für die globale Energiewende müssen Billionen von Dollar oder Euro aus klimaschädlichen in klimafreundliche Investitionen umgeschichtet werden. Viele Banken versprechen genau das – stecken aber weiterhin gleichzeitig hohe Summen in fossile Industrien, wie Nick Nuttall anhand neuer Zahlen verdeutlicht.
Weil Kochen lebensgefährlich ist, sind Millionen Frauen und Kinder bedroht: Über zwei Milliarden Menschen bereiten ihre Nahrung nur mit Holz, Kohle oder Holzkohle zu – und leiden unter den Schadstoffen im Rauch. Jetzt soll ein hochrangiger Gipfel in Paris diese Gefahr entschärfen und gleichzeitig die Natur und das Klima vor allem in Afrika schonen, erklärt Urmi Goswami.
Woher das Geld für die Wärmewende in Deutschland kommen soll, erklärt Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer im Interview mit Malte Kreuzfeldt. Er sagt, was für ihn das richtige Tempo wäre und warum er Kiel für einen Vorreiter hält.
Wir schauen außerdem auf eine Studie, die erklärt, warum die ökonomischen Schäden des Klimawandels noch größer sind als bisher angenommen, auf eine mögliche erste Klimaklage in Russland und darauf, wie teuer ein Kohleausstieg für China und Indien werden könnte.
Wir bleiben für Sie dran!
Sechzig der weltweit größten Banken investierten laut einem neuen Bericht im Jahr 2023 mehr als 700 Milliarden Dollar in die Unterstützung von Öl-, Gas- und Kohleunternehmen. Damit finanzieren sie die Gegenbewegung zu den internationalen Bemühungen, den Klimawandel durch eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu bekämpfen.
In der Klimadiplomatie wird das Thema Finanzen in diesem Jahr zentral werden, weil auf der COP29 ein neues Finanzziel beschlossen werden soll. Allerdings können Anleger jetzt auch mir einer neuen Plattform “Move the Money” genau sehen, ob ihre Banken fossile Investments vorantreiben und im Zweifel zu anderen Kreditinstituten wechseln.
Die Climate Policy Initiative schätzt, dass die globalen Finanzströme in den Klimaschutz bis 2030 jährlich acht bis neun Billionen Dollar erreichen müssen und dann von 2031 bis 2050 auf über zwölf Billionen Dollar pro Jahr ansteigen sollten.
Doch seit dem Pariser Abkommen von 2015 haben 60 der größten Privatbanken der Welt, darunter JP Morgan Chase, die Bank of America und Mizuho aus Japan, insgesamt 7,1 Billionen Dollar nicht in den Klimaschutz, sondern in fossile Brennstoffe investiert. Zu diesem Ergebnis kommt der am Montag von Umweltgruppen veröffentlichte diesjährige Bericht Banking on Climate Chaos. Fast die Hälfte dieser Investitionen – 3,5 Billionen Dollar – haben demnach den Ausbau fossiler Brennstoffe unterstützt, auch in ökologisch sensiblen Gebieten wie dem Amazonas.
Das ist kein Einzelfall in der Finanzindustrie: Erst kürzlich berichtete Table.Briefings, dass die Commerzbank ihre Klimaziele verfehlt.
Der Bericht gilt als umfassendste globale Analyse des “Fossil Fuel Banking” zu Kreditvergabe an über 4.200 Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten. Er wurde von Experten von Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie dem Rainforest Action Network, BankTrack, Oil Change International und Urgewald erstellt.
Die Studie zeigt, dass im Jahr 2023 die Finanzierungen in drei Märkten für fossile Brennstoffe zugenommen haben: Methan oder verflüssigtes Erdgas (LNG), thermische Kohle, die für Kraftwerke und Heizungen verwendet wird, und metallurgische Kohle, die als Koks zur Herstellung von Produkten wie Stahl verwendet wird. Demnach
Viele der in dem Bericht genannten Banken sind Mitglieder der UN Net Zero Banking Alliance. JP Morgan Chase, die Nummer eins auf der Liste der globalen Finanziers der Fossilen 2023, antwortete nicht auf eine entsprechende Anfrage von Table.Briefings, wie sie diese Investments mit ihrer Mitgliedschaft in der UN-Net Zero Banking Alliance in Einklang bringen.
Die Co-Präsidentin des Club of Rome und Co-Vorsitzende der European Taxonomy for Sustainable Finance, Sandrine Dickson Decleve meinte dagegen gegenüber Table Briefings: “Viele von ihnen investieren auch in erneuerbare Energien, sodass sie glauben, sie seien mit ihren Investitionen klimaneutral – was offen gesagt eine Illusion ist”.
Sie fügt hinzu: “Viele sagen auch, dass diese Investitionen die Renten unterstützen. Aber das ergibt keinen Sinn, wenn man sich ansieht, welche Auswirkungen die Verbrennung fossiler Brennstoffe auf das Klima, auf die Wirtschaft und damit auf die Renten der Menschen haben wird”. Die Banken wüssten, “dass die Vorschriften in den kommenden Jahren verschärft werden, aber sie wollen ihre Gewinne aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe maximieren, bevor das passiert”. Deshalb müssten die Regierungen die Regeln für nachhaltige Investitionsströme verschärfen.
Das Vorgehen dieser 60 Großbanken, von denen die meisten ihren Hauptsitz in Nordamerika, Europa und China haben, steht in krassem Gegensatz zu einer Gruppe von 17 Banken, die Mitglieder der Global Alliance for Banking on Values (GABV) sind. Am Tag der Erde 2024, dem 22. April, bekräftigten sie ihre Unterstützung für die Verabschiedung eines Vertrags über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe, mit dem der weltweite Abbau und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen geregelt werden soll.
Martin Rohner, Exekutivdirektor der Global Alliance for Banking on Values, erklärte Table.Briefings: “Die meisten wertebasierten Banken schließen die Finanzierung jeglicher Aktivitäten im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen aus, und viele haben sich zu ehrgeizigen Netto-Null-Zielen bereits für 2035 verpflichtet. Wir ermutigen die gesamte Finanzbranche, unserem Beispiel zu folgen und sich unseren Bemühungen um den Klimaschutz anzuschließen.”
Katrin Ganswindt, Mitverfasserin des Berichts und Leiterin des Bereichs Finanzen und Forschung bei Urgewald in Deutschland, zeigte sich besorgt darüber, dass Kohle angesichts ihrer hohen Klimabilanz immer noch Investitionen anzieht: “Während wir dringend aus der Kohle aussteigen müssen, haben nur fünf Prozent der globalen Kohleunternehmen Termine für den Ausstieg aus ihrem Kerngeschäft angekündigt.” Es gebe aber auch Vorreiter: “Zwei französische Banken, Credit Mutuel und die Banque Postale weisen mit einer starken Ausschlusspolitik den Weg zu einer klimafreundlichen Finanzindustrie”, sagte sie.
Nick Nuttall ist freier Journalist und arbeitet auch als Moderator und Regisseur bei der Plattform für globale Klimalösungen “We Don’t Have Time“.
Mit einem hochrangigen Gipfeltreffen wollen Vertreter von Staaten, Unternehmen, Wohltätigkeitsorganisationen, Entwicklungsbanken und der Internationalen Energieagentur IEA am Mittwoch in Paris große Fortschritte für Klimaschutz und Entwicklung machen: Die Initiative zu sauberem Kochen ohne Holz und Kohle, “Clean Cooking“, soll vor allem in Afrika ein großes Problem angehen, die Gesundheit von Millionen Menschen drastisch verbessern, die Natur schützen und vergleichsweise kostengünstig die Treibhausgasemissionen deutlich senken.
Es gehe um ein “großes humanitäres Problem jenseits von Energie und Klimawandel”, sagt IEA-Chef Fatih Birol zum Gipfeltreffen, zu dem er mit der tansanischen Präsidentin Samia Suluhu Hassan, dem norwegischen Premierminister Jonas Gahr Støre und dem Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbankgruppe Akinwumi A. Adesina eingeladen hat. Die “wichtigste Frage der Geschlechtergerechtigkeit” sei heute, “dass in Afrika 80 Prozent der Menschen primitive Kochherde für die Zubereitung von Mahlzeiten aus Holz, landwirtschaftlichen und tierischen Abfällen verwenden, und dass fast ausschließlich Frauen kochen. Dies führt zu schweren Atemwegserkrankungen und ist einer der beiden Gründe für den vorzeitigen Tod von Frauen in Afrika”, so Birol.
Sauberes Kochen verringert oder vermeidet diese Probleme. Dabei gibt es aufgrund von verschiedenen Voraussetzungen nicht eine einzige Technik – alles, was Brennstoffe wie Holzkohle, Kohle, Ernteabfälle, Dung, Kerosin oder Holz ersetzt, gilt als “sauber”. Zugang zu “sauberem Kochen” gilt als erreicht, wenn ein Haushalt die Stufe 4 des von der Weltbank entwickelten mehrstufigen Rahmens erreicht. Sie berücksichtigt Effizienz, Schadstoffbelastung, Komfort, Verfügbarkeit von Kraftstoff, Sicherheit und Erschwinglichkeit.
Bislang fehlt diese Möglichkeit allerdings weltweit etwa 2,3 Milliarden Menschen in 128 Ländern. Das trägt jährlich zu 3,7 Millionen vorzeitigen Todesfällen vor allem bei Frauen und Kindern bei. Dabei ist Zugang zu sauberem Kochen, das UN-Entwicklungsziel 7 (SDG7), keine Frage von Technologie oder Politik, sondern von Umsetzungskapazität und Finanzierung.
Fortschritte gibt es in Asien und Lateinamerika. In Indien, China und Indonesien hat sich die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten halbiert. In Afrika, insbesondere in den Ländern südlich der Sahara, steigen die Zahlen jedoch weiter an. Heute sind etwa eine Milliarde Menschen in Afrika – etwa 80 Prozent der Bevölkerung – auf primitive Kochmöglichkeiten und umweltschädliche Brennstoffe angewiesen. In Afrika ist die Kluft zwischen Politik und Finanzierung am größten. Weniger als ein Drittel der Pläne für sauberes Kochen in Afrika werden finanziert. Anreize und finanzielle Unterstützung für Haushalte wurden durch die Covid-19-Pandemie und hohe Brennstoffpreise aufgrund der weltweiten Energiekrise beeinträchtigt.
Damit Afrika bis 2030 einen universellen Zugang zu sauberem Kochen erreichen kann, müssen internationale Finanzströme, speziell Finanzierungen zu Vorzugsbedingungen, eine Schlüsselrolle spielen. Für die Lösung würden laut Birol bis 2030 allerdings nur vier Milliarden US-Dollar pro Jahr benötigt – ein vergleichsweise “geringer Betrag”: “Die Kosten für den Bau eines LNG-Terminals betragen 25 Milliarden US-Dollar”, sagte Birol. Weltweit sind jährlich Investitionen in saubere Kochgeräte und Infrastruktur in Höhe von acht Milliarden Dollar erforderlich. Das ist weniger als ein Prozent dessen, was die Regierungen im Jahr 2022 ausgaben, um die Energiepreise für ihre Bürger während der weltweiten Energiekrise erschwinglich zu halten.
Bei der Entwicklung des sauberen Kochens in den letzten 20 Jahren haben sich gasförmige Brennstoffe, insbesondere Flüssiggas (LPG) mit 70 Prozent Anteil durchgesetzt. Zwischen 2000 und 2021 stieg der LPG-Anteil von 36 Prozent auf 60 Prozent und überholte damit die Biomasse (deren Anteil von 44 Prozent auf 29 Prozent fiel). Unter den kommerziell erhältlichen Lösungen ist Flüssiggas das kostengünstigste und realistischste Szenario, um universell sauberes Kochen zu erreichen.
Eine große Herausforderung ist bislang die Bezahlbarkeit: Die meisten sauberen Kochgeräte verlangen eine Vorauszahlung und laufende Ausgaben für Brennstoffe. Die meisten Haushalte können sich diese Investition nicht leisten, auch wenn sie sich letztlich auszahlt. Oftmals werden die sauberen Kocher deswegen durch Kompensationsprojekte gefördert, die allerdings nicht immer halten, was sie versprechen – wie Table.Briefings berichtete.
Dem wollen die Initiatoren des Gipfels mit neuen Geschäftsmodellen begegnen, die auf der Finanzierung durch den Endverbraucher basieren, wie:
Die IEA geht davon aus, dass der Gipfel einen Wendepunkt bei der Behandlung des Themas “sauberes Kochen” darstellen wird. Die IEA hat in den letzten Monaten mit Unternehmen, Philanthropen, multilateralen Entwicklungsbanken und Regierungen zusammengearbeitet, um auf dem Gipfel Zusagen, Geldmittel und Projekte vor Ort vorzustellen. “Die Zahlen sind sehr, sehr ermutigend, um viele der Lücken zu schließen. Es wird also eine echte Mobilisierung geben, mit Finanzierungen und Aktionen vor Ort”, sagte Laura Cozzi, IEA-Direktorin für Nachhaltigkeit, Technologie und Ausblicke.
Vertreter aus Indien, Kenia, Ägypten und anderen Ländern sollen von ihren Erfahrungen berichten. “Sie werden darüber sprechen, was funktioniert hat und was nicht, was sie gelernt haben und welche bewährten Verfahren es gibt”, so Cozzi. Auch politische Rahmenbedingungen, die helfen können, stehen auf der Tagesordnung.
Erwartet werden Vereinbarungen, um konkrete Maßnahmen bei Politik, Finanzierung und Partnerschaften voranzutreiben, die auf den G7- und G20-Gipfeln im Juni beziehungsweise September aufgegriffen werden sollen. Das Kommuniqué des G7-Klima-, Energie- und Umweltministertreffens im April in Turin (Italien) begrüßte die IEA-Initiative für den Zugang zu sauberem Kochen. Die Staaten verpflichten sich darin, saubere Kochtechnologien zu fördern, unter anderem durch Elektrifizierung, nachhaltige und treibhausgasarme Biomasse, Biogas, Ethanol und – wo alternativlos – auch durch Flüssiggas. Diese Partnerschaften werden auf der COP29 in Baku, Aserbaidschan, fortgeführt und sollen ihren Höhepunkt auf der COP30 in Belém, Brasilien finden.
Laut IEA-Berechnungen ist der Zugang zu sauberem Kochen auch ein Gewinn für die Umwelt. Zwar führt die Umstellung auf Flüssiggas bis 2030 zu einem Anstieg der Emissionen um 100 Millionen Tonnen CO₂. Aber andererseits verringert weniger Verbrennung von Holz und Holzkohle den Ausstoß von Methan und anderen Treibhausgasen aus der unvollständigen Verbrennung in primitiven Kochherden – und zwar um 900 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Und: Es soll zu weniger Entwaldung führen. Das könnte bis 2030 jährlich noch einmal 700 Millionen Tonnen Emissionen sparen.
Eine der größten Aufgaben für die Kommunen ist derzeit die Klimawende in der Wärmeversorgung. Wie kommt Kiel dabei voran?
Wir wollen die Fernwärme in Kiel schon bis 2035 zu 100 Prozent klimaneutral haben. Wir setzen dabei auf Großwärmepumpen, eine dekarbonisierte Müllverbrennung, Tiefengeothermie und Wasserstoff. Ein Mix, der zeigt: Wer ambitioniert ist bei der Wärmewende, findet auch Modelle, wie das gehen kann.
Sie sind gleichzeitig Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetags. Diese Verbände sind bei der Wärmewende viel weniger ambitioniert. Wie passt das zusammen?
Das liegt daran, dass die Voraussetzungen unserer Mitgliedsunternehmen sehr, sehr unterschiedlich sind. Zum einen sind wir mit der Wärmeplanung schon weiter als andere, weil Schleswig-Holstein sie per Landesgesetz frühzeitig eingeführt hat und die großen Städte in Schleswig-Holstein schon bis zum Jahresende damit fertig sein müssen. Ich habe in Kiel die Ostsee, wo ich relativ einfach Großwärmepumpen in Betrieb nehmen kann. Andere haben es da schwerer, entsprechend sind die Ausgangslagen unterschiedlich. Darauf müssen wir als Verband Rücksicht nehmen, zumal das Klimaneutralitätsziel 2045 schon ambitioniert ist. Aber ich würde schon sagen, dass Klimaschutz überall angekommen ist.
Aber wenn das Thema angekommen ist: Warum haben Ihre Verbände dann beim Wärmeplanungsgesetz dafür gekämpft, die Fristen für die Dekarbonisierung der Fernwärme weit in die Zukunft zu verschieben?
Dafür gibt es aus meiner Sicht einen guten Grund. Wir wollen ja nicht nur die bestehende Fernwärme dekarbonisieren, sondern wir wollen sie massiv ausbauen, idealerweise verdreifachen. Und das ist mit vielen Unsicherheiten behaftet, auch durch fehlende politische Rahmenbedingungen: Habe ich als Kommune die Kapazität und das Kapital? Wollen die Bürgerinnen und Bürger das? Kann ich einen attraktiven Preis bieten? Wenn man da die erneuerbaren Anteile in der Fernwärme gesetzlich zu schnell steigert, würde das dazu führen, dass viele Stadtwerke lieber vorsichtig sind und weniger Fernwärme ausbauen. Darum haben wir uns dafür eingesetzt, dass man nicht zu viel will, weil man damit am Ende weniger erreichen würde. Vielleicht muss man manchmal ein bisschen verlangsamen, um Klimaschutz für alle in einem guten Tempo zu schaffen.
Sie haben das notwendige Kapital erwähnt. Beim Ausbau der Wärmenetze und der klimafreundlichen Kraftwerke geht es ja um riesige Summen, dazu kommt noch der Ausbau der Verteilnetze für den Strom. Wo soll das Geld herkommen?
Das weiß bisher niemand sicher. Wir wissen nur, dass wir die Finanzierungsgrundlagen deutlich diversifizieren müssen. Zum einen müssen die Kommunen bereit sein, auf die Ausschüttung von Gewinnen zu verzichten, damit diese investiert werden können. Aber wir reden über einen Betrag von schätzungsweise 600 Milliarden Euro bis 2030 und mindestens einer Billion Euro bis 2045 – da werden wir mit den klassischen Instrumenten nicht hinkommen, sondern neue brauchen.
Was könnte das sein?
Wir brauchen neue Kapitalsammelstellen, um Geld aus anderen Töpfen zu nutzen. Als VKU entwickeln wir gerade das Grobkonzept für einen Energiewendefonds, das wir demnächst mit dem BDEW vorstellen werden. Hinzu kommen andere Formen der finanziellen Bürgerbeteiligung, wie Anleihen oder Bürgergenossenschaften. Aber klar ist, dass es überwiegend privates Kapital sein muss.
Wer privates Kapital gibt, erwartet eine gute Rendite. Wäre es nicht günstiger, diese Aufgabe mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren?
Natürlich brauchen wir auch den Staat, gerade bei der Fernwärme. Aber wir alle kennen die Diskussion um die Schuldenbremse und den Bundeshaushalt. Wir wären schon froh, wenn der Bund den Kommunen für die Fernwärme wie gefordert drei Milliarden Euro pro Jahr statt bis 2029 einmalig 3,2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen würde. Mir fehlt ehrlich gesagt die Fantasie, dass es politische Mehrheiten dafür gibt, diese Aufgabe komplett aus Steuergeldern zu bezahlen. Damit würden wir die Staatlichkeit überfordern. Und natürlich wollen private Investoren eine Rendite. Aber wenn die Anlage sicher ist, beispielsweise durch staatliche Garantien, muss die Verzinsung auch nicht so hoch sein, auch wenn ein höherer Eigenkapital-Zins bei Energiewende-Investments helfen würde.
Schon jetzt ist Fernwärme teilweise sehr teuer geworden. Und anders als bei Strom oder Gas kann man dann auch nicht einfach zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Wie begegnen Sie der Kritik, dass man sich mit einem Fernwärmeanschluss in ein finanzielles Abenteuer mit ungewissem Ausgang stürzt?
Ich verstehe die kritischen Nachfragen, und wir diskutieren auch andere Preisbildungsmechanismen. Aber es darf auch nicht überreguliert werden oder starke Einschnitte geben. Denn kein Aufsichtsrat eines Stadtwerks kann sich auf das Abenteuer eines massiven Fernwärmeausbaus einlassen, ohne zu wissen, wie die Preise nachher reguliert werden und wie man die Investitionen refinanzieren kann. Und wir müssen auch aufpassen, dass die Fernwärme nicht kaputt geredet wird. Denn es ist ja nicht so, dass die Betreiber beliebige Preise verlangen können; es ist schon jetzt ein kontrollierter Markt. Und natürlich sind die Preise während der Energiekrise gestiegen, aber das sind sie bei Strom und Gas ja auch, das kommt bei Fernwärme verzögert an. Darum bin ich sehr unglücklich mit dem Fernwärme-Bashing, das teilweise zu erleben ist.
Aber ist eine Wärmepumpe für viele Haushalte nicht wirklich günstiger – und vor allem berechenbarer?
Neben Anschaffungskosten etc. sind Sie da vom Strompreis abhängig, und bei dem ist auch nicht klar, wie er sich entwickelt. Und natürlich müssen die Fernwärmepreise im Vergleich zu den Alternativen attraktiv sein, aber wir müssen nicht überall am günstigsten sein. Denn die Fernwärme bietet andere Vorteile: Man muss bei sich zu Hause keine Heizung einbauen, die Infrastruktur wird gestellt. Ich habe eine hohe Versorgungssicherheit bei einem Anbieter, dem ich vertrauen kann. Es muss kein Schnapper sein, wie meine Stadtwerke sagen – aber natürlich möchte niemand doppelt so viel für Fernwärme bezahlen wie für das Heizen mit einer Wärmepumpe.
Ulf Kämpfer, 51, ist seit zehn Jahren Oberbürgermeister von Kiel. Daneben ist er Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) und stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetags. Der SPD-Politiker, der einst unter Robert Habeck Staatssekretär in Schleswig-Holstein war, gilt als potenzieller Herausforderer von Daniel Günther bei den nächsten Landtagswahlen.
Ein Anstieg der globalen Temperatur um 1 Grad Celsius führt zu einem Rückgang des weltweiten BIP um 12 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren einer Studie zu den makroökonomischen Folgen des Klimawandels. Dafür haben Adrien Bilal von der Harvard University und Diego R. Känzig von der Northwestern University in den USA die Auswirkungen von globalen Temperaturschocks auf Bruttoinlandsprodukte (BIP) untersucht.
Bisher ist die Wirtschaftswissenschaft davon ausgegangen, dass ein Anstieg der Welttemperatur um 1 Grad die weltweite Produktion höchstens um ein bis drei Prozent reduziert. Den Forschern zufolge sind die makroökonomischen Folgen des Klimawandels demnach sechsmal größer als bislang angenommen. Mit der bisherigen weltweiten Klimapolitik gehen die UN von einem Temperaturanstieg von bis zu drei Grad aus, was entsprechend höhere ökonomische Auswirkungen zur Folge hätte.
Im Unterschied zu bisherigen Untersuchungen haben Bilal und Känzig sich auf den Einfluss globaler Temperaturschocks fokussiert, da diese besser geeignet seien, extreme Klimaereignisse vorauszusagen als lokale Temperaturveränderungen. Globale Temperaturveränderungen hätten einen viel größeren Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung als lokale Temperaturveränderungen, schreiben die Autoren. Da sich die bisherigen Studien auf lokale Temperaturveränderungen fokussiert hätten, seien diese bisher zu viel niedrigeren Schätzungen gekommen.
Die Studienautoren kommen zu dem Ergebnis, dass eine Tonne Kohlendioxid Kosten von über 1.000 US-Dollar verursacht, was langfristig zu einem Wohlstandsverlust von 31 Prozent führen würde, sofern keine Maßnahmen ergriffen werden. Am Beispiel der USA sei man bislang davon ausgegangen, dass eine emittierte Tonne CO₂ 30 US-Dollar nur für die USA an Kosten verursacht. Weil die Kosten für die Dekarbonisierung pro Tonne CO₂ meist signifikant über diesem Wert liegt, sei eine unilaterale Dekarbonisierungspolitik für die USA nicht wirklich lohnenswert gewesen.
Nach der neuen Schätzung gehen die Autoren nun von Kosten allein für die USA von 211 US-Dollar pro Tonne CO₂ aus, was über den Kosten für die meisten Dekarbonisierungsmaßnahmen liegt. Daher sei eine “unilaterale Dekarbonisierungspolitik für die USA kosteneffizient“. luk
Um die Klimaziele Deutschlands im Verkehrssektor zu erreichen, sind aus volkswirtschaftlicher Sicht frühe Investitionen langfristig am günstigsten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie “Verkehrswende als Mehrwert“, die am Montag vom Thinktank Agora Verkehrswende und dem Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos vorgelegt wurde.
Demnach müssten öffentliche Haushalte, private Verbraucher und Unternehmen zunächst jährlich zwischen elf und 16 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben. Doch schon ab 2035 würden sich die jährlichen Ausgaben im gesamten Verkehrssektor dann unterhalb der Projektion des Umweltbundesamts bewegen, die sich an beschlossenen und geplanten Maßnahmen der Bundesregierung orientiert. In einem Szenario, bei dem es erst ab 2030 zu zusätzlichen Maßnahmen kommt, steigt der Investitionsbedarf hingegen stärker und steiler an. Mitte der 2030er-Jahre wären dann Zusatzausgaben von teils über 90 Milliarden Euro pro Jahr nötig. Die langfristigen Kosteneinsparungen ergeben sich insbesondere aus der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene.
In der Studie werden drei Szenarien miteinander verglichen. Als Referenzszenario dient die Projektion des Umweltbundesamts, mit der jedoch eine Klimaneutralität bis 2045 und ein Einhalten des Emissionsbudgets nicht erreichbar ist. Das “Wende 2025″-Szenario errechnet die volkswirtschaftlichen Effekte einer schnellen Politikänderung, mit rapiden Investitionen in die Bahn, den öffentlichen Nahverkehr und die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität sowie die Digitalisierung von Verkehrsträgern.
Das Szenario “Wende 2030” unterstellt, dass es erst im nächsten Jahrzehnt zu politischen Maßnahmen kommt, die zu Verkehrs-Klimaneutralität führen würden. Dieses Szenario ist mit Abstand am teuersten: Da bis dahin viele Treibhausgase emittiert würden, müssten zur Erreichung des kumulativen Emissionsbudgets funktionierende Verbrennerfahrzeuge stillgelegt werden. Dieses radikale Verbrenner-Aus wäre volkswirtschaftlich sehr teuer.
Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, mahnte schnelle politische Schritte an: “Würde die Bundesregierung nach volkswirtschaftlicher Logik handeln, müsste sie beim Klimaschutz im Verkehr schnell alle Hebel in Bewegung setzen.” Neben den monetären Kosten seien daneben auch Klimaschäden zu beachten: “Der Preis bemisst sich entweder in Geld oder in Treibhausgasen, mit all den damit verbundenen Risiken.” av
Zum ersten Mal hat Russlands Verfassungsgericht eine Klimaklage zur Prüfung zugelassen. Darin argumentieren die NGO Ecodefense und 18 Aktivisten aus der Umwelt-, Klima- und Menschenrechtsbewegung, dass verschiedene russische Gesetze gegen die Verfassung verstoßen, weil sie die Grundrechte auf Leben, Gesundheit und eine saubere Umwelt gefährdeten. Eine vorherige Klage gegen Russlands Klimapolitik hatte das russische Verfassungsgericht im Jahr 2023 abgelehnt.
Die Kläger fechten im aktuellen Verfahren die Verfassungsmäßigkeit des Präsidialerlasses Nr. 666 vom 4. November 2020 mit dem Titel “Über die Verringerung der Treibhausgasemissionen” an. Ihre Klage zielt auf die “Strategie für die sozioökonomische Entwicklung der Russischen Föderation mit geringen Treibhausgasemissionen bis 2050” und eine Reihe damit verbundener Gesetze ab. Der Erlass und die Strategie sind die wichtigsten zielsetzenden Dokumente Russlands zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Diese Dokumente seien völlig unzureichend für das Pariser Klimaabkommen und verstoßen auch gegen die russische Verfassung, argumentieren die Aktivisten. Auch die Plattform Climate Action Tracker bewertet die Klimapolitik der Russischen Föderation mit der schlechtesten Wertung “kritisch unzureichend”. kul
Ein Kohleausstieg in China und Indien könnte zwei Billionen US-Dollar an Ausgleichszahlungen kosten. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Studie hervor. Die Autoren der Chalmers University of Technology in Schweden und der Central European University in Österreich haben nationale und internationale Pläne zum Kohleausstieg analysiert. 23 Staaten mit Kohleausstiegsplänen zahlen demnach Kompensationen an Unternehmen, vom Kohleausstieg betroffene Regionen oder Arbeiter. Diese Kompensationen belaufen sich auf 209 Milliarden US-Dollar. Würden Indien und China ebenfalls den Kohleausstieg beschließen und ähnliche Zahlungen leisten, würden demnach Billionen-Kosten auf die beiden größten Kohlekonsumenten zukommen.
Derzeit stamme gut die Hälfte der Kompensationszahlungen aus internationalen Quellen, beispielsweise im Zuge der Just Energy Transition Partnerships (JETPs). Wie allerdings die nötigen Mittel für Kompensationszahlungen in Indien und China mobilisiert werden könnten, ist eine offene Frage, so die Studienautoren. “Die geschätzten Kompensationszahlungen in China und Indien sind nicht nur in absoluten Zahlen größer [als bisherige Kompensationsmechanismen], sondern wären auch teurer im Vergleich zu den wirtschaftlichen Kapazitäten” der beiden Staaten, sagt Lola Nacke, eine der Autorinnen der Studie.
Die bisher veranschlagten 209 Milliarden US-Dollar für Kompensationszahlungen in verschiedenen Ländern seien zwar auch schon eine hohe Summe, so die Studienautoren. Allerdings führten sie zu einer Emissionsreduktion von sechs Milliarden Tonnen CO₂. Allerdings liegen “die Kosten für die Kompensation des Kohleausstiegs pro Tonne vermiedener CO₂-Emissionen (29 bis 46 US-Dollar pro Tonne) deutlich unter den jüngsten Kohlenstoffpreisen in Europa (rund 64 bis 80 US-Dollar pro Tonne)”. Zudem stehen Kosten für Kompensationen auch immer eingesparte Kosten für Klimaschäden gegenüber, die durch eine ambitionierte Klimapolitik vermieden werden können. nib
Dem Wald in Deutschland geht es weiterhin schlecht. Bei den am weitesten verbreiteten Baumarten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche ist gerade mal jeder fünfte Baum gesund. Das ist das Ergebnis der neuen Waldzustandserhebung 2023 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Gründe dafür sind unter anderem die andauernde Trockenheit und hohe Temperaturen seit 2018. Der Zustand des Waldes hat sich seit dem Vorjahr weder groß verbessert noch verschlechtert. Insgesamt sind nur 20 Prozent der Waldfläche in Deutschland 2023 so gesund, dass sie keine Kronenverlichtung aufweisen, also keine sicht- und messbaren Nadel- oder Blattverlust der Baumkrone. Einzig bei der Kiefer gab es leichte Verbesserung beim Kronenzustand.
Im Vergleich zu den anderen Hauptbaumarten geht es der Fichte am schlechtesten, sie weist die höchste Absterberate auf. Seit der ersten Erhebung 1984 steigt der sichtbare Blatt- beziehungsweise Nadelverlust aller Baumarten an. Im Jahr 2019 konnten die deutlichsten Veränderungen beobachtet werden. “Die Klimakrise hat unseren Wald fest im Griff, langandauernde Trockenheit und hohe Temperaturen der letzten Jahre haben bleibende Schäden hinterlassen”, sagt Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Der Wald entwickle sich zu einem Dauerpatienten. Das BMEL hat daher dieses Jahr 250 Millionen Euro für Waldförderung eingeplant, um den Wald gegen die Klimakrise zu schützen. seh
Der Parlamentsberichterstatter für das europäische Emissionshandelssystem, Peter Liese (EVP), hält die Aufnahme des Agrarsektors in den ETS noch nicht für zielführend. Man müsse den Nutzen der Landwirte und Waldbesitzer in den Fokus rücken, statt den Sektor zu problematisieren. “Es ist der einzige Sektor, der große Mengen an CO₂-Senken liefert”, sagt Liese auf Nachfrage von Table.Briefings. Daher sei es nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Aufnahme des Sektors in den ETS zu sprechen.
Fakt ist allerdings, dass der Agrarsektor derzeit noch als Netto-Emittent in der EU gilt. Ökonomen und Umweltschutz-Organisationen fordern deshalb, dass auch die Landwirtschaft mit einem CO₂-Preis belegt wird, um die Branche zu mehr Emissionsreduktionen zu bewegen. Jedoch plädieren Experten – und auch Peter Liese – dafür, die Vergütung von entnommenen CO₂-Mengen aus der Atmosphäre in den ETS zu integrieren, um Anreize für CO₂-Entnahmen zu vergrößern. So könnte die natürliche Senkleistung des Agrarsektors profitabel für Landwirte werden. Allerdings scheitert ein Agrar-ETS derzeit noch daran, dass es noch kein System gibt, das entnommenes CO₂ im Agrar- und Landnutzungsbereich (LULUCF) vollständig erfasst.
Eingriffe in den bereits bestehenden Emissionshandel der EU erteilt Liese ebenfalls eine Absage. Forderungen nach Maßnahmen, um den gesunkenen CO₂-Preis im ETS wieder nach oben zu korrigieren, will der klimapolitische Sprecher der EVP nicht nachgeben. “Ein zu hoher ETS-Preis kann den Rückgang der Industrieproduktion in der Europäischen Union beschleunigen, weil Dekarbonisierung in der Industrie gar nicht so schnell funktioniert.”
Nach den Preiseinbrüchen im vergangenen Jahr waren Stimmen lauter geworden, die deutlichere Marktsignale durch höhere CO₂-Preise gefordert hatten und die Kommission aufriefen, Auktionen für weitere Emissionsrechte auszusetzen. Langfristig, da ist sich Liese sicher, werde der CO₂-Preis ohnehin wieder auf 100 Euro und darüber hinaussteigen. “Deshalb sollte sich niemand Illusionen machen: Wer jetzt in saubere Technologien investiert, wird auf Dauer davon profitieren”, stellt er klar. luk
Das Ziel des Solarpakets I innerhalb der neuen europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) ist gut: den Bau und Betrieb von Wind- und Photovoltaikanlagen zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Unter anderem sind dafür sogenannte “Beschleunigungsgebiete” für EE-Vorhaben vorgesehen. Und diese Beschleunigung tut Not. Bereits 2030 sollen 80 Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland aus Erneuerbaren stammen. Dafür braucht es einen einfachen Zugang zu Wind- und Solarstrom und bessere Möglichkeiten, volatile Energie zu nutzen und das Netz zu entlasten beziehungsweise zu stabilisieren. Hier spielen Großbatteriespeicher eine entscheidende Rolle.
Großbatteriespeicher dienen aktuell vor allem drei Dingen: der Stabilisierung der Netzfrequenz durch Bereitstellung von Regelenergie, dem Engpassmanagement in den Stromnetzen und dem Ausgleich extremer Preisschwankungen am Strommarkt.
So glätten sie nicht nur die Preise am Markt, sondern haben eine preissenkende Wirkung. Zudem senken sie den Bedarf an steuerbaren Erzeugern wie Gaskraftwerken und tragen zur Versorgungssicherheit bei. Der Ausbau ist relevanter denn je. Bis 2030 schätzt das Fraunhofer-Institut ISE den Bedarf an Speicherkapazität auf etwa 104 Gigawattstunden. Heute sind davon nur rund 1,5 Gigawattstunden installiert (Stand: Januar 2024).
Durch die höchst dynamische Entwicklung des Marktes mit Investitionsankündigungen im Milliardenmaßstab rücken Speicher nun erstmalig in der politischen Agenda weiter nach oben. Das ist wichtig, denn noch immer bremst der rechtlich-regulatorische Rahmen das Potenzial von Großbatteriespeichern massiv aus. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an drei Strategien, die Großbatteriespeicher betreffen: die Systementwicklungsstrategie, die Stromspeicher- sowie die Kraftwerksstrategie. Erstes Fazit: Die Strategien sind nicht aufeinander abgestimmt.
Mit der Stromspeicher-Strategie erkennt die Bundesregierung die Rolle von Großbatteriespeichern zwar an und beschreibt treffend, warum sie eine zentrale Rolle im künftigen Energiesystem spielen müssen. Sie bleibt jedoch eine Absichtserklärung, denn es fehlen konkrete Maßnahmen und Zeitpläne. Dagegen lässt die Systementwicklungsstrategie die Relevanz von Großbatteriespeichern komplett außer Acht: Als Grundlage dienen die Langfristszenarien, die das Energiesystem bis 2045 betrachten. Weder der Zwischenbericht noch die aktualisierten Szenarien (Februar 2024) sind auf die Stromspeicherstrategie abgestimmt. So wird im Referenzszenario überhaupt nicht von einem Zubau an Speichern ausgegangen. Das Modell differenziert nicht einmal zwischen Heimspeichern und großtechnischen Anlagen. Und schlimmer noch – die Realität beim Ausbau von Energiespeichern findet unzureichende Berücksichtigung. Die Modelle sind bereits jetzt überholt.
Die ebenfalls kürzlich veröffentlichte Kraftwerksstrategie dagegen geht im Kern auf die Frage ein, wie eine gesicherte Erzeugungsleistung aus Wasserstoff-basierten Gaskraftwerken entstehen kann. Inwieweit “Speicher-Kraftwerke” eine Rolle spielen sollen, bleibt jedoch offen. Auch wird ein Kapazitätsmechanismus ab 2028 angekündigt. Dies gleicht einem Paukenschlag, denn der seit vielen Jahren etablierte Energy-Only-Markt würde dadurch faktisch abgeschafft. Alleine dessen Ankündigung wird erhebliche Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft in verschiedenen Bereichen der Energieerzeugung haben. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass schnell Klarheit über die Ausgestaltung dieser Mechanismen geschaffen wird, um zu verhindern, dass notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Investitionen in die Energieerzeugung und -speicherung aufgrund von Unsicherheiten unterbleiben. Eine solche Situation würde das Problem verschärfen und den Kapazitätsmechanismus zu einer “self-fulfilling prophecy” machen. Es sollte daher sichergestellt werden, dass ein zukünftiger Mechanismus die Preissignale am Energy-Only-Markt nicht in einer Weise beeinträchtigt, die zu einer übermäßigen Dämpfung der Preisvolatilität führt. Zudem sollte in der Strategie festgehalten werden, dass eine Kapazität von wenigen Stunden, wie neu geplante Großbatteriespeicher (und auch Pumpspeicher-Kraftwerke) sie im Regelfall aufweisen, für das Gesamtsystem sehr wertvoll sind.
Der Blick ins Detail zeigt leider, dass die einzelnen Strategien als Silo gedacht werden. Dabei ist weder der Ausbau von Erneuerbaren noch von Speichern ein Selbstzweck. Es geht um den Aufbau eines Energiesystems, das in Zukunft mit 100 Prozent Erneuerbaren funktioniert. Hierfür braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der neben Verbesserungen für Wind und Photovoltaik unter anderem auch Speicher mitdenken muss. Hier muss die Bundesregierung nachlegen.
Das heißt: In der Stromspeicher-Strategie müssen konkrete Maßnahmen und ein klarer legislativer Zeitplan enthalten sein. Nötig ist die Schaffung rechtlicher Klarheit hinsichtlich des Wegfalls des Baukostenzuschusses und einer Privilegierung im Außenbereich. Ebenso braucht es ein marktbasiertes Redispatch-Instrument für Speicher. Auch sollten faire Rahmenbedingungen für die Erbringung von Nonfrequenz-Systemdienstleistungen und gegebenenfalls dem künftigen Kapazitätsmechanismus sichergestellt werden. Die Systementwicklungsstrategie muss generell dringend die Relevanz von Großbatteriespeichern betonen und konkrete Zubauraten von Großbatteriespeichern realitätsgetreu korrigieren.
Die Kraftwerksstrategie braucht im ersten Schritt eine schnelle Klarstellung der Ausgestaltung des angekündigten Kapazitätsmechanismus, um die zukünftige Investitionsbereitschaft zu sichern. Auch sollte die Rolle von Speicherkraftwerken definiert werden. Statt im Silo-Denken zu verweilen, ist es jetzt ratsam, Synergien zu fördern, um sicherzustellen, dass sich die Strategien gegenseitig unterstützen, anstatt zu untergraben.
Benedikt Deuchert ist Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy, einem Projektentwicklungsunternehmen, das sich auf große Batteriespeichersysteme konzentriert.
für die globale Energiewende müssen Billionen von Dollar oder Euro aus klimaschädlichen in klimafreundliche Investitionen umgeschichtet werden. Viele Banken versprechen genau das – stecken aber weiterhin gleichzeitig hohe Summen in fossile Industrien, wie Nick Nuttall anhand neuer Zahlen verdeutlicht.
Weil Kochen lebensgefährlich ist, sind Millionen Frauen und Kinder bedroht: Über zwei Milliarden Menschen bereiten ihre Nahrung nur mit Holz, Kohle oder Holzkohle zu – und leiden unter den Schadstoffen im Rauch. Jetzt soll ein hochrangiger Gipfel in Paris diese Gefahr entschärfen und gleichzeitig die Natur und das Klima vor allem in Afrika schonen, erklärt Urmi Goswami.
Woher das Geld für die Wärmewende in Deutschland kommen soll, erklärt Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer im Interview mit Malte Kreuzfeldt. Er sagt, was für ihn das richtige Tempo wäre und warum er Kiel für einen Vorreiter hält.
Wir schauen außerdem auf eine Studie, die erklärt, warum die ökonomischen Schäden des Klimawandels noch größer sind als bisher angenommen, auf eine mögliche erste Klimaklage in Russland und darauf, wie teuer ein Kohleausstieg für China und Indien werden könnte.
Wir bleiben für Sie dran!
Sechzig der weltweit größten Banken investierten laut einem neuen Bericht im Jahr 2023 mehr als 700 Milliarden Dollar in die Unterstützung von Öl-, Gas- und Kohleunternehmen. Damit finanzieren sie die Gegenbewegung zu den internationalen Bemühungen, den Klimawandel durch eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu bekämpfen.
In der Klimadiplomatie wird das Thema Finanzen in diesem Jahr zentral werden, weil auf der COP29 ein neues Finanzziel beschlossen werden soll. Allerdings können Anleger jetzt auch mir einer neuen Plattform “Move the Money” genau sehen, ob ihre Banken fossile Investments vorantreiben und im Zweifel zu anderen Kreditinstituten wechseln.
Die Climate Policy Initiative schätzt, dass die globalen Finanzströme in den Klimaschutz bis 2030 jährlich acht bis neun Billionen Dollar erreichen müssen und dann von 2031 bis 2050 auf über zwölf Billionen Dollar pro Jahr ansteigen sollten.
Doch seit dem Pariser Abkommen von 2015 haben 60 der größten Privatbanken der Welt, darunter JP Morgan Chase, die Bank of America und Mizuho aus Japan, insgesamt 7,1 Billionen Dollar nicht in den Klimaschutz, sondern in fossile Brennstoffe investiert. Zu diesem Ergebnis kommt der am Montag von Umweltgruppen veröffentlichte diesjährige Bericht Banking on Climate Chaos. Fast die Hälfte dieser Investitionen – 3,5 Billionen Dollar – haben demnach den Ausbau fossiler Brennstoffe unterstützt, auch in ökologisch sensiblen Gebieten wie dem Amazonas.
Das ist kein Einzelfall in der Finanzindustrie: Erst kürzlich berichtete Table.Briefings, dass die Commerzbank ihre Klimaziele verfehlt.
Der Bericht gilt als umfassendste globale Analyse des “Fossil Fuel Banking” zu Kreditvergabe an über 4.200 Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten. Er wurde von Experten von Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie dem Rainforest Action Network, BankTrack, Oil Change International und Urgewald erstellt.
Die Studie zeigt, dass im Jahr 2023 die Finanzierungen in drei Märkten für fossile Brennstoffe zugenommen haben: Methan oder verflüssigtes Erdgas (LNG), thermische Kohle, die für Kraftwerke und Heizungen verwendet wird, und metallurgische Kohle, die als Koks zur Herstellung von Produkten wie Stahl verwendet wird. Demnach
Viele der in dem Bericht genannten Banken sind Mitglieder der UN Net Zero Banking Alliance. JP Morgan Chase, die Nummer eins auf der Liste der globalen Finanziers der Fossilen 2023, antwortete nicht auf eine entsprechende Anfrage von Table.Briefings, wie sie diese Investments mit ihrer Mitgliedschaft in der UN-Net Zero Banking Alliance in Einklang bringen.
Die Co-Präsidentin des Club of Rome und Co-Vorsitzende der European Taxonomy for Sustainable Finance, Sandrine Dickson Decleve meinte dagegen gegenüber Table Briefings: “Viele von ihnen investieren auch in erneuerbare Energien, sodass sie glauben, sie seien mit ihren Investitionen klimaneutral – was offen gesagt eine Illusion ist”.
Sie fügt hinzu: “Viele sagen auch, dass diese Investitionen die Renten unterstützen. Aber das ergibt keinen Sinn, wenn man sich ansieht, welche Auswirkungen die Verbrennung fossiler Brennstoffe auf das Klima, auf die Wirtschaft und damit auf die Renten der Menschen haben wird”. Die Banken wüssten, “dass die Vorschriften in den kommenden Jahren verschärft werden, aber sie wollen ihre Gewinne aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe maximieren, bevor das passiert”. Deshalb müssten die Regierungen die Regeln für nachhaltige Investitionsströme verschärfen.
Das Vorgehen dieser 60 Großbanken, von denen die meisten ihren Hauptsitz in Nordamerika, Europa und China haben, steht in krassem Gegensatz zu einer Gruppe von 17 Banken, die Mitglieder der Global Alliance for Banking on Values (GABV) sind. Am Tag der Erde 2024, dem 22. April, bekräftigten sie ihre Unterstützung für die Verabschiedung eines Vertrags über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe, mit dem der weltweite Abbau und Ausstieg aus fossilen Brennstoffen geregelt werden soll.
Martin Rohner, Exekutivdirektor der Global Alliance for Banking on Values, erklärte Table.Briefings: “Die meisten wertebasierten Banken schließen die Finanzierung jeglicher Aktivitäten im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen aus, und viele haben sich zu ehrgeizigen Netto-Null-Zielen bereits für 2035 verpflichtet. Wir ermutigen die gesamte Finanzbranche, unserem Beispiel zu folgen und sich unseren Bemühungen um den Klimaschutz anzuschließen.”
Katrin Ganswindt, Mitverfasserin des Berichts und Leiterin des Bereichs Finanzen und Forschung bei Urgewald in Deutschland, zeigte sich besorgt darüber, dass Kohle angesichts ihrer hohen Klimabilanz immer noch Investitionen anzieht: “Während wir dringend aus der Kohle aussteigen müssen, haben nur fünf Prozent der globalen Kohleunternehmen Termine für den Ausstieg aus ihrem Kerngeschäft angekündigt.” Es gebe aber auch Vorreiter: “Zwei französische Banken, Credit Mutuel und die Banque Postale weisen mit einer starken Ausschlusspolitik den Weg zu einer klimafreundlichen Finanzindustrie”, sagte sie.
Nick Nuttall ist freier Journalist und arbeitet auch als Moderator und Regisseur bei der Plattform für globale Klimalösungen “We Don’t Have Time“.
Mit einem hochrangigen Gipfeltreffen wollen Vertreter von Staaten, Unternehmen, Wohltätigkeitsorganisationen, Entwicklungsbanken und der Internationalen Energieagentur IEA am Mittwoch in Paris große Fortschritte für Klimaschutz und Entwicklung machen: Die Initiative zu sauberem Kochen ohne Holz und Kohle, “Clean Cooking“, soll vor allem in Afrika ein großes Problem angehen, die Gesundheit von Millionen Menschen drastisch verbessern, die Natur schützen und vergleichsweise kostengünstig die Treibhausgasemissionen deutlich senken.
Es gehe um ein “großes humanitäres Problem jenseits von Energie und Klimawandel”, sagt IEA-Chef Fatih Birol zum Gipfeltreffen, zu dem er mit der tansanischen Präsidentin Samia Suluhu Hassan, dem norwegischen Premierminister Jonas Gahr Støre und dem Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbankgruppe Akinwumi A. Adesina eingeladen hat. Die “wichtigste Frage der Geschlechtergerechtigkeit” sei heute, “dass in Afrika 80 Prozent der Menschen primitive Kochherde für die Zubereitung von Mahlzeiten aus Holz, landwirtschaftlichen und tierischen Abfällen verwenden, und dass fast ausschließlich Frauen kochen. Dies führt zu schweren Atemwegserkrankungen und ist einer der beiden Gründe für den vorzeitigen Tod von Frauen in Afrika”, so Birol.
Sauberes Kochen verringert oder vermeidet diese Probleme. Dabei gibt es aufgrund von verschiedenen Voraussetzungen nicht eine einzige Technik – alles, was Brennstoffe wie Holzkohle, Kohle, Ernteabfälle, Dung, Kerosin oder Holz ersetzt, gilt als “sauber”. Zugang zu “sauberem Kochen” gilt als erreicht, wenn ein Haushalt die Stufe 4 des von der Weltbank entwickelten mehrstufigen Rahmens erreicht. Sie berücksichtigt Effizienz, Schadstoffbelastung, Komfort, Verfügbarkeit von Kraftstoff, Sicherheit und Erschwinglichkeit.
Bislang fehlt diese Möglichkeit allerdings weltweit etwa 2,3 Milliarden Menschen in 128 Ländern. Das trägt jährlich zu 3,7 Millionen vorzeitigen Todesfällen vor allem bei Frauen und Kindern bei. Dabei ist Zugang zu sauberem Kochen, das UN-Entwicklungsziel 7 (SDG7), keine Frage von Technologie oder Politik, sondern von Umsetzungskapazität und Finanzierung.
Fortschritte gibt es in Asien und Lateinamerika. In Indien, China und Indonesien hat sich die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten halbiert. In Afrika, insbesondere in den Ländern südlich der Sahara, steigen die Zahlen jedoch weiter an. Heute sind etwa eine Milliarde Menschen in Afrika – etwa 80 Prozent der Bevölkerung – auf primitive Kochmöglichkeiten und umweltschädliche Brennstoffe angewiesen. In Afrika ist die Kluft zwischen Politik und Finanzierung am größten. Weniger als ein Drittel der Pläne für sauberes Kochen in Afrika werden finanziert. Anreize und finanzielle Unterstützung für Haushalte wurden durch die Covid-19-Pandemie und hohe Brennstoffpreise aufgrund der weltweiten Energiekrise beeinträchtigt.
Damit Afrika bis 2030 einen universellen Zugang zu sauberem Kochen erreichen kann, müssen internationale Finanzströme, speziell Finanzierungen zu Vorzugsbedingungen, eine Schlüsselrolle spielen. Für die Lösung würden laut Birol bis 2030 allerdings nur vier Milliarden US-Dollar pro Jahr benötigt – ein vergleichsweise “geringer Betrag”: “Die Kosten für den Bau eines LNG-Terminals betragen 25 Milliarden US-Dollar”, sagte Birol. Weltweit sind jährlich Investitionen in saubere Kochgeräte und Infrastruktur in Höhe von acht Milliarden Dollar erforderlich. Das ist weniger als ein Prozent dessen, was die Regierungen im Jahr 2022 ausgaben, um die Energiepreise für ihre Bürger während der weltweiten Energiekrise erschwinglich zu halten.
Bei der Entwicklung des sauberen Kochens in den letzten 20 Jahren haben sich gasförmige Brennstoffe, insbesondere Flüssiggas (LPG) mit 70 Prozent Anteil durchgesetzt. Zwischen 2000 und 2021 stieg der LPG-Anteil von 36 Prozent auf 60 Prozent und überholte damit die Biomasse (deren Anteil von 44 Prozent auf 29 Prozent fiel). Unter den kommerziell erhältlichen Lösungen ist Flüssiggas das kostengünstigste und realistischste Szenario, um universell sauberes Kochen zu erreichen.
Eine große Herausforderung ist bislang die Bezahlbarkeit: Die meisten sauberen Kochgeräte verlangen eine Vorauszahlung und laufende Ausgaben für Brennstoffe. Die meisten Haushalte können sich diese Investition nicht leisten, auch wenn sie sich letztlich auszahlt. Oftmals werden die sauberen Kocher deswegen durch Kompensationsprojekte gefördert, die allerdings nicht immer halten, was sie versprechen – wie Table.Briefings berichtete.
Dem wollen die Initiatoren des Gipfels mit neuen Geschäftsmodellen begegnen, die auf der Finanzierung durch den Endverbraucher basieren, wie:
Die IEA geht davon aus, dass der Gipfel einen Wendepunkt bei der Behandlung des Themas “sauberes Kochen” darstellen wird. Die IEA hat in den letzten Monaten mit Unternehmen, Philanthropen, multilateralen Entwicklungsbanken und Regierungen zusammengearbeitet, um auf dem Gipfel Zusagen, Geldmittel und Projekte vor Ort vorzustellen. “Die Zahlen sind sehr, sehr ermutigend, um viele der Lücken zu schließen. Es wird also eine echte Mobilisierung geben, mit Finanzierungen und Aktionen vor Ort”, sagte Laura Cozzi, IEA-Direktorin für Nachhaltigkeit, Technologie und Ausblicke.
Vertreter aus Indien, Kenia, Ägypten und anderen Ländern sollen von ihren Erfahrungen berichten. “Sie werden darüber sprechen, was funktioniert hat und was nicht, was sie gelernt haben und welche bewährten Verfahren es gibt”, so Cozzi. Auch politische Rahmenbedingungen, die helfen können, stehen auf der Tagesordnung.
Erwartet werden Vereinbarungen, um konkrete Maßnahmen bei Politik, Finanzierung und Partnerschaften voranzutreiben, die auf den G7- und G20-Gipfeln im Juni beziehungsweise September aufgegriffen werden sollen. Das Kommuniqué des G7-Klima-, Energie- und Umweltministertreffens im April in Turin (Italien) begrüßte die IEA-Initiative für den Zugang zu sauberem Kochen. Die Staaten verpflichten sich darin, saubere Kochtechnologien zu fördern, unter anderem durch Elektrifizierung, nachhaltige und treibhausgasarme Biomasse, Biogas, Ethanol und – wo alternativlos – auch durch Flüssiggas. Diese Partnerschaften werden auf der COP29 in Baku, Aserbaidschan, fortgeführt und sollen ihren Höhepunkt auf der COP30 in Belém, Brasilien finden.
Laut IEA-Berechnungen ist der Zugang zu sauberem Kochen auch ein Gewinn für die Umwelt. Zwar führt die Umstellung auf Flüssiggas bis 2030 zu einem Anstieg der Emissionen um 100 Millionen Tonnen CO₂. Aber andererseits verringert weniger Verbrennung von Holz und Holzkohle den Ausstoß von Methan und anderen Treibhausgasen aus der unvollständigen Verbrennung in primitiven Kochherden – und zwar um 900 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Und: Es soll zu weniger Entwaldung führen. Das könnte bis 2030 jährlich noch einmal 700 Millionen Tonnen Emissionen sparen.
Eine der größten Aufgaben für die Kommunen ist derzeit die Klimawende in der Wärmeversorgung. Wie kommt Kiel dabei voran?
Wir wollen die Fernwärme in Kiel schon bis 2035 zu 100 Prozent klimaneutral haben. Wir setzen dabei auf Großwärmepumpen, eine dekarbonisierte Müllverbrennung, Tiefengeothermie und Wasserstoff. Ein Mix, der zeigt: Wer ambitioniert ist bei der Wärmewende, findet auch Modelle, wie das gehen kann.
Sie sind gleichzeitig Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetags. Diese Verbände sind bei der Wärmewende viel weniger ambitioniert. Wie passt das zusammen?
Das liegt daran, dass die Voraussetzungen unserer Mitgliedsunternehmen sehr, sehr unterschiedlich sind. Zum einen sind wir mit der Wärmeplanung schon weiter als andere, weil Schleswig-Holstein sie per Landesgesetz frühzeitig eingeführt hat und die großen Städte in Schleswig-Holstein schon bis zum Jahresende damit fertig sein müssen. Ich habe in Kiel die Ostsee, wo ich relativ einfach Großwärmepumpen in Betrieb nehmen kann. Andere haben es da schwerer, entsprechend sind die Ausgangslagen unterschiedlich. Darauf müssen wir als Verband Rücksicht nehmen, zumal das Klimaneutralitätsziel 2045 schon ambitioniert ist. Aber ich würde schon sagen, dass Klimaschutz überall angekommen ist.
Aber wenn das Thema angekommen ist: Warum haben Ihre Verbände dann beim Wärmeplanungsgesetz dafür gekämpft, die Fristen für die Dekarbonisierung der Fernwärme weit in die Zukunft zu verschieben?
Dafür gibt es aus meiner Sicht einen guten Grund. Wir wollen ja nicht nur die bestehende Fernwärme dekarbonisieren, sondern wir wollen sie massiv ausbauen, idealerweise verdreifachen. Und das ist mit vielen Unsicherheiten behaftet, auch durch fehlende politische Rahmenbedingungen: Habe ich als Kommune die Kapazität und das Kapital? Wollen die Bürgerinnen und Bürger das? Kann ich einen attraktiven Preis bieten? Wenn man da die erneuerbaren Anteile in der Fernwärme gesetzlich zu schnell steigert, würde das dazu führen, dass viele Stadtwerke lieber vorsichtig sind und weniger Fernwärme ausbauen. Darum haben wir uns dafür eingesetzt, dass man nicht zu viel will, weil man damit am Ende weniger erreichen würde. Vielleicht muss man manchmal ein bisschen verlangsamen, um Klimaschutz für alle in einem guten Tempo zu schaffen.
Sie haben das notwendige Kapital erwähnt. Beim Ausbau der Wärmenetze und der klimafreundlichen Kraftwerke geht es ja um riesige Summen, dazu kommt noch der Ausbau der Verteilnetze für den Strom. Wo soll das Geld herkommen?
Das weiß bisher niemand sicher. Wir wissen nur, dass wir die Finanzierungsgrundlagen deutlich diversifizieren müssen. Zum einen müssen die Kommunen bereit sein, auf die Ausschüttung von Gewinnen zu verzichten, damit diese investiert werden können. Aber wir reden über einen Betrag von schätzungsweise 600 Milliarden Euro bis 2030 und mindestens einer Billion Euro bis 2045 – da werden wir mit den klassischen Instrumenten nicht hinkommen, sondern neue brauchen.
Was könnte das sein?
Wir brauchen neue Kapitalsammelstellen, um Geld aus anderen Töpfen zu nutzen. Als VKU entwickeln wir gerade das Grobkonzept für einen Energiewendefonds, das wir demnächst mit dem BDEW vorstellen werden. Hinzu kommen andere Formen der finanziellen Bürgerbeteiligung, wie Anleihen oder Bürgergenossenschaften. Aber klar ist, dass es überwiegend privates Kapital sein muss.
Wer privates Kapital gibt, erwartet eine gute Rendite. Wäre es nicht günstiger, diese Aufgabe mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren?
Natürlich brauchen wir auch den Staat, gerade bei der Fernwärme. Aber wir alle kennen die Diskussion um die Schuldenbremse und den Bundeshaushalt. Wir wären schon froh, wenn der Bund den Kommunen für die Fernwärme wie gefordert drei Milliarden Euro pro Jahr statt bis 2029 einmalig 3,2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen würde. Mir fehlt ehrlich gesagt die Fantasie, dass es politische Mehrheiten dafür gibt, diese Aufgabe komplett aus Steuergeldern zu bezahlen. Damit würden wir die Staatlichkeit überfordern. Und natürlich wollen private Investoren eine Rendite. Aber wenn die Anlage sicher ist, beispielsweise durch staatliche Garantien, muss die Verzinsung auch nicht so hoch sein, auch wenn ein höherer Eigenkapital-Zins bei Energiewende-Investments helfen würde.
Schon jetzt ist Fernwärme teilweise sehr teuer geworden. Und anders als bei Strom oder Gas kann man dann auch nicht einfach zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Wie begegnen Sie der Kritik, dass man sich mit einem Fernwärmeanschluss in ein finanzielles Abenteuer mit ungewissem Ausgang stürzt?
Ich verstehe die kritischen Nachfragen, und wir diskutieren auch andere Preisbildungsmechanismen. Aber es darf auch nicht überreguliert werden oder starke Einschnitte geben. Denn kein Aufsichtsrat eines Stadtwerks kann sich auf das Abenteuer eines massiven Fernwärmeausbaus einlassen, ohne zu wissen, wie die Preise nachher reguliert werden und wie man die Investitionen refinanzieren kann. Und wir müssen auch aufpassen, dass die Fernwärme nicht kaputt geredet wird. Denn es ist ja nicht so, dass die Betreiber beliebige Preise verlangen können; es ist schon jetzt ein kontrollierter Markt. Und natürlich sind die Preise während der Energiekrise gestiegen, aber das sind sie bei Strom und Gas ja auch, das kommt bei Fernwärme verzögert an. Darum bin ich sehr unglücklich mit dem Fernwärme-Bashing, das teilweise zu erleben ist.
Aber ist eine Wärmepumpe für viele Haushalte nicht wirklich günstiger – und vor allem berechenbarer?
Neben Anschaffungskosten etc. sind Sie da vom Strompreis abhängig, und bei dem ist auch nicht klar, wie er sich entwickelt. Und natürlich müssen die Fernwärmepreise im Vergleich zu den Alternativen attraktiv sein, aber wir müssen nicht überall am günstigsten sein. Denn die Fernwärme bietet andere Vorteile: Man muss bei sich zu Hause keine Heizung einbauen, die Infrastruktur wird gestellt. Ich habe eine hohe Versorgungssicherheit bei einem Anbieter, dem ich vertrauen kann. Es muss kein Schnapper sein, wie meine Stadtwerke sagen – aber natürlich möchte niemand doppelt so viel für Fernwärme bezahlen wie für das Heizen mit einer Wärmepumpe.
Ulf Kämpfer, 51, ist seit zehn Jahren Oberbürgermeister von Kiel. Daneben ist er Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) und stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetags. Der SPD-Politiker, der einst unter Robert Habeck Staatssekretär in Schleswig-Holstein war, gilt als potenzieller Herausforderer von Daniel Günther bei den nächsten Landtagswahlen.
Ein Anstieg der globalen Temperatur um 1 Grad Celsius führt zu einem Rückgang des weltweiten BIP um 12 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren einer Studie zu den makroökonomischen Folgen des Klimawandels. Dafür haben Adrien Bilal von der Harvard University und Diego R. Känzig von der Northwestern University in den USA die Auswirkungen von globalen Temperaturschocks auf Bruttoinlandsprodukte (BIP) untersucht.
Bisher ist die Wirtschaftswissenschaft davon ausgegangen, dass ein Anstieg der Welttemperatur um 1 Grad die weltweite Produktion höchstens um ein bis drei Prozent reduziert. Den Forschern zufolge sind die makroökonomischen Folgen des Klimawandels demnach sechsmal größer als bislang angenommen. Mit der bisherigen weltweiten Klimapolitik gehen die UN von einem Temperaturanstieg von bis zu drei Grad aus, was entsprechend höhere ökonomische Auswirkungen zur Folge hätte.
Im Unterschied zu bisherigen Untersuchungen haben Bilal und Känzig sich auf den Einfluss globaler Temperaturschocks fokussiert, da diese besser geeignet seien, extreme Klimaereignisse vorauszusagen als lokale Temperaturveränderungen. Globale Temperaturveränderungen hätten einen viel größeren Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung als lokale Temperaturveränderungen, schreiben die Autoren. Da sich die bisherigen Studien auf lokale Temperaturveränderungen fokussiert hätten, seien diese bisher zu viel niedrigeren Schätzungen gekommen.
Die Studienautoren kommen zu dem Ergebnis, dass eine Tonne Kohlendioxid Kosten von über 1.000 US-Dollar verursacht, was langfristig zu einem Wohlstandsverlust von 31 Prozent führen würde, sofern keine Maßnahmen ergriffen werden. Am Beispiel der USA sei man bislang davon ausgegangen, dass eine emittierte Tonne CO₂ 30 US-Dollar nur für die USA an Kosten verursacht. Weil die Kosten für die Dekarbonisierung pro Tonne CO₂ meist signifikant über diesem Wert liegt, sei eine unilaterale Dekarbonisierungspolitik für die USA nicht wirklich lohnenswert gewesen.
Nach der neuen Schätzung gehen die Autoren nun von Kosten allein für die USA von 211 US-Dollar pro Tonne CO₂ aus, was über den Kosten für die meisten Dekarbonisierungsmaßnahmen liegt. Daher sei eine “unilaterale Dekarbonisierungspolitik für die USA kosteneffizient“. luk
Um die Klimaziele Deutschlands im Verkehrssektor zu erreichen, sind aus volkswirtschaftlicher Sicht frühe Investitionen langfristig am günstigsten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie “Verkehrswende als Mehrwert“, die am Montag vom Thinktank Agora Verkehrswende und dem Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos vorgelegt wurde.
Demnach müssten öffentliche Haushalte, private Verbraucher und Unternehmen zunächst jährlich zwischen elf und 16 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben. Doch schon ab 2035 würden sich die jährlichen Ausgaben im gesamten Verkehrssektor dann unterhalb der Projektion des Umweltbundesamts bewegen, die sich an beschlossenen und geplanten Maßnahmen der Bundesregierung orientiert. In einem Szenario, bei dem es erst ab 2030 zu zusätzlichen Maßnahmen kommt, steigt der Investitionsbedarf hingegen stärker und steiler an. Mitte der 2030er-Jahre wären dann Zusatzausgaben von teils über 90 Milliarden Euro pro Jahr nötig. Die langfristigen Kosteneinsparungen ergeben sich insbesondere aus der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene.
In der Studie werden drei Szenarien miteinander verglichen. Als Referenzszenario dient die Projektion des Umweltbundesamts, mit der jedoch eine Klimaneutralität bis 2045 und ein Einhalten des Emissionsbudgets nicht erreichbar ist. Das “Wende 2025″-Szenario errechnet die volkswirtschaftlichen Effekte einer schnellen Politikänderung, mit rapiden Investitionen in die Bahn, den öffentlichen Nahverkehr und die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität sowie die Digitalisierung von Verkehrsträgern.
Das Szenario “Wende 2030” unterstellt, dass es erst im nächsten Jahrzehnt zu politischen Maßnahmen kommt, die zu Verkehrs-Klimaneutralität führen würden. Dieses Szenario ist mit Abstand am teuersten: Da bis dahin viele Treibhausgase emittiert würden, müssten zur Erreichung des kumulativen Emissionsbudgets funktionierende Verbrennerfahrzeuge stillgelegt werden. Dieses radikale Verbrenner-Aus wäre volkswirtschaftlich sehr teuer.
Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, mahnte schnelle politische Schritte an: “Würde die Bundesregierung nach volkswirtschaftlicher Logik handeln, müsste sie beim Klimaschutz im Verkehr schnell alle Hebel in Bewegung setzen.” Neben den monetären Kosten seien daneben auch Klimaschäden zu beachten: “Der Preis bemisst sich entweder in Geld oder in Treibhausgasen, mit all den damit verbundenen Risiken.” av
Zum ersten Mal hat Russlands Verfassungsgericht eine Klimaklage zur Prüfung zugelassen. Darin argumentieren die NGO Ecodefense und 18 Aktivisten aus der Umwelt-, Klima- und Menschenrechtsbewegung, dass verschiedene russische Gesetze gegen die Verfassung verstoßen, weil sie die Grundrechte auf Leben, Gesundheit und eine saubere Umwelt gefährdeten. Eine vorherige Klage gegen Russlands Klimapolitik hatte das russische Verfassungsgericht im Jahr 2023 abgelehnt.
Die Kläger fechten im aktuellen Verfahren die Verfassungsmäßigkeit des Präsidialerlasses Nr. 666 vom 4. November 2020 mit dem Titel “Über die Verringerung der Treibhausgasemissionen” an. Ihre Klage zielt auf die “Strategie für die sozioökonomische Entwicklung der Russischen Föderation mit geringen Treibhausgasemissionen bis 2050” und eine Reihe damit verbundener Gesetze ab. Der Erlass und die Strategie sind die wichtigsten zielsetzenden Dokumente Russlands zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Diese Dokumente seien völlig unzureichend für das Pariser Klimaabkommen und verstoßen auch gegen die russische Verfassung, argumentieren die Aktivisten. Auch die Plattform Climate Action Tracker bewertet die Klimapolitik der Russischen Föderation mit der schlechtesten Wertung “kritisch unzureichend”. kul
Ein Kohleausstieg in China und Indien könnte zwei Billionen US-Dollar an Ausgleichszahlungen kosten. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Studie hervor. Die Autoren der Chalmers University of Technology in Schweden und der Central European University in Österreich haben nationale und internationale Pläne zum Kohleausstieg analysiert. 23 Staaten mit Kohleausstiegsplänen zahlen demnach Kompensationen an Unternehmen, vom Kohleausstieg betroffene Regionen oder Arbeiter. Diese Kompensationen belaufen sich auf 209 Milliarden US-Dollar. Würden Indien und China ebenfalls den Kohleausstieg beschließen und ähnliche Zahlungen leisten, würden demnach Billionen-Kosten auf die beiden größten Kohlekonsumenten zukommen.
Derzeit stamme gut die Hälfte der Kompensationszahlungen aus internationalen Quellen, beispielsweise im Zuge der Just Energy Transition Partnerships (JETPs). Wie allerdings die nötigen Mittel für Kompensationszahlungen in Indien und China mobilisiert werden könnten, ist eine offene Frage, so die Studienautoren. “Die geschätzten Kompensationszahlungen in China und Indien sind nicht nur in absoluten Zahlen größer [als bisherige Kompensationsmechanismen], sondern wären auch teurer im Vergleich zu den wirtschaftlichen Kapazitäten” der beiden Staaten, sagt Lola Nacke, eine der Autorinnen der Studie.
Die bisher veranschlagten 209 Milliarden US-Dollar für Kompensationszahlungen in verschiedenen Ländern seien zwar auch schon eine hohe Summe, so die Studienautoren. Allerdings führten sie zu einer Emissionsreduktion von sechs Milliarden Tonnen CO₂. Allerdings liegen “die Kosten für die Kompensation des Kohleausstiegs pro Tonne vermiedener CO₂-Emissionen (29 bis 46 US-Dollar pro Tonne) deutlich unter den jüngsten Kohlenstoffpreisen in Europa (rund 64 bis 80 US-Dollar pro Tonne)”. Zudem stehen Kosten für Kompensationen auch immer eingesparte Kosten für Klimaschäden gegenüber, die durch eine ambitionierte Klimapolitik vermieden werden können. nib
Dem Wald in Deutschland geht es weiterhin schlecht. Bei den am weitesten verbreiteten Baumarten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche ist gerade mal jeder fünfte Baum gesund. Das ist das Ergebnis der neuen Waldzustandserhebung 2023 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Gründe dafür sind unter anderem die andauernde Trockenheit und hohe Temperaturen seit 2018. Der Zustand des Waldes hat sich seit dem Vorjahr weder groß verbessert noch verschlechtert. Insgesamt sind nur 20 Prozent der Waldfläche in Deutschland 2023 so gesund, dass sie keine Kronenverlichtung aufweisen, also keine sicht- und messbaren Nadel- oder Blattverlust der Baumkrone. Einzig bei der Kiefer gab es leichte Verbesserung beim Kronenzustand.
Im Vergleich zu den anderen Hauptbaumarten geht es der Fichte am schlechtesten, sie weist die höchste Absterberate auf. Seit der ersten Erhebung 1984 steigt der sichtbare Blatt- beziehungsweise Nadelverlust aller Baumarten an. Im Jahr 2019 konnten die deutlichsten Veränderungen beobachtet werden. “Die Klimakrise hat unseren Wald fest im Griff, langandauernde Trockenheit und hohe Temperaturen der letzten Jahre haben bleibende Schäden hinterlassen”, sagt Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Der Wald entwickle sich zu einem Dauerpatienten. Das BMEL hat daher dieses Jahr 250 Millionen Euro für Waldförderung eingeplant, um den Wald gegen die Klimakrise zu schützen. seh
Der Parlamentsberichterstatter für das europäische Emissionshandelssystem, Peter Liese (EVP), hält die Aufnahme des Agrarsektors in den ETS noch nicht für zielführend. Man müsse den Nutzen der Landwirte und Waldbesitzer in den Fokus rücken, statt den Sektor zu problematisieren. “Es ist der einzige Sektor, der große Mengen an CO₂-Senken liefert”, sagt Liese auf Nachfrage von Table.Briefings. Daher sei es nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Aufnahme des Sektors in den ETS zu sprechen.
Fakt ist allerdings, dass der Agrarsektor derzeit noch als Netto-Emittent in der EU gilt. Ökonomen und Umweltschutz-Organisationen fordern deshalb, dass auch die Landwirtschaft mit einem CO₂-Preis belegt wird, um die Branche zu mehr Emissionsreduktionen zu bewegen. Jedoch plädieren Experten – und auch Peter Liese – dafür, die Vergütung von entnommenen CO₂-Mengen aus der Atmosphäre in den ETS zu integrieren, um Anreize für CO₂-Entnahmen zu vergrößern. So könnte die natürliche Senkleistung des Agrarsektors profitabel für Landwirte werden. Allerdings scheitert ein Agrar-ETS derzeit noch daran, dass es noch kein System gibt, das entnommenes CO₂ im Agrar- und Landnutzungsbereich (LULUCF) vollständig erfasst.
Eingriffe in den bereits bestehenden Emissionshandel der EU erteilt Liese ebenfalls eine Absage. Forderungen nach Maßnahmen, um den gesunkenen CO₂-Preis im ETS wieder nach oben zu korrigieren, will der klimapolitische Sprecher der EVP nicht nachgeben. “Ein zu hoher ETS-Preis kann den Rückgang der Industrieproduktion in der Europäischen Union beschleunigen, weil Dekarbonisierung in der Industrie gar nicht so schnell funktioniert.”
Nach den Preiseinbrüchen im vergangenen Jahr waren Stimmen lauter geworden, die deutlichere Marktsignale durch höhere CO₂-Preise gefordert hatten und die Kommission aufriefen, Auktionen für weitere Emissionsrechte auszusetzen. Langfristig, da ist sich Liese sicher, werde der CO₂-Preis ohnehin wieder auf 100 Euro und darüber hinaussteigen. “Deshalb sollte sich niemand Illusionen machen: Wer jetzt in saubere Technologien investiert, wird auf Dauer davon profitieren”, stellt er klar. luk
Das Ziel des Solarpakets I innerhalb der neuen europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) ist gut: den Bau und Betrieb von Wind- und Photovoltaikanlagen zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Unter anderem sind dafür sogenannte “Beschleunigungsgebiete” für EE-Vorhaben vorgesehen. Und diese Beschleunigung tut Not. Bereits 2030 sollen 80 Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland aus Erneuerbaren stammen. Dafür braucht es einen einfachen Zugang zu Wind- und Solarstrom und bessere Möglichkeiten, volatile Energie zu nutzen und das Netz zu entlasten beziehungsweise zu stabilisieren. Hier spielen Großbatteriespeicher eine entscheidende Rolle.
Großbatteriespeicher dienen aktuell vor allem drei Dingen: der Stabilisierung der Netzfrequenz durch Bereitstellung von Regelenergie, dem Engpassmanagement in den Stromnetzen und dem Ausgleich extremer Preisschwankungen am Strommarkt.
So glätten sie nicht nur die Preise am Markt, sondern haben eine preissenkende Wirkung. Zudem senken sie den Bedarf an steuerbaren Erzeugern wie Gaskraftwerken und tragen zur Versorgungssicherheit bei. Der Ausbau ist relevanter denn je. Bis 2030 schätzt das Fraunhofer-Institut ISE den Bedarf an Speicherkapazität auf etwa 104 Gigawattstunden. Heute sind davon nur rund 1,5 Gigawattstunden installiert (Stand: Januar 2024).
Durch die höchst dynamische Entwicklung des Marktes mit Investitionsankündigungen im Milliardenmaßstab rücken Speicher nun erstmalig in der politischen Agenda weiter nach oben. Das ist wichtig, denn noch immer bremst der rechtlich-regulatorische Rahmen das Potenzial von Großbatteriespeichern massiv aus. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an drei Strategien, die Großbatteriespeicher betreffen: die Systementwicklungsstrategie, die Stromspeicher- sowie die Kraftwerksstrategie. Erstes Fazit: Die Strategien sind nicht aufeinander abgestimmt.
Mit der Stromspeicher-Strategie erkennt die Bundesregierung die Rolle von Großbatteriespeichern zwar an und beschreibt treffend, warum sie eine zentrale Rolle im künftigen Energiesystem spielen müssen. Sie bleibt jedoch eine Absichtserklärung, denn es fehlen konkrete Maßnahmen und Zeitpläne. Dagegen lässt die Systementwicklungsstrategie die Relevanz von Großbatteriespeichern komplett außer Acht: Als Grundlage dienen die Langfristszenarien, die das Energiesystem bis 2045 betrachten. Weder der Zwischenbericht noch die aktualisierten Szenarien (Februar 2024) sind auf die Stromspeicherstrategie abgestimmt. So wird im Referenzszenario überhaupt nicht von einem Zubau an Speichern ausgegangen. Das Modell differenziert nicht einmal zwischen Heimspeichern und großtechnischen Anlagen. Und schlimmer noch – die Realität beim Ausbau von Energiespeichern findet unzureichende Berücksichtigung. Die Modelle sind bereits jetzt überholt.
Die ebenfalls kürzlich veröffentlichte Kraftwerksstrategie dagegen geht im Kern auf die Frage ein, wie eine gesicherte Erzeugungsleistung aus Wasserstoff-basierten Gaskraftwerken entstehen kann. Inwieweit “Speicher-Kraftwerke” eine Rolle spielen sollen, bleibt jedoch offen. Auch wird ein Kapazitätsmechanismus ab 2028 angekündigt. Dies gleicht einem Paukenschlag, denn der seit vielen Jahren etablierte Energy-Only-Markt würde dadurch faktisch abgeschafft. Alleine dessen Ankündigung wird erhebliche Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft in verschiedenen Bereichen der Energieerzeugung haben. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass schnell Klarheit über die Ausgestaltung dieser Mechanismen geschaffen wird, um zu verhindern, dass notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Investitionen in die Energieerzeugung und -speicherung aufgrund von Unsicherheiten unterbleiben. Eine solche Situation würde das Problem verschärfen und den Kapazitätsmechanismus zu einer “self-fulfilling prophecy” machen. Es sollte daher sichergestellt werden, dass ein zukünftiger Mechanismus die Preissignale am Energy-Only-Markt nicht in einer Weise beeinträchtigt, die zu einer übermäßigen Dämpfung der Preisvolatilität führt. Zudem sollte in der Strategie festgehalten werden, dass eine Kapazität von wenigen Stunden, wie neu geplante Großbatteriespeicher (und auch Pumpspeicher-Kraftwerke) sie im Regelfall aufweisen, für das Gesamtsystem sehr wertvoll sind.
Der Blick ins Detail zeigt leider, dass die einzelnen Strategien als Silo gedacht werden. Dabei ist weder der Ausbau von Erneuerbaren noch von Speichern ein Selbstzweck. Es geht um den Aufbau eines Energiesystems, das in Zukunft mit 100 Prozent Erneuerbaren funktioniert. Hierfür braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der neben Verbesserungen für Wind und Photovoltaik unter anderem auch Speicher mitdenken muss. Hier muss die Bundesregierung nachlegen.
Das heißt: In der Stromspeicher-Strategie müssen konkrete Maßnahmen und ein klarer legislativer Zeitplan enthalten sein. Nötig ist die Schaffung rechtlicher Klarheit hinsichtlich des Wegfalls des Baukostenzuschusses und einer Privilegierung im Außenbereich. Ebenso braucht es ein marktbasiertes Redispatch-Instrument für Speicher. Auch sollten faire Rahmenbedingungen für die Erbringung von Nonfrequenz-Systemdienstleistungen und gegebenenfalls dem künftigen Kapazitätsmechanismus sichergestellt werden. Die Systementwicklungsstrategie muss generell dringend die Relevanz von Großbatteriespeichern betonen und konkrete Zubauraten von Großbatteriespeichern realitätsgetreu korrigieren.
Die Kraftwerksstrategie braucht im ersten Schritt eine schnelle Klarstellung der Ausgestaltung des angekündigten Kapazitätsmechanismus, um die zukünftige Investitionsbereitschaft zu sichern. Auch sollte die Rolle von Speicherkraftwerken definiert werden. Statt im Silo-Denken zu verweilen, ist es jetzt ratsam, Synergien zu fördern, um sicherzustellen, dass sich die Strategien gegenseitig unterstützen, anstatt zu untergraben.
Benedikt Deuchert ist Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy, einem Projektentwicklungsunternehmen, das sich auf große Batteriespeichersysteme konzentriert.