Table.Briefing: Climate

CCS: Einigung und neuer Streit + Regenwälder speichern weniger CO₂ + Chinas Emissionen steigen wieder

Liebe Leserin, lieber Leser,

CCS ist eins der umstrittensten Themen der Klimapolitik: Bei manchen Industrieprozessen ist die Abscheidung und Speicherung von CO₂ unverzichtbar, wenn wir klimaneutral werden wollen. Gleichzeitig kann sie fossile Infrastruktur länger am Leben halten oder sogar den Neubau fördern. Die Herausforderung besteht darin, nur die sinnvollen Anwendungen zu ermöglichen.

Die einfache Möglichkeit – CCS im Gesetz auf die Industriebereiche zu beschränken, für die es keine Alternative gibt – war in der Regierung offenbar nicht durchsetzbar. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck ging darum einen anderen Weg: CCS wird auch bei Gaskraftwerken erlaubt, doch es gibt dafür keine staatliche Förderung. Im Ergebnis werde auch das dazu führen, dass die Technologie bei Kraftwerken praktisch keine Rolle spielen wird, beteuert der Minister. Die Regierung verzichtet aus Rücksicht auf den Koalitionsfrieden also erneut auf eine klare Festlegung. Bernhard Pötter und ich analysieren die politische Dimension der Einigung, Nico Beckert hat sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von CCS genauer angeschaut.

Auch ansonsten gibt es heute eher ernüchternde Nachrichten: So berichtet Jonas Gerding aus Kinshasa, dass die CO₂-Speicherfähigkeit der Regenwälder bisher offenbar deutlich überschätzt wurde. Und in China sind die Emissionen im letzten Jahr entgegen mancher Hoffnung doch weiter gestiegen.

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Ihr
Malte Kreutzfeldt
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Analyse

CCS-Eckpunkte in der Kritik: Grüne, SPD und Umweltverbände gegen Kraftwerke-Regeln

Zumindest bei ihnen herrscht Einigkeit über die CCS-Eckpunkte: Klimaforscher Ottmar Edenhofer, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Heidelberg-Materials-Chef Dominik von Achten

Nach langer Vorarbeit hat Wirtschaftsminister Robert Habeck am Montag die Eckpunkte zur Carbon-Management-Strategie (CMS) der Bundesregierung und einen ersten Gesetzentwurf zur Umsetzung vorgestellt. Zu Ende dürfte die Debatte damit aber noch nicht sein – denn nicht nur bei Umweltverbänden gibt es scharfe Kritik, sondern die Einigung widerspricht auch den bisherigen Positionen der Grünen- und der SPD-Fraktion. Und sie läuft teilweise quer zu dem, was Deutschland auf der COP28 gefordert hat.

Unstrittig ist, dass die Abtrennung und Speicherung von CO₂ (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) zum Erreichen der Klimaneutralität für bestimmte Industrieanwendungen erforderlich ist, in denen die Emissionen auf andere Weise nicht oder nur sehr schwer vermieden werden können. Dazu gehören die Zement- und Kalkherstellung, Teile der Grundstoffindustrie und die Verbrennung unvermeidbarer Abfälle. Mit dem Einsatz von CCS in diesen “hard to abate” (kaum vermeidbaren)-Bereichen hatten sich sowohl die Grünen als auch die SPD nach längeren Diskussionsprozessen im letzten Jahr einverstanden erklärt.

Das war auch vor und auf der Klimakonferenz in Dubai die deutsche Position in der internationalen Debatte um einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen (“Phase out”). Bei diesem am heftigsten umkämpften Thema auf der COP28 vertrat Deutschland die Haltung, CCS dürfe nur in den “hard to abate”-Sektoren der Industrie zur Anwendung und nicht in der Energieindustrie zum Einsatz kommen. Außenministerin Annalena Baerbock warnte im Interview mit Table.Media, CCS dürfe “kein Ersatz” sein für den Ausbau von Erneuerbaren, die im Stromsektor zu hundert Prozent die Fossilen ersetzen sollten.

Widerspruch zur deutschen COP-Position

Im Vorfeld der COP28 hatte sich Deutschland in der EU dafür starkgemacht, CCS möglichst aus dem Energiesystem herauszuhalten – und eine Formulierung erreicht, die den “schrittweisen Übergang zu einem Energiesektor überwiegend frei von fossilen Brennstoffen” forderte. Allerdings fand sich in der “Klimaaußenpolitikstrategie” der Regierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes neben der EU-Position auch eine CCS-freundliche Formulierung.

Doch die jetzigen Eckpunkte und der Gesetzentwurf gehen weit über diese Positionen hinaus: Auch Gaskraftwerke sollen CCS nutzen können und an das geplante Pipeline-Netz angeschlossen werden können. Habeck hält das für unproblematisch. “Ich befürchte nicht, dass damit die Dekarbonisierung des Energiesektors gefährdet wird”, sagte er am Montag. Denn im Gegensatz zu den Industrieanwendungen soll CCS im Kraftwerksbereich nicht finanziell gefördert werden – anders als der Einsatz von Wasserstoff. Darum werde CCS bei Gaskraftwerken in der Praxis kaum zur Anwendung kommen, meint der Wirtschaftsminister.

Für diese These hatte Habeck zur Pressekonferenz prominente Unterstützung mitgebracht: Klima-Ökonom Ottmar Edenhofer erklärte, er sehe durch die geplante Regelung “keine Gefahr für einen fossilen Lock-In”. Die Entscheidung, ob CCS bei Gaskraftwerken eingesetzt werde, könne man “getrost dem Markt überlassen”, sagte der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Forderung nach Berücksichtigung der Vorkettenemissionen

Allerdings nennt Edenhofer dafür eine wichtige Bedingung: Auch die Methan-Emissionen, die bei Förderung und Transport des Erdgases entstehen, müssten vom Emissionshandel erfasst werden. Das ist derzeit nicht der Fall – und auch wenn Habeck die Forderung am Montag verbal voll unterstützte, ist eine zeitnahe Umsetzung kaum zu erwarten. In den Eckpunkten heißt es dazu extrem unverbindlich, die Bundesregierung setze sich für die “Prüfung einer perspektivischen Bepreisung der Vorkettenemissionen ein”. Derzeit kennt das BMWK für einen großen Teil des importierten Gases nicht einmal die Herkunftsländer.

Habecks Strategie und sein Gesetzentwurf ziehen allerdings zwei rote Linien ein: Für Kohlekraftwerke soll es CCS nicht geben. Anders als beim Gas ist eine solche Regel juristisch sauber zu begründen, weil der Kohleausstieg Gesetz ist. Und: Die CO₂-Speicherung an Land sieht die neue Regel ausdrücklich nicht vor – die Lagerung “onshore” kann nur erwogen werden, wenn einzelne Bundesländer darum bitten (“opt in”). Allerdings hatten sich die Länder schon 2012 bei der Debatte um das CCS-Gesetz gegen den Einsatz der Technologie auf ihren Gebieten gewehrt.

Von Umweltverbänden kommt scharfe Kritik an den Vorlagen des Wirtschaftsministers. Greenpeace beklagte, Habeck sei “der Industrielobby auf den Leim gegangen: Die vorgeschlagene Strategie erlaubt ein ‘Weiter so’ durch den Einstieg in eine großindustrielle CO₂-Endlagerstrategie”. Auch die Deutsche Umwelthilfe spricht von einem “doppelten Dammbruch”: Einerseits erlaube Habeck “lebensverlängernde Maßnahmen für fossile Gaskraftwerke, andererseits widmet er die Nordsee zu einem fossilen Entsorgungspark um”. Germanwatch wiederum kritisierte, die Möglichkeit, Gaskraftwerke mit CCS auszustatten, widerspreche dem Ergebnis im Beteiligungsverfahren, dem “Konsens, dass CCS in Deutschland nicht im Energiebereich zur Anwendung kommen muss und sollte”, so Germanwatch-Experte Simon Wolff. “Dass dieser Konsens offensichtlich auf Betreiben der FDP in letzter Minute abgeräumt worden ist, droht die gesellschaftliche Akzeptanz jeder Art von CCS in Deutschland zu zerstören”, kritisiert er.

Grüne und SPD gegen CCS bei Gaskraftwerken

Ob Grüne und SPD der Einigung zustimmen werden, ist noch offen. “Die Position der Grünen-Bundestagsfraktion ist unverändert”, sagte der Grünen-Abgeordnete Felix Banaczak zu Table.Media. “Wir sehen keinen Bedarf für eine Anwendung von CCS in der Energiewirtschaft und wollen dafür auch keine gesetzliche Möglichkeit schaffen.” Kritik kommt auch von der klimapolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer. “Die Abscheidung von CO₂ darf nicht in Konkurrenz zur Energiewende treten”, erklärte sie. “Deswegen schließt die SPD-Bundestagsfraktion CCS bei Energiegewinnung aus.”

Eine weitere Hürde will die Regierung intern nehmen: Das “London Protokoll”, das bisher dem Transport von CO₂ entgegensteht, soll ratifiziert werden. Auch das “Hohe See-Einbringungsgesetz” will das zuständige Umweltministerium überarbeiten. Habecks Konzept sieht vor, Meeresschutzgebiete von der CO₂-Speicherung auszunehmen. Dem Speicherbedarf, den Ottmar Edenhofer ab 2040 auf etwa 50 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr schätzt, stehen nach offiziellen Berechnungen etwa 2,7 Milliarden Tonnen an Speicherplatz in der deutschen Nordsee gegenüber.

Zustimmung zu Habecks Paket kommt von der Industrie. So begrüßte der Verband “Zukunft Gas” die Strategie als “weiteren Baustein für effektiven Klimaschutz” und lobte, so ergäben sich “Lösungsoptionen für neue und bestehende Gaskraftwerke und KWK-Anlagen”. Auch der BDI stellte fest, die CMS schaffe Planungssicherheit für Unternehmen und schaffe “Kohärenz auf europäischer Ebene”, wo eine Strategie für CCS und ein ehrgeiziges Klimaziel 2040 mit minus 90 Prozent Emissionen gelten.

  • Carbon Capture
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Kein Geschäftsmodell: CCS erfordert langfristige und umfassende Subventionen

Die Bundesregierung will CO₂ im Meeresboden vor der Küste speichern. Staaten wie Norwegen sind schon etwas weiter und zahlen Milliarden an Subventionen.

Für die Abscheidung und Speicherung des Treibhausgases CO₂ (CCS) gibt es in vielen Ländern Pläne, aber bisher nirgendwo ein eigenständiges Geschäftsmodell. Industrieländer und die EU vergeben zwar Subventionen für CCS-Anlagen und teils auch für die Transport- und Speicherinfrastruktur. Doch laut Industrievertretern und Analysten ist für den Aufbau dieser Industrie eine noch langfristigere und umfassendere Förderung nötig. Außerdem müsse der Staat Risiken, wie beispielsweise CO₂-Austritte bei Speichern, auffangen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat am Montag “Eckpunkte der Bundesregierung für eine Carbon Management-Strategievorgestellt. Deutschland müsse Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS) nutzen, da die Zeit für wirksamen Klimaschutz ablaufe, so der Wirtschaftsminister. Dafür solle der Hochlauf der Technologie gefördert werden. Finanziell unterstützt werden sollen “Branchen mit schwer oder anderweitig technisch nicht vermeidbaren Emissionen“, wie die Zement-, Kalk- und Grundstoffchemie und die Abfallverbrennung.

Die Förderung ist nötig, weil auch die Anreize durch den europäischen Emissionshandel nicht ausreichen. Zwar müssen Unternehmen, die CO₂ abscheiden und speichern, für die abgeschiedene Menge keine CO₂-Zertifikate mehr kaufen. Doch der Preis der Zertifikate liegt noch unter den Abscheide- und Speicherkosten.

Bundesregierung will CCS-Investitionen staatlich fördern

Die Bundesregierung will CCS-Anlagen durch zwei Programme staatlich fördern:

  • Eine “Bundesförderung Industrie und Klimaschutz” soll Vorhaben der schwer zu dekarbonisierenden Industrien zum Einsatz oder zur Entwicklung von CCS und CCU (Carbon Capture and Utilization) fördern. Dazu zählen Investitionsförderungen, aber auch Mittel für Forschung und Entwicklung und zur Erzielung von Negativemissionen. Der Umfang der Förderung steht noch nicht fest.
  • Über Klimaschutzverträge sollen CCS-Anlagen ebenfalls gefördert werden können. Dafür soll es Auktionen geben: Wer für die Abscheidung von CO₂ den günstigsten Preis bietet, soll den Zuschlag für staatliche Förderung erhalten, so Habeck. “Diese Unternehmen kriegen den Zuschlag, bis das Geld alle ist”, sagte der Wirtschaftsminister bei der Vorstellung der Strategie. Wie groß die Förderung über dieses Instrument werde, stehe noch nicht fest. Allerdings beschränken sich die Verträge nicht auf CCS. “Wenn andere Industrien ihre CO₂-Emissionen mit Strom, Effizienz oder Wasserstoff” senken, wären die Klimaschutzverträge “im Wettbewerb völlig technologieoffen”, sagt Habeck. Im Zweifelsfall könne die CCS-Förderung also sehr gering ausfallen. Die Verträge könnten die zusätzlichen Kosten für Transport und Speicherung abfedern. Allerdings sollen Klimaschutzverträge für CCS-Anlagen erst zu einem späteren Zeitpunkt kommen, in einer ersten Phase dieses Instruments sind sie noch nicht vorgesehen. “Einzelheiten sind noch festzulegen”, so das BMWK.

Nicht gefördert werden soll:

  • die CO₂-Infrastruktur, sie solle privatwirtschaftlich, ohne Förderung aufgebaut werden, so Habeck.
  • der Einsatz von CCS im Stromsektor.
  • Die Ewigkeitskosten für das Speichern von CO₂ und mögliche Risiken von CO₂-Austritten aus den Speichern sollen durch die Regierung auch nicht abgesichert werden. Hier gelte das Verursacherprinzip.

Langfristige Förderung und Risikoabsicherung nötig

Laut Industrie und Analysten sind langfristige und umfassende Subventionen zum Aufbau von CCS-Anlagen und Infrastruktur nötig. “Jede Strategie ist nur so gut wie ihre zügige Umsetzung”, sagte Dominik von Achten bei der Vorstellung der Carbon Management-Strategie. Der Vorstandsvorsitzende des Zementherstellers Heidelberg Materials forderte die richtigen Rahmenbedingungen und “nationale Förderungsinstrumente“. Wichtig sei dabei, “die gesamte Wertschöpfungskette” zu betrachten, also “die Abscheidung, den Transport und die Einlagerung” von CO₂. Auch der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ), die wirtschaftspolitische Vereinigung der deutschen Zementindustrie, und der BDI fordern Subventionen für die Speicherung und den Transport von CO₂.

Laut von Achten erhalte Heidelberg Materials für ein CCS-Projekt, das die Firma in Norwegen betreibt, dort “85 Prozent Förderung”. Eingeschlossen seien dabei Investitions- und Betriebskosten, was auch bei Klimaschutzverträgen angedacht sei, so der Heidelberg-CEO. Man könne zwar “keinen Business Case aufbauen, der auf einer dauerhaften staatlichen Förderung basiert”, aber eine Anschubfinanzierung sei nötig.

Aktuell unterstützt beispielsweise die EU 28 CCS-Projekte der Industrie mit Zuschüssen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro aus dem ETS-Innovationsfonds. Allerdings sieht die EU-Kommission ein Finanzierungsdefizit für die bisher angekündigten CCS-Projekte in Höhe von zehn Milliarden Euro bis 2030. Die Kommission ruft die Mitgliedsstaaten in ihrer kürzlich vorgelegten EU Industrial Carbon Management Strategy dazu auf, Investitionen für CCS-Speicher und Abscheide- und Transportinfrastruktur zu unterstützen.

Wer finanziert die Infrastruktur?

Doch die Anschubfinanzierung könnte recht lange dauern. In den USA gibt es beispielsweise zwölf Jahre laufende Steueranreize für CCS im Zuge des Inflation Reduction Acts (IRA). Unternehmen erhalten dort Steuererlasse von 85 US-Dollar pro abgeschiedener und gespeicherter Tonne CO₂. Für einige Industrien sei diese Förderung jedoch zu kurz, bemängeln die Analysten der Beratungsfirma Deloitte. Auch das industrienahe Global CCS Institute fordert eine längere Förderung, da CCS-Anlagen 25 Jahre oder länger “ökonomisch betrieben” werden müssten. Allerdings gibt es in den USA keinen landesweiten CO₂-Preis, der in der EU als zusätzlicher Anreiz dient.

Wie von Achten weisen auch die Analysten von Deloitte darauf hin, dass es staatliche Förderung für die gesamte Wertschöpfungskette brauche, damit sich CCS als Geschäftsmodell etablieren könne. Sie haben unterschiedliche Förderprogramme in den USA, Kanada, Dänemark, Norwegen und Großbritannien analysiert. Nur Großbritannien habe demnach die nötigen Rahmenbedingungen für ein “investitionsfähiges CCS-Geschäftsmodell” aufgestellt.

In Großbritannien erhalten sowohl die CO₂-Emittenten als auch Transport- und Speicherunternehmen staatliche Subventionen. Zudem schützt die Regierung die Unternehmen vor “großen Risiken” wie dem Austritt von CO₂ bei Speicheranlagen oder auch dem Risiko der Unterauslastung von CO₂-Speichern.

Gefahr dauerhafter Subventionen

Unklar bleibt, ob die geplante Förderung der Bundesregierung aus den am Montag vorgelegten Eckpunkten ausreicht, um wirtschaftlich tragfähige CCS-Geschäftsmodelle anzustoßen. Damit besteht die Gefahr, dass nur eine unvollständige CCS-Wertschöpfungskette aufgebaut wird, weil Transport und Speicherung nicht gefördert werden. Unternehmen stünden dann vor zu hohen Kosten. Oder die Strategie müsste in Zukunft um eine Förderung für Transport und Speicher ergänzt werden. Dafür müsste es dann noch einmal zusätzlich staatliche Subventionen geben.

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Studie: Klimamodelle überschätzen CO₂-Speicher der Regenwälder systematisch

Regenwald und Elefant im Kongo.

Die zentrale Rolle des Regenwalds im Kongo-Becken für Klimaschutz und Artenvielfalt ist gefährdet: Seine Funktion als CO₂-Senke geht nach einer Studie drastisch zurück. Selbst bei einem Stopp der Entwaldung könnte der zweitgrößte Regenwald des Planeten bald mehr CO₂ emittieren als aufnehmen, warnen Forscher. Obwohl das seit Jahren bekannt ist, unterschätzen Modelle der Klimawissenschaften bislang diesen Effekt systematisch. Jetzt beginnt eine Debatte über eine Korrektur dieser Modelle.

Die großen Waldgebiete der Erde sind zentral für die Sicherung der Artenvielfalt und des Klimasystems. Nur mit einem Ende der Entwaldung bis 2030 ist die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung noch zu halten. Die Forschung debattiert intensiv über das Schicksal des Amazonas-Regenwalds.

Wald als CO₂-Quelle statt als Senke

Doch auch vom Wald aus dem Kongo-Becken droht nun Gefahr. Durch den Klimawandel mit längeren Dürren, stärkeren Regenfälle und zerstörerischen Stürmen sterben heute mehr Bäume als früher – und schon bald könnten die nachwachsenden Bäume mit dem Verlust nicht mehr mithalten. Auch ohne Entwaldung würden sich Regenwälder in Kohlenstoffquellen verwandeln.

Das befürchtet etwa Wannes Hubau. Der Professor der belgischen Universität Gent und Wissenschaftler am Königlichen Museum misst Daten an den Bäumen im Kongobecken und hat bereits um 100.000 Stämme des zentralafrikanischen Regenwaldes sein Maßband geschlungen. Mithilfe von ein paar weiteren Informationen wie der Baumart kann der Biologe hochrechnen, wie viel Kohlenstoff der Regenwald gebunden hat. Nach ein paar Jahren kommt er und sein Forschungsteam zurück an die gleiche Stelle, um Bilanz zu ziehen. So auch im Jahr 2017, ein Jahr nach dem “Godzilla-El-Niño”, wie Hubau das verheerende Extremwetterereignis nennt: “Die Kohlenstoff-Senke – das Potenzial, CO₂ aufzunehmen – war für eine bestimmte Zeit auf null zurückgefallen”, sagt Hubau über einige der Testfelder.

Nun auch im Kongo: Wälder schwächeln als CO₂-Speicher

In vorindustriellen Zeiten wäre das keine Überraschung gewesen. Was wachsende Bäume an Kohlenstoff speichern, gelangt wieder in die Atmosphäre, sobald sie sterben und sich Biomasse zersetzt. Die CO₂-Bilanz geht gegen null. Die vom Menschen verursachten und erhöhten CO₂-Werte in der Atmosphäre haben jedoch zur “CO₂-Düngung” geführt, wie es Wissenschaftler nennen: Das Mehr an CO₂ hat Bäume schneller und kräftiger wachsen lassen, wodurch mehr CO₂ gebunden wird. In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren haben tropische Regenwälder ungefähr 15 Prozent der menschengemachten CO₂-Emissionen geschluckt. Doch dieser Effekt geht nun zurück – und könnte sich sogar umkehren.

Für den Amazonas-Regenwald haben sich die Hinweise schon länger gehäuft. Gemeinsam mit 94 wissenschaftlichen Institutionen hat Co-Autor Wubau schon 2020 in einer Nature-Publikation dargelegt, weshalb das auch für das Kongo-Becken zutrifft. Dort befindet sich der zweitgrößte Regenwald der Welt, der sich über sechs Länder in Zentralafrika erstreckt, darunter die Demokratische Republik Kongo mit fast zwei Drittel der Fläche.

Bisher nicht abgebildet in Klimamodellen

Was also folgt aus dem Befund? Bislang nichts, sagt Hubau – und das sei ein Problem. Denn die schwindende Kohlenstoffsenke spiegelt sich nicht in den Modellen führender Klimaforschungsinstitute wider, auf die sich wiederum der Weltklimarat IPCC bezieht, die höchste Instanz in Sachen Klimaszenarien: “Bis heute gehen die Modelle des IPCC davon aus, dass die Regenwälder noch für eine sehr lange Zeit in die Zukunft Kohlenstoffsenken bleiben werden. Das heißt, die Modelle des Weltklimarats sind etwas zu optimistisch“, sagt Hubau.

“An Hubaus Daten ist grundsätzlich nichts zu rütteln“, sagt Sönke Zaehle. Der Professor arbeitet am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und ist Mitautor des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats. Er ist bestens vertraut mit dem sogenannten “Coupled Model Intercomparison Project” – kurz CMIP – einem Klimamodell mehrerer Forschungseinrichtungen, darunter auch einige Max-Planck-Institute.

Zaehle sieht ein paar offene Fragen, wie sich die Ergebnisse aus den Messgebieten von Hubaus und seinen Mitforschenden auf den afrikanischen Regenwald insgesamt hochrechnen lassen. Aber er kann sich durchaus vorstellen, dass der Befund des abnehmenden Speicherpotenzials zukünftig auch in Modelle eingearbeitet werden wird.

Problem: Es fehlen exakte Daten

Doch wie das gehen soll, sei eine Herausforderung: “Die Modelle hatten ursprünglich nicht so viel Ökologie enthalten, weil es deren Zweck war, Wettermuster und Klimazustände vorherzusagen”, sagt er. Nach und nach wurden die Modelle erweitert. Trockenstress, Blitzschläge, Wind und Feuer bezeichnet Zaehle als “Störungsdynamiken”, deren Modellierung sehr aufwändig ist – aber nicht unmöglich. “Das ist tatsächlich aktiver Forschungsgegenstand”, sagt er. Woran es insbesondere noch mangelt: mehr Daten aus den Tropen, stärkere Rechner – und mehr Forschungsmittel. Je genauer ein Modell, desto teurer ist es.

Anja Rammig ist Professorin an der Technischen Universität München. Die studierte Biologin entwickelt heute Computermodelle, mit denen sie simuliert, wie Klima und Veränderungen auf der Erdoberfläche wechselwirken. Auch den Düngungseffekt des CO₂ bezieht sie dabei ein. Die gängigen Modelle hätten sie schon länger stutzig gemacht, sagt sie: “Ich hatte immer das Gefühl, dass der Düngeeffekt zu stark ist, dass das nicht sein kann.” Die Veröffentlichung in Nature war für sie eine Bestätigung.

Aber auch sie gibt zu bedenken: “Mortalität von Bäumen ist total schwierig zu modellieren.” Nach einer Dürre beispielsweise gebe es erkennbar weniger Bäume. “Aber man hat keine Daten und weiß oft nicht einmal, woran sie genau gestorben sind.” Sind sie vertrocknet, wurden sie von Schädlingen befallen? Hat der Wind sie gefällt?

Dennoch: Die gängigen Modelle lassen sich verbessern, wenn man sie mit Simulationen zur Baumsterblichkeit koppelt. Die Daten dazu sammelt Rammig mit Kollegen in Brasilien: Auf einer Fläche von 30 Meter Durchmesser setzen sie Bäume unterschiedlichen CO₂-Konzentrationen aus und beobachten ihr Wachstum. Das Ziel: Die Klimamodelle sollen die Wirklichkeit in den Wäldern möglichst genau abbilden und in den IPCC-Berichten möglichst gute Daten liefern, ob die Wälder Senken oder Quellen für CO₂ sind. Jonas Gerding, Kinshasa

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Chinas CO₂-Emissionen steigen aufgrund des wachsenden Kohleverbrauchs

Chinas CO₂-Emissionen im Energiesektor sind 2023 um 5,2 Prozent gewachsen – ein Anstieg, der das Klimaziel der Volksrepublik gefährdet. Das ergibt eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA), die auf offiziellen Daten basiert. Demnach sind die Emissionen der Volksrepublik zwischen 2020 und 2023 um zwölf Prozent gestiegen – unter anderem wegen einer “sehr energie- und kohlenstoffintensiven Reaktion auf die Covid-19-Pandemie”. Der Kohleverbrauch ist demnach im vergangenen Jahr um 4,4 Prozent gestiegen.

Dem CREA-Analysten Lauri Myllyvirta zufolge bedeutet dieser Anstieg des CO₂-Ausstoßes, dass China umso ambitionierter vorgehen muss, um seine Klimaziele zu erreichen. So sollen die CO₂-Emissionen pro Einheit der Wirtschaftsleistung während des laufenden 14. Fünfjahresplans (bis 2025) um 18 Prozent gesenkt werden. Dazu müssen die CO₂-Emissionen bis 2025 um vier bis sechs Prozent fallen. Das wäre ein nie zuvor erreichter Rückgang.

China läuft demnach Gefahr, alle anderen wichtigen Klimaziele für 2025 zu verfehlen. So sei zum Beispiel der Anteil nicht-fossiler Energieträger am Energiemix von 2020 bis 2023 nur um 1,8 Prozentpunkte gestiegen. Das mache es schwer, das Ziel eines Zuwachses von 4,1 Prozentpunkten bis 2025 zu erreichen.

China ist 2023 erstmals vom Reduktionspfad abgekommen

Damit ist China laut Myllyvirta im Jahr 2023 bei der CO₂-Reduktion erstmals seit längerer Zeit vom Weg abgekommen. In den Vorjahren waren die Emissionen teils sogar absolut zurückgegangen. Und die Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien wurden sogar übererfüllt.

Der Abschied von der Kohle fällt Peking aufgrund des wachsenden Fokus auf Energiesicherheit schwer. Man will die fossilen Kapazitäten erst abschalten, wenn das neue System aus erneuerbaren Energien und Stromspeichern voll funktionsfähig ist. “Wir wollen, dass alles so wettbewerbsfähig ist, dass der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen über den Markt erfolgt. Nicht durch Befehl und Kontrolle”, sagte der Regierungsberater Pan Jiahua in einem vergangene Woche veröffentlichten Interview mit Carbon Brief.

Zu den unterschiedlichen Energieträgern äußerte Pan, Vizevorsitzender des Nationalen Sachverständigenausschusses für den Klimawandel, aber eine klare Meinung: “Fossile Brennstoffe sind Fossilien. Sie sind ein Ding der Vergangenheit.” Er hält die auf der COP28 vereinbarte Verdreifachung der Erneuerbaren noch für zu gering. “Erneuerbare Energien würden keine großen Investitionen in die Infrastruktur erfordern.” Den Bau von Kohlekraftwerken und anderer fossiler Infrastruktur bezeichnete Pan als “Geldverschwendung”. Trotzdem wurden in China 2023 laut Reuters Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 114 Gigawatt genehmigt, also nochmal zehn Prozent mehr als 2022. ck

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Gutachten: EU-Mercosur-Vertrag verletzt Klimagesetze

Mehrmals wurde das Mercosur-Abkommen der EU bereits totgesagt und wiederbelebt. Nun moniert ein Gutachten der Rechtsexperten Roda Verheyen und Gerd Winter im Auftrag von Greenpeace: Die Regenwaldabholzung für zusätzliche landwirtschaftliche Flächen sei bisher unterschätzt worden; ebenso die Treibhausgase, die dadurch und durch zusätzliche Schiffs- und Lufttransporte anfallen würden.

Das Abkommen soll den Handel der EU-Staaten mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay ankurbeln. Dadurch würden dem neuen Gutachtens zufolge netto mehr Emissionen entstehen als ohne Freihandelsabkommen – anders, als von der EU-Kommission angenommen. Die Kommission stützt sich in ihrem Entwurf für das Freihandelsabkommen auf eine Nachhaltigkeitsanalyse der London School of Economics. Die Analyse berücksichtigt allerdings nicht Emissionen aus der Landnutzung und Landnutzungsveränderungen (LULUCF), obwohl diese einen Großteil von Brasiliens und Paraguays Emissionen ausmachen.

Das sei rechtswidrig, moniert das Gutachten, denn eine Nachhaltigkeitsanalyse müsse alle relevanten Auswirkungen enthalten. Zudem bewerte die Analyse gar nicht erst die Vereinbarkeit mit den EU-Klimazielen. Dadurch könnte der Entwurf gegen Artikel 6 des EU-Klimagesetzes und auch gegen Artikel 2 verstoßen. Dieser verpflichtet die EU zu Maßnahmen, um ihre Emissionsreduktionsziele zu erreichen, die mit dem Mercosur-Abkommen nicht gegeben wären. Der Entwurf sei außerdem nicht in Einklang mit dem EU-Primärrecht und dem Pariser Abkommen und deshalb “rechtlich inakzeptabel”.

Deutschland setzt sich weiter für Mercosur-Abkommen ein

Das Mercosur-Abkommen muss noch im EU-Rat einstimmig von allen Mitgliedsstaaten beschlossen werden. Zumindest Frankreich und Österreich könnten ein Veto einlegen. Das könnte die EU aber umgehen, indem sie den Vertrag in wirtschaftliche und politische Teile aufteilt (“Splitting”). Dann würde eine qualifizierte Mehrheit ausreichen. Greenpeace sieht darin einen inakzeptablen Versuch, Kontrollinstanzen wie nationale Parlamente zu umgehen.

Das zuständige Wirtschaftsministerium wollte das Rechtsgutachten nicht kommentieren. Die Bundesregierung setze sich weiter für einen baldmöglichen Abschluss der Verhandlungen ein, erklärte ein Sprecher des BMWK auf Anfrage von Table.Media. lb

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Solarindustrie: Streit um Resilienzbonus erreicht oberste Regierungsebene

Die Debatte um einen möglichen Resilienzbonus hat in der Koalition an Priorität gewonnen. Nun verhandeln die Vize-Chefs der Fraktionen darüber, ob diese Subvention von anfangs 40 Millionen bis später 300 Millionen Euro jährlich kommen soll. Sie soll deutsche Solarunternehmen wie Solarwatt und Meyer Burger unterstützen. Diese geraten durch billige Module aus China zunehmend unter Druck. Auch der Branchenverband BSW-Solar fordert finanzielle Hilfen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich bereits klar für den Resilienzbonus ausgesprochen. Die FDP bremst allerdings, denn sie fürchtet eine Verteuerung der Strompreise. Zudem hält sie ohnehin wenig von Subventionen. Doch auch ein Teil der deutschen Solarunternehmen ist gegen Subventionen. Beispielsweise Enpal und 1Komma5°, die ihr Geld mit dem Verkauf, der Vermietung und Verpachtung dieser billigeren Module verdienen. Sie fürchten einen Markteinbruch, weil Kunden auf die Boni warten. Dadurch wären die PV-Ausbauziele nicht mehr erreichbar. Sollte der Bonus kommen, droht Enpal, in andere Länder auszuweichen.

Sachsen bringt Bewegung in Debatte, auch CDU für Subventionen

Druck kommt nun aus Sachsen. Dort haben Solarwatt und Meyer Burger Fertigungsanlagen, zudem wird bald gewählt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) befürchtet den Verlust von 500 Arbeitsplätzen in Meyer Burgers Werk in Freiburg. Er setzt sich deshalb für Subventionen ein. Auch der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) drängt auf eine baldige Verbesserung der Rahmenbedingungen.

Ein Ergebnis könnte in der “kommenden Sitzungswoche” folgen, heißt es aus der SPD. Diese ist allerdings erst in der zweiten Märzwoche. Fraglich ist, ob der Solarhersteller Meyer Burger mit einer Entscheidung über eine mögliche Werksschließung so lange warten kann.

Mehr zu diesem Thema lesen Sie in der Analyse von Horand Knaup. lb

  • Energiewende
  • Solarindustrie

Presseschau

Analyse: USA sammeln Energiedaten von Bitcoin-“Schürfern” Semafor
Analyse: Staaten diskutieren über das “New Finance Goal”, das auf der COP29 beschlossen werden soll Climate Home News
Nachricht: Japan erlebt Rekord-Hitzewelle im Winter Climate Home News
Analyse: Kanada im Gasrausch Süddeutsche Zeitung
Nachricht: Die Schweiz verlangt von der UN, die Möglichkeiten von “Solarem Geoengineering” zu erforschen The Guardian
Analyse: Was der Klimawandel mit dem tödlichen Choleraausbruch im südlichen Afrika zu tun hat Al Jazeera
Kommentar: Eine zweite Amtszeit von Trump wäre ein Albtraum für den Klimaschutz Bloomberg
Kommentar: Wie viele Menschen werden durch den Klimawandel sterben? Die Zeit

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    CCS ist eins der umstrittensten Themen der Klimapolitik: Bei manchen Industrieprozessen ist die Abscheidung und Speicherung von CO₂ unverzichtbar, wenn wir klimaneutral werden wollen. Gleichzeitig kann sie fossile Infrastruktur länger am Leben halten oder sogar den Neubau fördern. Die Herausforderung besteht darin, nur die sinnvollen Anwendungen zu ermöglichen.

    Die einfache Möglichkeit – CCS im Gesetz auf die Industriebereiche zu beschränken, für die es keine Alternative gibt – war in der Regierung offenbar nicht durchsetzbar. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck ging darum einen anderen Weg: CCS wird auch bei Gaskraftwerken erlaubt, doch es gibt dafür keine staatliche Förderung. Im Ergebnis werde auch das dazu führen, dass die Technologie bei Kraftwerken praktisch keine Rolle spielen wird, beteuert der Minister. Die Regierung verzichtet aus Rücksicht auf den Koalitionsfrieden also erneut auf eine klare Festlegung. Bernhard Pötter und ich analysieren die politische Dimension der Einigung, Nico Beckert hat sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von CCS genauer angeschaut.

    Auch ansonsten gibt es heute eher ernüchternde Nachrichten: So berichtet Jonas Gerding aus Kinshasa, dass die CO₂-Speicherfähigkeit der Regenwälder bisher offenbar deutlich überschätzt wurde. Und in China sind die Emissionen im letzten Jahr entgegen mancher Hoffnung doch weiter gestiegen.

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    CCS-Eckpunkte in der Kritik: Grüne, SPD und Umweltverbände gegen Kraftwerke-Regeln

    Zumindest bei ihnen herrscht Einigkeit über die CCS-Eckpunkte: Klimaforscher Ottmar Edenhofer, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Heidelberg-Materials-Chef Dominik von Achten

    Nach langer Vorarbeit hat Wirtschaftsminister Robert Habeck am Montag die Eckpunkte zur Carbon-Management-Strategie (CMS) der Bundesregierung und einen ersten Gesetzentwurf zur Umsetzung vorgestellt. Zu Ende dürfte die Debatte damit aber noch nicht sein – denn nicht nur bei Umweltverbänden gibt es scharfe Kritik, sondern die Einigung widerspricht auch den bisherigen Positionen der Grünen- und der SPD-Fraktion. Und sie läuft teilweise quer zu dem, was Deutschland auf der COP28 gefordert hat.

    Unstrittig ist, dass die Abtrennung und Speicherung von CO₂ (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) zum Erreichen der Klimaneutralität für bestimmte Industrieanwendungen erforderlich ist, in denen die Emissionen auf andere Weise nicht oder nur sehr schwer vermieden werden können. Dazu gehören die Zement- und Kalkherstellung, Teile der Grundstoffindustrie und die Verbrennung unvermeidbarer Abfälle. Mit dem Einsatz von CCS in diesen “hard to abate” (kaum vermeidbaren)-Bereichen hatten sich sowohl die Grünen als auch die SPD nach längeren Diskussionsprozessen im letzten Jahr einverstanden erklärt.

    Das war auch vor und auf der Klimakonferenz in Dubai die deutsche Position in der internationalen Debatte um einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen (“Phase out”). Bei diesem am heftigsten umkämpften Thema auf der COP28 vertrat Deutschland die Haltung, CCS dürfe nur in den “hard to abate”-Sektoren der Industrie zur Anwendung und nicht in der Energieindustrie zum Einsatz kommen. Außenministerin Annalena Baerbock warnte im Interview mit Table.Media, CCS dürfe “kein Ersatz” sein für den Ausbau von Erneuerbaren, die im Stromsektor zu hundert Prozent die Fossilen ersetzen sollten.

    Widerspruch zur deutschen COP-Position

    Im Vorfeld der COP28 hatte sich Deutschland in der EU dafür starkgemacht, CCS möglichst aus dem Energiesystem herauszuhalten – und eine Formulierung erreicht, die den “schrittweisen Übergang zu einem Energiesektor überwiegend frei von fossilen Brennstoffen” forderte. Allerdings fand sich in der “Klimaaußenpolitikstrategie” der Regierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes neben der EU-Position auch eine CCS-freundliche Formulierung.

    Doch die jetzigen Eckpunkte und der Gesetzentwurf gehen weit über diese Positionen hinaus: Auch Gaskraftwerke sollen CCS nutzen können und an das geplante Pipeline-Netz angeschlossen werden können. Habeck hält das für unproblematisch. “Ich befürchte nicht, dass damit die Dekarbonisierung des Energiesektors gefährdet wird”, sagte er am Montag. Denn im Gegensatz zu den Industrieanwendungen soll CCS im Kraftwerksbereich nicht finanziell gefördert werden – anders als der Einsatz von Wasserstoff. Darum werde CCS bei Gaskraftwerken in der Praxis kaum zur Anwendung kommen, meint der Wirtschaftsminister.

    Für diese These hatte Habeck zur Pressekonferenz prominente Unterstützung mitgebracht: Klima-Ökonom Ottmar Edenhofer erklärte, er sehe durch die geplante Regelung “keine Gefahr für einen fossilen Lock-In”. Die Entscheidung, ob CCS bei Gaskraftwerken eingesetzt werde, könne man “getrost dem Markt überlassen”, sagte der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

    Forderung nach Berücksichtigung der Vorkettenemissionen

    Allerdings nennt Edenhofer dafür eine wichtige Bedingung: Auch die Methan-Emissionen, die bei Förderung und Transport des Erdgases entstehen, müssten vom Emissionshandel erfasst werden. Das ist derzeit nicht der Fall – und auch wenn Habeck die Forderung am Montag verbal voll unterstützte, ist eine zeitnahe Umsetzung kaum zu erwarten. In den Eckpunkten heißt es dazu extrem unverbindlich, die Bundesregierung setze sich für die “Prüfung einer perspektivischen Bepreisung der Vorkettenemissionen ein”. Derzeit kennt das BMWK für einen großen Teil des importierten Gases nicht einmal die Herkunftsländer.

    Habecks Strategie und sein Gesetzentwurf ziehen allerdings zwei rote Linien ein: Für Kohlekraftwerke soll es CCS nicht geben. Anders als beim Gas ist eine solche Regel juristisch sauber zu begründen, weil der Kohleausstieg Gesetz ist. Und: Die CO₂-Speicherung an Land sieht die neue Regel ausdrücklich nicht vor – die Lagerung “onshore” kann nur erwogen werden, wenn einzelne Bundesländer darum bitten (“opt in”). Allerdings hatten sich die Länder schon 2012 bei der Debatte um das CCS-Gesetz gegen den Einsatz der Technologie auf ihren Gebieten gewehrt.

    Von Umweltverbänden kommt scharfe Kritik an den Vorlagen des Wirtschaftsministers. Greenpeace beklagte, Habeck sei “der Industrielobby auf den Leim gegangen: Die vorgeschlagene Strategie erlaubt ein ‘Weiter so’ durch den Einstieg in eine großindustrielle CO₂-Endlagerstrategie”. Auch die Deutsche Umwelthilfe spricht von einem “doppelten Dammbruch”: Einerseits erlaube Habeck “lebensverlängernde Maßnahmen für fossile Gaskraftwerke, andererseits widmet er die Nordsee zu einem fossilen Entsorgungspark um”. Germanwatch wiederum kritisierte, die Möglichkeit, Gaskraftwerke mit CCS auszustatten, widerspreche dem Ergebnis im Beteiligungsverfahren, dem “Konsens, dass CCS in Deutschland nicht im Energiebereich zur Anwendung kommen muss und sollte”, so Germanwatch-Experte Simon Wolff. “Dass dieser Konsens offensichtlich auf Betreiben der FDP in letzter Minute abgeräumt worden ist, droht die gesellschaftliche Akzeptanz jeder Art von CCS in Deutschland zu zerstören”, kritisiert er.

    Grüne und SPD gegen CCS bei Gaskraftwerken

    Ob Grüne und SPD der Einigung zustimmen werden, ist noch offen. “Die Position der Grünen-Bundestagsfraktion ist unverändert”, sagte der Grünen-Abgeordnete Felix Banaczak zu Table.Media. “Wir sehen keinen Bedarf für eine Anwendung von CCS in der Energiewirtschaft und wollen dafür auch keine gesetzliche Möglichkeit schaffen.” Kritik kommt auch von der klimapolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer. “Die Abscheidung von CO₂ darf nicht in Konkurrenz zur Energiewende treten”, erklärte sie. “Deswegen schließt die SPD-Bundestagsfraktion CCS bei Energiegewinnung aus.”

    Eine weitere Hürde will die Regierung intern nehmen: Das “London Protokoll”, das bisher dem Transport von CO₂ entgegensteht, soll ratifiziert werden. Auch das “Hohe See-Einbringungsgesetz” will das zuständige Umweltministerium überarbeiten. Habecks Konzept sieht vor, Meeresschutzgebiete von der CO₂-Speicherung auszunehmen. Dem Speicherbedarf, den Ottmar Edenhofer ab 2040 auf etwa 50 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr schätzt, stehen nach offiziellen Berechnungen etwa 2,7 Milliarden Tonnen an Speicherplatz in der deutschen Nordsee gegenüber.

    Zustimmung zu Habecks Paket kommt von der Industrie. So begrüßte der Verband “Zukunft Gas” die Strategie als “weiteren Baustein für effektiven Klimaschutz” und lobte, so ergäben sich “Lösungsoptionen für neue und bestehende Gaskraftwerke und KWK-Anlagen”. Auch der BDI stellte fest, die CMS schaffe Planungssicherheit für Unternehmen und schaffe “Kohärenz auf europäischer Ebene”, wo eine Strategie für CCS und ein ehrgeiziges Klimaziel 2040 mit minus 90 Prozent Emissionen gelten.

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    Kein Geschäftsmodell: CCS erfordert langfristige und umfassende Subventionen

    Die Bundesregierung will CO₂ im Meeresboden vor der Küste speichern. Staaten wie Norwegen sind schon etwas weiter und zahlen Milliarden an Subventionen.

    Für die Abscheidung und Speicherung des Treibhausgases CO₂ (CCS) gibt es in vielen Ländern Pläne, aber bisher nirgendwo ein eigenständiges Geschäftsmodell. Industrieländer und die EU vergeben zwar Subventionen für CCS-Anlagen und teils auch für die Transport- und Speicherinfrastruktur. Doch laut Industrievertretern und Analysten ist für den Aufbau dieser Industrie eine noch langfristigere und umfassendere Förderung nötig. Außerdem müsse der Staat Risiken, wie beispielsweise CO₂-Austritte bei Speichern, auffangen.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck hat am Montag “Eckpunkte der Bundesregierung für eine Carbon Management-Strategievorgestellt. Deutschland müsse Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS) nutzen, da die Zeit für wirksamen Klimaschutz ablaufe, so der Wirtschaftsminister. Dafür solle der Hochlauf der Technologie gefördert werden. Finanziell unterstützt werden sollen “Branchen mit schwer oder anderweitig technisch nicht vermeidbaren Emissionen“, wie die Zement-, Kalk- und Grundstoffchemie und die Abfallverbrennung.

    Die Förderung ist nötig, weil auch die Anreize durch den europäischen Emissionshandel nicht ausreichen. Zwar müssen Unternehmen, die CO₂ abscheiden und speichern, für die abgeschiedene Menge keine CO₂-Zertifikate mehr kaufen. Doch der Preis der Zertifikate liegt noch unter den Abscheide- und Speicherkosten.

    Bundesregierung will CCS-Investitionen staatlich fördern

    Die Bundesregierung will CCS-Anlagen durch zwei Programme staatlich fördern:

    • Eine “Bundesförderung Industrie und Klimaschutz” soll Vorhaben der schwer zu dekarbonisierenden Industrien zum Einsatz oder zur Entwicklung von CCS und CCU (Carbon Capture and Utilization) fördern. Dazu zählen Investitionsförderungen, aber auch Mittel für Forschung und Entwicklung und zur Erzielung von Negativemissionen. Der Umfang der Förderung steht noch nicht fest.
    • Über Klimaschutzverträge sollen CCS-Anlagen ebenfalls gefördert werden können. Dafür soll es Auktionen geben: Wer für die Abscheidung von CO₂ den günstigsten Preis bietet, soll den Zuschlag für staatliche Förderung erhalten, so Habeck. “Diese Unternehmen kriegen den Zuschlag, bis das Geld alle ist”, sagte der Wirtschaftsminister bei der Vorstellung der Strategie. Wie groß die Förderung über dieses Instrument werde, stehe noch nicht fest. Allerdings beschränken sich die Verträge nicht auf CCS. “Wenn andere Industrien ihre CO₂-Emissionen mit Strom, Effizienz oder Wasserstoff” senken, wären die Klimaschutzverträge “im Wettbewerb völlig technologieoffen”, sagt Habeck. Im Zweifelsfall könne die CCS-Förderung also sehr gering ausfallen. Die Verträge könnten die zusätzlichen Kosten für Transport und Speicherung abfedern. Allerdings sollen Klimaschutzverträge für CCS-Anlagen erst zu einem späteren Zeitpunkt kommen, in einer ersten Phase dieses Instruments sind sie noch nicht vorgesehen. “Einzelheiten sind noch festzulegen”, so das BMWK.

    Nicht gefördert werden soll:

    • die CO₂-Infrastruktur, sie solle privatwirtschaftlich, ohne Förderung aufgebaut werden, so Habeck.
    • der Einsatz von CCS im Stromsektor.
    • Die Ewigkeitskosten für das Speichern von CO₂ und mögliche Risiken von CO₂-Austritten aus den Speichern sollen durch die Regierung auch nicht abgesichert werden. Hier gelte das Verursacherprinzip.

    Langfristige Förderung und Risikoabsicherung nötig

    Laut Industrie und Analysten sind langfristige und umfassende Subventionen zum Aufbau von CCS-Anlagen und Infrastruktur nötig. “Jede Strategie ist nur so gut wie ihre zügige Umsetzung”, sagte Dominik von Achten bei der Vorstellung der Carbon Management-Strategie. Der Vorstandsvorsitzende des Zementherstellers Heidelberg Materials forderte die richtigen Rahmenbedingungen und “nationale Förderungsinstrumente“. Wichtig sei dabei, “die gesamte Wertschöpfungskette” zu betrachten, also “die Abscheidung, den Transport und die Einlagerung” von CO₂. Auch der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ), die wirtschaftspolitische Vereinigung der deutschen Zementindustrie, und der BDI fordern Subventionen für die Speicherung und den Transport von CO₂.

    Laut von Achten erhalte Heidelberg Materials für ein CCS-Projekt, das die Firma in Norwegen betreibt, dort “85 Prozent Förderung”. Eingeschlossen seien dabei Investitions- und Betriebskosten, was auch bei Klimaschutzverträgen angedacht sei, so der Heidelberg-CEO. Man könne zwar “keinen Business Case aufbauen, der auf einer dauerhaften staatlichen Förderung basiert”, aber eine Anschubfinanzierung sei nötig.

    Aktuell unterstützt beispielsweise die EU 28 CCS-Projekte der Industrie mit Zuschüssen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro aus dem ETS-Innovationsfonds. Allerdings sieht die EU-Kommission ein Finanzierungsdefizit für die bisher angekündigten CCS-Projekte in Höhe von zehn Milliarden Euro bis 2030. Die Kommission ruft die Mitgliedsstaaten in ihrer kürzlich vorgelegten EU Industrial Carbon Management Strategy dazu auf, Investitionen für CCS-Speicher und Abscheide- und Transportinfrastruktur zu unterstützen.

    Wer finanziert die Infrastruktur?

    Doch die Anschubfinanzierung könnte recht lange dauern. In den USA gibt es beispielsweise zwölf Jahre laufende Steueranreize für CCS im Zuge des Inflation Reduction Acts (IRA). Unternehmen erhalten dort Steuererlasse von 85 US-Dollar pro abgeschiedener und gespeicherter Tonne CO₂. Für einige Industrien sei diese Förderung jedoch zu kurz, bemängeln die Analysten der Beratungsfirma Deloitte. Auch das industrienahe Global CCS Institute fordert eine längere Förderung, da CCS-Anlagen 25 Jahre oder länger “ökonomisch betrieben” werden müssten. Allerdings gibt es in den USA keinen landesweiten CO₂-Preis, der in der EU als zusätzlicher Anreiz dient.

    Wie von Achten weisen auch die Analysten von Deloitte darauf hin, dass es staatliche Förderung für die gesamte Wertschöpfungskette brauche, damit sich CCS als Geschäftsmodell etablieren könne. Sie haben unterschiedliche Förderprogramme in den USA, Kanada, Dänemark, Norwegen und Großbritannien analysiert. Nur Großbritannien habe demnach die nötigen Rahmenbedingungen für ein “investitionsfähiges CCS-Geschäftsmodell” aufgestellt.

    In Großbritannien erhalten sowohl die CO₂-Emittenten als auch Transport- und Speicherunternehmen staatliche Subventionen. Zudem schützt die Regierung die Unternehmen vor “großen Risiken” wie dem Austritt von CO₂ bei Speicheranlagen oder auch dem Risiko der Unterauslastung von CO₂-Speichern.

    Gefahr dauerhafter Subventionen

    Unklar bleibt, ob die geplante Förderung der Bundesregierung aus den am Montag vorgelegten Eckpunkten ausreicht, um wirtschaftlich tragfähige CCS-Geschäftsmodelle anzustoßen. Damit besteht die Gefahr, dass nur eine unvollständige CCS-Wertschöpfungskette aufgebaut wird, weil Transport und Speicherung nicht gefördert werden. Unternehmen stünden dann vor zu hohen Kosten. Oder die Strategie müsste in Zukunft um eine Förderung für Transport und Speicher ergänzt werden. Dafür müsste es dann noch einmal zusätzlich staatliche Subventionen geben.

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    Studie: Klimamodelle überschätzen CO₂-Speicher der Regenwälder systematisch

    Regenwald und Elefant im Kongo.

    Die zentrale Rolle des Regenwalds im Kongo-Becken für Klimaschutz und Artenvielfalt ist gefährdet: Seine Funktion als CO₂-Senke geht nach einer Studie drastisch zurück. Selbst bei einem Stopp der Entwaldung könnte der zweitgrößte Regenwald des Planeten bald mehr CO₂ emittieren als aufnehmen, warnen Forscher. Obwohl das seit Jahren bekannt ist, unterschätzen Modelle der Klimawissenschaften bislang diesen Effekt systematisch. Jetzt beginnt eine Debatte über eine Korrektur dieser Modelle.

    Die großen Waldgebiete der Erde sind zentral für die Sicherung der Artenvielfalt und des Klimasystems. Nur mit einem Ende der Entwaldung bis 2030 ist die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung noch zu halten. Die Forschung debattiert intensiv über das Schicksal des Amazonas-Regenwalds.

    Wald als CO₂-Quelle statt als Senke

    Doch auch vom Wald aus dem Kongo-Becken droht nun Gefahr. Durch den Klimawandel mit längeren Dürren, stärkeren Regenfälle und zerstörerischen Stürmen sterben heute mehr Bäume als früher – und schon bald könnten die nachwachsenden Bäume mit dem Verlust nicht mehr mithalten. Auch ohne Entwaldung würden sich Regenwälder in Kohlenstoffquellen verwandeln.

    Das befürchtet etwa Wannes Hubau. Der Professor der belgischen Universität Gent und Wissenschaftler am Königlichen Museum misst Daten an den Bäumen im Kongobecken und hat bereits um 100.000 Stämme des zentralafrikanischen Regenwaldes sein Maßband geschlungen. Mithilfe von ein paar weiteren Informationen wie der Baumart kann der Biologe hochrechnen, wie viel Kohlenstoff der Regenwald gebunden hat. Nach ein paar Jahren kommt er und sein Forschungsteam zurück an die gleiche Stelle, um Bilanz zu ziehen. So auch im Jahr 2017, ein Jahr nach dem “Godzilla-El-Niño”, wie Hubau das verheerende Extremwetterereignis nennt: “Die Kohlenstoff-Senke – das Potenzial, CO₂ aufzunehmen – war für eine bestimmte Zeit auf null zurückgefallen”, sagt Hubau über einige der Testfelder.

    Nun auch im Kongo: Wälder schwächeln als CO₂-Speicher

    In vorindustriellen Zeiten wäre das keine Überraschung gewesen. Was wachsende Bäume an Kohlenstoff speichern, gelangt wieder in die Atmosphäre, sobald sie sterben und sich Biomasse zersetzt. Die CO₂-Bilanz geht gegen null. Die vom Menschen verursachten und erhöhten CO₂-Werte in der Atmosphäre haben jedoch zur “CO₂-Düngung” geführt, wie es Wissenschaftler nennen: Das Mehr an CO₂ hat Bäume schneller und kräftiger wachsen lassen, wodurch mehr CO₂ gebunden wird. In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren haben tropische Regenwälder ungefähr 15 Prozent der menschengemachten CO₂-Emissionen geschluckt. Doch dieser Effekt geht nun zurück – und könnte sich sogar umkehren.

    Für den Amazonas-Regenwald haben sich die Hinweise schon länger gehäuft. Gemeinsam mit 94 wissenschaftlichen Institutionen hat Co-Autor Wubau schon 2020 in einer Nature-Publikation dargelegt, weshalb das auch für das Kongo-Becken zutrifft. Dort befindet sich der zweitgrößte Regenwald der Welt, der sich über sechs Länder in Zentralafrika erstreckt, darunter die Demokratische Republik Kongo mit fast zwei Drittel der Fläche.

    Bisher nicht abgebildet in Klimamodellen

    Was also folgt aus dem Befund? Bislang nichts, sagt Hubau – und das sei ein Problem. Denn die schwindende Kohlenstoffsenke spiegelt sich nicht in den Modellen führender Klimaforschungsinstitute wider, auf die sich wiederum der Weltklimarat IPCC bezieht, die höchste Instanz in Sachen Klimaszenarien: “Bis heute gehen die Modelle des IPCC davon aus, dass die Regenwälder noch für eine sehr lange Zeit in die Zukunft Kohlenstoffsenken bleiben werden. Das heißt, die Modelle des Weltklimarats sind etwas zu optimistisch“, sagt Hubau.

    “An Hubaus Daten ist grundsätzlich nichts zu rütteln“, sagt Sönke Zaehle. Der Professor arbeitet am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und ist Mitautor des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats. Er ist bestens vertraut mit dem sogenannten “Coupled Model Intercomparison Project” – kurz CMIP – einem Klimamodell mehrerer Forschungseinrichtungen, darunter auch einige Max-Planck-Institute.

    Zaehle sieht ein paar offene Fragen, wie sich die Ergebnisse aus den Messgebieten von Hubaus und seinen Mitforschenden auf den afrikanischen Regenwald insgesamt hochrechnen lassen. Aber er kann sich durchaus vorstellen, dass der Befund des abnehmenden Speicherpotenzials zukünftig auch in Modelle eingearbeitet werden wird.

    Problem: Es fehlen exakte Daten

    Doch wie das gehen soll, sei eine Herausforderung: “Die Modelle hatten ursprünglich nicht so viel Ökologie enthalten, weil es deren Zweck war, Wettermuster und Klimazustände vorherzusagen”, sagt er. Nach und nach wurden die Modelle erweitert. Trockenstress, Blitzschläge, Wind und Feuer bezeichnet Zaehle als “Störungsdynamiken”, deren Modellierung sehr aufwändig ist – aber nicht unmöglich. “Das ist tatsächlich aktiver Forschungsgegenstand”, sagt er. Woran es insbesondere noch mangelt: mehr Daten aus den Tropen, stärkere Rechner – und mehr Forschungsmittel. Je genauer ein Modell, desto teurer ist es.

    Anja Rammig ist Professorin an der Technischen Universität München. Die studierte Biologin entwickelt heute Computermodelle, mit denen sie simuliert, wie Klima und Veränderungen auf der Erdoberfläche wechselwirken. Auch den Düngungseffekt des CO₂ bezieht sie dabei ein. Die gängigen Modelle hätten sie schon länger stutzig gemacht, sagt sie: “Ich hatte immer das Gefühl, dass der Düngeeffekt zu stark ist, dass das nicht sein kann.” Die Veröffentlichung in Nature war für sie eine Bestätigung.

    Aber auch sie gibt zu bedenken: “Mortalität von Bäumen ist total schwierig zu modellieren.” Nach einer Dürre beispielsweise gebe es erkennbar weniger Bäume. “Aber man hat keine Daten und weiß oft nicht einmal, woran sie genau gestorben sind.” Sind sie vertrocknet, wurden sie von Schädlingen befallen? Hat der Wind sie gefällt?

    Dennoch: Die gängigen Modelle lassen sich verbessern, wenn man sie mit Simulationen zur Baumsterblichkeit koppelt. Die Daten dazu sammelt Rammig mit Kollegen in Brasilien: Auf einer Fläche von 30 Meter Durchmesser setzen sie Bäume unterschiedlichen CO₂-Konzentrationen aus und beobachten ihr Wachstum. Das Ziel: Die Klimamodelle sollen die Wirklichkeit in den Wäldern möglichst genau abbilden und in den IPCC-Berichten möglichst gute Daten liefern, ob die Wälder Senken oder Quellen für CO₂ sind. Jonas Gerding, Kinshasa

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    Chinas CO₂-Emissionen steigen aufgrund des wachsenden Kohleverbrauchs

    Chinas CO₂-Emissionen im Energiesektor sind 2023 um 5,2 Prozent gewachsen – ein Anstieg, der das Klimaziel der Volksrepublik gefährdet. Das ergibt eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA), die auf offiziellen Daten basiert. Demnach sind die Emissionen der Volksrepublik zwischen 2020 und 2023 um zwölf Prozent gestiegen – unter anderem wegen einer “sehr energie- und kohlenstoffintensiven Reaktion auf die Covid-19-Pandemie”. Der Kohleverbrauch ist demnach im vergangenen Jahr um 4,4 Prozent gestiegen.

    Dem CREA-Analysten Lauri Myllyvirta zufolge bedeutet dieser Anstieg des CO₂-Ausstoßes, dass China umso ambitionierter vorgehen muss, um seine Klimaziele zu erreichen. So sollen die CO₂-Emissionen pro Einheit der Wirtschaftsleistung während des laufenden 14. Fünfjahresplans (bis 2025) um 18 Prozent gesenkt werden. Dazu müssen die CO₂-Emissionen bis 2025 um vier bis sechs Prozent fallen. Das wäre ein nie zuvor erreichter Rückgang.

    China läuft demnach Gefahr, alle anderen wichtigen Klimaziele für 2025 zu verfehlen. So sei zum Beispiel der Anteil nicht-fossiler Energieträger am Energiemix von 2020 bis 2023 nur um 1,8 Prozentpunkte gestiegen. Das mache es schwer, das Ziel eines Zuwachses von 4,1 Prozentpunkten bis 2025 zu erreichen.

    China ist 2023 erstmals vom Reduktionspfad abgekommen

    Damit ist China laut Myllyvirta im Jahr 2023 bei der CO₂-Reduktion erstmals seit längerer Zeit vom Weg abgekommen. In den Vorjahren waren die Emissionen teils sogar absolut zurückgegangen. Und die Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien wurden sogar übererfüllt.

    Der Abschied von der Kohle fällt Peking aufgrund des wachsenden Fokus auf Energiesicherheit schwer. Man will die fossilen Kapazitäten erst abschalten, wenn das neue System aus erneuerbaren Energien und Stromspeichern voll funktionsfähig ist. “Wir wollen, dass alles so wettbewerbsfähig ist, dass der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen über den Markt erfolgt. Nicht durch Befehl und Kontrolle”, sagte der Regierungsberater Pan Jiahua in einem vergangene Woche veröffentlichten Interview mit Carbon Brief.

    Zu den unterschiedlichen Energieträgern äußerte Pan, Vizevorsitzender des Nationalen Sachverständigenausschusses für den Klimawandel, aber eine klare Meinung: “Fossile Brennstoffe sind Fossilien. Sie sind ein Ding der Vergangenheit.” Er hält die auf der COP28 vereinbarte Verdreifachung der Erneuerbaren noch für zu gering. “Erneuerbare Energien würden keine großen Investitionen in die Infrastruktur erfordern.” Den Bau von Kohlekraftwerken und anderer fossiler Infrastruktur bezeichnete Pan als “Geldverschwendung”. Trotzdem wurden in China 2023 laut Reuters Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 114 Gigawatt genehmigt, also nochmal zehn Prozent mehr als 2022. ck

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    Gutachten: EU-Mercosur-Vertrag verletzt Klimagesetze

    Mehrmals wurde das Mercosur-Abkommen der EU bereits totgesagt und wiederbelebt. Nun moniert ein Gutachten der Rechtsexperten Roda Verheyen und Gerd Winter im Auftrag von Greenpeace: Die Regenwaldabholzung für zusätzliche landwirtschaftliche Flächen sei bisher unterschätzt worden; ebenso die Treibhausgase, die dadurch und durch zusätzliche Schiffs- und Lufttransporte anfallen würden.

    Das Abkommen soll den Handel der EU-Staaten mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay ankurbeln. Dadurch würden dem neuen Gutachtens zufolge netto mehr Emissionen entstehen als ohne Freihandelsabkommen – anders, als von der EU-Kommission angenommen. Die Kommission stützt sich in ihrem Entwurf für das Freihandelsabkommen auf eine Nachhaltigkeitsanalyse der London School of Economics. Die Analyse berücksichtigt allerdings nicht Emissionen aus der Landnutzung und Landnutzungsveränderungen (LULUCF), obwohl diese einen Großteil von Brasiliens und Paraguays Emissionen ausmachen.

    Das sei rechtswidrig, moniert das Gutachten, denn eine Nachhaltigkeitsanalyse müsse alle relevanten Auswirkungen enthalten. Zudem bewerte die Analyse gar nicht erst die Vereinbarkeit mit den EU-Klimazielen. Dadurch könnte der Entwurf gegen Artikel 6 des EU-Klimagesetzes und auch gegen Artikel 2 verstoßen. Dieser verpflichtet die EU zu Maßnahmen, um ihre Emissionsreduktionsziele zu erreichen, die mit dem Mercosur-Abkommen nicht gegeben wären. Der Entwurf sei außerdem nicht in Einklang mit dem EU-Primärrecht und dem Pariser Abkommen und deshalb “rechtlich inakzeptabel”.

    Deutschland setzt sich weiter für Mercosur-Abkommen ein

    Das Mercosur-Abkommen muss noch im EU-Rat einstimmig von allen Mitgliedsstaaten beschlossen werden. Zumindest Frankreich und Österreich könnten ein Veto einlegen. Das könnte die EU aber umgehen, indem sie den Vertrag in wirtschaftliche und politische Teile aufteilt (“Splitting”). Dann würde eine qualifizierte Mehrheit ausreichen. Greenpeace sieht darin einen inakzeptablen Versuch, Kontrollinstanzen wie nationale Parlamente zu umgehen.

    Das zuständige Wirtschaftsministerium wollte das Rechtsgutachten nicht kommentieren. Die Bundesregierung setze sich weiter für einen baldmöglichen Abschluss der Verhandlungen ein, erklärte ein Sprecher des BMWK auf Anfrage von Table.Media. lb

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    Solarindustrie: Streit um Resilienzbonus erreicht oberste Regierungsebene

    Die Debatte um einen möglichen Resilienzbonus hat in der Koalition an Priorität gewonnen. Nun verhandeln die Vize-Chefs der Fraktionen darüber, ob diese Subvention von anfangs 40 Millionen bis später 300 Millionen Euro jährlich kommen soll. Sie soll deutsche Solarunternehmen wie Solarwatt und Meyer Burger unterstützen. Diese geraten durch billige Module aus China zunehmend unter Druck. Auch der Branchenverband BSW-Solar fordert finanzielle Hilfen.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich bereits klar für den Resilienzbonus ausgesprochen. Die FDP bremst allerdings, denn sie fürchtet eine Verteuerung der Strompreise. Zudem hält sie ohnehin wenig von Subventionen. Doch auch ein Teil der deutschen Solarunternehmen ist gegen Subventionen. Beispielsweise Enpal und 1Komma5°, die ihr Geld mit dem Verkauf, der Vermietung und Verpachtung dieser billigeren Module verdienen. Sie fürchten einen Markteinbruch, weil Kunden auf die Boni warten. Dadurch wären die PV-Ausbauziele nicht mehr erreichbar. Sollte der Bonus kommen, droht Enpal, in andere Länder auszuweichen.

    Sachsen bringt Bewegung in Debatte, auch CDU für Subventionen

    Druck kommt nun aus Sachsen. Dort haben Solarwatt und Meyer Burger Fertigungsanlagen, zudem wird bald gewählt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) befürchtet den Verlust von 500 Arbeitsplätzen in Meyer Burgers Werk in Freiburg. Er setzt sich deshalb für Subventionen ein. Auch der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) drängt auf eine baldige Verbesserung der Rahmenbedingungen.

    Ein Ergebnis könnte in der “kommenden Sitzungswoche” folgen, heißt es aus der SPD. Diese ist allerdings erst in der zweiten Märzwoche. Fraglich ist, ob der Solarhersteller Meyer Burger mit einer Entscheidung über eine mögliche Werksschließung so lange warten kann.

    Mehr zu diesem Thema lesen Sie in der Analyse von Horand Knaup. lb

    • Energiewende
    • Solarindustrie

    Presseschau

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    Nachricht: Japan erlebt Rekord-Hitzewelle im Winter Climate Home News
    Analyse: Kanada im Gasrausch Süddeutsche Zeitung
    Nachricht: Die Schweiz verlangt von der UN, die Möglichkeiten von “Solarem Geoengineering” zu erforschen The Guardian
    Analyse: Was der Klimawandel mit dem tödlichen Choleraausbruch im südlichen Afrika zu tun hat Al Jazeera
    Kommentar: Eine zweite Amtszeit von Trump wäre ein Albtraum für den Klimaschutz Bloomberg
    Kommentar: Wie viele Menschen werden durch den Klimawandel sterben? Die Zeit

    Climate.Table Redaktion

    CLIMATE.TABLE REDAKTION

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