Josie-Marie Perkuhn – Über Mexiko nach China 

Josie-Marie Perkuhn ist Projektleiterin "Taiwan als Pionier" an der Universität Trier.
Josie-Marie Perkuhn ist Projektleiterin „Taiwan als Pionier“ an der Universität Trier.

Perkuhns Weg nach China führt zunächst über Mexiko. Sie arbeitet dort 2003 als Au-Pair-Mädchen. In der südmexikanischen Provinz Oaxaca weckt ein Theaterstück über pazifische Seefahrten ihr Interesse an Ostasien. Es bleiben starke Eindrücke zurück; in Deutschland wühlt sich Perkuhn durch die Beschreibungen der Studienfächer und entscheidet sich für Sinologie – und damit „für die größte Herausforderung und das Unbekannte“. Aber ist Sinologie auch eine Entscheidung für China? Nein, sagt Perkuhn. „Sinologie ist eine Entscheidung für den chinesischen Kulturraum.“ 

Das Interesse an diesem Kulturraum steigt nach der Jahrtausendwende in Deutschland stark an, vor allem aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung. Doch Interesse an China übersetzt sich nicht direkt in Chinakompetenz. Perkuhn hat das erkannt und will ihren Beitrag dazu leisten, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft eine bessere Grundlage für ihre Einschätzungen haben.

Das sei heute wichtiger denn je, wie die konkreten Lieferkettenprobleme zeigen. China stellt einen oft vor schwere Entscheidungen. Ohne Solarzellen aus Xinjiang zum Beispiel könne Deutschland die Energiewende nicht meistern. „Es geht daher nicht um den Zhongguotong (Chinaexperten), der weiß, wie man Essen bestellt, sondern darum, dass man das in China Gesagte versteht und Verlinkungen herstellen, kann“.

Chinakompetenz sollte mit Taiwankompetenz einhergehen 

Eine weitere Baustelle, wenn es um Chinakompetenz geht, ist Taiwan. Wissen über Taiwan genieße nicht den nötigen Stellenwert, klagt Perkuhn. Dabei könne Deutschland viel von Taiwans erfolgreichem Umgang mit der Pandemie lernen oder von seiner digitalen Demokratiegestaltung.  

Perkuhn ist jetzt in der besten Position, hier etwas zu bewegen: Seit Anfang 2022 leitet sie das Projekt Taiwan als Pionier (TAP). Angedockt an drei Universitäten und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung soll das TAP die Lücke schließen, die die auf das Festland orientierte Sinologie hinterlässt.

Perkuhn: China vom taiwanischen Gegenmodell bedroht

Außerdem ist Perkuhn Non-Resident-Fellow am Institut für Sicherheitspolitik der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Und damit in Zeiten wachsender Spannungen zwischen der Volksrepublik China und Taiwan eine sehr gefragte Stimme. Für Perkuhn ist wichtig festzuhalten, dass es sich hier nicht nur um einen innerchinesischen Konflikt handele. Vielmehr liegt Taiwan an der globalen Konfliktlinie zwischen Autokratie und Demokratie und damit mitten im Wettbewerb um die „innovationstechnologische Überlegenheit“. Es geht um die Frage, wer das bessere System für die Zukunft hat. Chinas Technik-Diktatur oder Taiwans „partizipative Techniknutzung“? Beide Systeme könnten unterschiedlicher nicht sein. China fühle sich vom taiwanischen Gegenmodell bedroht, glaubt Perkuhn.  

Aber muss das zu Krieg führen? Nicht zwangsläufig. Doch sie betont: „Wenn es in China eine Mehrheit gibt, die sagt, wir gehen da jetzt rein und lösen das Problem in kürzester Zeit, dann käme es zum Krieg. Aber diese Mehrheit gibt es in China noch nicht.“ Damit das so bleibt, sollte auch Deutschland weiter die Hand nach Taiwan ausstrecken und gleichzeitig versuchen, die Hardliner in China zu beschwichtigen, fordert Perkuhn.  Ganz im Sinne der vernetzten Chinakompetenz schaut sie jetzt gespannt auf den anstehenden 20. Parteitag und hofft, dass es auch danach nur bei Drohgebärden gegenüber Taiwan bleibt. Jonathan Lehrer 

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