Table.Briefing: Climate

Baerbock: COP-Text “nicht akzeptabel” + Entwicklungsländer mit neuen Allianzen + Fossile Ausstiegs-Fahrpläne

Liebe Leserin, lieber Leser,

offiziell ist heute der letzte Tag der COP28, doch eine Verlängerung wird immer wahrscheinlicher. Ein gestern veröffentlichter Verhandlungstext ist für die ambitionierten und verletzlichsten Staaten eine herbe Enttäuschung. Die Kommentare reichen von “nicht akzeptabel” bis “unausgewogen”. Bernhard Pötter hat den Text studiert und schaut nach vorn.

Urmi Goswami hat der G77/China-Gruppe auf den Zahn gefühlt. Die Verhandlungsgruppe besteht sowohl aus den verletzlichsten Ländern als auch aus großen Kohlenutzern wie China. Dieses Spannungsfeld wurde schon auf der letzten Klimakonferenz in Ägypten deutlich. In diesem Jahr fahren die verletzlichsten Staaten eine neue Strategie: flexible neue Partnerschaften mit anderen Staatenblöcken suchen, aber bei anderen wichtigen Fragen an der Seite Chinas und anderer einflussreicher Staaten bleiben.

In den News haben wir heute eine interessante Berechnung, welche Staaten schon in den frühen 2030er-Jahren komplett aus den fossilen Energien aussteigen müssten, um das 1,5-Grad-Ziel erreichbar zu halten – und wie viel die reichen Staaten zur Abmilderung der Folgen eines fossilen Ausstiegs in ärmeren Staaten zahlen müssten.

Beste Grüße

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

COP-Beschluss: Rätselraten nach der Provokation

COP-Präsident Al Jaber
COP-Präsident Al Jaber sieht sich scharfer Kritik ausgesetzt. Der von ihm vorgelegte Verhandlungstext sei “nicht akzeptabel”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock.

Sie begann mit positiven Überraschungen: Einer Tagesordnung ohne Streit, einem Beschluss zum Loss and Damage Fund und überraschend viel Geld. Sie setzte sich fort in positiven Statements der Regierungschefs, einer makellosen Organisation, guter Stimmung in den Verhandlungssälen und weitreichenden Erklärungen – und sie endete im vorläufigen Totalschaden: Die Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate über die COP28 ist am Montagnachmittag mit einer heftig kritisierten Vorlage zur Abschlusserklärung auf die Zielgerade gegangen. Und bei vielen Delegierten und Beobachtern bleibt am Montagabend vor allem eines: Ratlosigkeit, wie es weitergeht.

“Unsere Stimmen wurden nicht gehört”

Am Montag gegen 16:30 Uhr, gut 18 Stunden vor dem vom COP-Präsidenten Sultan Al Jaber angekündigten überpünktlichen Ende der Konferenz, wurde der Text für die Abschlusserklärung veröffentlicht. Das Papier gilt den Europäern und anderen, die Ehrgeiz erwarten, als maximale Provokation. Und das von einer Präsidentschaft, die sich sehr darum bemüht hatte, zuzuhören, “inklusiv” zu sein. Er sei “nicht ausreichend und nicht akzeptabel”, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Der Text sei unbalanciert und nicht hinzunehmen, “unsere Stimmen wurden nicht gehört”, erklärten auch Vertreter der AOSIS – ein schwerer Vorwurf im UN-System, das auf Konsens und darauf beruht, alle Gruppen einzubinden.

Der Unmut aus dem Lager, das mehr erhofft hatte, ist weit verbreitet, so heißt es: Neben der EU seien auch Vertreter von Inselstaaten, der lateinamerikanischen Gruppe, anderer Entwicklungsländer und der Umbrella-Group empört. Bei einem Treffen der Delegationsleitungen mit dem COP-Präsidenten Al Jaber am späten Abend habe es viele kritische Wortmeldungen aus diesen Gruppen gegeben, wurde berichtet. Keine Nachrichten an die Öffentlichkeit dagegen kamen von Indien und China.

Keine Diskussionen mehr? Von wegen

Bei der Vorstellung des Textes sagte Al Jaber laut Presseerklärung: “Die Zeit für Diskussionen ist zu einem Ende gekommen.” Betrachtet man die Stimmen aus dem Plenum hat die Zeit für Diskussionen gerade erst begonnen. Die Kritiker stören besonders folgende Formulierungen:

  • Die Sprache zu einem Ende der Fossilen ist unscharf. Art 39 e sieht nur vor, Produktion und Verbrauch von Fossilen auf eine “gerechte und ordentliche Weise” zu reduzieren, um Netto-Null zu erreichen “für, vor oder um 2050 herum in Übereinstimmung mit der Wissenschaft”. Kein “phase out“, nur Netto-Null mit allen Problemen zu Senken und CCS, keine Klarheit, welche Wissenschaft gemeint ist.
  • “Unabated” Kohle soll schnell heruntergefahren werden (“phase down”), neue Genehmigungen schwieriger werden. Kaum ein Fortschritt gegenüber dem Beschluss der COP26, Kohle herunterzufahren.
  • Der betreffende Artikel 39 ruft die Länder nur dazu auf, Maßnahmen in diese Richtung zu ergreifen, die “unter anderem” diese Ideen “beinhalten könnten”. Wer also nichts tun will, der muss es nicht.
  • Der Artikel ist voller Hinweise auf das umstrittene CCS und fordert nur den “Ersatz von unverminderten (unabated) fossilen Brennstoffen”, selbst für das Energiesystem – weit entfernt von dem CCS-Einsatz für schwer zu dekarbonisierende Industrien, wie er etwa der EU vorschwebt.
  • Artikel 115 schreibt für die Entwicklungsländer einen Anpassungsbedarf von 215 bis 387 Milliarden Dollar jährlich bis 2030 fest. Wer sie aufbringen soll, ist unklar.

Allerdings gibt es auch Punkte, die etwa die EU begrüßt:

  • So beschreibt Artikel 29 den dringenden Bedarf für einen globalen Höhepunkt der Emissionen “spätestens vor 2025” und “schnelle, tiefe und anhaltende Einschnitte” bei den Emissionen, um minus 43 Prozent bis 2030 und netto null CO₂-Emissionen bis 2050 zu erreichen.
  • Der Text erwähnt, wie wichtig Ozeane und Natur für den Klimaschutz sind.

Was oder wer treibt Al Jaber?

Insgesamt habe der Text innere Widersprüche und zeige keine Linie, monieren Kritiker. Unklar sei auch, warum ein so überraschend unausgewogener Text überhaupt vorgelegt wurde. An der Unerfahrenheit des Teams um Al Jaber kann es kaum liegen. Die VAE haben über das letzte Jahr ein hochkarätiges Team von Beratern für die Präsidentschaft angeworben. Bisher hat diese Gruppe, die auch aus erfahrenen ehemaligen Experten etwa des UNFCCC besteht, auch alle prozeduralen Herausforderungen der COP28 mit Bravour gemeistert.

Umso größer ist derzeit das Rätselraten über die Motive Al Jabers, einen solchen Text vorzulegen, der bei weiten Teilen der Konferenz auf harten Widerstand stößt. Ein Präsident, der wegen seiner Herkunft aus dem Ölgeschäft unter Generalverdacht stand, dann aber ein Jahr lang die Welt bereiste, um zuzuhören und die inklusivste COP aller Zeiten zu veranstalten, legt einen Text vor, bei dem sich sehr viele Länder nicht gehört fühlen. Am letzten offiziellen Tag der COP28 stellen sich nun drängende Fragen:

  • Wollte er die Vorreiter des Klimaschutzes in eine schwierige Position zu bringen? Nun müssen sie ihre Begriffe wie “phase out” in den Text verhandeln, statt einen bestehenden Text gegen Angriffe zu verteidigen.
  • Hat sein Team bewusst einen schwachen und inakzeptablen Text zusammengestellt – damit der nächste, möglicherweise immer noch nicht besonders ehrgeizige Text dann als große Verbesserung gesehen wird?
  • Ist der Druck des großen Nachbarn Saudi-Arabien zu stark, das nach Berichten vieler Beobachter und mit Schützenhilfe der OPEC in den Gesprächen auf der COP, aber auch bei G20 massiv gegen das Ende der Fossilen gearbeitet hat?
  • Ist Sultan Ahmed Al Jaber noch der “ehrliche Makler” zwischen den Positionen der Länder, der ein COP-Präsident sein muss, um erfolgreich werden zu können?
  • Ist die Koalition aus progressiven Staaten rund um die EU bereit, die COP28 platzen zu lassen, wenn sie keinen Beschluss bekommen, der auch nur annähernd als Ausstieg aus den Fossilen zu werten ist?
  • Sehen wir die “High Ambition Coalition” mit Macht und möglichen neuen Mitgliedern zurückkommen?
  • Wie werden sich der Streit und ein mögliches Scheitern der COP28 auf die UNO und die multilaterale Ordnung auswirken? Aber wie auch auf den internationalen Ruf der Emirate als Vermittler zwischen Europa, Asien und Afrika, zwischen Globalem Norden und Süden?

Sicher scheint nur: Die Konferenz wird kaum am Dienstag pünktlich enden. Annalena Baerbock sagte am Montagabend: “Wir haben Zeit!”         

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Die Strategie der Ärmsten der Armen auf der COP28 ist flexibler geworden: Jetzt schmieden sie aktiv Allianzen

Kokosinsel, australisches Seegebiet
Inselstaaten sind besonders vom Klimawandel bedroht. Im Bild die Kokosinsel, australisches Seegebiet.

Die COP28 in Dubai ist für gefährdete und arme Entwicklungsländer – die in UN-Klimaverhandlungen in der Gruppe der G77 und China organisiert sind – so etwas wie eine Achterbahnfahrt. Sie erlebten Höhenflüge, als der Loss and Damage Fund mit einer Anfangskapitalisierung von über 700 Millionen Dollar endlich seine Arbeit aufnahm. Sie mussten Niederlagen einstecken, wie die Blockade in der Verhandlungen zur Anpassung an den Klimawandel und den immer noch nicht beschlossenen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe.

Aber eines ist klar: Die Strategie der armen Länder, die in der Gruppe der “am wenigsten entwickelten Länder” (LDCs) und der kleinen Inselstaaten (SIDS) vereint sind, hat sich geändert: Sie sind flexibler und vielfältiger geworden. So haben die armen Länder die Dynamik innerhalb der G77 angeheizt und die Gruppe dennoch zusammengehalten.

Strategie gegen die traditionelle Politik der Großen

Die kleinen Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder haben aus den vergangenen zwei Jahren gelernt: Sie müssen durch strategische Partnerschaften und Zusammenarbeit mit anderen Ländern alle Register ziehen, um die 1,5-Grad-Grenze noch wahren zu können. Dabei können sie sich nicht allein auf den Schutz der G77-Gruppe und Chinas verlassen, sondern müssen sich um Unterstützung und Anerkennung für ihre “besonderen Umstände” bemühen. “Partnerschaft und Zusammenarbeit werden zu Ergebnissen führen”, erklärte John Silk, Außen- und Handelsminister der Marshall-Inseln, zu Table.Media.

Es ist auch eine Strategie gegen die traditionelle Politik der großen Länder: In der Vergangenheit haben sowohl die traditionellen Industriestaaten als auch die einflussreichen Schwellenländer versucht, die armen und verwundbaren Länder in den Klimaverhandlungen für ihre Ziele zu benutzen. Die Staaten aus dem Globalen Norden wollten mit ihnen den Block der G77 und Chinas aufbrechen. Die G77 und China wiederum brachten sie auf ihre Seite, um als größerer Block mehr Einfluss in den Verhandlungen geltend zu machen.

Die verletzbaren Länder verfolgen nun in Dubai einen pragmatischen und themenbezogenen Ansatz. Intern nennen sie ihn den “Cafeteria”-Ansatz: Er bedeutet, dass Partnerschaften mit Ländern oder Verhandlungsblöcken gesucht und angeboten werden, die am besten geeignet sind, die Forderungen der LDCs und SIDS zu erfüllen. In Sharm El-Sheikh forderten sie von den größeren Entwicklungsländern wie China und den Ölstaaten am Golf, einen finanziellen Beitrag zu leisten. In Dubai setzten sie ihren Fokus darauf, die Schwellenländer zu mehr Ehrgeiz im Klimaschutz zu drängen.

Gründe der Großen gegen den fossilen Ausstieg

Doch die großen Entwicklungs- und Schwellenländer, die zur Gruppe der G77 und China gehören, haben ihre Gründe, sich dem Aufruf zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu widersetzen: Einige wollen sich keine Vorschriften über ihre Energie- und Klimapolitik machen lassen, schließlich ist die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen häufig groß. Andere widersetzen sich konkreten Sektorzielen. Wieder andere verweisen darauf, dass ihr Energiebedarf steigt, aber ihre Ressourcen für den Ausbau der erneuerbaren Energien begrenzt sind.

Tina Steege, Klimabotschafterin der Marshall-Inseln, fordert dennoch Solidarität: “Wir erwarten von den Entwicklungsländern, dass sie uns hier auf der COP28 zur Seite stehen”, sagt sie zu Table.Media. “Große Entwicklungsländer wie China und Indien müssen sich mit uns solidarisch zeigen. Wir sind ein Land, für das die fortgesetzte Förderung fossiler Brennstoffe nicht nur eine Bedrohung für unsere Wirtschaft, sondern auch für unser gesamtes Territorium darstellt. Wie kann man wissen, dass ein ganzes Land unbewohnbar werden könnte, und sich nicht solidarisch zeigen?”

Um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen auf der COP28 voranzubringen, haben sich die verwundbaren Staaten nun mit den reichen Industrieländern verbündet. Doch dieses Bündnis dürfte kaum auf andere Verhandlungsstränge übertragbar sein.

Wenig Vertrauen in die USA

Zwar erkennen die armen Länder an, dass die EU fest zu ihnen steht, weil sie durch den Green Deal und dessen Umsetzung dazu gezwungen ist. Die USA ihrerseits unterstützen zwar die Forderung nach einer Verdreifachung der Kapazität an erneuerbaren Energien und einer Verdoppelung der Energieeffizienz. Doch sie genießen wenig Vertrauen im Globalen Süden.

Einer der Gründe ist, dass sich die USA bei der Finanzierung des globalen Klimaschutzes stets zurückgehalten haben: Zu Beginn des Gipfels in Dubai etwa kündigte die größte Volkswirtschaft der Welt einen Beitrag von 17,5 Millionen US-Dollar für den Loss and Damage Fund an, während Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate jeweils 100 Millionen versprachen.

Anpassung: G77 und China bleiben zusammen

In den Verhandlungen über die Anpassung an den Klimawandel bleiben die verwundbaren Länder jedoch ein fester Teil der Gruppe der Entwicklungsländer der G77 und Chinas. Zwar variieren die Wünsche der Entwicklungsländer an das globale Anpassungsziel, das in Dubai verabschiedet werden soll. Aber dennoch haben ihre Forderungen viel gemeinsam: Sie alle wollen klare, zeitlich begrenzte Ziele für spezifische Anpassungsmaßnahmen, wie beispielsweise Frühwarnsysteme oder eine ausreichende Wasserversorgung und mehr Unterstützung von den reichen Ländern, einschließlich der Finanzierung.

Die Anpassung ist traditionell eine Priorität für Entwicklungsländer, die am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden und nur selten in der Lage sind, adäquat zu reagieren. Der Widerstand der Industrieländer, angeführt von den Vereinigten Staaten, in Bezug auf Ziele und Finanzierung für die Anpassung hält die G77 zusammen.

Die EU hat sich zwar bemüht, den afrikanischen Ländern die Hand zu reichen – Deutschland kündigte am Ende der Konferenz 60 Millionen für den UN-Anpassungsfonds an, Österreich sagte 35 Millionen Dollar zu. Doch diese Bemühungen haben bisher nichts an der Einigkeit der G77-Länder in Sachen Anpassung geändert.

Für die Ärmsten der Armen, die SIDS und die LDCs, bleibt vor allem der Kern ihrer Strategie bestehen: die Betonung ihrer Anfälligkeit: “Unsere Botschaft an die Welt ist, dass man seine Wirtschaft nicht auf Kosten der Schwachen aufbauen kann”, sagt die Klimabotschafterin der Marshall-Inseln, Tina Steege.

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News

Zwischenstaatlicher Emissionshandel: USA und EU haben unterschiedliche Interessen

Einige technische Details zu Artikel 6.2 des Pariser Klimaabkommens sind nach wie vor noch ungeklärt. Er soll es Ländern ermöglichen, CO₂-Zertifikate untereinander zu handeln, sodass das Käuferland sich diese auf seine nationalen Klimaschutzziele (NDCs) anrechnen kann.

In der Praxis bedeutet das, dass ein Land, welches sein eigenes NDC bereits erfüllt hat, Projekte beispielsweise für Waldschutz oder Aufforstung fördert. Die dadurch entstehende Kohlenstoffsenkleistungen können in Form von CO₂-Zertifikaten verkauft werden. So sollen Anreize für globale Emissionsreduktion geschaffen und ein internationaler Kohlenstoffmarkt etabliert werden.

Auf der COP28 soll nun festgelegt werden, wer die Projekte zertifiziert und registriert, wie transparent der Handel abläuft und welche Konsequenzen bei Missachtung drohen. Die Verhandlungen in Dubai verzögern sich insbesondere, weil die EU und die USA fundamental unterschiedliche Auffassungen vertreten.

EU und USA sind sich nicht einig

Die EU vertritt die Auffassung, möglichst strenge, transparente und überprüfbare Regeln für die Zertifizierung einzuführen. Die Registrierung solle bei einer staatlichen Behörde organisiert sein, die die Informationen über die Projekte zur CO₂-Reduktion sammeln. Diese Informationen sollen zudem transparent und für alle nachvollziehbar sein. Nur in Ausnahmefällen und mit Begründung sollen sensible Geschäftsdaten vertraulich behandelt werden.

Die USA wollen sich weniger Schranken auferlegen und setzen dabei auf den freien Markt. Der private Sektor soll die Registrierung selbst vornehmen, da er schneller und effizienter ist, sodass der Handel schnellstmöglich beginnen kann. Beobachter sehen als Grund zudem, dass Privatunternehmen auch dann noch CO₂-Zertifikate handeln könnten, sollte Donald Trump wieder US-Präsident werden und erneut aus dem Paris-Abkommen aussteigen. Außerdem wollen die USA weniger strenge Regeln, um Geschäftsinformationen als geheim einstufen zu können.

Nicht nur die USA wollen einen weicheren Ansatz für die Ausgestaltung von Artikel 6.2. Auch die sogenannten “Likeminded Developing Countries”, eine Gruppe, zu der auch Saudi-Arabien und China gehören, unterstützen ein sanfteres Korsett für zwischenstaatlichen Emissionshandel – allerdings aus anderen Gründen. Sie erhoffen sich, möglichst einfach von ihren Emissionen “freikaufen” zu können, heißt es von Beobachtern.

Gilles Dufrasne, CO₂-Marktexperte bei Carbon Market Watch, hält es deshalb für möglich, dass in Dubai noch keine Einigung zu Artikel 6.2 gefällt wird. “Es ist besser, sich nicht zu einigen, als ein lasches System zu haben, das keine wirklich strengen Regeln aufstellt.” Es brauche Konsequenzen für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, fordert Dufrasne. “Zertifikate, die nicht den Regeln entsprechen, sollten nicht verkauft oder genutzt werden dürfen”, fügte er im Gespräch mit Table.Media hinzu. luk

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Studie: USA und EU müssen Ausstieg aus fossilen Energien finanzieren

Um die globale Erwärmung auf 1,5-Grad zu beschränken, müssten viele westliche Staaten die Kohle-, Öl- und Gasnutzung schon kurz nach dem Jahr 2030 einstellen. Das geht aus einem NGO-Bericht hervor, der kürzlich auf der COP28 vorgestellt wurde. Die Autoren haben für verschiedene Staaten Ausstiegsdaten anhand des Wohlstands und der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen errechnet. Je wohlhabender ein Staat und je geringer die Abhängigkeit, desto früher liegt das errechnete Ausstiegsdatum. Sowohl reiche Staaten wie die USA, Norwegen, Kanada und Deutschland, als auch Schwellenländer wie China und Russland müssten demnach kurz nach 2030 oder vor 2035 aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Dadurch hätten Staaten mit noch größerer Abhängigkeit oder weniger finanzieller Kapazitäten wie Kuwait und Saudi-Arabien, oder auch die ärmsten Staaten wie der Südsudan, mehr Zeit bis zum endgültigen Ausstieg.

Die Autoren schreiben, die Ausstiegsdaten seien sehr “herausfordernd” und lägen früher als die bisher von den Staaten kommunizierten Zeitpunkte. “Dies ist jedoch die einzige Möglichkeit, die CO₂-Emissionen im Rahmen des fast ausgeschöpften 1,5-Grad-Budgets zu halten”, so der Bericht.

Historische Verschmutzer in der Pflicht

Zudem müssten viele Staaten finanziell unterstützt werden, um ihre Ökonomien umzubauen und den Ausstieg überhaupt möglich zu machen. Ohne finanzielle Unterstützung drohten “Energiearmut, Arbeitslosigkeit und der Verlust von öffentlichen Dienstleistungen”. Die reichen Staaten und jene, die viel zu den historischen Emissionen beigetragen haben, müssten diese finanzielle Unterstützung bereitstellen, fordern die Autoren. Die USA müssten demnach aufgrund ihres hohen Wohlstands und ihrer historischen Verantwortung den Löwenanteil von 46 Prozent der finanziellen Unterstützung tragen – nach konservativen Berechnungen wären das fast 100 Milliarden US-Dollar jährlich. Auf die EU entfielen 20 Prozent der Unterstützung, auf Japan neun Prozent. nib

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Seit 2014: Erneuerbare Energien wurden weltweit verdreifacht

Über die Hälfte aller Länder haben ihre Kapazität an erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Weltweit kam es zwischen 2014 und 2022 zu einer Verdreifachung. Das geht aus einem neuen Bericht von Zero Carbon Analytics hervor. Das Jahr 2023 wird demnach mit großem Abstand ein weiteres Rekordjahr mit einem Zubau von über 500 Gigawatt.

In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden dem Bericht zufolge fast 360 Milliarden US-Dollar in die Erneuerbaren investiert; zwei Drittel davon in Solarenergie. Ein Großteil (65 Prozent) der Investitionen kam 2022 aus Asien; 80 Prozent des asiatischen Anteils entfällt auf China. Die massiven Investitionen der letzten Jahre haben die Kosten drastisch gesenkt. Im Durchschnitt fielen die Kosten für Fotovoltaik-Anlagen, Windkraft, Wärmepumpen und Batterien zwischen 2010 und 2022 um 80 Prozent – trotz Inflation.

Für die unterschiedlichen Weltregionen ergibt sich folgendes Bild:

  • Naher Osten: Die Kapazität ist zwischen 2021 und 2022 um elf Prozent gewachsen, der zweitgrößte prozentuale Zuwachs weltweit. Die Solarkapazität ist zwischen 2015 und 2022 um das 30-fache gewachsen, Windenergie um das Dreifache.
  • Lateinamerika: Zwischen 2022 und 2027 wird sich die Wind- und Solarkapazität laut Prognosen verdoppeln.
  • Afrika: Die Erneuerbaren-Kapazität hat sich zwischen 2012 und 2022 auf 59 Gigawatt verdoppelt – das jährliche Wachstum lag bei acht Prozent.
  • EU: In den Jahren 2020 und 2021 wurden zusammen 90 Gigawatt an neuer Wind- und Solarkapazität installiert. 2023 kommen Prognosen zufolge 60 Gigawatt dazu.
  • USA: Im Jahr 2022 wurden zehn Gigawatt Solar und acht Gigawatt Windkraftkapazitäten zugebaut. Für 2023 wird ein Zubau von 25 Gigawatt Solar prognostiziert.
  • China: Die Volksrepublik ist für gut die Hälfte des globalen Zubaus im Jahr 2022 verantwortlich. Die Windkraftkapazität hat sich zwischen 2000 und 2022 im Durchschnitt circa alle 1,5 Jahre, die Solarkapazität circa alle 2,5 Jahre verdoppelt. nib
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Deutschland gibt 60 Millionen Euro für Anpassungsfinanzierung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundesumweltministerin Steffi Lemke haben auf der COP28 in Dubai angekündigt, weitere 60 Millionen Euro in den UN-Anpassungsfonds zu geben. Jedes Ministerium steuert jeweils die Hälfte zu der Summe bei. Den gleichen Betrag hatte Deutschland bereits 2022 in den Fonds eingezahlt. Damit ist das Land der größte Geldgeber.

Insgesamt hatte sich der Fonds in diesem Jahr das Ziel gesetzt, 300 Millionen US-Dollar einzuwerben. Nur 187,7 Millionen US-Dollar davon kamen bisher zusammen. Neben Deutschland gaben weitere europäische Länder und Regionen, Kanada und Südkorea Geld.

Auf der COP28 ist die Anpassungsfinanzierung besonders umstritten. Vor allem Entwicklungsländer fordern im Zusammenhang mit dem Globalen Anpassungsziel (GGA), das in Dubai verabschiedet werden soll, konkrete Zusagen. Industriestaaten sind aber nicht bereit, diese im Rahmen des GGA auf dem laufenden Gipfel zu geben.

Ein wenig Solidarität

Dass der Anpassungsfonds das Ziel von 300 Millionen verfehle, wertete Jan Kowalzig, Klimafinanzexperte der NGO Oxfam, als “weiteren Dämpfer für die laufende Klimakonferenz”. Man könne “sehr gut verstehen, dass die Entwicklungsländer beim Thema finanzielle Unterstützung den Industrieländern nicht über den Weg trauen”, sagte Kowalzig in Dubai zu Table.Media. “Die Industrieländer schwingen gern große Reden über ihre Solidarität mit den betroffenen Ländern des Globalen Südens. Aber dafür, den Adaptation Fund mit entsprechenden Zusagen aufzufüllen, reicht es dann doch wieder nicht.”

Mit Blick auf die aktuell angespannte Haushaltslage in Deutschland lobte Kowalzig den deutschen Beitrag zum Fonds dennoch als “wichtiges Zeichen der Solidarität”. Durch ihre Zusage zeige die Bundesregierung, dass sie weiterhin die besonders gefährdeten Länder bei der Anpassung an klimatische Veränderungen unterstütze.

Der internationale Anpassungsfonds (Adaptation Fund) hat seit 2010 rund 923,5 Millionen US-Dollar für Projekte bereitgestellt, darunter 132 konkrete Projekte in fast 100 Ländern für 36 Millionen Begünstigte. kul/ae

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Argentiniens neuer Präsident will im Pariser Abkommen bleiben

Der Rechtspopulist Javier Milei hat am Sonntag das Amt des Präsidenten von Argentinien übernommen. Noch am selben Tag verkündete der 72-Jährige auf X, dass er ein Dekret unterschrieben habe, das die Anzahl der Ministerien im Land von 18 auf neun verringert. Das Umweltministerium werde er schließen.

Mileis Klimaverhandlerin Marcia Levaggi sagte der Nachrichtenagentur Reutersauf der COP28, dass Argentinien nicht aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen wolle. Milei selbst hatte im Wahlkampf gesagt, der Klimawandel sei ein “Schwindel”. Das Land wolle auch an seinem Netto-Null-Ziel für 2050 festhalten. Nach dem Wegfall des Umweltministeriums werde das Thema auf alle anderen Ministerien aufgeteilt und habe in Zukunft keine geringere Priorität, so Levaggi.

Milei hatte im Wahlkampf gesagt, dass er sich nicht an das Pariser-Abkommen halten werde, weil er keine “Auferlegungen von außen” dulde. Er hatte auch behauptet, dass es unter ihm keine Maßnahmen für Waldschutz oder die Rechte von Indigenen geben werde.

Marcia Levaggi war bisher Argentiniens Botschafterin im Senegal. Die Rolle der Klimaverhandlerin wurde ihr erst in der vergangenen Woche angetragen. Sie hat jahrzehntelange Erfahrung im Thema. Früher hatte sie bereits für den UN Adaption Fund gearbeitet. Auf der COP25 führte sie schon die Verhandlungen für Argentinien. Vor Kurzem war außerdem bekannt geworden, dass Javier Milei Argentinien, anders als geplant, nicht in das BRICS-Bündnis führen wolle. rtr/kul

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Umfrage: Klimapolitik sollte hohe Politik-Priorität haben

Auch abseits großer Konferenzen sollte die Klima- und Energiepolitik hohe Priorität für die Bundesregierung haben. Das fordern Entscheiderinnen und Entscheider in einer Table.Media-Umfrage.

Die Klima- und Energiepolitik spielt für die Entscheider in Deutschland für den Rest dieser Legislaturperiode die größte Rolle. Bei der Frage, wo die Bundesregierung für die nächsten knapp zwei Jahre größere Anstrengungen unternehmen sollte, landet das Thema auf dem ersten Platz. Knapp 82 Prozent von ihnen misst der Klima- und Energiepolitik eine “eher hohe” oder hohe” Bedeutung bei.

Das geht aus einer exklusiven Umfrage des digitalen Medienhauses Table.Media hervor, an der über 3.000 hochrangige Interessensvertreter teilgenommen haben. Sie sind im Transparenzregister des Deutschen Bundestags registriert und kommen zum überwiegenden Teil aus Unternehmen, Verbänden sowie Nichtregierungsorganisationen oder aus der Wissenschaft und der Verwaltung. Sie verteilen sich auf Branchen wie den Automobil- oder Energiesektor, die Bau- oder Digitalwirtschaft sowie Gewerkschaften und Umweltverbände.

Bei der Klima- und Energiepolitik gehen 85 Prozent der führenden Köpfe in Deutschland zudem davon aus, dass es hier auch tatsächlich zu einer Schwerpunktsetzung durch die Ampel kommt. Die Bearbeitung von Themen wie Bürokratieabbau, Digitalisierung oder Familienpolitik wird nach dieser Einschätzung hingegen hinten anstehen.

Gute Noten für Klima- und Energiepolitik

Die Entscheiderinnen und Entscheider vergeben der Bundesregierung außerdem noch vergleichsweise gute Noten für ihre Klima- und Energiepolitik. Eine hohe oder eher hohe Lösungskompetenz sprechen ihr hier gut 37 Prozent zu – der mit Abstand höchste Wert. Auf Platz zwei folgt das Wissen um Rohstoff- und Lieferkettensicherheit mit knapp 26 Prozent.

Konkretes Lob gibt es für die Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck. Der Grünen-Politiker hat die Erwartungen an seine Leistung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von rund 42 Prozent übertroffen oder eher übertroffen. Er landet damit auf Platz vier der Ministerriege.

An der Spitze der Skala von eins bis fünf, die einem gewichteten Mittelwert aus einerseits enttäuschten und andererseits übertroffenen Erwartungen entspringt, steht mit 3,86 Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Ihm folgt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit 3,19. löh

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Standpunkt

Gerechte Energiewende in Afrika unterstützen

Von Amos Wemanya
Amos Wemanya ist Senior Advisor für erneuerbare Energien und einen gerechten Übergang bei der Umwelt-NGO Power Shift Africa.

Afrikas beispielloses Potenzial an erneuerbaren Energien bietet eine gute Ausgangsbasis für die Umgestaltung seines Energiesektors. Dennoch hinkt die Elektrizitätsversorgung in Afrika erheblich hinterher. Die meisten Menschen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara leben in großer Energiearmut. Fast die Hälfte der Afrikaner (46 Prozent) hat immer noch keinen Zugang zu Elektrizität in ihren Häusern, und eine Milliarde hat keinen Zugang zu sauberen, emissionsarmen Kochmöglichkeiten.

Die Bemühungen um einen universellen Zugang zu erschwinglicher, zuverlässiger und nachhaltiger Elektrizität bis 2030 müssen daher im Vordergrund der afrikanischen Energiewende-Strategien stehen, um die Armut wirksam zu bekämpfen, neue wirtschaftliche Chancen zu eröffnen und die Gleichberechtigung zu fördern.

Afrika hat jahrzehntelang Milliarden von US-Dollar in Energiesysteme investiert, die auf fossilen Brennstoffen basieren. Die fossilen Energien haben es nicht geschafft, Hunderten von Millionen von Menschen Zugang zu moderner Energie zu verschaffen.

“Mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit in Einklang stehen”

Afrika verfügt über ein größeres Potenzial für erneuerbare Energien als jeder andere Kontinent. Erneuerbare Energien sind die günstigste Option und die beste Investition für Afrika. Der derzeitige Energieerzeugungsmix Afrikas stützt sich jedoch nach wie vor auf fossile Brennstoffe, während erneuerbare Energiequellen fast 18 Prozent der Stromerzeugung ausmachen.

Die Verdreifachung der weltweiten Kapazitäten für erneuerbare Energien hat auf der laufenden Klimakonferenz viel politische Unterstützung erfahren. Bis heute haben gut 120 Länder die Zusage unterzeichnet. Dieses globale Ziel für erneuerbare Energien muss jedoch mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit in Einklang stehen. Ein wirksames globales Ziel für erneuerbare Energien erfordert neue Finanzierungsmechanismen und alternative Geschäftsstrategien für die Akteure in der Wertschöpfungskette, insbesondere für die am meisten gefährdeten Regionen.

Erneuerbare Energiesysteme sind geeignet, um demokratische, dezentralisierte, gemeinschaftseigene und zweckmäßige Energiesysteme für Afrika zu schaffen. Das gilt besonders für Gemeinden, die in abgelegenen ländlichen Gebieten Afrikas leben. Die Entwicklung dieser Projekte für erneuerbare Energien für Gemeinden in Afrika würde jedoch sowohl finanzielle als auch technische Unterstützung durch die Industrieländer erfordern.

Die Beschleunigung umfangreicher, vorhersehbarer und zusätzlicher finanzieller und technischer Ressourcen durch geeignete Instrumente, um die Kosten der Energiewende für die Bevölkerung zu senken und die Stromnetze zu modernisieren – einschließlich vergünstigter Darlehen, Garantien und Zuschüsse – muss eine Priorität sein.

“Nur eine Seite einer komplexen Geschichte”

Aktuelle Finanzströme für den Klimaschutz in Afrika sind im Vergleich zur Finanzierung fossiler Brennstoffe verschwindend gering. Fossile Brennstoffe wirken sich durch die Verschmutzung, die bei ihrer Gewinnung und Verbrennung entsteht, direkt auf das Leben der Menschen in Afrika aus. Die Industrie für fossile Brennstoffe propagiert jedoch nur eine Seite einer komplexen Geschichte, indem sie behauptet, die Förderung sei eine Quelle für öffentliche Einnahmen, Arbeitsplätze und den Zugang zu Energie. Die Erfahrungen, die afrikanische Gemeinden mit den Öl-, Gas- und Kohleproduzenten gemacht haben, sprechen jedoch eine ganz andere Sprache.

Die Förderung fossiler Brennstoffe in Afrika behindert die Umsetzung verschiedener nachhaltiger Entwicklungsziele, darunter die Gewährleistung von Gesundheit und Wohlergehen für alle, die Gleichstellung der Geschlechter, Klimaschutz, die Beendigung von Hunger und Armut, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle und der universelle Zugang zu Energie.

Afrika hat sich stets für das globale Ziel eingesetzt, die Erwärmung auf unter 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies zeigte sich darin, dass 54 afrikanische Staaten das 1,5-Grad-Ziel unterstützten, was zu seiner Aufnahme in das Pariser Abkommen führte.

Im September trafen sich die afrikanischen Staats- und Regierungschefs in Nairobi, Kenia, und legten das Ziel fest, die installierte Kapazität an erneuerbaren Energien in Afrika bis 2030 von 56 Gigawatt auf 300 Gigawatt zu erhöhen. Schätzungen zufolge würde dies 600 Milliarden US-Dollar kosten. Afrika wird Unterstützung brauchen, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.

“Angemessene Finanzmittel bereitstellen”

Dies erfordert jedoch eine Abkehr von der derzeitigen unausgewogenen Unterstützung durch die Länder des globalen Nordens, wie kürzlich beim Dash for Africa’s Gas zu beobachten war. Afrika wird echte Unterstützung benötigen, und seine Partner müssten verantwortungsbewusste Kooperationspartner sein, um den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen und eine katastrophale Zukunft abzuwenden.

Derzeit fließen nur zwei Prozent der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien nach Afrika. Noch beunruhigender ist, dass die Kapitalkosten für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in Afrika bis zu siebenmal höher sein können als in anderen Regionen, insbesondere im globalen Norden.

Die derzeitigen Diskussionen und Zusagen im Hinblick auf ein globales Ziel für erneuerbare Energien müssen angemessene und zusätzliche Finanzmittel zur Folge haben, damit Afrika sein Potenzial und seinen vorrangigen Bedarf an der Deckung des Energiebedarfs seiner Bevölkerung realisieren kann. Dies muss auch dazu beitragen, dass Afrika seine Ziele für eine nachhaltige Entwicklung erreicht und seine Widerstandsfähigkeit gegen die Klimakrise stärkt. Die größte Kostenlast müssen diejenigen tragen, die am meisten zahlen können, nämlich die reichen Länder, die bereits am meisten von fossilen Brennstoffen profitiert haben.

“Gerechte Übergänge sicherstellen”

Auf dieser COP müssen die Diskussionen über gerechte Übergänge sicherstellen, dass ein Rahmen für ihre Finanzierung geschaffen wird, der Arbeitnehmer, Gemeinden und Volkswirtschaften vor negativen Folgen schützt.

Die Industrieländer und die internationalen Finanzinstitutionen sollten davon absehen, den Ausbau fossiler Brennstoffe in Afrika und anderen Entwicklungsländern zu unterstützen. Stattdessen sollten sie ihre Ressourcen und ihr Fachwissen in die Förderung von dezentralen, erneuerbaren Energielösungen in Gemeindebesitz stecken.

Wichtig ist, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, lokale Gemeinschaften und indigene Gruppen aktiv in die Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit Energieprojekten einbezogen werden. Sie sollten sich die Initiativen für erneuerbare Energien in ihren Ländern zu eigen machen und dafür sorgen, dass die Vorteile der Energiewende vor Ort genutzt werden.

Amos Wemanya ist Senior Adivsor für erneuerbare Energien und einen gerechten Übergang bei der Umwelt-NGO Power Shift Africa.

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Dessert

Gipfelreporter-Veteran auf dem Weg zum womöglich alles entscheidenden Interviewtermin auf der COP.

Klimagipfel sind immer mit sehr, sehr langen Fußmärschen verbunden. Erst recht in Dubai, wo sich so viele Menschen versammelt haben wie auf keiner anderen UN-Klimakonferenz zuvor, und wo das Gipfelgelände einer großzügig angelegten Kleinstadt gleicht.

Entsprechend weit sind die Wege. 10.000 Schritte täglich? Lächerlich. COP-Teilnehmende legen locker deutlich längere Distanzen zurück. Eine inoffizielle Umfrage unter Kollegen ergab: Manche Fitnesstracker zeigen seit Gipfelbeginn einen um 50 Prozent erhöhten Kalorienverbrauch an. Lässt man einmal alle anderen Faktoren außen vor, ist die COP-Teilnahme so gesehen sehr gesund.

In Dubai kann schon der morgendliche Fußweg von der Unterkunft zur Metro kilometerlang sein. Die Schlangen vor der Sicherheitskontrolle am Eingang des Gipfelgeländes stauten sich an manchen Tagen zurück bis in die Metrostation. Im Extremfall konnten sie sich mehrfach ums Gebäude winden, geleitet von Drängelbändern und kontrolliert durch Sicherheitskräfte, die der Menschenmenge, die sie vor sich sahen, laut Anweisungen zuriefen, in welche Richtung sie vorzurücken habe. 

Die geneigte Leserschaft mag sich vorstellen, welches Gefühl sich dabei einstellt. Schafherden kennen die Situation. Aber, einmal ganz vom Crowd Management abgesehen, das man in Dubai wirklich vorbildlich beherrscht: Hat man die Kontrollen endlich überwunden, fängt die tägliche Marschiererei drinnen auf dem Gipfelgelände erst an. Und die Tage sind lang. Für Fußkranke ist das kein Spaß.

Was hilft? Sie ahnen es: das richtige Schuhwerk. Ministerinnen und führende Unterhändlerinnen würden es uns ganz sicher bestätigen: Das beste Verständnis der letzten sprachlichen Feinheiten der Gipfeldiplomatie – auf der COP28 gerade brandaktuell: “abated” versus “unabated”nützt nichts, wenn die Füße einen nicht mehr tragen. High-Heels sind deshalb etwas für COP-Neulinge (oder sehr, sehr harte Gipfelstürmerinnen). Solcherlei unpraktisches Schuhwerk wurde vom Team Table in Dubai allerdings kaum gesichtet.

Erfahrene COP-Recken wie wir tragen Birkenstock, Crocks, Sneaker oder Laufschuhe, gern auch in Neonfarben, manche gar Marathon-erprobt. Besonders ausgefuchste Klimagipfelmarschierende schwören zusätzlich auf stützende Einlagen und haben, für alle Fälle, auch noch eine schmerzlindernde Salbe im Gepäck. Als alte Gipfelhäsinnen und -hasen sind wir von Table natürlich entsprechend ausgestattet. Wo kämen wir sonst hin? Mit wehen Füßen jedenfalls nicht weit – oder nur sehr langsam, und das wäre in Dubai gerade kurz vor Schluss fatal.

Stattdessen machen wir uns hier für Sie bereit für den alles entscheidenden Endspurt. Wenn wir wieder zurück in Deutschland sind, werden manche aus dem Team Table wohl erst einmal die müden Füße für eine kleine Weile hochlegen. Andere – das wissen wir aus sehr zuverlässigen Quellen – können gar nicht anders, als selbst nach so einem UN-Gipfelmarathon weiter pausenlos und unermüdlich in Sachen Klimaberichterstattung unterwegs zu sein. Sie bereiten sich ganz sicher jetzt schon gedanklich auf die nächste Langstrecke vor. ae

Team-Table- und assoziierte Füße bei der morgendlichen Lagebesprechung in Dubai.
  • COP28

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    offiziell ist heute der letzte Tag der COP28, doch eine Verlängerung wird immer wahrscheinlicher. Ein gestern veröffentlichter Verhandlungstext ist für die ambitionierten und verletzlichsten Staaten eine herbe Enttäuschung. Die Kommentare reichen von “nicht akzeptabel” bis “unausgewogen”. Bernhard Pötter hat den Text studiert und schaut nach vorn.

    Urmi Goswami hat der G77/China-Gruppe auf den Zahn gefühlt. Die Verhandlungsgruppe besteht sowohl aus den verletzlichsten Ländern als auch aus großen Kohlenutzern wie China. Dieses Spannungsfeld wurde schon auf der letzten Klimakonferenz in Ägypten deutlich. In diesem Jahr fahren die verletzlichsten Staaten eine neue Strategie: flexible neue Partnerschaften mit anderen Staatenblöcken suchen, aber bei anderen wichtigen Fragen an der Seite Chinas und anderer einflussreicher Staaten bleiben.

    In den News haben wir heute eine interessante Berechnung, welche Staaten schon in den frühen 2030er-Jahren komplett aus den fossilen Energien aussteigen müssten, um das 1,5-Grad-Ziel erreichbar zu halten – und wie viel die reichen Staaten zur Abmilderung der Folgen eines fossilen Ausstiegs in ärmeren Staaten zahlen müssten.

    Beste Grüße

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    COP-Beschluss: Rätselraten nach der Provokation

    COP-Präsident Al Jaber
    COP-Präsident Al Jaber sieht sich scharfer Kritik ausgesetzt. Der von ihm vorgelegte Verhandlungstext sei “nicht akzeptabel”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock.

    Sie begann mit positiven Überraschungen: Einer Tagesordnung ohne Streit, einem Beschluss zum Loss and Damage Fund und überraschend viel Geld. Sie setzte sich fort in positiven Statements der Regierungschefs, einer makellosen Organisation, guter Stimmung in den Verhandlungssälen und weitreichenden Erklärungen – und sie endete im vorläufigen Totalschaden: Die Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate über die COP28 ist am Montagnachmittag mit einer heftig kritisierten Vorlage zur Abschlusserklärung auf die Zielgerade gegangen. Und bei vielen Delegierten und Beobachtern bleibt am Montagabend vor allem eines: Ratlosigkeit, wie es weitergeht.

    “Unsere Stimmen wurden nicht gehört”

    Am Montag gegen 16:30 Uhr, gut 18 Stunden vor dem vom COP-Präsidenten Sultan Al Jaber angekündigten überpünktlichen Ende der Konferenz, wurde der Text für die Abschlusserklärung veröffentlicht. Das Papier gilt den Europäern und anderen, die Ehrgeiz erwarten, als maximale Provokation. Und das von einer Präsidentschaft, die sich sehr darum bemüht hatte, zuzuhören, “inklusiv” zu sein. Er sei “nicht ausreichend und nicht akzeptabel”, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Der Text sei unbalanciert und nicht hinzunehmen, “unsere Stimmen wurden nicht gehört”, erklärten auch Vertreter der AOSIS – ein schwerer Vorwurf im UN-System, das auf Konsens und darauf beruht, alle Gruppen einzubinden.

    Der Unmut aus dem Lager, das mehr erhofft hatte, ist weit verbreitet, so heißt es: Neben der EU seien auch Vertreter von Inselstaaten, der lateinamerikanischen Gruppe, anderer Entwicklungsländer und der Umbrella-Group empört. Bei einem Treffen der Delegationsleitungen mit dem COP-Präsidenten Al Jaber am späten Abend habe es viele kritische Wortmeldungen aus diesen Gruppen gegeben, wurde berichtet. Keine Nachrichten an die Öffentlichkeit dagegen kamen von Indien und China.

    Keine Diskussionen mehr? Von wegen

    Bei der Vorstellung des Textes sagte Al Jaber laut Presseerklärung: “Die Zeit für Diskussionen ist zu einem Ende gekommen.” Betrachtet man die Stimmen aus dem Plenum hat die Zeit für Diskussionen gerade erst begonnen. Die Kritiker stören besonders folgende Formulierungen:

    • Die Sprache zu einem Ende der Fossilen ist unscharf. Art 39 e sieht nur vor, Produktion und Verbrauch von Fossilen auf eine “gerechte und ordentliche Weise” zu reduzieren, um Netto-Null zu erreichen “für, vor oder um 2050 herum in Übereinstimmung mit der Wissenschaft”. Kein “phase out“, nur Netto-Null mit allen Problemen zu Senken und CCS, keine Klarheit, welche Wissenschaft gemeint ist.
    • “Unabated” Kohle soll schnell heruntergefahren werden (“phase down”), neue Genehmigungen schwieriger werden. Kaum ein Fortschritt gegenüber dem Beschluss der COP26, Kohle herunterzufahren.
    • Der betreffende Artikel 39 ruft die Länder nur dazu auf, Maßnahmen in diese Richtung zu ergreifen, die “unter anderem” diese Ideen “beinhalten könnten”. Wer also nichts tun will, der muss es nicht.
    • Der Artikel ist voller Hinweise auf das umstrittene CCS und fordert nur den “Ersatz von unverminderten (unabated) fossilen Brennstoffen”, selbst für das Energiesystem – weit entfernt von dem CCS-Einsatz für schwer zu dekarbonisierende Industrien, wie er etwa der EU vorschwebt.
    • Artikel 115 schreibt für die Entwicklungsländer einen Anpassungsbedarf von 215 bis 387 Milliarden Dollar jährlich bis 2030 fest. Wer sie aufbringen soll, ist unklar.

    Allerdings gibt es auch Punkte, die etwa die EU begrüßt:

    • So beschreibt Artikel 29 den dringenden Bedarf für einen globalen Höhepunkt der Emissionen “spätestens vor 2025” und “schnelle, tiefe und anhaltende Einschnitte” bei den Emissionen, um minus 43 Prozent bis 2030 und netto null CO₂-Emissionen bis 2050 zu erreichen.
    • Der Text erwähnt, wie wichtig Ozeane und Natur für den Klimaschutz sind.

    Was oder wer treibt Al Jaber?

    Insgesamt habe der Text innere Widersprüche und zeige keine Linie, monieren Kritiker. Unklar sei auch, warum ein so überraschend unausgewogener Text überhaupt vorgelegt wurde. An der Unerfahrenheit des Teams um Al Jaber kann es kaum liegen. Die VAE haben über das letzte Jahr ein hochkarätiges Team von Beratern für die Präsidentschaft angeworben. Bisher hat diese Gruppe, die auch aus erfahrenen ehemaligen Experten etwa des UNFCCC besteht, auch alle prozeduralen Herausforderungen der COP28 mit Bravour gemeistert.

    Umso größer ist derzeit das Rätselraten über die Motive Al Jabers, einen solchen Text vorzulegen, der bei weiten Teilen der Konferenz auf harten Widerstand stößt. Ein Präsident, der wegen seiner Herkunft aus dem Ölgeschäft unter Generalverdacht stand, dann aber ein Jahr lang die Welt bereiste, um zuzuhören und die inklusivste COP aller Zeiten zu veranstalten, legt einen Text vor, bei dem sich sehr viele Länder nicht gehört fühlen. Am letzten offiziellen Tag der COP28 stellen sich nun drängende Fragen:

    • Wollte er die Vorreiter des Klimaschutzes in eine schwierige Position zu bringen? Nun müssen sie ihre Begriffe wie “phase out” in den Text verhandeln, statt einen bestehenden Text gegen Angriffe zu verteidigen.
    • Hat sein Team bewusst einen schwachen und inakzeptablen Text zusammengestellt – damit der nächste, möglicherweise immer noch nicht besonders ehrgeizige Text dann als große Verbesserung gesehen wird?
    • Ist der Druck des großen Nachbarn Saudi-Arabien zu stark, das nach Berichten vieler Beobachter und mit Schützenhilfe der OPEC in den Gesprächen auf der COP, aber auch bei G20 massiv gegen das Ende der Fossilen gearbeitet hat?
    • Ist Sultan Ahmed Al Jaber noch der “ehrliche Makler” zwischen den Positionen der Länder, der ein COP-Präsident sein muss, um erfolgreich werden zu können?
    • Ist die Koalition aus progressiven Staaten rund um die EU bereit, die COP28 platzen zu lassen, wenn sie keinen Beschluss bekommen, der auch nur annähernd als Ausstieg aus den Fossilen zu werten ist?
    • Sehen wir die “High Ambition Coalition” mit Macht und möglichen neuen Mitgliedern zurückkommen?
    • Wie werden sich der Streit und ein mögliches Scheitern der COP28 auf die UNO und die multilaterale Ordnung auswirken? Aber wie auch auf den internationalen Ruf der Emirate als Vermittler zwischen Europa, Asien und Afrika, zwischen Globalem Norden und Süden?

    Sicher scheint nur: Die Konferenz wird kaum am Dienstag pünktlich enden. Annalena Baerbock sagte am Montagabend: “Wir haben Zeit!”         

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    Die Strategie der Ärmsten der Armen auf der COP28 ist flexibler geworden: Jetzt schmieden sie aktiv Allianzen

    Kokosinsel, australisches Seegebiet
    Inselstaaten sind besonders vom Klimawandel bedroht. Im Bild die Kokosinsel, australisches Seegebiet.

    Die COP28 in Dubai ist für gefährdete und arme Entwicklungsländer – die in UN-Klimaverhandlungen in der Gruppe der G77 und China organisiert sind – so etwas wie eine Achterbahnfahrt. Sie erlebten Höhenflüge, als der Loss and Damage Fund mit einer Anfangskapitalisierung von über 700 Millionen Dollar endlich seine Arbeit aufnahm. Sie mussten Niederlagen einstecken, wie die Blockade in der Verhandlungen zur Anpassung an den Klimawandel und den immer noch nicht beschlossenen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe.

    Aber eines ist klar: Die Strategie der armen Länder, die in der Gruppe der “am wenigsten entwickelten Länder” (LDCs) und der kleinen Inselstaaten (SIDS) vereint sind, hat sich geändert: Sie sind flexibler und vielfältiger geworden. So haben die armen Länder die Dynamik innerhalb der G77 angeheizt und die Gruppe dennoch zusammengehalten.

    Strategie gegen die traditionelle Politik der Großen

    Die kleinen Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder haben aus den vergangenen zwei Jahren gelernt: Sie müssen durch strategische Partnerschaften und Zusammenarbeit mit anderen Ländern alle Register ziehen, um die 1,5-Grad-Grenze noch wahren zu können. Dabei können sie sich nicht allein auf den Schutz der G77-Gruppe und Chinas verlassen, sondern müssen sich um Unterstützung und Anerkennung für ihre “besonderen Umstände” bemühen. “Partnerschaft und Zusammenarbeit werden zu Ergebnissen führen”, erklärte John Silk, Außen- und Handelsminister der Marshall-Inseln, zu Table.Media.

    Es ist auch eine Strategie gegen die traditionelle Politik der großen Länder: In der Vergangenheit haben sowohl die traditionellen Industriestaaten als auch die einflussreichen Schwellenländer versucht, die armen und verwundbaren Länder in den Klimaverhandlungen für ihre Ziele zu benutzen. Die Staaten aus dem Globalen Norden wollten mit ihnen den Block der G77 und Chinas aufbrechen. Die G77 und China wiederum brachten sie auf ihre Seite, um als größerer Block mehr Einfluss in den Verhandlungen geltend zu machen.

    Die verletzbaren Länder verfolgen nun in Dubai einen pragmatischen und themenbezogenen Ansatz. Intern nennen sie ihn den “Cafeteria”-Ansatz: Er bedeutet, dass Partnerschaften mit Ländern oder Verhandlungsblöcken gesucht und angeboten werden, die am besten geeignet sind, die Forderungen der LDCs und SIDS zu erfüllen. In Sharm El-Sheikh forderten sie von den größeren Entwicklungsländern wie China und den Ölstaaten am Golf, einen finanziellen Beitrag zu leisten. In Dubai setzten sie ihren Fokus darauf, die Schwellenländer zu mehr Ehrgeiz im Klimaschutz zu drängen.

    Gründe der Großen gegen den fossilen Ausstieg

    Doch die großen Entwicklungs- und Schwellenländer, die zur Gruppe der G77 und China gehören, haben ihre Gründe, sich dem Aufruf zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu widersetzen: Einige wollen sich keine Vorschriften über ihre Energie- und Klimapolitik machen lassen, schließlich ist die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen häufig groß. Andere widersetzen sich konkreten Sektorzielen. Wieder andere verweisen darauf, dass ihr Energiebedarf steigt, aber ihre Ressourcen für den Ausbau der erneuerbaren Energien begrenzt sind.

    Tina Steege, Klimabotschafterin der Marshall-Inseln, fordert dennoch Solidarität: “Wir erwarten von den Entwicklungsländern, dass sie uns hier auf der COP28 zur Seite stehen”, sagt sie zu Table.Media. “Große Entwicklungsländer wie China und Indien müssen sich mit uns solidarisch zeigen. Wir sind ein Land, für das die fortgesetzte Förderung fossiler Brennstoffe nicht nur eine Bedrohung für unsere Wirtschaft, sondern auch für unser gesamtes Territorium darstellt. Wie kann man wissen, dass ein ganzes Land unbewohnbar werden könnte, und sich nicht solidarisch zeigen?”

    Um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen auf der COP28 voranzubringen, haben sich die verwundbaren Staaten nun mit den reichen Industrieländern verbündet. Doch dieses Bündnis dürfte kaum auf andere Verhandlungsstränge übertragbar sein.

    Wenig Vertrauen in die USA

    Zwar erkennen die armen Länder an, dass die EU fest zu ihnen steht, weil sie durch den Green Deal und dessen Umsetzung dazu gezwungen ist. Die USA ihrerseits unterstützen zwar die Forderung nach einer Verdreifachung der Kapazität an erneuerbaren Energien und einer Verdoppelung der Energieeffizienz. Doch sie genießen wenig Vertrauen im Globalen Süden.

    Einer der Gründe ist, dass sich die USA bei der Finanzierung des globalen Klimaschutzes stets zurückgehalten haben: Zu Beginn des Gipfels in Dubai etwa kündigte die größte Volkswirtschaft der Welt einen Beitrag von 17,5 Millionen US-Dollar für den Loss and Damage Fund an, während Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate jeweils 100 Millionen versprachen.

    Anpassung: G77 und China bleiben zusammen

    In den Verhandlungen über die Anpassung an den Klimawandel bleiben die verwundbaren Länder jedoch ein fester Teil der Gruppe der Entwicklungsländer der G77 und Chinas. Zwar variieren die Wünsche der Entwicklungsländer an das globale Anpassungsziel, das in Dubai verabschiedet werden soll. Aber dennoch haben ihre Forderungen viel gemeinsam: Sie alle wollen klare, zeitlich begrenzte Ziele für spezifische Anpassungsmaßnahmen, wie beispielsweise Frühwarnsysteme oder eine ausreichende Wasserversorgung und mehr Unterstützung von den reichen Ländern, einschließlich der Finanzierung.

    Die Anpassung ist traditionell eine Priorität für Entwicklungsländer, die am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden und nur selten in der Lage sind, adäquat zu reagieren. Der Widerstand der Industrieländer, angeführt von den Vereinigten Staaten, in Bezug auf Ziele und Finanzierung für die Anpassung hält die G77 zusammen.

    Die EU hat sich zwar bemüht, den afrikanischen Ländern die Hand zu reichen – Deutschland kündigte am Ende der Konferenz 60 Millionen für den UN-Anpassungsfonds an, Österreich sagte 35 Millionen Dollar zu. Doch diese Bemühungen haben bisher nichts an der Einigkeit der G77-Länder in Sachen Anpassung geändert.

    Für die Ärmsten der Armen, die SIDS und die LDCs, bleibt vor allem der Kern ihrer Strategie bestehen: die Betonung ihrer Anfälligkeit: “Unsere Botschaft an die Welt ist, dass man seine Wirtschaft nicht auf Kosten der Schwachen aufbauen kann”, sagt die Klimabotschafterin der Marshall-Inseln, Tina Steege.

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    Zwischenstaatlicher Emissionshandel: USA und EU haben unterschiedliche Interessen

    Einige technische Details zu Artikel 6.2 des Pariser Klimaabkommens sind nach wie vor noch ungeklärt. Er soll es Ländern ermöglichen, CO₂-Zertifikate untereinander zu handeln, sodass das Käuferland sich diese auf seine nationalen Klimaschutzziele (NDCs) anrechnen kann.

    In der Praxis bedeutet das, dass ein Land, welches sein eigenes NDC bereits erfüllt hat, Projekte beispielsweise für Waldschutz oder Aufforstung fördert. Die dadurch entstehende Kohlenstoffsenkleistungen können in Form von CO₂-Zertifikaten verkauft werden. So sollen Anreize für globale Emissionsreduktion geschaffen und ein internationaler Kohlenstoffmarkt etabliert werden.

    Auf der COP28 soll nun festgelegt werden, wer die Projekte zertifiziert und registriert, wie transparent der Handel abläuft und welche Konsequenzen bei Missachtung drohen. Die Verhandlungen in Dubai verzögern sich insbesondere, weil die EU und die USA fundamental unterschiedliche Auffassungen vertreten.

    EU und USA sind sich nicht einig

    Die EU vertritt die Auffassung, möglichst strenge, transparente und überprüfbare Regeln für die Zertifizierung einzuführen. Die Registrierung solle bei einer staatlichen Behörde organisiert sein, die die Informationen über die Projekte zur CO₂-Reduktion sammeln. Diese Informationen sollen zudem transparent und für alle nachvollziehbar sein. Nur in Ausnahmefällen und mit Begründung sollen sensible Geschäftsdaten vertraulich behandelt werden.

    Die USA wollen sich weniger Schranken auferlegen und setzen dabei auf den freien Markt. Der private Sektor soll die Registrierung selbst vornehmen, da er schneller und effizienter ist, sodass der Handel schnellstmöglich beginnen kann. Beobachter sehen als Grund zudem, dass Privatunternehmen auch dann noch CO₂-Zertifikate handeln könnten, sollte Donald Trump wieder US-Präsident werden und erneut aus dem Paris-Abkommen aussteigen. Außerdem wollen die USA weniger strenge Regeln, um Geschäftsinformationen als geheim einstufen zu können.

    Nicht nur die USA wollen einen weicheren Ansatz für die Ausgestaltung von Artikel 6.2. Auch die sogenannten “Likeminded Developing Countries”, eine Gruppe, zu der auch Saudi-Arabien und China gehören, unterstützen ein sanfteres Korsett für zwischenstaatlichen Emissionshandel – allerdings aus anderen Gründen. Sie erhoffen sich, möglichst einfach von ihren Emissionen “freikaufen” zu können, heißt es von Beobachtern.

    Gilles Dufrasne, CO₂-Marktexperte bei Carbon Market Watch, hält es deshalb für möglich, dass in Dubai noch keine Einigung zu Artikel 6.2 gefällt wird. “Es ist besser, sich nicht zu einigen, als ein lasches System zu haben, das keine wirklich strengen Regeln aufstellt.” Es brauche Konsequenzen für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, fordert Dufrasne. “Zertifikate, die nicht den Regeln entsprechen, sollten nicht verkauft oder genutzt werden dürfen”, fügte er im Gespräch mit Table.Media hinzu. luk

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    Studie: USA und EU müssen Ausstieg aus fossilen Energien finanzieren

    Um die globale Erwärmung auf 1,5-Grad zu beschränken, müssten viele westliche Staaten die Kohle-, Öl- und Gasnutzung schon kurz nach dem Jahr 2030 einstellen. Das geht aus einem NGO-Bericht hervor, der kürzlich auf der COP28 vorgestellt wurde. Die Autoren haben für verschiedene Staaten Ausstiegsdaten anhand des Wohlstands und der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen errechnet. Je wohlhabender ein Staat und je geringer die Abhängigkeit, desto früher liegt das errechnete Ausstiegsdatum. Sowohl reiche Staaten wie die USA, Norwegen, Kanada und Deutschland, als auch Schwellenländer wie China und Russland müssten demnach kurz nach 2030 oder vor 2035 aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Dadurch hätten Staaten mit noch größerer Abhängigkeit oder weniger finanzieller Kapazitäten wie Kuwait und Saudi-Arabien, oder auch die ärmsten Staaten wie der Südsudan, mehr Zeit bis zum endgültigen Ausstieg.

    Die Autoren schreiben, die Ausstiegsdaten seien sehr “herausfordernd” und lägen früher als die bisher von den Staaten kommunizierten Zeitpunkte. “Dies ist jedoch die einzige Möglichkeit, die CO₂-Emissionen im Rahmen des fast ausgeschöpften 1,5-Grad-Budgets zu halten”, so der Bericht.

    Historische Verschmutzer in der Pflicht

    Zudem müssten viele Staaten finanziell unterstützt werden, um ihre Ökonomien umzubauen und den Ausstieg überhaupt möglich zu machen. Ohne finanzielle Unterstützung drohten “Energiearmut, Arbeitslosigkeit und der Verlust von öffentlichen Dienstleistungen”. Die reichen Staaten und jene, die viel zu den historischen Emissionen beigetragen haben, müssten diese finanzielle Unterstützung bereitstellen, fordern die Autoren. Die USA müssten demnach aufgrund ihres hohen Wohlstands und ihrer historischen Verantwortung den Löwenanteil von 46 Prozent der finanziellen Unterstützung tragen – nach konservativen Berechnungen wären das fast 100 Milliarden US-Dollar jährlich. Auf die EU entfielen 20 Prozent der Unterstützung, auf Japan neun Prozent. nib

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    Seit 2014: Erneuerbare Energien wurden weltweit verdreifacht

    Über die Hälfte aller Länder haben ihre Kapazität an erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Weltweit kam es zwischen 2014 und 2022 zu einer Verdreifachung. Das geht aus einem neuen Bericht von Zero Carbon Analytics hervor. Das Jahr 2023 wird demnach mit großem Abstand ein weiteres Rekordjahr mit einem Zubau von über 500 Gigawatt.

    In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden dem Bericht zufolge fast 360 Milliarden US-Dollar in die Erneuerbaren investiert; zwei Drittel davon in Solarenergie. Ein Großteil (65 Prozent) der Investitionen kam 2022 aus Asien; 80 Prozent des asiatischen Anteils entfällt auf China. Die massiven Investitionen der letzten Jahre haben die Kosten drastisch gesenkt. Im Durchschnitt fielen die Kosten für Fotovoltaik-Anlagen, Windkraft, Wärmepumpen und Batterien zwischen 2010 und 2022 um 80 Prozent – trotz Inflation.

    Für die unterschiedlichen Weltregionen ergibt sich folgendes Bild:

    • Naher Osten: Die Kapazität ist zwischen 2021 und 2022 um elf Prozent gewachsen, der zweitgrößte prozentuale Zuwachs weltweit. Die Solarkapazität ist zwischen 2015 und 2022 um das 30-fache gewachsen, Windenergie um das Dreifache.
    • Lateinamerika: Zwischen 2022 und 2027 wird sich die Wind- und Solarkapazität laut Prognosen verdoppeln.
    • Afrika: Die Erneuerbaren-Kapazität hat sich zwischen 2012 und 2022 auf 59 Gigawatt verdoppelt – das jährliche Wachstum lag bei acht Prozent.
    • EU: In den Jahren 2020 und 2021 wurden zusammen 90 Gigawatt an neuer Wind- und Solarkapazität installiert. 2023 kommen Prognosen zufolge 60 Gigawatt dazu.
    • USA: Im Jahr 2022 wurden zehn Gigawatt Solar und acht Gigawatt Windkraftkapazitäten zugebaut. Für 2023 wird ein Zubau von 25 Gigawatt Solar prognostiziert.
    • China: Die Volksrepublik ist für gut die Hälfte des globalen Zubaus im Jahr 2022 verantwortlich. Die Windkraftkapazität hat sich zwischen 2000 und 2022 im Durchschnitt circa alle 1,5 Jahre, die Solarkapazität circa alle 2,5 Jahre verdoppelt. nib
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    Deutschland gibt 60 Millionen Euro für Anpassungsfinanzierung

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundesumweltministerin Steffi Lemke haben auf der COP28 in Dubai angekündigt, weitere 60 Millionen Euro in den UN-Anpassungsfonds zu geben. Jedes Ministerium steuert jeweils die Hälfte zu der Summe bei. Den gleichen Betrag hatte Deutschland bereits 2022 in den Fonds eingezahlt. Damit ist das Land der größte Geldgeber.

    Insgesamt hatte sich der Fonds in diesem Jahr das Ziel gesetzt, 300 Millionen US-Dollar einzuwerben. Nur 187,7 Millionen US-Dollar davon kamen bisher zusammen. Neben Deutschland gaben weitere europäische Länder und Regionen, Kanada und Südkorea Geld.

    Auf der COP28 ist die Anpassungsfinanzierung besonders umstritten. Vor allem Entwicklungsländer fordern im Zusammenhang mit dem Globalen Anpassungsziel (GGA), das in Dubai verabschiedet werden soll, konkrete Zusagen. Industriestaaten sind aber nicht bereit, diese im Rahmen des GGA auf dem laufenden Gipfel zu geben.

    Ein wenig Solidarität

    Dass der Anpassungsfonds das Ziel von 300 Millionen verfehle, wertete Jan Kowalzig, Klimafinanzexperte der NGO Oxfam, als “weiteren Dämpfer für die laufende Klimakonferenz”. Man könne “sehr gut verstehen, dass die Entwicklungsländer beim Thema finanzielle Unterstützung den Industrieländern nicht über den Weg trauen”, sagte Kowalzig in Dubai zu Table.Media. “Die Industrieländer schwingen gern große Reden über ihre Solidarität mit den betroffenen Ländern des Globalen Südens. Aber dafür, den Adaptation Fund mit entsprechenden Zusagen aufzufüllen, reicht es dann doch wieder nicht.”

    Mit Blick auf die aktuell angespannte Haushaltslage in Deutschland lobte Kowalzig den deutschen Beitrag zum Fonds dennoch als “wichtiges Zeichen der Solidarität”. Durch ihre Zusage zeige die Bundesregierung, dass sie weiterhin die besonders gefährdeten Länder bei der Anpassung an klimatische Veränderungen unterstütze.

    Der internationale Anpassungsfonds (Adaptation Fund) hat seit 2010 rund 923,5 Millionen US-Dollar für Projekte bereitgestellt, darunter 132 konkrete Projekte in fast 100 Ländern für 36 Millionen Begünstigte. kul/ae

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    Argentiniens neuer Präsident will im Pariser Abkommen bleiben

    Der Rechtspopulist Javier Milei hat am Sonntag das Amt des Präsidenten von Argentinien übernommen. Noch am selben Tag verkündete der 72-Jährige auf X, dass er ein Dekret unterschrieben habe, das die Anzahl der Ministerien im Land von 18 auf neun verringert. Das Umweltministerium werde er schließen.

    Mileis Klimaverhandlerin Marcia Levaggi sagte der Nachrichtenagentur Reutersauf der COP28, dass Argentinien nicht aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen wolle. Milei selbst hatte im Wahlkampf gesagt, der Klimawandel sei ein “Schwindel”. Das Land wolle auch an seinem Netto-Null-Ziel für 2050 festhalten. Nach dem Wegfall des Umweltministeriums werde das Thema auf alle anderen Ministerien aufgeteilt und habe in Zukunft keine geringere Priorität, so Levaggi.

    Milei hatte im Wahlkampf gesagt, dass er sich nicht an das Pariser-Abkommen halten werde, weil er keine “Auferlegungen von außen” dulde. Er hatte auch behauptet, dass es unter ihm keine Maßnahmen für Waldschutz oder die Rechte von Indigenen geben werde.

    Marcia Levaggi war bisher Argentiniens Botschafterin im Senegal. Die Rolle der Klimaverhandlerin wurde ihr erst in der vergangenen Woche angetragen. Sie hat jahrzehntelange Erfahrung im Thema. Früher hatte sie bereits für den UN Adaption Fund gearbeitet. Auf der COP25 führte sie schon die Verhandlungen für Argentinien. Vor Kurzem war außerdem bekannt geworden, dass Javier Milei Argentinien, anders als geplant, nicht in das BRICS-Bündnis führen wolle. rtr/kul

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    Umfrage: Klimapolitik sollte hohe Politik-Priorität haben

    Auch abseits großer Konferenzen sollte die Klima- und Energiepolitik hohe Priorität für die Bundesregierung haben. Das fordern Entscheiderinnen und Entscheider in einer Table.Media-Umfrage.

    Die Klima- und Energiepolitik spielt für die Entscheider in Deutschland für den Rest dieser Legislaturperiode die größte Rolle. Bei der Frage, wo die Bundesregierung für die nächsten knapp zwei Jahre größere Anstrengungen unternehmen sollte, landet das Thema auf dem ersten Platz. Knapp 82 Prozent von ihnen misst der Klima- und Energiepolitik eine “eher hohe” oder hohe” Bedeutung bei.

    Das geht aus einer exklusiven Umfrage des digitalen Medienhauses Table.Media hervor, an der über 3.000 hochrangige Interessensvertreter teilgenommen haben. Sie sind im Transparenzregister des Deutschen Bundestags registriert und kommen zum überwiegenden Teil aus Unternehmen, Verbänden sowie Nichtregierungsorganisationen oder aus der Wissenschaft und der Verwaltung. Sie verteilen sich auf Branchen wie den Automobil- oder Energiesektor, die Bau- oder Digitalwirtschaft sowie Gewerkschaften und Umweltverbände.

    Bei der Klima- und Energiepolitik gehen 85 Prozent der führenden Köpfe in Deutschland zudem davon aus, dass es hier auch tatsächlich zu einer Schwerpunktsetzung durch die Ampel kommt. Die Bearbeitung von Themen wie Bürokratieabbau, Digitalisierung oder Familienpolitik wird nach dieser Einschätzung hingegen hinten anstehen.

    Gute Noten für Klima- und Energiepolitik

    Die Entscheiderinnen und Entscheider vergeben der Bundesregierung außerdem noch vergleichsweise gute Noten für ihre Klima- und Energiepolitik. Eine hohe oder eher hohe Lösungskompetenz sprechen ihr hier gut 37 Prozent zu – der mit Abstand höchste Wert. Auf Platz zwei folgt das Wissen um Rohstoff- und Lieferkettensicherheit mit knapp 26 Prozent.

    Konkretes Lob gibt es für die Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck. Der Grünen-Politiker hat die Erwartungen an seine Leistung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von rund 42 Prozent übertroffen oder eher übertroffen. Er landet damit auf Platz vier der Ministerriege.

    An der Spitze der Skala von eins bis fünf, die einem gewichteten Mittelwert aus einerseits enttäuschten und andererseits übertroffenen Erwartungen entspringt, steht mit 3,86 Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Ihm folgt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit 3,19. löh

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    Standpunkt

    Gerechte Energiewende in Afrika unterstützen

    Von Amos Wemanya
    Amos Wemanya ist Senior Advisor für erneuerbare Energien und einen gerechten Übergang bei der Umwelt-NGO Power Shift Africa.

    Afrikas beispielloses Potenzial an erneuerbaren Energien bietet eine gute Ausgangsbasis für die Umgestaltung seines Energiesektors. Dennoch hinkt die Elektrizitätsversorgung in Afrika erheblich hinterher. Die meisten Menschen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara leben in großer Energiearmut. Fast die Hälfte der Afrikaner (46 Prozent) hat immer noch keinen Zugang zu Elektrizität in ihren Häusern, und eine Milliarde hat keinen Zugang zu sauberen, emissionsarmen Kochmöglichkeiten.

    Die Bemühungen um einen universellen Zugang zu erschwinglicher, zuverlässiger und nachhaltiger Elektrizität bis 2030 müssen daher im Vordergrund der afrikanischen Energiewende-Strategien stehen, um die Armut wirksam zu bekämpfen, neue wirtschaftliche Chancen zu eröffnen und die Gleichberechtigung zu fördern.

    Afrika hat jahrzehntelang Milliarden von US-Dollar in Energiesysteme investiert, die auf fossilen Brennstoffen basieren. Die fossilen Energien haben es nicht geschafft, Hunderten von Millionen von Menschen Zugang zu moderner Energie zu verschaffen.

    “Mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit in Einklang stehen”

    Afrika verfügt über ein größeres Potenzial für erneuerbare Energien als jeder andere Kontinent. Erneuerbare Energien sind die günstigste Option und die beste Investition für Afrika. Der derzeitige Energieerzeugungsmix Afrikas stützt sich jedoch nach wie vor auf fossile Brennstoffe, während erneuerbare Energiequellen fast 18 Prozent der Stromerzeugung ausmachen.

    Die Verdreifachung der weltweiten Kapazitäten für erneuerbare Energien hat auf der laufenden Klimakonferenz viel politische Unterstützung erfahren. Bis heute haben gut 120 Länder die Zusage unterzeichnet. Dieses globale Ziel für erneuerbare Energien muss jedoch mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit in Einklang stehen. Ein wirksames globales Ziel für erneuerbare Energien erfordert neue Finanzierungsmechanismen und alternative Geschäftsstrategien für die Akteure in der Wertschöpfungskette, insbesondere für die am meisten gefährdeten Regionen.

    Erneuerbare Energiesysteme sind geeignet, um demokratische, dezentralisierte, gemeinschaftseigene und zweckmäßige Energiesysteme für Afrika zu schaffen. Das gilt besonders für Gemeinden, die in abgelegenen ländlichen Gebieten Afrikas leben. Die Entwicklung dieser Projekte für erneuerbare Energien für Gemeinden in Afrika würde jedoch sowohl finanzielle als auch technische Unterstützung durch die Industrieländer erfordern.

    Die Beschleunigung umfangreicher, vorhersehbarer und zusätzlicher finanzieller und technischer Ressourcen durch geeignete Instrumente, um die Kosten der Energiewende für die Bevölkerung zu senken und die Stromnetze zu modernisieren – einschließlich vergünstigter Darlehen, Garantien und Zuschüsse – muss eine Priorität sein.

    “Nur eine Seite einer komplexen Geschichte”

    Aktuelle Finanzströme für den Klimaschutz in Afrika sind im Vergleich zur Finanzierung fossiler Brennstoffe verschwindend gering. Fossile Brennstoffe wirken sich durch die Verschmutzung, die bei ihrer Gewinnung und Verbrennung entsteht, direkt auf das Leben der Menschen in Afrika aus. Die Industrie für fossile Brennstoffe propagiert jedoch nur eine Seite einer komplexen Geschichte, indem sie behauptet, die Förderung sei eine Quelle für öffentliche Einnahmen, Arbeitsplätze und den Zugang zu Energie. Die Erfahrungen, die afrikanische Gemeinden mit den Öl-, Gas- und Kohleproduzenten gemacht haben, sprechen jedoch eine ganz andere Sprache.

    Die Förderung fossiler Brennstoffe in Afrika behindert die Umsetzung verschiedener nachhaltiger Entwicklungsziele, darunter die Gewährleistung von Gesundheit und Wohlergehen für alle, die Gleichstellung der Geschlechter, Klimaschutz, die Beendigung von Hunger und Armut, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle und der universelle Zugang zu Energie.

    Afrika hat sich stets für das globale Ziel eingesetzt, die Erwärmung auf unter 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies zeigte sich darin, dass 54 afrikanische Staaten das 1,5-Grad-Ziel unterstützten, was zu seiner Aufnahme in das Pariser Abkommen führte.

    Im September trafen sich die afrikanischen Staats- und Regierungschefs in Nairobi, Kenia, und legten das Ziel fest, die installierte Kapazität an erneuerbaren Energien in Afrika bis 2030 von 56 Gigawatt auf 300 Gigawatt zu erhöhen. Schätzungen zufolge würde dies 600 Milliarden US-Dollar kosten. Afrika wird Unterstützung brauchen, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.

    “Angemessene Finanzmittel bereitstellen”

    Dies erfordert jedoch eine Abkehr von der derzeitigen unausgewogenen Unterstützung durch die Länder des globalen Nordens, wie kürzlich beim Dash for Africa’s Gas zu beobachten war. Afrika wird echte Unterstützung benötigen, und seine Partner müssten verantwortungsbewusste Kooperationspartner sein, um den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen und eine katastrophale Zukunft abzuwenden.

    Derzeit fließen nur zwei Prozent der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien nach Afrika. Noch beunruhigender ist, dass die Kapitalkosten für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in Afrika bis zu siebenmal höher sein können als in anderen Regionen, insbesondere im globalen Norden.

    Die derzeitigen Diskussionen und Zusagen im Hinblick auf ein globales Ziel für erneuerbare Energien müssen angemessene und zusätzliche Finanzmittel zur Folge haben, damit Afrika sein Potenzial und seinen vorrangigen Bedarf an der Deckung des Energiebedarfs seiner Bevölkerung realisieren kann. Dies muss auch dazu beitragen, dass Afrika seine Ziele für eine nachhaltige Entwicklung erreicht und seine Widerstandsfähigkeit gegen die Klimakrise stärkt. Die größte Kostenlast müssen diejenigen tragen, die am meisten zahlen können, nämlich die reichen Länder, die bereits am meisten von fossilen Brennstoffen profitiert haben.

    “Gerechte Übergänge sicherstellen”

    Auf dieser COP müssen die Diskussionen über gerechte Übergänge sicherstellen, dass ein Rahmen für ihre Finanzierung geschaffen wird, der Arbeitnehmer, Gemeinden und Volkswirtschaften vor negativen Folgen schützt.

    Die Industrieländer und die internationalen Finanzinstitutionen sollten davon absehen, den Ausbau fossiler Brennstoffe in Afrika und anderen Entwicklungsländern zu unterstützen. Stattdessen sollten sie ihre Ressourcen und ihr Fachwissen in die Förderung von dezentralen, erneuerbaren Energielösungen in Gemeindebesitz stecken.

    Wichtig ist, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, lokale Gemeinschaften und indigene Gruppen aktiv in die Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit Energieprojekten einbezogen werden. Sie sollten sich die Initiativen für erneuerbare Energien in ihren Ländern zu eigen machen und dafür sorgen, dass die Vorteile der Energiewende vor Ort genutzt werden.

    Amos Wemanya ist Senior Adivsor für erneuerbare Energien und einen gerechten Übergang bei der Umwelt-NGO Power Shift Africa.

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    • Erneuerbare Energien
    • Klimagerechtigkeit

    Dessert

    Gipfelreporter-Veteran auf dem Weg zum womöglich alles entscheidenden Interviewtermin auf der COP.

    Klimagipfel sind immer mit sehr, sehr langen Fußmärschen verbunden. Erst recht in Dubai, wo sich so viele Menschen versammelt haben wie auf keiner anderen UN-Klimakonferenz zuvor, und wo das Gipfelgelände einer großzügig angelegten Kleinstadt gleicht.

    Entsprechend weit sind die Wege. 10.000 Schritte täglich? Lächerlich. COP-Teilnehmende legen locker deutlich längere Distanzen zurück. Eine inoffizielle Umfrage unter Kollegen ergab: Manche Fitnesstracker zeigen seit Gipfelbeginn einen um 50 Prozent erhöhten Kalorienverbrauch an. Lässt man einmal alle anderen Faktoren außen vor, ist die COP-Teilnahme so gesehen sehr gesund.

    In Dubai kann schon der morgendliche Fußweg von der Unterkunft zur Metro kilometerlang sein. Die Schlangen vor der Sicherheitskontrolle am Eingang des Gipfelgeländes stauten sich an manchen Tagen zurück bis in die Metrostation. Im Extremfall konnten sie sich mehrfach ums Gebäude winden, geleitet von Drängelbändern und kontrolliert durch Sicherheitskräfte, die der Menschenmenge, die sie vor sich sahen, laut Anweisungen zuriefen, in welche Richtung sie vorzurücken habe. 

    Die geneigte Leserschaft mag sich vorstellen, welches Gefühl sich dabei einstellt. Schafherden kennen die Situation. Aber, einmal ganz vom Crowd Management abgesehen, das man in Dubai wirklich vorbildlich beherrscht: Hat man die Kontrollen endlich überwunden, fängt die tägliche Marschiererei drinnen auf dem Gipfelgelände erst an. Und die Tage sind lang. Für Fußkranke ist das kein Spaß.

    Was hilft? Sie ahnen es: das richtige Schuhwerk. Ministerinnen und führende Unterhändlerinnen würden es uns ganz sicher bestätigen: Das beste Verständnis der letzten sprachlichen Feinheiten der Gipfeldiplomatie – auf der COP28 gerade brandaktuell: “abated” versus “unabated”nützt nichts, wenn die Füße einen nicht mehr tragen. High-Heels sind deshalb etwas für COP-Neulinge (oder sehr, sehr harte Gipfelstürmerinnen). Solcherlei unpraktisches Schuhwerk wurde vom Team Table in Dubai allerdings kaum gesichtet.

    Erfahrene COP-Recken wie wir tragen Birkenstock, Crocks, Sneaker oder Laufschuhe, gern auch in Neonfarben, manche gar Marathon-erprobt. Besonders ausgefuchste Klimagipfelmarschierende schwören zusätzlich auf stützende Einlagen und haben, für alle Fälle, auch noch eine schmerzlindernde Salbe im Gepäck. Als alte Gipfelhäsinnen und -hasen sind wir von Table natürlich entsprechend ausgestattet. Wo kämen wir sonst hin? Mit wehen Füßen jedenfalls nicht weit – oder nur sehr langsam, und das wäre in Dubai gerade kurz vor Schluss fatal.

    Stattdessen machen wir uns hier für Sie bereit für den alles entscheidenden Endspurt. Wenn wir wieder zurück in Deutschland sind, werden manche aus dem Team Table wohl erst einmal die müden Füße für eine kleine Weile hochlegen. Andere – das wissen wir aus sehr zuverlässigen Quellen – können gar nicht anders, als selbst nach so einem UN-Gipfelmarathon weiter pausenlos und unermüdlich in Sachen Klimaberichterstattung unterwegs zu sein. Sie bereiten sich ganz sicher jetzt schon gedanklich auf die nächste Langstrecke vor. ae

    Team-Table- und assoziierte Füße bei der morgendlichen Lagebesprechung in Dubai.
    • COP28

    Climate.Table Redaktion

    CLIMATE.TABLE REDAKTION

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