Herr Heitmann, 2023 war für die HUK-Coburg ein schwieriges und verlustreiches Geschäftsjahr, 2024 haben Sie besser abgeschlossen: Was erwarten Sie für 2025?
Sie haben unseren Geschäftsverlauf richtig eingeordnet. 2025 ist sehr gut angelaufen. Alle Sparten entwickeln sich positiv. In Kfz werden wir unsere Marktführerschaft weiter ausbauen und auch weiter Personal einstellen. Für eine Prognose ist es zwar noch zu früh, weil die Unwettersaison noch vor uns liegt, aber ich bin optimistisch, dass wir 2025 wieder ein gutes Geschäftsjahr erzielen und nahtlos an 2024 anschließen. Insgesamt hat sich unser Kundenbestand 2024 um über 200.000 neue Kundinnen und Kunden auf über 13 Millionen erhöht. Unsere gebuchten Beiträge belaufen sich auf fast zehn Milliarden Euro.
Sie sagen, dass Sie optimistisch auf 2025 blicken? Gibt es dafür besondere Gründe?
Unser Kerngeschäft, die Autoversicherung. Der Jahreswechsel zum 1. Januar ist für uns ein sehr wichtiges Datum. Hier erleben wir bei den Kunden die größte Wechselbereitschaft. Per Saldo verbuchten wir diesmal einen Zuwachs von über 100.000 Kunden, und dies, obwohl wir die Beiträge angehoben haben. Wir versichern jetzt über 14 Millionen Fahrzeuge.
Hinzu kommt: In der Combined Ratio, also dem Verhältnis von Ausgaben und Kosten zu Einnahmen, sind wir 2024 mit 101,7 Prozent zu rund 104 Prozent wieder besser als der Markt und gehen jetzt davon aus, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt.
Sie wollen in Ihrem Kerngeschäft also wieder Geld verdienen?
Natürlich! Die HUK-Coburg soll 2025 bei den Autoversicherungen wieder profitabel werden. Trotz einer neuen Schadenrealität, die geprägt ist von Inflation und zunehmenden Elementarschäden, deuten alle Indikatoren darauf hin. 2023 mussten wir bei den Autoreparaturen und den Autoersatzteilen Teuerungsraten von zehn bis zwölf Prozent verkraften. Dies war eine besondere Belastung. Für das laufende Jahr müssen wir abwarten, wie sich das Schadengeschehen entwickelt und ob sich die Preisanstiege in Grenzen halten. Dies sind wichtige Parameter für unsere Geschäftsentwicklung und auch für die Preise, mit denen wir dann für das Folgejahr kalkulieren.
Die HUK-Coburg war auch immer erfolgreich, weil sie bei den Kfz-Versicherungen bei Schäden mit Partnerwerkstätten zusammengearbeitet hat und dadurch Kostenvorteile erzielen konnte. Hat sich dieses Sicherungssystem überlebt?
Nein, dadurch können wir Vorteile generieren, indem wir unseren Partnerwerkstätten große Volumina zusagen und so ihre Auslastung und damit auch ihre Effizienz erhöhen. Wir profitieren im Gegenzug durch günstigere Stundensätze. Zu beachten ist: unsere Partnerwerkstätten reparieren mit Originalersatzteilen. Wenn die Automobilhersteller die Preise für diese Teile erhöhen, haben sie und wir keinen Einfluss auf die dadurch steigenden Kosten.
Deutschland befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Der Wohlstand nimmt ab. Sparen die Deutschen inzwischen auch an den Versicherungen?
Die HUK ist Kostenführer. Es kommt uns zugute, wenn Menschen Preise vergleichen. Aber wir merken bei der Kfz-Versicherung schon, dass der eine oder andere Kunde eine Vollkasko- in eine Teilkasko-Versicherung umtauscht, um Geld zu sparen. Dahingehend beraten wir unsere Kunden. Wenn ein Auto ein bestimmtes Alter erreicht hat, macht ein Kaskowechsel durchaus Sinn. Dennoch gilt für uns: Wenn potenzielle Kunden in Krisenzeiten stärker vergleichen, ist das für die HUK ein gutes Umfeld, weil wir ein gutes Angebot haben.
Sie versichern keine Flotte, das Firmenkundengeschäft …
… wird bei uns durch unser Tochterunternehmen Neodigital Autoversicherung abgedeckt. Angesichts der ökonomisch schwierigen Situation wird das eine oder andere Unternehmen überlegen, ob es seine Flotte erneuert oder einen Versicherer wählt, der günstigere Konditionen bietet. Deswegen sind wir auch im Firmenkundengeschäft im Vergleich mit unseren Wettbewerbern in einem Verdrängungswettbewerb gut aufgestellt. In unserem HUK-Privatkundengeschäft haben wir zudem einen Vorteil, der uns unsere Wettbewerbsfähigkeit sichert: Wir sind schlank aufgestellt. Wir bezahlen keine teuren Vertriebswege und auch keine Gebühren an Vergleichsportale, dass sie uns listen. Wer sich für die HUK entscheidet, weiß, was er bekommt. Dieses Image haben wir uns über Jahre erarbeitet. Die Kunden vertrauen darauf, dass wir ein Versicherungsunternehmen sind, dass zwar nicht immer das Billigste ist, aber in der Breite sehr gute Konditionen bietet.
Sie sprechen von „schlank aufgestellt“. Dazu dürfte auch Ihre Online-Tochter HUK 24 einen wesentlichen Beitrag leisten, oder?
Die HUK 24 bereitet uns sehr viel Freude. Sie wächst im Konzern überproportional. Die Deutschen werden immer digitaler und sind im Netz vertreten. Das schlägt sich natürlich bei uns nieder. Wir werden in diesem Jahr bei den Kfz-Versicherungen ein Beitragsvolumen von sechs Milliarden Euro erzielen. Die HUK 24 leistet dazu einen wesentlichen Beitrag.
Apropos digital: Der Einsatz von KI ist in vielen Unternehmen ein wichtiges Thema, wie sich jetzt auch auf der Hannover Messe bei der Industrie wieder gezeigt hat. Gilt das auch für HUK?
Ja. Bereits vor drei Jahren haben wir eine neue Abteilung – Data Analytics – gegründet, die sich strategisch und in der Umsetzung um KI-gestützte Lösungen kümmert, um zu besseren unternehmerischen Entscheidungen zu kommen. Das fängt in der Schadenerfassung und -aufarbeitung an, geht über die Preisgestaltung und hört bei der Risikobewertung auf. Wir als Versicherungskonzern haben gewaltige Mengen an Daten zur Verfügung. Wenn wir diese effizient nutzen wollen, brauchen wir die Hilfe von Algorithmen. Deshalb haben wir in diesen Geschäftsbereich in den vergangenen Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag investiert und werden dies auch in den kommenden Jahren fortschreiben.
Der KI-Einsatz wird sich ja nicht nur auf die Autoversicherung begrenzen. Welche Rolle spielt er bei der Sach-, Kranken-, Rechtsschutz oder der Lebensversicherung?
Eine ähnlich große Rolle. Im Autosegment sind wir Marktführer. Aber auch bei den Sach- und Haftpflichtversicherungen und unserer privaten Krankenversicherung haben wir gute Marktpositionen. Entsprechend fallen große Datenmengen an und entsprechend können wir sie zur Risikobewertung oder der Preisgestaltung nutzen. Die KI hilft uns, effizienter zu werden, ob bei der KfZ-, der Rechtsschutz- oder der Gebäudeversicherung.
In den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zeichnet sich ab, dass eine obligatorische Elementarversicherung eingeführt wird. Was halten Sie davon?
Was wir aus den Verhandlungen hören, deckt sich in vielem mit dem, was wir als Verband auch vorgeschlagen haben. Wichtig ist, dass sich Prämien immer am individuellen Risiko orientieren müssen. Gut ist, dass auf Schadenprävention geachtet werden soll und dass der Staat für Extremereignisse eine Staatshaftung vorsieht. Dieses Konstrukt sollte es auch für Cyberangriffe geben.
Haben Elementarschäden in den letzten Jahren durch den Klimawandel zugenommen?
Ja, alle Auswertungen belegen das. Wir sehen das auch in unserer Schadenbilanz. Ein Beispiel: Hagelkörner haben heute zum Teil den Umfang von Tennisbällen, was wesentlich größere Schäden verursacht. Das sind keine Ausnahmen oder Wetterphänomene, das ist inzwischen Realität geworden. In Zahlen: Früher hatten wir bei einem Hagelschaden eine durchschnittliche Schadensumme von 2.000 Euro, bis maximal 3.500 Euro. Heute sind dies bis zu 6.000 Euro. Das zeigt, wie der Klimawandel durchschlägt und die Versicherer belastet.
Was bedeutet das für die Beitragssätze?
Auch ein Versicherungsunternehmen muss profitabel sein. Wir müssen die Schäden bezahlen, bilden dafür Rücklagen und preisen sie in die Beiträge ein. Bei der Autoversicherung sind Elementarschäden in der Kaskoversicherung enthalten. Noch machen sie einen Anteil von etwa zehn Prozent der Kaskobeiträge aus. Dennoch ist er in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.
Über die Elementarversicherung in den Koalitionsverhandlungen haben wir ja bereits gesprochen. Was erwarten Sie generell von der neuen Regierung?
Die neue Bundesregierung muss es schaffen, den Wachstumsmotor in Deutschland wieder anspringen zu lassen. Das hilft allen Branchen. Dafür sind aber mutige Reformen in den Sozialsystemen, dem Arbeitsmarkt und vor allem viel weniger Bürokratie notwendig. Das ist die Aufgabe, die Union und SPD jetzt stemmen müssen, über Parteigrenzen hinweg, zum Wohl des Landes. Wir brauchen eine Aufbruchstimmung, um wieder mit Innovationen in die Leistungsspitze der Industrieländer vorzustoßen. Wir im Konzern beschäftigen uns zudem intensiv mit der Mobilität der Zukunft, wie diese für Menschen bezahlbar bleibt und wem die Daten aus dem Auto gehören sollten. Aber eben auch mit autonomem Fahren: In diesem Zukunftsfeld hinken wir als Autonation hinterher. Das ist nicht gut. Es ist sicherlich auch eine Frage des notwendigen Rechtsrahmens. Aber wenn der Staat in solch wichtigen Zukunftsfragen so langsam handelt, dürfen wir uns nicht wundern, dass uns andere Nationen überholen.
Klaus-Jürgen Heitmann absolvierte nach Abitur und Bundeswehr eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann bei der Concordia Versicherung in Hamburg. Danach studierte er an der Universität Karlsruhe Wirtschaftsingenieurswesen mit Schwerpunkt Volkswirtschaft. Anfang 2003 wechselte er zur HUK-Coburg und ist seit August 2017 Vorstandssprechers der Versicherungsgruppe.