Table.Briefing: Bildung

Weniger Geld für Startchancen + Bildungsthemen der Sachsen-Wahl + Duale Lehramtsstudiengänge

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit vielen Vorschusslorbeeren ist das Startchancen-Programm gerade an den Start gegangen. Von einem “Gamechanger” ist gar die Rede. Ein Programm über zehn Jahre, das 4.000 Schulen erreichen soll und einen finanziellen Umfang von 20 Milliarden Euro hat, gab es so tatsächlich noch nicht. Aber nun wird am Superlativ gekratzt. Denn die zehn Milliarden, die die Länder beisteuern, sind überwiegend kein zusätzliches Geld, sondern Geld, das aus anderen Programmen transferiert wird. Wie meine Kollegen Vera Kraft und Holger Schleper herausgefunden haben, kommt in einigen Ländern sogar kein einziger Cent neu in den Topf. Haben Sie eine Vermutung, welche Länder das sein könnten?

Das Startchancen-Programm hat sich vor allem zum Ziel gesetzt, benachteiligte Schüler besser zu unterstützen, damit weniger Kinder und Jugendliche die Mindeststandards verfehlen. Es geht also letztlich auch darum, mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Teilhabe zu erreichen. In den Wahlprogrammen in Sachsen zeigt sich aber, wie weit die Parteien beim Thema Inklusion auseinandergehen. Mein Kollege Maximilian Stascheit hat sich die Programme mit Blick auf Bildungspolitik genau angeschaut und ist auf einige überraschende Punkte gestoßen.

Und zum Schluss noch eine Anmerkung in eigener Sache: Zum letzten Mal habe ich Sie heute begrüßt, um Ihnen Appetit auf unser Briefing zu machen. Nach 100 Ausgaben verlasse ich Table.Briefings Ende August. Gern blicke ich auf dieses intensive Jahr zurück, in dem ich Bildung.Table mitgestalten und weiterentwickeln konnte. Die Arbeit hat mir gezeigt, wie dringlich es ist, die Herausforderungen in der Bildung anzugehen und Kinder an diesem Prozess partizipieren zu lassen.

Und sie hat mir persönlich gezeigt, dass ich meinen Platz in Zukunft darin sehe, nicht nur Beobachterin dieses Prozesses zu sein, sondern ihn auch ein Stück weit mitzugestalten. Daher setze ich meine Arbeit ab September bei einer NGO fort. Mit einem großen Dank an mein hervorragendes Team und mit einem ebenso großen Dank an Sie, liebe Leserinnen und Leser, für Ihre Anregungen, Ihre Kritik und natürlich für Ihre Treue verabschiede ich mich.

Für heute wünsche ich Ihnen ein wunderbares Wochenende mit viel gutem Lesestoff!

Ihre
Annette Kuhn
Bild von Annette  Kuhn

Analyse

Startchancen: Warum das 20-Milliarden-Euro-Programm viel kleiner ausfällt

20 Milliarden Euro – für zehn Jahre – für 4.000 Schulen in herausfordernden Lagen. Diese klangvolle Formel, oft wiederholt, begleitet das Startchancen-Programm von Bund und Ländern. “Das hat es in der Geschichte unseres Landes noch nicht gegeben: ein bildungspolitisches Programm dieser Größenordnung und Dauer”, heißt es in einem Video des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Allerdings verdichten sich die Zeichen: Diese Formel ist mindestens fragwürdig. Stimmt das mit den 20 Milliarden im zentralen schulpolitischen Vorhaben von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger überhaupt?

Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunalpolitik und Bildungsforschung zweifeln das stark an. Es sei irreführend, von 20 Milliarden Euro zu sprechen. Und immer wieder die Frage: “Abgesehen von der Bundesmilliarde: Wie viel mehr Geld hat das System eigentlich zur Verfügung?”

Hälfte des Geldes droht, in den Ländern zu verpuffen

Das bis 2034 laufende Startchancen-Programm sieht vor, dass der Bund den Ländern pro Jahr eine Milliarde Euro für die ausgewählten Schulen gibt. Die Länder bringen ebenfalls eine Milliarde auf. In der Bund-Länder-Vereinbarung haben die Länder allerdings explizit durchgesetzt, auch bereits existierende Programme anrechnen lassen zu können. Die Finanzierung des Länderanteils setzt sich demnach zusammen aus:

  • bestehenden, auf die Ziele des Programms gerichteten Maßnahmen, die anrechenbar sind und
  • zusätzlichen Mitteln, die für die Umsetzung des Programms erforderlich sind. Sie können auch über eine Neupriorisierung vorhandener Landesmittel erreicht werden.

Table.Briefings hat in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Bildungspolitikerinnen und -politikern in den Ländern gesprochen, aktuelle Haushaltspapiere und Schulausschuss-Unterlagen durchleuchtet. Das Ergebnis: Von einem Mehr von 20 Milliarden Euro für die Bildung kann nicht die Rede sein.

Vielmehr geht es um zehn Bundesmilliarden plus eine Summe X aus den Ländern, die weit unter zehn Milliarden Euro liegen wird. Anders ausgedrückt: In dem vermeintlichen 20-Milliarden-Euro-Programm verpufft eine Hälfte weitestgehend in den regulären Bildungsausgaben der Länder. Schon im Vorfeld des Programmstarts war der renommierte Bildungsökonom Ludger Wößmann, Leiter des ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, skeptisch. Bei der Vorstellung der ifo-Studie zu Bildungschancen in den einzelnen Bundesländern im Mai sagte er, “dass die Länder wahrscheinlich kaum zusätzliche Mittel mit reinschießen, weil die alle sagen können, wir machen schon so viel”.

Opposition in Bayern: “Kein einziger eigener frischer Cent von der Staatsregierung”

Und tatsächlich: Wirft man beispielsweise einen Blick in den Bayerischen Haushaltsentwurf für die Jahre 2024/2025, so findet man zum Startchancen-Programm: nichts. Das neue Startchancen-Programm wird mit keiner Silbe erwähnt. “Das Geld vom Bund wird eingesackt”, kritisierte Gabriele Triebel (Grüne) im Landtag, darüber hinaus werde aber “kein einziger eigener frischer Cent von der Staatsregierung bereitgestellt”. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) wiegelte ab: “Selbstverständlich nehmen wir auch für das Startchancen-Programm sehr viel Geld in die Hand.” Bayern gebe bereits seit Jahren Geld für multiprofessionelle Teams und individuelle Unterstützung aus.

Auch der Blick nach Berlin ist ernüchternd: “Das Startchancen-Programm war der Versuch, Bildung in den Haushalten zu stärken“, sagte Louis Krüger von der Landtagsfraktion der Grünen in Berlin zu Table.Briefings. Doch in Berlin wird ebenfalls erst einmal kein zusätzliches Geld fließen. Mehr noch: Es wurde nicht einmal darüber diskutiert, das Startchancen-Programm mit Landesgeldern auszustatten. Denn in Berlin stand der Doppelhaushalt 2023/2024 bereits vor dem Beschluss des Förderprogramms. “Es werden daher ausschließlich bestehende Gelder und Programme angerechnet”, sagt Krüger.

Aufschlussreich sind auch die Debatten in Bremen. Das Land erhält rechnerisch pro Jahr knapp 9,6 Millionen Euro an Bundesmitteln. Es muss also die gleiche Summe aus Landesmitteln aufbringen. Dazu heißt es in einem Papier, das der Senat Anfang Juni beschlossen hat: Für das Land könne ein Mitteleinsatz in den Säulen II (Schulbudget) und III (Multiprofessionelle Teams) von jährlich 7,5 Millionen Euro als Eigenanteil nachgewiesen werden, “welche die Stadtgemeinden bereits jetzt für bestehende Maßnahmen für die Zielgruppe des Startchancenprogramms verausgaben”. Aus dem Umfeld des parlamentarischen Ausschusses für Schulfragen heißt es passend dazu: “Stand heute wird es keine neuen Mittel geben können.”

Rechtfertigung NRW: Umgewidmete Gelder sind wie neue Gelder

Ähnliche Töne sind aus dem Saarland zu hören. “Unsere Einschätzung nach der letzten Ausschusssitzung vor der Sommerpause ist, dass in den Säulen 2 und 3 des Startchancen-Programms kein frisches Geld seitens des Landes fließt”, sagte Jutta Schmitt-Lang, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Table.Briefings. Allein für die Säule I des Programms, den Schulbau, lässt sie es offen. Dass auch in Hessen wenig frisches Landesgeld in das Startchancen-Programm fließen könnte, lässt ein Blick in den Kultuspolitischen Ausschuss vermuten. Dort erklärte Hessens Kultusminister Armin Schwarz Anfang Juni: “Grundsätzlich beabsichtigt das Land, die Möglichkeit der Anrechenbarkeit von bestehenden Maßnahmen auszuschöpfen.”

In Zeiten von knappen Ressourcen seien umpriorisierte Mittel neue Mittel, rechtfertigte sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Schulausschluss im Juni. Das entspricht im Grunde der Haltung der Länder. Franziska Müller-Rech (FDP) aus der Opposition befürchtet daher: “Die Regierung wird jeden Cent anrechnen.”

Ländermilliarde an frischem Geld schrumpft zusammen

Zur Veranschaulichung und vorsichtig formuliert: Würden nur NRW und Bayern 2025 gar kein frisches Geld in das Startchancen-Programm geben, dann würde die Ländermilliarde im kommenden Jahr schon um mehr als 360 Millionen Euro schrumpfen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Bildungsausgaben der Länder sind hoch. Der erste Haushaltsentwurf für NRW etwa sieht Rekordausgaben vor. Für 2025 sind rund drei Milliarden Euro mehr vorgesehen als für das laufende Jahr – in Summe fast 42 Milliarden Euro. Dabei stehen aber vor allem die frühkindliche Bildung und der Ganztagsausbau im Vordergrund. Wie groß das Plus für Startchancen-Schulen ausfällt, ist noch offen.

Weitere Beispiele: In Hessen haben die Bildungsausgaben 2024 erstmals die Grenze von fünf Milliarden Euro übertroffen. Und auch in Niedersachsen gab es 2024 mit mehr als acht Milliarden Euro den größten Kultusetat in der Geschichte des Landes.

Wrase: Politik macht zu große Versprechungen

Michael Wrase, der als einer der führenden Köpfe des “Expert:innenforums Startchancen” das Programm von außen sehr genau beobachtet, wird angesichts des Vorgehens in den Ländern deutlich: “Von dem Programm kann nicht ansatzweise das erwartet werden, was von der Politik propagiert wird.” Es brauche den politischen Willen, das Programm kritisch zu reflektieren, statt zu versuchen, es trotz seiner Unzulänglichkeiten als “vollen Erfolg” zu verkaufen.

Wenn das geschehe, ist der Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung allerdings überzeugt, “könnte das Startchancen-Programm ein Anfang in die richtige Richtung sein”. Denn das Programm hat sowohl die Debatte über eine bedarfsorientierte Zuweisung von Ressourcen als auch über Evaluierung von Bildung bundesweit vorangetrieben. Ob das für eine “bildungspolitische Trendwende” reicht, wie sie Bettina Stark-Watzinger in Aussicht stellt, wird die Zwischenevaluation im Jahr 2028 zeigen.

Lesen Sie auch: Bedingt bedarfsorientiert – Wohin und wie die Startchancen-Milliarden vom Bund fließen

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Landtagswahlen: Was die Parteien in Sachsen bildungspolitisch fordern

Am 1. September wird neben Thüringen auch in Sachsen gewählt. Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU regiert derzeit in einer Koalition mit Grünen und SPD. CDU-Kultusminister Christian Piwarz ist bereits seit 2017 im Amt. Im Bildungsmonitor liegt sein Land auf Platz eins – was nicht heißt, dass alles rund läuft im Freistaat. Dass das Thema die Wählerinnen und Wähler bewegt, zeigte sich am Montag auch in der MDR-Wahlarena, wo neben der Migration der Lehrermangel das zweite große Thema war. Ein Überblick über die zentralen Forderungen der sieben relevantesten Parteien:

Schulsystem und Inklusion

Mit Blick auf die Priorisierung der Schulformen und die Ausgestaltung des Schulsystems unterscheiden sich die Vorstellungen der Parteien ohne klar verlaufende Trennlinien: Die CDU möchte die Oberschule, die Haupt- und Realschulbildungsgang vereint, als zentrale Säule der Bildungslandschaft stärken, die Linke vor allem die Gründung von Gemeinschaftsschulen fördern. Das BSW setzt sich für die Stärkung beider Schulformen ein und legt den Fokus vor allem auf die Abgrenzung zum Gymnasium. Dafür soll es klar definierte Aufnahmekriterien geben, um eine “Überfüllung” zu verhindern.

Das unterstützt auch die AfD, die einen konkreten Vorschlag macht: Ein Notendurchschnitt von 1,5 in den Hauptfächern soll zur Bedingung für den Übergang aufs Gymnasium werden. Dieser soll nach Vorstellung der Rechtspopulisten jedoch erst nach der 8. Klasse erfolgen. Hier wiederum gibt es Schnittmengen mit SPD und Grünen, die sich ebenfalls für längeres gemeinsames Lernen einsetzen.

Klarer sind die Unterschiede mit Blick auf die Inklusion: CDU und AfD sind sich einig, dass die Förderschulen erhalten bleiben sollen; SPD, Linke und Grüne setzen sich hingegen für weitere Schritte für mehr Inklusion ein.

Einen auffällig breiten Konsens gibt es hingegen für die Forderung, Schulen mehr Autonomie und Budgetverantwortung zu geben. Sie ist in den Wahlprogrammen von CDU, SPD, Grünen, Linken und FDP zu finden.

Leistungsbewertung

Das System der Leistungsbewertung ist in Sachsen derzeit weniger umstritten als etwa in Thüringen. 2019 wurde noch stark über die Kopfnoten diskutiert, die ab der zweiten Klasse für Betragen, Mitarbeit, Fleiß und Ordnung vergeben werden. Die CDU bekennt sich in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich zu deren Beibehaltung. Eine Abschaffung fordert außer den Linken jedoch keine der großen Parteien. Letztere will Noten sogar komplett abschaffen und durch Lernentwicklungsberichte ersetzen; auch Hausaufgaben sollen nach Vorstellung der Partei der Vergangenheit angehören.

Bekämpfung des Lehrermangels

Welche Maßnahmen die sächsischen Parteien ergreifen wollen, um qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen, hat auch der Stifterverband im Rahmen seiner “Zukunftsmission Bildung” bei allen im Bundestag und sächsischen Landtag vertretenen Parteien abgefragt. Die Ergebnisse der Analyse sind hier dokumentiert. AfD und FDP haben die Fragen des Verbands nicht beantwortet. Die übrigen befragten Parteien sprechen sich demnach durchweg für die Einführung eines Ein-Fach-Studiums in Mangelfächern und duale Studienmodelle aus.

Die AfD hat einen gänzlich anderen Ansatz: In ihrem Wahlprogramm fordert sie, die Pädagogische Hochschule Sachsen wiederzuerrichten. Diese wurde nach der Wende teilabgewickelt. An ihre Stelle trat 1993 die Fakultät für Erziehungswissenschaften der TU Dresden. Geht es nach der AfD, soll mit ihr auch der akademische Grad des Diplom-Pädagogen wieder eingeführt und das Referendariat somit abgeschafft werden.

Digitalisierung an Schulen

Ähnlich wie in Thüringen gibt es beim Thema Digitalisierung zwei große Lager: AfD und BSW sind der Meinung, dass zumindest am Anfang der Schullaufbahn keine digitalen Endgeräte in den Klassen eingesetzt werden sollen. Die AfD will sie erst ab der vierten Klasse erlauben, das BSW nach der sechsten.

Die übrigen Parteien setzen sich hingegen für eine Stärkung der Digitalisierung ein. Während die meisten mit Blick auf konkrete Ideen jedoch vage bleiben, hat die FDP einen ganzen Maßnahmenkatalog in ihrem Wahlprogramm. Zu den Forderungen gehören ein Gigabit-Anschluss für jede Schule, der Aufbau eines “digitalen Klassenzimmers”, in dem die Teilnahme am Unterricht per Videoübertragung möglich ist, der Ausbau bestehender digitaler Plattformen zu einer umfassenden Bildungsplattform sowie die Einführung digitaler Stundenpläne, Hausaufgaben- und Notenhefte.

Frühkindliche Bildung

In der frühkindlichen Bildung wird vor allem über die Elternbeiträge diskutiert: Die SPD will diese abschaffen, Linke (“schrittweise”) und AfD (“langfristig”) auch. CDU, Grüne und BSW wollen zumindest das letzte Kita-Jahr kostenfrei machen. Auch die Bezahlung des Kita-Essens ist ein Wahlkampfthema: Die Forderung, dass dies komplett kostenlos werden soll, ist in den Wahlprogrammen von Linken, Grünen, AfD und BSW vorhanden.

Berufliche Bildung

Im Grundsatz herrscht zwischen Parteien Konsens: Die berufliche Bildung muss gestärkt werden. Die Ideen, wie das erreicht werden kann, sind jedoch unterschiedlich – auch in ihrer Konkretheit: So will die CDU Ausbildungsprogramme entwickeln, die speziell an leistungsstarke beziehungsweise leistungsschwache Azubis angepasst sind. Die SPD fordert einen umlagefinanzierten Fonds, der die Ausbildung auch für kleine Betriebe attraktiver machen soll.

Die Linke setzt vor allem auf soziale Aspekte: Sie fordert eine Mindestausbildungsvergütung in Höhe von mindestens 80 Prozent des tariflich bezahlten Entgelts sowie ein kostenfreies Deutschlandticket für Azubis und einen kostenfreien Azubi-Shuttle-Service zwischen Betrieb und Wohnort. Auch das Thema Wohnen spielt in den Wahlprogrammen eine große Rolle: Die AfD fordert, den Ausbau von Wohnheimplätzen für Azubis voranzutreiben; ähnliche Forderungen sind in den Programmen von Grünen und FDP enthalten.

Lesen Sie auch: Welche Ziele das BSW für die Bildung verfolgt / Was sie Parteien in Thüringen bildungspolitisch fordern

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News

DGB-Ausbildungsreport: Was Azubis sich von ihren Ausbildern wünschen

Mehr als die Hälfte der Auszubildenden in Deutschland erhält von ihren Ausbildern seltener als einmal im Monat Rückmeldung zu ihrer Arbeit. Das geht aus dem neuen, repräsentativen Ausbildungsreport der Jugendorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB-Jugend) hervor. Dafür wurden rund 10.000 Azubis aus den 25 häufigsten Ausbildungsberufen befragt (zum Download). Der Report legt in diesem Jahr den Fokus auf die Ausbilderinnen und Ausbilder.

Die deutliche Mehrheit der Azubis – wenn auch nicht alle – hat formal einen Ausbilder (91 Prozent), der auch präsent ist. In elf Prozent der Fälle ist das jedoch selten oder nie der Fall, die Lehrlinge sind dann auf die Unterstützung hilfsbereiter Kollegen angewiesen. Die Zufriedenheit der Jugendlichen mit ihrer Ausbildung hängt dabei entscheidend vom Ausbilder ab. Wer etwa mindestens einmal im Monat persönliches Feedback erhält, bewertet die Qualität der Ausbildung deutlich häufiger mit “sehr gut”.

DGB fordert mehr Zeit der Ausbilder für ihre Azubis

Die DGB-Jugend fordert vor allem mehr Zeit für die Ausbilderinnen und Ausbilder. “Eine gute Betreuung auf Augenhöhe ist eines der besten Mittel für eine erfolgreiche Ausbildung – und gegen vorzeitige Ausbildungsabbrüche”, sagte DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker zu Table.Briefings. Außerdem brauche es einen gesetzlichen Anspruch auf regelmäßige Fort- und Weiterbildungen für das Ausbildungspersonal sowie eine Anpassung der Qualifikationsvorgaben. “Als die Ausbildereignungsverordnung zuletzt im Jahr 2009 geändert wurde, waren Faxgeräte noch alltäglich und Methoden wie mobile Ausbildung undenkbar”, erklärt Becker. “Eine Anpassung an diesen Wandel ist überfällig!”

Insgesamt sind viele Azubis jedoch zufrieden mit ihren Ausbildern. Mehr als drei Viertel gaben an, sich korrekt behandelt zu fühlen. Zwei Drittel sagten, dass ihre Ausbilder “immer” oder “häufig” auf individuelle Lernbedürfnisse eingehen. Mehr als die Hälfte fühlt sich “immer” oder “häufig” durch den Ausbilder motiviert.

Größere Unzufriedenheit mit Berufsschulunterricht

Schlechter steht es um die Zufriedenheit mit der Qualität des Berufsschulunterrichts. Nur etwas mehr als die Hälfte der Azubis bewerten sie als “gut” oder “sehr gut”. 29 Prozent der Befragten bewerten die Unterrichtsqualität hingegen lediglich als “befriedigend”, 15 Prozent sogar nur als “ausreichend” oder “mangelhaft”.

Insgesamt zeigte sich die überwiegende Mehrheit (70 Prozent) mit ihrer Ausbildung zufrieden. Hier gibt es jedoch Unterschiede je nach Beruf: Auf dem Spitzenplatz stehen angehende Industriemechaniker und Industriekaufleute. Am schlechtesten ist die Stimmung bei Zahnmedizinischen Fachangestellten und Hotelfachmännern und -frauen.

Der DGB führt das auf Vergütung nach Tarif zurück: Am unteren Ende der Skala befänden sich Berufe, die oft nicht nach Tarif bezahlt werden, die Berufe mit Bestnoten vergüteten dahingegen überdurchschnittlich häufig nach Tarif. Maximilian Stascheit/Anna Parrisius

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Duales Lehramtsstudium: Wie viele Studierende zum Wintersemester 2024/25 starten

Über 200 junge Menschen werden im Wintersemester 2024/25 voraussichtlich bundesweit ein duales Lehramtsstudium beginnen. Das ergibt eine Länderabfrage von Table.Briefings. Sechs Bundesländer bieten ein duales Studium an:

  • Thüringen und Sachsen-Anhalt starten jeweils einen neuen Bachelorstudiengang für angehende Lehrkräfte der Sekundarstufe I. Für das Studium an der Universität Erfurt haben 50 junge Menschen Verträge mit dem Land unterschrieben, an der Universität Magdeburg 30.
  • In Baden-Württemberg beginnen drei duale Masterstudiengänge. Es gibt jeweils 20 Studienplätze: an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe für die Sekundarstufe, an der Universität Freiburg für das Gymnasium und an der Universität Stuttgart für die Berufsschule.
  • Hessen bietet an der Universität Kassel und der TU Darmstadt je 20 Masterstudienplätze für das Berufsschullehramt an.
  • In Nordrhein-Westfalen können Lehramtsanwärter für das Berufskolleg einen dualen Master an den Universitäten Aachen, Münster, Paderborn, Siegen und Wuppertal absolvieren. Laut Schulministerium gibt es für die Studiengänge keine Kapazitätsbegrenzung. Wie viele Studierende zum Wintersemester starten, stehe noch nicht fest.
  • Schleswig-Holstein bietet seit 2021 einen dualen Master für das Sonderschullehramt an der Universität Flensburg an. Es war das erste staatliche duale Ausbildungsmodell für angehende Lehrkräfte. Laut Bildungsministerium sind für das kommende Wintersemester bisher 17 Bewerbungen eingegangen, das Bewerbungsverfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. Aktuell studieren 42 Personen in dem Bachelor. Ein dualer Masterstudiengang für das Lehramt an beruflichen Schulen wurde jedoch eingestellt.

Brandenburg plant duales Studium, Uni Augsburg startet Zusatzangebot

In den restlichen Bundesländern plant Brandenburg an der Beruflich-Technischen-Universität Senftenberg ab dem Wintersemester 2026/27 ein duales Masterstudium für Grundschullehrkräfte. Dort gibt es bereits seit dem vergangenen Jahr einen praxisintegrierten Bachelor. Außerdem soll an der Universität Augsburg im kommenden Wintersemester ein duales Lehramtsstudium für zwölf Studierende starten, allerdings nicht als Teil der staatlichen Studiengänge, sondern als universitätsinternes Zusatzangebot. Das Schulwerk der Diözese Augsburg kooperiert hier mit dem Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität.

Die Kultusministerkonferenz hatte Mitte März das duale Studium als neues Studienmodell für Lehramtsanwärter eingeführt. Hintergrund ist der Lehrkräftemangel und der Wunsch der Länder nach flexiblen Wegen in den Lehrerberuf. Die KMK hat sich damit gegen die Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission gestellt. In einem Gutachten sprach sich dafür aus, dass Studierende erst nötiges theoretisches Wissen erwerben. Dass durch ein duales Studium mehr geeignete Lehrkräfte gewonnen werden können, sei zudem empirisch nicht belegt.

Große Zugewinne wird es tatsächlich erstmal nicht geben, blickt man auf die Zahl der Studienanfänger. 2023 begannen laut Statistischem Bundesamt insgesamt rund 46.400 Personen ein Lehramtsstudium. Anna Parrisius

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Bundesschülerkonferenz: Warum manche eine Auflösung befürchten

Seit Monaten schwelende Konflikte zwingen die Bundesschülerkonferenz (BSK), sich neu auszurichten. Auftakt dafür soll eine Plenartagung kommende Woche sein. Nachdem bereits die Landesschülerkonferenzen Berlin, Hamburg und Sachsen-Anhalt aus der BSK ausgetreten sind, gilt es, weitere Austritte zu vermeiden. Es brauche dringend strukturelle Reformen, hat Table.Briefings aus BSK-Kreisen erfahren, ansonsten sei die Existenz der Bundesschülerkonferenz gefährdet.

Aktuell sind noch elf Länder in dem Gremium zur Schülervertretung auf Bundesebene repräsentiert – Rheinland-Pfalz und NRW waren bereits im Vorjahr keine Mitglieder. Bei weniger als neun Ländern muss sich die BSK auflösen – so sieht es die BSK-Satzung vor. Einer der Streitpunkte ist – ähnlich wie bei der Kultusministerkonferenz (KMK) – die Frage, ob man sich bei internen Wahlen vom Konsensprinzip verabschieden solle.

Anders als bei der KMK möchte im Falle der BSK ausgerechnet Bayern eine Abkehr vom Konsensprinzip. Sollte ihrem Antrag dazu in der Plenartagung vom 26. bis 29. August nicht stattgegeben werde, erwägt die bayerische Landesschülervertretung wohl auch einen Austritt aus der BSK, wie Table.Briefings erfuhr.

Daneben geht es für viele um die Rolle der BSK: Soll sie primär ein Austauschformat für die Landesvertretungen sein oder ein Gremium, das überwiegend bundespolitische Anliegen vertritt?

Machtkämpfe überschatten inhaltliches Arbeiten

Schwerer als inhaltliche Differenzen würden aber Machtkämpfe und persönliche Streitereien wiegen, sagt Louisa Basner, Generalsekretärin der BSK, Table.Briefings. Für Berlin war das der Grund auszutreten, sagt Orcun Ilter, Vorsitzender des Landesschülerausschusses Berlin. Zu viele Rivalitäten, Streitigkeiten und Lagerbildung hätten die BSK letztlich arbeitsunfähig gemacht, kritisiert Ilter im Gespräch mit Table.Briefings. “Inhaltliche Sachanträge wurden teilweise aus Prinzip abgelehnt.”

“Wir müssen das Arbeitsklima verbessern“, betont BSK-Generalsekretärin Basner. Für die kommende Plenartagung habe man daher ein Awareness-Team organisiert, das das Treffen pädagogisch begleiten soll. “Falls es in den Debatten persönlich werden sollte, wird unterbrochen”, sagt Basner. Sie hofft, die ausgetretenen Länder kommen zurück.

Immerhin: Berlin ist trotz Austritt bei der Plenartagung vor Ort, um weiter im Gespräch zu bleiben. “Wir sind grundsätzlich gewillt, länderübergreifend zu arbeiten“, betont Ilter. Vera Kraft

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NRW: Lehrkräfte sollen Umgang mit Virtual Reality lernen

Für anschaulicheren Unterricht sollen Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen künftig Virtual Reality (VR) einsetzen können. Dafür stellt das Schulministerium insgesamt rund 3.000 VR-Brillen zur Verfügung, wie es am Mittwoch mitteilte. Diese sollen über rund 50 Kommunale Medienzentren sowohl an Schulen als auch an Zentren für die schulpraktische Lehrerausbildung gelangen. Ziel sei es, in den nächsten fünf Jahren zu erproben, was die VR-Technologie “für ein zeitgemäßes und zukunftsorientiertes Lehren und Lernen in der digitalen Welt leisten kann”. 

Kinder und Jugendliche sollen von “modernen Lernmethoden profitieren und damit gut auf die Zukunft vorbereitet werden”, sagt Schulministerin Dorothee Feller. Zu den VR-Brillen stelle man eine passende Lehr-Lernumgebung bereit. So soll es etwa eine VR-Anwendung geben, mit der Schülerinnen und Schüler interaktiv im Erdkunde- bzw. Gesellschaftslehre-Unterricht zukünftige Stadtentwicklungsszenarien erleben können.

Neue Technologien brauchen didaktisches Konzept

“Virtual Reality ist eine Technologie, die viel Potenziale bietet und damit auch in Schule gehört”, sagt Dirk Richter von der Universität Potsdam zu Table.Briefings. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit den Themen Lehren und Lernen mit Virtual Reality sowie dem Beruflichen Lernen von Lehrkräften. Er findet, Schüler sollen lernen, was VR ist und damit Erfahrung sammeln.

Es sei positiv, dass das Land sich entschieden habe, die entsprechenden technischen Voraussetzungen zu schaffen, sagt Richter. “Die Technik allein reicht jedoch nicht. Es braucht gute didaktische Konzepte und passende Software, etwa für die fachspezifische Anwendung.” Das Pilotprojekt nehme zwar gezielt die Lehrkräfteausbildung in den Blick – doch auch die Ausbildungszentren müssen qualifiziert werden, betont Richter.

Die Ausrüstung und Technik soll dem Schulministerium zufolge bis Dezember dieses Jahres so über das Land verteilt werden, dass sie alle Lehrkräfte in den beteiligten Kommunen kostenlos für den Unterricht nutzen können. Auch an allen 33 Standorten der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung des Landes sollen die Geräte bereitstehen. Vera Kraft

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Norwegen: Neues Gesetz regelt, wann Lehrkräfte körperlich eingreifen dürfen

Norwegen hat im neuen Schulgesetz geregelt, in welchen Fällen Lehrkräfte körperlich gegen Schülerinnen und Schüler vorgehen dürfen. “Nach Ansicht des Ministeriums besteht das klare Ziel darin, die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Schüler zu vermeiden”, sagte Norwegens Bildungsministerin Kari Nessa Nordtun Table.Briefings. “Aber es ist unrealistisch zu glauben, dass dieses Ziel immer erreicht werden kann.” Mit dem Gesetz, das am 1. August in Kraft getreten ist, will die Regierung für mehr Rechtssicherheit für das Schulpersonal sorgen.

Demnach kann eine Lehrkraft in Situationen körperlich eingreifen, um zu verhindern, dass Schüler:

  • eine andere Person körperlich schädigen oder selbst geschädigt werden;
  • Eigentum beschädigen, oder
  • sich in einer Weise verhalten, die sie selbst stark bloßstellt. 

Laut Nordtun waren vor der Einführung der neuen Rechtsgrundlage Notwehr-Bestimmungen im Strafgesetzbuch maßgeblich. “Nach Ansicht des Ministeriums bietet das Strafgesetzbuch jedoch keinen hinreichend klaren Rahmen dafür, was das Schulpersonal im Umgang mit Schülern tun kann und was nicht.”

Bildungsverbund: Gewalt gegen Schüler und Personal wächst

Das körperliche Eingreifen darf laut Ministerium nicht über das hinausgehen, was im konkreten Fall notwendig ist oder was in einem angemessenen Verhältnis zu den zu schützenden Interessen steht. Ein Lehrer, so heißt es in einem Beispiel, darf stärker eingreifen, wenn ein Schüler vorhat, ein Fenster einzuschlagen, als wenn er vorhat, kostengünstige Geräte der Schule zu beschädigen.

Norwegens größter Bildungsverbund Utdanningsforbundet begrüßt das neue Gesetz im Grundsatz. Im Verbund sind nach eigenen Angaben mehr als 190.000 Lehrer sowie Führungskräfte in Kindergärten, Schulen und dem übrigen Bildungssystem organisiert. Laut Utdanningsforbundet stellen Gewalt und Drohungen gegen Schüler und Personal eine wachsende Herausforderung an norwegischen Schulen dar. Die bisherigen Rechtsvorschriften seien unklar und mangelhaft gewesen. 

Zugleich betont die Organisation das “ethische Dilemma“. Es gelte, sowohl die Rechte eines sich falsch verhaltenden Schülers zu wahren als auch die Interessen aller anderen Schüler zu schützen, erklärte Nina Hulthin, Sprecherin von Utdanningsforbundet, Table.Briefings. Sie übte auch Kritik am Gesetz. Man sei sich nicht sicher, wie die neuen Vorschriften in die Praxis umgesetzt werden sollen. Denn Schulen und Gemeinden verfügten nicht über genügend Zeit, Kapazitäten und Fachwissen, um auch präventiv zu arbeiten. Holger Schleper

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Christopher Reiners: Wie aus seiner “Corona School” der Verein “Lern-Fair” wurde

Er ist CEO der gemeinnützigen Organisation Lern-Fair: Christopher Reiners.

Ein Projekt über zwei Wochen, maximal einen Monat. Das denkt Christopher Reiners Mitte März 2020, als er kurz vor den coronabedingten Schulschließungen mit drei Freunden über Nacht eine Website veröffentlicht. Alle sind Anfang 20, studieren Mathematik oder Informatik. Sie ahnen, dass viele Schülerinnen und Schüler durch das Homeschooling in Schwierigkeiten geraten werden. Ihr Projekt nennen sie “Corona School”.

Ihre Matching-Plattform soll ehrenamtlich arbeitende Studierende und bedürftige Schüler zusammenbringen. Das Ziel: kostenlose wöchentliche 1:1-Lernunterstützung, digital und leicht zugänglich. Der Bedarf ist riesig. Bereits nach einer Woche gibt es mehr als 1.000 Nutzer.

Projekt war nach Launch kein Selbstläufer

Mittlerweile, fast vier Jahre später, ist aus der Corona School der Verein “Lern-Fair” geworden, dem Reiners als CEO vorsteht. Dass er sehr strukturiert ist, merkt man nach wenigen Sätzen: Er spricht sachlich, klar und bedacht. Bei Lern-Fair koordiniert und verantwortet er Finanzen, Infrastruktur und Mitarbeitende.

“Sehr naiv” sei er bei der Gründung gewesen, sagt der heute 26-Jährige. Nach dem Programmieren der Website war die Corona School alles andere als ein Selbstläufer: an Schulen und Unis werben, Vereinsgründung, Auswahlgespräche führen, Spendenakquise, Verwaltungsarbeit, Kooperationen anbahnen. Von den vier Gründern wuchs das Team innerhalb des ersten Monats auf 50 Mitglieder an.

Anfangs Corona-Hilfen, jetzt unabhängig von staatlicher Unterstützung

Gerade zu Beginn steigt die mediale Aufmerksamkeit schnell: Talkshow-Auftritte, Treffen mit Politikerinnen und Politikern, ein Dank von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier persönlich. Das macht sich im weiteren Erfolg bemerkbar: Lern-Fair zieht erste Kooperationen an Land, Förderungen, Auszeichnungen.

Anfangs noch zum Teil aus Corona-Hilfen finanziert, kann sich der Verein inzwischen ganz ohne politische Hilfen tragen. Er generiere jetzt sein Wachstum über andere Wege, etwa über Unternehmen, die sich leichter mobilisieren ließen. Das Angebot erweitert sich zudem durch Kooperationen mit anderen Lern-Apps, die so kostenlos von Schülerinnen und Schülern genutzt werden können.

Brauchte selbst als Schüler Mathematik-Nachhilfe

Das Lernpaar-Matching wird seit einem Jahr auch über eine App umgesetzt. Reiners hat Spaß am Tüfteln, um ihre Bedienbarkeit zu verbessern. Grundlage für einen Match sind Angaben zu Klassenstufe und Schulfächern. Ein wenig erinnert die Anwendung an gängige Dating-Apps. Darauf angesprochen sagt Reiners: “Wir haben uns tatsächlich vor Kurzem überlegt, Werbung bei Tinder zu schalten”.

2022 wählt das Capital Magazin den damals 24-Jährigen unter die “Top 40 under 40” – 2023 erneut. Eine “One-Man-Show”, betont er, sei Lern-Fair aber nie gewesen. Was Nachhilfe bewirken kann, weiß Reiners aus eigener Erfahrung: In der achten Klasse hat er mehrmals eine Vier in Mathematik, seine Eltern können ihm die Nachhilfe finanzieren. Ohne seine Privilegien hätte es Lern-Fair wohl nie gegeben, betont er heute. Reiners studiert Mathematik und Informatik und will nach seinem Bachelor für ein Praktikum nach Israel. Dann kommt ihm die Pandemie dazwischen und er beginnt einen Master in Mathematik. Den er nach kurzer Zeit abbricht – für seine Arbeit für die Corona School.

Nachhilfe für ukrainische Schüler und Präsenzkurse

Auch am Ende der Pandemie bleiben die Schüleranfragen hoch und verdeutlichen: Der Verein wird über Corona hinaus gebraucht. 2022 erhält Lern-Fair seine bislang größte Förderung: Die Andreas-Gerl-Stiftung unterstützt den Verein mit 300.000 Euro pro Jahr, angesetzt auf drei Jahre. Erste Vollzeitstellen werden geschaffen, eine davon besetzt Reiners selbst.

Neben der klassischen Nachhilfe gibt es inzwischen noch “Lern-Fair Ukraine” – ukrainische Schülerinnen und Schüler erhalten hier Hilfe beim Erlernen der deutschen Sprache und den Hausaufgaben. Und neben dem Online-Unterricht bietet Lern-Fair mittlerweile auch Workshops und Veranstaltungen in Präsenz an.

Für Reiners steht inzwischen fest, dass er bis 2025 seinen CEO-Posten weitergeben möchte, um sich etwas Neuem zu widmen. Was genau folgen soll, stehe aber noch nicht ganz fest. Was er selbst von Lern-Fair gelernt habe? Reiners überlegt kurz und sagt: “Vor allem, einen langen Atem zu haben”. Shulamit Rittwagen

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Research.Table: Warum die Ampel die Aufklärung in der Fördermittelaffäre verzögert. Mit dem Verweis auf noch laufende Gerichtsverfahren entzieht sich die Ampel dem vom Vorsitzenden des Forschungsausschusses eingeforderten Umlaufbeschluss zur Fördermittelaffäre. Welche offenen Fragen nun eine Sitzung der Obleute des Ausschusses klären soll, lesen Sie hier.

Research.Table: Wissenschaftler, die sich politisch positionieren, büßen Vertrauen ein. Eine Studie mit US-amerikanischen Daten zeigt: Wenn Wissenschaftler ihre parteipolitischen Präferenzen zeigen, verlieren sie an Glaubwürdigkeit. Und wie sich dadurch auch die Polarisierung weiter verstärkt, lesen Sie hier.

Must-Reads

Zeit: Kitas bereiten zu wenig auf die Schule vor. Wie steht es um die Aufgabe von Kitas, Kinder zur Schulreife zu führen? Ziemlich schlecht, urteilt Autor Martin Spiewak. Die Schulreife sei “eine Selbstverständlichkeit, würde man meinen. Doch in vielen deutschen Kitas ist das S-Wort ein Tabu”. Warum das so ist, erklärt Spiewak umfassend und geht dabei kritisch auf eine Pädagogik ein, die strikt “vom Kinde aus” denke. Spiewak kritisiert auch den Entwurf eines Kita-“Qualitätsentwicklungsgesetzes”, das keine Standards benennt. Und fehlende Transparenz bei Kita-Trägern. (Kitas: Fördern statt kuscheln)

Tagesspiegel: Berliner Tool für Schüler-Feedback bleibt ungenutzt. In Berlin sind Lehrkräfte seit 2011 dazu verpflichtet, alle zwei Jahre Feedback von ihren Schülern einzuholen. Zu diesem Zweck entwickelte das Landesinstitut für Schulqualität ein Online-Bewertungsportal. Jedoch nutzen nur fünf Prozent der Lehrkräfte dieses Angebot. Auch die Schulleitungen nehmen das Angebot für eine freiwillige Bewertung nicht an. Nur drei der 650 öffentlichen Schulen nutzten das Tool zur Bewertung ihrer Leitung. (Schüler-Feedback zur Unterrichtsqualität: Berliner Lehrer meiden offizielles Onlineportal des Landesinstituts

Deutsches Schulportal: Mentoren und Elterncafés gegen Sprachbarrieren. Um Eltern mit geringen Deutschkenntnissen zu unterstützen, gibt es eine Vielzahl von Projekten. Zum Beispiel haben manche Schulen Elterncafés eingerichtet. Auch Mentoring-Programme können hier helfen. Erfolgreiche Projekte sind die Neuköllner Stadtteilmütter in Berlin und das Schulmentoren-Programm in Hamburg. Durch die Unterstützung der Eltern können ihre Kinder besser am Schulalltag teilhaben. (So gelingt die Zusammenarbeit mit Eltern trotz Sprachbarriere

Spiegel: Wie viel Anthroposophie steckt in der Waldorfpädagogik? Vier Absolventen einer waldorfpädagogischen Ausbildung berichten über den meist unkritischen Umgang mit den anthroposophischen Ideen von Rudolf Steiner. Viele Lehren des Waldorfentwicklers würden von Dozenten undifferenziert übernommen. Kritik sei unerwünscht gewesen. Die Freie Hochschule Stuttgart und das Waldorfseminar Hamburg bestreiten die Vorwürfe der Absolventen. (“Ich habe mich gefühlt, als würde ich unendlich dümmer werden“) 

Das Dachdecker-Handwerk: ZVDH kritisiert Bertelsmann-Studie. Der Zentralverband des Deutschen Dachdecker-Handwerks kritisiert die Aussage einer Bertelsmann-Studie, nach der die Dachdecker-Ausbildung nicht ausreichend auf die Energiewende vorbereite. Die Installation von Solarpanelen sei fester Bestandteil der Ausbildung, erklärt Vize-Vorsitzender Jan Voges. Er kritisiert zudem die Methodik der Studie. Die Studienergebnisse resultieren aus einer Analyse von Online-Stellenanzeigen. Über die Studie berichtete auch Table.Briefings. (Bertelsmann-Studie verfehlt Realität im Dachdeckerhandwerk

Ifo-Institut: Studie empfiehlt mehr Kinderbetreuung gegen den Fachkräftemangel. Fachkräfte könnten durch einen Ausbau der Kinderbetreuung entlastet werden – und so mehr arbeiten. 400.000 weitere Krippen-, Kita- und Hortplätze würden 58.000 Vollzeitstellen ermöglichen. Insbesondere der Ausbau der Kinderbetreuung in ländlichen Regionen Westdeutschlands mit bisher wenigen Angeboten würde einen Beschäftigungsgewinn ermöglichen. (Ansatzpunkte zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren

Bildung.Table Redaktion

BILDUNG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mit vielen Vorschusslorbeeren ist das Startchancen-Programm gerade an den Start gegangen. Von einem “Gamechanger” ist gar die Rede. Ein Programm über zehn Jahre, das 4.000 Schulen erreichen soll und einen finanziellen Umfang von 20 Milliarden Euro hat, gab es so tatsächlich noch nicht. Aber nun wird am Superlativ gekratzt. Denn die zehn Milliarden, die die Länder beisteuern, sind überwiegend kein zusätzliches Geld, sondern Geld, das aus anderen Programmen transferiert wird. Wie meine Kollegen Vera Kraft und Holger Schleper herausgefunden haben, kommt in einigen Ländern sogar kein einziger Cent neu in den Topf. Haben Sie eine Vermutung, welche Länder das sein könnten?

    Das Startchancen-Programm hat sich vor allem zum Ziel gesetzt, benachteiligte Schüler besser zu unterstützen, damit weniger Kinder und Jugendliche die Mindeststandards verfehlen. Es geht also letztlich auch darum, mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Teilhabe zu erreichen. In den Wahlprogrammen in Sachsen zeigt sich aber, wie weit die Parteien beim Thema Inklusion auseinandergehen. Mein Kollege Maximilian Stascheit hat sich die Programme mit Blick auf Bildungspolitik genau angeschaut und ist auf einige überraschende Punkte gestoßen.

    Und zum Schluss noch eine Anmerkung in eigener Sache: Zum letzten Mal habe ich Sie heute begrüßt, um Ihnen Appetit auf unser Briefing zu machen. Nach 100 Ausgaben verlasse ich Table.Briefings Ende August. Gern blicke ich auf dieses intensive Jahr zurück, in dem ich Bildung.Table mitgestalten und weiterentwickeln konnte. Die Arbeit hat mir gezeigt, wie dringlich es ist, die Herausforderungen in der Bildung anzugehen und Kinder an diesem Prozess partizipieren zu lassen.

    Und sie hat mir persönlich gezeigt, dass ich meinen Platz in Zukunft darin sehe, nicht nur Beobachterin dieses Prozesses zu sein, sondern ihn auch ein Stück weit mitzugestalten. Daher setze ich meine Arbeit ab September bei einer NGO fort. Mit einem großen Dank an mein hervorragendes Team und mit einem ebenso großen Dank an Sie, liebe Leserinnen und Leser, für Ihre Anregungen, Ihre Kritik und natürlich für Ihre Treue verabschiede ich mich.

    Für heute wünsche ich Ihnen ein wunderbares Wochenende mit viel gutem Lesestoff!

    Ihre
    Annette Kuhn
    Bild von Annette  Kuhn

    Analyse

    Startchancen: Warum das 20-Milliarden-Euro-Programm viel kleiner ausfällt

    20 Milliarden Euro – für zehn Jahre – für 4.000 Schulen in herausfordernden Lagen. Diese klangvolle Formel, oft wiederholt, begleitet das Startchancen-Programm von Bund und Ländern. “Das hat es in der Geschichte unseres Landes noch nicht gegeben: ein bildungspolitisches Programm dieser Größenordnung und Dauer”, heißt es in einem Video des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Allerdings verdichten sich die Zeichen: Diese Formel ist mindestens fragwürdig. Stimmt das mit den 20 Milliarden im zentralen schulpolitischen Vorhaben von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger überhaupt?

    Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunalpolitik und Bildungsforschung zweifeln das stark an. Es sei irreführend, von 20 Milliarden Euro zu sprechen. Und immer wieder die Frage: “Abgesehen von der Bundesmilliarde: Wie viel mehr Geld hat das System eigentlich zur Verfügung?”

    Hälfte des Geldes droht, in den Ländern zu verpuffen

    Das bis 2034 laufende Startchancen-Programm sieht vor, dass der Bund den Ländern pro Jahr eine Milliarde Euro für die ausgewählten Schulen gibt. Die Länder bringen ebenfalls eine Milliarde auf. In der Bund-Länder-Vereinbarung haben die Länder allerdings explizit durchgesetzt, auch bereits existierende Programme anrechnen lassen zu können. Die Finanzierung des Länderanteils setzt sich demnach zusammen aus:

    • bestehenden, auf die Ziele des Programms gerichteten Maßnahmen, die anrechenbar sind und
    • zusätzlichen Mitteln, die für die Umsetzung des Programms erforderlich sind. Sie können auch über eine Neupriorisierung vorhandener Landesmittel erreicht werden.

    Table.Briefings hat in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Bildungspolitikerinnen und -politikern in den Ländern gesprochen, aktuelle Haushaltspapiere und Schulausschuss-Unterlagen durchleuchtet. Das Ergebnis: Von einem Mehr von 20 Milliarden Euro für die Bildung kann nicht die Rede sein.

    Vielmehr geht es um zehn Bundesmilliarden plus eine Summe X aus den Ländern, die weit unter zehn Milliarden Euro liegen wird. Anders ausgedrückt: In dem vermeintlichen 20-Milliarden-Euro-Programm verpufft eine Hälfte weitestgehend in den regulären Bildungsausgaben der Länder. Schon im Vorfeld des Programmstarts war der renommierte Bildungsökonom Ludger Wößmann, Leiter des ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, skeptisch. Bei der Vorstellung der ifo-Studie zu Bildungschancen in den einzelnen Bundesländern im Mai sagte er, “dass die Länder wahrscheinlich kaum zusätzliche Mittel mit reinschießen, weil die alle sagen können, wir machen schon so viel”.

    Opposition in Bayern: “Kein einziger eigener frischer Cent von der Staatsregierung”

    Und tatsächlich: Wirft man beispielsweise einen Blick in den Bayerischen Haushaltsentwurf für die Jahre 2024/2025, so findet man zum Startchancen-Programm: nichts. Das neue Startchancen-Programm wird mit keiner Silbe erwähnt. “Das Geld vom Bund wird eingesackt”, kritisierte Gabriele Triebel (Grüne) im Landtag, darüber hinaus werde aber “kein einziger eigener frischer Cent von der Staatsregierung bereitgestellt”. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) wiegelte ab: “Selbstverständlich nehmen wir auch für das Startchancen-Programm sehr viel Geld in die Hand.” Bayern gebe bereits seit Jahren Geld für multiprofessionelle Teams und individuelle Unterstützung aus.

    Auch der Blick nach Berlin ist ernüchternd: “Das Startchancen-Programm war der Versuch, Bildung in den Haushalten zu stärken“, sagte Louis Krüger von der Landtagsfraktion der Grünen in Berlin zu Table.Briefings. Doch in Berlin wird ebenfalls erst einmal kein zusätzliches Geld fließen. Mehr noch: Es wurde nicht einmal darüber diskutiert, das Startchancen-Programm mit Landesgeldern auszustatten. Denn in Berlin stand der Doppelhaushalt 2023/2024 bereits vor dem Beschluss des Förderprogramms. “Es werden daher ausschließlich bestehende Gelder und Programme angerechnet”, sagt Krüger.

    Aufschlussreich sind auch die Debatten in Bremen. Das Land erhält rechnerisch pro Jahr knapp 9,6 Millionen Euro an Bundesmitteln. Es muss also die gleiche Summe aus Landesmitteln aufbringen. Dazu heißt es in einem Papier, das der Senat Anfang Juni beschlossen hat: Für das Land könne ein Mitteleinsatz in den Säulen II (Schulbudget) und III (Multiprofessionelle Teams) von jährlich 7,5 Millionen Euro als Eigenanteil nachgewiesen werden, “welche die Stadtgemeinden bereits jetzt für bestehende Maßnahmen für die Zielgruppe des Startchancenprogramms verausgaben”. Aus dem Umfeld des parlamentarischen Ausschusses für Schulfragen heißt es passend dazu: “Stand heute wird es keine neuen Mittel geben können.”

    Rechtfertigung NRW: Umgewidmete Gelder sind wie neue Gelder

    Ähnliche Töne sind aus dem Saarland zu hören. “Unsere Einschätzung nach der letzten Ausschusssitzung vor der Sommerpause ist, dass in den Säulen 2 und 3 des Startchancen-Programms kein frisches Geld seitens des Landes fließt”, sagte Jutta Schmitt-Lang, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Table.Briefings. Allein für die Säule I des Programms, den Schulbau, lässt sie es offen. Dass auch in Hessen wenig frisches Landesgeld in das Startchancen-Programm fließen könnte, lässt ein Blick in den Kultuspolitischen Ausschuss vermuten. Dort erklärte Hessens Kultusminister Armin Schwarz Anfang Juni: “Grundsätzlich beabsichtigt das Land, die Möglichkeit der Anrechenbarkeit von bestehenden Maßnahmen auszuschöpfen.”

    In Zeiten von knappen Ressourcen seien umpriorisierte Mittel neue Mittel, rechtfertigte sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Schulausschluss im Juni. Das entspricht im Grunde der Haltung der Länder. Franziska Müller-Rech (FDP) aus der Opposition befürchtet daher: “Die Regierung wird jeden Cent anrechnen.”

    Ländermilliarde an frischem Geld schrumpft zusammen

    Zur Veranschaulichung und vorsichtig formuliert: Würden nur NRW und Bayern 2025 gar kein frisches Geld in das Startchancen-Programm geben, dann würde die Ländermilliarde im kommenden Jahr schon um mehr als 360 Millionen Euro schrumpfen.

    Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Bildungsausgaben der Länder sind hoch. Der erste Haushaltsentwurf für NRW etwa sieht Rekordausgaben vor. Für 2025 sind rund drei Milliarden Euro mehr vorgesehen als für das laufende Jahr – in Summe fast 42 Milliarden Euro. Dabei stehen aber vor allem die frühkindliche Bildung und der Ganztagsausbau im Vordergrund. Wie groß das Plus für Startchancen-Schulen ausfällt, ist noch offen.

    Weitere Beispiele: In Hessen haben die Bildungsausgaben 2024 erstmals die Grenze von fünf Milliarden Euro übertroffen. Und auch in Niedersachsen gab es 2024 mit mehr als acht Milliarden Euro den größten Kultusetat in der Geschichte des Landes.

    Wrase: Politik macht zu große Versprechungen

    Michael Wrase, der als einer der führenden Köpfe des “Expert:innenforums Startchancen” das Programm von außen sehr genau beobachtet, wird angesichts des Vorgehens in den Ländern deutlich: “Von dem Programm kann nicht ansatzweise das erwartet werden, was von der Politik propagiert wird.” Es brauche den politischen Willen, das Programm kritisch zu reflektieren, statt zu versuchen, es trotz seiner Unzulänglichkeiten als “vollen Erfolg” zu verkaufen.

    Wenn das geschehe, ist der Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung allerdings überzeugt, “könnte das Startchancen-Programm ein Anfang in die richtige Richtung sein”. Denn das Programm hat sowohl die Debatte über eine bedarfsorientierte Zuweisung von Ressourcen als auch über Evaluierung von Bildung bundesweit vorangetrieben. Ob das für eine “bildungspolitische Trendwende” reicht, wie sie Bettina Stark-Watzinger in Aussicht stellt, wird die Zwischenevaluation im Jahr 2028 zeigen.

    Lesen Sie auch: Bedingt bedarfsorientiert – Wohin und wie die Startchancen-Milliarden vom Bund fließen

    • Bettina Stark-Watzinger
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    • Bildungsgerechtigkeit
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    • Multiprofessionelle Teams
    • Startchancen-Programm
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    Landtagswahlen: Was die Parteien in Sachsen bildungspolitisch fordern

    Am 1. September wird neben Thüringen auch in Sachsen gewählt. Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU regiert derzeit in einer Koalition mit Grünen und SPD. CDU-Kultusminister Christian Piwarz ist bereits seit 2017 im Amt. Im Bildungsmonitor liegt sein Land auf Platz eins – was nicht heißt, dass alles rund läuft im Freistaat. Dass das Thema die Wählerinnen und Wähler bewegt, zeigte sich am Montag auch in der MDR-Wahlarena, wo neben der Migration der Lehrermangel das zweite große Thema war. Ein Überblick über die zentralen Forderungen der sieben relevantesten Parteien:

    Schulsystem und Inklusion

    Mit Blick auf die Priorisierung der Schulformen und die Ausgestaltung des Schulsystems unterscheiden sich die Vorstellungen der Parteien ohne klar verlaufende Trennlinien: Die CDU möchte die Oberschule, die Haupt- und Realschulbildungsgang vereint, als zentrale Säule der Bildungslandschaft stärken, die Linke vor allem die Gründung von Gemeinschaftsschulen fördern. Das BSW setzt sich für die Stärkung beider Schulformen ein und legt den Fokus vor allem auf die Abgrenzung zum Gymnasium. Dafür soll es klar definierte Aufnahmekriterien geben, um eine “Überfüllung” zu verhindern.

    Das unterstützt auch die AfD, die einen konkreten Vorschlag macht: Ein Notendurchschnitt von 1,5 in den Hauptfächern soll zur Bedingung für den Übergang aufs Gymnasium werden. Dieser soll nach Vorstellung der Rechtspopulisten jedoch erst nach der 8. Klasse erfolgen. Hier wiederum gibt es Schnittmengen mit SPD und Grünen, die sich ebenfalls für längeres gemeinsames Lernen einsetzen.

    Klarer sind die Unterschiede mit Blick auf die Inklusion: CDU und AfD sind sich einig, dass die Förderschulen erhalten bleiben sollen; SPD, Linke und Grüne setzen sich hingegen für weitere Schritte für mehr Inklusion ein.

    Einen auffällig breiten Konsens gibt es hingegen für die Forderung, Schulen mehr Autonomie und Budgetverantwortung zu geben. Sie ist in den Wahlprogrammen von CDU, SPD, Grünen, Linken und FDP zu finden.

    Leistungsbewertung

    Das System der Leistungsbewertung ist in Sachsen derzeit weniger umstritten als etwa in Thüringen. 2019 wurde noch stark über die Kopfnoten diskutiert, die ab der zweiten Klasse für Betragen, Mitarbeit, Fleiß und Ordnung vergeben werden. Die CDU bekennt sich in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich zu deren Beibehaltung. Eine Abschaffung fordert außer den Linken jedoch keine der großen Parteien. Letztere will Noten sogar komplett abschaffen und durch Lernentwicklungsberichte ersetzen; auch Hausaufgaben sollen nach Vorstellung der Partei der Vergangenheit angehören.

    Bekämpfung des Lehrermangels

    Welche Maßnahmen die sächsischen Parteien ergreifen wollen, um qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen, hat auch der Stifterverband im Rahmen seiner “Zukunftsmission Bildung” bei allen im Bundestag und sächsischen Landtag vertretenen Parteien abgefragt. Die Ergebnisse der Analyse sind hier dokumentiert. AfD und FDP haben die Fragen des Verbands nicht beantwortet. Die übrigen befragten Parteien sprechen sich demnach durchweg für die Einführung eines Ein-Fach-Studiums in Mangelfächern und duale Studienmodelle aus.

    Die AfD hat einen gänzlich anderen Ansatz: In ihrem Wahlprogramm fordert sie, die Pädagogische Hochschule Sachsen wiederzuerrichten. Diese wurde nach der Wende teilabgewickelt. An ihre Stelle trat 1993 die Fakultät für Erziehungswissenschaften der TU Dresden. Geht es nach der AfD, soll mit ihr auch der akademische Grad des Diplom-Pädagogen wieder eingeführt und das Referendariat somit abgeschafft werden.

    Digitalisierung an Schulen

    Ähnlich wie in Thüringen gibt es beim Thema Digitalisierung zwei große Lager: AfD und BSW sind der Meinung, dass zumindest am Anfang der Schullaufbahn keine digitalen Endgeräte in den Klassen eingesetzt werden sollen. Die AfD will sie erst ab der vierten Klasse erlauben, das BSW nach der sechsten.

    Die übrigen Parteien setzen sich hingegen für eine Stärkung der Digitalisierung ein. Während die meisten mit Blick auf konkrete Ideen jedoch vage bleiben, hat die FDP einen ganzen Maßnahmenkatalog in ihrem Wahlprogramm. Zu den Forderungen gehören ein Gigabit-Anschluss für jede Schule, der Aufbau eines “digitalen Klassenzimmers”, in dem die Teilnahme am Unterricht per Videoübertragung möglich ist, der Ausbau bestehender digitaler Plattformen zu einer umfassenden Bildungsplattform sowie die Einführung digitaler Stundenpläne, Hausaufgaben- und Notenhefte.

    Frühkindliche Bildung

    In der frühkindlichen Bildung wird vor allem über die Elternbeiträge diskutiert: Die SPD will diese abschaffen, Linke (“schrittweise”) und AfD (“langfristig”) auch. CDU, Grüne und BSW wollen zumindest das letzte Kita-Jahr kostenfrei machen. Auch die Bezahlung des Kita-Essens ist ein Wahlkampfthema: Die Forderung, dass dies komplett kostenlos werden soll, ist in den Wahlprogrammen von Linken, Grünen, AfD und BSW vorhanden.

    Berufliche Bildung

    Im Grundsatz herrscht zwischen Parteien Konsens: Die berufliche Bildung muss gestärkt werden. Die Ideen, wie das erreicht werden kann, sind jedoch unterschiedlich – auch in ihrer Konkretheit: So will die CDU Ausbildungsprogramme entwickeln, die speziell an leistungsstarke beziehungsweise leistungsschwache Azubis angepasst sind. Die SPD fordert einen umlagefinanzierten Fonds, der die Ausbildung auch für kleine Betriebe attraktiver machen soll.

    Die Linke setzt vor allem auf soziale Aspekte: Sie fordert eine Mindestausbildungsvergütung in Höhe von mindestens 80 Prozent des tariflich bezahlten Entgelts sowie ein kostenfreies Deutschlandticket für Azubis und einen kostenfreien Azubi-Shuttle-Service zwischen Betrieb und Wohnort. Auch das Thema Wohnen spielt in den Wahlprogrammen eine große Rolle: Die AfD fordert, den Ausbau von Wohnheimplätzen für Azubis voranzutreiben; ähnliche Forderungen sind in den Programmen von Grünen und FDP enthalten.

    Lesen Sie auch: Welche Ziele das BSW für die Bildung verfolgt / Was sie Parteien in Thüringen bildungspolitisch fordern

    • Berufliche Bildung
    • Bildungspolitik
    • Frühkindliche Bildung
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    News

    DGB-Ausbildungsreport: Was Azubis sich von ihren Ausbildern wünschen

    Mehr als die Hälfte der Auszubildenden in Deutschland erhält von ihren Ausbildern seltener als einmal im Monat Rückmeldung zu ihrer Arbeit. Das geht aus dem neuen, repräsentativen Ausbildungsreport der Jugendorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB-Jugend) hervor. Dafür wurden rund 10.000 Azubis aus den 25 häufigsten Ausbildungsberufen befragt (zum Download). Der Report legt in diesem Jahr den Fokus auf die Ausbilderinnen und Ausbilder.

    Die deutliche Mehrheit der Azubis – wenn auch nicht alle – hat formal einen Ausbilder (91 Prozent), der auch präsent ist. In elf Prozent der Fälle ist das jedoch selten oder nie der Fall, die Lehrlinge sind dann auf die Unterstützung hilfsbereiter Kollegen angewiesen. Die Zufriedenheit der Jugendlichen mit ihrer Ausbildung hängt dabei entscheidend vom Ausbilder ab. Wer etwa mindestens einmal im Monat persönliches Feedback erhält, bewertet die Qualität der Ausbildung deutlich häufiger mit “sehr gut”.

    DGB fordert mehr Zeit der Ausbilder für ihre Azubis

    Die DGB-Jugend fordert vor allem mehr Zeit für die Ausbilderinnen und Ausbilder. “Eine gute Betreuung auf Augenhöhe ist eines der besten Mittel für eine erfolgreiche Ausbildung – und gegen vorzeitige Ausbildungsabbrüche”, sagte DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker zu Table.Briefings. Außerdem brauche es einen gesetzlichen Anspruch auf regelmäßige Fort- und Weiterbildungen für das Ausbildungspersonal sowie eine Anpassung der Qualifikationsvorgaben. “Als die Ausbildereignungsverordnung zuletzt im Jahr 2009 geändert wurde, waren Faxgeräte noch alltäglich und Methoden wie mobile Ausbildung undenkbar”, erklärt Becker. “Eine Anpassung an diesen Wandel ist überfällig!”

    Insgesamt sind viele Azubis jedoch zufrieden mit ihren Ausbildern. Mehr als drei Viertel gaben an, sich korrekt behandelt zu fühlen. Zwei Drittel sagten, dass ihre Ausbilder “immer” oder “häufig” auf individuelle Lernbedürfnisse eingehen. Mehr als die Hälfte fühlt sich “immer” oder “häufig” durch den Ausbilder motiviert.

    Größere Unzufriedenheit mit Berufsschulunterricht

    Schlechter steht es um die Zufriedenheit mit der Qualität des Berufsschulunterrichts. Nur etwas mehr als die Hälfte der Azubis bewerten sie als “gut” oder “sehr gut”. 29 Prozent der Befragten bewerten die Unterrichtsqualität hingegen lediglich als “befriedigend”, 15 Prozent sogar nur als “ausreichend” oder “mangelhaft”.

    Insgesamt zeigte sich die überwiegende Mehrheit (70 Prozent) mit ihrer Ausbildung zufrieden. Hier gibt es jedoch Unterschiede je nach Beruf: Auf dem Spitzenplatz stehen angehende Industriemechaniker und Industriekaufleute. Am schlechtesten ist die Stimmung bei Zahnmedizinischen Fachangestellten und Hotelfachmännern und -frauen.

    Der DGB führt das auf Vergütung nach Tarif zurück: Am unteren Ende der Skala befänden sich Berufe, die oft nicht nach Tarif bezahlt werden, die Berufe mit Bestnoten vergüteten dahingegen überdurchschnittlich häufig nach Tarif. Maximilian Stascheit/Anna Parrisius

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    • Ausbildung 2024
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    • Duale Berufsausbildung

    Duales Lehramtsstudium: Wie viele Studierende zum Wintersemester 2024/25 starten

    Über 200 junge Menschen werden im Wintersemester 2024/25 voraussichtlich bundesweit ein duales Lehramtsstudium beginnen. Das ergibt eine Länderabfrage von Table.Briefings. Sechs Bundesländer bieten ein duales Studium an:

    • Thüringen und Sachsen-Anhalt starten jeweils einen neuen Bachelorstudiengang für angehende Lehrkräfte der Sekundarstufe I. Für das Studium an der Universität Erfurt haben 50 junge Menschen Verträge mit dem Land unterschrieben, an der Universität Magdeburg 30.
    • In Baden-Württemberg beginnen drei duale Masterstudiengänge. Es gibt jeweils 20 Studienplätze: an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe für die Sekundarstufe, an der Universität Freiburg für das Gymnasium und an der Universität Stuttgart für die Berufsschule.
    • Hessen bietet an der Universität Kassel und der TU Darmstadt je 20 Masterstudienplätze für das Berufsschullehramt an.
    • In Nordrhein-Westfalen können Lehramtsanwärter für das Berufskolleg einen dualen Master an den Universitäten Aachen, Münster, Paderborn, Siegen und Wuppertal absolvieren. Laut Schulministerium gibt es für die Studiengänge keine Kapazitätsbegrenzung. Wie viele Studierende zum Wintersemester starten, stehe noch nicht fest.
    • Schleswig-Holstein bietet seit 2021 einen dualen Master für das Sonderschullehramt an der Universität Flensburg an. Es war das erste staatliche duale Ausbildungsmodell für angehende Lehrkräfte. Laut Bildungsministerium sind für das kommende Wintersemester bisher 17 Bewerbungen eingegangen, das Bewerbungsverfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. Aktuell studieren 42 Personen in dem Bachelor. Ein dualer Masterstudiengang für das Lehramt an beruflichen Schulen wurde jedoch eingestellt.

    Brandenburg plant duales Studium, Uni Augsburg startet Zusatzangebot

    In den restlichen Bundesländern plant Brandenburg an der Beruflich-Technischen-Universität Senftenberg ab dem Wintersemester 2026/27 ein duales Masterstudium für Grundschullehrkräfte. Dort gibt es bereits seit dem vergangenen Jahr einen praxisintegrierten Bachelor. Außerdem soll an der Universität Augsburg im kommenden Wintersemester ein duales Lehramtsstudium für zwölf Studierende starten, allerdings nicht als Teil der staatlichen Studiengänge, sondern als universitätsinternes Zusatzangebot. Das Schulwerk der Diözese Augsburg kooperiert hier mit dem Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität.

    Die Kultusministerkonferenz hatte Mitte März das duale Studium als neues Studienmodell für Lehramtsanwärter eingeführt. Hintergrund ist der Lehrkräftemangel und der Wunsch der Länder nach flexiblen Wegen in den Lehrerberuf. Die KMK hat sich damit gegen die Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission gestellt. In einem Gutachten sprach sich dafür aus, dass Studierende erst nötiges theoretisches Wissen erwerben. Dass durch ein duales Studium mehr geeignete Lehrkräfte gewonnen werden können, sei zudem empirisch nicht belegt.

    Große Zugewinne wird es tatsächlich erstmal nicht geben, blickt man auf die Zahl der Studienanfänger. 2023 begannen laut Statistischem Bundesamt insgesamt rund 46.400 Personen ein Lehramtsstudium. Anna Parrisius

    Lesen Sie auch: Lehrermangel: Immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger unterrichten an Schulen

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    Bundesschülerkonferenz: Warum manche eine Auflösung befürchten

    Seit Monaten schwelende Konflikte zwingen die Bundesschülerkonferenz (BSK), sich neu auszurichten. Auftakt dafür soll eine Plenartagung kommende Woche sein. Nachdem bereits die Landesschülerkonferenzen Berlin, Hamburg und Sachsen-Anhalt aus der BSK ausgetreten sind, gilt es, weitere Austritte zu vermeiden. Es brauche dringend strukturelle Reformen, hat Table.Briefings aus BSK-Kreisen erfahren, ansonsten sei die Existenz der Bundesschülerkonferenz gefährdet.

    Aktuell sind noch elf Länder in dem Gremium zur Schülervertretung auf Bundesebene repräsentiert – Rheinland-Pfalz und NRW waren bereits im Vorjahr keine Mitglieder. Bei weniger als neun Ländern muss sich die BSK auflösen – so sieht es die BSK-Satzung vor. Einer der Streitpunkte ist – ähnlich wie bei der Kultusministerkonferenz (KMK) – die Frage, ob man sich bei internen Wahlen vom Konsensprinzip verabschieden solle.

    Anders als bei der KMK möchte im Falle der BSK ausgerechnet Bayern eine Abkehr vom Konsensprinzip. Sollte ihrem Antrag dazu in der Plenartagung vom 26. bis 29. August nicht stattgegeben werde, erwägt die bayerische Landesschülervertretung wohl auch einen Austritt aus der BSK, wie Table.Briefings erfuhr.

    Daneben geht es für viele um die Rolle der BSK: Soll sie primär ein Austauschformat für die Landesvertretungen sein oder ein Gremium, das überwiegend bundespolitische Anliegen vertritt?

    Machtkämpfe überschatten inhaltliches Arbeiten

    Schwerer als inhaltliche Differenzen würden aber Machtkämpfe und persönliche Streitereien wiegen, sagt Louisa Basner, Generalsekretärin der BSK, Table.Briefings. Für Berlin war das der Grund auszutreten, sagt Orcun Ilter, Vorsitzender des Landesschülerausschusses Berlin. Zu viele Rivalitäten, Streitigkeiten und Lagerbildung hätten die BSK letztlich arbeitsunfähig gemacht, kritisiert Ilter im Gespräch mit Table.Briefings. “Inhaltliche Sachanträge wurden teilweise aus Prinzip abgelehnt.”

    “Wir müssen das Arbeitsklima verbessern“, betont BSK-Generalsekretärin Basner. Für die kommende Plenartagung habe man daher ein Awareness-Team organisiert, das das Treffen pädagogisch begleiten soll. “Falls es in den Debatten persönlich werden sollte, wird unterbrochen”, sagt Basner. Sie hofft, die ausgetretenen Länder kommen zurück.

    Immerhin: Berlin ist trotz Austritt bei der Plenartagung vor Ort, um weiter im Gespräch zu bleiben. “Wir sind grundsätzlich gewillt, länderübergreifend zu arbeiten“, betont Ilter. Vera Kraft

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    NRW: Lehrkräfte sollen Umgang mit Virtual Reality lernen

    Für anschaulicheren Unterricht sollen Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen künftig Virtual Reality (VR) einsetzen können. Dafür stellt das Schulministerium insgesamt rund 3.000 VR-Brillen zur Verfügung, wie es am Mittwoch mitteilte. Diese sollen über rund 50 Kommunale Medienzentren sowohl an Schulen als auch an Zentren für die schulpraktische Lehrerausbildung gelangen. Ziel sei es, in den nächsten fünf Jahren zu erproben, was die VR-Technologie “für ein zeitgemäßes und zukunftsorientiertes Lehren und Lernen in der digitalen Welt leisten kann”. 

    Kinder und Jugendliche sollen von “modernen Lernmethoden profitieren und damit gut auf die Zukunft vorbereitet werden”, sagt Schulministerin Dorothee Feller. Zu den VR-Brillen stelle man eine passende Lehr-Lernumgebung bereit. So soll es etwa eine VR-Anwendung geben, mit der Schülerinnen und Schüler interaktiv im Erdkunde- bzw. Gesellschaftslehre-Unterricht zukünftige Stadtentwicklungsszenarien erleben können.

    Neue Technologien brauchen didaktisches Konzept

    “Virtual Reality ist eine Technologie, die viel Potenziale bietet und damit auch in Schule gehört”, sagt Dirk Richter von der Universität Potsdam zu Table.Briefings. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit den Themen Lehren und Lernen mit Virtual Reality sowie dem Beruflichen Lernen von Lehrkräften. Er findet, Schüler sollen lernen, was VR ist und damit Erfahrung sammeln.

    Es sei positiv, dass das Land sich entschieden habe, die entsprechenden technischen Voraussetzungen zu schaffen, sagt Richter. “Die Technik allein reicht jedoch nicht. Es braucht gute didaktische Konzepte und passende Software, etwa für die fachspezifische Anwendung.” Das Pilotprojekt nehme zwar gezielt die Lehrkräfteausbildung in den Blick – doch auch die Ausbildungszentren müssen qualifiziert werden, betont Richter.

    Die Ausrüstung und Technik soll dem Schulministerium zufolge bis Dezember dieses Jahres so über das Land verteilt werden, dass sie alle Lehrkräfte in den beteiligten Kommunen kostenlos für den Unterricht nutzen können. Auch an allen 33 Standorten der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung des Landes sollen die Geräte bereitstehen. Vera Kraft

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    Norwegen: Neues Gesetz regelt, wann Lehrkräfte körperlich eingreifen dürfen

    Norwegen hat im neuen Schulgesetz geregelt, in welchen Fällen Lehrkräfte körperlich gegen Schülerinnen und Schüler vorgehen dürfen. “Nach Ansicht des Ministeriums besteht das klare Ziel darin, die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Schüler zu vermeiden”, sagte Norwegens Bildungsministerin Kari Nessa Nordtun Table.Briefings. “Aber es ist unrealistisch zu glauben, dass dieses Ziel immer erreicht werden kann.” Mit dem Gesetz, das am 1. August in Kraft getreten ist, will die Regierung für mehr Rechtssicherheit für das Schulpersonal sorgen.

    Demnach kann eine Lehrkraft in Situationen körperlich eingreifen, um zu verhindern, dass Schüler:

    • eine andere Person körperlich schädigen oder selbst geschädigt werden;
    • Eigentum beschädigen, oder
    • sich in einer Weise verhalten, die sie selbst stark bloßstellt. 

    Laut Nordtun waren vor der Einführung der neuen Rechtsgrundlage Notwehr-Bestimmungen im Strafgesetzbuch maßgeblich. “Nach Ansicht des Ministeriums bietet das Strafgesetzbuch jedoch keinen hinreichend klaren Rahmen dafür, was das Schulpersonal im Umgang mit Schülern tun kann und was nicht.”

    Bildungsverbund: Gewalt gegen Schüler und Personal wächst

    Das körperliche Eingreifen darf laut Ministerium nicht über das hinausgehen, was im konkreten Fall notwendig ist oder was in einem angemessenen Verhältnis zu den zu schützenden Interessen steht. Ein Lehrer, so heißt es in einem Beispiel, darf stärker eingreifen, wenn ein Schüler vorhat, ein Fenster einzuschlagen, als wenn er vorhat, kostengünstige Geräte der Schule zu beschädigen.

    Norwegens größter Bildungsverbund Utdanningsforbundet begrüßt das neue Gesetz im Grundsatz. Im Verbund sind nach eigenen Angaben mehr als 190.000 Lehrer sowie Führungskräfte in Kindergärten, Schulen und dem übrigen Bildungssystem organisiert. Laut Utdanningsforbundet stellen Gewalt und Drohungen gegen Schüler und Personal eine wachsende Herausforderung an norwegischen Schulen dar. Die bisherigen Rechtsvorschriften seien unklar und mangelhaft gewesen. 

    Zugleich betont die Organisation das “ethische Dilemma“. Es gelte, sowohl die Rechte eines sich falsch verhaltenden Schülers zu wahren als auch die Interessen aller anderen Schüler zu schützen, erklärte Nina Hulthin, Sprecherin von Utdanningsforbundet, Table.Briefings. Sie übte auch Kritik am Gesetz. Man sei sich nicht sicher, wie die neuen Vorschriften in die Praxis umgesetzt werden sollen. Denn Schulen und Gemeinden verfügten nicht über genügend Zeit, Kapazitäten und Fachwissen, um auch präventiv zu arbeiten. Holger Schleper

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    Christopher Reiners: Wie aus seiner “Corona School” der Verein “Lern-Fair” wurde

    Er ist CEO der gemeinnützigen Organisation Lern-Fair: Christopher Reiners.

    Ein Projekt über zwei Wochen, maximal einen Monat. Das denkt Christopher Reiners Mitte März 2020, als er kurz vor den coronabedingten Schulschließungen mit drei Freunden über Nacht eine Website veröffentlicht. Alle sind Anfang 20, studieren Mathematik oder Informatik. Sie ahnen, dass viele Schülerinnen und Schüler durch das Homeschooling in Schwierigkeiten geraten werden. Ihr Projekt nennen sie “Corona School”.

    Ihre Matching-Plattform soll ehrenamtlich arbeitende Studierende und bedürftige Schüler zusammenbringen. Das Ziel: kostenlose wöchentliche 1:1-Lernunterstützung, digital und leicht zugänglich. Der Bedarf ist riesig. Bereits nach einer Woche gibt es mehr als 1.000 Nutzer.

    Projekt war nach Launch kein Selbstläufer

    Mittlerweile, fast vier Jahre später, ist aus der Corona School der Verein “Lern-Fair” geworden, dem Reiners als CEO vorsteht. Dass er sehr strukturiert ist, merkt man nach wenigen Sätzen: Er spricht sachlich, klar und bedacht. Bei Lern-Fair koordiniert und verantwortet er Finanzen, Infrastruktur und Mitarbeitende.

    “Sehr naiv” sei er bei der Gründung gewesen, sagt der heute 26-Jährige. Nach dem Programmieren der Website war die Corona School alles andere als ein Selbstläufer: an Schulen und Unis werben, Vereinsgründung, Auswahlgespräche führen, Spendenakquise, Verwaltungsarbeit, Kooperationen anbahnen. Von den vier Gründern wuchs das Team innerhalb des ersten Monats auf 50 Mitglieder an.

    Anfangs Corona-Hilfen, jetzt unabhängig von staatlicher Unterstützung

    Gerade zu Beginn steigt die mediale Aufmerksamkeit schnell: Talkshow-Auftritte, Treffen mit Politikerinnen und Politikern, ein Dank von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier persönlich. Das macht sich im weiteren Erfolg bemerkbar: Lern-Fair zieht erste Kooperationen an Land, Förderungen, Auszeichnungen.

    Anfangs noch zum Teil aus Corona-Hilfen finanziert, kann sich der Verein inzwischen ganz ohne politische Hilfen tragen. Er generiere jetzt sein Wachstum über andere Wege, etwa über Unternehmen, die sich leichter mobilisieren ließen. Das Angebot erweitert sich zudem durch Kooperationen mit anderen Lern-Apps, die so kostenlos von Schülerinnen und Schülern genutzt werden können.

    Brauchte selbst als Schüler Mathematik-Nachhilfe

    Das Lernpaar-Matching wird seit einem Jahr auch über eine App umgesetzt. Reiners hat Spaß am Tüfteln, um ihre Bedienbarkeit zu verbessern. Grundlage für einen Match sind Angaben zu Klassenstufe und Schulfächern. Ein wenig erinnert die Anwendung an gängige Dating-Apps. Darauf angesprochen sagt Reiners: “Wir haben uns tatsächlich vor Kurzem überlegt, Werbung bei Tinder zu schalten”.

    2022 wählt das Capital Magazin den damals 24-Jährigen unter die “Top 40 under 40” – 2023 erneut. Eine “One-Man-Show”, betont er, sei Lern-Fair aber nie gewesen. Was Nachhilfe bewirken kann, weiß Reiners aus eigener Erfahrung: In der achten Klasse hat er mehrmals eine Vier in Mathematik, seine Eltern können ihm die Nachhilfe finanzieren. Ohne seine Privilegien hätte es Lern-Fair wohl nie gegeben, betont er heute. Reiners studiert Mathematik und Informatik und will nach seinem Bachelor für ein Praktikum nach Israel. Dann kommt ihm die Pandemie dazwischen und er beginnt einen Master in Mathematik. Den er nach kurzer Zeit abbricht – für seine Arbeit für die Corona School.

    Nachhilfe für ukrainische Schüler und Präsenzkurse

    Auch am Ende der Pandemie bleiben die Schüleranfragen hoch und verdeutlichen: Der Verein wird über Corona hinaus gebraucht. 2022 erhält Lern-Fair seine bislang größte Förderung: Die Andreas-Gerl-Stiftung unterstützt den Verein mit 300.000 Euro pro Jahr, angesetzt auf drei Jahre. Erste Vollzeitstellen werden geschaffen, eine davon besetzt Reiners selbst.

    Neben der klassischen Nachhilfe gibt es inzwischen noch “Lern-Fair Ukraine” – ukrainische Schülerinnen und Schüler erhalten hier Hilfe beim Erlernen der deutschen Sprache und den Hausaufgaben. Und neben dem Online-Unterricht bietet Lern-Fair mittlerweile auch Workshops und Veranstaltungen in Präsenz an.

    Für Reiners steht inzwischen fest, dass er bis 2025 seinen CEO-Posten weitergeben möchte, um sich etwas Neuem zu widmen. Was genau folgen soll, stehe aber noch nicht ganz fest. Was er selbst von Lern-Fair gelernt habe? Reiners überlegt kurz und sagt: “Vor allem, einen langen Atem zu haben”. Shulamit Rittwagen

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    Best of Table

    Research.Table: Warum die Ampel die Aufklärung in der Fördermittelaffäre verzögert. Mit dem Verweis auf noch laufende Gerichtsverfahren entzieht sich die Ampel dem vom Vorsitzenden des Forschungsausschusses eingeforderten Umlaufbeschluss zur Fördermittelaffäre. Welche offenen Fragen nun eine Sitzung der Obleute des Ausschusses klären soll, lesen Sie hier.

    Research.Table: Wissenschaftler, die sich politisch positionieren, büßen Vertrauen ein. Eine Studie mit US-amerikanischen Daten zeigt: Wenn Wissenschaftler ihre parteipolitischen Präferenzen zeigen, verlieren sie an Glaubwürdigkeit. Und wie sich dadurch auch die Polarisierung weiter verstärkt, lesen Sie hier.

    Must-Reads

    Zeit: Kitas bereiten zu wenig auf die Schule vor. Wie steht es um die Aufgabe von Kitas, Kinder zur Schulreife zu führen? Ziemlich schlecht, urteilt Autor Martin Spiewak. Die Schulreife sei “eine Selbstverständlichkeit, würde man meinen. Doch in vielen deutschen Kitas ist das S-Wort ein Tabu”. Warum das so ist, erklärt Spiewak umfassend und geht dabei kritisch auf eine Pädagogik ein, die strikt “vom Kinde aus” denke. Spiewak kritisiert auch den Entwurf eines Kita-“Qualitätsentwicklungsgesetzes”, das keine Standards benennt. Und fehlende Transparenz bei Kita-Trägern. (Kitas: Fördern statt kuscheln)

    Tagesspiegel: Berliner Tool für Schüler-Feedback bleibt ungenutzt. In Berlin sind Lehrkräfte seit 2011 dazu verpflichtet, alle zwei Jahre Feedback von ihren Schülern einzuholen. Zu diesem Zweck entwickelte das Landesinstitut für Schulqualität ein Online-Bewertungsportal. Jedoch nutzen nur fünf Prozent der Lehrkräfte dieses Angebot. Auch die Schulleitungen nehmen das Angebot für eine freiwillige Bewertung nicht an. Nur drei der 650 öffentlichen Schulen nutzten das Tool zur Bewertung ihrer Leitung. (Schüler-Feedback zur Unterrichtsqualität: Berliner Lehrer meiden offizielles Onlineportal des Landesinstituts

    Deutsches Schulportal: Mentoren und Elterncafés gegen Sprachbarrieren. Um Eltern mit geringen Deutschkenntnissen zu unterstützen, gibt es eine Vielzahl von Projekten. Zum Beispiel haben manche Schulen Elterncafés eingerichtet. Auch Mentoring-Programme können hier helfen. Erfolgreiche Projekte sind die Neuköllner Stadtteilmütter in Berlin und das Schulmentoren-Programm in Hamburg. Durch die Unterstützung der Eltern können ihre Kinder besser am Schulalltag teilhaben. (So gelingt die Zusammenarbeit mit Eltern trotz Sprachbarriere

    Spiegel: Wie viel Anthroposophie steckt in der Waldorfpädagogik? Vier Absolventen einer waldorfpädagogischen Ausbildung berichten über den meist unkritischen Umgang mit den anthroposophischen Ideen von Rudolf Steiner. Viele Lehren des Waldorfentwicklers würden von Dozenten undifferenziert übernommen. Kritik sei unerwünscht gewesen. Die Freie Hochschule Stuttgart und das Waldorfseminar Hamburg bestreiten die Vorwürfe der Absolventen. (“Ich habe mich gefühlt, als würde ich unendlich dümmer werden“) 

    Das Dachdecker-Handwerk: ZVDH kritisiert Bertelsmann-Studie. Der Zentralverband des Deutschen Dachdecker-Handwerks kritisiert die Aussage einer Bertelsmann-Studie, nach der die Dachdecker-Ausbildung nicht ausreichend auf die Energiewende vorbereite. Die Installation von Solarpanelen sei fester Bestandteil der Ausbildung, erklärt Vize-Vorsitzender Jan Voges. Er kritisiert zudem die Methodik der Studie. Die Studienergebnisse resultieren aus einer Analyse von Online-Stellenanzeigen. Über die Studie berichtete auch Table.Briefings. (Bertelsmann-Studie verfehlt Realität im Dachdeckerhandwerk

    Ifo-Institut: Studie empfiehlt mehr Kinderbetreuung gegen den Fachkräftemangel. Fachkräfte könnten durch einen Ausbau der Kinderbetreuung entlastet werden – und so mehr arbeiten. 400.000 weitere Krippen-, Kita- und Hortplätze würden 58.000 Vollzeitstellen ermöglichen. Insbesondere der Ausbau der Kinderbetreuung in ländlichen Regionen Westdeutschlands mit bisher wenigen Angeboten würde einen Beschäftigungsgewinn ermöglichen. (Ansatzpunkte zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren

    Bildung.Table Redaktion

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