Table.Briefing: Bildung

Wie die AfD Schulpolitik verändern könnte + Einsparvorgaben für BMBF und BMFSFJ 2025 + Lob für die KMK

Liebe Leserin, lieber Leser,

was wäre, wenn …? Diese Frage stellt sich immer drängender mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September. Was wäre, wenn die AfD an die Regierung kommt? Angesichts von aktuellen Umfragewerten um die 30 Prozent lässt sich trotz Beteuerungen der anderen Parteien ein solches Szenario nicht ausschließen. Und was wäre, wenn die AfD dann das Kultusministerium bekäme? Wie könnte sie Schulen verändern? Diese Fragen habe ich mir von Felix Hanschmann, Rechtswissenschaftler an der Bucerius Law School in Hamburg, beantworten lassen. Beruhigend ist es nicht, was er dazu sagt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft setzt vor allem auf Aufklärung. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern hat nun Lehrkräfte dazu aufgerufen, sich im Unterricht kritisch mit der AfD auseinanderzusetzen. Es sind noch 21 Wochen bis zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, noch 24 Wochen, bis in Brandenburg gewählt wird. Viel Zeit bleibt nicht mehr – auch nicht für das Prinzip Hoffnung.

Nur noch zwei Tage sind es hingegen, bis Sie das nächste Briefing von Bildung.Table im E-Mail-Postfach haben. Ab jetzt versorgen wir Sie wie gewohnt nicht nur mittwochs, sondern auch freitags mit den wichtigsten Neuigkeiten, Trends und Hintergründen zu Bildungspolitik, Schulentwicklung und Ausbildung. Zum einen ist unser Mittwoch-Briefing über die Zeit einfach zu umfangreich geworden, und wir wollen ja nicht, dass Sie sich “einen Wolf scrollen”. Zum anderen können wir Sie so noch besser über aktuelle Ereignisse informieren.

Ich wünsche Ihnen für heute eine anregende Lektüre und Vorfreude auf das zweite Briefing der Woche am Freitag!

Ihre
Annette Kuhn
Bild von Annette  Kuhn

Analyse

Wahl in Ostdeutschland: So könnte die Schulpolitik durch eine mitregierende AfD betroffen sein

Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Brandenburg

Herr Prof. Hanschmann, stellen wir uns dieses Szenario vor: Nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen oder Thüringen regiert die AfD mit. Würde sie das Kultusministerium kapern?

Felix Hanschmann: Ich denke, das Kultusministerium ist eines der für die AfD interessanten Ministerien. Das entnehme ich Verlautbarungen von AfD-Politikern, die das Bildungsthema immer wieder starkmachen. In dem 30-minütigen MDR-Sommerinterview mit Björn Höcke im vergangenen Jahr ging es die meiste Zeit um Bildung. Ich entnehme es auch dem Parteiprogramm der AfD, in dem Bildung eine große Rolle spielt. Ich glaube das auch deshalb, weil die AfD über das Kultusministerium Einfluss auf junge Menschen bekommt. Und ein letzter Punkt: Die Schulpolitik ist der Bereich, in dem man relativ viel abseits parlamentarischer Gesetze über Verordnungen und über Verwaltungsvorschriften regeln kann.

Wie konkret nehmen Kultusministerien Einfluss auf das, was an den Schulen geschieht?

Das Schulgesetz selbst ist nicht so leicht veränderbar, das ist ein parlamentarisches Gesetz. Für Änderungen bräuchte es in der Regel eine einfache Mehrheit. Aber das Schulgesetz ist nur der Rahmen. Ein Großteil schulischer Fragen ist nicht im Schulgesetz geregelt, sondern in Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Die kann das Kultusministerium selbst erlassen und ändern. Bei Schule haben wir es also mit einem Bereich zu tun, der hochgradig geprägt ist von der Exekutive, also von einer nur mittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebung. Und das macht es für die AfD sehr interessant, denn sie ist hier nicht auf Mehrheiten im Parlament angewiesen. Und sie kann relativ abgeschottet agieren.

Die AfD könnte Verordnungen ändern, ohne dass die Öffentlichkeit das mitbekommt

Was meinen Sie damit?

Diskussionen im Parlament sind viel transparenter. Möglicherweise wird eine Parlamentsdebatte auch im Fernsehen übertragen, Journalisten berichten jedenfalls darüber. Bei der Exekutiven ist das nicht der Fall. Wenn das Kultusministerium Verordnungen erlässt, ist das in viel stärkerem Maße ein nichtöffentlicher Prozess. Verwaltungsvorschriften des Kultusministeriums müssen in der Regel nicht einmal veröffentlicht werden.

Felix Hanschmann
Der Rechtswissenschaftler Felix Hanschmann lehrt und forscht an der Bucerius Law School in Hamburg.

Welche Bereiche sind über Verordnungen und Verwaltungsvorschriften geregelt?

Das reicht von Lehr- und Bildungsplänen sowie Stundentafeln über die Auswahl und Beschaffung von Lehrmaterialien und der Zulassung von Schulbüchern bis hin zu Lehrerfortbildung und Mitwirkungsrechten von Eltern, Schülern und Lehrern. Auch die schulische Gremienarbeit wird über Verordnungen geregelt. Und selbst über Anforderungen an das Personal entscheidet das Kultusministerium.

Welche konkreten Auswirkungen hat das?

Es gibt kein Fach, das nicht betroffen sein könnte. Zu Sexualkunde hat sich die AfD in ihrem Parteiprogramm klar positioniert mit dem Tenor: Man dürfe Kinder nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden lassen. Im Geschichtsunterricht können historische Phasen neu gewichtet und interpretiert werden. Im Deutschunterricht geht es um die Wahl der Literatur: Lesen die Schüler in der zehnten Klasse Bertolt Brecht oder Ernst Jünger?

Hanschmann warnt: Die AfD könnte Schule innerhalb weniger Wochen verändern

Wie lange dauert es, bis Änderungen von Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften wirksam werden?

Im Gegensatz zur parlamentarischen Gesetzgebung, die eher schwerfällig ist, weil unter Umständen mehrere Ausschüsse beteiligt sind und möglicherweise Anhörungen stattfinden, sind Änderungen bei Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften wesentlich einfacher und schneller umsetzbar. Das kann innerhalb weniger Wochen geschehen.  

Wenn nun die AfD ein Kultusministerium führt und vieles über den Haufen wirft – kann man sich dagegen wehren?

Da muss man zwischen den einzelnen Akteuren differenzieren. Schulen sind relativ schwach, weil sie aus juristischer Perspektive keine rechtsfähigen Einrichtungen des Staates sind. Das heißt, eine einzelne Schule hat keine eigene Rechtsfähigkeit und kann zum Beispiel auch nicht klagen. Eine Schule ist außerdem eingebunden in einen hierarchischen Verwaltungsaufbau. Über der einzelnen Schule steht die Schulaufsichtsbehörde und über der Schulaufsichtsbehörde das Kultusministerium.

Was ist mit Lehrkräften?

Wenn Lehrkräfte glauben, zu einem rechtswidrigen Handeln aufgefordert zu sein, können sie das ihrer vorgesetzten Ebene mitteilen und sich weigern. Aber die einzige Wirkung dabei ist, dass sie sich entlasten. Wenn die Schulleitung sagt, das muss trotzdem so erledigt werden, dann müssen Lehrkräfte das auch tun.

KMK hätte ein “scharfes Schwert”

Und die Eltern?

Sie können sich zwar auf Grundrechte berufen wie der Würde des Menschen oder der Einhaltung von Toleranz gegenüber der Überzeugung anderer. Aber die Vorgaben sind hier breit gefasst. Über subjektive Rechte kommt man also schwer an Inhalte des Unterrichts ran. Eltern haben kein Recht, die Arbeit mit bestimmten Schulbüchern zu verlangen oder zu verhindern. Sie haben eigentlich nur die Möglichkeit, in schulischen Gremien mitzuwirken. Oder sie nutzen ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit und demonstrieren gegen die Schul- und Bildungspolitik.

Und was lässt sich auf politischer Ebene machen?

Ein Parlament kann jederzeit Dinge, die über Verordnungen geregelt sind, an sich ziehen. Es kann dann anführen, dass der Bereich Schule so wichtig ist, dass es dafür eines formellen Gesetzes bedarf. Problem aber ist, dass in diesem Szenario die AfD selbst Teil des Parlaments ist und an solchen Schritten kein Interesse haben wird. Eine stärkere politische Barriere ist der Föderalismus.

Jetzt bin ich neugierig.

Die Kultusministerkonferenz legt in vielen Bereichen gemeinsame Standards für alle Bundesländer fest. Aber wenn ein Land davon abweicht, können sich die anderen Länder weigern, den Schulabschluss aus diesem Bundesland anzuerkennen. Abiturienten bekommen dann keinen Studienplatz in einem anderen Bundesland. Das ist allerdings ein sehr scharfes Schwert.

Lesen Sie in der Kolumne von Mark Rackles: Wieso das Einstimmigkeitsprinzip für die KMK wegen der AfD zum Problem werden kann.

Es gibt keine Zahlen zu rechtsextremen Lehrkräften

Blicken wir mal auf das Heute. Wie ist die Lage an den Schulen? Gibt es Zahlen, wie viele rechtsextreme Lehrer an Schulen arbeiten?

Nein, wir haben überhaupt keine zuverlässigen Zahlen dazu, inwieweit rechtsextreme Vorstellungen unter den etwas über fünf Millionen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst verbreitet sind. Selbst für Sicherheitsbehörden gibt es kaum valide Studien. Wenn man sich aber die Rechtsprechung anschaut, zeigt sich, dass bei den Entscheidungen der Arbeits- und Verwaltungsgerichte die Gruppe der Lehrer und Lehrerinnen relativ häufig vertreten ist. Genauso wie Polizisten und Soldaten.

Woran lässt sich eine rechtsextreme Haltung überhaupt festmachen?

Aus Sicht des Disziplinarrechts ist das die falsche Frage. Das ist eine sozialwissenschaftliche Perspektive.

Und wann ist das juristisch von Belang?

Da geht es nicht unmittelbar um Rechtsextremismus, sondern um die Frage, ob sich die Lehrkräfte zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Diese umfasst die Garantie der Menschenwürde sowie zentrale Elemente der Demokratie und des Rechtsstaatsprinzips. Das Bekenntnis hierzu gehört zu den wesentlichen Dienstpflichten der Lehrkräfte.

Eine rechtsextreme Haltung bleibt oft unbemerkt

Wird das bei der Einstellung oder Verbeamtung überprüft?

Tatsächlich gibt es bislang keine systematischen Überprüfungen. Es sind zwar Vorschläge auf dem Tisch, eine Art Regelabfrage bei den Sicherheitsbehörden einzuführen, aber das ist im Moment nur eine Absichtserklärung. Wenn im Bewerbungsgespräch eine entsprechende Frage kommt, wird jeder sagen, dass er verfassungstreu ist. Das ist ein bisschen so, als wenn Sie in die USA fliegen und auf einem Zettel ankreuzen müssen, ob Sie jemals Mitglied einer terroristischen Vereinigung waren. Das würde auch niemand ankreuzen. Ein Thema bei der Bewerbung können auch Tätowierungen sein. Wenn jemand auf seinem Unterarm den Wahlspruch der SS: “Meine Ehre heißt Treue” tätowiert hat, würde die einstellende Behörde hoffentlich genauer hinschauen. Aber wenn der Bewerber einen langärmeligen Pullover anhat und es keine anderen Indizien gibt, bleibt das unbemerkt.

Und was ist, wenn Lehrkräfte bereits im Schuldienst sind? Wann können Maßnahmen greifen?

Wenn sie ihre Dienstpflichten verletzen. Die Dienstpflichten werden durch alle Rechtsvorschriften, also Gesetze, Verordnungen, aber auch Verwaltungsvorschriften für Lehrerinnen und Lehrer geregelt. Da steht zum Beispiel genau drin, in welcher Art und Weise Lehrerinnen und Lehrer auf dem Schulhof oder auf Klassenfahrten ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und welche medizinischen Hilfeleistungen sie leisten müssen. Aber es geht auch um die Pflicht zur Verfassungstreue. Die Verletzung der Dienstpflicht ist die Voraussetzung dafür, dass dann das Instrumentarium der unterschiedlichen disziplinarischen Maßnahmen greift.

Anforderungen, um einen Beamten zu entlassen, sind sehr hoch

Welche Maßnahmen können das sein?

Das reicht von einem Verweis über eine Geldbuße und Kürzung der Dienstbezüge bis hin zu einer Zurückstufung zum Beispiel vom Oberstudienrat zum Studienrat und am Ende zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Welche Maßnahme greift, hängt von der Qualität des Verstoßes ab. Aber um einen Lehrer aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, sind die Anforderungen hoch. Zudem handelt es sich immer um Einzelfallentscheidungen.

Wenn ein Lehrer mit rechtsextremen Äußerungen auffällt – wer wird dann aktiv?

Von wem die Initiative ausgeht, ist unterschiedlich. Das können Kolleginnen und Kollegen oder auch Eltern sein, die das der Schulleitung melden. Manchmal kommt ein Hinweis auch von Sicherheitsbehörden, wenn sie feststellen, dass sich ein Lehrer in bestimmten Kreisen aufhält. Dem muss dann die Schulaufsichtsbehörde nachgehen. Geht es um verbeamtete Lehrkräfte, ist es bislang so, dass jedenfalls bei einer Zurückstufung und bei einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis die Dienstbehörde beim Verwaltungsgericht eine Disziplinarklage erheben und dann die gerichtliche Entscheidung abwarten muss. Aber diese Verfahren dauern lange, daher ist dieses Vorgehen gerade in der Diskussion.

Hanschmann sieht kaum rechtliche Handhabe, um AfD zu stoppen

Welche Alternative gibt es?

Es gibt einen Referentenentwurf des Innenministeriums, der vorsieht, dass der Dienstherr den Beamten durch Verwaltungsakt entlässt und nicht selbst Klage erheben muss. Es ist dann also umgekehrt: Erst erfolgt die Entlassung, dann wartet man das Gerichtsurteil ab, wenn der Betroffene dagegen Rechtsschutz erwirkt. Dann muss die Entscheidung möglicherweise wieder zurückgenommen werden.

Aber was ist nun, wenn das Kultusministerium von der AfD geführt wird?

Das Kultusministerium leitet ein Disziplinarverfahren nur ein, wenn es das auch will. Der politische Wille muss also da sein, und das wird bei Verletzungen der Dienstpflicht, die die Verfassungstreue betreffen, dann möglicherweise eher nicht der Fall sein. Ich würde auch noch weitergehen und die Vermutung aufstellen: Eine Schulleitung wird nur dann solche Fälle melden, wenn sie weiß, dass das Kultusministerium dabei hinter ihr steht. Sonst wird sie aus Angst vor Konsequenzen durch die übergeordnete Behörde eher nichts unternehmen.

Felix Hanschmann ist Rechtswissenschaftler und Inhaber des Dieter Hubertus Pawlik Stiftungslehrstuhls “Kritik des Rechts – Grundlagen und Praxis des demokratischen Rechtsstaates” an der Bucerius Law School. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist Verwaltungsrecht, insbesondere im Bereich Schule. Im Rahmen der Ringvorlesung “Rechtsextremismus, Recht und Justiz” hat er Anfang Februar an der HU Berlin einen Vortrag dazu gehalten, wie die AfD Schulen verändern könnte

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Haushalt 2025: Wo Stark-Watzinger und Paus sparen könnten

Die meisten Bundesministerien müssen im kommenden Jahr wohl mit deutlich weniger Geld auskommen. Finanzminister Christian Lindner hat den Kabinettsmitgliedern konkrete Einsparvorgaben gemacht. Nach Informationen von Table.Briefings gehören das Bildungs- und das Familienministerium zu den am stärksten betroffenen Ressorts. Beide sollen gegenüber 2024 knapp eine Milliarde Euro einsparen. Zuerst hatte der “Spiegel” über die Zahlen berichtet. Die Ministerien sind nun aufgefordert, dem Finanzminister bis zum 19. April ihre Haushaltspläne vorzulegen.

Freiwilligendienste und Demokratieförderung gefährdet

Besonders schwer ist dies für Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Der Etat ihres Ministeriums umfasst derzeit rund 13,9 Milliarden Euro. Nun soll sie rund 900 Millionen Euro einsparen. In der Koalition wird das als Provokation von Linder gegenüber dem Koalitionspartner sei gedeutet. Manch einer unterstellt sogar, dass es das Ziel des Finanzministers sei, die Grünen auf diesem Weg aus der Koalition zu drängen.

Paus’ Problem: Ein Großteil der Posten lässt sich jedoch nicht so einfach kürzen. Denn der Haushaltsplan besteht zu 90 Prozent aus gesetzlich festgeschriebenen Familienleistungen. Einen Großteil davon (8,0 Milliarden) macht das Elterngeld aus, gefolgt vom Kinderzuschlag (2,4 Milliarden) und dem Unterhaltsvorschuss (1,3 Milliarden).

Deshalb wird schon jetzt gemutmaßt, dass die Sparvorgaben am Ende vor allem die Demokratieförderung und die Freiwilligendienste treffen könnten. Für die Projekte zur Demokratieförderung, die Paus gerne durch ein Demokratiefördergesetz verstetigen würde, stehen derzeit 200 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung – ein Großteil davon (140 Millionen) fließt in das Programm “Demokratie leben!” Die Freiwilligendienste bezuschusst der Bund aktuell mit rund 300 Millionen Euro pro Jahr.

Einsparungen könnten starke Auswirkungen auf die Schulen haben

Sollten die Mittel für diese beiden Posten gesenkt werden, könnte sich das erheblich auf die Schulen auswirken: Junge Menschen können ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder den Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter anderem in Schulen ableisten, wo sie die Lehrkräfte während des Regelunterrichts unterstützen oder besonders förderbedürftige Schülerinnen und Schüler individuell betreuen. Auch bei anderen Trägern können sie eingesetzt werden, um Bildungsangebote zu organisieren. Sportvereine stellen Freiwilligendienstleistende zur Unterstützung ihrer Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit ein. Mit Blick auf den Ausbau der Ganztagsbetreuung könnten diese künftig noch wichtiger werden.

Mit dem Programm “Demokratie leben!” unterstützt der Bund laut Angaben des Familienministeriums “zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, Vielfalt und gegen jede Form von Extremismus”. Institutionen wie Stiftungen oder Vereine können sich projektbezogen um Fördermittel aus dem Topf bewerben. Häufig führen sie damit Projekte zur Extremismusprävention an Schulen durch.

Paus überraschte schon 2023 mit ihrem Sparvorschlag

Die Sorge, dass Paus in diesen beiden Bereichen den Rotstift ansetzen könnte, gab es allerdings schon im vergangenen Jahr – und war am Ende unbegründet. Denn die Familienministerin entschied sich stattdessen, den Höchstbetrag für die Berechtigung zum Elterngeld von 300.000 auf 200.000 Euro abzusenken. Damit ärgerte die Grünen-Politikerin vor allem die FDP. Doch auch die Liberalen trugen die Entscheidung mit und stimmten im Bundestag für die Gesetzesänderung.

Es ist daher gut möglich, dass Paus auch diesmal nach Wegen sucht, um bei den gesetzlichen Familienleistungen zu kürzen. Denn die Demokratieförderung gehört zu den größten Herzensprojekten, für die sie in den vergangenen Monaten besonders vehement warb. Kürzungen in diesem Bereich wären vor allem in ihrer eigenen Partei besonders schwer vermittelbar. Bei den Freiwilligendiensten wollte sie auch kürzen, was die Haushaltspolitiker des Bundestags jedoch in letzter Minute verhinderten. Grund dafür dürften nicht zuletzt die Demonstrationen gewesen sein, mit denen FSJ- und BFDler sich gegen die Sparvorhaben wehrten. Auch das dürfte Paus bei ihren Überlegungen im Hinterkopf haben.

BMBF: Spekulationen über “Rasenmäherkürzung”

Im Bildungs- und Forschungsministerium sind die Kürzungsoptionen deutlich vielfältiger. Man könnte auch sagen, Bettina Stark-Watzinger hat die Qual der Wahl, wo sie den Rotstift ansetzen will, um ihre Sparvorgaben zu erfüllen. Der Etat, den die FDP-Politikerin verwaltet, umfasst im laufenden Jahr 21,5 Milliarden Euro. Verpflichtende staatliche Leistungen wie im Familienministerium hat sie kaum. Spekuliert wird daher über eine “Rasenmäherkürzung”, die verschiedene Forschungseinrichtungen und -programme betreffen könnte.

Unter Haushaltspolitikern wird das allerdings entspannter gesehen als im Familienministerium. Denn in den vergangenen Jahren sind die eingeplanten Haushaltstitel in vielen Einzelposten nicht vollständig abgeflossen. Es sind somit “Spielräume auf Vorrat” geschaffen worden, die nun genutzt werden könnten.

Bislang keine Mittel für Digitalpakt II eingeplant

Aber auch Stark-Watzinger wurde im vergangenen Jahr kreativ: Sie kürzte unter anderem beim Bafög und hofft nun darauf, dass die eingeplanten Mittel trotzdem ausreichen. Sollte dies nicht der Fall sein, muss das Finanzministerium eine sogenannte “überplanmäßige Ausgabe” genehmigen. Diese kann dann durch andere Haushaltstitel kompensiert werden, in denen nicht alle eingeplanten Mittel abgeflossen sind. Fraglich ist wiederum, wo im Haushalt sich Mittel für den Digitalpakt II wiederfinden sollen. Bislang sind dazu keine Mittel eingeplant. Sollten sich Bund und Länder auf eine Fortsetzung ab 2025 einigen, müssten dazu zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden.

Fest steht, dass die Haushaltsaufstellung die drei Regierungsparteien vor eine Zerreißprobe stellen dürfte. Immer wieder ist auf den Bundestagsfluren zu hören, dass sich daran entscheiden dürfte, ob die Ampel-Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält. Berücksichtigt werden sollte bei allen Spekulationen um die Verteilung der Mittel jedoch, dass der Prozess gerade erst angestoßen wurde. Neue Steuerschätzungen und die finalen Beratungen der Parlamentarier haben den Haushaltsberatungen auch in der Vergangenheit schon oft ungeahnte Wendungen beschert.

  • Bettina Stark-Watzinger
  • Bundesbildungsministerium
  • Lisa Paus

Kolumne

“Hoffnung auf eine handlungsfähige KMK”

Bildungsberater, KMK-Kenner, Reformer: In seiner Kolumne denkt Ex-Bildungsstaatssekretär Mark Rackles jeden Monat Bildungspolitik neu. Erfahren Sie hier mehr über die Vita unseres Kolumnisten.

Kurz vor Ostern hat die KMK noch einen bunten Strauß an Themen bearbeitet und der Bildungsrepublik ein paar knallige Eier ins Nest gelegt. Mit einer gehörigen Portion Respekt muss man anerkennen, dass die saarländische KMK-Präsidentschaft Sprunggelenke wie die Osterhäsin haben muss: Das vorösterliche Themen-Hopping macht einem nochmal die große Spannbreite der KMK-Aktivitäten bewusst.

Erst streiten Bund und Länder zum Thema Digitalpakt 2.0, dann beraten die Ministerinnen und Minister über einen Qualitätsrahmen für berufliche Schulen, verabschieden Solidaritätserklärungen mit der Ukraine (wenige Tage später fährt eine Delegation zum Solidaritätsbesuch nach Israel). Dann formulieren sie noch neue Leitlinien für die Grundschulen in Deutschland und neue Ansätze zur Bewältigung des Lehrkräftemangels. Nebenbei wird im Hintergrund die notwendige KMK-Reform auf Basis des sogenannten Prognos-Gutachtens weiter betrieben und die sensible Frage einstimmiger Beschlüsse politisch thematisiert. Man mag der KMK viel vorwerfen, aber Untätigkeit aktuell sicherlich nicht.

KMK zieht greifbare Konsequenzen

Es ist tatsächlich so, dass ein Hauch von Bewegung durch die staubigen Strukturen des Bildungsföderalismus weht. Mit der beschlossenen “Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule” beweisen die Kultusministerinnen und Kultusminister, dass sie aus den vorausgegangenen (schlechten) Studienergebnissen zu Lernleistungen in der Grundschule tatsächlich greifbare Konsequenzen ziehen. Die Benennung eines “fachlichen Kernbereichs” der Grundschule und die konkrete Stärkung der drei Kernfächer Mathematik, Deutsch und Sachkunde mit über 50 Prozent der Stunden ist sinnvoll. Und mutig: Denn die Lobbygruppen all der anderen Fächer – von Kunst und Musik bis zu Sport und Religion – dürften eine Einteilung in und Priorisierung von Kernfächern eher skeptisch sehen.

Konkrete Schlussfolgerungen zieht die KMK auch aus den diversen 2023 vorlegten Gutachten zur Lehrkräftebildung und zur Behebung von Bedarfsdefiziten. Das ist schon deshalb nicht selbstverständlich, da die Gutachten wichtiger Akteure wie der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) und des Wissenschaftsrats teilweise zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Mit dem Beschluss “Maßnahmen zur Gewinnung zusätzlicher Lehrkräfte und zur strukturellen Ergänzung der Lehrkräftebildung” wägt die KMK vorgebrachte Argumente ab und macht dann das, wofür sie 1948 gegründet wurde: Sie formuliert länderübergreifend politische Schlussfolgerungen.

Ganztag – weitere Großbaustelle für die KMK

Im Ergebnis öffnet sie das System der Lehramtsausbildung an drei relevanten Punkten: Zulassung sogenannter “Ein-Fach-Lehrkräfte”, Zulassung eines dualen Lehramtsstudiums sowie Ausbau des Quereinstiegs-Masterstudiums. Weitere Schlussfolgerungen werden unter anderem in Bezug auf die bisherige Bedarfsprognostik sowie die Erhöhung der Studienerfolgsquote angekündigt. Das ist sicherlich noch keine grundlegende Reform der Lehrkräftebildung, es ist aber mehr, als manch einer und manch eine erwartet hätten.

Lesen Sie auch: Mit diesen drei Maßnahmen will die KMK gegen den Lehrermangel vorgehen

Dieses frühlingshafte Keimen von Tatkraft und Entschlusskraft ist auch deshalb zu begrüßen, weil sich neben der erwähnten KMK-Strukturreform eine weitere bildungspolitische Großbaustelle absehbar in den Vordergrund drängen wird: der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung. Auch dieses Thema war im vorösterlichen Themenreigen der KMK gut vertreten: Die KMK-Präsidentin Streichert-Clivot trat gemeinsam mit der Vorsitzenden der Jugendministerkonferenz (JFMK) und den beiden zuständigen Bundesministerinnen (BMBF und BMFSFJ) auf dem zweitägigen Ganztagskongress in Berlin auf.

Professionsverständnis ändert sich durch Ganztag

Jenseits der allgemein bekannten und vertrauten Bekenntnisse zur ganztägigen Bildung und zu multiprofessionellen Teams war sowohl auf dem Podium als auch in den Fachgesprächen klar, dass da ein Ei mit erheblichem Innovationspotenzial im Nest der KMK und der JFMK liegt. Auf dem Ganztagskongress ging es nicht um das Mehr an Betreuungsstunden. Im Vordergrund standen die strukturellen Veränderungen, die ganztägiges Lernen im Professionsverständnis der Lehrkräfte, zwischen den Professionen oder auch in Bezug auf neue Arbeitszeitmodelle, auslöst.

Die Reichweite und Bedeutung des Themas wurden nicht nur durch das gemeinsame Auftreten von KMK- und JFMK-Vorsitzenden auf dem Kongress untermauert, sondern auch durch die (erstmalige) gemeinsame Sitzung der beiden Fachministerkonferenzen im Oktober 2023. Wie so oft im Bildungswesen hat ein externer Impuls (hier: ein Bundesgesetz) eine schiefe Ebene erzeugt, auf der alte Strukturen und Gewissheiten ins Rutschen kommen. Ob der Ganztagsanspruch fristgerecht umgesetzt wird, ist sicherlich wichtig. Wichtiger ist jedoch der Zwang zur Kooperation und zu Strukturanpassungen, die nachhaltig wirken werden.

KMK stellt sich politischen Herausforderungen

Diese aktuellen Beispiele einer politischen Priorisierung (von Kernfächern in der Grundschule), von politischer Schlussfolgerung (in Bezug auf Ausbildungsstrukturen) sowie von bereichsübergreifender Kooperation (im Ganztag) geben Anlass zur Hoffnung. Nicht auf ein klassisches Osterwunder, aber doch auf eine handlungsfähige KMK, die sich politischen Herausforderungen stellt und sich nicht wie so oft in Formalkompromisse flüchtet. Das ist das Schöne an diesen Ostertagen: Man darf ganz unbedarft hoffen.

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News

Petition für freien Zugang zu alten Prüfungsaufgaben

Nach den Osterferien starten die Abitur-Abschlussprüfungen. Aber die Voraussetzungen für die Vorbereitung ist in den Bundesländern unterschiedlich. Die Möglichkeit, alte Prüfungsaufgaben fürs Üben zu nutzen, gibt es nicht überall. “Frag den Staat” und Wikimedia Deutschland haben daher Ende März eine Petition gestartet. Innerhalb der ersten sechs Tage kamen bereits 9.000 Unterschriften zusammen.

Die Forderung ist nicht neu. Table.Briefings hat darüber bereits berichtet. Frag den Staat und Wikimedia setzen sich seit fünf Jahren dafür ein, dass die Aufgaben für Abschlussprüfungen aus früheren Jahren kostenfrei und für alle digital zugänglich sind. Das ist in der Hälfte der Bundesländer bislang nicht der Fall. “In mindestens acht Bundesländern, so unsere Recherchen, verschenken oder verkaufen Kultusministerien die Lizenz, die Aufgaben zu veröffentlichen, sogar an Verlage”, heißt es in der Petition. Die Kritik: Die Prüfungsaufgaben würden mit öffentlichen Mitteln erstellt, daher könnten sie nicht später verkauft werden.

Nur in zwei Bundesländern sind alte Prüfungsaufgaben frei verfügbar

Die Verlage bereiten die Prüfungsaufgaben in Übungsheften auf und verkaufen diese. Ein profitables Geschäft für die Verlage. Führend ist dabei der Stark Verlag. Wie es in der Petition heißt, hat er “laut Bundesanzeiger 2021 mit den roten Übungsheften Millionen verdient – ca. 82 Prozent des Gesamtgeschäftes“.

Die Hefte für die Abiturvorbereitung mit den Prüfungsaufgaben aus dem Vorjahr kosten in der Regel 18,95 Euro – pro Fach. Das vergrößere die Bildungsungerechtigkeit, so ein weiterer Kritikpunkt. Wer es sich leisten kann, kauft die Hefte. Ist das Geld nicht da, gehen die Schüler mit schlechteren Startbedingungen in die Prüfung.

Petition soll im Juni an die KMK gehen

Uneingeschränkt zugänglich sind alte Prüfungsaufgaben bislang nur in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dass es in zwei Bundesländern möglich ist, entkräftet das von anderen Ländern vorgebrachte Argument, die Zugänglichkeit sei wegen des Urheberrechts nicht möglich. Auch Anke Nordemann-Schiffel, Expertin für Urheberrecht, versicherte Table.Briefings bereits vor einem Jahr: “Urheberrechtlich steht dem in Niedersachsen durchgeführten Vorgehen nichts im Wege.”

Die Petition wollen Frag der Staat und Wikimedia im Juni bei der nächsten Kultusministerkonferenz übergeben. Annette Kuhn

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Betriebe beklagen sinkendes Interesse an Metall- und Elektroberufen

Die Metall- und Elektroindustrie verzeichnet ein abnehmendes Interesse an der Ausbildung. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AVG Nord. 60 Prozent der 165 befragten Betriebe gaben an, dass die Zahl der Bewerbungen in den vergangenen beiden Jahren zurückgegangen sei. Im Corona-Jahr 2021 hatten das sogar 79 Prozent der Befragten gesagt, 2016 waren es noch 39 Prozent.

Zum Zeitpunkt der Befragung zwischen dem 7. Dezember 2023 und dem 24. Januar 2024 waren den Betrieben zufolge 216 Ausbildungsplätze in Bremen, Hamburg, dem nordwestlichen Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (4,7 Prozent) unbesetzt. Mit Abstand am größten ist die Besetzungslücke in der Mechatronik mit 40 freien Plätzen – in dem Beruf bilden die Betriebe auch insgesamt am meisten aus. An zweiter Stelle folgt die Zerspanungsmechanik mit 17 unbesetzten Ausbildungsstellen, dicht gefolgt von der Industriemechanik (16).

Potenzial bei Frauen, Abiturienten, Studienabbrechern

Dabei haben sich den Arbeitgebern zufolge die Bedingungen für Bewerberinnen und Bewerber verbessert: 45 Prozent berichteten, dass sie die Zahl der Ausbildungsplätze in den vergangenen beiden Jahren erhöht hätten. “Zudem bieten sie mit fast 1.200 Euro schon im ersten Ausbildungsjahr (ab 1. Mai 2024) eine attraktive Vergütung”, sagte Peter Golinski, Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände für Bildung, Arbeitsmarkt und Fachkräfte.

Als Problem benannte Golinski eine wachsende Orientierungslosigkeit junger Menschen. Er fordert, bereits in der Sekundarstufe I mit Berufsorientierung und Praktika zu starten. Noch Potenzial sehen die meisten Unternehmen in Abiturienten (64 Prozent) und Studienabbrechern (63 Prozent), viele nannten zudem speziell Frauen (64 Prozent). Weniger Betriebe bekundeten hingegen Interesse an Jugendlichen mit Fluchthintergrund (36 Prozent) oder jungen Menschen aus dem Ausland (27 Prozent).

Von den eingestellten Azubis hat bisher die Hälfte der Azubis die Mittlere Reife, ein Drittel das Abitur und rund 16 Prozent den ersten Schulabschluss. Nur 0,2 Prozent haben gar keinen Schulabschluss. dpa/anpa

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Bologna-Bericht: Deutsche Hochschulen sollen noch internationaler werden

Um im globalen Wettbewerb zu bestehen und führender Wissenschaftsstandort zu bleiben, müssten deutsche Hochschulen noch internationaler werden. So steht es im aktuellen Bericht über die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland. Diesen beschlossen das Bundeskabinett und die Kultusministerkonferenz am vergangenen Donnerstag (zum Download).

Ende Mai treffen sich die Minister des Europäischen Hochschulraums (EHR) in Albanien, um über die weitere Zusammenarbeit für die Arbeitsperiode 2024 bis 2027 abzustimmen. Dabei soll es unter anderem um die Rolle des Hochschulsektors für eine demokratische Gesellschaft und um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz gehen.

Drittwichtigstes Gastland internationaler Studierender

Mit den Bachelor- und Masterstudiengängen, dem Kreditpunktesystem und einer europäischen Grundlage zur Qualitätssicherung erfüllt Deutschland strukturell all die Anforderungen, die 1999 mit der Bologna-Reform angestoßen wurden. Im Wintersemester 2022/23 gab es an deutschen Hochschulen rund 93.000 internationale Studienanfänger – ein neuer Spitzenwert. Der deutliche Rückgang im Zuge der Corona-Pandemie scheint damit überwunden. Erstmals liegt Deutschland als drittwichtigstes Gastland vor Australien, hinter den USA und Großbritannien.

Zudem gehen auch viele deutsche Studierende ins Ausland. Im Jahr 2020 hatten 17,1 Prozent der deutschen Studierenden studienbezogene Erfahrung in einem anderen Land gesammelt. Das ist zwar weniger als das Mobilitätsziel von mindestens 20 Prozent, auf das sich die Staaten des EHR geeinigt haben. Der Wert liegt aber über dem EU-Durchschnitt von 13,5 Prozent, wie die KMK und das BMBF in ihrem Bericht feststellen.

Berufliche Bildung als deutsches Erfolgsmodell

Liegt der Tenor im Hochschulbereich vor allem auf einer stärkeren internationalen Ausrichtung, setzen die KMK und das BMBF bei der beruflichen Bildung auf das deutsche Modell. Aufgrund der “bewährten und etablierten dualen beruflichen Aus- und Fortbildung” gebe es keine Notwendigkeit, nach dem Vorbild anderer Länder sogenannte Short-Cycle-Programme einzuführen. Die ähnlich niedrige Arbeitslosenquote von Akademikern und Personen mit Berufsausbildung sei ein “Beleg für die hochgradige Anerkennung beider Berufszugänge”. Vera Kraft

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Jeder zehnte neue Bundeswehrsoldat ist minderjährig

Von den neuen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr waren 2023 zum Zeitpunkt ihrer Einstellung 1.996 erst 17 Jahre alt. Das waren 10,6 Prozent – 2022 waren es noch 9,4 Prozent. Insgesamt hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr 18.802 neue Soldatinnen und Soldaten eingestellt, minimal mehr als im Vorjahr. 15.935 von ihnen waren Männer. Das geht aus einer Übersicht hervor, die das Bundesverteidigungsministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitgeteilt hat.

SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag im Bund jedoch eigentlich vereinbart, dass Ausbildung und Dienst an der Waffe volljährigen Soldatinnen und Soldaten vorbehalten sein sollen. Das Verteidigungsministerium erklärte nun, 17 Jahre alte Bewerber würden nur dann eingestellt, “wenn sie ein umfassendes physisches und psychologisches Eignungstestverfahren bestehen”. Die militärische Ausbildung berücksichtige zudem umfangreiche Schutzregelungen für die Minderjährigen: “Konkret heißt das: keine Teilnahme an Wachdiensten oder Auslandseinsätzen, Gebrauch der Waffe nur für Ausbildungszwecke.”

Insgesamt hat die Zahl der Rekruten noch nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Zwar stieg sie 2022, im Jahr des russischen Angriffs auf die Ukraine, um rund zwölf Prozent auf 18.775. Allerdings gab es 2019 noch 20.170 Rekruten – und damit fast sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr. dpa

Lesen Sie auch: Streit um Bundeswehrbesuche im Unterricht: “Das ist kein Bildungsmodell für unsere Schulen”

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Sachsen-Anhalts Bildungsministerin verteidigt Headhunter-Modell

Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner hat nach interner Kritik ihr Headhunter-Projekt zur Anwerbung ausländischer Lehrkräfte verteidigt. Es handele sich um ein deutschlandweit einmaliges Erfolgsmodell, sagte die CDU-Politikerin. In den vergangenen drei Jahren hat das Projekt das Land laut Mitteldeutscher Zeitung 1,2 Millionen Euro gekostet. Sachsen-Anhalt habe nach Ministeriumsangaben 110 Lehrkräfte mithilfe von Personalvermittlungsagenturen eingestellt. 38 hätten den Landesdienst inzwischen jedoch bereits wieder verlassen.

In der Regierungskoalition gibt es Kritik: SPD-Landtagsfraktionschefin Katja Pähle bezeichnete das Programm als “offensichtlich nicht nachhaltig angelegt.” In einer internen Auswertung hat das Landesschulamt laut Mitteldeutscher Zeitung zudem etliche Missstände offengelegt. Zahlreiche zur Zahlung an die Agenturen angewiesene Rechnungen seien “nicht vertragskonform”. Es seien etwa Menschen rekrutiert worden, die über die Abschlüsse Lehramt Japanisch, Modern East Asian Studies oder serbische Sprache und Literatur verfügten.

Das Landesschulamt teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, bei der Erfüllung von Verträgen komme es durchaus vor, dass es Meinungsverschiedenheiten über die Leistung gebe. “Solche Erörterungen führen jedoch nicht dazu, dass das Ziel eines Vertrages insgesamt infrage steht.” Auch Bildungsministerin Feußner hält an dem Headhunter-Projekt fest. Sie kündigte allerdings Anpassungen an, etwa Sprachkurse für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer.

Uni Magdeburg startet dualen Studiengang fürs Lehramt

Eine weitere Maßnahme gegen den Lehrkräftemangel soll im Wintersemester greifen: Um Lehramtsstudenten schon während ihres Studiums früher in die Schulen zu bekommen, startet die Universität Magdeburg für 30 Studierende ein praxisintegriertes Studium für Lehrer an Sekundarschulen.

Ab dem dritten Semester sollen die Studierenden in dem Modellversuch bereits im Bachelorstudium einen Tag pro Woche an ihrer jeweiligen Einsatzschule hospitieren. Das Masterstudium werde mit dem Referendariat verzahnt, zwei Tage pro Woche sollen die Studierenden unterrichten. Eine Ausbildungsvergütung soll die Attraktivität des Studiums steigern. Erst vor zwei Wochen hatte die Kultusministerkonferenz grundsätzlich den Weg für duale Studienmöglichkeiten freigemacht. dpa/anpa

Lesen Sie auch: Mit diesen drei Maßnahmen will die KMK gegen Lehrermangel vorgehen

  • Fachkräfteeinwanderung
  • Lehrer
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Heads

Maren Voßhage-Zehnder – unterstützt Risikoschüler in Sommerakademien

Als Geschäftsführerin von Phase BE unterstützt Maren Voßhage-Zehnder Schüler, die drohen, am Schulabschluss und dem Übergang in einen Beruf zu scheitern.

“Jeden Tag eine neue Chance!” – so lautet eine Maxime der Sommerakademien des von Maren Voßhage-Zehnder mitgegründeten Sozialunternehmens Phase BE. Insgesamt rund 400 Schülerinnen und Schüler bringt es jährlich an verschiedenen Orten für je drei Wochen zusammen. Alle befinden sich kurz vor der neunten oder zehnten Klasse, also ein Jahr vor dem ersten oder Mittleren Schulabschluss, und gelten als “Risikoschüler”.

“Unser Ziel ist es, dass sie deutlich bessere Chancen haben, gut in eine Ausbildung überzugehen und diese stabil zu durchlaufen“, sagt Voßhage-Zehnder. Und ihr ist ein ganzheitlicher Bildungsansatz wichtig. “Weil ich eben nicht glaube, dass Bildung nur in der Schule passiert – wir wollen Jugendliche zum Akteur ihres Lebens machen, der Interesse hat, sich zu entwickeln.” Dabei spiele auch die Entwicklung von Entscheidungsfähigkeit eine zentrale Rolle – für ihren beruflichen Weg und eine aktiv gestaltete Zukunft.   

2007 startete das Projekt in Lüneburg

In den Sommerakademien kommen Jugendliche aus einer Region zusammen, um sich auf ihr letztes Jahr in der Schule vorzubereiten und sich mit ihrer weiteren beruflichen Lebensgestaltung intensiv auseinanderzusetzen. Im Anschluss werden sie ein Jahr lang wöchentlich individuell bei der Umsetzung ihrer Ziele begleitet. “Wir glauben daran, dass junge Menschen die vielen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, nur meistern, wenn sie für sich den Sinn sehen und Spaß an Herausforderungen entwickeln”, sagt Voßhage-Zehnder.

Die Entstehungsgeschichte der Sommerakademien an der Leuphana Universität Lüneburg klingt wie ein Bildungsmärchen: Kurt Czerwenka, Psychotherapeut und Professor für Erziehungswissenschaften, entwickelte mit einem Seminar idealistischer Studierender die Vision, Jugendliche mit schweren Startbedingungen in ihrer Bildungslaufbahn und der Berufsfindung zu unterstützen. Die Leuphana Sommerakademie war geboren. 2007 wurde das Konzept in Lüneburg erstmalig in die Praxis umgesetzt. Voßhage-Zehnder stieg 2009 als Projektmanagerin ein. Die Kultur- und Politikwissenschaftlerin, zuvor freie Wissenschaftlerin an der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, gründete 2017 Phase BE mit und ist seitdem Geschäftsführerin, bis 2021 noch mit einer Partnerin.

Nach den Sommerakademien ein Jahr Begleitung

Das Projekt zeichnet sich durch einen Betreuungsschlüssel aus, von dem andere nur träumen können: Auf zwei Teilnehmende kommt eine Betreuungsperson. “Das ermöglicht eine sehr individualisierte Begleitung und eine in die Tiefe gehende Auseinandersetzung mit den Jugendlichen”, sagt Voßhage-Zehnder.

2024 soll es deutschlandweit sechs Akademien geben. Da die Sommerakademien für die jungen Menschen kostenfrei sind, ist die Förderung durch Stiftungen, Unternehmen und Agenturen für Arbeit notwendig – die wiederum selbst profitieren. Denn: “Durch Stärkung der Jugendlichen und Begleitung ihres Entwicklungsprozesses wird der regionale Ausbildungsmarkt gestärkt.”

Lesen Sie hier: Wie Förderung von Risikoschülern an Berufsschulen gelingt

Voßhage-Zehnder startet neues Projekt der Phase BE

Die Langzeitevaluation der Sommerakademien zeigt den Erfolg des Projekts: 97 Prozent schaffen ihren Schulabschluss, 33 Prozent gelingt direkt der Übergang in die Berufsausbildung, der Rest strebt eine höhere schulische Qualifizierung an. Wer eine Ausbildung beginnt, dem gelinge es laut Voßhage-Zehnder zudem meist auch, langfristig in Ausbildung zu bleiben.

Im vergangenen Jahr hat Phase BE die Digitale Akademie gelauncht, sie soll überregional unterstützen. In Kooperation mit Schulen und Berufsschulen will sie junge Menschen bei der Suche nach ihren Stärken und beim Bewerbungsprozess digital abholen. Im Adventure-Spiel mit Avataren werden sie von Teamern der Phase BE auf ihrem Weg begleitet. Der Spaß am Lernen und Sich-Kennenlernen steht auch hier an zentraler Stelle. Beim BMBF-Wettbewerb für digitale Berufsorientierungsangebote “D-BOP erhielt das Spiel für seinen Gamification-Ansatz 2023 einen Sonderpreis. Juliane Scholübbers

  • Ausbildung
  • Berufsorientierung

Mehr von Table.Media

Research.Table: “Wir sind ein Land der Stiftungen geworden.” Die Wübben Stiftung Wissenschaft fördert Persönlichkeiten, die den Mut haben, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, sagt Geschäftsführer Peter-André Alt. Im Interview erläutert er auch, inwieweit Stiftungen miteinander konkurrieren und wie man Unipräsidenten coacht. Mehr

Research.Table: Europäischer Studienabschluss soll bald möglich werden. EU-Forschungskommissarin Iliana Ivanova hat erste Pläne aus dem Higher Education Package der EU-Kommission vorgestellt. Damit Universitäten in der EU in Zukunft noch besser von einem gemeinsamen Austausch profitieren können, soll ein einheitlicher europäischer Abschluss eingeführt werden. Mehr

Presseschau

Spiegel: Ein Teil der Quer- und Seiteneinsteiger verlässt nach kurzer Zeit wieder die Schule. Lehrkräfte im Quer- und Seiteneinstieg spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Lehrkräftemangel, gerade in ostdeutschen Bundesländern. Eine Seiteneinsteigerin berichtet davon, dass sie plötzlich andere Fächer übernehmen sollte als vereinbart, eine besonders anspruchsvolle Klasse bekam und die Schulleitung sie vor den Schülern kritisierte. Experten fordern, Quer- und Seiteneinsteigern mehr Zeit einzuräumen – für Vor- und Nachbereitung und für ihre Qualifikation. (“Warum viele Quereinsteiger schnell wieder aufgeben”)


LinkedIn: Immer mehr Lehrkräfte quittieren nicht altersbedingt den Dienst. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie, rechnet anhand von Zahlen des Statistischen Bundesamtes vor, dass inzwischen deutlich mehr Lehrkräfte die Schule verlassen als noch Mitte der 2010er-Jahre. Zuletzt haben weniger ihren Dienst altersbedingt beendet, die Zahl jener, die aus anderen Gründen ging, hat sich hingegen fast verdoppelt. Wenn sich die aktuelle Relation hält (1 zu 2,5), würden 2035 zwei Drittel aller Lehrkräfte gehen. Damit es dazu nicht kommt, fordert Dohmen, die Rahmenbedingungen in den Schulen deutlich zu verbessern. (“Massenexodus der Lehrkräfte? – Zumindest der Trend ist stark steigend!”)


Deutschlandfunk: Städte- und Gemeindebund fordert Einsatz ukrainischer Flüchtlinge in Kitas und Schulen. Hauptgeschäftsführer André Berghegger will so das Personal entlasten und die Integration beschleunigen. 260.000 Kinder aus der Ukraine seien im schulpflichtigen Alter. Städte und Gemeinden stünden nicht nur vor einer organisatorischen, sondern auch vor einer finanziellen Herausforderung. (“Ukraine-Flüchtlinge: Städte- und Gemeindebund für Einsatz in Schulen und Kitas”)


BR: Bayern will Cannabis-Konsum streng kontrollieren, die Umsetzung ist fraglich. Die Landesregierung will es Kiffern schwer machen. Bei der Polizei allerdings sind noch viele Fragen offen, etwa wie die Beamten den 100-Meter-Mindestabstand zu Kitas, Schulen und Spielplätzen kontrollieren sollen. Gerade in den größeren bayerischen Städten dürfte bei strenger Auslegung an sehr vielen Orten nicht gekifft werden. Polizeigewerkschaften sehen viel Arbeit auf die Beamten zukommen. (“Abstandsregeln für Cannabis: Wie soll das kontrolliert werden?”)


Hessenschau: An Berufsschulen mangelt es an gut qualifizierten Lehrkräften und technischer Ausstattung. Viele Azubis bemängeln die fachliche Qualität ihrer Lehrer. Ein Lehrer einer Berufsschule in Kassel bestätigt, dass es mehr Pädagogen aus der Fachpraxis braucht und Lehrern die Zeit für Fortbildungen fehlt. Kultusminister Armin Schwarz will das Problem angehen, vor allem in der Metallindustrie und Elektrotechnik. Daneben mangelt es vielen Berufsschulen an technischer Ausstattung – oder technischem Support. Immerhin ein Vorteil in Hessen laut Bildungsministerium: Anders als in anderen Ländern würden auch sehr kleine Klassen vorgehalten. (“Alte Technik und Lehrermangel – womit Azubis zu kämpfen haben”)

  • Berufsschule

Termine

22. April 2024, 13.30 bis 14.30 Uhr, online
SWK Talk “Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht”
Auf Basis des SWK-Gutachtens “Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht” diskutieren Bildungsforscherinnen und -forscher über mögliche Optionen für den Weg ins Lehramt. INFOS & ANMELDUNG

22. April 2024, online und in Como, Italien
Hybride Konferenz BILT Bridging Event: Towards Inclusive Excellence in TVET
Ausgehend von europäischen Beispielen will die Konferenz eine Plattform für internationale Entscheider in der beruflichen Bildung sein. In diesem Jahr geht es unter anderem darum, wie die Berufsbildung Migranten und benachteiligte Jugendliche einbeziehen kann und wie NEETS erreicht werden können. INFOS & ANMELDUNG

04. bis 06. Juni 2024, Karlsruhe
Fachmesse I Kongress LEARNTEC: Digitales Lernen
Ob digitales Lernen in der Schule, an der Universität oder im Beruf: Auf der internationalen Fachmesse Learntec gibt es Ausstellungen zu den neuesten Lerntrends. Außerdem findet parallel der Learntec-Kongress statt, bei dem internationale Experten aus der Bildungswirtschaft und Wissenschaft aktuelle Themen und Visionen diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

14. bis 15. Juni 2024, Leipzig
Arbeitstagung Inklusionsforschung: Sorge und Solidarität
Die Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Inklusionsforschung widmet sich erziehungswissenschaftlichen Fragen von Inklusion und Exklusion. Bei dem interdisziplinären Austausch liegt ein besonderer Fokus auf Sorgebeziehungen und Solidarität in Bildungseinrichtungen.
Es gibt verschiedene Vorträge, Diskussionsforen und Forschungswerkstätten.
Anmeldeschluss: 30. April 2024
INFOS & ANMELDUNG

Bildung.Table Redaktion

BILDUNG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    was wäre, wenn …? Diese Frage stellt sich immer drängender mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September. Was wäre, wenn die AfD an die Regierung kommt? Angesichts von aktuellen Umfragewerten um die 30 Prozent lässt sich trotz Beteuerungen der anderen Parteien ein solches Szenario nicht ausschließen. Und was wäre, wenn die AfD dann das Kultusministerium bekäme? Wie könnte sie Schulen verändern? Diese Fragen habe ich mir von Felix Hanschmann, Rechtswissenschaftler an der Bucerius Law School in Hamburg, beantworten lassen. Beruhigend ist es nicht, was er dazu sagt.

    Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft setzt vor allem auf Aufklärung. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern hat nun Lehrkräfte dazu aufgerufen, sich im Unterricht kritisch mit der AfD auseinanderzusetzen. Es sind noch 21 Wochen bis zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, noch 24 Wochen, bis in Brandenburg gewählt wird. Viel Zeit bleibt nicht mehr – auch nicht für das Prinzip Hoffnung.

    Nur noch zwei Tage sind es hingegen, bis Sie das nächste Briefing von Bildung.Table im E-Mail-Postfach haben. Ab jetzt versorgen wir Sie wie gewohnt nicht nur mittwochs, sondern auch freitags mit den wichtigsten Neuigkeiten, Trends und Hintergründen zu Bildungspolitik, Schulentwicklung und Ausbildung. Zum einen ist unser Mittwoch-Briefing über die Zeit einfach zu umfangreich geworden, und wir wollen ja nicht, dass Sie sich “einen Wolf scrollen”. Zum anderen können wir Sie so noch besser über aktuelle Ereignisse informieren.

    Ich wünsche Ihnen für heute eine anregende Lektüre und Vorfreude auf das zweite Briefing der Woche am Freitag!

    Ihre
    Annette Kuhn
    Bild von Annette  Kuhn

    Analyse

    Wahl in Ostdeutschland: So könnte die Schulpolitik durch eine mitregierende AfD betroffen sein

    Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Brandenburg

    Herr Prof. Hanschmann, stellen wir uns dieses Szenario vor: Nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen oder Thüringen regiert die AfD mit. Würde sie das Kultusministerium kapern?

    Felix Hanschmann: Ich denke, das Kultusministerium ist eines der für die AfD interessanten Ministerien. Das entnehme ich Verlautbarungen von AfD-Politikern, die das Bildungsthema immer wieder starkmachen. In dem 30-minütigen MDR-Sommerinterview mit Björn Höcke im vergangenen Jahr ging es die meiste Zeit um Bildung. Ich entnehme es auch dem Parteiprogramm der AfD, in dem Bildung eine große Rolle spielt. Ich glaube das auch deshalb, weil die AfD über das Kultusministerium Einfluss auf junge Menschen bekommt. Und ein letzter Punkt: Die Schulpolitik ist der Bereich, in dem man relativ viel abseits parlamentarischer Gesetze über Verordnungen und über Verwaltungsvorschriften regeln kann.

    Wie konkret nehmen Kultusministerien Einfluss auf das, was an den Schulen geschieht?

    Das Schulgesetz selbst ist nicht so leicht veränderbar, das ist ein parlamentarisches Gesetz. Für Änderungen bräuchte es in der Regel eine einfache Mehrheit. Aber das Schulgesetz ist nur der Rahmen. Ein Großteil schulischer Fragen ist nicht im Schulgesetz geregelt, sondern in Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Die kann das Kultusministerium selbst erlassen und ändern. Bei Schule haben wir es also mit einem Bereich zu tun, der hochgradig geprägt ist von der Exekutive, also von einer nur mittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebung. Und das macht es für die AfD sehr interessant, denn sie ist hier nicht auf Mehrheiten im Parlament angewiesen. Und sie kann relativ abgeschottet agieren.

    Die AfD könnte Verordnungen ändern, ohne dass die Öffentlichkeit das mitbekommt

    Was meinen Sie damit?

    Diskussionen im Parlament sind viel transparenter. Möglicherweise wird eine Parlamentsdebatte auch im Fernsehen übertragen, Journalisten berichten jedenfalls darüber. Bei der Exekutiven ist das nicht der Fall. Wenn das Kultusministerium Verordnungen erlässt, ist das in viel stärkerem Maße ein nichtöffentlicher Prozess. Verwaltungsvorschriften des Kultusministeriums müssen in der Regel nicht einmal veröffentlicht werden.

    Felix Hanschmann
    Der Rechtswissenschaftler Felix Hanschmann lehrt und forscht an der Bucerius Law School in Hamburg.

    Welche Bereiche sind über Verordnungen und Verwaltungsvorschriften geregelt?

    Das reicht von Lehr- und Bildungsplänen sowie Stundentafeln über die Auswahl und Beschaffung von Lehrmaterialien und der Zulassung von Schulbüchern bis hin zu Lehrerfortbildung und Mitwirkungsrechten von Eltern, Schülern und Lehrern. Auch die schulische Gremienarbeit wird über Verordnungen geregelt. Und selbst über Anforderungen an das Personal entscheidet das Kultusministerium.

    Welche konkreten Auswirkungen hat das?

    Es gibt kein Fach, das nicht betroffen sein könnte. Zu Sexualkunde hat sich die AfD in ihrem Parteiprogramm klar positioniert mit dem Tenor: Man dürfe Kinder nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden lassen. Im Geschichtsunterricht können historische Phasen neu gewichtet und interpretiert werden. Im Deutschunterricht geht es um die Wahl der Literatur: Lesen die Schüler in der zehnten Klasse Bertolt Brecht oder Ernst Jünger?

    Hanschmann warnt: Die AfD könnte Schule innerhalb weniger Wochen verändern

    Wie lange dauert es, bis Änderungen von Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften wirksam werden?

    Im Gegensatz zur parlamentarischen Gesetzgebung, die eher schwerfällig ist, weil unter Umständen mehrere Ausschüsse beteiligt sind und möglicherweise Anhörungen stattfinden, sind Änderungen bei Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften wesentlich einfacher und schneller umsetzbar. Das kann innerhalb weniger Wochen geschehen.  

    Wenn nun die AfD ein Kultusministerium führt und vieles über den Haufen wirft – kann man sich dagegen wehren?

    Da muss man zwischen den einzelnen Akteuren differenzieren. Schulen sind relativ schwach, weil sie aus juristischer Perspektive keine rechtsfähigen Einrichtungen des Staates sind. Das heißt, eine einzelne Schule hat keine eigene Rechtsfähigkeit und kann zum Beispiel auch nicht klagen. Eine Schule ist außerdem eingebunden in einen hierarchischen Verwaltungsaufbau. Über der einzelnen Schule steht die Schulaufsichtsbehörde und über der Schulaufsichtsbehörde das Kultusministerium.

    Was ist mit Lehrkräften?

    Wenn Lehrkräfte glauben, zu einem rechtswidrigen Handeln aufgefordert zu sein, können sie das ihrer vorgesetzten Ebene mitteilen und sich weigern. Aber die einzige Wirkung dabei ist, dass sie sich entlasten. Wenn die Schulleitung sagt, das muss trotzdem so erledigt werden, dann müssen Lehrkräfte das auch tun.

    KMK hätte ein “scharfes Schwert”

    Und die Eltern?

    Sie können sich zwar auf Grundrechte berufen wie der Würde des Menschen oder der Einhaltung von Toleranz gegenüber der Überzeugung anderer. Aber die Vorgaben sind hier breit gefasst. Über subjektive Rechte kommt man also schwer an Inhalte des Unterrichts ran. Eltern haben kein Recht, die Arbeit mit bestimmten Schulbüchern zu verlangen oder zu verhindern. Sie haben eigentlich nur die Möglichkeit, in schulischen Gremien mitzuwirken. Oder sie nutzen ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit und demonstrieren gegen die Schul- und Bildungspolitik.

    Und was lässt sich auf politischer Ebene machen?

    Ein Parlament kann jederzeit Dinge, die über Verordnungen geregelt sind, an sich ziehen. Es kann dann anführen, dass der Bereich Schule so wichtig ist, dass es dafür eines formellen Gesetzes bedarf. Problem aber ist, dass in diesem Szenario die AfD selbst Teil des Parlaments ist und an solchen Schritten kein Interesse haben wird. Eine stärkere politische Barriere ist der Föderalismus.

    Jetzt bin ich neugierig.

    Die Kultusministerkonferenz legt in vielen Bereichen gemeinsame Standards für alle Bundesländer fest. Aber wenn ein Land davon abweicht, können sich die anderen Länder weigern, den Schulabschluss aus diesem Bundesland anzuerkennen. Abiturienten bekommen dann keinen Studienplatz in einem anderen Bundesland. Das ist allerdings ein sehr scharfes Schwert.

    Lesen Sie in der Kolumne von Mark Rackles: Wieso das Einstimmigkeitsprinzip für die KMK wegen der AfD zum Problem werden kann.

    Es gibt keine Zahlen zu rechtsextremen Lehrkräften

    Blicken wir mal auf das Heute. Wie ist die Lage an den Schulen? Gibt es Zahlen, wie viele rechtsextreme Lehrer an Schulen arbeiten?

    Nein, wir haben überhaupt keine zuverlässigen Zahlen dazu, inwieweit rechtsextreme Vorstellungen unter den etwas über fünf Millionen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst verbreitet sind. Selbst für Sicherheitsbehörden gibt es kaum valide Studien. Wenn man sich aber die Rechtsprechung anschaut, zeigt sich, dass bei den Entscheidungen der Arbeits- und Verwaltungsgerichte die Gruppe der Lehrer und Lehrerinnen relativ häufig vertreten ist. Genauso wie Polizisten und Soldaten.

    Woran lässt sich eine rechtsextreme Haltung überhaupt festmachen?

    Aus Sicht des Disziplinarrechts ist das die falsche Frage. Das ist eine sozialwissenschaftliche Perspektive.

    Und wann ist das juristisch von Belang?

    Da geht es nicht unmittelbar um Rechtsextremismus, sondern um die Frage, ob sich die Lehrkräfte zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Diese umfasst die Garantie der Menschenwürde sowie zentrale Elemente der Demokratie und des Rechtsstaatsprinzips. Das Bekenntnis hierzu gehört zu den wesentlichen Dienstpflichten der Lehrkräfte.

    Eine rechtsextreme Haltung bleibt oft unbemerkt

    Wird das bei der Einstellung oder Verbeamtung überprüft?

    Tatsächlich gibt es bislang keine systematischen Überprüfungen. Es sind zwar Vorschläge auf dem Tisch, eine Art Regelabfrage bei den Sicherheitsbehörden einzuführen, aber das ist im Moment nur eine Absichtserklärung. Wenn im Bewerbungsgespräch eine entsprechende Frage kommt, wird jeder sagen, dass er verfassungstreu ist. Das ist ein bisschen so, als wenn Sie in die USA fliegen und auf einem Zettel ankreuzen müssen, ob Sie jemals Mitglied einer terroristischen Vereinigung waren. Das würde auch niemand ankreuzen. Ein Thema bei der Bewerbung können auch Tätowierungen sein. Wenn jemand auf seinem Unterarm den Wahlspruch der SS: “Meine Ehre heißt Treue” tätowiert hat, würde die einstellende Behörde hoffentlich genauer hinschauen. Aber wenn der Bewerber einen langärmeligen Pullover anhat und es keine anderen Indizien gibt, bleibt das unbemerkt.

    Und was ist, wenn Lehrkräfte bereits im Schuldienst sind? Wann können Maßnahmen greifen?

    Wenn sie ihre Dienstpflichten verletzen. Die Dienstpflichten werden durch alle Rechtsvorschriften, also Gesetze, Verordnungen, aber auch Verwaltungsvorschriften für Lehrerinnen und Lehrer geregelt. Da steht zum Beispiel genau drin, in welcher Art und Weise Lehrerinnen und Lehrer auf dem Schulhof oder auf Klassenfahrten ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und welche medizinischen Hilfeleistungen sie leisten müssen. Aber es geht auch um die Pflicht zur Verfassungstreue. Die Verletzung der Dienstpflicht ist die Voraussetzung dafür, dass dann das Instrumentarium der unterschiedlichen disziplinarischen Maßnahmen greift.

    Anforderungen, um einen Beamten zu entlassen, sind sehr hoch

    Welche Maßnahmen können das sein?

    Das reicht von einem Verweis über eine Geldbuße und Kürzung der Dienstbezüge bis hin zu einer Zurückstufung zum Beispiel vom Oberstudienrat zum Studienrat und am Ende zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Welche Maßnahme greift, hängt von der Qualität des Verstoßes ab. Aber um einen Lehrer aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, sind die Anforderungen hoch. Zudem handelt es sich immer um Einzelfallentscheidungen.

    Wenn ein Lehrer mit rechtsextremen Äußerungen auffällt – wer wird dann aktiv?

    Von wem die Initiative ausgeht, ist unterschiedlich. Das können Kolleginnen und Kollegen oder auch Eltern sein, die das der Schulleitung melden. Manchmal kommt ein Hinweis auch von Sicherheitsbehörden, wenn sie feststellen, dass sich ein Lehrer in bestimmten Kreisen aufhält. Dem muss dann die Schulaufsichtsbehörde nachgehen. Geht es um verbeamtete Lehrkräfte, ist es bislang so, dass jedenfalls bei einer Zurückstufung und bei einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis die Dienstbehörde beim Verwaltungsgericht eine Disziplinarklage erheben und dann die gerichtliche Entscheidung abwarten muss. Aber diese Verfahren dauern lange, daher ist dieses Vorgehen gerade in der Diskussion.

    Hanschmann sieht kaum rechtliche Handhabe, um AfD zu stoppen

    Welche Alternative gibt es?

    Es gibt einen Referentenentwurf des Innenministeriums, der vorsieht, dass der Dienstherr den Beamten durch Verwaltungsakt entlässt und nicht selbst Klage erheben muss. Es ist dann also umgekehrt: Erst erfolgt die Entlassung, dann wartet man das Gerichtsurteil ab, wenn der Betroffene dagegen Rechtsschutz erwirkt. Dann muss die Entscheidung möglicherweise wieder zurückgenommen werden.

    Aber was ist nun, wenn das Kultusministerium von der AfD geführt wird?

    Das Kultusministerium leitet ein Disziplinarverfahren nur ein, wenn es das auch will. Der politische Wille muss also da sein, und das wird bei Verletzungen der Dienstpflicht, die die Verfassungstreue betreffen, dann möglicherweise eher nicht der Fall sein. Ich würde auch noch weitergehen und die Vermutung aufstellen: Eine Schulleitung wird nur dann solche Fälle melden, wenn sie weiß, dass das Kultusministerium dabei hinter ihr steht. Sonst wird sie aus Angst vor Konsequenzen durch die übergeordnete Behörde eher nichts unternehmen.

    Felix Hanschmann ist Rechtswissenschaftler und Inhaber des Dieter Hubertus Pawlik Stiftungslehrstuhls “Kritik des Rechts – Grundlagen und Praxis des demokratischen Rechtsstaates” an der Bucerius Law School. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist Verwaltungsrecht, insbesondere im Bereich Schule. Im Rahmen der Ringvorlesung “Rechtsextremismus, Recht und Justiz” hat er Anfang Februar an der HU Berlin einen Vortrag dazu gehalten, wie die AfD Schulen verändern könnte

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    Haushalt 2025: Wo Stark-Watzinger und Paus sparen könnten

    Die meisten Bundesministerien müssen im kommenden Jahr wohl mit deutlich weniger Geld auskommen. Finanzminister Christian Lindner hat den Kabinettsmitgliedern konkrete Einsparvorgaben gemacht. Nach Informationen von Table.Briefings gehören das Bildungs- und das Familienministerium zu den am stärksten betroffenen Ressorts. Beide sollen gegenüber 2024 knapp eine Milliarde Euro einsparen. Zuerst hatte der “Spiegel” über die Zahlen berichtet. Die Ministerien sind nun aufgefordert, dem Finanzminister bis zum 19. April ihre Haushaltspläne vorzulegen.

    Freiwilligendienste und Demokratieförderung gefährdet

    Besonders schwer ist dies für Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Der Etat ihres Ministeriums umfasst derzeit rund 13,9 Milliarden Euro. Nun soll sie rund 900 Millionen Euro einsparen. In der Koalition wird das als Provokation von Linder gegenüber dem Koalitionspartner sei gedeutet. Manch einer unterstellt sogar, dass es das Ziel des Finanzministers sei, die Grünen auf diesem Weg aus der Koalition zu drängen.

    Paus’ Problem: Ein Großteil der Posten lässt sich jedoch nicht so einfach kürzen. Denn der Haushaltsplan besteht zu 90 Prozent aus gesetzlich festgeschriebenen Familienleistungen. Einen Großteil davon (8,0 Milliarden) macht das Elterngeld aus, gefolgt vom Kinderzuschlag (2,4 Milliarden) und dem Unterhaltsvorschuss (1,3 Milliarden).

    Deshalb wird schon jetzt gemutmaßt, dass die Sparvorgaben am Ende vor allem die Demokratieförderung und die Freiwilligendienste treffen könnten. Für die Projekte zur Demokratieförderung, die Paus gerne durch ein Demokratiefördergesetz verstetigen würde, stehen derzeit 200 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung – ein Großteil davon (140 Millionen) fließt in das Programm “Demokratie leben!” Die Freiwilligendienste bezuschusst der Bund aktuell mit rund 300 Millionen Euro pro Jahr.

    Einsparungen könnten starke Auswirkungen auf die Schulen haben

    Sollten die Mittel für diese beiden Posten gesenkt werden, könnte sich das erheblich auf die Schulen auswirken: Junge Menschen können ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder den Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter anderem in Schulen ableisten, wo sie die Lehrkräfte während des Regelunterrichts unterstützen oder besonders förderbedürftige Schülerinnen und Schüler individuell betreuen. Auch bei anderen Trägern können sie eingesetzt werden, um Bildungsangebote zu organisieren. Sportvereine stellen Freiwilligendienstleistende zur Unterstützung ihrer Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit ein. Mit Blick auf den Ausbau der Ganztagsbetreuung könnten diese künftig noch wichtiger werden.

    Mit dem Programm “Demokratie leben!” unterstützt der Bund laut Angaben des Familienministeriums “zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, Vielfalt und gegen jede Form von Extremismus”. Institutionen wie Stiftungen oder Vereine können sich projektbezogen um Fördermittel aus dem Topf bewerben. Häufig führen sie damit Projekte zur Extremismusprävention an Schulen durch.

    Paus überraschte schon 2023 mit ihrem Sparvorschlag

    Die Sorge, dass Paus in diesen beiden Bereichen den Rotstift ansetzen könnte, gab es allerdings schon im vergangenen Jahr – und war am Ende unbegründet. Denn die Familienministerin entschied sich stattdessen, den Höchstbetrag für die Berechtigung zum Elterngeld von 300.000 auf 200.000 Euro abzusenken. Damit ärgerte die Grünen-Politikerin vor allem die FDP. Doch auch die Liberalen trugen die Entscheidung mit und stimmten im Bundestag für die Gesetzesänderung.

    Es ist daher gut möglich, dass Paus auch diesmal nach Wegen sucht, um bei den gesetzlichen Familienleistungen zu kürzen. Denn die Demokratieförderung gehört zu den größten Herzensprojekten, für die sie in den vergangenen Monaten besonders vehement warb. Kürzungen in diesem Bereich wären vor allem in ihrer eigenen Partei besonders schwer vermittelbar. Bei den Freiwilligendiensten wollte sie auch kürzen, was die Haushaltspolitiker des Bundestags jedoch in letzter Minute verhinderten. Grund dafür dürften nicht zuletzt die Demonstrationen gewesen sein, mit denen FSJ- und BFDler sich gegen die Sparvorhaben wehrten. Auch das dürfte Paus bei ihren Überlegungen im Hinterkopf haben.

    BMBF: Spekulationen über “Rasenmäherkürzung”

    Im Bildungs- und Forschungsministerium sind die Kürzungsoptionen deutlich vielfältiger. Man könnte auch sagen, Bettina Stark-Watzinger hat die Qual der Wahl, wo sie den Rotstift ansetzen will, um ihre Sparvorgaben zu erfüllen. Der Etat, den die FDP-Politikerin verwaltet, umfasst im laufenden Jahr 21,5 Milliarden Euro. Verpflichtende staatliche Leistungen wie im Familienministerium hat sie kaum. Spekuliert wird daher über eine “Rasenmäherkürzung”, die verschiedene Forschungseinrichtungen und -programme betreffen könnte.

    Unter Haushaltspolitikern wird das allerdings entspannter gesehen als im Familienministerium. Denn in den vergangenen Jahren sind die eingeplanten Haushaltstitel in vielen Einzelposten nicht vollständig abgeflossen. Es sind somit “Spielräume auf Vorrat” geschaffen worden, die nun genutzt werden könnten.

    Bislang keine Mittel für Digitalpakt II eingeplant

    Aber auch Stark-Watzinger wurde im vergangenen Jahr kreativ: Sie kürzte unter anderem beim Bafög und hofft nun darauf, dass die eingeplanten Mittel trotzdem ausreichen. Sollte dies nicht der Fall sein, muss das Finanzministerium eine sogenannte “überplanmäßige Ausgabe” genehmigen. Diese kann dann durch andere Haushaltstitel kompensiert werden, in denen nicht alle eingeplanten Mittel abgeflossen sind. Fraglich ist wiederum, wo im Haushalt sich Mittel für den Digitalpakt II wiederfinden sollen. Bislang sind dazu keine Mittel eingeplant. Sollten sich Bund und Länder auf eine Fortsetzung ab 2025 einigen, müssten dazu zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden.

    Fest steht, dass die Haushaltsaufstellung die drei Regierungsparteien vor eine Zerreißprobe stellen dürfte. Immer wieder ist auf den Bundestagsfluren zu hören, dass sich daran entscheiden dürfte, ob die Ampel-Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält. Berücksichtigt werden sollte bei allen Spekulationen um die Verteilung der Mittel jedoch, dass der Prozess gerade erst angestoßen wurde. Neue Steuerschätzungen und die finalen Beratungen der Parlamentarier haben den Haushaltsberatungen auch in der Vergangenheit schon oft ungeahnte Wendungen beschert.

    • Bettina Stark-Watzinger
    • Bundesbildungsministerium
    • Lisa Paus

    Kolumne

    “Hoffnung auf eine handlungsfähige KMK”

    Bildungsberater, KMK-Kenner, Reformer: In seiner Kolumne denkt Ex-Bildungsstaatssekretär Mark Rackles jeden Monat Bildungspolitik neu. Erfahren Sie hier mehr über die Vita unseres Kolumnisten.

    Kurz vor Ostern hat die KMK noch einen bunten Strauß an Themen bearbeitet und der Bildungsrepublik ein paar knallige Eier ins Nest gelegt. Mit einer gehörigen Portion Respekt muss man anerkennen, dass die saarländische KMK-Präsidentschaft Sprunggelenke wie die Osterhäsin haben muss: Das vorösterliche Themen-Hopping macht einem nochmal die große Spannbreite der KMK-Aktivitäten bewusst.

    Erst streiten Bund und Länder zum Thema Digitalpakt 2.0, dann beraten die Ministerinnen und Minister über einen Qualitätsrahmen für berufliche Schulen, verabschieden Solidaritätserklärungen mit der Ukraine (wenige Tage später fährt eine Delegation zum Solidaritätsbesuch nach Israel). Dann formulieren sie noch neue Leitlinien für die Grundschulen in Deutschland und neue Ansätze zur Bewältigung des Lehrkräftemangels. Nebenbei wird im Hintergrund die notwendige KMK-Reform auf Basis des sogenannten Prognos-Gutachtens weiter betrieben und die sensible Frage einstimmiger Beschlüsse politisch thematisiert. Man mag der KMK viel vorwerfen, aber Untätigkeit aktuell sicherlich nicht.

    KMK zieht greifbare Konsequenzen

    Es ist tatsächlich so, dass ein Hauch von Bewegung durch die staubigen Strukturen des Bildungsföderalismus weht. Mit der beschlossenen “Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule” beweisen die Kultusministerinnen und Kultusminister, dass sie aus den vorausgegangenen (schlechten) Studienergebnissen zu Lernleistungen in der Grundschule tatsächlich greifbare Konsequenzen ziehen. Die Benennung eines “fachlichen Kernbereichs” der Grundschule und die konkrete Stärkung der drei Kernfächer Mathematik, Deutsch und Sachkunde mit über 50 Prozent der Stunden ist sinnvoll. Und mutig: Denn die Lobbygruppen all der anderen Fächer – von Kunst und Musik bis zu Sport und Religion – dürften eine Einteilung in und Priorisierung von Kernfächern eher skeptisch sehen.

    Konkrete Schlussfolgerungen zieht die KMK auch aus den diversen 2023 vorlegten Gutachten zur Lehrkräftebildung und zur Behebung von Bedarfsdefiziten. Das ist schon deshalb nicht selbstverständlich, da die Gutachten wichtiger Akteure wie der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) und des Wissenschaftsrats teilweise zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Mit dem Beschluss “Maßnahmen zur Gewinnung zusätzlicher Lehrkräfte und zur strukturellen Ergänzung der Lehrkräftebildung” wägt die KMK vorgebrachte Argumente ab und macht dann das, wofür sie 1948 gegründet wurde: Sie formuliert länderübergreifend politische Schlussfolgerungen.

    Ganztag – weitere Großbaustelle für die KMK

    Im Ergebnis öffnet sie das System der Lehramtsausbildung an drei relevanten Punkten: Zulassung sogenannter “Ein-Fach-Lehrkräfte”, Zulassung eines dualen Lehramtsstudiums sowie Ausbau des Quereinstiegs-Masterstudiums. Weitere Schlussfolgerungen werden unter anderem in Bezug auf die bisherige Bedarfsprognostik sowie die Erhöhung der Studienerfolgsquote angekündigt. Das ist sicherlich noch keine grundlegende Reform der Lehrkräftebildung, es ist aber mehr, als manch einer und manch eine erwartet hätten.

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    Dieses frühlingshafte Keimen von Tatkraft und Entschlusskraft ist auch deshalb zu begrüßen, weil sich neben der erwähnten KMK-Strukturreform eine weitere bildungspolitische Großbaustelle absehbar in den Vordergrund drängen wird: der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung. Auch dieses Thema war im vorösterlichen Themenreigen der KMK gut vertreten: Die KMK-Präsidentin Streichert-Clivot trat gemeinsam mit der Vorsitzenden der Jugendministerkonferenz (JFMK) und den beiden zuständigen Bundesministerinnen (BMBF und BMFSFJ) auf dem zweitägigen Ganztagskongress in Berlin auf.

    Professionsverständnis ändert sich durch Ganztag

    Jenseits der allgemein bekannten und vertrauten Bekenntnisse zur ganztägigen Bildung und zu multiprofessionellen Teams war sowohl auf dem Podium als auch in den Fachgesprächen klar, dass da ein Ei mit erheblichem Innovationspotenzial im Nest der KMK und der JFMK liegt. Auf dem Ganztagskongress ging es nicht um das Mehr an Betreuungsstunden. Im Vordergrund standen die strukturellen Veränderungen, die ganztägiges Lernen im Professionsverständnis der Lehrkräfte, zwischen den Professionen oder auch in Bezug auf neue Arbeitszeitmodelle, auslöst.

    Die Reichweite und Bedeutung des Themas wurden nicht nur durch das gemeinsame Auftreten von KMK- und JFMK-Vorsitzenden auf dem Kongress untermauert, sondern auch durch die (erstmalige) gemeinsame Sitzung der beiden Fachministerkonferenzen im Oktober 2023. Wie so oft im Bildungswesen hat ein externer Impuls (hier: ein Bundesgesetz) eine schiefe Ebene erzeugt, auf der alte Strukturen und Gewissheiten ins Rutschen kommen. Ob der Ganztagsanspruch fristgerecht umgesetzt wird, ist sicherlich wichtig. Wichtiger ist jedoch der Zwang zur Kooperation und zu Strukturanpassungen, die nachhaltig wirken werden.

    KMK stellt sich politischen Herausforderungen

    Diese aktuellen Beispiele einer politischen Priorisierung (von Kernfächern in der Grundschule), von politischer Schlussfolgerung (in Bezug auf Ausbildungsstrukturen) sowie von bereichsübergreifender Kooperation (im Ganztag) geben Anlass zur Hoffnung. Nicht auf ein klassisches Osterwunder, aber doch auf eine handlungsfähige KMK, die sich politischen Herausforderungen stellt und sich nicht wie so oft in Formalkompromisse flüchtet. Das ist das Schöne an diesen Ostertagen: Man darf ganz unbedarft hoffen.

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    Petition für freien Zugang zu alten Prüfungsaufgaben

    Nach den Osterferien starten die Abitur-Abschlussprüfungen. Aber die Voraussetzungen für die Vorbereitung ist in den Bundesländern unterschiedlich. Die Möglichkeit, alte Prüfungsaufgaben fürs Üben zu nutzen, gibt es nicht überall. “Frag den Staat” und Wikimedia Deutschland haben daher Ende März eine Petition gestartet. Innerhalb der ersten sechs Tage kamen bereits 9.000 Unterschriften zusammen.

    Die Forderung ist nicht neu. Table.Briefings hat darüber bereits berichtet. Frag den Staat und Wikimedia setzen sich seit fünf Jahren dafür ein, dass die Aufgaben für Abschlussprüfungen aus früheren Jahren kostenfrei und für alle digital zugänglich sind. Das ist in der Hälfte der Bundesländer bislang nicht der Fall. “In mindestens acht Bundesländern, so unsere Recherchen, verschenken oder verkaufen Kultusministerien die Lizenz, die Aufgaben zu veröffentlichen, sogar an Verlage”, heißt es in der Petition. Die Kritik: Die Prüfungsaufgaben würden mit öffentlichen Mitteln erstellt, daher könnten sie nicht später verkauft werden.

    Nur in zwei Bundesländern sind alte Prüfungsaufgaben frei verfügbar

    Die Verlage bereiten die Prüfungsaufgaben in Übungsheften auf und verkaufen diese. Ein profitables Geschäft für die Verlage. Führend ist dabei der Stark Verlag. Wie es in der Petition heißt, hat er “laut Bundesanzeiger 2021 mit den roten Übungsheften Millionen verdient – ca. 82 Prozent des Gesamtgeschäftes“.

    Die Hefte für die Abiturvorbereitung mit den Prüfungsaufgaben aus dem Vorjahr kosten in der Regel 18,95 Euro – pro Fach. Das vergrößere die Bildungsungerechtigkeit, so ein weiterer Kritikpunkt. Wer es sich leisten kann, kauft die Hefte. Ist das Geld nicht da, gehen die Schüler mit schlechteren Startbedingungen in die Prüfung.

    Petition soll im Juni an die KMK gehen

    Uneingeschränkt zugänglich sind alte Prüfungsaufgaben bislang nur in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dass es in zwei Bundesländern möglich ist, entkräftet das von anderen Ländern vorgebrachte Argument, die Zugänglichkeit sei wegen des Urheberrechts nicht möglich. Auch Anke Nordemann-Schiffel, Expertin für Urheberrecht, versicherte Table.Briefings bereits vor einem Jahr: “Urheberrechtlich steht dem in Niedersachsen durchgeführten Vorgehen nichts im Wege.”

    Die Petition wollen Frag der Staat und Wikimedia im Juni bei der nächsten Kultusministerkonferenz übergeben. Annette Kuhn

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    Betriebe beklagen sinkendes Interesse an Metall- und Elektroberufen

    Die Metall- und Elektroindustrie verzeichnet ein abnehmendes Interesse an der Ausbildung. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AVG Nord. 60 Prozent der 165 befragten Betriebe gaben an, dass die Zahl der Bewerbungen in den vergangenen beiden Jahren zurückgegangen sei. Im Corona-Jahr 2021 hatten das sogar 79 Prozent der Befragten gesagt, 2016 waren es noch 39 Prozent.

    Zum Zeitpunkt der Befragung zwischen dem 7. Dezember 2023 und dem 24. Januar 2024 waren den Betrieben zufolge 216 Ausbildungsplätze in Bremen, Hamburg, dem nordwestlichen Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (4,7 Prozent) unbesetzt. Mit Abstand am größten ist die Besetzungslücke in der Mechatronik mit 40 freien Plätzen – in dem Beruf bilden die Betriebe auch insgesamt am meisten aus. An zweiter Stelle folgt die Zerspanungsmechanik mit 17 unbesetzten Ausbildungsstellen, dicht gefolgt von der Industriemechanik (16).

    Potenzial bei Frauen, Abiturienten, Studienabbrechern

    Dabei haben sich den Arbeitgebern zufolge die Bedingungen für Bewerberinnen und Bewerber verbessert: 45 Prozent berichteten, dass sie die Zahl der Ausbildungsplätze in den vergangenen beiden Jahren erhöht hätten. “Zudem bieten sie mit fast 1.200 Euro schon im ersten Ausbildungsjahr (ab 1. Mai 2024) eine attraktive Vergütung”, sagte Peter Golinski, Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände für Bildung, Arbeitsmarkt und Fachkräfte.

    Als Problem benannte Golinski eine wachsende Orientierungslosigkeit junger Menschen. Er fordert, bereits in der Sekundarstufe I mit Berufsorientierung und Praktika zu starten. Noch Potenzial sehen die meisten Unternehmen in Abiturienten (64 Prozent) und Studienabbrechern (63 Prozent), viele nannten zudem speziell Frauen (64 Prozent). Weniger Betriebe bekundeten hingegen Interesse an Jugendlichen mit Fluchthintergrund (36 Prozent) oder jungen Menschen aus dem Ausland (27 Prozent).

    Von den eingestellten Azubis hat bisher die Hälfte der Azubis die Mittlere Reife, ein Drittel das Abitur und rund 16 Prozent den ersten Schulabschluss. Nur 0,2 Prozent haben gar keinen Schulabschluss. dpa/anpa

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    Bologna-Bericht: Deutsche Hochschulen sollen noch internationaler werden

    Um im globalen Wettbewerb zu bestehen und führender Wissenschaftsstandort zu bleiben, müssten deutsche Hochschulen noch internationaler werden. So steht es im aktuellen Bericht über die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland. Diesen beschlossen das Bundeskabinett und die Kultusministerkonferenz am vergangenen Donnerstag (zum Download).

    Ende Mai treffen sich die Minister des Europäischen Hochschulraums (EHR) in Albanien, um über die weitere Zusammenarbeit für die Arbeitsperiode 2024 bis 2027 abzustimmen. Dabei soll es unter anderem um die Rolle des Hochschulsektors für eine demokratische Gesellschaft und um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz gehen.

    Drittwichtigstes Gastland internationaler Studierender

    Mit den Bachelor- und Masterstudiengängen, dem Kreditpunktesystem und einer europäischen Grundlage zur Qualitätssicherung erfüllt Deutschland strukturell all die Anforderungen, die 1999 mit der Bologna-Reform angestoßen wurden. Im Wintersemester 2022/23 gab es an deutschen Hochschulen rund 93.000 internationale Studienanfänger – ein neuer Spitzenwert. Der deutliche Rückgang im Zuge der Corona-Pandemie scheint damit überwunden. Erstmals liegt Deutschland als drittwichtigstes Gastland vor Australien, hinter den USA und Großbritannien.

    Zudem gehen auch viele deutsche Studierende ins Ausland. Im Jahr 2020 hatten 17,1 Prozent der deutschen Studierenden studienbezogene Erfahrung in einem anderen Land gesammelt. Das ist zwar weniger als das Mobilitätsziel von mindestens 20 Prozent, auf das sich die Staaten des EHR geeinigt haben. Der Wert liegt aber über dem EU-Durchschnitt von 13,5 Prozent, wie die KMK und das BMBF in ihrem Bericht feststellen.

    Berufliche Bildung als deutsches Erfolgsmodell

    Liegt der Tenor im Hochschulbereich vor allem auf einer stärkeren internationalen Ausrichtung, setzen die KMK und das BMBF bei der beruflichen Bildung auf das deutsche Modell. Aufgrund der “bewährten und etablierten dualen beruflichen Aus- und Fortbildung” gebe es keine Notwendigkeit, nach dem Vorbild anderer Länder sogenannte Short-Cycle-Programme einzuführen. Die ähnlich niedrige Arbeitslosenquote von Akademikern und Personen mit Berufsausbildung sei ein “Beleg für die hochgradige Anerkennung beider Berufszugänge”. Vera Kraft

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    Jeder zehnte neue Bundeswehrsoldat ist minderjährig

    Von den neuen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr waren 2023 zum Zeitpunkt ihrer Einstellung 1.996 erst 17 Jahre alt. Das waren 10,6 Prozent – 2022 waren es noch 9,4 Prozent. Insgesamt hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr 18.802 neue Soldatinnen und Soldaten eingestellt, minimal mehr als im Vorjahr. 15.935 von ihnen waren Männer. Das geht aus einer Übersicht hervor, die das Bundesverteidigungsministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitgeteilt hat.

    SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag im Bund jedoch eigentlich vereinbart, dass Ausbildung und Dienst an der Waffe volljährigen Soldatinnen und Soldaten vorbehalten sein sollen. Das Verteidigungsministerium erklärte nun, 17 Jahre alte Bewerber würden nur dann eingestellt, “wenn sie ein umfassendes physisches und psychologisches Eignungstestverfahren bestehen”. Die militärische Ausbildung berücksichtige zudem umfangreiche Schutzregelungen für die Minderjährigen: “Konkret heißt das: keine Teilnahme an Wachdiensten oder Auslandseinsätzen, Gebrauch der Waffe nur für Ausbildungszwecke.”

    Insgesamt hat die Zahl der Rekruten noch nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Zwar stieg sie 2022, im Jahr des russischen Angriffs auf die Ukraine, um rund zwölf Prozent auf 18.775. Allerdings gab es 2019 noch 20.170 Rekruten – und damit fast sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr. dpa

    Lesen Sie auch: Streit um Bundeswehrbesuche im Unterricht: “Das ist kein Bildungsmodell für unsere Schulen”

    • Ausbildung
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    Sachsen-Anhalts Bildungsministerin verteidigt Headhunter-Modell

    Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner hat nach interner Kritik ihr Headhunter-Projekt zur Anwerbung ausländischer Lehrkräfte verteidigt. Es handele sich um ein deutschlandweit einmaliges Erfolgsmodell, sagte die CDU-Politikerin. In den vergangenen drei Jahren hat das Projekt das Land laut Mitteldeutscher Zeitung 1,2 Millionen Euro gekostet. Sachsen-Anhalt habe nach Ministeriumsangaben 110 Lehrkräfte mithilfe von Personalvermittlungsagenturen eingestellt. 38 hätten den Landesdienst inzwischen jedoch bereits wieder verlassen.

    In der Regierungskoalition gibt es Kritik: SPD-Landtagsfraktionschefin Katja Pähle bezeichnete das Programm als “offensichtlich nicht nachhaltig angelegt.” In einer internen Auswertung hat das Landesschulamt laut Mitteldeutscher Zeitung zudem etliche Missstände offengelegt. Zahlreiche zur Zahlung an die Agenturen angewiesene Rechnungen seien “nicht vertragskonform”. Es seien etwa Menschen rekrutiert worden, die über die Abschlüsse Lehramt Japanisch, Modern East Asian Studies oder serbische Sprache und Literatur verfügten.

    Das Landesschulamt teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, bei der Erfüllung von Verträgen komme es durchaus vor, dass es Meinungsverschiedenheiten über die Leistung gebe. “Solche Erörterungen führen jedoch nicht dazu, dass das Ziel eines Vertrages insgesamt infrage steht.” Auch Bildungsministerin Feußner hält an dem Headhunter-Projekt fest. Sie kündigte allerdings Anpassungen an, etwa Sprachkurse für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer.

    Uni Magdeburg startet dualen Studiengang fürs Lehramt

    Eine weitere Maßnahme gegen den Lehrkräftemangel soll im Wintersemester greifen: Um Lehramtsstudenten schon während ihres Studiums früher in die Schulen zu bekommen, startet die Universität Magdeburg für 30 Studierende ein praxisintegriertes Studium für Lehrer an Sekundarschulen.

    Ab dem dritten Semester sollen die Studierenden in dem Modellversuch bereits im Bachelorstudium einen Tag pro Woche an ihrer jeweiligen Einsatzschule hospitieren. Das Masterstudium werde mit dem Referendariat verzahnt, zwei Tage pro Woche sollen die Studierenden unterrichten. Eine Ausbildungsvergütung soll die Attraktivität des Studiums steigern. Erst vor zwei Wochen hatte die Kultusministerkonferenz grundsätzlich den Weg für duale Studienmöglichkeiten freigemacht. dpa/anpa

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    Heads

    Maren Voßhage-Zehnder – unterstützt Risikoschüler in Sommerakademien

    Als Geschäftsführerin von Phase BE unterstützt Maren Voßhage-Zehnder Schüler, die drohen, am Schulabschluss und dem Übergang in einen Beruf zu scheitern.

    “Jeden Tag eine neue Chance!” – so lautet eine Maxime der Sommerakademien des von Maren Voßhage-Zehnder mitgegründeten Sozialunternehmens Phase BE. Insgesamt rund 400 Schülerinnen und Schüler bringt es jährlich an verschiedenen Orten für je drei Wochen zusammen. Alle befinden sich kurz vor der neunten oder zehnten Klasse, also ein Jahr vor dem ersten oder Mittleren Schulabschluss, und gelten als “Risikoschüler”.

    “Unser Ziel ist es, dass sie deutlich bessere Chancen haben, gut in eine Ausbildung überzugehen und diese stabil zu durchlaufen“, sagt Voßhage-Zehnder. Und ihr ist ein ganzheitlicher Bildungsansatz wichtig. “Weil ich eben nicht glaube, dass Bildung nur in der Schule passiert – wir wollen Jugendliche zum Akteur ihres Lebens machen, der Interesse hat, sich zu entwickeln.” Dabei spiele auch die Entwicklung von Entscheidungsfähigkeit eine zentrale Rolle – für ihren beruflichen Weg und eine aktiv gestaltete Zukunft.   

    2007 startete das Projekt in Lüneburg

    In den Sommerakademien kommen Jugendliche aus einer Region zusammen, um sich auf ihr letztes Jahr in der Schule vorzubereiten und sich mit ihrer weiteren beruflichen Lebensgestaltung intensiv auseinanderzusetzen. Im Anschluss werden sie ein Jahr lang wöchentlich individuell bei der Umsetzung ihrer Ziele begleitet. “Wir glauben daran, dass junge Menschen die vielen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, nur meistern, wenn sie für sich den Sinn sehen und Spaß an Herausforderungen entwickeln”, sagt Voßhage-Zehnder.

    Die Entstehungsgeschichte der Sommerakademien an der Leuphana Universität Lüneburg klingt wie ein Bildungsmärchen: Kurt Czerwenka, Psychotherapeut und Professor für Erziehungswissenschaften, entwickelte mit einem Seminar idealistischer Studierender die Vision, Jugendliche mit schweren Startbedingungen in ihrer Bildungslaufbahn und der Berufsfindung zu unterstützen. Die Leuphana Sommerakademie war geboren. 2007 wurde das Konzept in Lüneburg erstmalig in die Praxis umgesetzt. Voßhage-Zehnder stieg 2009 als Projektmanagerin ein. Die Kultur- und Politikwissenschaftlerin, zuvor freie Wissenschaftlerin an der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, gründete 2017 Phase BE mit und ist seitdem Geschäftsführerin, bis 2021 noch mit einer Partnerin.

    Nach den Sommerakademien ein Jahr Begleitung

    Das Projekt zeichnet sich durch einen Betreuungsschlüssel aus, von dem andere nur träumen können: Auf zwei Teilnehmende kommt eine Betreuungsperson. “Das ermöglicht eine sehr individualisierte Begleitung und eine in die Tiefe gehende Auseinandersetzung mit den Jugendlichen”, sagt Voßhage-Zehnder.

    2024 soll es deutschlandweit sechs Akademien geben. Da die Sommerakademien für die jungen Menschen kostenfrei sind, ist die Förderung durch Stiftungen, Unternehmen und Agenturen für Arbeit notwendig – die wiederum selbst profitieren. Denn: “Durch Stärkung der Jugendlichen und Begleitung ihres Entwicklungsprozesses wird der regionale Ausbildungsmarkt gestärkt.”

    Lesen Sie hier: Wie Förderung von Risikoschülern an Berufsschulen gelingt

    Voßhage-Zehnder startet neues Projekt der Phase BE

    Die Langzeitevaluation der Sommerakademien zeigt den Erfolg des Projekts: 97 Prozent schaffen ihren Schulabschluss, 33 Prozent gelingt direkt der Übergang in die Berufsausbildung, der Rest strebt eine höhere schulische Qualifizierung an. Wer eine Ausbildung beginnt, dem gelinge es laut Voßhage-Zehnder zudem meist auch, langfristig in Ausbildung zu bleiben.

    Im vergangenen Jahr hat Phase BE die Digitale Akademie gelauncht, sie soll überregional unterstützen. In Kooperation mit Schulen und Berufsschulen will sie junge Menschen bei der Suche nach ihren Stärken und beim Bewerbungsprozess digital abholen. Im Adventure-Spiel mit Avataren werden sie von Teamern der Phase BE auf ihrem Weg begleitet. Der Spaß am Lernen und Sich-Kennenlernen steht auch hier an zentraler Stelle. Beim BMBF-Wettbewerb für digitale Berufsorientierungsangebote “D-BOP erhielt das Spiel für seinen Gamification-Ansatz 2023 einen Sonderpreis. Juliane Scholübbers

    • Ausbildung
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    Mehr von Table.Media

    Research.Table: “Wir sind ein Land der Stiftungen geworden.” Die Wübben Stiftung Wissenschaft fördert Persönlichkeiten, die den Mut haben, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, sagt Geschäftsführer Peter-André Alt. Im Interview erläutert er auch, inwieweit Stiftungen miteinander konkurrieren und wie man Unipräsidenten coacht. Mehr

    Research.Table: Europäischer Studienabschluss soll bald möglich werden. EU-Forschungskommissarin Iliana Ivanova hat erste Pläne aus dem Higher Education Package der EU-Kommission vorgestellt. Damit Universitäten in der EU in Zukunft noch besser von einem gemeinsamen Austausch profitieren können, soll ein einheitlicher europäischer Abschluss eingeführt werden. Mehr

    Presseschau

    Spiegel: Ein Teil der Quer- und Seiteneinsteiger verlässt nach kurzer Zeit wieder die Schule. Lehrkräfte im Quer- und Seiteneinstieg spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Lehrkräftemangel, gerade in ostdeutschen Bundesländern. Eine Seiteneinsteigerin berichtet davon, dass sie plötzlich andere Fächer übernehmen sollte als vereinbart, eine besonders anspruchsvolle Klasse bekam und die Schulleitung sie vor den Schülern kritisierte. Experten fordern, Quer- und Seiteneinsteigern mehr Zeit einzuräumen – für Vor- und Nachbereitung und für ihre Qualifikation. (“Warum viele Quereinsteiger schnell wieder aufgeben”)


    LinkedIn: Immer mehr Lehrkräfte quittieren nicht altersbedingt den Dienst. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie, rechnet anhand von Zahlen des Statistischen Bundesamtes vor, dass inzwischen deutlich mehr Lehrkräfte die Schule verlassen als noch Mitte der 2010er-Jahre. Zuletzt haben weniger ihren Dienst altersbedingt beendet, die Zahl jener, die aus anderen Gründen ging, hat sich hingegen fast verdoppelt. Wenn sich die aktuelle Relation hält (1 zu 2,5), würden 2035 zwei Drittel aller Lehrkräfte gehen. Damit es dazu nicht kommt, fordert Dohmen, die Rahmenbedingungen in den Schulen deutlich zu verbessern. (“Massenexodus der Lehrkräfte? – Zumindest der Trend ist stark steigend!”)


    Deutschlandfunk: Städte- und Gemeindebund fordert Einsatz ukrainischer Flüchtlinge in Kitas und Schulen. Hauptgeschäftsführer André Berghegger will so das Personal entlasten und die Integration beschleunigen. 260.000 Kinder aus der Ukraine seien im schulpflichtigen Alter. Städte und Gemeinden stünden nicht nur vor einer organisatorischen, sondern auch vor einer finanziellen Herausforderung. (“Ukraine-Flüchtlinge: Städte- und Gemeindebund für Einsatz in Schulen und Kitas”)


    BR: Bayern will Cannabis-Konsum streng kontrollieren, die Umsetzung ist fraglich. Die Landesregierung will es Kiffern schwer machen. Bei der Polizei allerdings sind noch viele Fragen offen, etwa wie die Beamten den 100-Meter-Mindestabstand zu Kitas, Schulen und Spielplätzen kontrollieren sollen. Gerade in den größeren bayerischen Städten dürfte bei strenger Auslegung an sehr vielen Orten nicht gekifft werden. Polizeigewerkschaften sehen viel Arbeit auf die Beamten zukommen. (“Abstandsregeln für Cannabis: Wie soll das kontrolliert werden?”)


    Hessenschau: An Berufsschulen mangelt es an gut qualifizierten Lehrkräften und technischer Ausstattung. Viele Azubis bemängeln die fachliche Qualität ihrer Lehrer. Ein Lehrer einer Berufsschule in Kassel bestätigt, dass es mehr Pädagogen aus der Fachpraxis braucht und Lehrern die Zeit für Fortbildungen fehlt. Kultusminister Armin Schwarz will das Problem angehen, vor allem in der Metallindustrie und Elektrotechnik. Daneben mangelt es vielen Berufsschulen an technischer Ausstattung – oder technischem Support. Immerhin ein Vorteil in Hessen laut Bildungsministerium: Anders als in anderen Ländern würden auch sehr kleine Klassen vorgehalten. (“Alte Technik und Lehrermangel – womit Azubis zu kämpfen haben”)

    • Berufsschule

    Termine

    22. April 2024, 13.30 bis 14.30 Uhr, online
    SWK Talk “Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht”
    Auf Basis des SWK-Gutachtens “Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht” diskutieren Bildungsforscherinnen und -forscher über mögliche Optionen für den Weg ins Lehramt. INFOS & ANMELDUNG

    22. April 2024, online und in Como, Italien
    Hybride Konferenz BILT Bridging Event: Towards Inclusive Excellence in TVET
    Ausgehend von europäischen Beispielen will die Konferenz eine Plattform für internationale Entscheider in der beruflichen Bildung sein. In diesem Jahr geht es unter anderem darum, wie die Berufsbildung Migranten und benachteiligte Jugendliche einbeziehen kann und wie NEETS erreicht werden können. INFOS & ANMELDUNG

    04. bis 06. Juni 2024, Karlsruhe
    Fachmesse I Kongress LEARNTEC: Digitales Lernen
    Ob digitales Lernen in der Schule, an der Universität oder im Beruf: Auf der internationalen Fachmesse Learntec gibt es Ausstellungen zu den neuesten Lerntrends. Außerdem findet parallel der Learntec-Kongress statt, bei dem internationale Experten aus der Bildungswirtschaft und Wissenschaft aktuelle Themen und Visionen diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

    14. bis 15. Juni 2024, Leipzig
    Arbeitstagung Inklusionsforschung: Sorge und Solidarität
    Die Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Inklusionsforschung widmet sich erziehungswissenschaftlichen Fragen von Inklusion und Exklusion. Bei dem interdisziplinären Austausch liegt ein besonderer Fokus auf Sorgebeziehungen und Solidarität in Bildungseinrichtungen.
    Es gibt verschiedene Vorträge, Diskussionsforen und Forschungswerkstätten.
    Anmeldeschluss: 30. April 2024
    INFOS & ANMELDUNG

    Bildung.Table Redaktion

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