, dort zu Jet A1 veredelt und am Flughafen Hamburg als E-Fuel genutzt werden. Die Projektgesellschaft gehört zu Atmosfair, einer Plattform, die sich um den klimafreundlichen Wandel in der Luftfahrt bemüht und eine Berechnung ihrer Klimawirkungen mit Kompensationsrechner eingeführt hat.
Doch technische Probleme und Auseinandersetzungen über die Mängel mit den Herstellerfirmen haben das Projekt verzögert. “Es sind Probleme, die entstehen, wenn man ein Projekt aus der Pilotphase in die industrielle Produktion überführen will”, sagt Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. Nun sollen noch in diesem Jahr 100 Tonnen des E-Fuels produziert werden, 2025 soll die doppelte Menge geschafft werden.
Als nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAFs) gelten alle Treibstoffe, die nicht auf Fossilen basieren. Der Begriff wird allerdings unterschiedlich und inflationär gebraucht, etwa bei kleinen Mengen von Beimischungen zu fossilem Kerosin. Laut der EU Initiative “ReFuelEU Aviation” als Teil des Fit-for-55-Pakets müssen Kraftstoffanbieter bis 2025 den Anteil nachhaltiger Flugkraftstoffe auf zwei Prozent steigern – 2050 soll er bei 70 Prozent liegen.
E-Kerosin, auch als synthetisches Kerosin bezeichnet, ist Kraftstoff, der mithilfe von CO₂ und erneuerbaren Energien synthetisch hergestellt wird. Er gehört qua Definition auch zu den SAF, hat aber eigene Ziele in der ReFuelEU Aviation-Verordnung: 1,2 Prozent ab 2030 und 35 Prozent bis 2050. Deutschland hat sich sogar vorgenommen, bereits in zwei Jahren, also 2026, 0,5 Prozent E-Kerosin zu erreichen. Nach einer Studie der Nichtregierungsorganisation Transport and Environment ist Deutschland mit Norwegen und Frankreich auf einem guten Weg, die nötige E-Kerosin-Produktion aufzubauen. Jetzt kam jedoch die Haushaltskrise dazwischen.
Die Kürzung der Fördermittel trifft die Projekte an einem empfindlichen Punkt: “Leider wurde der geplante Produktionshochlauf von strombasiertem SAF (E-Kerosin) gerade durch die komplette Streichung der Mittel im Bundeshaushalt konterkariert”, kommentiert Siegfried Knecht. Er sitzt für Airbus im Vorstand der Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e. V. (Aireg), einem Verbund von Flugzeugherstellern, SAF-Produzenten, Fluggesellschaften, Start-ups und wissenschaftlichen Instituten. Aireg und seine Mitglieder hoffen trotz der fehlenden öffentlichen Unterstützung auf “wegweisende Investitionsentscheidungen für E-Kerosin”.
Denn die Industrie “hat sich in Deutschland 2022 mit circa drei Milliarden Euro Aufwendungen für Forschung und Entwicklung engagiert”, so Knecht. “Von der Politik erwartet die Industrie verlässliche Förderung für’s CO₂-neutrale Fliegen und insgesamt langfristig stabile Rahmenbedingungen”. Dies gelte insbesondere für SAF.
Es gibt derzeit in Deutschland vier große Industrievorhaben für E-Kerosin. Für das größte, an dem DHL, die HH2E AG und das südafrikanische Erdöl- und Chemieunternehmen Sasol arbeiten, steht noch kein Standort fest. Die anderen drei Projekte (Concrete Chemicals, Jangada und Hykero), die derzeit in Berlin, Brandenburg und Leipzig aufgebaut werden, suchen nach Investoren. Die Geschäftsführung von dem in Leipzig geplanten Projekt Hykero spricht von “nicht idealen Rahmenbedingungen“. Sie will trotzdem in der ersten Jahreshälfte mit dem Start der Projektrealisierung beginnen und Anfang 2028 die Produktion beginnen.
Dabei ist der Bedarf an klimafreundlichem Kerosin gewaltig. Die Luftfahrt wächst. 4,7 Milliarden Menschen werden im laufenden Jahr fliegen, schätzt die International Air Transport Association, mehr Menschen als jemals zuvor. Rechnet man die Klimawirkungen von CO₂, Stickoxiden und Wasserdampf zusammen, so trägt der Flugverkehr mindestens 3,5 Prozent zum Klimawandel bei. Die Branche muss und möchte bis 2045 treibhausgasneutral werden, ist jedoch im Vergleich zu anderen Branchen deutlich schwerer zu dekarbonisieren.
Siegfried Knecht von Aireg betont: “Klimaneutrales Fliegen” wird es auf absehbare Zeit nicht geben, wir müssen stattdessen von der “Reduzierung der Klimawirkung” des Luftverkehrs sprechen. Auch wenn die Luftfahrt in den nächsten Jahren noch nicht klimafreundlich genannt werden kann, muss heute in die entsprechende Transformation investiert werden.
Marte van der Graaf, Referentin für Luftfahrt bei der NGO Transport and Environment sieht innerhalb der alternativen Flugkraftstoffe das größere Potenzial bei E-Kerosin. “Die Luftfahrtgesellschaften setzen ihre Hoffnung aber gerade auf Biokraftstoffe”, sagt sie. Biokraftstoffe seien die aktuell billigste Lösung, allerdings nur begrenzt verfügbar. “Biokraftstoffe werden meist aus Abfällen hergestellt und sind damit nicht skalierbar und anfällig für Betrug mit falsch als Abfall deklarierten Produkten.”
Beim elektrischen Fliegen gelang im Herbst 2022 dem Unternehmen Eviation (Israel/USA) der Erstflug eines vollelektrischen Passagierflugzeugs. Acht Minuten blieb “Alice” in der Luft. DHL hat bereits zwölf Exemplare des Typs vorbestellt. Die Reichweite soll dann etwas über 450 Kilometer betragen.
Die Reichweite ist auch der entscheidende Faktor, warum elektrische Antriebe herkömmliche Motoren nicht so bald ersetzen können. Entwickler und Hersteller konzentrieren sich auf kurze Strecken. So soll beispielsweise schon 2026 bei der norwegischen Regionalfluggesellschaft Widerøe ein elektrisches Propellerflugzeug mit zwei Elektromotoren von Rolls-Royce eingesetzt werden.
In der Lebenszyklusanalyse (LCA) hat ein vollelektrisches Flugzeug laut einer schwedischen Studie deutliche Vorteile. Demnach sind die Klimaschäden des Elektroflugzeugs bereits nach einem Viertel der erwarteten Lebensdauer geringer als bei den auf fossilen Brennstoffen basierenden Flugzeugen, sofern mit Ökostrom geflogen wird. Die Kehrseite ist jedoch die zunehmende Knappheit von Bodenschätzen für die Lithium-Ionen-Batterien.
Eine weitere Antriebsalternative, die gerade auch im politischen Fokus steht, ist Wasserstoff. Das BMWK fördert mit 45 Millionen Euro die Erprobung disruptiver Wasserstofftechnologien in einem fliegenden Testlabor. Erste Forschungsvorhaben sind ab Frühjahr 2025 geplant. Marte van der Graaf von Transport and Environment fordert, dass sich auch die Flugzeughersteller mit Wasserstoff beschäftigen – es sei gerade wirtschaftlich eine vielversprechende Alternative. Derzeit allerdings sei die Klimawirkung des Fliegens vor allem über optimierte Routen und Geschwindigkeiten zu reduzieren. Gleichzeitig betont Van der Graaf: “Bis mindestens 2030 ist der einzige grüne Flug der, der am Boden bleibt.” Mitarbeit: Bernhard Pötter, Malte Kreutzfeldt
Nicht-militärische Bedrohungen der nationalen Sicherheit, etwa durch Probleme bei der Ernährungssicherheit oder den Klimawandel, standen auf der 60. Münchner Sicherheitskonferenz zwar auf der Tagesordnung. Sie wurden aber von den akuten Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten in den Hintergrund gedrängt. Das monierten nach Abschluss der Veranstaltung am Sonntag Vertreter von Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen im Gespräch mit Table.Media.
So stand etwa die Ernährungssicherheit am letzten Konferenztag nicht noch einmal auf der Tagesordnung. Und auch die Klimakrise als Treiberin globaler und lokaler Krisen schaffte es nicht auf die Hauptbühne im Bayerischen Hof, selbst wenn sie im Abschlusspanel “Keine Zeit zu verlieren: ein geopolitischer Ausblick voraus in 60 Jahren” zumindest erwähnt wurde. Stattdessen legten die Konferenzplaner den Schwerpunkt auf die Zukunft der Europäischen Union – und das in gleich vier Panels.
Die Nöte bei der Lebensmittelversorgung seien auf der Konferenz in München nicht genügend thematisiert worden, kritisierte die norwegische Entwicklungshilfeministerin Anne Beathe Tvinvereim. Direkt vom Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba reiste sie in die bayerische Landeshauptstadt – und war erstaunt darüber, wie die Diskussionen der Vertreter westlicher Industriemächte denen in vielen afrikanischen Staaten hinterherhinkten. “Ernährungssicherheit ist für uns eine Frage nationaler Sicherheit”, habe ihr ein Landwirtschaftsminister in Äthiopien gesagt. Das habe ihr die Augen geöffnet.
Doch Tvinnereim sieht auch Fortschritte. Noch vor einem Jahr habe etwa Ernährungssicherheit auf der MSC weitaus weniger Aufmerksamkeit erlangt als auf der Jubiläumskonferenz. So schafften es am ersten Tag die Panels “Ernährungsintelligenz: Lebensmittelunsicherheit als Vorhersageindikator” und “High von ihrem eigenen Angebot: Großmächtewettbewerb und Lieferkettenabhängigkeiten” ins Hauptprogramm.
Heute seien weitaus mehr Vertreter von Hilfs- und Nichtregierungsorganisationen, von UN-Unterorganisationen und aus dem Globalen Süden in München präsent als in der Vergangenheit. Dadurch habe sich der stark militärisch geprägte Charakter der 1964 als Wehrkundetagung gegründeten Zusammenkunft deutlich geändert.
Die grüne Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger fand es richtig, dass das israelisch-palästinensische Verhältnis am Abschlusstag noch einmal prominent verhandelt wurde. “Von Sicherheitskonferenz zu Sicherheitskonferenz wird die Lage ernster”, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag zu Table.Media. Zugleich betonte sie: “Sicherheit ist mehr als nur Militär”, sondern sie umfasse auch “viele Bereiche, angefangen bei neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz über Desinformation, Ernährungs- und Klimasicherheit bis hin zu Entwicklungszusammenarbeit.”
Die Staaten des Globalen Südens einzubeziehen und über das transatlantische Verhältnis hinauszuschauen, das die letzten Jahrzehnte in München geprägt hatte, sei den Veranstaltern gelungen, sagten Vertreter von Weltbank und Welternährungsprogramm, mit denen Table.Media auf der Konferenz sprach. Mads Christensen, Geschäftsführer von Greenpeace, sah es kritischer: “Es wird viel über klassische Themen geredet, und wenig über Ernährungs- und andere Formen menschlicher Sicherheit. Dabei müsste inzwischen doch allen klar sein, dass der Klimawandel eine Sicherheitsfrage ist.”
Nur in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Akteuren aus der Zivilgesellschaft, dem Globalen Süden und fortschrittlichen Kräften in Wirtschaft und Politik könne es gelingen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln, “was die Menschen tatsächlich brauchen, um sich sicher zu fühlen. Es geht nicht nur um die Abwesenheit von bewaffneten Konflikten”, erläuterte Christensen.
Achim Steiner, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Leiter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) bekräftigt, dass angesichts weltweiter Militärausgaben von mehr als zwei Billionen US-Dollar die Frage erlaubt sein müsse, wie diese Kosten eigentlich zur Risikominimierung beigetragen hätten. “Eine Diskussion über mehr Entwicklungszusammenarbeit zur Minderung von Risiken ist genauso legitim wie die Diskussion, ob wir mehr Finanzen für Verteidigung brauchen”, sagt er im Gespräch mit Table.Media.
Eine Frage, die auch Norwegens Entwicklungshilfeminister Tvinnereim umtreibt – und das, obwohl es der Regierung in Oslo anders als vielen anderen reichen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gelingt, das Ziel von 0,7 Prozent öffentlicher Entwicklungsleistungen am Bruttonationaleinkommen zu erreichen; das Zwei-Prozent-Ziel der Nato hingegen wird erst 2026 erfüllt. Für Tvinnereim kein Widerspruch, sondern Ausdruck einer vielleicht zukunftsweisenden Vorstellung globaler Lastenteilung: “Verteidigung plus Entwicklung gleich Sicherheit”, bringt sie es als Formel auf den Punkt.
Das weltweit größte geplante CCS-Projekt zum Auffangen und Speichern von CO₂ in Kanada droht wegen Unsicherheiten über staatliche Subventionen zu scheitern. Einer Analyse der Beratungsfirma Wood Mackenzie zufolge gäbe es Unklarheiten, ob zugesagte staatliche Unterstützung dauerhaft fließt. Die zugesagten Subventionen könnten “während der Projektlaufzeit jederzeit nach politischem Gutdünken geändert werden und sogar auf null sinken”, sagt Peter Findlay, Direktor CCUS Economics bei Wood Mackenzie. Unklarheit herrsche auch noch über die Frage, welchen Beitrag die kanadische Bundesregierung und die Provinz Alberta zur Förderung des Projekts leisten sollen.
Das auf der Kippe stehende kanadische CCS-Vorhaben sieht den Bau einer 400 Kilometer langen CO₂-Pipeline vor, die über 20 geplante CCS-Projekte und einen CO₂-Speicher verbinden soll. Es stammt von einem Zusammenschluss der großen Ölsandfirmen namens Pathways Alliance. In einer ersten Phase des Projekts sollen:
Der Beratungsfirma zufolge habe Kanada zwar viel höhere CCS-Subventionen als die USA. Doch die Anreize des südlichen Nachbarn seien politisch viel sicherer, weil sowohl die Demokraten als auch die Republikaner das Auffangen und Speichern von Kohlendioxid als wichtige Maßnahme erachten. Allerdings kritisiert Findlay, dass die US-Subventionen zu niedrig seien. “Nur sehr wenige Post-Combustion-Projekte werden in den USA vorangetrieben”, sagt der Wood Mackenzie-Experte. Die zwölfjährige Förderung im Zuge des Inflation Reduction Acts (IRA) sei “einfach nicht ausreichend, um Anreize für eine langfristige Abscheidung zu schaffen”. nib
Auch im zweiten Winter ohne russisches Pipeline-Gas war die Gasversorgung in Deutschland zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Weitere LNG-Terminals seien darum nicht erforderlich, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer am Montag veröffentlichten Analyse. So waren die Gasspeicher Ende Januar noch zu 75 Prozent gefüllt; gleichzeitig waren die drei bestehenden deutschen LNG-Terminals nur zur Hälfte ausgelastet. Insgesamt lag die Auslastung der LNG-Kapazitäten in Deutschland, Polen, Belgien, den Niederlanden und Italien, die gut durch Pipelines verbunden sind, Ende Januar bei etwa zwei Drittel.
“Im Falle einer kältebedingt höheren Nachfrage hätte also sowohl mehr Erdgas aus den Speichern genutzt werden oder über bereits bestehende Terminals bezogen werden können”, schreibt das DIW-Team unter Leitung von Claudia Kemfert – und folgert: “Der überdimensionierte LNG-Infrastrukturausbau ist nicht erforderlich, um eine potenzielle Gasmangellage zu vermeiden, und sollte daher nicht weiterverfolgt werden.” Auch der umstrittene Standort in Mukran auf Rügen, gegen den Anwohner und Umweltverbände heftig protestieren, sei für die Versorgungssicherheit “nicht notwendig”, schreibt das DIW.
Das sieht man im Bundeswirtschaftsministerium anders. Die zusätzlichen Terminals sollten “einen ausreichenden Sicherheitspuffer schaffen”, teilte eine Sprecherin mit. Der Standort Mukran sei “besonders geeignet, um Gas in die mittel- und osteuropäischen Nachbarländer zu liefern”. In diesen könnten “mit der Einstellung von russischen Lieferungen in die Ukraine andere Bedarfe entstehen”, so das BMWK.
Tatsächlich fließt über die Pipeline Ukraine-Transit in die EU. Eine Übersicht des Brüsseler Thinktanks Bruegel zeigt allerdings, dass die Mengen mit etwa 300 Millionen Kubikmetern pro Woche vergleichsweise gering sind. Zudem könnten diese Mengen nicht nur mit Lieferungen aus Deutschland ersetzt werden, sondern auch über Italien, Polen oder Griechenland, wo die LNG-Terminals ebenfalls nicht voll ausgelastet sind. Wie das Dashboard der europäischen Gasnetzbetreiber zeigt, hat auch die Pipeline, die algerisches Gas über Tunesien nach Italien transportiert, noch erhebliche freie Kapazitäten, die für Lieferungen nach Südosteuropa genutzt werden könnten. mkr
Mehr als jede fünfte migrierende Tierart, darunter fast alle wandernden Fische, sind vom Aussterben bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt der erste UN-Bericht zu “Migratory Species”. Darunter versteht man Tierarten, die regelmäßig längere Strecken zurücklegen. Dazu gehören die grüne Schildkröte, der europäische Aal, der afrikanische Pinguin, aber auch klassische Zugvögel wie Störe.
Insgesamt 1.189 wandernde Arten haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angesehen. Besonders in Gefahr sind wandernde Fischarten, von ihnen sind 97 Prozent vom Aussterben bedroht. Das liegt daran, dass viele Ökosysteme in den Meeren besonders stark belastet sind. Für die schlechte Lage der Tierarten ist hauptsächlich der Mensch verantwortlich.
Der Bericht betont dabei, dass der Klimawandel nicht nur eine direkte Bedrohung ist, sondern auch andere Bedrohungen, wie die durch invasive Spezies, verstärkt. Wie gut sich die Arten an den Klimawandel anpassen können, sei stark unterschiedlich. Der Klimawandel führe dazu, dass sich die Wanderrouten vieler Tierarten in Richtung der Pole verschieben – allerdings werden sie dort oftmals durch natürliche Barrieren aufgehalten. Andererseits sei Artenschutz auch Klimaschutz: Ein weiterer UN-Bericht war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schutz von wandernden Arten dazu beitragen kann, klimaresiliente Ökosysteme aufzubauen. kul
Mit JPMorgan und State Street verlassen zwei wichtige Vermögensverwalter die Investorengruppe Climate Action 100+ (CA100+). Die Gruppe war gegründet worden, um Unternehmen zu mehr Ambition im Bereich Klimaschutz und Dekarbonisierung zu bewegen. Auch Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter, hatte bereits angekündigt, sein Engagement dafür von der Zentrale auf einen kleineren, internationalen Zweig zu verlagern. Durch den Rückzug fallen zusammen 14 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten aus der CA100+-Gruppe, wie Reuters berichtet. Die Entscheidungen der Vermögensverwalter zum Rückzug wurden bekannt gegeben, nachdem die CA100+ die teilnehmenden Finanzunternehmen zu stärkeren Maßnahmen aufgerufen hatte.
Durch diese Rückzieher wird der Einfluss der CA100+-Gruppe stark geschmälert. Keiner der fünf größten Vermögensverwalter steht noch komplett hinter der Gruppe, berichtet die Financial Times. Die Ausstiege sind auch Zeichen für den steigenden Druck gegen ESG-Engagements von Vermögensverwaltern und anderen Finanzakteuren. Politiker der Republikanischen Partei in den USA sprechen sich gegen solche Engagements aus. In verschiedenen Staaten wird dort aktuell aufgrund der Mitgliedschaft bei CA100+ wegen “unzulässiger Koordinierung” gegen mehrere Vermögensverwalter ermittelt. CA100+ will durch Aktionäre besonders Druck auf die größten klimaschädlichen Unternehmen weltweit ausüben, ihre Netto-Null-Ziele einzuhalten und auszuweiten. kul
Die Eisflächen von Afrikas wenigen Gletschern haben sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts halbiert. Bis Mitte des Jahrhunderts könnten sie ganz verschwunden sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die nun im Fachmagazin Environmental Research veröffentlicht wurde. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind sogar bereits mehr als 90 Prozent des Eises verschwunden.
Afrikas drei einzige Gletscherregionen (Kilimandscharo, Mount Kenya und Rwenzori Range) sind wichtige Klimawandel-Indikatoren. Zuletzt war die Datenlage zu den Gletschern lückenhaft gewesen. Der Rückgang des Eises kann nicht direkt auf höhere Temperaturen zurückgeführt werden. Stattdessen hängt er mit weniger Niederschlägen in der Region zusammen. Die Regenzeiten werden in den afrikanischen Gletscherregionen durch den Klimawandel trockener und deswegen schrumpfen die Gletscher. Zusätzlich gibt es mehr wolkenlose Tage, an denen das Eis schneller schmilzt. kul
Absichten sind wichtig, aber entscheidend sind Taten. Der Europäische Green Deal ist das zentrale Instrument der EU, ihre Klimaziele zu erreichen. Er soll die Wirtschaft der Union gerechter, wohlhabender und nachhaltiger machen. Vor kurzem hat die Europäische Kommission ihre Klimaziele für 2040 veröffentlicht – mit dem Ziel einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent.
Während sich die EU als Vorreiterin der Klimatransformation versteht, suchen hier ansässige Unternehmen außerhalb Europas nach Produktionsmöglichkeiten. Unsere vermeintliche Führungsposition in Sachen Klimaschutz wird so infrage gestellt. Der Green Deal, der hauptsächlich auf Regulierung beruht, birgt das Risiko, Unternehmen mit bürokratischen Herausforderungen und Verboten zu überfordern. Im Gegensatz dazu setzen Länder wie die USA vor allem auf Anreize, etwa durch Initiativen wie den Inflation Reduction Act (IRA). Damit fördern sie Innovationen und treiben eine nachhaltigere Wirtschaft voran.
Europa muss seine Bemühungen also verstärken – und hat zwei konkrete Hebel, um nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten anzukurbeln. So können wir aktiv Emissionen reduzieren und europäische Champions im Bereich der Klimatechnologie aufbauen.
Unternehmen basieren Entscheidungen zur Expansion, für oder gegen neue Fabriken und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze auf der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Vorhabens. Es ist daher unerlässlich, dass die EU dieser Logik folgt. Es gilt, den “Deal” als Teil des “Green Deal” auf der Grundlage eines attraktiven Geschäftsmodells umzusetzen.
Um den Deal Wirklichkeit werden zu lassen, bringt die EU den Net-Zero Industry Act (NZIA), Europas Antwort auf den IRA, auf den Weg. Es ist eine Schlüsselinitiative, um Emissionen zu reduzieren und grüne Technologien zu skalieren. Wenn wir Genehmigungsverfahren beschleunigen und Bürokratie reduzieren können, verbessern wir Europas Wettbewerbsfähigkeit.
Der NZIA ist Europas erster starker Hebel, um einen erfolgreichen sauberen Übergang zur Klimaneutralität voranzutreiben. Die zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat erzielte Einigung über den NZIA umfasst eine breite Palette von Netto-Null-Technologien. Es ist nun von entscheidender Bedeutung, dass die EU-Gesetzgeber diese Vereinbarung zügig genehmigen.
Ein starker NZIA schafft ein schlankes und stabiles Regulierungsumfeld für Unternehmen, damit sie sich entsprechend entwickeln können.
Das zweite wichtige Instrument für die EU, um Investitionen in saubere Technologien zu fördern und damit Emissionen zu reduzieren, ist die Taxonomie. In ihrer derzeitigen Form ist ihre Wirksamkeit allerdings eingeschränkt.
Erstens ist die Umsetzung der Taxonomie zu komplex, zu eng gefasst und zu langsam. Die entsprechenden Rechtsdokumente bestehen aus mehr als 600 Seiten detaillierter Kriterien, was es Unternehmen erschwert, die Anforderungen zu verstehen und entsprechend umzusetzen. Darüber hinaus listet sie nur “erfolgreiche” Aktivitäten aus der Vergangenheit auf, da Innovation definitionsgemäß nicht Bestandteil einer solchen Liste sein kann. Wir schlagen einen ständigen und schnellen Aktualisierungsmechanismus der Liste vor, um die neuesten sauberen Innovationen einzubeziehen.
In Deutschland, aber auch in Europa insgesamt, sehen wir, wie Unternehmen wegen günstigerer Bedingungen ihre Lösungen in den USA und in Asien skalieren. Eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Wirtschaft ist Europas Chance, ambitionierten Klimaschutz mit starker Wirtschaftsleistung zu verbinden.
Wir sind überzeugt: Klima-Champions müssen aus Europa hervorgehen und die exzellente Forschung in starke Unternehmen übersetzen. Der NZIA ist ein gutes Beispiel dafür, wie Europa den Green Deal umsetzen muss: Einmal in Kraft, wird er Unternehmen dabei unterstützen, zu skalieren und private Investitionen anzukurbeln.
Wirtschaftlicher Wohlstand und Arbeitsplätze entstehen dort, wo die Marktbedingungen günstig sind – das erfordert ausdrücklich ein einfaches, harmonisiertes Regulierungsumfeld. Der NZIA und die Taxonomie sind zwei wichtige Hebel für Europa – wenn wir sie richtig gestalten.
Angelika Niebler ist Europaabgeordnete der CSU und unter anderem Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europaparlaments. Andreas Sichert ist CEO von Orcan Energy. Das Unternehmen bietet Module an, die Abwärme in Strom umwandeln.
synthetische Kraftstoffe sind der Heilige Gral der Dekarbonisierung: Alle warten sehnsüchtig auf diesen Wunderstoff, um klimaneutral zu heizen, zu fahren oder zu fliegen. Aber wie das so ist mit dem Gral: Auf dem Weg zu ihm lauern viele Hindernisse. In Deutschland jedenfalls wird die geplante Produktion von klimaneutralem Flugbenzin derzeit von massiven Kürzungen im Bundeshaushalt und von großen technischen Schwierigkeiten gebremst, hat ein Team von Climate.Table recherchiert.
Das zeigt, wie gut die Entscheidung war, die wir ab heute umsetzen: Zweimal in der Woche zu erscheinen. Immer dienstags und donnerstags gibt es nun hier von uns Analysen, News, Standpunkte und die gewohnten Tiefenbohrungen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik rund um die Klimakrise. In dieser Ausgabe noch mit einem Rückblick auf die Sicherheitskonferenz in München, einem Ausblick auf die Zukunft des Green Deal der EU und vielen Seitenblicken auf Entwicklungen in der ganzen Welt.
Behalten Sie einen langen Atem und viel Spaß beim Lesen.
Die geplante und angelaufene Produktion von klimafreundlichem Kerosin in Deutschland kommt derzeit kaum vom Fleck. Technische und finanzielle Hürden halten dieses zentrale Projekt für die Zukunft des Luftverkehrs am Boden. Die Luftfahrtbranche ist empört. Und gleichzeitig verzögert sich ein Vorzeigeprojekt für sythetisches Flugbenzin wegen großer technischer Probleme.
Im Bundeshaushalt 2024 gab es aufgrund der Einsparungen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) massive Kürzungen bei erneuerbaren Kraftstoffen: Bisher waren in drei verschiedenen Titeln für das laufende und die nächsten Jahre insgesamt 3,3 Milliarden Euro zur Förderung der Entwicklung und der Produktion regenerativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien für die Luftfahrt vorgesehen. Im gerade verabschiedeten Haushalt bleiben davon ganze 505 Millionen übrig. Das entspricht einer Kürzung von 85 Prozent.
Besonders stark betroffen ist der vom Verkehrsministerium bewirtschaftete Titel 89204 “Förderung von Erzeugungsanlagen für strombasierte Kraftstoffe und fortschrittliche Biokraftstoffe sowie von Antriebstechnologien für die Luftfahrt”. Für ihn waren in den nächsten Jahren ursprünglich 2,16 Milliarden Euro vorgesehen. Dieser wird praktisch komplett eingestellt, lediglich bereits zugesagte Mittel von 60 Millionen Euro bleiben erhalten.
Auch für den zweiten großen Posten des BMDV, der Titel 68625 “Entwicklung regenerativer Kraftstoffe”, ist für die nächsten Jahre weitaus weniger Geld eingeplant: Von 834 Millionen Euro bleiben 170 Millionen erhalten – was das Ministerium bereits als Erfolg wertet, weil zwischenzeitlich auch hier eine fast vollständige Kürzung im Raum stand. Weitgehend erhalten bleibt dagegen der vom BMWK bewirtschaftete Titel 68305 “Klimaneutrales Fliegen”, für den insgesamt 275 Millionen Euro vorgesehen sind.
Auch technisch gibt es Probleme: So liegt derzeit das erste deutsche Projekt zur Produktion von synthetischem Flugtreibstoff, das 2023 im Emsland mit der Produktion starten sollte, hinter dem Zeitplan, weil technische Kernkomponenten wie Elektrolyse und die Synthese des Kraftstoffs noch nicht richtig funktionieren.
Eigentlich sollte die Anlage bei Werlte nach Beginn der Inbetriebnahme im Herbst 2021 schon Mitte 2023 die Produktion von grünem Rohkerosin aus Wasser und lokalen Wind- und Solaranlagen mit CO₂ aus einer Biogasanlage und einer eigenen Direct-Air-Caputre-Anlage (DAC) in industriellem Umfang beginnen. Das Rohkerosin sollte dann in eine Raffinerie geliefert, dort zu Jet A1 veredelt und am Flughafen Hamburg als E-Fuel genutzt werden. Die Projektgesellschaft gehört zu Atmosfair, einer Plattform, die sich um den klimafreundlichen Wandel in der Luftfahrt bemüht und eine Berechnung ihrer Klimawirkungen mit Kompensationsrechner eingeführt hat.
Doch technische Probleme und Auseinandersetzungen über die Mängel mit den Herstellerfirmen haben das Projekt verzögert. “Es sind Probleme, die entstehen, wenn man ein Projekt aus der Pilotphase in die industrielle Produktion überführen will”, sagt Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. Nun sollen noch in diesem Jahr 100 Tonnen des E-Fuels produziert werden, 2025 soll die doppelte Menge geschafft werden.
Als nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAFs) gelten alle Treibstoffe, die nicht auf Fossilen basieren. Der Begriff wird allerdings unterschiedlich und inflationär gebraucht, etwa bei kleinen Mengen von Beimischungen zu fossilem Kerosin. Laut der EU Initiative “ReFuelEU Aviation” als Teil des Fit-for-55-Pakets müssen Kraftstoffanbieter bis 2025 den Anteil nachhaltiger Flugkraftstoffe auf zwei Prozent steigern – 2050 soll er bei 70 Prozent liegen.
E-Kerosin, auch als synthetisches Kerosin bezeichnet, ist Kraftstoff, der mithilfe von CO₂ und erneuerbaren Energien synthetisch hergestellt wird. Er gehört qua Definition auch zu den SAF, hat aber eigene Ziele in der ReFuelEU Aviation-Verordnung: 1,2 Prozent ab 2030 und 35 Prozent bis 2050. Deutschland hat sich sogar vorgenommen, bereits in zwei Jahren, also 2026, 0,5 Prozent E-Kerosin zu erreichen. Nach einer Studie der Nichtregierungsorganisation Transport and Environment ist Deutschland mit Norwegen und Frankreich auf einem guten Weg, die nötige E-Kerosin-Produktion aufzubauen. Jetzt kam jedoch die Haushaltskrise dazwischen.
Die Kürzung der Fördermittel trifft die Projekte an einem empfindlichen Punkt: “Leider wurde der geplante Produktionshochlauf von strombasiertem SAF (E-Kerosin) gerade durch die komplette Streichung der Mittel im Bundeshaushalt konterkariert”, kommentiert Siegfried Knecht. Er sitzt für Airbus im Vorstand der Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e. V. (Aireg), einem Verbund von Flugzeugherstellern, SAF-Produzenten, Fluggesellschaften, Start-ups und wissenschaftlichen Instituten. Aireg und seine Mitglieder hoffen trotz der fehlenden öffentlichen Unterstützung auf “wegweisende Investitionsentscheidungen für E-Kerosin”.
Denn die Industrie “hat sich in Deutschland 2022 mit circa drei Milliarden Euro Aufwendungen für Forschung und Entwicklung engagiert”, so Knecht. “Von der Politik erwartet die Industrie verlässliche Förderung für’s CO₂-neutrale Fliegen und insgesamt langfristig stabile Rahmenbedingungen”. Dies gelte insbesondere für SAF.
Es gibt derzeit in Deutschland vier große Industrievorhaben für E-Kerosin. Für das größte, an dem DHL, die HH2E AG und das südafrikanische Erdöl- und Chemieunternehmen Sasol arbeiten, steht noch kein Standort fest. Die anderen drei Projekte (Concrete Chemicals, Jangada und Hykero), die derzeit in Berlin, Brandenburg und Leipzig aufgebaut werden, suchen nach Investoren. Die Geschäftsführung von dem in Leipzig geplanten Projekt Hykero spricht von “nicht idealen Rahmenbedingungen“. Sie will trotzdem in der ersten Jahreshälfte mit dem Start der Projektrealisierung beginnen und Anfang 2028 die Produktion beginnen.
Dabei ist der Bedarf an klimafreundlichem Kerosin gewaltig. Die Luftfahrt wächst. 4,7 Milliarden Menschen werden im laufenden Jahr fliegen, schätzt die International Air Transport Association, mehr Menschen als jemals zuvor. Rechnet man die Klimawirkungen von CO₂, Stickoxiden und Wasserdampf zusammen, so trägt der Flugverkehr mindestens 3,5 Prozent zum Klimawandel bei. Die Branche muss und möchte bis 2045 treibhausgasneutral werden, ist jedoch im Vergleich zu anderen Branchen deutlich schwerer zu dekarbonisieren.
Siegfried Knecht von Aireg betont: “Klimaneutrales Fliegen” wird es auf absehbare Zeit nicht geben, wir müssen stattdessen von der “Reduzierung der Klimawirkung” des Luftverkehrs sprechen. Auch wenn die Luftfahrt in den nächsten Jahren noch nicht klimafreundlich genannt werden kann, muss heute in die entsprechende Transformation investiert werden.
Marte van der Graaf, Referentin für Luftfahrt bei der NGO Transport and Environment sieht innerhalb der alternativen Flugkraftstoffe das größere Potenzial bei E-Kerosin. “Die Luftfahrtgesellschaften setzen ihre Hoffnung aber gerade auf Biokraftstoffe”, sagt sie. Biokraftstoffe seien die aktuell billigste Lösung, allerdings nur begrenzt verfügbar. “Biokraftstoffe werden meist aus Abfällen hergestellt und sind damit nicht skalierbar und anfällig für Betrug mit falsch als Abfall deklarierten Produkten.”
Beim elektrischen Fliegen gelang im Herbst 2022 dem Unternehmen Eviation (Israel/USA) der Erstflug eines vollelektrischen Passagierflugzeugs. Acht Minuten blieb “Alice” in der Luft. DHL hat bereits zwölf Exemplare des Typs vorbestellt. Die Reichweite soll dann etwas über 450 Kilometer betragen.
Die Reichweite ist auch der entscheidende Faktor, warum elektrische Antriebe herkömmliche Motoren nicht so bald ersetzen können. Entwickler und Hersteller konzentrieren sich auf kurze Strecken. So soll beispielsweise schon 2026 bei der norwegischen Regionalfluggesellschaft Widerøe ein elektrisches Propellerflugzeug mit zwei Elektromotoren von Rolls-Royce eingesetzt werden.
In der Lebenszyklusanalyse (LCA) hat ein vollelektrisches Flugzeug laut einer schwedischen Studie deutliche Vorteile. Demnach sind die Klimaschäden des Elektroflugzeugs bereits nach einem Viertel der erwarteten Lebensdauer geringer als bei den auf fossilen Brennstoffen basierenden Flugzeugen, sofern mit Ökostrom geflogen wird. Die Kehrseite ist jedoch die zunehmende Knappheit von Bodenschätzen für die Lithium-Ionen-Batterien.
Eine weitere Antriebsalternative, die gerade auch im politischen Fokus steht, ist Wasserstoff. Das BMWK fördert mit 45 Millionen Euro die Erprobung disruptiver Wasserstofftechnologien in einem fliegenden Testlabor. Erste Forschungsvorhaben sind ab Frühjahr 2025 geplant. Marte van der Graaf von Transport and Environment fordert, dass sich auch die Flugzeughersteller mit Wasserstoff beschäftigen – es sei gerade wirtschaftlich eine vielversprechende Alternative. Derzeit allerdings sei die Klimawirkung des Fliegens vor allem über optimierte Routen und Geschwindigkeiten zu reduzieren. Gleichzeitig betont Van der Graaf: “Bis mindestens 2030 ist der einzige grüne Flug der, der am Boden bleibt.” Mitarbeit: Bernhard Pötter, Malte Kreutzfeldt
Nicht-militärische Bedrohungen der nationalen Sicherheit, etwa durch Probleme bei der Ernährungssicherheit oder den Klimawandel, standen auf der 60. Münchner Sicherheitskonferenz zwar auf der Tagesordnung. Sie wurden aber von den akuten Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten in den Hintergrund gedrängt. Das monierten nach Abschluss der Veranstaltung am Sonntag Vertreter von Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen im Gespräch mit Table.Media.
So stand etwa die Ernährungssicherheit am letzten Konferenztag nicht noch einmal auf der Tagesordnung. Und auch die Klimakrise als Treiberin globaler und lokaler Krisen schaffte es nicht auf die Hauptbühne im Bayerischen Hof, selbst wenn sie im Abschlusspanel “Keine Zeit zu verlieren: ein geopolitischer Ausblick voraus in 60 Jahren” zumindest erwähnt wurde. Stattdessen legten die Konferenzplaner den Schwerpunkt auf die Zukunft der Europäischen Union – und das in gleich vier Panels.
Die Nöte bei der Lebensmittelversorgung seien auf der Konferenz in München nicht genügend thematisiert worden, kritisierte die norwegische Entwicklungshilfeministerin Anne Beathe Tvinvereim. Direkt vom Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba reiste sie in die bayerische Landeshauptstadt – und war erstaunt darüber, wie die Diskussionen der Vertreter westlicher Industriemächte denen in vielen afrikanischen Staaten hinterherhinkten. “Ernährungssicherheit ist für uns eine Frage nationaler Sicherheit”, habe ihr ein Landwirtschaftsminister in Äthiopien gesagt. Das habe ihr die Augen geöffnet.
Doch Tvinnereim sieht auch Fortschritte. Noch vor einem Jahr habe etwa Ernährungssicherheit auf der MSC weitaus weniger Aufmerksamkeit erlangt als auf der Jubiläumskonferenz. So schafften es am ersten Tag die Panels “Ernährungsintelligenz: Lebensmittelunsicherheit als Vorhersageindikator” und “High von ihrem eigenen Angebot: Großmächtewettbewerb und Lieferkettenabhängigkeiten” ins Hauptprogramm.
Heute seien weitaus mehr Vertreter von Hilfs- und Nichtregierungsorganisationen, von UN-Unterorganisationen und aus dem Globalen Süden in München präsent als in der Vergangenheit. Dadurch habe sich der stark militärisch geprägte Charakter der 1964 als Wehrkundetagung gegründeten Zusammenkunft deutlich geändert.
Die grüne Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger fand es richtig, dass das israelisch-palästinensische Verhältnis am Abschlusstag noch einmal prominent verhandelt wurde. “Von Sicherheitskonferenz zu Sicherheitskonferenz wird die Lage ernster”, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag zu Table.Media. Zugleich betonte sie: “Sicherheit ist mehr als nur Militär”, sondern sie umfasse auch “viele Bereiche, angefangen bei neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz über Desinformation, Ernährungs- und Klimasicherheit bis hin zu Entwicklungszusammenarbeit.”
Die Staaten des Globalen Südens einzubeziehen und über das transatlantische Verhältnis hinauszuschauen, das die letzten Jahrzehnte in München geprägt hatte, sei den Veranstaltern gelungen, sagten Vertreter von Weltbank und Welternährungsprogramm, mit denen Table.Media auf der Konferenz sprach. Mads Christensen, Geschäftsführer von Greenpeace, sah es kritischer: “Es wird viel über klassische Themen geredet, und wenig über Ernährungs- und andere Formen menschlicher Sicherheit. Dabei müsste inzwischen doch allen klar sein, dass der Klimawandel eine Sicherheitsfrage ist.”
Nur in Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Akteuren aus der Zivilgesellschaft, dem Globalen Süden und fortschrittlichen Kräften in Wirtschaft und Politik könne es gelingen, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln, “was die Menschen tatsächlich brauchen, um sich sicher zu fühlen. Es geht nicht nur um die Abwesenheit von bewaffneten Konflikten”, erläuterte Christensen.
Achim Steiner, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Leiter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) bekräftigt, dass angesichts weltweiter Militärausgaben von mehr als zwei Billionen US-Dollar die Frage erlaubt sein müsse, wie diese Kosten eigentlich zur Risikominimierung beigetragen hätten. “Eine Diskussion über mehr Entwicklungszusammenarbeit zur Minderung von Risiken ist genauso legitim wie die Diskussion, ob wir mehr Finanzen für Verteidigung brauchen”, sagt er im Gespräch mit Table.Media.
Eine Frage, die auch Norwegens Entwicklungshilfeminister Tvinnereim umtreibt – und das, obwohl es der Regierung in Oslo anders als vielen anderen reichen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gelingt, das Ziel von 0,7 Prozent öffentlicher Entwicklungsleistungen am Bruttonationaleinkommen zu erreichen; das Zwei-Prozent-Ziel der Nato hingegen wird erst 2026 erfüllt. Für Tvinnereim kein Widerspruch, sondern Ausdruck einer vielleicht zukunftsweisenden Vorstellung globaler Lastenteilung: “Verteidigung plus Entwicklung gleich Sicherheit”, bringt sie es als Formel auf den Punkt.
Das weltweit größte geplante CCS-Projekt zum Auffangen und Speichern von CO₂ in Kanada droht wegen Unsicherheiten über staatliche Subventionen zu scheitern. Einer Analyse der Beratungsfirma Wood Mackenzie zufolge gäbe es Unklarheiten, ob zugesagte staatliche Unterstützung dauerhaft fließt. Die zugesagten Subventionen könnten “während der Projektlaufzeit jederzeit nach politischem Gutdünken geändert werden und sogar auf null sinken”, sagt Peter Findlay, Direktor CCUS Economics bei Wood Mackenzie. Unklarheit herrsche auch noch über die Frage, welchen Beitrag die kanadische Bundesregierung und die Provinz Alberta zur Förderung des Projekts leisten sollen.
Das auf der Kippe stehende kanadische CCS-Vorhaben sieht den Bau einer 400 Kilometer langen CO₂-Pipeline vor, die über 20 geplante CCS-Projekte und einen CO₂-Speicher verbinden soll. Es stammt von einem Zusammenschluss der großen Ölsandfirmen namens Pathways Alliance. In einer ersten Phase des Projekts sollen:
Der Beratungsfirma zufolge habe Kanada zwar viel höhere CCS-Subventionen als die USA. Doch die Anreize des südlichen Nachbarn seien politisch viel sicherer, weil sowohl die Demokraten als auch die Republikaner das Auffangen und Speichern von Kohlendioxid als wichtige Maßnahme erachten. Allerdings kritisiert Findlay, dass die US-Subventionen zu niedrig seien. “Nur sehr wenige Post-Combustion-Projekte werden in den USA vorangetrieben”, sagt der Wood Mackenzie-Experte. Die zwölfjährige Förderung im Zuge des Inflation Reduction Acts (IRA) sei “einfach nicht ausreichend, um Anreize für eine langfristige Abscheidung zu schaffen”. nib
Auch im zweiten Winter ohne russisches Pipeline-Gas war die Gasversorgung in Deutschland zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Weitere LNG-Terminals seien darum nicht erforderlich, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer am Montag veröffentlichten Analyse. So waren die Gasspeicher Ende Januar noch zu 75 Prozent gefüllt; gleichzeitig waren die drei bestehenden deutschen LNG-Terminals nur zur Hälfte ausgelastet. Insgesamt lag die Auslastung der LNG-Kapazitäten in Deutschland, Polen, Belgien, den Niederlanden und Italien, die gut durch Pipelines verbunden sind, Ende Januar bei etwa zwei Drittel.
“Im Falle einer kältebedingt höheren Nachfrage hätte also sowohl mehr Erdgas aus den Speichern genutzt werden oder über bereits bestehende Terminals bezogen werden können”, schreibt das DIW-Team unter Leitung von Claudia Kemfert – und folgert: “Der überdimensionierte LNG-Infrastrukturausbau ist nicht erforderlich, um eine potenzielle Gasmangellage zu vermeiden, und sollte daher nicht weiterverfolgt werden.” Auch der umstrittene Standort in Mukran auf Rügen, gegen den Anwohner und Umweltverbände heftig protestieren, sei für die Versorgungssicherheit “nicht notwendig”, schreibt das DIW.
Das sieht man im Bundeswirtschaftsministerium anders. Die zusätzlichen Terminals sollten “einen ausreichenden Sicherheitspuffer schaffen”, teilte eine Sprecherin mit. Der Standort Mukran sei “besonders geeignet, um Gas in die mittel- und osteuropäischen Nachbarländer zu liefern”. In diesen könnten “mit der Einstellung von russischen Lieferungen in die Ukraine andere Bedarfe entstehen”, so das BMWK.
Tatsächlich fließt über die Pipeline Ukraine-Transit in die EU. Eine Übersicht des Brüsseler Thinktanks Bruegel zeigt allerdings, dass die Mengen mit etwa 300 Millionen Kubikmetern pro Woche vergleichsweise gering sind. Zudem könnten diese Mengen nicht nur mit Lieferungen aus Deutschland ersetzt werden, sondern auch über Italien, Polen oder Griechenland, wo die LNG-Terminals ebenfalls nicht voll ausgelastet sind. Wie das Dashboard der europäischen Gasnetzbetreiber zeigt, hat auch die Pipeline, die algerisches Gas über Tunesien nach Italien transportiert, noch erhebliche freie Kapazitäten, die für Lieferungen nach Südosteuropa genutzt werden könnten. mkr
Mehr als jede fünfte migrierende Tierart, darunter fast alle wandernden Fische, sind vom Aussterben bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt der erste UN-Bericht zu “Migratory Species”. Darunter versteht man Tierarten, die regelmäßig längere Strecken zurücklegen. Dazu gehören die grüne Schildkröte, der europäische Aal, der afrikanische Pinguin, aber auch klassische Zugvögel wie Störe.
Insgesamt 1.189 wandernde Arten haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angesehen. Besonders in Gefahr sind wandernde Fischarten, von ihnen sind 97 Prozent vom Aussterben bedroht. Das liegt daran, dass viele Ökosysteme in den Meeren besonders stark belastet sind. Für die schlechte Lage der Tierarten ist hauptsächlich der Mensch verantwortlich.
Der Bericht betont dabei, dass der Klimawandel nicht nur eine direkte Bedrohung ist, sondern auch andere Bedrohungen, wie die durch invasive Spezies, verstärkt. Wie gut sich die Arten an den Klimawandel anpassen können, sei stark unterschiedlich. Der Klimawandel führe dazu, dass sich die Wanderrouten vieler Tierarten in Richtung der Pole verschieben – allerdings werden sie dort oftmals durch natürliche Barrieren aufgehalten. Andererseits sei Artenschutz auch Klimaschutz: Ein weiterer UN-Bericht war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Schutz von wandernden Arten dazu beitragen kann, klimaresiliente Ökosysteme aufzubauen. kul
Mit JPMorgan und State Street verlassen zwei wichtige Vermögensverwalter die Investorengruppe Climate Action 100+ (CA100+). Die Gruppe war gegründet worden, um Unternehmen zu mehr Ambition im Bereich Klimaschutz und Dekarbonisierung zu bewegen. Auch Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter, hatte bereits angekündigt, sein Engagement dafür von der Zentrale auf einen kleineren, internationalen Zweig zu verlagern. Durch den Rückzug fallen zusammen 14 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten aus der CA100+-Gruppe, wie Reuters berichtet. Die Entscheidungen der Vermögensverwalter zum Rückzug wurden bekannt gegeben, nachdem die CA100+ die teilnehmenden Finanzunternehmen zu stärkeren Maßnahmen aufgerufen hatte.
Durch diese Rückzieher wird der Einfluss der CA100+-Gruppe stark geschmälert. Keiner der fünf größten Vermögensverwalter steht noch komplett hinter der Gruppe, berichtet die Financial Times. Die Ausstiege sind auch Zeichen für den steigenden Druck gegen ESG-Engagements von Vermögensverwaltern und anderen Finanzakteuren. Politiker der Republikanischen Partei in den USA sprechen sich gegen solche Engagements aus. In verschiedenen Staaten wird dort aktuell aufgrund der Mitgliedschaft bei CA100+ wegen “unzulässiger Koordinierung” gegen mehrere Vermögensverwalter ermittelt. CA100+ will durch Aktionäre besonders Druck auf die größten klimaschädlichen Unternehmen weltweit ausüben, ihre Netto-Null-Ziele einzuhalten und auszuweiten. kul
Die Eisflächen von Afrikas wenigen Gletschern haben sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts halbiert. Bis Mitte des Jahrhunderts könnten sie ganz verschwunden sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die nun im Fachmagazin Environmental Research veröffentlicht wurde. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind sogar bereits mehr als 90 Prozent des Eises verschwunden.
Afrikas drei einzige Gletscherregionen (Kilimandscharo, Mount Kenya und Rwenzori Range) sind wichtige Klimawandel-Indikatoren. Zuletzt war die Datenlage zu den Gletschern lückenhaft gewesen. Der Rückgang des Eises kann nicht direkt auf höhere Temperaturen zurückgeführt werden. Stattdessen hängt er mit weniger Niederschlägen in der Region zusammen. Die Regenzeiten werden in den afrikanischen Gletscherregionen durch den Klimawandel trockener und deswegen schrumpfen die Gletscher. Zusätzlich gibt es mehr wolkenlose Tage, an denen das Eis schneller schmilzt. kul
Absichten sind wichtig, aber entscheidend sind Taten. Der Europäische Green Deal ist das zentrale Instrument der EU, ihre Klimaziele zu erreichen. Er soll die Wirtschaft der Union gerechter, wohlhabender und nachhaltiger machen. Vor kurzem hat die Europäische Kommission ihre Klimaziele für 2040 veröffentlicht – mit dem Ziel einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 90 Prozent.
Während sich die EU als Vorreiterin der Klimatransformation versteht, suchen hier ansässige Unternehmen außerhalb Europas nach Produktionsmöglichkeiten. Unsere vermeintliche Führungsposition in Sachen Klimaschutz wird so infrage gestellt. Der Green Deal, der hauptsächlich auf Regulierung beruht, birgt das Risiko, Unternehmen mit bürokratischen Herausforderungen und Verboten zu überfordern. Im Gegensatz dazu setzen Länder wie die USA vor allem auf Anreize, etwa durch Initiativen wie den Inflation Reduction Act (IRA). Damit fördern sie Innovationen und treiben eine nachhaltigere Wirtschaft voran.
Europa muss seine Bemühungen also verstärken – und hat zwei konkrete Hebel, um nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten anzukurbeln. So können wir aktiv Emissionen reduzieren und europäische Champions im Bereich der Klimatechnologie aufbauen.
Unternehmen basieren Entscheidungen zur Expansion, für oder gegen neue Fabriken und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze auf der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Vorhabens. Es ist daher unerlässlich, dass die EU dieser Logik folgt. Es gilt, den “Deal” als Teil des “Green Deal” auf der Grundlage eines attraktiven Geschäftsmodells umzusetzen.
Um den Deal Wirklichkeit werden zu lassen, bringt die EU den Net-Zero Industry Act (NZIA), Europas Antwort auf den IRA, auf den Weg. Es ist eine Schlüsselinitiative, um Emissionen zu reduzieren und grüne Technologien zu skalieren. Wenn wir Genehmigungsverfahren beschleunigen und Bürokratie reduzieren können, verbessern wir Europas Wettbewerbsfähigkeit.
Der NZIA ist Europas erster starker Hebel, um einen erfolgreichen sauberen Übergang zur Klimaneutralität voranzutreiben. Die zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat erzielte Einigung über den NZIA umfasst eine breite Palette von Netto-Null-Technologien. Es ist nun von entscheidender Bedeutung, dass die EU-Gesetzgeber diese Vereinbarung zügig genehmigen.
Ein starker NZIA schafft ein schlankes und stabiles Regulierungsumfeld für Unternehmen, damit sie sich entsprechend entwickeln können.
Das zweite wichtige Instrument für die EU, um Investitionen in saubere Technologien zu fördern und damit Emissionen zu reduzieren, ist die Taxonomie. In ihrer derzeitigen Form ist ihre Wirksamkeit allerdings eingeschränkt.
Erstens ist die Umsetzung der Taxonomie zu komplex, zu eng gefasst und zu langsam. Die entsprechenden Rechtsdokumente bestehen aus mehr als 600 Seiten detaillierter Kriterien, was es Unternehmen erschwert, die Anforderungen zu verstehen und entsprechend umzusetzen. Darüber hinaus listet sie nur “erfolgreiche” Aktivitäten aus der Vergangenheit auf, da Innovation definitionsgemäß nicht Bestandteil einer solchen Liste sein kann. Wir schlagen einen ständigen und schnellen Aktualisierungsmechanismus der Liste vor, um die neuesten sauberen Innovationen einzubeziehen.
In Deutschland, aber auch in Europa insgesamt, sehen wir, wie Unternehmen wegen günstigerer Bedingungen ihre Lösungen in den USA und in Asien skalieren. Eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Wirtschaft ist Europas Chance, ambitionierten Klimaschutz mit starker Wirtschaftsleistung zu verbinden.
Wir sind überzeugt: Klima-Champions müssen aus Europa hervorgehen und die exzellente Forschung in starke Unternehmen übersetzen. Der NZIA ist ein gutes Beispiel dafür, wie Europa den Green Deal umsetzen muss: Einmal in Kraft, wird er Unternehmen dabei unterstützen, zu skalieren und private Investitionen anzukurbeln.
Wirtschaftlicher Wohlstand und Arbeitsplätze entstehen dort, wo die Marktbedingungen günstig sind – das erfordert ausdrücklich ein einfaches, harmonisiertes Regulierungsumfeld. Der NZIA und die Taxonomie sind zwei wichtige Hebel für Europa – wenn wir sie richtig gestalten.
Angelika Niebler ist Europaabgeordnete der CSU und unter anderem Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europaparlaments. Andreas Sichert ist CEO von Orcan Energy. Das Unternehmen bietet Module an, die Abwärme in Strom umwandeln.