Table.Briefing: Bildung

+++ Table.Alert: Rechtsextremismus in Schule + Bildungsminister verteidigt Aufarbeitung +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

das rechtsextreme Verhalten an einer Schule in Brandenburg droht zu einer unendlichen Geschichte zu werden. Im April hatten zwei Lehrkräfte aufgedeckt, dass an der Schule immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien und Hitlergrüße vorkommen. Aber obwohl die Behörden schnell reagiert haben wollen, flohen die mutigen Lehrer vor dem Hass. Dabei erhoben sie zuletzt Vorwürfe gegen das Schulamt. Im Gespräch mit RBB24 geriet nun auch Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) in die Defensive.

Deshalb haben wir den erst seit Mai amtierenden Freiberg in einem großen Interview befragt, wie die Lage an der Schule ist – und wie er ihrer Herr werden will. Dazu greift er nach einer Doppelstrategie, die Anouk Schlung, Franziska Klemenz und ich im Gespräch mit Freiberg auf die Probe gestellt haben. Lesen Sie selbst.

Ihr
Christian Füller
Bild von Christian  Füller

“Da haben einige Lehrer Angst”

Unter Scheinwerfern erholt sich eine gekippte Schule nicht, findet Steffen Freiberg.

Table.Media: Im brandenburgischen Burg haben zwei Lehrkräfte rechtsradikales Verhalten von Schülern öffentlich gemacht. Herr Freiberg, Sie haben interveniert – und Zweifel an deren Vorgehen geäußert. Sollen Lehrerinnen Hitlergrüße an Schulen nun öffentlich machen – oder nicht?

Steffen Freiberg: Ihre Zweifel kann ich nicht nachvollziehen. Da müssten Sie aufklären, was Sie damit meinen. 

Sie haben die Lehrkräfte wiederholt dafür gelobt, dass es richtig und mutig war, den Fall öffentlich zu machen. Aber Sie sagen zugleich, es wäre besser, wenn der Dienstweg eingehalten würde, also eine interne Klärung. Das hat auch Ihre Situation nicht besser gemacht. Deswegen die Frage: Öffentlich machen oder Dienstweg einhalten?

Ich habe an dem Tag, als mir der Fall Burg bekannt wurde, laut, deutlich und öffentlich mehrfach betont, dass die beiden Lehrkräfte richtig gehandelt haben! Auch im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und vor allen Dingen im Landtag habe ich deutlich gemacht, dass es keine dienstrechtlichen Konsequenzen für die Lehrer gibt. Wenn man Straftaten nach Paragraph 86 und 86a des Strafgesetzbuches…

… also das Verbreiten von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen…

… genau, wer das als Lehrerin oder Lehrer öffentlich macht, handelt so mustergültig wie mutig. Das will ich einmal vorweg stellen. 

Aber warum dann noch den Hinweis auf den Dienstweg?

Weil in allen Handlungsanleitungen steht, dass solche Vorfälle zunächst an das Staatliche Schulamt zu melden sind. Das gilt auch für die ehrlicherweise schwierige Lage, in der sich die Demokratie zum Teil befindet. Wir können ja gar nicht ausschließen, dass nicht an der nächsten Schule oder an derselben Schule wieder irgendetwas passiert. Es ist leider so. 

“Müssen uns eigenes Lagebild machen können”

Aber gerade deswegen brauchen Sie doch couragierte Lehrer wie die beiden.

Dann ist mir trotzdem sehr daran gelegen, wenn wir – das heißt das Staatliche Schulamt, das heißt die Schulaufsicht – zunächst mal die Möglichkeit bekommen, uns ein eigenes Lagebild zu verschaffen. Das muss in geordneten Bahnen geschehen – also bevor wir mit einer enorm großen öffentlichen Wirkung konfrontiert sind. Die beiden Autoren des Schreibens haben selbst in einem Interview zur Kenntnis gegeben, dass die Wucht der Öffentlichkeit sie überrascht hat. Das schränkt nämlich unsere Möglichkeiten, für die Schule hilfreich zu wirken, tatsächlich ein. 

Warum?

Wenn sich eine Schule in einer solchen schwierigen Situation befindet, dann helfen Scheinwerfer und Kameras für die Aufarbeitung nicht. Das ist keine Kritik an den Medien, die darüber berichten – aber für einen Prozess an einer Schule ist es nicht hilfreich. 

Nun ist aber so, dass die Lehrerin und der Lehrer es zunächst auf dem Dienstweg probiert haben – bei der Schulleitung nämlich. Und es geschah: nichts. Kann man ihnen übelnehmen, dass sie dann an die Öffentlichkeit gehen?

Nein, das kann man nicht. Und deswegen gab und gibt es keine dienstrechtlichen Konsequenzen dafür, den Fall öffentlich zu machen. Es war trotzdem nicht der Weg, den ich unbedingt empfehle. Es gibt unterschiedliche Eskalationsstufen. Lehrkräfte können sich immer an die nächsthöheren Vorgesetzten richten. Übrigens lese ich jeden Brief, der mich erreicht. Nicht nur Brandbriefe, die anonym in der Öffentlichkeit platziert werden.

Burg ist inzwischen zu einem Fanal geworden: für mutige Lehrer – und am Ende einem Sieg der Rechten. Tragen Sie daran eine Mitschuld, Herr Freiberg?

Diese Zuspitzung in der Formulierung hilft niemandem. Wir sind früh – vom ersten Tag an, als das bekannt geworden ist – und dann dauerhaft in der Schule aktiv gewesen. Es gab mehrere Gespräche mit den beiden betreffenden Personen, unter anderem mit dem Schulamtsleiter persönlich. Ich habe zudem zwei Schulräte von der Schulaufsicht von allen anderen Aufgaben freigestellt, damit sie sich ausschließlich um diese Schule kümmern. 

Finden Sie, dass das Schulamt für die Schule in Burg segensreich gewirkt hat? 

Dass diese Situation entstanden ist, bedaure ich sehr. Und ich bedauere auch, dass am Ende die beiden Lehrkräfte-Kollegen für sich entschieden haben, diese Konsequenz zu ziehen. Ich will aber auch betonen, dass der Schulamtsleiter einer meiner ranghöchsten Mitarbeiter ist, der vor Ort die exekutive Aufgabe hat, das Schulwesen zu organisieren. Alle mir hier zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, einer Schule in der Situation Hilfe anzubieten und Unterstützung hineinzugeben, habe ich ergriffen. 

“Schule hat größere Herausforderungen als nur Rechtsextremismus”

Wird das denn auch real umgesetzt oder sind das nur allgemeine Angebote?

Nein, das findet tatsächlich alles vor Ort statt. Da hat es etwa Coachings für das Kollegium gegeben. Im Verlauf des nächsten Schuljahres bekommen Lehrkräfte weitere Einzelberatungen. Wir haben vor den Ferien Zielvereinbarungen getroffen. Mehrere Schulräte sind vor Ort. Die Sicherheitsbehörden sind aktiv. Dass die beiden Lehrer das als zu langsam empfinden, gerade wenn man sehr regelmäßig in der Öffentlichkeit steht, kann ich nachvollziehen. Aber die Schule hat weit größere Herausforderungen als nur den aus der Gesellschaft in die Schule hereinreichenden Extremismus. Das aufzuarbeiten ist etwas, was mit Handauflegen von heute auf morgen nicht geht.

Der Grund für die Versetzungsanträge der beiden Lehrkräfte war ja nicht nur dass es zu langsam geht, sondern auch, dass es wirklich Drohungen gegen die beiden gab. Und denken Sie, dass sie da genug getan haben, um zu präsentieren, dass sie hinter der Demokratie stehen? 

Ich stehe nicht hinter der Demokratie, ich repräsentiere die Demokratie. Und ich empfinde Ihre Frage als ehrabschneidend. 

Das soll sie nicht sein. Wir geben einen Eindruck wieder, der sich in der Öffentlichkeit allmählich durchsetzt.

Zur zeitlichen Einordnung: Der Staatsschutz war aktiv und hat Schutzabsprachen mit den beiden Lehrkräften geführt, noch bevor Sticker mit deren Konterfeis an Laternenpfähle geklebt wurden. Das heißt, die Sicherheitsbehörden sind unmittelbar tätig geworden. Und gegen Tatverdächtige wurde offensichtlich erfolgreich ermittelt – wie sie an den 16 Strafanzeigen sehen können, denen die Polizei nachgegangen ist. In dem Moment, als ich den brandenburgischen Innenminister angerufen habe, weil mir bekannt geworden ist, wie die Bedrohungslage im Ort ist… 

… Sie meinen die Sticker…

… und den Instagrampost, der ja noch schlimmer war! In diesem Moment war der Staatsschutz bereits aktiv. Der demokratische Rechtsstaat hat sofort reagiert. 

Ist aber in Burg offenbar nicht mehr tonangebend. 

Ich kann nichts verhindern, was aus der Gesellschaft heraus dort passiert und was über das Erwartbare hinausgeht. Gucken Sie sich mal Wahlergebnisse dort vor Ort an. Das kann ich mit den Mitteln, die einem Schulminister zur Verfügung stehen, nicht heilen. Zumindest nicht kurzfristig. Ich kann Ihnen sagen, was wir alles bildungspolitisch machen. Aber die Situation, die dort entstanden ist, was dort sagbar ist, was im gesellschaftlichen Klima vor Ort als tolerierbar oder erlaubt angesehen wird, das kann ich offen gestanden nicht von Potsdam aus verhindern. Die Gesprächsangebote an die Kolleginnen und Kollegen in der Schule sind von Seiten des Staatlichen Schulamtes immer innerhalb weniger Tage realisiert worden. 

Burg ist zur Schaufensterfigur des Gesamtklimas geworden, das in Burg und manchen Orten in Ostdeutschland herrscht. Security-Firmen und Teile der Unternehmerszene sind in Händen von Rechtsradikalen. Prozesse gegen gewalttätige Rechtsextreme dauern oft ewig. Wie soll man mit Menschen aus solchen Kreisen umgehen, die demokratisch legitimiert sind, nämlich Gewählten der AfD.

Ich persönlich kann zunächst einmal sagen, dass mein Fokus jetzt in der konkreten Situation auf dem Wohl dieser Schule liegt. Und zwar der Schule insgesamt, also auf einer ganzen Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die enorme Schwierigkeiten haben und die nicht nur mit Rechtsextremismus zu tun haben. Es sind Hunderte von Schülerinnen und Schüler, deren Lebenschancen davon abhängen, dass diese Schule gut funktioniert. Eins kann ich Ihnen versichern: Es gibt keine anderen zwei Lehrer und keine weitere Schule, die so viel meiner Aufmerksamkeit in den letzten 80 Tagen gebunden hat wie diese beiden. 

“Es gibt keine Neutralität vor dem Grundgesetz”

Was muss noch passieren, damit uns allen, der Gesellschaft klar wird, wie gefährlich die politische Lage ist? 

Ich hoffe, dass wir das insgesamt gemeinsam schaffen. Es stehen Wahlkämpfe bevor. In Brandenburg sind Kommunalwahlen nächstes Jahr. Landtags- und Europawahl finden auch statt. Ich bin für den neutralen Staat, aber es gibt keine Neutralität vor dem Grundgesetz, seinen Werten und der Verpflichtung der Achtung der Menschenwürde und der Schutz der Entfaltung der Persönlichkeit. Da gibt es keine Neutralität. 

Was bedeutet das konkret?

Dass dafür alle eintreten sollten – insbesondere alle Staatsbediensteten. Deswegen finde ich, dass es sehr bedeutend von den beiden Lehrkräften war, sich dort vor Ort so zu engagieren. Ich hoffe sehr, dass die breite Bevölkerung noch stärker versteht, welche Gefahr davon ausgeht, wenn bestimmte Politiker demokratische Werte und den demokratischen Grundkonsens in politischen Reden und im politischen Handeln vergessen. Aus gutem Grund wird eine bestimmte Partei als ein rechtsextremistischer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz geführt. Wir als Demokraten müssten stärker darauf blicken, was hinter der zielgerichteten Absicht steht, Demokratie, Freiheit, Rederecht und den Schutz der Entfaltung der persönlichen Identität abzuschaffen.

Der Kreisvorsitzende der AfD aus Cottbus hat die Hetze gegen die Lehrer entscheidend mitbefeuert. Wie geht man mit gewählten Vertretern dieser Partei um?

Mein Ratschlag ist, sich auf die Werte und die vorgesehenen Regeln in der Verfassung zu verlassen. Ich kann beispielsweise als Minister Anfragen oder Ansinnen von gewählten Abgeordneten einer Fraktion nicht das Recht verweigern, das die Verfassung diesem Abgeordneten zuspricht. Klar ist aber, dass die inhaltliche Zusammenarbeit sich auf jene  beschränken sollte, die zu unserem demokratischen Grundkonsens stehen.

Inhaltlich erleben Sie wahrscheinlich vieles aus ihrer Jugendzeit in Mecklenburg-Vorpommern neu. Wie viel erkennen Sie davon wieder? 

Wir haben jetzt eine andere Situation. Wir hatten in den 90er Jahren zum Teil Zellenbildungen in Schulen, also rechtsextremistische Strukturen, die sich in Schulen und aus Schulen heraus als Kristallisationskern bezeichnen lassen. Die Situation ist jetzt anders. Zumindest in der realen Welt – die digitale ist schwierig zu beherrschen – haben wir kaum Aktionen wie etwa die der rechtsextremen Schulhof-CDs, die die NPD damals vor den Schulen verteilte. 

Was genau ist anders, Herr Freiberg?

Die Menschen, die in den 90er Jahren diesem Spektrum angehört haben, sind jetzt Eltern. Das ist etwas, was man nicht unterschätzen darf. Wenn sie in der Zeit der kognitiven Orientierung in einer Phase der Pubertät am elterlichen Tisch Dinge sehen oder hören oder lesen, die sich außerhalb des demokratischen Grundkonsens befinden, dann halten sie das für völlig normal. Dort haben wir ein erhebliches Problem. 

“Mit nicht ganz einfachen Elternhäusern in Verbindung”

Ist das in Burg so?

Es hat sich in Interviews gezeigt, dass Lehrkräfte eine solche Konstellation beschrieben haben. Dass Schülerinnen und Schüler, die dem Spektrum womöglich zuzurechnen wären, mit nicht ganz einfachen Elternhäusern in Verbindung stehen. 

Ist das kein Problem?

Doch, natürlich. Aber wir haben keine Zellenbildung momentan. Das war eine der beiden Fragen, die unser Handeln von Anfang an maßgeblich beeinflusst hat. Die erste Frage war: Ist die Schule der äußere Rahmen für rechtsextremistische Zusammenhänge und Vorfälle? 

Und?

Da war die klare Antwort auch in Konsultation mit Sicherheitsbehörden: Nein, so ist es nicht. Sondern es ist umgekehrt. Es wirkt ein allgemeines gesellschaftliches Klima in die Schule hinein. Die Schule kann sich dem nicht entziehen. Deswegen wird es auch vermutlich immer wieder Fälle geben, egal wie schlimm ich das nun finde. 

Was war die zweite Frage?

Ob die rechtsextremistischen Vorfälle das eigentliche Problem in der Schule beschreiben. Oder ob es dahinterliegend andere Dinge gibt, die überhaupt dazu führen, dass an einer Schule so etwas passieren kann. 

Wie lautet die Antwort?

Ja, da gibt es andere Dinge, die dahinterliegen. Wenn sie eine Schule als Institution resilient machen wollen, sie als einen Hort der Demokratie in die Gesellschaft ausstrahlen lassen wollen, dann müssen sie erst diese Schule gesund kriegen. Und das ist der Weg, den wir mit aller Kraft beschreiten. Dass es den beiden Damen und Herren nicht schnell genug gegangen ist,  wenn man so unter Druck steht, verstehe ich. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass das gelöst wird, was an der Schule, an ungelösten Konflikten im Hintergrund liegt. Ansonsten wird diese Schule als ein Ort der Demokratie oder zumindest als ein Schutzraum gegen Extremismus immer wieder Risse in den Mauern haben.

Sie sagen selbst, wie kompliziert diese Gemengelage ist. Wie kann man solche Schulen resilient machen?

Erstens unterstützen wir die Schulen mit einem Programm, das “Starke Lehrer, starke Schüler” heißt. Das ist genau für solche schwierigen Situationen geschaffen. Das Zweite ist, die Sachen auf keinen Fall unter den Teppich zu kehren, sondern sie klar zu benennen. Der Mechanismus ist genauso wie bei Mobbing oder bei Missbrauch: Es darf auf keinen Fall verheimlicht werden, sondern es muss klar benannt werden. Es ist keine Nestbeschmutzung, so etwas zu melden – am besten auf dem Dienstweg. Und das dritte ist, dass sich alle vor Ort bewusst sind, welche Verantwortung sie haben. Sie müssen sich immer fragen, ob das, was sie tun mit ihrer Aufgabe, Schülerinnen und Schülern ihren Lebensweg dauerhaft zum Gelingen zu verhelfen, sich in der eigenen Handlung widerspiegelt. Und das geht von Kleinigkeiten wie dem gegenseitigen Grüßen auf dem Schulhof bis hin zu entschlossenem Handeln, wenn extremistische Handlungen auftreten. 

“Lehrkräfte zu 99,9 Prozent Demokraten”

Woher nehmen Sie die demokratisch gesinnten und obendrein mutigen Lehrerinnen und Lehrer, die das mittragen und umsetzen? 

Die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die dort arbeiten, sind zu 99,9 Prozent Demokraten. Natürlich hatten wir auch schon Einzelfälle, in denen sich Lehrer auf Bühnen gestellt haben und irgendwelches Zeug erzählt haben. Die haben wir dann entfernt aus dem Dienst. Aber die Kolleginnen und Kollegen, die an den Brandenburger Schulen arbeiten, haben auf den Staat geschworen und haben auf das Grundgesetz geschworen. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen dankbar, die unter sehr schwierigen Situationen zum Teil dort vor Ort ihren Mann und ihre Frau stehen. 

Hätten Sie irgendwas in der Rückschau anders gemacht, wenn Sie gewusst hätten, wie sich das entwickelt? Immerhin haben Sie zwei Lehrer an dieser wichtigen Schule verloren. 

Wir haben zwei Lehrer an dieser Schule verloren, aber diese Lehrkräfte sind ja weiterhin da. Sie sind nicht aus dem Schuldienst ausgeschieden, sondern haben sich an andere Schulen beworben. Dass die beiden einer solchen Situation ausgesetzt waren, geht gar nicht. Es ist damit eine Stufe von Hass und Gewalt erreicht, die völlig inakzeptabel ist – also wenn es überhaupt irgendwas gibt, was in so einem Spektrum akzeptabel wäre. Die Situation an der Schule ist nach wie vor schwierig. Aber wir lassen sie auch nicht allein, wenn die Kameras wieder ausgehen. Ich habe ja gesagt, dieser Prozess an der Schule funktioniert dann besser, wenn wir denjenigen, die nicht so mutig sind wie die beiden, die Gelegenheit geben, sich dort auch zu exponieren, ohne dass sie Angst haben. Und da haben einige Angst. Das ist leider so.

Das Interview führten Anouk Schlung, Christian Füller und Franziska Klemenz.

  • Brandenburg
  • Lehrer
  • Politische Bildung
  • Schulaufsicht
  • Steffen Freiberg

Bildung.Table Redaktion

BILDUNG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    das rechtsextreme Verhalten an einer Schule in Brandenburg droht zu einer unendlichen Geschichte zu werden. Im April hatten zwei Lehrkräfte aufgedeckt, dass an der Schule immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien und Hitlergrüße vorkommen. Aber obwohl die Behörden schnell reagiert haben wollen, flohen die mutigen Lehrer vor dem Hass. Dabei erhoben sie zuletzt Vorwürfe gegen das Schulamt. Im Gespräch mit RBB24 geriet nun auch Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) in die Defensive.

    Deshalb haben wir den erst seit Mai amtierenden Freiberg in einem großen Interview befragt, wie die Lage an der Schule ist – und wie er ihrer Herr werden will. Dazu greift er nach einer Doppelstrategie, die Anouk Schlung, Franziska Klemenz und ich im Gespräch mit Freiberg auf die Probe gestellt haben. Lesen Sie selbst.

    Ihr
    Christian Füller
    Bild von Christian  Füller

    “Da haben einige Lehrer Angst”

    Unter Scheinwerfern erholt sich eine gekippte Schule nicht, findet Steffen Freiberg.

    Table.Media: Im brandenburgischen Burg haben zwei Lehrkräfte rechtsradikales Verhalten von Schülern öffentlich gemacht. Herr Freiberg, Sie haben interveniert – und Zweifel an deren Vorgehen geäußert. Sollen Lehrerinnen Hitlergrüße an Schulen nun öffentlich machen – oder nicht?

    Steffen Freiberg: Ihre Zweifel kann ich nicht nachvollziehen. Da müssten Sie aufklären, was Sie damit meinen. 

    Sie haben die Lehrkräfte wiederholt dafür gelobt, dass es richtig und mutig war, den Fall öffentlich zu machen. Aber Sie sagen zugleich, es wäre besser, wenn der Dienstweg eingehalten würde, also eine interne Klärung. Das hat auch Ihre Situation nicht besser gemacht. Deswegen die Frage: Öffentlich machen oder Dienstweg einhalten?

    Ich habe an dem Tag, als mir der Fall Burg bekannt wurde, laut, deutlich und öffentlich mehrfach betont, dass die beiden Lehrkräfte richtig gehandelt haben! Auch im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und vor allen Dingen im Landtag habe ich deutlich gemacht, dass es keine dienstrechtlichen Konsequenzen für die Lehrer gibt. Wenn man Straftaten nach Paragraph 86 und 86a des Strafgesetzbuches…

    … also das Verbreiten von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen…

    … genau, wer das als Lehrerin oder Lehrer öffentlich macht, handelt so mustergültig wie mutig. Das will ich einmal vorweg stellen. 

    Aber warum dann noch den Hinweis auf den Dienstweg?

    Weil in allen Handlungsanleitungen steht, dass solche Vorfälle zunächst an das Staatliche Schulamt zu melden sind. Das gilt auch für die ehrlicherweise schwierige Lage, in der sich die Demokratie zum Teil befindet. Wir können ja gar nicht ausschließen, dass nicht an der nächsten Schule oder an derselben Schule wieder irgendetwas passiert. Es ist leider so. 

    “Müssen uns eigenes Lagebild machen können”

    Aber gerade deswegen brauchen Sie doch couragierte Lehrer wie die beiden.

    Dann ist mir trotzdem sehr daran gelegen, wenn wir – das heißt das Staatliche Schulamt, das heißt die Schulaufsicht – zunächst mal die Möglichkeit bekommen, uns ein eigenes Lagebild zu verschaffen. Das muss in geordneten Bahnen geschehen – also bevor wir mit einer enorm großen öffentlichen Wirkung konfrontiert sind. Die beiden Autoren des Schreibens haben selbst in einem Interview zur Kenntnis gegeben, dass die Wucht der Öffentlichkeit sie überrascht hat. Das schränkt nämlich unsere Möglichkeiten, für die Schule hilfreich zu wirken, tatsächlich ein. 

    Warum?

    Wenn sich eine Schule in einer solchen schwierigen Situation befindet, dann helfen Scheinwerfer und Kameras für die Aufarbeitung nicht. Das ist keine Kritik an den Medien, die darüber berichten – aber für einen Prozess an einer Schule ist es nicht hilfreich. 

    Nun ist aber so, dass die Lehrerin und der Lehrer es zunächst auf dem Dienstweg probiert haben – bei der Schulleitung nämlich. Und es geschah: nichts. Kann man ihnen übelnehmen, dass sie dann an die Öffentlichkeit gehen?

    Nein, das kann man nicht. Und deswegen gab und gibt es keine dienstrechtlichen Konsequenzen dafür, den Fall öffentlich zu machen. Es war trotzdem nicht der Weg, den ich unbedingt empfehle. Es gibt unterschiedliche Eskalationsstufen. Lehrkräfte können sich immer an die nächsthöheren Vorgesetzten richten. Übrigens lese ich jeden Brief, der mich erreicht. Nicht nur Brandbriefe, die anonym in der Öffentlichkeit platziert werden.

    Burg ist inzwischen zu einem Fanal geworden: für mutige Lehrer – und am Ende einem Sieg der Rechten. Tragen Sie daran eine Mitschuld, Herr Freiberg?

    Diese Zuspitzung in der Formulierung hilft niemandem. Wir sind früh – vom ersten Tag an, als das bekannt geworden ist – und dann dauerhaft in der Schule aktiv gewesen. Es gab mehrere Gespräche mit den beiden betreffenden Personen, unter anderem mit dem Schulamtsleiter persönlich. Ich habe zudem zwei Schulräte von der Schulaufsicht von allen anderen Aufgaben freigestellt, damit sie sich ausschließlich um diese Schule kümmern. 

    Finden Sie, dass das Schulamt für die Schule in Burg segensreich gewirkt hat? 

    Dass diese Situation entstanden ist, bedaure ich sehr. Und ich bedauere auch, dass am Ende die beiden Lehrkräfte-Kollegen für sich entschieden haben, diese Konsequenz zu ziehen. Ich will aber auch betonen, dass der Schulamtsleiter einer meiner ranghöchsten Mitarbeiter ist, der vor Ort die exekutive Aufgabe hat, das Schulwesen zu organisieren. Alle mir hier zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, einer Schule in der Situation Hilfe anzubieten und Unterstützung hineinzugeben, habe ich ergriffen. 

    “Schule hat größere Herausforderungen als nur Rechtsextremismus”

    Wird das denn auch real umgesetzt oder sind das nur allgemeine Angebote?

    Nein, das findet tatsächlich alles vor Ort statt. Da hat es etwa Coachings für das Kollegium gegeben. Im Verlauf des nächsten Schuljahres bekommen Lehrkräfte weitere Einzelberatungen. Wir haben vor den Ferien Zielvereinbarungen getroffen. Mehrere Schulräte sind vor Ort. Die Sicherheitsbehörden sind aktiv. Dass die beiden Lehrer das als zu langsam empfinden, gerade wenn man sehr regelmäßig in der Öffentlichkeit steht, kann ich nachvollziehen. Aber die Schule hat weit größere Herausforderungen als nur den aus der Gesellschaft in die Schule hereinreichenden Extremismus. Das aufzuarbeiten ist etwas, was mit Handauflegen von heute auf morgen nicht geht.

    Der Grund für die Versetzungsanträge der beiden Lehrkräfte war ja nicht nur dass es zu langsam geht, sondern auch, dass es wirklich Drohungen gegen die beiden gab. Und denken Sie, dass sie da genug getan haben, um zu präsentieren, dass sie hinter der Demokratie stehen? 

    Ich stehe nicht hinter der Demokratie, ich repräsentiere die Demokratie. Und ich empfinde Ihre Frage als ehrabschneidend. 

    Das soll sie nicht sein. Wir geben einen Eindruck wieder, der sich in der Öffentlichkeit allmählich durchsetzt.

    Zur zeitlichen Einordnung: Der Staatsschutz war aktiv und hat Schutzabsprachen mit den beiden Lehrkräften geführt, noch bevor Sticker mit deren Konterfeis an Laternenpfähle geklebt wurden. Das heißt, die Sicherheitsbehörden sind unmittelbar tätig geworden. Und gegen Tatverdächtige wurde offensichtlich erfolgreich ermittelt – wie sie an den 16 Strafanzeigen sehen können, denen die Polizei nachgegangen ist. In dem Moment, als ich den brandenburgischen Innenminister angerufen habe, weil mir bekannt geworden ist, wie die Bedrohungslage im Ort ist… 

    … Sie meinen die Sticker…

    … und den Instagrampost, der ja noch schlimmer war! In diesem Moment war der Staatsschutz bereits aktiv. Der demokratische Rechtsstaat hat sofort reagiert. 

    Ist aber in Burg offenbar nicht mehr tonangebend. 

    Ich kann nichts verhindern, was aus der Gesellschaft heraus dort passiert und was über das Erwartbare hinausgeht. Gucken Sie sich mal Wahlergebnisse dort vor Ort an. Das kann ich mit den Mitteln, die einem Schulminister zur Verfügung stehen, nicht heilen. Zumindest nicht kurzfristig. Ich kann Ihnen sagen, was wir alles bildungspolitisch machen. Aber die Situation, die dort entstanden ist, was dort sagbar ist, was im gesellschaftlichen Klima vor Ort als tolerierbar oder erlaubt angesehen wird, das kann ich offen gestanden nicht von Potsdam aus verhindern. Die Gesprächsangebote an die Kolleginnen und Kollegen in der Schule sind von Seiten des Staatlichen Schulamtes immer innerhalb weniger Tage realisiert worden. 

    Burg ist zur Schaufensterfigur des Gesamtklimas geworden, das in Burg und manchen Orten in Ostdeutschland herrscht. Security-Firmen und Teile der Unternehmerszene sind in Händen von Rechtsradikalen. Prozesse gegen gewalttätige Rechtsextreme dauern oft ewig. Wie soll man mit Menschen aus solchen Kreisen umgehen, die demokratisch legitimiert sind, nämlich Gewählten der AfD.

    Ich persönlich kann zunächst einmal sagen, dass mein Fokus jetzt in der konkreten Situation auf dem Wohl dieser Schule liegt. Und zwar der Schule insgesamt, also auf einer ganzen Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die enorme Schwierigkeiten haben und die nicht nur mit Rechtsextremismus zu tun haben. Es sind Hunderte von Schülerinnen und Schüler, deren Lebenschancen davon abhängen, dass diese Schule gut funktioniert. Eins kann ich Ihnen versichern: Es gibt keine anderen zwei Lehrer und keine weitere Schule, die so viel meiner Aufmerksamkeit in den letzten 80 Tagen gebunden hat wie diese beiden. 

    “Es gibt keine Neutralität vor dem Grundgesetz”

    Was muss noch passieren, damit uns allen, der Gesellschaft klar wird, wie gefährlich die politische Lage ist? 

    Ich hoffe, dass wir das insgesamt gemeinsam schaffen. Es stehen Wahlkämpfe bevor. In Brandenburg sind Kommunalwahlen nächstes Jahr. Landtags- und Europawahl finden auch statt. Ich bin für den neutralen Staat, aber es gibt keine Neutralität vor dem Grundgesetz, seinen Werten und der Verpflichtung der Achtung der Menschenwürde und der Schutz der Entfaltung der Persönlichkeit. Da gibt es keine Neutralität. 

    Was bedeutet das konkret?

    Dass dafür alle eintreten sollten – insbesondere alle Staatsbediensteten. Deswegen finde ich, dass es sehr bedeutend von den beiden Lehrkräften war, sich dort vor Ort so zu engagieren. Ich hoffe sehr, dass die breite Bevölkerung noch stärker versteht, welche Gefahr davon ausgeht, wenn bestimmte Politiker demokratische Werte und den demokratischen Grundkonsens in politischen Reden und im politischen Handeln vergessen. Aus gutem Grund wird eine bestimmte Partei als ein rechtsextremistischer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz geführt. Wir als Demokraten müssten stärker darauf blicken, was hinter der zielgerichteten Absicht steht, Demokratie, Freiheit, Rederecht und den Schutz der Entfaltung der persönlichen Identität abzuschaffen.

    Der Kreisvorsitzende der AfD aus Cottbus hat die Hetze gegen die Lehrer entscheidend mitbefeuert. Wie geht man mit gewählten Vertretern dieser Partei um?

    Mein Ratschlag ist, sich auf die Werte und die vorgesehenen Regeln in der Verfassung zu verlassen. Ich kann beispielsweise als Minister Anfragen oder Ansinnen von gewählten Abgeordneten einer Fraktion nicht das Recht verweigern, das die Verfassung diesem Abgeordneten zuspricht. Klar ist aber, dass die inhaltliche Zusammenarbeit sich auf jene  beschränken sollte, die zu unserem demokratischen Grundkonsens stehen.

    Inhaltlich erleben Sie wahrscheinlich vieles aus ihrer Jugendzeit in Mecklenburg-Vorpommern neu. Wie viel erkennen Sie davon wieder? 

    Wir haben jetzt eine andere Situation. Wir hatten in den 90er Jahren zum Teil Zellenbildungen in Schulen, also rechtsextremistische Strukturen, die sich in Schulen und aus Schulen heraus als Kristallisationskern bezeichnen lassen. Die Situation ist jetzt anders. Zumindest in der realen Welt – die digitale ist schwierig zu beherrschen – haben wir kaum Aktionen wie etwa die der rechtsextremen Schulhof-CDs, die die NPD damals vor den Schulen verteilte. 

    Was genau ist anders, Herr Freiberg?

    Die Menschen, die in den 90er Jahren diesem Spektrum angehört haben, sind jetzt Eltern. Das ist etwas, was man nicht unterschätzen darf. Wenn sie in der Zeit der kognitiven Orientierung in einer Phase der Pubertät am elterlichen Tisch Dinge sehen oder hören oder lesen, die sich außerhalb des demokratischen Grundkonsens befinden, dann halten sie das für völlig normal. Dort haben wir ein erhebliches Problem. 

    “Mit nicht ganz einfachen Elternhäusern in Verbindung”

    Ist das in Burg so?

    Es hat sich in Interviews gezeigt, dass Lehrkräfte eine solche Konstellation beschrieben haben. Dass Schülerinnen und Schüler, die dem Spektrum womöglich zuzurechnen wären, mit nicht ganz einfachen Elternhäusern in Verbindung stehen. 

    Ist das kein Problem?

    Doch, natürlich. Aber wir haben keine Zellenbildung momentan. Das war eine der beiden Fragen, die unser Handeln von Anfang an maßgeblich beeinflusst hat. Die erste Frage war: Ist die Schule der äußere Rahmen für rechtsextremistische Zusammenhänge und Vorfälle? 

    Und?

    Da war die klare Antwort auch in Konsultation mit Sicherheitsbehörden: Nein, so ist es nicht. Sondern es ist umgekehrt. Es wirkt ein allgemeines gesellschaftliches Klima in die Schule hinein. Die Schule kann sich dem nicht entziehen. Deswegen wird es auch vermutlich immer wieder Fälle geben, egal wie schlimm ich das nun finde. 

    Was war die zweite Frage?

    Ob die rechtsextremistischen Vorfälle das eigentliche Problem in der Schule beschreiben. Oder ob es dahinterliegend andere Dinge gibt, die überhaupt dazu führen, dass an einer Schule so etwas passieren kann. 

    Wie lautet die Antwort?

    Ja, da gibt es andere Dinge, die dahinterliegen. Wenn sie eine Schule als Institution resilient machen wollen, sie als einen Hort der Demokratie in die Gesellschaft ausstrahlen lassen wollen, dann müssen sie erst diese Schule gesund kriegen. Und das ist der Weg, den wir mit aller Kraft beschreiten. Dass es den beiden Damen und Herren nicht schnell genug gegangen ist,  wenn man so unter Druck steht, verstehe ich. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass das gelöst wird, was an der Schule, an ungelösten Konflikten im Hintergrund liegt. Ansonsten wird diese Schule als ein Ort der Demokratie oder zumindest als ein Schutzraum gegen Extremismus immer wieder Risse in den Mauern haben.

    Sie sagen selbst, wie kompliziert diese Gemengelage ist. Wie kann man solche Schulen resilient machen?

    Erstens unterstützen wir die Schulen mit einem Programm, das “Starke Lehrer, starke Schüler” heißt. Das ist genau für solche schwierigen Situationen geschaffen. Das Zweite ist, die Sachen auf keinen Fall unter den Teppich zu kehren, sondern sie klar zu benennen. Der Mechanismus ist genauso wie bei Mobbing oder bei Missbrauch: Es darf auf keinen Fall verheimlicht werden, sondern es muss klar benannt werden. Es ist keine Nestbeschmutzung, so etwas zu melden – am besten auf dem Dienstweg. Und das dritte ist, dass sich alle vor Ort bewusst sind, welche Verantwortung sie haben. Sie müssen sich immer fragen, ob das, was sie tun mit ihrer Aufgabe, Schülerinnen und Schülern ihren Lebensweg dauerhaft zum Gelingen zu verhelfen, sich in der eigenen Handlung widerspiegelt. Und das geht von Kleinigkeiten wie dem gegenseitigen Grüßen auf dem Schulhof bis hin zu entschlossenem Handeln, wenn extremistische Handlungen auftreten. 

    “Lehrkräfte zu 99,9 Prozent Demokraten”

    Woher nehmen Sie die demokratisch gesinnten und obendrein mutigen Lehrerinnen und Lehrer, die das mittragen und umsetzen? 

    Die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die dort arbeiten, sind zu 99,9 Prozent Demokraten. Natürlich hatten wir auch schon Einzelfälle, in denen sich Lehrer auf Bühnen gestellt haben und irgendwelches Zeug erzählt haben. Die haben wir dann entfernt aus dem Dienst. Aber die Kolleginnen und Kollegen, die an den Brandenburger Schulen arbeiten, haben auf den Staat geschworen und haben auf das Grundgesetz geschworen. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen dankbar, die unter sehr schwierigen Situationen zum Teil dort vor Ort ihren Mann und ihre Frau stehen. 

    Hätten Sie irgendwas in der Rückschau anders gemacht, wenn Sie gewusst hätten, wie sich das entwickelt? Immerhin haben Sie zwei Lehrer an dieser wichtigen Schule verloren. 

    Wir haben zwei Lehrer an dieser Schule verloren, aber diese Lehrkräfte sind ja weiterhin da. Sie sind nicht aus dem Schuldienst ausgeschieden, sondern haben sich an andere Schulen beworben. Dass die beiden einer solchen Situation ausgesetzt waren, geht gar nicht. Es ist damit eine Stufe von Hass und Gewalt erreicht, die völlig inakzeptabel ist – also wenn es überhaupt irgendwas gibt, was in so einem Spektrum akzeptabel wäre. Die Situation an der Schule ist nach wie vor schwierig. Aber wir lassen sie auch nicht allein, wenn die Kameras wieder ausgehen. Ich habe ja gesagt, dieser Prozess an der Schule funktioniert dann besser, wenn wir denjenigen, die nicht so mutig sind wie die beiden, die Gelegenheit geben, sich dort auch zu exponieren, ohne dass sie Angst haben. Und da haben einige Angst. Das ist leider so.

    Das Interview führten Anouk Schlung, Christian Füller und Franziska Klemenz.

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