unsere heutige Ausgabe zeigt mal wieder, wie international das Klimathema ist: Australien etwa möchte sein Image als großer Fossil-Exporteur mit Milliarden für den Klimaschutz aufpolieren. Was hinter “A Future Made in Australia” steckt, hat Bernhard Pötter für Sie analysiert.
In Indien wird unterdessen ein neues Parlament gewählt – und das noch bis zum 4. Juni. Der Stahlsektor spielt eine große Rolle im Wahlkampf und für die künftige Klimapolitik. Wie das (nicht) mit Indiens Klimazielen zusammenpasst, hat Urmi Goswami recherchiert.
Außerdem: EU-Parlamentarier aus Deutschland und Frankreich wollen die Zusammenarbeit mit Polen verbessern und planen eine “Energiewendeplattform Weimarer Dreieck”, etwa zum Thema Wasserstoff. Die Antragsfrist für ein deutsches Wasserstoffnetz hingegen soll verschoben werden, wie Table.Briefings exklusiv erfahren hat. Und auch im Klimaschutzgesetz und bei den Wirtschaftsweisen hakt es.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Durch ein umfangreiches Paket von Subventionen und Steuervorteilen will nun auch Australien den Ausbau von grünen Technologien fördern. Mit knapp 23 Milliarden australischen Dollar (14 Milliarden Euro) will die Labor-Regierung unter Anthony Albanese über die nächsten zehn Jahre Investitionen in Zukunftsmärkte voranbringen. Das sieht das Programm “A Future Made in Australia” (FMIA) vor, das am Mittwoch als Teil des Haushalts der Bundesregierung präsentiert wurde.
Der Plan solle als Gesetz verabschiedet werden und laut Regierung Investitionen anreizen, die ökonomische Sicherheit stärken, den Mehrwert heimischer Ressourcen und Ideen vorantreiben und “Australien zu einer Supermacht der Erneuerbaren machen.” Mit einem “Rahmen für das nationale Interesse” zur Entscheidungsfindung, einem Portal für ausländische Investitionen und kürzeren Bearbeitungszeiten für Anträge will die Regierung vor allem:
Das geplante Programm kopiert Elemente aus dem “Inflation Reduction Act” (IRA) aus den USA, aus dem “Net Zero Industrial Act” der EU und von chinesischen Vorbildern: Es agiert mit direkten Subventionen, Steuererleichterungen und Bürokratieabbau. Noch ist unklar, wie viel frisches Geld die Regierung dafür einplant – bisher sind viele bereits angeschobenen Programme und Fonds in FMIA einberechnet.
Der Vorstoß der Regierung Albanese könnte auch den schlechten Ruf des Landes beim internationalen Klimaschutz verbessern. Denn Australien hat in der Vergangenheit je nach Regierung eine klimapolitische Stop-and-Go-Politik gezeigt. In der Gesellschaft gab es zur Erderhitzung über Jahrzehnte keinen Konsens zwischen den politischen Lagern. Und nach wie vor besteht die ökonomische Basis Australiens zu einem guten Teil aus dem massiven Export von Kohle und Gas.
Während Labor-Regierungen Klimapolitik wichtig nahmen, drehten konservative Kabinette unter dem Beifall der Murdoch-Medien das Rad immer wieder zurück. An der Einführung eines Emissionshandels scheiterte 2010 der Labor-Premier Kevin Rudd. Australien war neben den USA von 2000 bis 2007 das einzige Industrieland, das das Kyoto-Protokoll nicht ratifizierte.
Dabei ist der australische Kontinent für die Auswirkungen der Erderhitzung besonders anfällig. 2019/2020 wüteten verheerende Waldbrände über weite Gebiete der Südostküste, töteten mindestens 34 Menschen und vertrieben und töteten Milliarden von Tieren. Am Great Barrier Reef an der Ostküste des Landes ereignete sich Anfang 2024 die fünfte schwere Korallenbleiche in acht Jahren.
Die Labor-Regierung unter Albanese hat sich für die Ausrichtung der COP31 im Jahr 2026 beworben. Sie wird darin von Deutschland unterstützt. Dafür aber erwarten die Deutschen Fortschritte bei wichtigen Themen: bei der Ambition Australiens und der Klimafinanzierung.
Denn auch wenn Australien große Potenziale für Erneuerbare aufweist, ist das Land der weltweit drittgrößte Exporteur von Kohle und einer der größten Exporteure von Flüssiggas LNG. Die Albanese-Regierung plant bislang über 100 neue Projekte für fossile Energien, die insgesamt knapp fünf Milliarden Tonnen CO₂ verursachen würden. Dafür vergibt Australien etwa elf Milliarden australische Dollar an fossilen Subventionen. Gleichzeitig baut das Land massiv und auch mit deutscher Hilfe “(HySupply”) seine Wasserstoff-Infrastruktur für den Export auf.
Bei der Klimafinanzierung dagegen hält sich Australien zurück. Bisher zahlt das Land nach einer Studie nur 16 Prozent seines fairen Anteils an internationaler Klimafinanzierung. Beim Länder-Ranking des Climate Action Tracker gilt Australiens Finanzpolitik als “kritisch ungenügend”, die schlechteste Note. Das Gesamturteil lautet “ungenügend”.
Australiens Außenministerin Penny Wong (die bereits 2009 bei der gescheiterten COP15 in Kopenhagen australische Klimaministerin gewesen war) erklärte beim Besuch ihrer deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock Anfang Mai, das Land sei bereits auf dem Weg zur Dekarbonisierung: “Wir sind gewählt, um zu versuchen, unsere Wirtschaft zu verändern und Netto-Null zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Es ist eine Herausforderung, unsere fossilen Energien zu transformieren, aber wir sind entschlossen, das zu tun.”
Eine Woche nach dem Besuch von Baerbock gab die Regierung bekannt, Australien werde neue Gasreserven erschließen und auch über 2050 hinaus den fossilen Brennstoff exportieren, um zuhause Netto-Null zu erreichen.
Laut Rohstoff-Ministerin Madeleine King bringen allein die Gasexporte 14 Prozent der Ausfuhrerlöse. Und der fossile Rohstoff ermögliche den Betrieb von Gewerbe, die Verarbeitung von Lebensmitteln und die Gewinnung von kritischen Mineralien, die “Australien und der Welt helfen, die Emissionen zu senken”. Deshalb sei Gas zentral für das neue ehrgeizige Greentech-Programm der Regierung, dessen Details jetzt präsentiert wurden: “A Future Made in Australia”.
Indien hat die Hälfte seiner Parlamentswahlen hinter sich. Obwohl die Wahlen von schweren Hitzewellen in den meisten Landesteilen überschattet werden, hat es die Klimafrage nicht unter die wichtigsten Wahlkampfthemen geschafft. Die beiden wichtigsten politischen Parteien – die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) und der Indian National Congress – haben dem Klimawandel in ihren Wahlprogrammen zwar einen gewissen Platz eingeräumt. Das Versprechen von wirtschaftlicher Entwicklung dominiert aber die Wahlrhetorik – einschließlich des Ziels, Indien bis 2047 zu einem entwickelten Land zu machen.
Das hat die amtierende, von der BJP geführte Nationale Demokratische Allianz als Ziel ausgegeben. Dabei rückt der Stahlsektor als zentrale Frage in den Mittelpunkt. Seine Emissionen und die Umstellung auf “grünen Stahl” werden die Entwicklung von Wachstum und Emissionen in Indien prägen.
Denn wesentliche Voraussetzung für den Pfad Indiens zu einem “entwickelten Land” ist das rasche Wachstum von Schlüsselsektoren wie der Stahlindustrie. Der indische Stahlsektor wächst schnell: Zwischen 2020/21 und 2022/23 stieg die Rohstahlproduktion mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von sechs Prozent auf 127 Millionen Tonnen. Sie trägt rund zwei Prozent zum nationalen BIP bei.
Mit einer Produktionskapazität von 161 Millionen Tonnen ist Indien nach China der weltweit zweitgrößte Produzent und Verbraucher von Stahl. Das Wachstum wird von der Nachfrage nach Infrastruktur, Wohnungsbau und der Autoindustrie angetrieben. Die Regierung will die Stahlproduktionskapazität bis 2030 auf 300 Millionen Tonnen pro Jahr erhöhen – nahezu eine Verdoppelung der derzeitigen Kapazität.
Mit der wachsenden Stahlproduktion geht die Sorge um steigende Emissionen einher. Der indische Stahlsektor hat einen großen Emissionsfußabdruck – rund 240 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen jährlich, etwa zwölf Prozent der indischen Emissionen. Mit 2,55 Tonnen CO₂ pro Tonne Rohstahl liegt die Emissionsintensität weit über dem weltweiten Durchschnitt von 1,85 Tonnen CO₂ pro Tonne Stahl.
Die höhere Stahlproduktion wird daher zu einem starken Anstieg der Emissionen führen. “Die Kontrolle der Emissionen bei gleichzeitiger Steigerung der Stahlproduktion wird für Indien von zentraler Bedeutung sein, wenn es das Ziel erreichen will, die Emissionsintensität seines BIP bis 2030 um 45 Prozent zu senken“, sagt Agomoni Ghosh, Managing Editor der Global Compliance Carbon Markets bei S&P Global.
Weniger Emissionen aus der Stahlindustrie sind nicht nur unerlässlich, damit Indien seine NDC-Ziele erreicht. So ließen sich auch Exportchancen aus der Umstellung auf saubere Energien nutzen. Das Land strebt die Verdreifachung der Kapazitäten für erneuerbare Energien bis 2030 an. Für weniger Emissionen müsste aber die Emissionsintensität des Sektors sinken und “grüner Stahl” wettbewerbsfähig produziert werden.
Zehn Prozent der Stahlproduktion gehen in den Export. Angesichts politischer Maßnahmen wie dem CBAM-Mechanismus der EU und ähnlicher Pläne in anderen Ländern muss der indische Stahlsektor dekarbonisiert werden, um diese Märkte zu erhalten. Indien hat ein Netto-Null-Ziel für 2070, aber sein Stahlsektor und andere stahlverbrauchende Industriesektoren mit Exportmärkten müssen ihre Dekarbonisierungbemühungen dem Netto-Null-Ziel 2050 anpassen.
Deshalb hat das indische Stahlministerium im April letzten Jahres 13 Taskforces für einen Fahrplan und die Förderung von grünem Stahl eingesetzt. “Wir glauben, dass die Einführung grüner Stahlproduktionsverfahren nicht nur der Umwelt zugutekommt, sondern auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zu wirtschaftlichem Wachstum führen wird”, sagte Stahlminister Jyotiraditya Scindia. Im April wurde eine 14. Arbeitsgruppe eingesetzt, die den Einsatz von Biokohle zur CO₂-Reduktion in der Stahlproduktion untersuchen soll. Doch die Arbeitsgruppen kommen nur langsam voran, sagen mehrere Experten zu Table.Briefings.
Viele der großen Stahlhersteller haben sich das Ziel gesetzt, bis 2050 keine Emissionen mehr zu verursachen. Diese Pläne beruhen auf dem Einsatz von CO₂-Speicherung und Nutzung, also CCUS. “Es ist bemerkenswert, dass die meisten von ihnen CCUS vorschlagen, obwohl es teuer und unbewährt ist. Außerdem hat Indien wenig Erfahrung mit Kohlenstoffmanagement und mehrere indische Stahlunternehmen haben den CCUS-Pfad aufgegeben“, so ein deutscher Industrieexperte. Die Alternative ist grüner Wasserstoff – eine Option, die noch in den Kinderschuhen steckt.
Der indische Stahlsektor ist stark auf Kohle angewiesen und verwendet mehr Primäreisen als andere Länder. Der Großteil der Stahlproduktion erfolgt im Hochofen-Basis-Sauerstoff-Ofen (BF-BOF), wo es nicht wirklich viele Alternativen zur Kohle gibt. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Eisenschwamm (direkt reduziertes Eisen) sowie von Elektrolichtbogenöfen (EAF) oder Induktionsöfen (IF). Diese Verfahren können die Emissionen durch die Verwendung von Stahlschrott verringern. Da der größte Teil der Stahlinfrastruktur relativ neu ist, ist die Verfügbarkeit von Schrott ein Problem, und Importe sind angesichts der steigenden Nachfrage nach Schrott in China schwierig. Um die Schrottverfügbarkeit zu verbessern, hat die Regierung für 2019 Maßnahmen angekündigt.
Die indische Regierung setzt auf grünen Wasserstoff zur Dekarbonisierung von Stahl. Die hohen Kosten sind allerdings eine Herausforderung, weshalb die Regierung die heimische Produktion mit der National Green Hydrogen Mission fördern will. Aber auch mit aktiver Unterstützung der Regierung könne laut Experten grüner Wasserstoff die Kohle als primäre Methode zur Stahlerzeugung erst 2050 ablösen. Der größte Teil der Anlagen zur Stahlherstellung wurde seit 2000 gebaut, ist also noch relativ jung. Ein Umschwenken bedeutet für die Industrie “gestrandete Kosten”.
Die Dekarbonisierung der Stahlindustrie erfordere “eine Vision der politischen Entscheidungsträger, mit der sie die Produktion von grünem Stahl fördern können”, sagt Vibhuti Garg, Direktor für Südasien beim Analysteninstitut IEEFA. Nötig sei zuerst eine Definition, was als grüner Stahl gilt. “Indien muss klarstellen, dass grüner Stahl den Verzicht auf fossile Brennstoffe im Produktionsprozess bedeutet”, so Garg.
Garg und andere Experten schlagen eine ganze Reihe von Maßnahmen vor:
Am 4. Juni werden die Wahlergebnisse bekannt gegeben. Experten hoffen nach dem Amtsantritt der neuen Regierung auf Entscheidungen über Mandate, Kohlenstoffpreise und Anreize. Indien hat das Ziel, bis 2070 netto kohlenstofffrei zu werden. Aber wenn es auch bis 2047 sein Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung erreichen will, muss es in diesem Jahrzehnt mit der Dekarbonisierung im Industriesektor beginnen.
16. und 17. Mai, Berlin
Forum German-Polish Energy Transition Forum
Wie kann eine soziale Wärmewende in Polen und Deutschland funktionieren? Das Forum wird durch die Deutsch-Polnische Energieplattform im Auftrag des Auswärtigen Amts und in Partnerschaft mit der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer sowie der Botschaft der Republik Polen in Berlin organisiert. Infos
16. Mai, 10 Uhr, Online
Webinar Building Resilience: Strategies for Strengthening Ukraine’s Energy Future
Die Debatte der Florence School of Governance dreht sich darum, welche Partnerschaften und Strategien notwendig sind, um die Energie-Resilienz der Ukraine zu stärken und gleichzeitig ein grüneres Energiesystem vorzubereiten. Infos
16. Mai, 14 Uhr, Online
Webinar Powering the Future: Smart Cities Leading on Climate Action
Das Webinar der Internationalen Energieagentur (IEA) stellt Klimaschutz in Städten in den Vordergrund. Außerdem wird der Bericht “Empowering Urban Energy Transitions” vorgestellt. Infos
16. bis 17. Mai, Berlin
Messe Nachhaltigkeit in Handel, E-Commerce & Logistik
Unter dem Motto “Nachhaltig ist das neue Profitabel” findet die Messe der Branchen Handel, E-Commerce und Logistik statt. Infos
18. bis 25. Mai, Bali, Indonesien
Forum World Water Forum
Das Forum wird alle drei Jahre vom World Water Council und einem Gastgeberland organisiert. Es bringt verschiedene Akteure zusammen, um über zukünftige Herausforderungen rund um Wasser zu diskutieren. Infos
21. Mai, 19 Uhr, Hannover
Seminar Die Grenzen des Wachstums – Degrowth oder Green Growth?
Braucht die klimapolitische globale Transformation grünes Wirtschaftswachstum, Nullwachstum oder Degrowth? Darüber wird auf dieser Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert. Infos
21. bis 24. Mai, Bridgetown, Barbados
Forum Global Supply Chain Forum
Das Forum findet erstmals statt und bringt Akteure aus unterschiedlichen Branchen zusammen, um über die Herausforderungen von globalem Lieferketten-Management zu diskutieren. Es wird von der Regierung von Barbados zusammen mit der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) organisiert. Infos
22. Mai, 18 Uhr, Online
Diskussion Die Rolle des Ozeans für das Erreichen der Klimaziele
Die sogenannte “Blue Economy” zählt zu den weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweigen. Gleichzeitig sind Ozeane der Klimaänderung besonders ausgesetzt und ihnen kommt bei der Bekämpfung des Klimawandels eine besondere Rolle zu. In der digitalen Diskussion der Universität Hamburg geht es um dieses Spannungsfeld. Infos
22. Mai, 15 Uhr, Online
Webinar Unlocking Finance for Climate-Vulnerable Nations at COP29 and Beyond
Auf dem Webinar des World Resources Institute (WRI) wird diskutiert, mit welchen Strategien Klimafinanzierung besonders vulnerable Länder erreichen kann und welche Entscheidungen dafür bei der COP29 getroffen werden müssen. Infos
22. Mai bis 15. Juni
Über die Zukunft sprechen Workshop-Reihe
An insgesamt sechs Terminen soll bei diesen Workshops diskutiert werden, wie man Klimaschutz und die Klimakrise gut kommunizieren kann. Die Workshops werden von der NGO Together for Future ausgerichtet. Infos
Die Luftfahrtindustrie verfehlt ihre selbstgesteckten Klimaziele und nutzt 100-mal weniger nachhaltige Kraftstoffe, als sie sich zum Ziel gesetzt hatte. Zudem wurden die Ziele in den letzten Jahren immer stärker aufgeweicht. Das geht aus einer neuen Studie des Institute for Policy Studies (IPS) hervor. Noch im Jahr 2007 beschloss der globale Dachverband der Fluggesellschaften (International Air Transport Association), innerhalb eines Jahrzehnts einen Verbrauch von zehn Prozent nachhaltiger Kraftstoffe zu erreichen. Im Jahr 2017 haben die US-Fluggesellschaften aber nur 0,01 ihres Treibstoffverbrauchs durch nachhaltige Kraftstoffe gedeckt. Bis 2014 wurde die Zielmarke auf drei Prozent gesenkt, der Anteil nachhaltiger Kraftstoffe stieg aber nur auf 0,03 Prozent.
Um das Ziel der Biden-Regierung zur Produktion von über elf Milliarden Liter (drei Milliarden Gallonen) nachhaltiger Kraftstoffe bis 2030 zu erreichen, müsste die Produktion laut der Studie um über 18.000 Prozent gesteigert werden – ein unrealistisches Wachstum, so das IPS. In der EU ist der Einsatz sogenannter nachhaltiger Kraftstoffe mit einem Anteil von 0,05 Prozent am Verbrauch ebenfalls noch sehr gering – obwohl einige Fluggesellschaften durchaus offensiv damit werben. Auch deshalb prüft die EU-Kommission derzeit 20 Unternehmen wegen Verdachts auf Greenwashing. Die EU wird ihr Ziel einer Beimischung von 1,2 Prozent synthetischer Kraftstoffe – eine Untergruppe der sogenannten nachhaltigen Kraftstoffe – ab 2030 zudem aller Voraussicht nach verfehlen, wie die FAZ berichtet. nib
Nach langem politischen Streit soll das novellierte Klimaschutzgesetz an diesem Freitag im Bundesrat final beschlossen werden. Doch unmittelbar davor ist unklar, ob das tatsächlich geschieht. Zum einen haben die Umweltverbände Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe und Naturschutzbund an die Ministerpräsidenten der unionsgeführten Bundesländer appelliert, dem Gesetz im Bundesrat nicht zuzustimmen, sondern den Vermittlungsausschuss anzurufen. In dem Schreiben, das Table.Briefings vorliegt, erinnern sie an die Kritik von Unionspolitikern wie Andreas Jung: Die Union hatte in der Bundestagsdebatte über den Entwurf kritisiert, dass dem Gesetz mit dem Streichen der verbindlichen Sektorziele “sein Herzstück entrissen” werde. Wenn diese Worte “mehr als Oppositionsrhetorik” seien, müssten nun Taten folgen, fordern die Geschäftsführer der drei Verbände. Das Gesetz müsse im Bundesrat aufgehalten werden.
Weil das Klimaschutzgesetz nicht zustimmungspflichtig ist, kann der Bundesrat es nicht stoppen, sondern durch das Anrufen des Vermittlungsausschusses nur verzögern. Auch das hätte aber schon einen realen Effekt. Denn wenn das alte Gesetz am 15. Juli noch in Kraft ist, muss FDP-Verkehrsminister Volker Wissing aufgrund der deutlich zu hohen Emissionen des Verkehrssektors noch ein Sofortprogramm vorlegen – was Wissing auf jeden Fall vermeiden wollte. Die Chancen, dass der Bundesrat das Gesetz tatsächlich aufhält, waren zunächst äußerst gering, denn dafür müssten die Länder aktiv dagegenstimmen. Das aber wäre nur im Einvernehmen mit den jeweiligen Koalitionspartnern möglich.
Am Donnerstag sind die Chancen auf eine Verschiebung aber gestiegen. Grund dafür ist ein Fehler im Gesetzestext: In der vom Bundestag verabschiedeten Version wird an einer Stelle auf eine Verordnung verwiesen, wo eigentlich das Gesetz selbst gemeint ist. Das geht aus einem Schreiben von BMWK-Staatssekretär Stefan Wenzel hervor, das Table.Briefings am Dienstag öffentlich gemacht hatte. Sein Vorschlag, den Fehler ohne neue Befassung des Bundestags nachträglich zu korrigieren, wurde von der Union am Mittwoch abgelehnt, weil es sich nicht um eine “offensichtliche Unrichtigkeit” handele, bei denen ein solches Vorgehen laut Geschäftsordnung des Bundestags notwendig ist. Daraufhin lehnte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die nachträgliche Änderung ab.
Das Gesetz soll nun am Freitag in der fehlerhaften Version vom Bundestag beschlossen werden und in Kraft treten. Anschließend soll der Fehler von Bundestag und Bundesrat in einem regulären Verfahren korrigiert werden. Andreas Jung, stellvertretender Vorsitzender und Klimaexperte der Union, kritisiert dieses Vorgehen scharf. “Um sich schnell ihrer gesetzlichen Pflichten zu entledigen, hat die Ampel das Klimaschutzgesetz nach ihrer Koalitionseinigung im Eiltempo durchs Parlament gedrückt”, sagte er Table.Briefings. “Jetzt wundert sie sich über Fehler und will diese im Nachhinein korrigieren.” Jung setzt darauf, dass nun auch die Ampel-Parteien für ein Vermittlungsverfahren stimmen. “Die Ampel im Bundesrat wird sich doch wohl nicht zum Abnicken eines selbst als falsch erkannten Gesetzes hergeben”, sagt er. mkr
Die für den kommenden Dienstag vorgesehene Abgabe des Antrags der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber (FNB Gas) für den Bau des Wasserstoff-Kernnetzes wird verschoben. Dies bestätigte die Bundesnetzagentur (BNetzA) auf Nachfrage von Table.Briefings. Zunächst müsse die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU-Kommission abgewartet werden. Ein möglicher neuer Termin für die Antragsabgabe sei der 21. Juni.
Aus der Branche hieß es zudem, dass die Konsultationen zwischen den Mitgliedern des Branchenverbands FNB Gas und der BNetzA über einzelne Parameter des staatlich stark regulierten zukünftigen Wasserstoffnetzes anhielten. Zudem werde auch auf Seiten von Investoren weiter geprüft, ob die Risiken des Markthochlaufs und die erwartbaren Gewinne ein finanzielles Engagement erlauben.
Bereits nach der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes im April hatten die Fernleitungsnetzbetreiber Bedenken über die Regularien geäußert. Das Gesetz sieht vor, dass der Staat für mehr als drei Viertel der Investitionsrisiken bürgt. Insgesamt wird mit Baukosten von 20 Milliarden Euro gerechnet. Zudem soll ein Amortisationskonto anfängliche Verluste der Netzbetreiber ausgleichen, die später aus Gebühren der Verbraucher zurückgezahlt werden sollen. Die Bedingungen seien insgesamt aber weniger lukrativ als im Stromnetzmarkt, der von potenziellen Investoren als Vergleich herangezogen werde. av
Für die Mehrheit der sogenannten Wirtschaftsweisen ist klar, welche Technik der Staat zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs fördern sollte: den Elektro-Lkw. “Wir empfehlen, die staatliche Unterstützung auf den Aufbau einer Ladeinfrastruktur zu fokussieren”, sagte Monika Schnitzler, die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie das Gremium offiziell heißt, am Mittwoch. Diese Technik habe eine “hohe Marktreife auch im Schwerlastverkehr” erreicht. Zudem gebe es viele Synergien mit dem Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Pkw, und mit dieser Technik sei schon bis zum Jahr 2030 ein deutlicher Effekt für den Klimaschutz zu erzielen.
Bei der konkurrierenden Technik, dem Brennstoffzellen-Lkw, seien derzeit dagegen weder die Fahrzeuge verfügbar noch der als Treibstoff erforderliche Wasserstoff, betonte Schnitzler. Zudem gebe es beim Wasserstoff eine starke “Nutzungskonkurrenz” mit anderen Anwendungen etwa in der Industrie, bei denen es keine Alternative gebe. Und auch die knappen öffentlichen Mittel geböten es, die Förderung auf die erfolgversprechendere Technologie zu konzentrieren, sagte Schnitzer. “Priorisieren ist das Gebot der Stunde.” Ausführlich dargestellt hat der Sachverständigenrat diese Position in einem Sondergutachten, das am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Im gleichen Gutachten findet sich auch ein Minderheitenvotum der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Auch bei der Vorstellung des Gutachtens widersprach sie der Einschätzung ihrer Gremien-Kollegen offen. “Wir brauchen auf Dauer beide Antriebstechnologien”, erklärte sie. Zur Begründung verwies sie zum einen auf Probleme beim Ausbau der Stromnetze, zum anderen auf die deutsche “Technologieführerschaft bei der Brennstoffzelle”, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Darum sollte die Politik “auf Vielfalt setzen”.
Besondere Brisanz erhält dieser inhaltliche Streit dadurch, dass Grimm im Februar in den Aufsichtsrat von Siemens Energy berufen wurde. Die übrigen Mitglieder des Sachverständigenrats hatten darin einen Interessenkonflikt gesehen und sie zum Austritt aus dem Gremium aufgefordert, was Grimm aber ablehnte. Nun scheint schon bei erster Gelegenheit ein Interessenkonflikt tatsächlich denkbar, denn Siemens Energy stellt unter anderem Elektrolyseure her, profitiert also geschäftlich von einer möglichst breiten Nutzung von Wasserstoff.
Entgegen ihrer Ankündigung, sich bei möglichen Interessenkonflikten im Rat zu enthalten, war sie an der Antriebsdebatte nicht nur beteiligt, sondern gab ein abweichendes Votum ab. Sie selbst wies einen Konflikt zurück. Die Frage des Lkw-Antriebs “betrifft das Unternehmen nicht direkt”, erklärte sie. Die übrigen Mitglieder des Rats lehnten es bei der Pressekonferenz ab, sich zur Frage eines möglichen Interessenkonflikts zu positionieren. Ein im Januar angekündigter neuer Compliance-Kodex, mit dem der Rat solche Fälle künftig verhindern will, ist noch nicht fertiggestellt. mkr
Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung will die Zusammenarbeit mit Polen in Energiefragen verbessern. Die Regierungen in Paris und Berlin sollten dazu eine “Energiewendeplattform Weimarer Dreieck” einrichten, heißt es in einem gemeinsamen Papier deutscher und französischer Abgeordneter, das Table.Briefings exklusiv vorliegt. Eine stärkere Zusammenarbeit der Betreiber von Strom- und Gasnetzen der drei Länder solle Geld sparen, die Energiesicherheit erhöhen und die Klimaneutralität unterstützen. Der Entwurf der Arbeitsgruppe Energiesouveränität soll im Juni von der Parlamentarischen Versammlung beschlossen werden.
“Deutschland und Frankreich müssen gemeinsam Öko-Motor sein für eine europäische Energieunion und eine klimaneutrale EU. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir viel erreichen und weitere Partner integrieren – etwa über das Weimarer Dreieck auch Polen”, sagte AG-Koordinator Andreas Jung (CDU). Die Versammlung besteht aus jeweils 50 Abgeordneten des Bundestags und der französischen Nationalversammlung.
Die Regierungen in Berlin und Paris sollen außerdem “Impulse für eine deutsch-französische und europäische Strategie bis 2025 zur Förderung der Geothermie” entwickeln und dabei versicherungsrechtliche Fragen sowie Aspekte der Schadensregulierung insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext klären. Eine Tiefenbohrung bei Vendenheim am Oberrheingraben etwa wurde 2020 nach Erdbeben gestoppt.
Ebenfalls auf der Agenda: “Vorschläge für eine gemeinsame europäische Wasserstoffstrategie bis 2025”. Dabei positionieren sich die Abgeordneten in Nuancen anders als die Regierung in Paris, die sich dafür ausgesprochen hat, nur noch ein Ziel für “dekarbonisierte Energie” zu verfolgen, was zulasten erneuerbarer Energien gehen könnte. In ihrem Entwurf schreiben die Abgeordneten nun zur Wasserstoffstrategie, dass Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien Vorrang haben solle. Die Regierungen beider Länder fordern sie außerdem dazu auf, “ambitioniert an der Umsetzung der novellierten europäischen Ausbauziele für erneuerbare Energien von 42,5 Prozent des Energieverbrauchs ab 2030 zu arbeiten.”
“Ich bin stolz darauf, dass es den französischen und deutschen Abgeordneten gelungen ist, sich über ein Thema zu einigen, von dem man sagt, dass es Spannungen zwischen den Regierungen unserer Länder gibt. Dies beweist, dass Einheit in der Vielfalt im Bereich der Energiesouveränität möglich und notwendig ist”, kommentiert der französische Abgeordnete Frédéric Petit (Mouvement Démocrate) das Papier. ber
Der Clean Cooking-Gipfel in Paris hat finanzielle Zusagen von Regierungen und dem Privatsektor in Höhe von einmalig 2,2 Milliarden US-Dollar mobilisiert. Bis 2030 braucht es laut der Internationalen Energieagentur (IEA) aber vier Milliarden Euro jährlich, um sauberes Kochen ohne Holz und Kohle in Afrika zu erreichen.
Die IEA will nach diesem Gipfel weiter Druck machen, damit die nötigen Investitionen getätigt werden können. “Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, aber das Ergebnis dieses Gipfels kann dazu beitragen, Grundrechte wie Gesundheit, Gleichstellung der Geschlechter und Bildung zu fördern und gleichzeitig Emissionen zu reduzieren und Wälder wiederherzustellen”, sagt IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol.
Fast 60 Länder, Unternehmen und Entwicklungsinstitutionen haben sich in Paris getroffen, um über einen besseren Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten zu verhandeln. Viele Menschen in Afrika kochen noch immer auf offenem Feuer und einfachen Herden. Als Brennstoff verwenden sie Holzkohle, Holz oder landwirtschaftliche Abfälle und atmen dabei gefährliche Dämpfe und Rauch ein. Das führt zu schweren gesundheitlichen Schäden, die auch tödlich enden können. Besonders Frauen und Kinder sind betroffen. seh
556 Feuerwehrleute aus 12 Ländern stellt Brüssel im Rahmen des Rescue-EU-Programms in diesem Jahr bereit, um lokale Feuerwehren bei der Bekämpfung von Waldbränden zu unterstützen. Sie sind in Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien stationiert und mit einer eigenen Flotte von 28 Flugzeugen und vier Hubschraubern ausgestattet. Zusammen mit dem Zentrum für Koordination von Notfallmaßnahmen (ERCC) sollen Waldbrände früh erkannt und zügig bekämpft werden, um Schäden zu minimieren.
In der EU sind 2023 nach Angaben der Kommission mehr als eine halbe Million Hektar Wald den Bränden zum Opfer gefallen – eine Fläche doppelt so groß wie Luxemburg. In diesem Jahr will man besser vorbereitet sein und auch künftig mehr in den Waldbrandschutz investieren: Die Kommission nimmt 600 Millionen Euro an EU-Mitteln in die Hand, um weitere 12 Löschflugzeuge und neun Hubschrauber zu finanzieren.
Doch nicht nur die EU ist an der koordinierten Brandbekämpfung beteiligt. Auch Island, Norwegen, Serbien, Nordmazedonien, Montenegro, Türkei, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Moldau und die Ukraine nehmen am Katastrophenschutzverfahren teil. So soll neben der Resilienz gegen Naturkatastrophen auch die europäische Solidarität gestärkt werden. luk
unsere heutige Ausgabe zeigt mal wieder, wie international das Klimathema ist: Australien etwa möchte sein Image als großer Fossil-Exporteur mit Milliarden für den Klimaschutz aufpolieren. Was hinter “A Future Made in Australia” steckt, hat Bernhard Pötter für Sie analysiert.
In Indien wird unterdessen ein neues Parlament gewählt – und das noch bis zum 4. Juni. Der Stahlsektor spielt eine große Rolle im Wahlkampf und für die künftige Klimapolitik. Wie das (nicht) mit Indiens Klimazielen zusammenpasst, hat Urmi Goswami recherchiert.
Außerdem: EU-Parlamentarier aus Deutschland und Frankreich wollen die Zusammenarbeit mit Polen verbessern und planen eine “Energiewendeplattform Weimarer Dreieck”, etwa zum Thema Wasserstoff. Die Antragsfrist für ein deutsches Wasserstoffnetz hingegen soll verschoben werden, wie Table.Briefings exklusiv erfahren hat. Und auch im Klimaschutzgesetz und bei den Wirtschaftsweisen hakt es.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Durch ein umfangreiches Paket von Subventionen und Steuervorteilen will nun auch Australien den Ausbau von grünen Technologien fördern. Mit knapp 23 Milliarden australischen Dollar (14 Milliarden Euro) will die Labor-Regierung unter Anthony Albanese über die nächsten zehn Jahre Investitionen in Zukunftsmärkte voranbringen. Das sieht das Programm “A Future Made in Australia” (FMIA) vor, das am Mittwoch als Teil des Haushalts der Bundesregierung präsentiert wurde.
Der Plan solle als Gesetz verabschiedet werden und laut Regierung Investitionen anreizen, die ökonomische Sicherheit stärken, den Mehrwert heimischer Ressourcen und Ideen vorantreiben und “Australien zu einer Supermacht der Erneuerbaren machen.” Mit einem “Rahmen für das nationale Interesse” zur Entscheidungsfindung, einem Portal für ausländische Investitionen und kürzeren Bearbeitungszeiten für Anträge will die Regierung vor allem:
Das geplante Programm kopiert Elemente aus dem “Inflation Reduction Act” (IRA) aus den USA, aus dem “Net Zero Industrial Act” der EU und von chinesischen Vorbildern: Es agiert mit direkten Subventionen, Steuererleichterungen und Bürokratieabbau. Noch ist unklar, wie viel frisches Geld die Regierung dafür einplant – bisher sind viele bereits angeschobenen Programme und Fonds in FMIA einberechnet.
Der Vorstoß der Regierung Albanese könnte auch den schlechten Ruf des Landes beim internationalen Klimaschutz verbessern. Denn Australien hat in der Vergangenheit je nach Regierung eine klimapolitische Stop-and-Go-Politik gezeigt. In der Gesellschaft gab es zur Erderhitzung über Jahrzehnte keinen Konsens zwischen den politischen Lagern. Und nach wie vor besteht die ökonomische Basis Australiens zu einem guten Teil aus dem massiven Export von Kohle und Gas.
Während Labor-Regierungen Klimapolitik wichtig nahmen, drehten konservative Kabinette unter dem Beifall der Murdoch-Medien das Rad immer wieder zurück. An der Einführung eines Emissionshandels scheiterte 2010 der Labor-Premier Kevin Rudd. Australien war neben den USA von 2000 bis 2007 das einzige Industrieland, das das Kyoto-Protokoll nicht ratifizierte.
Dabei ist der australische Kontinent für die Auswirkungen der Erderhitzung besonders anfällig. 2019/2020 wüteten verheerende Waldbrände über weite Gebiete der Südostküste, töteten mindestens 34 Menschen und vertrieben und töteten Milliarden von Tieren. Am Great Barrier Reef an der Ostküste des Landes ereignete sich Anfang 2024 die fünfte schwere Korallenbleiche in acht Jahren.
Die Labor-Regierung unter Albanese hat sich für die Ausrichtung der COP31 im Jahr 2026 beworben. Sie wird darin von Deutschland unterstützt. Dafür aber erwarten die Deutschen Fortschritte bei wichtigen Themen: bei der Ambition Australiens und der Klimafinanzierung.
Denn auch wenn Australien große Potenziale für Erneuerbare aufweist, ist das Land der weltweit drittgrößte Exporteur von Kohle und einer der größten Exporteure von Flüssiggas LNG. Die Albanese-Regierung plant bislang über 100 neue Projekte für fossile Energien, die insgesamt knapp fünf Milliarden Tonnen CO₂ verursachen würden. Dafür vergibt Australien etwa elf Milliarden australische Dollar an fossilen Subventionen. Gleichzeitig baut das Land massiv und auch mit deutscher Hilfe “(HySupply”) seine Wasserstoff-Infrastruktur für den Export auf.
Bei der Klimafinanzierung dagegen hält sich Australien zurück. Bisher zahlt das Land nach einer Studie nur 16 Prozent seines fairen Anteils an internationaler Klimafinanzierung. Beim Länder-Ranking des Climate Action Tracker gilt Australiens Finanzpolitik als “kritisch ungenügend”, die schlechteste Note. Das Gesamturteil lautet “ungenügend”.
Australiens Außenministerin Penny Wong (die bereits 2009 bei der gescheiterten COP15 in Kopenhagen australische Klimaministerin gewesen war) erklärte beim Besuch ihrer deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock Anfang Mai, das Land sei bereits auf dem Weg zur Dekarbonisierung: “Wir sind gewählt, um zu versuchen, unsere Wirtschaft zu verändern und Netto-Null zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Es ist eine Herausforderung, unsere fossilen Energien zu transformieren, aber wir sind entschlossen, das zu tun.”
Eine Woche nach dem Besuch von Baerbock gab die Regierung bekannt, Australien werde neue Gasreserven erschließen und auch über 2050 hinaus den fossilen Brennstoff exportieren, um zuhause Netto-Null zu erreichen.
Laut Rohstoff-Ministerin Madeleine King bringen allein die Gasexporte 14 Prozent der Ausfuhrerlöse. Und der fossile Rohstoff ermögliche den Betrieb von Gewerbe, die Verarbeitung von Lebensmitteln und die Gewinnung von kritischen Mineralien, die “Australien und der Welt helfen, die Emissionen zu senken”. Deshalb sei Gas zentral für das neue ehrgeizige Greentech-Programm der Regierung, dessen Details jetzt präsentiert wurden: “A Future Made in Australia”.
Indien hat die Hälfte seiner Parlamentswahlen hinter sich. Obwohl die Wahlen von schweren Hitzewellen in den meisten Landesteilen überschattet werden, hat es die Klimafrage nicht unter die wichtigsten Wahlkampfthemen geschafft. Die beiden wichtigsten politischen Parteien – die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) und der Indian National Congress – haben dem Klimawandel in ihren Wahlprogrammen zwar einen gewissen Platz eingeräumt. Das Versprechen von wirtschaftlicher Entwicklung dominiert aber die Wahlrhetorik – einschließlich des Ziels, Indien bis 2047 zu einem entwickelten Land zu machen.
Das hat die amtierende, von der BJP geführte Nationale Demokratische Allianz als Ziel ausgegeben. Dabei rückt der Stahlsektor als zentrale Frage in den Mittelpunkt. Seine Emissionen und die Umstellung auf “grünen Stahl” werden die Entwicklung von Wachstum und Emissionen in Indien prägen.
Denn wesentliche Voraussetzung für den Pfad Indiens zu einem “entwickelten Land” ist das rasche Wachstum von Schlüsselsektoren wie der Stahlindustrie. Der indische Stahlsektor wächst schnell: Zwischen 2020/21 und 2022/23 stieg die Rohstahlproduktion mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von sechs Prozent auf 127 Millionen Tonnen. Sie trägt rund zwei Prozent zum nationalen BIP bei.
Mit einer Produktionskapazität von 161 Millionen Tonnen ist Indien nach China der weltweit zweitgrößte Produzent und Verbraucher von Stahl. Das Wachstum wird von der Nachfrage nach Infrastruktur, Wohnungsbau und der Autoindustrie angetrieben. Die Regierung will die Stahlproduktionskapazität bis 2030 auf 300 Millionen Tonnen pro Jahr erhöhen – nahezu eine Verdoppelung der derzeitigen Kapazität.
Mit der wachsenden Stahlproduktion geht die Sorge um steigende Emissionen einher. Der indische Stahlsektor hat einen großen Emissionsfußabdruck – rund 240 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen jährlich, etwa zwölf Prozent der indischen Emissionen. Mit 2,55 Tonnen CO₂ pro Tonne Rohstahl liegt die Emissionsintensität weit über dem weltweiten Durchschnitt von 1,85 Tonnen CO₂ pro Tonne Stahl.
Die höhere Stahlproduktion wird daher zu einem starken Anstieg der Emissionen führen. “Die Kontrolle der Emissionen bei gleichzeitiger Steigerung der Stahlproduktion wird für Indien von zentraler Bedeutung sein, wenn es das Ziel erreichen will, die Emissionsintensität seines BIP bis 2030 um 45 Prozent zu senken“, sagt Agomoni Ghosh, Managing Editor der Global Compliance Carbon Markets bei S&P Global.
Weniger Emissionen aus der Stahlindustrie sind nicht nur unerlässlich, damit Indien seine NDC-Ziele erreicht. So ließen sich auch Exportchancen aus der Umstellung auf saubere Energien nutzen. Das Land strebt die Verdreifachung der Kapazitäten für erneuerbare Energien bis 2030 an. Für weniger Emissionen müsste aber die Emissionsintensität des Sektors sinken und “grüner Stahl” wettbewerbsfähig produziert werden.
Zehn Prozent der Stahlproduktion gehen in den Export. Angesichts politischer Maßnahmen wie dem CBAM-Mechanismus der EU und ähnlicher Pläne in anderen Ländern muss der indische Stahlsektor dekarbonisiert werden, um diese Märkte zu erhalten. Indien hat ein Netto-Null-Ziel für 2070, aber sein Stahlsektor und andere stahlverbrauchende Industriesektoren mit Exportmärkten müssen ihre Dekarbonisierungbemühungen dem Netto-Null-Ziel 2050 anpassen.
Deshalb hat das indische Stahlministerium im April letzten Jahres 13 Taskforces für einen Fahrplan und die Förderung von grünem Stahl eingesetzt. “Wir glauben, dass die Einführung grüner Stahlproduktionsverfahren nicht nur der Umwelt zugutekommt, sondern auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zu wirtschaftlichem Wachstum führen wird”, sagte Stahlminister Jyotiraditya Scindia. Im April wurde eine 14. Arbeitsgruppe eingesetzt, die den Einsatz von Biokohle zur CO₂-Reduktion in der Stahlproduktion untersuchen soll. Doch die Arbeitsgruppen kommen nur langsam voran, sagen mehrere Experten zu Table.Briefings.
Viele der großen Stahlhersteller haben sich das Ziel gesetzt, bis 2050 keine Emissionen mehr zu verursachen. Diese Pläne beruhen auf dem Einsatz von CO₂-Speicherung und Nutzung, also CCUS. “Es ist bemerkenswert, dass die meisten von ihnen CCUS vorschlagen, obwohl es teuer und unbewährt ist. Außerdem hat Indien wenig Erfahrung mit Kohlenstoffmanagement und mehrere indische Stahlunternehmen haben den CCUS-Pfad aufgegeben“, so ein deutscher Industrieexperte. Die Alternative ist grüner Wasserstoff – eine Option, die noch in den Kinderschuhen steckt.
Der indische Stahlsektor ist stark auf Kohle angewiesen und verwendet mehr Primäreisen als andere Länder. Der Großteil der Stahlproduktion erfolgt im Hochofen-Basis-Sauerstoff-Ofen (BF-BOF), wo es nicht wirklich viele Alternativen zur Kohle gibt. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Eisenschwamm (direkt reduziertes Eisen) sowie von Elektrolichtbogenöfen (EAF) oder Induktionsöfen (IF). Diese Verfahren können die Emissionen durch die Verwendung von Stahlschrott verringern. Da der größte Teil der Stahlinfrastruktur relativ neu ist, ist die Verfügbarkeit von Schrott ein Problem, und Importe sind angesichts der steigenden Nachfrage nach Schrott in China schwierig. Um die Schrottverfügbarkeit zu verbessern, hat die Regierung für 2019 Maßnahmen angekündigt.
Die indische Regierung setzt auf grünen Wasserstoff zur Dekarbonisierung von Stahl. Die hohen Kosten sind allerdings eine Herausforderung, weshalb die Regierung die heimische Produktion mit der National Green Hydrogen Mission fördern will. Aber auch mit aktiver Unterstützung der Regierung könne laut Experten grüner Wasserstoff die Kohle als primäre Methode zur Stahlerzeugung erst 2050 ablösen. Der größte Teil der Anlagen zur Stahlherstellung wurde seit 2000 gebaut, ist also noch relativ jung. Ein Umschwenken bedeutet für die Industrie “gestrandete Kosten”.
Die Dekarbonisierung der Stahlindustrie erfordere “eine Vision der politischen Entscheidungsträger, mit der sie die Produktion von grünem Stahl fördern können”, sagt Vibhuti Garg, Direktor für Südasien beim Analysteninstitut IEEFA. Nötig sei zuerst eine Definition, was als grüner Stahl gilt. “Indien muss klarstellen, dass grüner Stahl den Verzicht auf fossile Brennstoffe im Produktionsprozess bedeutet”, so Garg.
Garg und andere Experten schlagen eine ganze Reihe von Maßnahmen vor:
Am 4. Juni werden die Wahlergebnisse bekannt gegeben. Experten hoffen nach dem Amtsantritt der neuen Regierung auf Entscheidungen über Mandate, Kohlenstoffpreise und Anreize. Indien hat das Ziel, bis 2070 netto kohlenstofffrei zu werden. Aber wenn es auch bis 2047 sein Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung erreichen will, muss es in diesem Jahrzehnt mit der Dekarbonisierung im Industriesektor beginnen.
16. und 17. Mai, Berlin
Forum German-Polish Energy Transition Forum
Wie kann eine soziale Wärmewende in Polen und Deutschland funktionieren? Das Forum wird durch die Deutsch-Polnische Energieplattform im Auftrag des Auswärtigen Amts und in Partnerschaft mit der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer sowie der Botschaft der Republik Polen in Berlin organisiert. Infos
16. Mai, 10 Uhr, Online
Webinar Building Resilience: Strategies for Strengthening Ukraine’s Energy Future
Die Debatte der Florence School of Governance dreht sich darum, welche Partnerschaften und Strategien notwendig sind, um die Energie-Resilienz der Ukraine zu stärken und gleichzeitig ein grüneres Energiesystem vorzubereiten. Infos
16. Mai, 14 Uhr, Online
Webinar Powering the Future: Smart Cities Leading on Climate Action
Das Webinar der Internationalen Energieagentur (IEA) stellt Klimaschutz in Städten in den Vordergrund. Außerdem wird der Bericht “Empowering Urban Energy Transitions” vorgestellt. Infos
16. bis 17. Mai, Berlin
Messe Nachhaltigkeit in Handel, E-Commerce & Logistik
Unter dem Motto “Nachhaltig ist das neue Profitabel” findet die Messe der Branchen Handel, E-Commerce und Logistik statt. Infos
18. bis 25. Mai, Bali, Indonesien
Forum World Water Forum
Das Forum wird alle drei Jahre vom World Water Council und einem Gastgeberland organisiert. Es bringt verschiedene Akteure zusammen, um über zukünftige Herausforderungen rund um Wasser zu diskutieren. Infos
21. Mai, 19 Uhr, Hannover
Seminar Die Grenzen des Wachstums – Degrowth oder Green Growth?
Braucht die klimapolitische globale Transformation grünes Wirtschaftswachstum, Nullwachstum oder Degrowth? Darüber wird auf dieser Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert. Infos
21. bis 24. Mai, Bridgetown, Barbados
Forum Global Supply Chain Forum
Das Forum findet erstmals statt und bringt Akteure aus unterschiedlichen Branchen zusammen, um über die Herausforderungen von globalem Lieferketten-Management zu diskutieren. Es wird von der Regierung von Barbados zusammen mit der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) organisiert. Infos
22. Mai, 18 Uhr, Online
Diskussion Die Rolle des Ozeans für das Erreichen der Klimaziele
Die sogenannte “Blue Economy” zählt zu den weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweigen. Gleichzeitig sind Ozeane der Klimaänderung besonders ausgesetzt und ihnen kommt bei der Bekämpfung des Klimawandels eine besondere Rolle zu. In der digitalen Diskussion der Universität Hamburg geht es um dieses Spannungsfeld. Infos
22. Mai, 15 Uhr, Online
Webinar Unlocking Finance for Climate-Vulnerable Nations at COP29 and Beyond
Auf dem Webinar des World Resources Institute (WRI) wird diskutiert, mit welchen Strategien Klimafinanzierung besonders vulnerable Länder erreichen kann und welche Entscheidungen dafür bei der COP29 getroffen werden müssen. Infos
22. Mai bis 15. Juni
Über die Zukunft sprechen Workshop-Reihe
An insgesamt sechs Terminen soll bei diesen Workshops diskutiert werden, wie man Klimaschutz und die Klimakrise gut kommunizieren kann. Die Workshops werden von der NGO Together for Future ausgerichtet. Infos
Die Luftfahrtindustrie verfehlt ihre selbstgesteckten Klimaziele und nutzt 100-mal weniger nachhaltige Kraftstoffe, als sie sich zum Ziel gesetzt hatte. Zudem wurden die Ziele in den letzten Jahren immer stärker aufgeweicht. Das geht aus einer neuen Studie des Institute for Policy Studies (IPS) hervor. Noch im Jahr 2007 beschloss der globale Dachverband der Fluggesellschaften (International Air Transport Association), innerhalb eines Jahrzehnts einen Verbrauch von zehn Prozent nachhaltiger Kraftstoffe zu erreichen. Im Jahr 2017 haben die US-Fluggesellschaften aber nur 0,01 ihres Treibstoffverbrauchs durch nachhaltige Kraftstoffe gedeckt. Bis 2014 wurde die Zielmarke auf drei Prozent gesenkt, der Anteil nachhaltiger Kraftstoffe stieg aber nur auf 0,03 Prozent.
Um das Ziel der Biden-Regierung zur Produktion von über elf Milliarden Liter (drei Milliarden Gallonen) nachhaltiger Kraftstoffe bis 2030 zu erreichen, müsste die Produktion laut der Studie um über 18.000 Prozent gesteigert werden – ein unrealistisches Wachstum, so das IPS. In der EU ist der Einsatz sogenannter nachhaltiger Kraftstoffe mit einem Anteil von 0,05 Prozent am Verbrauch ebenfalls noch sehr gering – obwohl einige Fluggesellschaften durchaus offensiv damit werben. Auch deshalb prüft die EU-Kommission derzeit 20 Unternehmen wegen Verdachts auf Greenwashing. Die EU wird ihr Ziel einer Beimischung von 1,2 Prozent synthetischer Kraftstoffe – eine Untergruppe der sogenannten nachhaltigen Kraftstoffe – ab 2030 zudem aller Voraussicht nach verfehlen, wie die FAZ berichtet. nib
Nach langem politischen Streit soll das novellierte Klimaschutzgesetz an diesem Freitag im Bundesrat final beschlossen werden. Doch unmittelbar davor ist unklar, ob das tatsächlich geschieht. Zum einen haben die Umweltverbände Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe und Naturschutzbund an die Ministerpräsidenten der unionsgeführten Bundesländer appelliert, dem Gesetz im Bundesrat nicht zuzustimmen, sondern den Vermittlungsausschuss anzurufen. In dem Schreiben, das Table.Briefings vorliegt, erinnern sie an die Kritik von Unionspolitikern wie Andreas Jung: Die Union hatte in der Bundestagsdebatte über den Entwurf kritisiert, dass dem Gesetz mit dem Streichen der verbindlichen Sektorziele “sein Herzstück entrissen” werde. Wenn diese Worte “mehr als Oppositionsrhetorik” seien, müssten nun Taten folgen, fordern die Geschäftsführer der drei Verbände. Das Gesetz müsse im Bundesrat aufgehalten werden.
Weil das Klimaschutzgesetz nicht zustimmungspflichtig ist, kann der Bundesrat es nicht stoppen, sondern durch das Anrufen des Vermittlungsausschusses nur verzögern. Auch das hätte aber schon einen realen Effekt. Denn wenn das alte Gesetz am 15. Juli noch in Kraft ist, muss FDP-Verkehrsminister Volker Wissing aufgrund der deutlich zu hohen Emissionen des Verkehrssektors noch ein Sofortprogramm vorlegen – was Wissing auf jeden Fall vermeiden wollte. Die Chancen, dass der Bundesrat das Gesetz tatsächlich aufhält, waren zunächst äußerst gering, denn dafür müssten die Länder aktiv dagegenstimmen. Das aber wäre nur im Einvernehmen mit den jeweiligen Koalitionspartnern möglich.
Am Donnerstag sind die Chancen auf eine Verschiebung aber gestiegen. Grund dafür ist ein Fehler im Gesetzestext: In der vom Bundestag verabschiedeten Version wird an einer Stelle auf eine Verordnung verwiesen, wo eigentlich das Gesetz selbst gemeint ist. Das geht aus einem Schreiben von BMWK-Staatssekretär Stefan Wenzel hervor, das Table.Briefings am Dienstag öffentlich gemacht hatte. Sein Vorschlag, den Fehler ohne neue Befassung des Bundestags nachträglich zu korrigieren, wurde von der Union am Mittwoch abgelehnt, weil es sich nicht um eine “offensichtliche Unrichtigkeit” handele, bei denen ein solches Vorgehen laut Geschäftsordnung des Bundestags notwendig ist. Daraufhin lehnte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die nachträgliche Änderung ab.
Das Gesetz soll nun am Freitag in der fehlerhaften Version vom Bundestag beschlossen werden und in Kraft treten. Anschließend soll der Fehler von Bundestag und Bundesrat in einem regulären Verfahren korrigiert werden. Andreas Jung, stellvertretender Vorsitzender und Klimaexperte der Union, kritisiert dieses Vorgehen scharf. “Um sich schnell ihrer gesetzlichen Pflichten zu entledigen, hat die Ampel das Klimaschutzgesetz nach ihrer Koalitionseinigung im Eiltempo durchs Parlament gedrückt”, sagte er Table.Briefings. “Jetzt wundert sie sich über Fehler und will diese im Nachhinein korrigieren.” Jung setzt darauf, dass nun auch die Ampel-Parteien für ein Vermittlungsverfahren stimmen. “Die Ampel im Bundesrat wird sich doch wohl nicht zum Abnicken eines selbst als falsch erkannten Gesetzes hergeben”, sagt er. mkr
Die für den kommenden Dienstag vorgesehene Abgabe des Antrags der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber (FNB Gas) für den Bau des Wasserstoff-Kernnetzes wird verschoben. Dies bestätigte die Bundesnetzagentur (BNetzA) auf Nachfrage von Table.Briefings. Zunächst müsse die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU-Kommission abgewartet werden. Ein möglicher neuer Termin für die Antragsabgabe sei der 21. Juni.
Aus der Branche hieß es zudem, dass die Konsultationen zwischen den Mitgliedern des Branchenverbands FNB Gas und der BNetzA über einzelne Parameter des staatlich stark regulierten zukünftigen Wasserstoffnetzes anhielten. Zudem werde auch auf Seiten von Investoren weiter geprüft, ob die Risiken des Markthochlaufs und die erwartbaren Gewinne ein finanzielles Engagement erlauben.
Bereits nach der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes im April hatten die Fernleitungsnetzbetreiber Bedenken über die Regularien geäußert. Das Gesetz sieht vor, dass der Staat für mehr als drei Viertel der Investitionsrisiken bürgt. Insgesamt wird mit Baukosten von 20 Milliarden Euro gerechnet. Zudem soll ein Amortisationskonto anfängliche Verluste der Netzbetreiber ausgleichen, die später aus Gebühren der Verbraucher zurückgezahlt werden sollen. Die Bedingungen seien insgesamt aber weniger lukrativ als im Stromnetzmarkt, der von potenziellen Investoren als Vergleich herangezogen werde. av
Für die Mehrheit der sogenannten Wirtschaftsweisen ist klar, welche Technik der Staat zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs fördern sollte: den Elektro-Lkw. “Wir empfehlen, die staatliche Unterstützung auf den Aufbau einer Ladeinfrastruktur zu fokussieren”, sagte Monika Schnitzler, die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie das Gremium offiziell heißt, am Mittwoch. Diese Technik habe eine “hohe Marktreife auch im Schwerlastverkehr” erreicht. Zudem gebe es viele Synergien mit dem Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Pkw, und mit dieser Technik sei schon bis zum Jahr 2030 ein deutlicher Effekt für den Klimaschutz zu erzielen.
Bei der konkurrierenden Technik, dem Brennstoffzellen-Lkw, seien derzeit dagegen weder die Fahrzeuge verfügbar noch der als Treibstoff erforderliche Wasserstoff, betonte Schnitzler. Zudem gebe es beim Wasserstoff eine starke “Nutzungskonkurrenz” mit anderen Anwendungen etwa in der Industrie, bei denen es keine Alternative gebe. Und auch die knappen öffentlichen Mittel geböten es, die Förderung auf die erfolgversprechendere Technologie zu konzentrieren, sagte Schnitzer. “Priorisieren ist das Gebot der Stunde.” Ausführlich dargestellt hat der Sachverständigenrat diese Position in einem Sondergutachten, das am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Im gleichen Gutachten findet sich auch ein Minderheitenvotum der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Auch bei der Vorstellung des Gutachtens widersprach sie der Einschätzung ihrer Gremien-Kollegen offen. “Wir brauchen auf Dauer beide Antriebstechnologien”, erklärte sie. Zur Begründung verwies sie zum einen auf Probleme beim Ausbau der Stromnetze, zum anderen auf die deutsche “Technologieführerschaft bei der Brennstoffzelle”, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Darum sollte die Politik “auf Vielfalt setzen”.
Besondere Brisanz erhält dieser inhaltliche Streit dadurch, dass Grimm im Februar in den Aufsichtsrat von Siemens Energy berufen wurde. Die übrigen Mitglieder des Sachverständigenrats hatten darin einen Interessenkonflikt gesehen und sie zum Austritt aus dem Gremium aufgefordert, was Grimm aber ablehnte. Nun scheint schon bei erster Gelegenheit ein Interessenkonflikt tatsächlich denkbar, denn Siemens Energy stellt unter anderem Elektrolyseure her, profitiert also geschäftlich von einer möglichst breiten Nutzung von Wasserstoff.
Entgegen ihrer Ankündigung, sich bei möglichen Interessenkonflikten im Rat zu enthalten, war sie an der Antriebsdebatte nicht nur beteiligt, sondern gab ein abweichendes Votum ab. Sie selbst wies einen Konflikt zurück. Die Frage des Lkw-Antriebs “betrifft das Unternehmen nicht direkt”, erklärte sie. Die übrigen Mitglieder des Rats lehnten es bei der Pressekonferenz ab, sich zur Frage eines möglichen Interessenkonflikts zu positionieren. Ein im Januar angekündigter neuer Compliance-Kodex, mit dem der Rat solche Fälle künftig verhindern will, ist noch nicht fertiggestellt. mkr
Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung will die Zusammenarbeit mit Polen in Energiefragen verbessern. Die Regierungen in Paris und Berlin sollten dazu eine “Energiewendeplattform Weimarer Dreieck” einrichten, heißt es in einem gemeinsamen Papier deutscher und französischer Abgeordneter, das Table.Briefings exklusiv vorliegt. Eine stärkere Zusammenarbeit der Betreiber von Strom- und Gasnetzen der drei Länder solle Geld sparen, die Energiesicherheit erhöhen und die Klimaneutralität unterstützen. Der Entwurf der Arbeitsgruppe Energiesouveränität soll im Juni von der Parlamentarischen Versammlung beschlossen werden.
“Deutschland und Frankreich müssen gemeinsam Öko-Motor sein für eine europäische Energieunion und eine klimaneutrale EU. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir viel erreichen und weitere Partner integrieren – etwa über das Weimarer Dreieck auch Polen”, sagte AG-Koordinator Andreas Jung (CDU). Die Versammlung besteht aus jeweils 50 Abgeordneten des Bundestags und der französischen Nationalversammlung.
Die Regierungen in Berlin und Paris sollen außerdem “Impulse für eine deutsch-französische und europäische Strategie bis 2025 zur Förderung der Geothermie” entwickeln und dabei versicherungsrechtliche Fragen sowie Aspekte der Schadensregulierung insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext klären. Eine Tiefenbohrung bei Vendenheim am Oberrheingraben etwa wurde 2020 nach Erdbeben gestoppt.
Ebenfalls auf der Agenda: “Vorschläge für eine gemeinsame europäische Wasserstoffstrategie bis 2025”. Dabei positionieren sich die Abgeordneten in Nuancen anders als die Regierung in Paris, die sich dafür ausgesprochen hat, nur noch ein Ziel für “dekarbonisierte Energie” zu verfolgen, was zulasten erneuerbarer Energien gehen könnte. In ihrem Entwurf schreiben die Abgeordneten nun zur Wasserstoffstrategie, dass Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien Vorrang haben solle. Die Regierungen beider Länder fordern sie außerdem dazu auf, “ambitioniert an der Umsetzung der novellierten europäischen Ausbauziele für erneuerbare Energien von 42,5 Prozent des Energieverbrauchs ab 2030 zu arbeiten.”
“Ich bin stolz darauf, dass es den französischen und deutschen Abgeordneten gelungen ist, sich über ein Thema zu einigen, von dem man sagt, dass es Spannungen zwischen den Regierungen unserer Länder gibt. Dies beweist, dass Einheit in der Vielfalt im Bereich der Energiesouveränität möglich und notwendig ist”, kommentiert der französische Abgeordnete Frédéric Petit (Mouvement Démocrate) das Papier. ber
Der Clean Cooking-Gipfel in Paris hat finanzielle Zusagen von Regierungen und dem Privatsektor in Höhe von einmalig 2,2 Milliarden US-Dollar mobilisiert. Bis 2030 braucht es laut der Internationalen Energieagentur (IEA) aber vier Milliarden Euro jährlich, um sauberes Kochen ohne Holz und Kohle in Afrika zu erreichen.
Die IEA will nach diesem Gipfel weiter Druck machen, damit die nötigen Investitionen getätigt werden können. “Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, aber das Ergebnis dieses Gipfels kann dazu beitragen, Grundrechte wie Gesundheit, Gleichstellung der Geschlechter und Bildung zu fördern und gleichzeitig Emissionen zu reduzieren und Wälder wiederherzustellen”, sagt IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol.
Fast 60 Länder, Unternehmen und Entwicklungsinstitutionen haben sich in Paris getroffen, um über einen besseren Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten zu verhandeln. Viele Menschen in Afrika kochen noch immer auf offenem Feuer und einfachen Herden. Als Brennstoff verwenden sie Holzkohle, Holz oder landwirtschaftliche Abfälle und atmen dabei gefährliche Dämpfe und Rauch ein. Das führt zu schweren gesundheitlichen Schäden, die auch tödlich enden können. Besonders Frauen und Kinder sind betroffen. seh
556 Feuerwehrleute aus 12 Ländern stellt Brüssel im Rahmen des Rescue-EU-Programms in diesem Jahr bereit, um lokale Feuerwehren bei der Bekämpfung von Waldbränden zu unterstützen. Sie sind in Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien stationiert und mit einer eigenen Flotte von 28 Flugzeugen und vier Hubschraubern ausgestattet. Zusammen mit dem Zentrum für Koordination von Notfallmaßnahmen (ERCC) sollen Waldbrände früh erkannt und zügig bekämpft werden, um Schäden zu minimieren.
In der EU sind 2023 nach Angaben der Kommission mehr als eine halbe Million Hektar Wald den Bränden zum Opfer gefallen – eine Fläche doppelt so groß wie Luxemburg. In diesem Jahr will man besser vorbereitet sein und auch künftig mehr in den Waldbrandschutz investieren: Die Kommission nimmt 600 Millionen Euro an EU-Mitteln in die Hand, um weitere 12 Löschflugzeuge und neun Hubschrauber zu finanzieren.
Doch nicht nur die EU ist an der koordinierten Brandbekämpfung beteiligt. Auch Island, Norwegen, Serbien, Nordmazedonien, Montenegro, Türkei, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Moldau und die Ukraine nehmen am Katastrophenschutzverfahren teil. So soll neben der Resilienz gegen Naturkatastrophen auch die europäische Solidarität gestärkt werden. luk