Table.Briefing: Climate

Argentinien: Mileis fossile Politik + E-Autos: Ideen für das 15-Millionen-Ziel + USA: Viele IRA-Projekte stehen still

Liebe Leserin, lieber Leser,

mehr als 47.000 Menschen sind in Europa im letzten Jahr an den Folgen hoher Temperaturen gestorben – wenn man die Zahlen der vergangenen neun Jahre vergleicht, waren es nur 2022 mehr. Auch dieser Sommer ist vielerorts in Europa sehr heiß. In Griechenland haben die hohen Temperaturen aktuell zu einem Waldbrand geführt, der sich in rasantem Tempo ausbreitet und die Hauptstadt Athen bedroht. Schon heute sind solche Nachrichten fast alltäglich. Wird der Kampf gegen die Klimakrise nicht beschleunigt, könnten sie in Zukunft noch häufiger werden.

In Argentinien bremst Javier Milei die Klimapolitik seit mehr als einem halben Jahr stark aus. Der Präsident leugnet den Klimawandel und sympathisiert mit Donald Trump. Milei hat das Umweltministerium aufgelöst und die Förderung für fossile Rohstoffe aufgestockt. Unklar bleibt vorerst, wie sich das Land in der internationalen Klimapolitik ausrichten wird. Welche Szenarien drohen und wie sehr Milei die Klima- und Umweltpolitik aushöhlt, hat Lisa Pausch recherchiert.

In Deutschland verkaufen sich unterdessen E-Autos weiter schlecht. Der negative Trend des ersten Halbjahres setzt sich auch im Juli fort. Während die Bundesregierung weiter am 15-Millionen-Ziel – so viele E-Autos sollen 2030 auf Deutschlands Straßen fahren – festhält, sind Experten weniger optimistisch. Sie schlagen daher einen 5-Punkte-Plan vor, über den Carsten Hübner berichtet.

Aus der Weltpolitik lesen Sie außerdem über Chinas vorsichtig hoffnungsvollen Emissionsrückgang, über Australiens problematische Emissionsbilanz und über die US-Großprojekte des Inflation Reduction Act, von denen einige auf Eis liegen.

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Ihr
Lukas Bayer
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Analyse

Argentinien: So entkernt Präsident Milei die Umwelt- und Klimapolitik

Javier Milei bei der Eröffnung einer Landwirtschaftsschau im Juli in Buenos Aires.

Acht Monate nach Präsident Javier Mileis Amtsantritt erlebt die Klima- und Umweltpolitik in Argentinien einen deutlichen Rückschlag. Das Umweltministerium existiert nicht mehr, seine Zuständigkeiten wurden undurchsichtig auf Abteilungen im Außenministerium und den Sekretariaten für Energie und Inneres verteilt. Die Finanzmittel für Umweltpolitik sanken laut einem Bericht um rund 65 Prozent. Dafür fördert die argentinische Regierung noch energischer die Förderung fossiler Brennstoffe.

Präsident Milei leugnet den Klimawandel und hofiert die US-Republikaner. Allerdings spricht er nicht von einem Austritt aus dem Pariser Abkommen. Wie sich das Land in der globalen Klimapolitik ausrichtet, ist noch unklar und könnte sich erst auf der COP29 nach den Wahlen in den USA entscheiden. Experten sehen aber zwischen den politischen Lagern den Konsens für eine notwendige Energiewende zerbrochen.

Steuererleichterungen für Fossile und Bergbau

Weil Präsident Milei keine Mehrheit im Parlament hat, hat seine Regierung ein halbes Jahr gebraucht, um ihr erstes großes Gesetzespaket durchs Parlament zu bringen. Es sieht unter anderem massive Steuererleichterungen über 30 Jahre für Großinvestitionen in den Bereichen Bergbau, fossile Brennstoffe und Agrarwirtschaft vor – aber kaum Auflagen zum Umweltschutz. Das Gesetz sollte ursprünglich auch wirtschaftliche Aktivitäten im Umfeld von Gletschern und in Wäldern erleichtern. Doch war die Kritik daran so groß, dass dieser Teil gestrichen wurde.

Weiter setzt das Gesetz auf großzügige Steueranreize für den Export natürlicher Rohstoffe wie Öl, Gas und Lithium. Auch die Vorgängerregierung hatte Investoren Vorteile eingeräumt, aber nicht derart großzügige Geschenke verteilt. Kritiker befürchten, dass Gewinne noch stärker als bisher ins Ausland abfließen, während die Bevölkerung die Umweltkosten trägt.

Der Hafen von Punta Colorada im Norden Patagoniens etwa steht spätestens seit August 2022 im Fokus der Ölindustrie. Damals hatte die Provinzregierung in Rio Negro ein Gesetz aus den 1990er-Jahren gekippt, das die Küste vor Erdölprojekten schützte. In der Gegend will der teilstaatliche argentinische Ölkonzern YPF nun gemeinsam mit dem malaysischen Unternehmen Petronas eine Anlage zum Export von Flüssiggas bauen. Empfänger dürfte auch Deutschland werden. Doch die Region gilt als Kinderstube für Wale, und in ihrer unmittelbaren Nähe befindet sich das UNESCO-Weltnaturerbe auf und um die Halbinsel Valdés. Die Pläne für eine Pipeline zum Export von Rohöl aus dem 500 Kilometer entfernten Gebiet Vaca Muerta entstanden allerdings schon vor Mileis Amtszeit.

Dutzende Umweltorganisationen warnen, in Zukunft könnten Investoren etwa über die Gerichte gegen Regeln vorgehen, die geförderte Investitionen einschränken.

Widerspruch: Klimaplan und Nutzung von Öl und Gas

Diskussionen um die Frage, inwiefern Argentinien von seinen riesigen Öl- und Gasreserven profitieren sollte, sind nicht neu. Es gibt seit Jahren einen Widerspruch zwischen dem Versprechen im argentinischen NDC, 2030 nicht mehr als 349 Millionen Tonnen CO₂ zu emittieren, und dem Versprechen an die argentinische Bevölkerung, die Wirtschaft über den Export fossiler Brennstoffe wieder auf die Beine zu stellen.

“Seit 2015 haben die Regierungen beider politischer Lager die Energiewende auf die Agenda gesetzt. Seitdem wurden erste Instrumente für die Umsetzung entwickelt. Ich glaube, dieser Prozess wurde nun gestoppt“, sagt Christopher Kiessling. Der argentinische Sozialwissenschaftler forscht zur Umwelt- und Klimapolitik in Argentinien und Brasilien.

Keine Ansprechpartner für Klimapolitik mehr

Mileis Vorgänger Alberto Fernández betonte vor den Vereinten Nationen noch die Notwendigkeit, Emissionen im Energiesektor zu senken. Aber auch er hob gleichzeitig vor dem Parlament das Potenzial von Öl und Gas aus Vaca Muerta und der neu gebauten Gaspipeline hervor. Um diese Spannung aufzulösen, forderte die argentinische Delegation internationale Zuschüsse für die lokale Energiewende. Milei dagegen hat den Klimawandel in seiner Rede vor dem Kongress nicht einmal erwähnt, bezeichnet ihn sonst als “Erfindung des Sozialismus” und ist an Emissionen höchstens dann interessiert ist, wenn sie sich mittels Kohlenstoffzertifikaten zu Devisen machen lassen.

Mit der Auflösung des Umweltministeriums fielen auf Bundesebene zudem Fachkräfte weg. “Heute haben die Provinzen keine institutionellen Ansprechpartner, um ihre Klimaaktionspläne überprüfen zu lassen, so wie es im Klimaschutzgesetz vorgesehen ist”, sagt Kiessling. Das im Gesetz festgeschriebene Nationale Kabinett für Klimawandel habe sich seit Mileis Amtsantritt nicht mehr getroffen. Das 2016 gegründete Gremium erstellt auf nationaler Ebene Aktionspläne zu den Verpflichtungen des Pariser Abkommens.

Allerdings hat Milei bisher nicht wie sein ideologischer Verbündeter Donald Trump den Austritt aus dem Pariser Abkommen verkündet. Und überraschend hatte Milei im Dezember 2023 die COP-erfahrene Marcia Levaggi zur Klimakonferenz nach Dubai geschickt. Sie erklärte dort, man wolle “die Gewissheit vermitteln, dass Argentinien Teil des Pariser Abkommen bleibt”.

Argentinien bleibt im Pariser Abkommen – vorerst

Christopher Kiessling schätzt, dass das Abkommen der Regierung zumindest kurzfristig keine Nachteile verschafft. Mittelfristig könne ein Ausstieg aber immer noch folgen. “Gleichzeitig dürfte der größte internationale Druck dagegen aus Brasilien kommen”, sagt Kiessling. Seit 2016 arbeiten beide Länder als Teil der Klimakoalition Grupo Sur bei den internationalen Verhandlungen zusammen – und profitieren davon.

Argentiniens Standpunkt zur Klimapolitik dürfte zudem vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA abhängen. Seit seinem Amtsantritt hat Milei elf Reisen unternommen, fünf davon in die USA. Kein einziges Mal traf er Präsident Joe Biden, umschmeichelte dafür Trump und trat neben ihm bei Konferenzen der Konservativen und Rechten auf. “Die COP29 in Baku dürfte eine Bewährungsprobe werden”, sagt Kiessling. Wie groß die argentinische Delegation sein wird und wer die Verhandlungen führen wird, ist – wie so vieles – bislang offen. Von Lisa Pausch, Buenos Aires

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Elektroautos: Wie das 15-Millionen-Ziel noch zu erreichen ist

Ladenhüter E-Mobile: Bislang hängen deutsche Verbraucher am Verbrenner.

Elektroautos verkaufen sich in Deutschland weiterhin schlecht. Das zeigen aktuelle Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes. Demnach wurden im Juli 2024 nur etwas mehr als 30.000 Elektroautos neu zugelassen. Das entspricht einem Anteil von rund 13 Prozent an allen Neuzulassungen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist das ein Rückgang um fast 37 Prozent.

E-Autos: “Deutschland ist der kranke Mann Europas.”

Damit setzte sich der negative Trend des ersten Halbjahres fort. Benzin- und Dieselfahrzeuge konnten dagegen leicht zulegen. Die durchschnittlichen CO₂-Emissionen der neu zugelassenen Personenwagen stiegen auf 121 Gramm pro Kilometer.

Deutschland entwickelt sich nach Einschätzung der Organisation Transport and Environment (T&E) zum Bremsklotz der E-Mobilität in der EU. “Deutschland ist der kranke Mann Europas, wenn es um E-Autos geht”, sagt Susanne Goetz, Referentin für E-Mobilität bei T&E Deutschland. Eine Analyse der EU-weiten Absatzzahlen zeige, dass die Verkäufe in den 27 Mitgliedstaaten insgesamt um etwas mehr als ein Prozent gestiegen seien. Ohne Deutschland wären es mehr als neun Prozent gewesen.

15-Millionen-Ziel rückt in weite Ferne

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP wurde vereinbart, Deutschland zum “Leitmarkt für Elektromobilität” zu machen. Dazu sollen bis 2030 mehr als 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Dies erscheint jedoch zunehmend unrealistisch. Anfang des Jahres waren es erst gut 1,4 Millionen. Der Bestand müsste sich also mehr als verzehnfachen.

Der Think-Tank Agora Verkehrswende hat errechnet, dass dafür in den nächsten Jahren täglich 5.500 Elektroautos neu zugelassen werden müssten. Im ersten Halbjahr 2024 waren es nur 1.012 am Tag.

Agora Verkehrswende rechnet 9 Millionen E-Autos bis 2030

Angesichts der schwachen Marktentwicklung werde das Ziel von 15 Millionen E-Autos voraussichtlich um rund sechs Millionen Fahrzeuge verfehlt, heißt es in der Studie “Letzte Chance für 15 Millionen E-Autos bis 2030”, die gerade von Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) vorgelegt wurde.

“Damit wäre nicht nur das Emissionsziel für den Verkehrssektor für 2030 in weite Ferne gerückt; gefährdet wäre auch das langfristig übergreifende Ziel, sämtliche Lebensbereiche in Deutschland bis 2045 klimaneutral zu gestalten.” Zudem geriete “der unvermeidbare Strukturwandel der Automobilwirtschaft in Turbulenzen”, warnen die Autoren.

Bundesregierung hält an 15-Millionen-Ziel fest

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) teilte auf Anfrage mit, man halte am Ziel von 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 fest. “Diese Zielmarke ergibt sich aus der notwendigen CO₂-Reduktion im Verkehrsbereich, folgt aber nicht staatlichen Planvorgaben, sondern muss marktwirtschaftlich erreicht werden”, so eine Sprecherin. Das BMDV verfolge daher einen technologieoffenen Ansatz, damit auch andere Optionen wie Brennstoffzellen-Antriebe und E-Fuels zum Klimaschutz beitragen können.

Fehlende Modelle und widersprüchliche Kommunikation

Die Ursachen für die Hängepartie sind zu weiten Teilen hausgemacht. Ein wichtiger Faktor ist, dass auf dem traditionell konservativen Automarkt in Deutschland preisgünstige Einstiegsmodelle heimischer Hersteller fehlen.

Ein anderer, dass E-Autos noch immer deutlich teurer sind als vergleichbare Fahrzeuge mit Diesel- oder Benzinmotor. Trotzdem hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr den sogenannten Umweltbonus abgeschafft – im September zunächst für gewerbliche Kunden, im Dezember dann überraschend auch für private Käufer. 

Hinzu kommt, dass die Ampel-Koalitionäre widersprüchliche Signale zum Verbrenner-Aus aussenden. Eine EU-Verordnung aus dem letzten Jahr sieht vor, dass ab 2035 keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden dürfen. Einzige Ausnahme: Fahrzeuge, die ausschließlich mit E-Fuels oder Biokraftstoffen betrieben werden können. Genau darauf pocht die FDP unter dem Stichwort Technologieoffenheit, während SPD und Grüne weiterhin ihren Fokus auf die Elektromobilität richten.

Deutsche Hersteller investieren wieder in Verbrenner

Dies trägt nicht nur zur Kaufzurückhaltung bei, sondern verunsichert auch die Automobilindustrie. Ohne klare politische und regulatorische Rahmenbedingungen sinkt ihre Bereitschaft, Milliardeninvestitionen allein in die Elektromobilität zu lenken – zumal sich mit Verbrennern weiterhin gute Geschäfte machen lassen.

Eine Rückwärtsbewegung ist bereits unübersehbar. Nach Mercedes-Chef Ola Källenius hat kürzlich auch VW-Finanzvorstand Arno Antlitz angekündigt, weiter in die Verbrennertechnologie investieren zu wollen. Neben 120 Milliarden Euro für die Elektrifizierung und Digitalisierung seien bis 2028 auch 60 Milliarden Euro eingeplant, um “Verbrennungsmotoren auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten”, sagte Antlitz gegenüber Auto Motor und Sport.

5-Punkte-Plan des ACE

Der Automobilclub ACE hat einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, um das anvisierte 15-Millionen-Ziel doch noch zu erreichen. “Ein klares Bekenntnis zur Elektromobilität, untermauert mit den richtigen politischen Maßnahmen”, könne dafür das nötige Vertrauen schaffen, so der ACE-Vorsitzende Stefan Heimlich. Der Plan umfasst:

  • Soziale Kaufprämie: Um Mitnahmeeffekte zu verringern, soll es eine einkommensabhängige Förderung für E-Autos bis zu einem Anschaffungspreis von 35.000 Euro geben.
  • CO₂-Abgabe: Zur Finanzierung der Kaufprämie soll eine CO₂-Abgabe bei Erstzulassung eines Fahrzeugs erhoben werden, die sich am CO₂-Ausstoß orientiert.
  • Dienstwagenbesteuerung: Klimaschädliche Dienstfahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Plug-In-Hybride sollen mit zwei Prozent besteuert werden.
  • Unternehmensförderung: Um auch bei den Flotten höhere BEV-Quoten zu erreichen, soll es eine Sonderabschreibung in Höhe von 50 Prozent im ersten Jahr geben.
  • Abschaffung des Dieselprivilegs: Die Energiesteuer auf Diesel sollte stufenweise bis 2030 auf das Niveau des Energiesteuersatzes für Benzin angehoben werden.

Agora rät zur verstärkten Kooperation mit chinesischen Herstellern

Die Denkfabrik Agora Verkehrswende geht noch einen Schritt weiter und bringt eine engere Zusammenarbeit mit chinesischen Herstellern ins Spiel. “Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen”, schlägt Agora-Direktor Christian Hochfeld vor.

Gleichzeitig biete sich so die Chance, Entwicklungsrückstände in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen aufzuholen. “Gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge können chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen. Dies sollten die Bundesregierung und die EU bei den Verhandlungen über Importzölle auf Elektroautos aus China berücksichtigen”, so Hochfeld.

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News

USA: Warum viele Energiewende-Projekte auf Eis liegen

Einige der größten Projekte, die im Rahmen des Inflation Reduction Acts (IRA) und des Chips and Science Acts angekündigt wurden, sind einer Recherche der Financial Times (FT) zufolge um mehrere Monate oder Jahre verschoben worden. Einige lägen sogar auf unbestimmte Zeit auf Eis.

Die FT-Recherche umfasst 114 Projekte mit einem Investitionsumfang von jeweils mindestens 100 Millionen US-Dollar. Zusammengenommen stehen die analysierten Vorhaben für Investitionen in Höhe von rund 228 Milliarden US-Dollar. Manche der recherchierten Verzögerungen seien bislang noch nicht öffentlich, schreiben die FT-Reporterinnen. Zu den größten Projekten in Wartestellung gehört demnach eine Fabrik für Solarpanel von Enel in Oklahoma (Investitionshöhe: eine Milliarde US-Dollar), eine Batteriespeicheranlage von LG Energy Solution in Arizona (2,3 Milliarden US-Dollar) und eine Lithiumraffinerie des Chemiekonzerns Albemarle in South Carolina (1,3 Milliarden US-Dollar).

Unsicherheit im entscheidenden Wahljahr

Die Verzögerungen stellten “Bidens Wette” infrage, “dass ein industrieller Wandel den USA, die ihre Produktion seit Jahrzehnten ins Ausland verlagert haben, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Erträge bringen kann”, schreibt die FT. Daneben könnten sie es für Vizepräsidentin Kamala Harris erschweren, bei den Präsidentschaftswahlen im November Stimmen aus der Arbeiterschaft zu gewinnen.

Die von der Zeitung befragten Unternehmen nennen als Ursachen für ihre gegenwärtige Zurückhaltung:

  • schlechtere Marktbedingungen wie beispielsweise fallende Preise und steigende Kosten,
  • eine rückläufige Nachfrage
  • und die Unsicherheit in einem Wahljahr, von dem viel abhängen würde.
  • Ein weiterer Grund sind unklare Förderbedingungen.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, den IRA im Falle seines Wahlsiegs im November “zu beenden”. Der Solarhersteller VSK Energy habe deshalb Pläne für Investitionen in Höhe von 250 Millionen US-Dollar und die Schaffung von 900 Arbeitsplätzen in Brighton, Colorado, aufgegeben, schreibt die FT. Nun suche das Unternehmen nach Standorten in einem republikanisch geprägten Bundesstaat im Mittleren Westen, um sich abzusichern. Im Fall der Fälle wolle man “wahrscheinlich in einem roten [republikanisch regierten] Bundesstaat sein”, zitiert die Zeitung einen Manager, damit jemand aus der Partei des Präsidenten “für Sie und Ihre Rechte kämpft”. ae

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Australien: So stark treiben fossile Exporte die Emissionen

Australien verursacht deutlich mehr Emissionen als andere Länder mit vergleichbarer Bevölkerungsgröße. Im Jahr 2022 war das Land für 4,5 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. 80 Prozent davon entfielen allerdings auf Exporte fossiler Brennstoffe. Das ist das Ergebnis eines Berichts der NGO Climate Analytics, der am Sonntag veröffentlicht wurde.

Demnach ist Australien der drittgrößte Exporteur fossiler Brennstoffe, hinter Russland und den USA. Bei LNG hat Australien etwa seine Exportkapazitäten zwischen 2015 und 2020 verdoppelt, heißt es im Bericht. Japan, China, Südkorea und Indien seien die größten Abnehmer von LNG und ebenso von Kohle. Die Analysten sehen derzeit kein Zeichen dafür, dass Australiens Regierung die fossilen Exporte zurückfahren werde. Sie rechnen vielmehr mit einem Anstieg der kumulierten CO₂-Emissionen Australiens um weitere 15 Milliarden Tonnen bis 2035, auf insgesamt 45 Milliarden Tonnen CO₂. lb

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Globale Ziele: Windenergie nicht auf Verdreifachungs-Kurs

Auf der COP28 in Dubai vereinbarten die Staaten, die weltweiten Kapazitäten erneuerbarer Energien von 2022 bis 2030 zu verdreifachen. Jetzt zeigt eine Analyse des Thinktanks Ember für die Windkraft: Die nationalen Ausbauziele laufen zwar auf deutlich mehr als eine Verdopplung der Kapazitäten hinaus. Das sei auch realisierbar, wie die Autorinnen und Autoren des Berichts schreiben. Aber eine Verdreifachung werde durch die nationalen Ziele eben nicht erreicht. Ember zufolge lag die weltweite Windkraftkapazität im Jahr 2022 bei 901 Gigawatt (GW). Durch die nationalen Ausbauziele würde sie bis 2030 um den Faktor 2,4 auf 2.157 Gigawatt steigen.

Der Bericht analysiert die Wind-Ausbauziele im Stromsektor von 70 verschiedenen Ländern und der EU als Block. Dadurch werden Ember zufolge 99 Prozent der gegenwärtigen globalen Windkraftkapazitäten abgedeckt.

Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA), Bloomberg NEF und des Global Wind Energy Council (GWEC) gingen “übereinstimmend davon aus, dass die weltweite Windkraftkapazität im Jahr 2030 etwa 2.100 GW erreichen wird, ein Wert, der der Summe der nationalen Ziele entspricht”, schreiben die Autorinnen und Autoren. Doch dabei würden rund 70 Prozent der untersuchten Länder ihre Ziele voraussichtlich verfehlen. Ausgeglichen werde das vor allem durch den Zubau von Windkraftanlagen in China. Das Land übertreffe sein Ziel: Zwischen 2024 und 2030 werde es vermutlich mehr als 50 Prozent der weltweiten Windkraftanlagen installieren und damit die nationale “Windkraftkapazität zwischen 2022 und 2030 voraussichtlich fast verdreifachen”.

Die Internationale Energieagentur (IEA) habe in ihrer aktualisierten Net-Zero-Roadmap “bereits die Erwartungen für mehr Wachstum von der Windkraft auf die Solarenergie verlagert”, heißt es in dem Report. Der Solarsektor “verfolgt bereits ein ehrgeiziges Ziel und wird so wahrscheinlich nicht in der Lage sein, ein Defizit bei der Winderzeugung auszugleichen”. Die analysierten nationalen Ziele kommen aus verschiedenen Quellen, beispielsweise nationalen Strategien, offiziellen Projektionsdaten oder “glaubwürdigen Studien dritter Parteien”. Ember gibt im 2030 Global Renewable Target Tracker eine Übersicht. ae

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China: CO₂-Emissionen sinken erstmals seit Pandemie

Chinas CO₂-Emissionen sind im zweiten Quartal um ein Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Nach Angaben des China-Experten Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air ist dies der erste Quartalsrückgang seit dem Ende der Null-Covid-Politik. Diese hatte Chinas Produktionstätigkeit lange Zeit deutlich gedrosselt; seither erholt sich die Wirtschaft schrittweise, wodurch auch die Emissionen wieder angestiegen waren. Offizielle Zahlen und Wirtschaftsdaten deuteten darauf hin, dass China auch im Gesamtjahr 2024 weniger CO₂ ausstoßen werde als 2023, schreibt Myllyvirta in einem Beitrag für den Fachdienst Carbon Brief. Allerdings macht der Emissionsanstieg im ersten Quartal die Reduktion im zweiten Quartal zunichte, womit das erste Halbjahr 2024 netto einen Emissionsanstieg von rund drei Prozent verbucht.

Offiziell peilt China den Emissionsgipfel erst bis 2030 an – doch Experten hoffen auf eine frühere Wende. Myllyvirta weist in dem Beitrag auf einige Indikatoren hin. Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie etwa sei im ersten Halbjahr um 171 Terawattstunden (TWh) gestiegen, was mehr ist als die gesamte Stromerzeugung von Großbritannien im ersten Halbjahr 2023. Die Zunahme von Elektroautos auf den Straßen reduziere die Nachfrage nach Benzin. Auch seien die CO₂-Emissionen aus der Energienutzung und der Zementproduktion im zweiten Quartal um jeweils ein Prozent gesunken. Im Januar und Februar waren diese noch stark angestiegen.

Chinas Energieverbrauch steigt aufgrund der wachsenden Wirtschaft noch immer an, während sich die CO₂-Emissionen pro BIP-Einheit verbessern. Im ersten Quartal blieb die Effizienzverbesserung allerdings laut Myllyvirta hinter den Zielen Pekings zurück. Allerdings deutet sich derzeit ein Paradigmenwechsel an: China will statt der Effizienzziele erstmals eine harte Emissionsobergrenze festlegen. Der Staatsrat hat dazu Ende letzter Woche ein Arbeitsprogramm vorgelegt. ck

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Amprion: Große Investition gegen Netzengpässe

Windstrom aus Norddeutschland und der Nordsee kann künftig effizienter in den Süden transportiert werden: Am Montag haben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (beide Grüne) zusammen mit den Geschäftsführern des Übertragungsnetzbetreibers Amprion in Lingen einen Phasenschiebertransformator in Betrieb genommen. Dieser könne “schon mit der bestehenden Infrastruktur enorme Kosten reduzieren“, sagte Habeck, und dafür sorgen, “dass der Strom besser fließt”.

Mit dem Gerät, das sich in einer großen Umspannanlage direkt neben dem abgeschalteten Atomkraftwerk Emsland befindet, kann künftig festgelegt werden, wie viel Strom über welche von mehreren parallelen Leitungen fließt. Dies führt zu einer besseren Auslastung der Leitungen, sodass über diese insgesamt mehr Strom transportiert werden kann. Das wiederum hat zur Folge, dass Windkraftwerke seltener wegen fehlender Netzkapazität abgeschaltet werden müssen.

Netzentgelte sollen sinken

Die Investitionskosten für den Phasenschiebertransformator liegen laut Amprion bei 24 Millionen Euro. Sie werden über die Netzentgelte umgelegt. Weil die neue Technik aber zugleich zu geringeren Redispatch-Kosten führt, sollen die Netzentgelte alles in allem durch sie nicht steigen, sondern sinken. Redispatch-Kosten würden dann anfallen, wenn wegen fehlender Leitungskapazität Erneuerbaren-Kraftwerke im Norden abgeregelt und im Gegenzug Kohle- oder Gaskraftwerke im Süden hochgefahren werden müssten.

Wenn noch ein zweiter geplanter Phasenschiebertransformator für weitere 24 Millionen Euro fertiggestellt ist, sollen die Einsparungen laut Amprion bei bis zu 36 Millionen Euro pro Jahr liegen. “Volkswirtschaftlich ist das eine absolut lohnende Investition”, sagte Geschäftsführer Hans-Jürgen Brick. Dass sie erst jetzt getätigt wurde, begründet das Unternehmen damit, dass erst durch den starken Ausbau der Offshore-Windenergie der Bedarf dafür entstanden sei.

Die Windräder müssen in Zukunft auch aus einem weiteren Grund wohl seltener abgeregelt werden: Ebenfalls am Standort Lingen entsteht ein großer Elektrolyseur, der Wasserstoff aus Windstrom produzieren soll. Die erste Pilotstufe mit einer Leistung von 14 Megawatt wurde von RWE am Montag in Anwesenheit von Habeck und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil symbolisch in Betrieb genommen. Bis 2027 soll die Kapazität auf 300 Megawatt gesteigert werden. Dafür hat RWE vom Bund und vom Land Förderzusagen von rund 490 Millionen Euro erhalten. mkr

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Wattenmeer: Wie der Klimawandel die Artenvielfalt beeinträchtigt

Das Wattenmeer verändert sich wegen des Klimawandels im Rekordtempo. Dies ist das Ergebnis eines umfassenden Berichts von rund 30 Forscherinnen und Forschern des Alfred-Wegener-Instituts (AWI). So erhöhe sich im Klimawandel etwa die Temperatur und der Meeresspiegel, was die Gestalt der Küste und den Transport von Sedimenten verändere, erklärt Co-Erstautor Christian Buschmann, der an der AWI-Wattenmeerstation List auf Sylt forscht.

In den letzten 60 Jahren sei die Oberflächentemperatur des Wattenmeers in der südöstlichen Nordsee um fast zwei Grad gestiegen – doppelt so stark wie der mittlere Anstieg in den Ozeanen. Dabei haben laut AWI vorrangig milde Winter und sehr warme Sommertemperaturen einen großen Einfluss auf das Ökosystem. Insbesondere Hitzewellen mit Temperaturen von drei bis fünf Grad über dem Durchschnitt werden demnach häufiger und dauern länger an. Das beeinflusse Arten im Wasser und am Meeresboden. 

Kabeljau leidet, eingeschleppte Arten profitieren

Das Wattenmeer ist für viele Fisch- und Vogelarten wie Hering, Austernfischer und Knutt von großer Bedeutung. Im Zuge des Klimawandels wandern allerdings bestimmte Fischarten polwärts, bodenbewohnende Arten ziehen sich in tieferes und kälteres Wasser zurück. Manche Spezies wie der Kabeljau seien von den Veränderungen besonders betroffen und litten zudem unter Übernutzung. Außerdem beobachte man “einen deutlichen Anstieg an eingeschleppten, wärmeliebenden Arten“, erklärt Buschmann. Diese bedrohten bisher zwar keine heimischen Organismen, führten aber zu einer Veränderung des Lebensraums. “Riesige Riffe pazifischer Austern und hektargroße Unterwasserwälder, gebildet von Algen aus Fernost, sind unmittelbar von jedem Wattwanderer zu erkennen”, sagt der Forscher.

Ein Stück weit könnten Wattenmeer-Organismen ihr Verhalten und ihr Erscheinungsbild als Reaktion auf direkte Umweltreize anpassen, erklärt die Evolutionsbiologin Lisa Shama, die ebenfalls am Bericht mitgearbeitet hat. Manche Arten seien zum Beispiel zu anderen Zeiten aktiv oder ihre Wachstumsrate ändere sich. Möglich sei auch eine angepasste Fortpflanzung mit mehr Nachwuchs, um mögliche Verluste durch Hitze auszugleichen. dpa/lb

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Standpunkt

NDCs 3.0: Der Streit ums Geld gefährdet ehrgeizige Klimaziele

Von Sonja Thielges, Ole Adolphsen und Jule Könneke
Sonja Thielges, Ole Adolphsen und Jule Könneke (von links nach rechts).

Die Debatte um das neue Klimafinanzierungsziel (NCQG) dominiert derzeit die internationale Klimapolitik. Was dabei in den Hintergrund rückt: Bis zum 12. Februar 2025 sollen die nächsten NDCs mit Zielen für 2035 eingereicht werden. UNFCCC-Sekretär Simon Stiell spricht von den bisher “wichtigsten Dokumenten, die in diesem Jahrhundert im multilateralen Kontext erstellt werden”. 

NDCs sind die zentrale Innovation des Pariser Abkommens: Erstmals verpflichteten sich mit ihnen alle Länder, Minderungsbeiträge zu leisten – nicht nur die Industriestaaten. Der Haken: Die Ziele sind national bestimmt, eine unzureichende Umsetzung wird nicht sanktioniert, und der Fortschritt ist wegen fehlender Transparenz und Vergleichbarkeit schwer messbar. Vollständig umgesetzt, würden derzeitige NDCs zu einer Erwärmung um bis zu 2,6 Grad führen. 

Was verspricht die dritte Generation der NDCs?

Die zweite Generation der NDCs brachte vor allem qualitative Fortschritte. Das anstehende Update, von der UN und anderen Akteuren “NDCs 3.0” getauft, soll jetzt durch zwei neue Anforderungen auch einen quantitativen Unterschied machen:

  • Die Empfehlungen der ersten Globalen Bestandsaufnahme (GST) sollen die Basis für die NDCs bilden. Wie auf der COP28 bekräftigt, sollen die NDCs 1,5 Grad-kompatibel sein und die Maßnahmen des Energiepakets umsetzen. Dabei geht es vor allem um die Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen, die Verdreifachung der Erneuerbaren-Kapazität und die Verdoppelung der Energieeffizienzrate bis 2030.
  • Eine Kernidee der “NDCs 3.0” ist zudem, NDCs als Investitionspläne weiterzuentwickeln. Das soll helfen, den konkreten Finanzierungsbedarf der NDCs zu identifizieren, um so dringend notwendiges privates Kapital zu mobilisieren. Unklar bleibt, was genau solche Pläne leisten sollen und können. 

Debatte um Finanzierung verhärtet die Fronten

Doch der Ansatz für die neuen NDCs trifft auf ein politisches Problem, das er mit überwiegend technischen Mitteln zu lösen versucht. Es liegt im Verhältnis von Minderung und Finanzierung begründet. Angesichts des geringen verbleibenden CO₂-Budgets für 1,5-Grad-Minderungspfade und der immensen Finanzierungslücke drohen Konflikte um die faire Verteilung von Minderungslasten und deren Finanzierung der Ausgangspunkt internationaler Klimapolitik zu werden – das ist genau die Spannung, die NDCs eigentlich überwinden sollten. Wie sehr die Finanzierungsfrage die Fronten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zunehmend verhärtet hat, war zuletzt auf der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn zu sehen. 

Während die Idee der Investitionspläne der NDCs 3.0 impliziert, dass ambitionierte NDCs die Voraussetzung für mehr Finanzierung sind, argumentieren Entwicklungsländer umgekehrt: Die Höhe ihrer Klimaziele sei abhängig von der Menge an Klimafinanzierung durch Industrieländer. Die Troika aus den drei COP-Präsidentschaften Vereinigte Arabische Emirate, Aserbaidschan und Brasilien unterstützte dies zu Beginn des Jahres explizit.

Letztlich ist es zweitrangig, ob sich diese Forderung durch das Pariser Abkommen begründen lässt oder nicht. Denn:

  • erstens akzeptieren auch Industriestaaten den immensen Finanzbedarf der Entwicklungsländer für die grüne Transformation, und
  • zweitens können Entwicklungsländer unilateral die Höhe ihrer NDCs von der des NCQG abhängig machen, das nur wenige Monate vor der NDC-Frist beschlossen werden soll. 

Gesucht: Vorreiter und Brückenbauer

Keine diplomatische Initiative wird die strukturellen politischen Probleme alleine lösen. NDC-Diplomatie sollte bestehende Konflikte mildern und versuchen, den Erfolg der COP28 – ermöglicht durch eine progressive Koalition von Industrie- und Entwicklungsländern – zu wiederholen. Auch die Bundesregierung kann dazu beitragen:

  • Brasilien hat als Präsidentschaft der COP30 großes Interesse an ambitionierten NDCs. Die Bundesregierung sollte Brasilien eng in den Aufbau ihrer Multi-Stakeholder-Allianz einbinden und diplomatische Aktivitäten koordinieren. Sie könnten so den Druck auf blockierende Staaten erhöhen und potenzielle Vorreiter ermutigen, ambitionierte NDCs bereits auf der COP29 vorzulegen und eine politische Dynamik für die NDCs zu schaf­fen. Brasilien kann als G20-Präsidentschaft Brücken zu relevanten Prozessen wie der Sustainable Finance Work­ing Group schlagen, um Klima­finanzierung und ambitionierte NDCs in diesem Rahmen als gegenseitig förderlich zu behandeln, anstatt sie gegeneinander auszuspielen.
  • Diplomatischer Fokus bei der Umsetzung des Global Stocktake sollte auf dem Energiepaket liegen, nicht auf der Bewertung einzelner NDCs als 1,5 Grad-kompatibel. Letzteres ist wissenschaftlich fragwürdig und führt schnell zu Verteilungskonflikten um das verbleibende CO₂-Budget. Das Energiepaket hingegen bietet bessere Chancen, Koalitionen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu bilden.

Ob der NDC 3.0-Ansatz die notwendige Kurskorrektur in der internationalen Klimapolitik einleiten kann, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die Herausforderung ist riesig.

Ole Adolphsen, Jule Könneke und Dr. Sonja Thielges arbeiten als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu internationaler Klimapolitik. Der Beitrag ist aus einem in der Reihe SWP-Aktuell veröffentlichten Text entstanden.

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mehr als 47.000 Menschen sind in Europa im letzten Jahr an den Folgen hoher Temperaturen gestorben – wenn man die Zahlen der vergangenen neun Jahre vergleicht, waren es nur 2022 mehr. Auch dieser Sommer ist vielerorts in Europa sehr heiß. In Griechenland haben die hohen Temperaturen aktuell zu einem Waldbrand geführt, der sich in rasantem Tempo ausbreitet und die Hauptstadt Athen bedroht. Schon heute sind solche Nachrichten fast alltäglich. Wird der Kampf gegen die Klimakrise nicht beschleunigt, könnten sie in Zukunft noch häufiger werden.

    In Argentinien bremst Javier Milei die Klimapolitik seit mehr als einem halben Jahr stark aus. Der Präsident leugnet den Klimawandel und sympathisiert mit Donald Trump. Milei hat das Umweltministerium aufgelöst und die Förderung für fossile Rohstoffe aufgestockt. Unklar bleibt vorerst, wie sich das Land in der internationalen Klimapolitik ausrichten wird. Welche Szenarien drohen und wie sehr Milei die Klima- und Umweltpolitik aushöhlt, hat Lisa Pausch recherchiert.

    In Deutschland verkaufen sich unterdessen E-Autos weiter schlecht. Der negative Trend des ersten Halbjahres setzt sich auch im Juli fort. Während die Bundesregierung weiter am 15-Millionen-Ziel – so viele E-Autos sollen 2030 auf Deutschlands Straßen fahren – festhält, sind Experten weniger optimistisch. Sie schlagen daher einen 5-Punkte-Plan vor, über den Carsten Hübner berichtet.

    Aus der Weltpolitik lesen Sie außerdem über Chinas vorsichtig hoffnungsvollen Emissionsrückgang, über Australiens problematische Emissionsbilanz und über die US-Großprojekte des Inflation Reduction Act, von denen einige auf Eis liegen.

    Behalten Sie einen kühlen Kopf während der heißen Tage!

    Ihr
    Lukas Bayer
    Bild von Lukas  Bayer
    • Inflation Reduction Act

    Analyse

    Argentinien: So entkernt Präsident Milei die Umwelt- und Klimapolitik

    Javier Milei bei der Eröffnung einer Landwirtschaftsschau im Juli in Buenos Aires.

    Acht Monate nach Präsident Javier Mileis Amtsantritt erlebt die Klima- und Umweltpolitik in Argentinien einen deutlichen Rückschlag. Das Umweltministerium existiert nicht mehr, seine Zuständigkeiten wurden undurchsichtig auf Abteilungen im Außenministerium und den Sekretariaten für Energie und Inneres verteilt. Die Finanzmittel für Umweltpolitik sanken laut einem Bericht um rund 65 Prozent. Dafür fördert die argentinische Regierung noch energischer die Förderung fossiler Brennstoffe.

    Präsident Milei leugnet den Klimawandel und hofiert die US-Republikaner. Allerdings spricht er nicht von einem Austritt aus dem Pariser Abkommen. Wie sich das Land in der globalen Klimapolitik ausrichtet, ist noch unklar und könnte sich erst auf der COP29 nach den Wahlen in den USA entscheiden. Experten sehen aber zwischen den politischen Lagern den Konsens für eine notwendige Energiewende zerbrochen.

    Steuererleichterungen für Fossile und Bergbau

    Weil Präsident Milei keine Mehrheit im Parlament hat, hat seine Regierung ein halbes Jahr gebraucht, um ihr erstes großes Gesetzespaket durchs Parlament zu bringen. Es sieht unter anderem massive Steuererleichterungen über 30 Jahre für Großinvestitionen in den Bereichen Bergbau, fossile Brennstoffe und Agrarwirtschaft vor – aber kaum Auflagen zum Umweltschutz. Das Gesetz sollte ursprünglich auch wirtschaftliche Aktivitäten im Umfeld von Gletschern und in Wäldern erleichtern. Doch war die Kritik daran so groß, dass dieser Teil gestrichen wurde.

    Weiter setzt das Gesetz auf großzügige Steueranreize für den Export natürlicher Rohstoffe wie Öl, Gas und Lithium. Auch die Vorgängerregierung hatte Investoren Vorteile eingeräumt, aber nicht derart großzügige Geschenke verteilt. Kritiker befürchten, dass Gewinne noch stärker als bisher ins Ausland abfließen, während die Bevölkerung die Umweltkosten trägt.

    Der Hafen von Punta Colorada im Norden Patagoniens etwa steht spätestens seit August 2022 im Fokus der Ölindustrie. Damals hatte die Provinzregierung in Rio Negro ein Gesetz aus den 1990er-Jahren gekippt, das die Küste vor Erdölprojekten schützte. In der Gegend will der teilstaatliche argentinische Ölkonzern YPF nun gemeinsam mit dem malaysischen Unternehmen Petronas eine Anlage zum Export von Flüssiggas bauen. Empfänger dürfte auch Deutschland werden. Doch die Region gilt als Kinderstube für Wale, und in ihrer unmittelbaren Nähe befindet sich das UNESCO-Weltnaturerbe auf und um die Halbinsel Valdés. Die Pläne für eine Pipeline zum Export von Rohöl aus dem 500 Kilometer entfernten Gebiet Vaca Muerta entstanden allerdings schon vor Mileis Amtszeit.

    Dutzende Umweltorganisationen warnen, in Zukunft könnten Investoren etwa über die Gerichte gegen Regeln vorgehen, die geförderte Investitionen einschränken.

    Widerspruch: Klimaplan und Nutzung von Öl und Gas

    Diskussionen um die Frage, inwiefern Argentinien von seinen riesigen Öl- und Gasreserven profitieren sollte, sind nicht neu. Es gibt seit Jahren einen Widerspruch zwischen dem Versprechen im argentinischen NDC, 2030 nicht mehr als 349 Millionen Tonnen CO₂ zu emittieren, und dem Versprechen an die argentinische Bevölkerung, die Wirtschaft über den Export fossiler Brennstoffe wieder auf die Beine zu stellen.

    “Seit 2015 haben die Regierungen beider politischer Lager die Energiewende auf die Agenda gesetzt. Seitdem wurden erste Instrumente für die Umsetzung entwickelt. Ich glaube, dieser Prozess wurde nun gestoppt“, sagt Christopher Kiessling. Der argentinische Sozialwissenschaftler forscht zur Umwelt- und Klimapolitik in Argentinien und Brasilien.

    Keine Ansprechpartner für Klimapolitik mehr

    Mileis Vorgänger Alberto Fernández betonte vor den Vereinten Nationen noch die Notwendigkeit, Emissionen im Energiesektor zu senken. Aber auch er hob gleichzeitig vor dem Parlament das Potenzial von Öl und Gas aus Vaca Muerta und der neu gebauten Gaspipeline hervor. Um diese Spannung aufzulösen, forderte die argentinische Delegation internationale Zuschüsse für die lokale Energiewende. Milei dagegen hat den Klimawandel in seiner Rede vor dem Kongress nicht einmal erwähnt, bezeichnet ihn sonst als “Erfindung des Sozialismus” und ist an Emissionen höchstens dann interessiert ist, wenn sie sich mittels Kohlenstoffzertifikaten zu Devisen machen lassen.

    Mit der Auflösung des Umweltministeriums fielen auf Bundesebene zudem Fachkräfte weg. “Heute haben die Provinzen keine institutionellen Ansprechpartner, um ihre Klimaaktionspläne überprüfen zu lassen, so wie es im Klimaschutzgesetz vorgesehen ist”, sagt Kiessling. Das im Gesetz festgeschriebene Nationale Kabinett für Klimawandel habe sich seit Mileis Amtsantritt nicht mehr getroffen. Das 2016 gegründete Gremium erstellt auf nationaler Ebene Aktionspläne zu den Verpflichtungen des Pariser Abkommens.

    Allerdings hat Milei bisher nicht wie sein ideologischer Verbündeter Donald Trump den Austritt aus dem Pariser Abkommen verkündet. Und überraschend hatte Milei im Dezember 2023 die COP-erfahrene Marcia Levaggi zur Klimakonferenz nach Dubai geschickt. Sie erklärte dort, man wolle “die Gewissheit vermitteln, dass Argentinien Teil des Pariser Abkommen bleibt”.

    Argentinien bleibt im Pariser Abkommen – vorerst

    Christopher Kiessling schätzt, dass das Abkommen der Regierung zumindest kurzfristig keine Nachteile verschafft. Mittelfristig könne ein Ausstieg aber immer noch folgen. “Gleichzeitig dürfte der größte internationale Druck dagegen aus Brasilien kommen”, sagt Kiessling. Seit 2016 arbeiten beide Länder als Teil der Klimakoalition Grupo Sur bei den internationalen Verhandlungen zusammen – und profitieren davon.

    Argentiniens Standpunkt zur Klimapolitik dürfte zudem vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA abhängen. Seit seinem Amtsantritt hat Milei elf Reisen unternommen, fünf davon in die USA. Kein einziges Mal traf er Präsident Joe Biden, umschmeichelte dafür Trump und trat neben ihm bei Konferenzen der Konservativen und Rechten auf. “Die COP29 in Baku dürfte eine Bewährungsprobe werden”, sagt Kiessling. Wie groß die argentinische Delegation sein wird und wer die Verhandlungen führen wird, ist – wie so vieles – bislang offen. Von Lisa Pausch, Buenos Aires

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    Elektroautos: Wie das 15-Millionen-Ziel noch zu erreichen ist

    Ladenhüter E-Mobile: Bislang hängen deutsche Verbraucher am Verbrenner.

    Elektroautos verkaufen sich in Deutschland weiterhin schlecht. Das zeigen aktuelle Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes. Demnach wurden im Juli 2024 nur etwas mehr als 30.000 Elektroautos neu zugelassen. Das entspricht einem Anteil von rund 13 Prozent an allen Neuzulassungen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist das ein Rückgang um fast 37 Prozent.

    E-Autos: “Deutschland ist der kranke Mann Europas.”

    Damit setzte sich der negative Trend des ersten Halbjahres fort. Benzin- und Dieselfahrzeuge konnten dagegen leicht zulegen. Die durchschnittlichen CO₂-Emissionen der neu zugelassenen Personenwagen stiegen auf 121 Gramm pro Kilometer.

    Deutschland entwickelt sich nach Einschätzung der Organisation Transport and Environment (T&E) zum Bremsklotz der E-Mobilität in der EU. “Deutschland ist der kranke Mann Europas, wenn es um E-Autos geht”, sagt Susanne Goetz, Referentin für E-Mobilität bei T&E Deutschland. Eine Analyse der EU-weiten Absatzzahlen zeige, dass die Verkäufe in den 27 Mitgliedstaaten insgesamt um etwas mehr als ein Prozent gestiegen seien. Ohne Deutschland wären es mehr als neun Prozent gewesen.

    15-Millionen-Ziel rückt in weite Ferne

    Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP wurde vereinbart, Deutschland zum “Leitmarkt für Elektromobilität” zu machen. Dazu sollen bis 2030 mehr als 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Dies erscheint jedoch zunehmend unrealistisch. Anfang des Jahres waren es erst gut 1,4 Millionen. Der Bestand müsste sich also mehr als verzehnfachen.

    Der Think-Tank Agora Verkehrswende hat errechnet, dass dafür in den nächsten Jahren täglich 5.500 Elektroautos neu zugelassen werden müssten. Im ersten Halbjahr 2024 waren es nur 1.012 am Tag.

    Agora Verkehrswende rechnet 9 Millionen E-Autos bis 2030

    Angesichts der schwachen Marktentwicklung werde das Ziel von 15 Millionen E-Autos voraussichtlich um rund sechs Millionen Fahrzeuge verfehlt, heißt es in der Studie “Letzte Chance für 15 Millionen E-Autos bis 2030”, die gerade von Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) vorgelegt wurde.

    “Damit wäre nicht nur das Emissionsziel für den Verkehrssektor für 2030 in weite Ferne gerückt; gefährdet wäre auch das langfristig übergreifende Ziel, sämtliche Lebensbereiche in Deutschland bis 2045 klimaneutral zu gestalten.” Zudem geriete “der unvermeidbare Strukturwandel der Automobilwirtschaft in Turbulenzen”, warnen die Autoren.

    Bundesregierung hält an 15-Millionen-Ziel fest

    Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) teilte auf Anfrage mit, man halte am Ziel von 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 fest. “Diese Zielmarke ergibt sich aus der notwendigen CO₂-Reduktion im Verkehrsbereich, folgt aber nicht staatlichen Planvorgaben, sondern muss marktwirtschaftlich erreicht werden”, so eine Sprecherin. Das BMDV verfolge daher einen technologieoffenen Ansatz, damit auch andere Optionen wie Brennstoffzellen-Antriebe und E-Fuels zum Klimaschutz beitragen können.

    Fehlende Modelle und widersprüchliche Kommunikation

    Die Ursachen für die Hängepartie sind zu weiten Teilen hausgemacht. Ein wichtiger Faktor ist, dass auf dem traditionell konservativen Automarkt in Deutschland preisgünstige Einstiegsmodelle heimischer Hersteller fehlen.

    Ein anderer, dass E-Autos noch immer deutlich teurer sind als vergleichbare Fahrzeuge mit Diesel- oder Benzinmotor. Trotzdem hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr den sogenannten Umweltbonus abgeschafft – im September zunächst für gewerbliche Kunden, im Dezember dann überraschend auch für private Käufer. 

    Hinzu kommt, dass die Ampel-Koalitionäre widersprüchliche Signale zum Verbrenner-Aus aussenden. Eine EU-Verordnung aus dem letzten Jahr sieht vor, dass ab 2035 keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden dürfen. Einzige Ausnahme: Fahrzeuge, die ausschließlich mit E-Fuels oder Biokraftstoffen betrieben werden können. Genau darauf pocht die FDP unter dem Stichwort Technologieoffenheit, während SPD und Grüne weiterhin ihren Fokus auf die Elektromobilität richten.

    Deutsche Hersteller investieren wieder in Verbrenner

    Dies trägt nicht nur zur Kaufzurückhaltung bei, sondern verunsichert auch die Automobilindustrie. Ohne klare politische und regulatorische Rahmenbedingungen sinkt ihre Bereitschaft, Milliardeninvestitionen allein in die Elektromobilität zu lenken – zumal sich mit Verbrennern weiterhin gute Geschäfte machen lassen.

    Eine Rückwärtsbewegung ist bereits unübersehbar. Nach Mercedes-Chef Ola Källenius hat kürzlich auch VW-Finanzvorstand Arno Antlitz angekündigt, weiter in die Verbrennertechnologie investieren zu wollen. Neben 120 Milliarden Euro für die Elektrifizierung und Digitalisierung seien bis 2028 auch 60 Milliarden Euro eingeplant, um “Verbrennungsmotoren auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten”, sagte Antlitz gegenüber Auto Motor und Sport.

    5-Punkte-Plan des ACE

    Der Automobilclub ACE hat einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, um das anvisierte 15-Millionen-Ziel doch noch zu erreichen. “Ein klares Bekenntnis zur Elektromobilität, untermauert mit den richtigen politischen Maßnahmen”, könne dafür das nötige Vertrauen schaffen, so der ACE-Vorsitzende Stefan Heimlich. Der Plan umfasst:

    • Soziale Kaufprämie: Um Mitnahmeeffekte zu verringern, soll es eine einkommensabhängige Förderung für E-Autos bis zu einem Anschaffungspreis von 35.000 Euro geben.
    • CO₂-Abgabe: Zur Finanzierung der Kaufprämie soll eine CO₂-Abgabe bei Erstzulassung eines Fahrzeugs erhoben werden, die sich am CO₂-Ausstoß orientiert.
    • Dienstwagenbesteuerung: Klimaschädliche Dienstfahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Plug-In-Hybride sollen mit zwei Prozent besteuert werden.
    • Unternehmensförderung: Um auch bei den Flotten höhere BEV-Quoten zu erreichen, soll es eine Sonderabschreibung in Höhe von 50 Prozent im ersten Jahr geben.
    • Abschaffung des Dieselprivilegs: Die Energiesteuer auf Diesel sollte stufenweise bis 2030 auf das Niveau des Energiesteuersatzes für Benzin angehoben werden.

    Agora rät zur verstärkten Kooperation mit chinesischen Herstellern

    Die Denkfabrik Agora Verkehrswende geht noch einen Schritt weiter und bringt eine engere Zusammenarbeit mit chinesischen Herstellern ins Spiel. “Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen”, schlägt Agora-Direktor Christian Hochfeld vor.

    Gleichzeitig biete sich so die Chance, Entwicklungsrückstände in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen aufzuholen. “Gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge können chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen. Dies sollten die Bundesregierung und die EU bei den Verhandlungen über Importzölle auf Elektroautos aus China berücksichtigen”, so Hochfeld.

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    News

    USA: Warum viele Energiewende-Projekte auf Eis liegen

    Einige der größten Projekte, die im Rahmen des Inflation Reduction Acts (IRA) und des Chips and Science Acts angekündigt wurden, sind einer Recherche der Financial Times (FT) zufolge um mehrere Monate oder Jahre verschoben worden. Einige lägen sogar auf unbestimmte Zeit auf Eis.

    Die FT-Recherche umfasst 114 Projekte mit einem Investitionsumfang von jeweils mindestens 100 Millionen US-Dollar. Zusammengenommen stehen die analysierten Vorhaben für Investitionen in Höhe von rund 228 Milliarden US-Dollar. Manche der recherchierten Verzögerungen seien bislang noch nicht öffentlich, schreiben die FT-Reporterinnen. Zu den größten Projekten in Wartestellung gehört demnach eine Fabrik für Solarpanel von Enel in Oklahoma (Investitionshöhe: eine Milliarde US-Dollar), eine Batteriespeicheranlage von LG Energy Solution in Arizona (2,3 Milliarden US-Dollar) und eine Lithiumraffinerie des Chemiekonzerns Albemarle in South Carolina (1,3 Milliarden US-Dollar).

    Unsicherheit im entscheidenden Wahljahr

    Die Verzögerungen stellten “Bidens Wette” infrage, “dass ein industrieller Wandel den USA, die ihre Produktion seit Jahrzehnten ins Ausland verlagert haben, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Erträge bringen kann”, schreibt die FT. Daneben könnten sie es für Vizepräsidentin Kamala Harris erschweren, bei den Präsidentschaftswahlen im November Stimmen aus der Arbeiterschaft zu gewinnen.

    Die von der Zeitung befragten Unternehmen nennen als Ursachen für ihre gegenwärtige Zurückhaltung:

    • schlechtere Marktbedingungen wie beispielsweise fallende Preise und steigende Kosten,
    • eine rückläufige Nachfrage
    • und die Unsicherheit in einem Wahljahr, von dem viel abhängen würde.
    • Ein weiterer Grund sind unklare Förderbedingungen.

    Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, den IRA im Falle seines Wahlsiegs im November “zu beenden”. Der Solarhersteller VSK Energy habe deshalb Pläne für Investitionen in Höhe von 250 Millionen US-Dollar und die Schaffung von 900 Arbeitsplätzen in Brighton, Colorado, aufgegeben, schreibt die FT. Nun suche das Unternehmen nach Standorten in einem republikanisch geprägten Bundesstaat im Mittleren Westen, um sich abzusichern. Im Fall der Fälle wolle man “wahrscheinlich in einem roten [republikanisch regierten] Bundesstaat sein”, zitiert die Zeitung einen Manager, damit jemand aus der Partei des Präsidenten “für Sie und Ihre Rechte kämpft”. ae

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    Australien: So stark treiben fossile Exporte die Emissionen

    Australien verursacht deutlich mehr Emissionen als andere Länder mit vergleichbarer Bevölkerungsgröße. Im Jahr 2022 war das Land für 4,5 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. 80 Prozent davon entfielen allerdings auf Exporte fossiler Brennstoffe. Das ist das Ergebnis eines Berichts der NGO Climate Analytics, der am Sonntag veröffentlicht wurde.

    Demnach ist Australien der drittgrößte Exporteur fossiler Brennstoffe, hinter Russland und den USA. Bei LNG hat Australien etwa seine Exportkapazitäten zwischen 2015 und 2020 verdoppelt, heißt es im Bericht. Japan, China, Südkorea und Indien seien die größten Abnehmer von LNG und ebenso von Kohle. Die Analysten sehen derzeit kein Zeichen dafür, dass Australiens Regierung die fossilen Exporte zurückfahren werde. Sie rechnen vielmehr mit einem Anstieg der kumulierten CO₂-Emissionen Australiens um weitere 15 Milliarden Tonnen bis 2035, auf insgesamt 45 Milliarden Tonnen CO₂. lb

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    Globale Ziele: Windenergie nicht auf Verdreifachungs-Kurs

    Auf der COP28 in Dubai vereinbarten die Staaten, die weltweiten Kapazitäten erneuerbarer Energien von 2022 bis 2030 zu verdreifachen. Jetzt zeigt eine Analyse des Thinktanks Ember für die Windkraft: Die nationalen Ausbauziele laufen zwar auf deutlich mehr als eine Verdopplung der Kapazitäten hinaus. Das sei auch realisierbar, wie die Autorinnen und Autoren des Berichts schreiben. Aber eine Verdreifachung werde durch die nationalen Ziele eben nicht erreicht. Ember zufolge lag die weltweite Windkraftkapazität im Jahr 2022 bei 901 Gigawatt (GW). Durch die nationalen Ausbauziele würde sie bis 2030 um den Faktor 2,4 auf 2.157 Gigawatt steigen.

    Der Bericht analysiert die Wind-Ausbauziele im Stromsektor von 70 verschiedenen Ländern und der EU als Block. Dadurch werden Ember zufolge 99 Prozent der gegenwärtigen globalen Windkraftkapazitäten abgedeckt.

    Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA), Bloomberg NEF und des Global Wind Energy Council (GWEC) gingen “übereinstimmend davon aus, dass die weltweite Windkraftkapazität im Jahr 2030 etwa 2.100 GW erreichen wird, ein Wert, der der Summe der nationalen Ziele entspricht”, schreiben die Autorinnen und Autoren. Doch dabei würden rund 70 Prozent der untersuchten Länder ihre Ziele voraussichtlich verfehlen. Ausgeglichen werde das vor allem durch den Zubau von Windkraftanlagen in China. Das Land übertreffe sein Ziel: Zwischen 2024 und 2030 werde es vermutlich mehr als 50 Prozent der weltweiten Windkraftanlagen installieren und damit die nationale “Windkraftkapazität zwischen 2022 und 2030 voraussichtlich fast verdreifachen”.

    Die Internationale Energieagentur (IEA) habe in ihrer aktualisierten Net-Zero-Roadmap “bereits die Erwartungen für mehr Wachstum von der Windkraft auf die Solarenergie verlagert”, heißt es in dem Report. Der Solarsektor “verfolgt bereits ein ehrgeiziges Ziel und wird so wahrscheinlich nicht in der Lage sein, ein Defizit bei der Winderzeugung auszugleichen”. Die analysierten nationalen Ziele kommen aus verschiedenen Quellen, beispielsweise nationalen Strategien, offiziellen Projektionsdaten oder “glaubwürdigen Studien dritter Parteien”. Ember gibt im 2030 Global Renewable Target Tracker eine Übersicht. ae

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    China: CO₂-Emissionen sinken erstmals seit Pandemie

    Chinas CO₂-Emissionen sind im zweiten Quartal um ein Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Nach Angaben des China-Experten Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air ist dies der erste Quartalsrückgang seit dem Ende der Null-Covid-Politik. Diese hatte Chinas Produktionstätigkeit lange Zeit deutlich gedrosselt; seither erholt sich die Wirtschaft schrittweise, wodurch auch die Emissionen wieder angestiegen waren. Offizielle Zahlen und Wirtschaftsdaten deuteten darauf hin, dass China auch im Gesamtjahr 2024 weniger CO₂ ausstoßen werde als 2023, schreibt Myllyvirta in einem Beitrag für den Fachdienst Carbon Brief. Allerdings macht der Emissionsanstieg im ersten Quartal die Reduktion im zweiten Quartal zunichte, womit das erste Halbjahr 2024 netto einen Emissionsanstieg von rund drei Prozent verbucht.

    Offiziell peilt China den Emissionsgipfel erst bis 2030 an – doch Experten hoffen auf eine frühere Wende. Myllyvirta weist in dem Beitrag auf einige Indikatoren hin. Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie etwa sei im ersten Halbjahr um 171 Terawattstunden (TWh) gestiegen, was mehr ist als die gesamte Stromerzeugung von Großbritannien im ersten Halbjahr 2023. Die Zunahme von Elektroautos auf den Straßen reduziere die Nachfrage nach Benzin. Auch seien die CO₂-Emissionen aus der Energienutzung und der Zementproduktion im zweiten Quartal um jeweils ein Prozent gesunken. Im Januar und Februar waren diese noch stark angestiegen.

    Chinas Energieverbrauch steigt aufgrund der wachsenden Wirtschaft noch immer an, während sich die CO₂-Emissionen pro BIP-Einheit verbessern. Im ersten Quartal blieb die Effizienzverbesserung allerdings laut Myllyvirta hinter den Zielen Pekings zurück. Allerdings deutet sich derzeit ein Paradigmenwechsel an: China will statt der Effizienzziele erstmals eine harte Emissionsobergrenze festlegen. Der Staatsrat hat dazu Ende letzter Woche ein Arbeitsprogramm vorgelegt. ck

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    Amprion: Große Investition gegen Netzengpässe

    Windstrom aus Norddeutschland und der Nordsee kann künftig effizienter in den Süden transportiert werden: Am Montag haben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (beide Grüne) zusammen mit den Geschäftsführern des Übertragungsnetzbetreibers Amprion in Lingen einen Phasenschiebertransformator in Betrieb genommen. Dieser könne “schon mit der bestehenden Infrastruktur enorme Kosten reduzieren“, sagte Habeck, und dafür sorgen, “dass der Strom besser fließt”.

    Mit dem Gerät, das sich in einer großen Umspannanlage direkt neben dem abgeschalteten Atomkraftwerk Emsland befindet, kann künftig festgelegt werden, wie viel Strom über welche von mehreren parallelen Leitungen fließt. Dies führt zu einer besseren Auslastung der Leitungen, sodass über diese insgesamt mehr Strom transportiert werden kann. Das wiederum hat zur Folge, dass Windkraftwerke seltener wegen fehlender Netzkapazität abgeschaltet werden müssen.

    Netzentgelte sollen sinken

    Die Investitionskosten für den Phasenschiebertransformator liegen laut Amprion bei 24 Millionen Euro. Sie werden über die Netzentgelte umgelegt. Weil die neue Technik aber zugleich zu geringeren Redispatch-Kosten führt, sollen die Netzentgelte alles in allem durch sie nicht steigen, sondern sinken. Redispatch-Kosten würden dann anfallen, wenn wegen fehlender Leitungskapazität Erneuerbaren-Kraftwerke im Norden abgeregelt und im Gegenzug Kohle- oder Gaskraftwerke im Süden hochgefahren werden müssten.

    Wenn noch ein zweiter geplanter Phasenschiebertransformator für weitere 24 Millionen Euro fertiggestellt ist, sollen die Einsparungen laut Amprion bei bis zu 36 Millionen Euro pro Jahr liegen. “Volkswirtschaftlich ist das eine absolut lohnende Investition”, sagte Geschäftsführer Hans-Jürgen Brick. Dass sie erst jetzt getätigt wurde, begründet das Unternehmen damit, dass erst durch den starken Ausbau der Offshore-Windenergie der Bedarf dafür entstanden sei.

    Die Windräder müssen in Zukunft auch aus einem weiteren Grund wohl seltener abgeregelt werden: Ebenfalls am Standort Lingen entsteht ein großer Elektrolyseur, der Wasserstoff aus Windstrom produzieren soll. Die erste Pilotstufe mit einer Leistung von 14 Megawatt wurde von RWE am Montag in Anwesenheit von Habeck und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil symbolisch in Betrieb genommen. Bis 2027 soll die Kapazität auf 300 Megawatt gesteigert werden. Dafür hat RWE vom Bund und vom Land Förderzusagen von rund 490 Millionen Euro erhalten. mkr

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    Wattenmeer: Wie der Klimawandel die Artenvielfalt beeinträchtigt

    Das Wattenmeer verändert sich wegen des Klimawandels im Rekordtempo. Dies ist das Ergebnis eines umfassenden Berichts von rund 30 Forscherinnen und Forschern des Alfred-Wegener-Instituts (AWI). So erhöhe sich im Klimawandel etwa die Temperatur und der Meeresspiegel, was die Gestalt der Küste und den Transport von Sedimenten verändere, erklärt Co-Erstautor Christian Buschmann, der an der AWI-Wattenmeerstation List auf Sylt forscht.

    In den letzten 60 Jahren sei die Oberflächentemperatur des Wattenmeers in der südöstlichen Nordsee um fast zwei Grad gestiegen – doppelt so stark wie der mittlere Anstieg in den Ozeanen. Dabei haben laut AWI vorrangig milde Winter und sehr warme Sommertemperaturen einen großen Einfluss auf das Ökosystem. Insbesondere Hitzewellen mit Temperaturen von drei bis fünf Grad über dem Durchschnitt werden demnach häufiger und dauern länger an. Das beeinflusse Arten im Wasser und am Meeresboden. 

    Kabeljau leidet, eingeschleppte Arten profitieren

    Das Wattenmeer ist für viele Fisch- und Vogelarten wie Hering, Austernfischer und Knutt von großer Bedeutung. Im Zuge des Klimawandels wandern allerdings bestimmte Fischarten polwärts, bodenbewohnende Arten ziehen sich in tieferes und kälteres Wasser zurück. Manche Spezies wie der Kabeljau seien von den Veränderungen besonders betroffen und litten zudem unter Übernutzung. Außerdem beobachte man “einen deutlichen Anstieg an eingeschleppten, wärmeliebenden Arten“, erklärt Buschmann. Diese bedrohten bisher zwar keine heimischen Organismen, führten aber zu einer Veränderung des Lebensraums. “Riesige Riffe pazifischer Austern und hektargroße Unterwasserwälder, gebildet von Algen aus Fernost, sind unmittelbar von jedem Wattwanderer zu erkennen”, sagt der Forscher.

    Ein Stück weit könnten Wattenmeer-Organismen ihr Verhalten und ihr Erscheinungsbild als Reaktion auf direkte Umweltreize anpassen, erklärt die Evolutionsbiologin Lisa Shama, die ebenfalls am Bericht mitgearbeitet hat. Manche Arten seien zum Beispiel zu anderen Zeiten aktiv oder ihre Wachstumsrate ändere sich. Möglich sei auch eine angepasste Fortpflanzung mit mehr Nachwuchs, um mögliche Verluste durch Hitze auszugleichen. dpa/lb

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    Standpunkt

    NDCs 3.0: Der Streit ums Geld gefährdet ehrgeizige Klimaziele

    Von Sonja Thielges, Ole Adolphsen und Jule Könneke
    Sonja Thielges, Ole Adolphsen und Jule Könneke (von links nach rechts).

    Die Debatte um das neue Klimafinanzierungsziel (NCQG) dominiert derzeit die internationale Klimapolitik. Was dabei in den Hintergrund rückt: Bis zum 12. Februar 2025 sollen die nächsten NDCs mit Zielen für 2035 eingereicht werden. UNFCCC-Sekretär Simon Stiell spricht von den bisher “wichtigsten Dokumenten, die in diesem Jahrhundert im multilateralen Kontext erstellt werden”. 

    NDCs sind die zentrale Innovation des Pariser Abkommens: Erstmals verpflichteten sich mit ihnen alle Länder, Minderungsbeiträge zu leisten – nicht nur die Industriestaaten. Der Haken: Die Ziele sind national bestimmt, eine unzureichende Umsetzung wird nicht sanktioniert, und der Fortschritt ist wegen fehlender Transparenz und Vergleichbarkeit schwer messbar. Vollständig umgesetzt, würden derzeitige NDCs zu einer Erwärmung um bis zu 2,6 Grad führen. 

    Was verspricht die dritte Generation der NDCs?

    Die zweite Generation der NDCs brachte vor allem qualitative Fortschritte. Das anstehende Update, von der UN und anderen Akteuren “NDCs 3.0” getauft, soll jetzt durch zwei neue Anforderungen auch einen quantitativen Unterschied machen:

    • Die Empfehlungen der ersten Globalen Bestandsaufnahme (GST) sollen die Basis für die NDCs bilden. Wie auf der COP28 bekräftigt, sollen die NDCs 1,5 Grad-kompatibel sein und die Maßnahmen des Energiepakets umsetzen. Dabei geht es vor allem um die Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen, die Verdreifachung der Erneuerbaren-Kapazität und die Verdoppelung der Energieeffizienzrate bis 2030.
    • Eine Kernidee der “NDCs 3.0” ist zudem, NDCs als Investitionspläne weiterzuentwickeln. Das soll helfen, den konkreten Finanzierungsbedarf der NDCs zu identifizieren, um so dringend notwendiges privates Kapital zu mobilisieren. Unklar bleibt, was genau solche Pläne leisten sollen und können. 

    Debatte um Finanzierung verhärtet die Fronten

    Doch der Ansatz für die neuen NDCs trifft auf ein politisches Problem, das er mit überwiegend technischen Mitteln zu lösen versucht. Es liegt im Verhältnis von Minderung und Finanzierung begründet. Angesichts des geringen verbleibenden CO₂-Budgets für 1,5-Grad-Minderungspfade und der immensen Finanzierungslücke drohen Konflikte um die faire Verteilung von Minderungslasten und deren Finanzierung der Ausgangspunkt internationaler Klimapolitik zu werden – das ist genau die Spannung, die NDCs eigentlich überwinden sollten. Wie sehr die Finanzierungsfrage die Fronten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zunehmend verhärtet hat, war zuletzt auf der Klima-Zwischenkonferenz in Bonn zu sehen. 

    Während die Idee der Investitionspläne der NDCs 3.0 impliziert, dass ambitionierte NDCs die Voraussetzung für mehr Finanzierung sind, argumentieren Entwicklungsländer umgekehrt: Die Höhe ihrer Klimaziele sei abhängig von der Menge an Klimafinanzierung durch Industrieländer. Die Troika aus den drei COP-Präsidentschaften Vereinigte Arabische Emirate, Aserbaidschan und Brasilien unterstützte dies zu Beginn des Jahres explizit.

    Letztlich ist es zweitrangig, ob sich diese Forderung durch das Pariser Abkommen begründen lässt oder nicht. Denn:

    • erstens akzeptieren auch Industriestaaten den immensen Finanzbedarf der Entwicklungsländer für die grüne Transformation, und
    • zweitens können Entwicklungsländer unilateral die Höhe ihrer NDCs von der des NCQG abhängig machen, das nur wenige Monate vor der NDC-Frist beschlossen werden soll. 

    Gesucht: Vorreiter und Brückenbauer

    Keine diplomatische Initiative wird die strukturellen politischen Probleme alleine lösen. NDC-Diplomatie sollte bestehende Konflikte mildern und versuchen, den Erfolg der COP28 – ermöglicht durch eine progressive Koalition von Industrie- und Entwicklungsländern – zu wiederholen. Auch die Bundesregierung kann dazu beitragen:

    • Brasilien hat als Präsidentschaft der COP30 großes Interesse an ambitionierten NDCs. Die Bundesregierung sollte Brasilien eng in den Aufbau ihrer Multi-Stakeholder-Allianz einbinden und diplomatische Aktivitäten koordinieren. Sie könnten so den Druck auf blockierende Staaten erhöhen und potenzielle Vorreiter ermutigen, ambitionierte NDCs bereits auf der COP29 vorzulegen und eine politische Dynamik für die NDCs zu schaf­fen. Brasilien kann als G20-Präsidentschaft Brücken zu relevanten Prozessen wie der Sustainable Finance Work­ing Group schlagen, um Klima­finanzierung und ambitionierte NDCs in diesem Rahmen als gegenseitig förderlich zu behandeln, anstatt sie gegeneinander auszuspielen.
    • Diplomatischer Fokus bei der Umsetzung des Global Stocktake sollte auf dem Energiepaket liegen, nicht auf der Bewertung einzelner NDCs als 1,5 Grad-kompatibel. Letzteres ist wissenschaftlich fragwürdig und führt schnell zu Verteilungskonflikten um das verbleibende CO₂-Budget. Das Energiepaket hingegen bietet bessere Chancen, Koalitionen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu bilden.

    Ob der NDC 3.0-Ansatz die notwendige Kurskorrektur in der internationalen Klimapolitik einleiten kann, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die Herausforderung ist riesig.

    Ole Adolphsen, Jule Könneke und Dr. Sonja Thielges arbeiten als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu internationaler Klimapolitik. Der Beitrag ist aus einem in der Reihe SWP-Aktuell veröffentlichten Text entstanden.

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