“Hope is not a strategy.” Bildungsforscherin Anne Sliwka weist gern auf dieses Zitat hin. Es ist einer der Leitsätze für die datengestützte Schulentwicklung in der kanadischen Provinz Alberta. In der Bildungsszene gibt es längst große Einigkeit darüber, dass Kanada für Deutschland beispielgebend sein kann. Aber was muss konkret geschehen, damit Deutschland den Wandel “von verwaltungsorientierten zu agil lernenden Schulsystemen” schafft? Genau das hat Sliwka in einem aktuellen Policy Paper aufgeschrieben.
Auch Thomas Jackl, stellvertretender Staatssekretär im Bildungsministerium von Mecklenburg-Vorpommern, verweist in seinem Standpunkt auf das Beispiel Kanada. “Verbindliche Strukturen helfen, Lernergebnisse und die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler tatsächlich zu verbessern”, schreibt er. Und geht noch einen Schritt weiter: Frühkindlicher und schulischer Bereich müssen endlich enger ineinandergreifen, fordert er in seinem Plädoyer. Auch hier gilt: “Hope is not a strategy.”
Einer Finanzbildungsstrategie nähern sich derweil die FDP-geführten Ministerien von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Am Dienstag konkretisierten sie ihre Pläne. Mein Kollege Maximilian Stascheit hat sie aufgeschrieben – und auch zahlreiche kritische Stimmen vernommen.
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.
OECD-Generalsekretär Mathias Cormann hat am Dienstag Vorschläge für eine Nationale Finanzbildungsstrategie an Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger übergeben. Grundlage für das Konzept ist ein von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geleiteter Beteiligungsprozess, in dem unter anderem Banken und Versicherungen, Verbraucherschützer, Verbände, Schuldnerberater, Lehrer- und Schülervertreter sowie die Politik auf Bundes- und Landesebene Empfehlungen einbringen konnten.
Cormann betonte bei der Vorstellung, dass Deutschland beim Thema Finanzbildung im internationalen Vergleich relativ gut dastehe. Dennoch gebe es Defizite bei Erwachsenen mit geringem Einkommen und geringer Bildung, bei jungen Menschen und bei Frauen. Die Finanzbildungsstrategie verfolge daher das Ziel, Wissen zu vermitteln, sodass Menschen Chancen und Risiken von Finanzprodukten besser einschätzen und selbstbestimmte Entscheidungen etwa zur Geldanlage oder Altersvorsorge treffen können. In ihrem Vorschlag nennt die OECD fünf Themenfelder, mit denen sich die Strategie befassen sollte:
In dem 40-seitigen Konzeptpapier werden dafür zahlreiche kleinteilige Maßnahmen genannt. Dazu gehören:
Unklar ist noch, inwieweit diese Maßnahmen auch in Schulen umgesetzt werden sollen. Lindner und Stark-Watzinger erklärten, dass es zahlreiche Maßnahmen gebe, die der Bund in alleiniger Verantwortung umsetzen könne. Die Bundesbildungsministerin fügte allerdings an: “Für mich ist klar: Ökonomische Bildung gehört auch in die Schule.”
Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern scheint aber auch bei diesem Thema ruckelig zu verlaufen. “Die Länder waren über den gesamten Prozess der Strategieerarbeitung eingebunden, jedoch haben sich insbesondere die Kultusministerien trotz wiederholter Einladungen und Ansprachen zurückhaltend gezeigt“, heißt es aus BMBF-Kreisen. Einige Finanzministerien wiederum hätten sich eingebracht. Insgesamt erscheine eine gemeinsame Strategie von Bund und Ländern “im Moment als herausfordernd“.
Verena von Hugo, Vorstandsvorsitzende des Bündnisses Ökonomische Bildung (BÖB), sieht hier ein großes Problem. “Wirtschafts- und Finanzbildung ohne Einbeziehung der Schule geht an den meisten vorbei und insbesondere denen, die es am nötigsten haben”, sagte sie Table.Briefings. Die Strategie könne ihr Potenzial nur entfalten, wenn die Bundesländer mitmachen und sie in den Schulen umsetzen.
Vera Fricke, Leiterin des Teams Verbraucherbildung beim Verbraucherzentrale Bundesverband, sieht in dem vorgestellten Konzept die Unabhängigkeit der Bildungsangebote gefährdet. In dem OECD-Vorschlag werde sie nämlich mit keinem Wort erwähnt. “Das ist ein Einfallstor für kommerzielle Anbieter. Finanzbildung darf nicht Finanzvertrieb werden”, sagte Fricke. Auch bleibe offen, wie die Qualität der finanziellen Bildung künftig gemessen werden solle.
Linder erklärte dazu in der Pressekonferenz, er verspreche sich “viel von der Einbindung privater Akteure”. Es sei allerdings die Aufgabe des Bundes, dafür vorher eine Qualitätssicherung zu etablieren. Diese wolle man im weiteren Verfahren erarbeiten.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rabanus sieht den OECD-Vorschlag und die Initiative des Bundes positiv. “Wir dürfen unsere Augen nicht davor verschließen, dass gerade Menschen mit niedrigerem Einkommen, geringerem Bildungsgrad sowie junge Menschen und Frauen bei dem Thema noch zu wenig erreicht werden”, sagte der Bildungspolitiker Table.Briefings. Seine Partei setze sich dafür ein, “dass finanzielle Bildung nicht zum Privileg weniger wird, sondern alle Menschen in unserem Land die gleichen Chancen haben, wirtschaftlich abgesichert und selbstbestimmt zu leben.”
Kritik kommt hingegen von der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen, Anja Reinalter. “Fakt ist, dass die Finanzbildung ein Projekt der FDP ist, das nicht im Koalitionsvertrag vereinbart ist”, sagte sie Table.Briefings. Wissen über Finanzen sei sicherlich hilfreich, um Entscheidungen über das eigene Geld zu treffen, dürfe aber nicht auf Kosten der Grundbildung gehen. “Wer nicht gut lesen, rechnen und schreiben kann, tut sich auch beim Verstehen von Finanzmärkten schwer”, so die Grünen-Politikerin. Im aktuellen Haushaltsplan werde das Geld für die Grundbildung allerdings fast um die Hälfte gekürzt, um auf der anderen Seite doppelt so viel Geld für finanzielle Bildung auszugeben.
Die Vorschläge der OECD sollen nun die Nationale Finanzbildungsstrategie einfließen, die die Bundesregierung derzeit erarbeitet. Lindner kündigte an, diese noch in diesem Jahr im Bundeskabinett verabschieden zu wollen. Bereits am 15. Oktober richten die beiden Bundesministerien das “Festival für Finanzbildung” aus. Der Fachkongress ist ebenfalls Teil der Bundesinitiative Finanzielle Bildung von BMF und BMBF.
In den bildungspolitischen Debatten in Deutschland ist das Thema längst fest verankert: Daten strategisch zu nutzen ist ein Schlüssel, um den großen Herausforderungen im Bildungssystem zu begegnen. Länder wie Kanada, das derzeit wohl beliebteste Ziel deutscher Bildungsdelegationen, oder Estland machen es vor.
Um die datengestützte Schulentwicklung voranzutreiben, muss sich aber auch die Rolle von Führungskräften im Schulsystem wandeln. Wie genau, hat die renommierte Bildungsforscherin Anne Sliwka in einem jetzt veröffentlichten Policy Paper für die Konrad-Adenauer-Stiftung aufgeschrieben.
“Auch in Deutschland gab es, ausgelöst durch den PISA-Schock vor mehr als 20 Jahren, eine empirische Wende“, erläutert Sliwka im Gespräch mit Table.Briefings. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene gibt es ein breites Bildungsmonitoring. “Aber wir haben es bisher nicht in großem Stil geschafft, mit diesen Daten auch verlässlich und verbindlich zu lernen.” Die aktuelle Veröffentlichung soll ein Baustein sein, um das zu ändern.
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An erster Stelle steht, für alle Ebenen des Schulsystems klare strategische Ziele zu definieren. Laut der Forscherin der Universität Heidelberg habe sich international ein Ziel-Dreiklang bewährt:
Ein digitales Dashboard soll der Dreh- und Angelpunkt in der datengestützten Schulentwicklung sein – mit Echtzeitdaten und übersichtlich präsentierten Leistungsindikatoren. Was auch heißt: Führungskräfte müssen den Weg dahin ebnen, mit einer “durchgehenden Lernhaltung”, wie es in dem Papier heißt.
Was das an Anforderungen für die verschiedenen Ebenen mit sich bringt, führt Sliwka im Detail aus. “Eine zentrale Aufgabe der Schulleitungen ist die Entwicklung einer Kultur der kooperativen Professionalität”, schreibt die Wissenschaftlerin. Diese Professionalität soll eine systematische und regelmäßige Interpretation von Daten durch das Lehrpersonal ermöglichen. “Gutes Führungshandeln bedeutet, dass die Lehrkräfte in Teams arbeiten und auch die Konferenzen oder Fortbildungen, die das Kollegium gemeinsam organisiert und nutzt, Lernprozesse fördern”, führt Sliwka im Gespräch aus.
Darüber hinaus seien Schulleitungen dafür verantwortlich, datenbasiert Ein- und Dreijahresziele für die Schul- und Unterrichtsentwicklung zu setzen – gemeinsam mit ihrem Kollegium und beraten durch die Schulaufsicht. Ein konkretes Beispiel wäre, die Deutschförderung an einer Schule so zu verändern, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler sinkt, die in den Klassen 3 und 4 nicht flüssig lesen können.
Auch der Schulaufsicht weist Sliwka eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer datenbasierten Schul- und Schulsystementwicklung zu. Tatsächlich ist das Augenmerk auf diese Ebene derzeit beachtlich. Das Nationale Bildungsforum Mitte des Monats etwa stand unter dem Motto: “Was für eine Schulaufsicht … braucht die Schule und das Land?” Und mit Beginn des Startchancen-Programms hieß es von Bildungsexperten bereits zu Beginn des Jahres, dass jetzt die Stunde der Schulaufsicht schlage.
Die Erwartungen sind groß. Das ist auch in dem Policy Paper nicht anders. “Die Schulaufsicht stellt sicher, dass Schulen Zugang zu den notwendigen technischen und personellen Ressourcen haben, einschließlich digitaler Werkzeuge, Software zur Datenerhebung und -analyse und Weiterbildungen”, heißt es dort unter anderem.
Und wenn das nicht der Fall ist? “Dann muss die Schulaufsicht genau das an die Landesebene rückmelden, dass Ressourcen fehlen und dass sie eine Umsetzung nicht leisten kann”, sagt Sliwka. Solche Fälle gebe es schon. Das passt zum Modell Sliwkas, in dem die Schulaufsicht die mittlere Steuerungsebene innehat und hier auch tatsächlich steuert.
Womit auch schon die nächste Ebene angesprochen ist. Denn die Qualifizierung von Führungskräften “in data literacy und datengestütztem Entscheidungshandeln” verortet Sliwka bei den Bildungsministerien und Landesinstituten. “Führungskräfte und Lehrkräfte müssen in Datenanalyse und datengestütztem Entscheidungshandeln geschult werden”, betont sie an anderer Stelle. Bei Bildungsministerien und Landesinstituten sieht Sliwka auch die Verantwortlichkeit, dass unter anderem moderne IT-Systeme und Datenbanken zur Verfügung stehen.
Unterlegt sind diese Überlegungen mit einigen Bedingungen, die in den Augen Sliwkas für das Gelingen von datengestützter Schulentwicklung grundlegend sind. Um nur zwei zu nennen: Es gelte eine Kultur zu etablieren, “in der Daten ohne ,Blaming and Shaming’ besprochen werden, um Vertrauen und gemeinsame Verantwortung zu stärken”. Und es gelte, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf allen Ebenen des Schulsystems festzulegen und zu kommunizieren.
“Deutschland sollte sich”, so heißt es im Policy Paper abschließend, “an international besonders erfolgreichen Schulsystemen orientieren und einen Paradigmenwechsel hin zu einer datenbasierten Schul- und Schulsystementwicklung vollziehen”. Und auch das zitiert Sliwka aus ihren Erfahrungen mit dem kanadischen Schulsystem immer wieder gern. “Ein Leitsatz in den Schulen in der Provinz Alberta war: ,Hope is not a strategy.'”
“In einigen Bundesländern werden gerade schon die richtigen Schritte gegangen”, ist Sliwka überzeugt. Der Wandel zu einem lernenden Schulsystem scheint sich anzubahnen. “Jetzt gilt es, diese ganzen Puzzleteile zusammenzufügen. Da sehe ich die einzelnen Bundesländer am Zug.”
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich mit der Ländervereinbarung vom 15.10.2020 und den dazu formulierten “Politischen Vorhaben” unter anderem die Aufgabe gegeben, den Übergang vom Elementar- in den Primarbereich stärker in den Blick zu nehmen. Auch dessen Erfolg will sie wissenschaftlich überprüfen.
Konkret möchte die KMK mit der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) eine Empfehlung erarbeiten, um VOR Eintritt in die Grundschule die sprachlichen und mathematischen Kompetenzen von Kindern einschätzen zu können. Daran soll sich eine gezielte Förderung anschließen. Seitdem sind knapp vier Jahre vergangen. Die angestrebte Empfehlung gibt es nicht.
Lassen Sie uns mit diesem “Befund” noch kurz im Schulbereich verweilen. Hier ist tatsächlich einiges in Bewegung gekommen. Auch, weil die Entwicklung der Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler in den relevanten Bildungsvergleichen der letzten Jahre gerade bei den Basiskompetenzen Ergebnisse gezeigt hat, die so nicht bleiben können.
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Die zentrale Frage im Schulbereich ist, die bisher nicht flächendeckend gelingende Steuerung der Unterrichtsentwicklung künftig wirksam(er) zu organisieren. Es geht im Kern um einen gemeinsamen, schuldatengestützten und beratungsorientierten Rahmen für ein Schulwesen – organisiert aus EINER Perspektive. Das Ziel ist eine adaptive und kohärente Struktur, bei der weniger das “beaufsichtigt werden” im Mittelpunkt steht, als die gemeinsam zu erreichende Entwicklung der Lernergebnisse.
In diese Richtung gehende Anstrengungen einzelner Bundesländer (vor allem in Hamburg), aber auch Erfahrungen in Kanada zeigen, dass solche verbindlichen Strukturen helfen, Lernergebnisse und die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler tatsächlich zu verbessern. Daher ist das von der KMK angestrebte Ineinandergreifen des Elementar- und des Primarbereichs aus meiner Sicht eine Notwendigkeit mit herausragenden Chancen.
Hier schließe ich an den Standpunkt an, den der Fröbel-Geschäftsführer Stefan Spieker im Mai im Bildung.Table veröffentlicht hat (Stefan Spieker: Warum die frühe Sprachförderung in der Kita bleiben muss). Dort verwirft er das oft genutzte Schlüsselwort “Vorläuferkompetenzen”. Für ihn ist es Ausdruck einer vermeintlichen Unterordnung der eigenständigen und ganzheitlichen frühen Bildungsprozesse unter die schulischen Anforderungen. Er fordert demgegenüber, die notwendige (Sprach-)Förderung bei den Kitas zu belassen. Statt der scheinbar allein schulorientierten Lösung sollen die Kitas die Zeit dafür erhalten. Gemeint sind mehr pädagogische Fachkräfte.
Ich vermute, dass – übertragen auf die Diskussion der KMK und JFMK – mit einem Definitionsstreit auf dieser abstrakten Ebene auch künftig nicht wirklich große Fortschritte möglich sind. Das wäre sehr schade. Denn ich bin sicher, dass wir uns diese Pattsituation nicht mehr leisten können.
Aber schauen wir genauer hin. Der inhaltliche Kern der Forderungen, die Stefan Spieker aufmacht, erfordert eine Einschätzung, wo das jeweilige Kind steht. Und er spricht davon, dass ein Monitoring aufgebaut werden könnte. Die Sprachförderung solle zudem aus den bestehenden erfolgreichen Erfahrungen gespeist werden und am Ende sollte die Entwicklung der Zukunfts- und Basiskompetenzen schon in der Kita Grundlage der Arbeit sein.
Wenn wir jetzt also die Ebene der scheinbar unversöhnlichen Begrifflichkeiten hinter uns lassen und auf den Inhalt schauen: Was spräche dann noch dagegen, die notwendigen Einschätzungen zu sprachlichen und mathematischen Kompetenzen gemeinsam als KMK und JFMK zu definieren? Natürlich immer mit Blick darauf, wie man diese Einschätzung altersgerecht herstellen kann. Ob die danach mögliche individuellere Begleitung in der Kita oder mit der Schule erfolgt oder Kita und Schule sie gemeinsam (!) organisieren, wäre nicht so entscheidend. Entscheidend wäre aber deren verbindliche, aus Sicht der Kinder und deren Eltern verlässliche Festlegung. Denn nur dann können die Förderung und die dafür erforderlichen personellen Mittel bereitgestellt werden.
Zudem böte sich – das ist ja das Ziel der KMK – die Chance, den Übergang in den Primarbereich aus Sicht des Kindes bruchfrei(er) zu gestalten. Denn in einem gemeinsamen, verbindlichen System wäre die Regelung naheliegend, die vorhandenen Einschätzungen mit der Grundschule verlässlich geregelt und fachgerecht zu teilen.
Für die Kinder, die am 1. August des Einschulungsjahres kein anderer Mensch sind als am 31. Juli dieses Jahres (und deren Eltern), würde das bedeuten, dass ihr individueller Bildungsweg nahtlos fortgesetzt werden könnte. Das würde zudem die bisher meist gesonderte (pädagogische) Einschulungsuntersuchung/Diagnostik in der Regel überflüssig machen. Ob die uns in Kita und danach in Schulen anvertrauten Kinder (und Eltern) diesen nahtlosen Anschluss gut finden würden? Meine Antwort kennen Sie jetzt.
Thomas Jackl ist seit 2012 Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten des Schulwesens, berufliche Schulen und Lehrkräftegewinnung im Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern. 2011 übernahm er zudem kommissarisch die Funktion des stellvertretenden Staatssekretärs, ab Ende 2015 auf Dauer.
Die Finanzierung des Digitalpakts II und der Ausbau der Betreuungskapazitäten im Ganztag beschäftigen nun auch die Ministerpräsidenten. Die Chefs der Staatskanzleien – und damit quasi die “rechten Hände” der Regierungschefs – verabschiedeten auf ihrer Jahrestagung in der vergangenen Woche zwei Beschlussvorlagen für die vom 23. bis 25. Oktober stattfindende Ministerpräsidentenkonferenz. Sie liegen Table.Briefings vor.
In dem Beschluss zum Digitalpakt (hier zum Download) bekräftigen die Länder die bereits von der Kultusministerkonferenz erhobene Forderung, dass der Bund “mindestens 1,3 Milliarden Euro” bereitstellen und ein “bürokratiearmes Verfahren zur Mittelausreichung für Länder und Schulträger” ermöglichen solle. Außerdem machen sie deutlich, dass bereits bestehende Investitionen für die Digitalisierung von Schulen auf den Länderbeitrag angerechnet werden müssten. Dazu gehörten auch Beiträge der Kommunen, da diese im föderalen Staatsaufbau Teil der Länder seien. Ein konkretes Verhältnis für die Mittelaufteilung zwischen Bund und Ländern wird in dem Beschluss allerdings nicht genannt. Somit wird gewissermaßen auch die Tür für die vom Bund geforderte 50/50-Verteilung geöffnet, die ähnlich wie beim Startchancen-Programm bereits laufende Investitionen der Länder berücksichtigt.
In einem weiteren Beschluss (hier zum Download) fordern die Länder den Bund auf, die Fristen im Ganztagshilfegesetz um zwei Jahre zu verlängern. Durch das Gesetz stellt das Bundesfamilienministerium Mittel zum Ausbau der Betreuungskapazitäten zur Verfügung. Die Länder weisen darauf hin, dass das Gesetz zwar bereits im Oktober 2021 verabschiedet worden, die notwendige Verwaltungsvereinbarung den Ländern jedoch erst im Januar 2023 zugesandt worden sei. Bis zu deren Inkrafttreten verstrichen vier weitere Monate.
“Große Bauprojekte und deren Planung sind zeitaufwendig“, heißt es in der Beschlussvorlage. Verschärft werde das Problem durch den Fachkräftemangel im Bausektor und daraus resultierende Verzögerungen in der Bauphase. Durch die von den Ländern vorgeschlagene Fristverlängerung wäre die Bewilligung der Mittel bis spätestens Ende 2028 möglich. Der Abschluss der geförderten Maßnahmen müsste dann bis Ende 2029 erfolgen. Maximilian Stascheit
Die gemeinnützige Bildungsorganisation Teach First Deutschland bangt in Berlin um die Anschlussfinanzierung ihrer Lernbegleiter an zwölf Schulen in herausfordernder Lage. Konkret teilte die Organisation mit, dass es für 24 “Fellows”, die zum neuen Schuljahr ihre Arbeit an diesen Schulen aufgenommen haben, ab dem 1. Januar 2025 mit der Finanzierung schwierig werde.
Mit den im Doppelhaushalt 2024/25 für Teach First eingestellten Mitteln können in Berlin ab 2025 nur noch die aktuell 19 Lernbegleiter, die im vergangenen Schuljahr ihre zweijährige Arbeit begonnen haben, finanziert werden. Im vergangenen Jahr stellte Bildungsstaatssekretärin Christina Henke (CDU) eine künftige Finanzierung über das Startchancen-Programm in Aussicht. Teach First zufolge ist diese Idee vom Tisch. Die Senatsverwaltung widerspricht: Schulen könnten im Startchancen-Programm mit Teach First zusammenarbeiten. Eine Finanzierung aller Fellows über das Startchancen-Programm ist aktuell aber sowieso nicht realistisch, da nur vier der zwölf Schulen, an denen Fellows arbeiten, Startchancen-Schulen sind.
Stattdessen hat die Bildungsverwaltung Teach First nun den Vorschlag gemacht, die Lernbegleiter als “Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung” (LoVL) einzustellen. “Hier ist es auch an Teach First, geeignete Schulen zu identifizieren und entsprechende Kooperationen einzugehen”, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Nina Middelkamp, Geschäftsführerin von Teach First Deutschland, sagte Table.Briefings, dass das für die meisten Schulen nicht funktionieren werde. “Zum laufende Jahr haben die meisten Schulen diese Mittel schon verplant. Und auch langfristig betrachtet, halten wir die Lösung nicht für praktikabel.” Das Problem gerade gut geführter Schulen sei nicht, dass sie ihre Stellen nicht besetzen können, sondern dass sie zusätzliche Unterstützung brauchen.
In Berlin arbeiten je vier Teach-First-Lernbegleiter an einer Schule. Jeder unterstützt 15 bis 20 Schüler im Unterricht und darüber hinaus. Dabei liegt der Fokus auf Schülerinnen und Schülern, die Schwierigkeiten haben, ihren Schulabschluss zu schaffen. Ihnen helfen die Fellows auch bei der Berufsorientierung, etwa bei der Suche eines Praktikums. “Unsere Fellows sind enge Ansprechpersonen für die Schülerinnen und Schüler”, sagte Middelkamp. “Zu ihnen können diese oft besonderes Vertrauen fassen, auch weil sie keine Noten vergeben.”
Middelkamp zufolge ist die Finanzierung in den restlichen vier Bundesländern, in denen Teach First tätig ist – Baden-Württemberg, Hamburg, NRW und Sachsen – unterschiedlich geregelt und nirgendwo dauerhaft sicher. Allerdings stünde das Programm in keinem der anderen Bundesländer derart auf der Kippe wie in Berlin. Das Programm koste in Berlin rund 2,15 Millionen Euro im Jahr, zuzüglich Kosten für die Organisation und Schulungen. Anna Parrisius
Obwohl es weniger zu betreuende Kinder in Sachsen gibt, soll nicht weniger Geld in die Kinderbetreuung fließen. In einem gemeinsamen Antrag plädieren die drei bisherigen Koalitionspartner CDU, SPD und Grüne für ein sogenanntes Kita-Moratorium, um die “demografischen Rendite” zu sichern. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) fürchtet: Die Kommunen können das finanziell nicht stemmen. Am Donnerstag wird im sächsischen Landtag über den Antrag entschieden.
Geht es nach der noch amtierenden Regierung, soll der Landeszuschuss an die Kommunen im Haushaltsjahr 2025 auf gleichem Niveau bleiben wie 2024. Das soll verhindern, das Kita-Personal entlassen werden muss. Normalerweise berechnet sich der jährliche Landeszuschuss für die Kitas aus einem Pauschalbetrag je aufgenommenen Kind. In der Folge würden weniger Kinder weniger Mittel für die Kommunen als Träger der Kitas bedeuten.
Bert Wendsche, Präsident des SSG und Oberbürgermeister von Radebeul, lehnt den Vorschlag ab. Die Zuschüsse würden “nur zu einem guten Drittel zur Deckung der Betriebskosten beitragen”, sagt er in einer Stellungnahme des SSG. Für zusätzliche sozialpolitische Leistungen sei aktuell finanziell kein Spielraum vorhanden.
Die SPD widerspricht: So wie das Kita-Moratorium angelegt sei, seien die Gemeinden zu keiner Mitfinanzierung verpflichtet. Lediglich beim Personal müssten sie in Vorleistung gehen. “Der Freistaat Sachsen wird in 2025 zusätzliche 14,5 Millionen Euro bereitstellen. So werden die Gemeinden und freien Träger in die Lage versetzt, einen großen Teil des Personals zu halten“, sagt Gerald Eisenblätter zu Table.Briefings. Er ist ab nächster Woche zuständiger Fachsprecher für das Thema und Vorsitzender der Bildung-Arbeitsgemeinschaft der SPD Sachsen.
Auch das BSW, das an einer neuen Regierung in Sachsen beteiligt sein könnte, befürwortet das Kita-Moratorium. Mit dem “Willen der Regierung” sei es umsetzbar, ohne die kommunalen Kassen zu belasten, sagt Doreen Voigt vom BSW zu Table.Briefings.
Die Frage, ob weniger Kinder in Kitas zu mehr Entlassungen oder zu mehr pädagogischer Qualität führen sollen, war auch Thema in der Anhörung im Familienausschuss zum Gute-Kita-Gesetz. “Wollen wir wirklich in der aktuellen Situation tausende Fachkräfte im Osten entlassen und in den Dörfern die Infrastruktur abbauen?”, fragte etwa Niels Espenhorst, Referent für Kindertageseinrichtungen des Paritätischen Gesamtverbands. Er forderte: “Der Bund sollte hier gezielt die Länder unterstützen, die Personalschlüssel anzuheben und die Bildungsinfrastruktur zu bewahren.” Auch andere Verbände und kommunale Vertreter betonten, das Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung sollte verbindliche Standards beinhalten. Vera Kraft
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) will das im vergangenen Jahr gestartete Programm “Mental Health Coaches” vorerst um ein halbes Jahr verlängern. Das kündigte sie am Montag auf einer Pressekonferenz im Rahmen einer Fachtagung zu dem Programm an. In ihrem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr hat sie dafür fünf Millionen Euro eingeplant. Im laufenden Jahr sind es allerdings zehn Millionen. Die Finanzierung wäre den Plänen zufolge daher nur bis zu den Sommerferien 2025 sichergestellt. Der Bundestag könnte das im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen allerdings noch ändern.
Seit September 2023 werden durch die Mittel des Familienministeriums bundesweit rund 80 Mental Health Coaches eingesetzt, die insgesamt an etwa 100 Schulen tätig sind. Die Schulen werden in einem zweistufigen Verfahren zusammen mit den Ländern ausgewählt. Inwiefern es dabei Zusammenhänge mit dem Startchancen-Programm gibt, konnten die Beteiligten bei der Pressekonferenz nicht sagen. Es werden jedoch alle Schulformen ab der Sekundarstufe I berücksichtigt.
Die Coaches beraten die Schülerinnen und Schüler nicht individuell, sondern führen vor allem präventiv angelegte Schulungen im Klassenverband durch. “Viele setzen sich mit zweifelhaften Social-Media-Angeboten mit ihrer psychischen Gesundheit auseinander”, erklärte Uwe Grallath von der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA). Die Coaches vermittelten den Schülerinnen und Schülern Wissen zum Thema seelische Gesundheit und sollen ihnen helfen, “sich selbst bewusst wahrzunehmen und zu stärken”.
Wissenschaftlich begleitet wurde das Pilotprojekt von einem Forschungsteam der Universität Leipzig. “Die vorläufigen Evaluationsergebnisse legen nahe, dass das Modellvorhaben im letzten Schuljahr erfolgreich an den beteiligten Schulen gestartet ist”, berichtete dessen Leiter Julian Schmitz. Ein Großteil der von seinem Forschungsteam befragten Akteure wünsche sich daher eine Fortsetzung und Ausweitung des Modellprojekts. Allerdings kritisierte er, dass bei allen Beteiligten aufgrund des kurzen Projektzeitraums eine hohe Planungsunsicherheit bestehe.
Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, hält den Ansatz des Programms grundsätzlich für richtig. “Wirkungsvolle und flächendeckende Präventionsmaßnahmen, die die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken, sind immens wichtig”, sagte sie Table.Briefings. Die vorgesehenen fünf Millionen Euro für 100 Schulen sei aus ihrer Sicht allerdings “eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein” und “angesichts der massiv anhaltenden psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen weder wirkungsvoll noch nachhaltig”. Maximilian Stascheit
Mehr zur mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen erfahren Sie im kürzlich erschienenen Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung oder im Bericht zu den Lebenslagen junger Menschen in Thüringen.
Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 konnten Betriebe in Handwerksberufen mindestens 113.000 Stellen nicht besetzen. Das ist das Ergebnis einer Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Das IW rechnet dafür die Zahl der offenen Stellen hoch, die bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet sind – da nicht alle Betriebe ihre Vakanzen melden – und stellt sie der Zahl der Arbeitslosen gegenüber.
Um auf die Fachkräftelücke zu kommen, bezieht das Institut zudem ein, dass etwa ein Friseur nicht als Bäcker arbeiten kann. Nicht berücksichtigen können die Forscher allerdings den Umstand, dass ein Arbeitsloser nicht überall in Deutschland und auch nicht in jedem Betrieb eine Stelle annehmen wird. “Die Lücke von rund 113.000 unbesetzbaren Stellen ist daher für uns ein Mindestwert“, sagte Lydia Malin, Senior Researcher für berufliche Qualifizierung und Fachkräftesicherung am IW, zu Table.Briefings.
Am größten fällt die Fachkräftelücke in der Bauelektrik aus (18.300), gefolgt von der Kraftfahrzeugtechnik (16.300) und der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (12.200). Zwar steigt die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in diesen Engpassberufen bereits, allerdings zu langsam, um den Bedarf zu decken. “Das Interesse der Jugendlichen an diesen Berufen hat wahrscheinlich zugenommen, weil sie gute Beschäftigungschancen sehen”, sagte Malin. “Außerdem hat sich das Image dieser Berufe verbessert – aufgrund ihrer Bedeutung für die Klimawende, aber eventuell auch durch die Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks seit 2012.”
Allerdings sieht Malin für viele Betriebe noch Handlungsbedarf. “Im Handwerk müssen so viele Betriebe wie möglich ausbilden, da die Ausbildung dort der zentrale Zugang ist und etwa eine Voraussetzung für den Meister, der oft erst befähigt, einen Betrieb zu übernehmen und selbst auszubilden.” Hilfreich seien etwa extra Programme für Studienabbrecher, das Angebot für Ferienjobs für Schüler und Kooperationen mit Schulen und auch schon Kitas. “Handwerksbetriebe könnten sich hier noch mehr engagieren und sollten bereits Kinder ansprechen, damit diese sich ein realistisches Bild vom Handwerk machen können.”
Daneben hält Malin für zentral, die Berufsorientierung in den Gymnasien zu verbessern. “An Gesamtschulen erfahren auch Abiturienten von Ausbildungsberufen, aber an Gymnasien umfasst die Berufsorientierung oft nur akademische Berufe.” Das sei besonders deshalb ein Problem, weil fast ein Drittel der Studienanfänger heute abbricht. “Ein Großteil sagt, ihnen fehlt der Praxisbezug, eine Ausbildung wäre für sie also ideal.” Anna Parrisius
Diese Zahlen geben zu denken: 28 Prozent der Bachelor-Studierenden in Deutschland beenden ihr Studium ohne Abschluss, hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung 2022 ermittelt. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass 11 Prozent der Erststudierenden des Jahres 2019 bereits während der ersten drei Semester ihr Studium abgebrochen haben.
Immerhin jedoch haben die Hochschulen auf die bedenklichen Zahlen inzwischen reagiert. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh, die den Einsatz von Self-Assessment-Tools sowie die Verbreitung von Unterstützungsmaßnahmen zum Studienstart für die Jahre 2021 und 2024 verglichen hat.
Neben der guten Begleitung für einen erfolgreichen Start ins Studium sei es allerdings auch wichtig, flexible Schnittstellen, Übergänge und eine wechselseitige Anerkennung zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu ermöglichen, sagt CHE-Experte Cort-Denis Hachmeister.
“Der Wechsel von einem Studium in eine passende Ausbildung, sollte als normaler Teil des Bildungswegs und nicht als persönliches Scheitern wahrgenommen werden.” Hierfür brauche es aber in Deutschland noch besser verzahnte Angebote nachschulischer Bildung. abg
Ekin Deligöz, Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, wird bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten. Nach 27 Jahren in der Politik will sich die 53-jährige Grünen-Politikerin beruflich neu orientieren. Seit 2021 unterstützte Deligöz Ministerin Lisa Paus dabei, die sozial- und familienpolitischen Ziele der Bundesregierung umzusetzen. Insbesondere ihr Engagement für Kinderrechte und eine bessere frühkindliche Bildung brachten ihr viel Anerkennung ein.
Zudem setzte sich Deligöz, die selbst in der Türkei geboren wurde, stark für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ein, sowie für ein friedliches Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft. Eine erneute Regierungsbeteiligung der Grünen hält sie für möglich. Falls gewünscht, würde sie ihrer Partei “in möglichen Koalitionsverhandlungen natürlich noch zuarbeiten”, wie sie in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen sagte. vkr
Meron Mendel, deutsch-israelischer Historiker und Pädagoge, und seine Frau Saba-Nur Cheema, Politologin und Publizistin, bekommen am 1. Oktober von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Cheema und Mendel “setzen sich seit Langem aktiv gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit ein – und dies sowohl beruflich wie auch ehrenamtlich”, wie es im Bericht zur Ordensverleihung heißt.
Seit 2010 leitet Mendel die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main – eine Institution, die sowohl über das Leben von Anne Frank informiert als auch mit “innovativen Projekten” Rassismus und Diskriminierung bekämpft. Das Ehepaar ist bekannt für seine offene Diskussionskultur und sein Engagement für den interreligiösen Dialog, den sie unter anderem in der FAZ-Kolumne “Muslimisch-jüdisches Abendbrot” öffentlich führen. vkr
Jutta Allmendinger, ehemalige Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), und Alena Buyx, ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, sollen Mitglieder des Wissenschaftsrats werden. Einen entsprechenden Beschluss haben die Chefs der Staatskanzleien in der vergangenen Woche gefasst. Demnach sollen die beiden Wissenschaftlerinnen als gemeinsamer Vorschlag von Bund und Ländern für die Amtsdauer vom 1. Februar 2025 bis 31. Januar 2028 in das Beratungsgremium berufen werden. max
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ESG.Table: Bei der Inklusion sind “die Hürden immer noch sehr hoch”. Der Sozialunternehmer Andreas Heinecke hat neue Ansätze für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt getestet. Im Interview erklärt er, warum viele Firmen ihre Pflichten bislang nicht erfüllen. Mehr lesen.
Research.Table: Wie sich beim Hochschulbau New Work und Flächensuffizienz verbinden lassen. Die Arbeitsbedingungen in Wirtschaftsunternehmen verändern sich seit geraumer Zeit. New Work hat aber längst auch die Hochschulen erreicht. Tradierte Raumstrukturen müssen sich ändern, Flächen sparsamer genutzt werden, mahnt Inka Wertz vom HIS-Institut für Hochschulentwicklung. Was das bedeutet.
Agrifood.Table: Foodwatch warnt vor rechtsfreiem Raum bei Werbung auf Social Media. In den sozialen Medien offenbart sich ein rechtsfreier Raum für unzulässige Werbebotschaften, kritisiert Foodwatch. Erneut klagt die NGO gegen einen Lebensmittelhersteller. Die zuständigen Behörden sind offenbar überfordert. Mehr lesen.
FAZ: Wie gelingt Ganztagsbetreuung? Für den geplante Ganztagsanspruch braucht es neue Unterrichtskonzepte. Hier kann es sinnvoll sein, die Trennung zwischen Nachmittagsbetreuung und Schulunterricht weniger streng zu gestalten. Stattdessen sollte es auch am Vormittag längere Entspannungsphasen geben. Insbesondere wird es für die Schüler wichtig sein, sich in ihrer Ganztagsbetreuung wohlzufühlen. (Was bringt Ganztagsbetreuung in der Grundschule?)
Tagesschau: Macht Singapurs Bildungssystem seine Kinder krank? In Singapur sind alle Kitas zweisprachig. Zudem lernen die Kinder in der Kita schon Lesen und Schreiben. Das Ganztagsangebot wurde massiv ausgebaut – von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends können die Kinder betreut werden. 70 Prozent der Schüler erhalten zusätzlich Nachhilfe. Doch der PISA-Spitzenplatz Singapurs hat wohl einen Preis: Viele Kinder und Jugendliche leiden unter Depressionen und Angststörungen. (Die Kita für die Topmanager von morgen)
Zeit: Schaden zu gute Noten der Chancengleichheit? Sozialwissenschaftler Tim Engartner sieht in der steigenden Zahl von Einser-Abituren und sehr guten Uniabschlüssen eine Entwertung der Noten. Durch die sanftere Bewertung seien junge Menschen nicht gut genug auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Engartner befürchtet zudem, dass die indifferenten Bewertungen sozialen Status umso wichtiger werden lassen, da sich Bewerber über diesen beim Arbeitgeber zusätzlich profilieren können. (Stoppt die Inflation der guten Noten!)
Stern: In NRW werden immer mehr Kinder später eingeschult. Die Zahl hat deutlich zugenommen, um 77 Prozent seit dem Schuljahr 2019/20. Das teilte die “Rheinische Post” auf Grundlage von Daten aus dem Schulministerium mit. 2023/24 gab es 5.695 Zurückstellungen. Über sie entscheiden die Grundschulleitungen auf Basis der Schuleingangsuntersuchungen. Zur steigenden Zahl könnte beitragen, dass Eltern seit einigen Jahren fachärztliche und therapeutische Gutachten einbringen können. Axel Gerschlauer, Landessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in NRW, vermutet Defizite infolge der Pandemie hinter dem Trend. (“RP”: Immer mehr Kinder werden später eingeschult)
LinkedIn: Kai Gehring kritisiert das BMBF scharf. Als Replik auf die Ankündigung von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, dass nun ein “Herbst der Entscheidungen” anstehe, fordert der Vorsitzende des Bildungsausschusses die FPD auf, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu einer “beherzten Sacharbeit für unser Bildungs- und Forschungssystem” zurückzubewegen. Bildung und Forschung seien die Quellen künftigen Wohlstands, Stark-Watzinger müsse jetzt für Durchbrüche unter anderem beim Digitalpakt II sorgen. (LinkedIn-Post von Kai Gehring)
02. Oktober 2024, Berlin
Tagung 3rd German-African Forum on Vocational Training & Education “Boosting future skills and partnerships for sustainable growth”
Bei dieser gemeinsamen Veranstaltung des Afrika-Vereins und iMove wird auch der BMBF-Staatssekretär Roland Philippi einen Vortrag halten. Ein Thema der Veranstaltung ist unter anderem wie deutsch-afrikanische Kooperationen in der Bildung eine Lösung für den deutschen Fachkräftemangel sein können. INFOS & ANMELDUNG
08. Oktober 2024, Essen
Messe BILDUNG.DIG!TAL
Auf dieser Messe stellen sich verschiedene Anbieter und Experten aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung und dem digitalen Lernen vor. In Workshops und Vorträgen gibt es die Möglichkeit, sich über die neuesten Trend und Entwicklungen im Bereich der digitalen Bildung zu informieren. INFOS & ANMELDUNG
09. bis 10. Oktober 2024, Berlin
Kongress #excitingedu 2024
In Workshops, Vorträgen und an mehreren Messeständen können verschiedenste Akteure auf dieser Veranstaltung sich darüber austauschen, wie die digitale Schule der Zukunft aussehen könnte. INFOS & ANMELDUNG
10. bis 11. Oktober 2024, Potsdam
Tagung Vierte Potsdamer Konferenz zur Pädagogik – Klarheit: Struktur einer hochwertigen Bildung
Die Stiftung Hoffbauer widmet sich auf dieser Veranstaltung dem vierten Nachhaltigkeitsziel der UN: hochwertige Bildung. Wie diese gelingen kann, ist das Thema verschiedener Diskussionsrunden. INFOS & ANMELDUNG
“Hope is not a strategy.” Bildungsforscherin Anne Sliwka weist gern auf dieses Zitat hin. Es ist einer der Leitsätze für die datengestützte Schulentwicklung in der kanadischen Provinz Alberta. In der Bildungsszene gibt es längst große Einigkeit darüber, dass Kanada für Deutschland beispielgebend sein kann. Aber was muss konkret geschehen, damit Deutschland den Wandel “von verwaltungsorientierten zu agil lernenden Schulsystemen” schafft? Genau das hat Sliwka in einem aktuellen Policy Paper aufgeschrieben.
Auch Thomas Jackl, stellvertretender Staatssekretär im Bildungsministerium von Mecklenburg-Vorpommern, verweist in seinem Standpunkt auf das Beispiel Kanada. “Verbindliche Strukturen helfen, Lernergebnisse und die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler tatsächlich zu verbessern”, schreibt er. Und geht noch einen Schritt weiter: Frühkindlicher und schulischer Bereich müssen endlich enger ineinandergreifen, fordert er in seinem Plädoyer. Auch hier gilt: “Hope is not a strategy.”
Einer Finanzbildungsstrategie nähern sich derweil die FDP-geführten Ministerien von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Am Dienstag konkretisierten sie ihre Pläne. Mein Kollege Maximilian Stascheit hat sie aufgeschrieben – und auch zahlreiche kritische Stimmen vernommen.
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.
OECD-Generalsekretär Mathias Cormann hat am Dienstag Vorschläge für eine Nationale Finanzbildungsstrategie an Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger übergeben. Grundlage für das Konzept ist ein von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geleiteter Beteiligungsprozess, in dem unter anderem Banken und Versicherungen, Verbraucherschützer, Verbände, Schuldnerberater, Lehrer- und Schülervertreter sowie die Politik auf Bundes- und Landesebene Empfehlungen einbringen konnten.
Cormann betonte bei der Vorstellung, dass Deutschland beim Thema Finanzbildung im internationalen Vergleich relativ gut dastehe. Dennoch gebe es Defizite bei Erwachsenen mit geringem Einkommen und geringer Bildung, bei jungen Menschen und bei Frauen. Die Finanzbildungsstrategie verfolge daher das Ziel, Wissen zu vermitteln, sodass Menschen Chancen und Risiken von Finanzprodukten besser einschätzen und selbstbestimmte Entscheidungen etwa zur Geldanlage oder Altersvorsorge treffen können. In ihrem Vorschlag nennt die OECD fünf Themenfelder, mit denen sich die Strategie befassen sollte:
In dem 40-seitigen Konzeptpapier werden dafür zahlreiche kleinteilige Maßnahmen genannt. Dazu gehören:
Unklar ist noch, inwieweit diese Maßnahmen auch in Schulen umgesetzt werden sollen. Lindner und Stark-Watzinger erklärten, dass es zahlreiche Maßnahmen gebe, die der Bund in alleiniger Verantwortung umsetzen könne. Die Bundesbildungsministerin fügte allerdings an: “Für mich ist klar: Ökonomische Bildung gehört auch in die Schule.”
Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern scheint aber auch bei diesem Thema ruckelig zu verlaufen. “Die Länder waren über den gesamten Prozess der Strategieerarbeitung eingebunden, jedoch haben sich insbesondere die Kultusministerien trotz wiederholter Einladungen und Ansprachen zurückhaltend gezeigt“, heißt es aus BMBF-Kreisen. Einige Finanzministerien wiederum hätten sich eingebracht. Insgesamt erscheine eine gemeinsame Strategie von Bund und Ländern “im Moment als herausfordernd“.
Verena von Hugo, Vorstandsvorsitzende des Bündnisses Ökonomische Bildung (BÖB), sieht hier ein großes Problem. “Wirtschafts- und Finanzbildung ohne Einbeziehung der Schule geht an den meisten vorbei und insbesondere denen, die es am nötigsten haben”, sagte sie Table.Briefings. Die Strategie könne ihr Potenzial nur entfalten, wenn die Bundesländer mitmachen und sie in den Schulen umsetzen.
Vera Fricke, Leiterin des Teams Verbraucherbildung beim Verbraucherzentrale Bundesverband, sieht in dem vorgestellten Konzept die Unabhängigkeit der Bildungsangebote gefährdet. In dem OECD-Vorschlag werde sie nämlich mit keinem Wort erwähnt. “Das ist ein Einfallstor für kommerzielle Anbieter. Finanzbildung darf nicht Finanzvertrieb werden”, sagte Fricke. Auch bleibe offen, wie die Qualität der finanziellen Bildung künftig gemessen werden solle.
Linder erklärte dazu in der Pressekonferenz, er verspreche sich “viel von der Einbindung privater Akteure”. Es sei allerdings die Aufgabe des Bundes, dafür vorher eine Qualitätssicherung zu etablieren. Diese wolle man im weiteren Verfahren erarbeiten.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rabanus sieht den OECD-Vorschlag und die Initiative des Bundes positiv. “Wir dürfen unsere Augen nicht davor verschließen, dass gerade Menschen mit niedrigerem Einkommen, geringerem Bildungsgrad sowie junge Menschen und Frauen bei dem Thema noch zu wenig erreicht werden”, sagte der Bildungspolitiker Table.Briefings. Seine Partei setze sich dafür ein, “dass finanzielle Bildung nicht zum Privileg weniger wird, sondern alle Menschen in unserem Land die gleichen Chancen haben, wirtschaftlich abgesichert und selbstbestimmt zu leben.”
Kritik kommt hingegen von der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen, Anja Reinalter. “Fakt ist, dass die Finanzbildung ein Projekt der FDP ist, das nicht im Koalitionsvertrag vereinbart ist”, sagte sie Table.Briefings. Wissen über Finanzen sei sicherlich hilfreich, um Entscheidungen über das eigene Geld zu treffen, dürfe aber nicht auf Kosten der Grundbildung gehen. “Wer nicht gut lesen, rechnen und schreiben kann, tut sich auch beim Verstehen von Finanzmärkten schwer”, so die Grünen-Politikerin. Im aktuellen Haushaltsplan werde das Geld für die Grundbildung allerdings fast um die Hälfte gekürzt, um auf der anderen Seite doppelt so viel Geld für finanzielle Bildung auszugeben.
Die Vorschläge der OECD sollen nun die Nationale Finanzbildungsstrategie einfließen, die die Bundesregierung derzeit erarbeitet. Lindner kündigte an, diese noch in diesem Jahr im Bundeskabinett verabschieden zu wollen. Bereits am 15. Oktober richten die beiden Bundesministerien das “Festival für Finanzbildung” aus. Der Fachkongress ist ebenfalls Teil der Bundesinitiative Finanzielle Bildung von BMF und BMBF.
In den bildungspolitischen Debatten in Deutschland ist das Thema längst fest verankert: Daten strategisch zu nutzen ist ein Schlüssel, um den großen Herausforderungen im Bildungssystem zu begegnen. Länder wie Kanada, das derzeit wohl beliebteste Ziel deutscher Bildungsdelegationen, oder Estland machen es vor.
Um die datengestützte Schulentwicklung voranzutreiben, muss sich aber auch die Rolle von Führungskräften im Schulsystem wandeln. Wie genau, hat die renommierte Bildungsforscherin Anne Sliwka in einem jetzt veröffentlichten Policy Paper für die Konrad-Adenauer-Stiftung aufgeschrieben.
“Auch in Deutschland gab es, ausgelöst durch den PISA-Schock vor mehr als 20 Jahren, eine empirische Wende“, erläutert Sliwka im Gespräch mit Table.Briefings. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene gibt es ein breites Bildungsmonitoring. “Aber wir haben es bisher nicht in großem Stil geschafft, mit diesen Daten auch verlässlich und verbindlich zu lernen.” Die aktuelle Veröffentlichung soll ein Baustein sein, um das zu ändern.
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An erster Stelle steht, für alle Ebenen des Schulsystems klare strategische Ziele zu definieren. Laut der Forscherin der Universität Heidelberg habe sich international ein Ziel-Dreiklang bewährt:
Ein digitales Dashboard soll der Dreh- und Angelpunkt in der datengestützten Schulentwicklung sein – mit Echtzeitdaten und übersichtlich präsentierten Leistungsindikatoren. Was auch heißt: Führungskräfte müssen den Weg dahin ebnen, mit einer “durchgehenden Lernhaltung”, wie es in dem Papier heißt.
Was das an Anforderungen für die verschiedenen Ebenen mit sich bringt, führt Sliwka im Detail aus. “Eine zentrale Aufgabe der Schulleitungen ist die Entwicklung einer Kultur der kooperativen Professionalität”, schreibt die Wissenschaftlerin. Diese Professionalität soll eine systematische und regelmäßige Interpretation von Daten durch das Lehrpersonal ermöglichen. “Gutes Führungshandeln bedeutet, dass die Lehrkräfte in Teams arbeiten und auch die Konferenzen oder Fortbildungen, die das Kollegium gemeinsam organisiert und nutzt, Lernprozesse fördern”, führt Sliwka im Gespräch aus.
Darüber hinaus seien Schulleitungen dafür verantwortlich, datenbasiert Ein- und Dreijahresziele für die Schul- und Unterrichtsentwicklung zu setzen – gemeinsam mit ihrem Kollegium und beraten durch die Schulaufsicht. Ein konkretes Beispiel wäre, die Deutschförderung an einer Schule so zu verändern, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler sinkt, die in den Klassen 3 und 4 nicht flüssig lesen können.
Auch der Schulaufsicht weist Sliwka eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer datenbasierten Schul- und Schulsystementwicklung zu. Tatsächlich ist das Augenmerk auf diese Ebene derzeit beachtlich. Das Nationale Bildungsforum Mitte des Monats etwa stand unter dem Motto: “Was für eine Schulaufsicht … braucht die Schule und das Land?” Und mit Beginn des Startchancen-Programms hieß es von Bildungsexperten bereits zu Beginn des Jahres, dass jetzt die Stunde der Schulaufsicht schlage.
Die Erwartungen sind groß. Das ist auch in dem Policy Paper nicht anders. “Die Schulaufsicht stellt sicher, dass Schulen Zugang zu den notwendigen technischen und personellen Ressourcen haben, einschließlich digitaler Werkzeuge, Software zur Datenerhebung und -analyse und Weiterbildungen”, heißt es dort unter anderem.
Und wenn das nicht der Fall ist? “Dann muss die Schulaufsicht genau das an die Landesebene rückmelden, dass Ressourcen fehlen und dass sie eine Umsetzung nicht leisten kann”, sagt Sliwka. Solche Fälle gebe es schon. Das passt zum Modell Sliwkas, in dem die Schulaufsicht die mittlere Steuerungsebene innehat und hier auch tatsächlich steuert.
Womit auch schon die nächste Ebene angesprochen ist. Denn die Qualifizierung von Führungskräften “in data literacy und datengestütztem Entscheidungshandeln” verortet Sliwka bei den Bildungsministerien und Landesinstituten. “Führungskräfte und Lehrkräfte müssen in Datenanalyse und datengestütztem Entscheidungshandeln geschult werden”, betont sie an anderer Stelle. Bei Bildungsministerien und Landesinstituten sieht Sliwka auch die Verantwortlichkeit, dass unter anderem moderne IT-Systeme und Datenbanken zur Verfügung stehen.
Unterlegt sind diese Überlegungen mit einigen Bedingungen, die in den Augen Sliwkas für das Gelingen von datengestützter Schulentwicklung grundlegend sind. Um nur zwei zu nennen: Es gelte eine Kultur zu etablieren, “in der Daten ohne ,Blaming and Shaming’ besprochen werden, um Vertrauen und gemeinsame Verantwortung zu stärken”. Und es gelte, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf allen Ebenen des Schulsystems festzulegen und zu kommunizieren.
“Deutschland sollte sich”, so heißt es im Policy Paper abschließend, “an international besonders erfolgreichen Schulsystemen orientieren und einen Paradigmenwechsel hin zu einer datenbasierten Schul- und Schulsystementwicklung vollziehen”. Und auch das zitiert Sliwka aus ihren Erfahrungen mit dem kanadischen Schulsystem immer wieder gern. “Ein Leitsatz in den Schulen in der Provinz Alberta war: ,Hope is not a strategy.'”
“In einigen Bundesländern werden gerade schon die richtigen Schritte gegangen”, ist Sliwka überzeugt. Der Wandel zu einem lernenden Schulsystem scheint sich anzubahnen. “Jetzt gilt es, diese ganzen Puzzleteile zusammenzufügen. Da sehe ich die einzelnen Bundesländer am Zug.”
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich mit der Ländervereinbarung vom 15.10.2020 und den dazu formulierten “Politischen Vorhaben” unter anderem die Aufgabe gegeben, den Übergang vom Elementar- in den Primarbereich stärker in den Blick zu nehmen. Auch dessen Erfolg will sie wissenschaftlich überprüfen.
Konkret möchte die KMK mit der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) eine Empfehlung erarbeiten, um VOR Eintritt in die Grundschule die sprachlichen und mathematischen Kompetenzen von Kindern einschätzen zu können. Daran soll sich eine gezielte Förderung anschließen. Seitdem sind knapp vier Jahre vergangen. Die angestrebte Empfehlung gibt es nicht.
Lassen Sie uns mit diesem “Befund” noch kurz im Schulbereich verweilen. Hier ist tatsächlich einiges in Bewegung gekommen. Auch, weil die Entwicklung der Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler in den relevanten Bildungsvergleichen der letzten Jahre gerade bei den Basiskompetenzen Ergebnisse gezeigt hat, die so nicht bleiben können.
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Die zentrale Frage im Schulbereich ist, die bisher nicht flächendeckend gelingende Steuerung der Unterrichtsentwicklung künftig wirksam(er) zu organisieren. Es geht im Kern um einen gemeinsamen, schuldatengestützten und beratungsorientierten Rahmen für ein Schulwesen – organisiert aus EINER Perspektive. Das Ziel ist eine adaptive und kohärente Struktur, bei der weniger das “beaufsichtigt werden” im Mittelpunkt steht, als die gemeinsam zu erreichende Entwicklung der Lernergebnisse.
In diese Richtung gehende Anstrengungen einzelner Bundesländer (vor allem in Hamburg), aber auch Erfahrungen in Kanada zeigen, dass solche verbindlichen Strukturen helfen, Lernergebnisse und die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler tatsächlich zu verbessern. Daher ist das von der KMK angestrebte Ineinandergreifen des Elementar- und des Primarbereichs aus meiner Sicht eine Notwendigkeit mit herausragenden Chancen.
Hier schließe ich an den Standpunkt an, den der Fröbel-Geschäftsführer Stefan Spieker im Mai im Bildung.Table veröffentlicht hat (Stefan Spieker: Warum die frühe Sprachförderung in der Kita bleiben muss). Dort verwirft er das oft genutzte Schlüsselwort “Vorläuferkompetenzen”. Für ihn ist es Ausdruck einer vermeintlichen Unterordnung der eigenständigen und ganzheitlichen frühen Bildungsprozesse unter die schulischen Anforderungen. Er fordert demgegenüber, die notwendige (Sprach-)Förderung bei den Kitas zu belassen. Statt der scheinbar allein schulorientierten Lösung sollen die Kitas die Zeit dafür erhalten. Gemeint sind mehr pädagogische Fachkräfte.
Ich vermute, dass – übertragen auf die Diskussion der KMK und JFMK – mit einem Definitionsstreit auf dieser abstrakten Ebene auch künftig nicht wirklich große Fortschritte möglich sind. Das wäre sehr schade. Denn ich bin sicher, dass wir uns diese Pattsituation nicht mehr leisten können.
Aber schauen wir genauer hin. Der inhaltliche Kern der Forderungen, die Stefan Spieker aufmacht, erfordert eine Einschätzung, wo das jeweilige Kind steht. Und er spricht davon, dass ein Monitoring aufgebaut werden könnte. Die Sprachförderung solle zudem aus den bestehenden erfolgreichen Erfahrungen gespeist werden und am Ende sollte die Entwicklung der Zukunfts- und Basiskompetenzen schon in der Kita Grundlage der Arbeit sein.
Wenn wir jetzt also die Ebene der scheinbar unversöhnlichen Begrifflichkeiten hinter uns lassen und auf den Inhalt schauen: Was spräche dann noch dagegen, die notwendigen Einschätzungen zu sprachlichen und mathematischen Kompetenzen gemeinsam als KMK und JFMK zu definieren? Natürlich immer mit Blick darauf, wie man diese Einschätzung altersgerecht herstellen kann. Ob die danach mögliche individuellere Begleitung in der Kita oder mit der Schule erfolgt oder Kita und Schule sie gemeinsam (!) organisieren, wäre nicht so entscheidend. Entscheidend wäre aber deren verbindliche, aus Sicht der Kinder und deren Eltern verlässliche Festlegung. Denn nur dann können die Förderung und die dafür erforderlichen personellen Mittel bereitgestellt werden.
Zudem böte sich – das ist ja das Ziel der KMK – die Chance, den Übergang in den Primarbereich aus Sicht des Kindes bruchfrei(er) zu gestalten. Denn in einem gemeinsamen, verbindlichen System wäre die Regelung naheliegend, die vorhandenen Einschätzungen mit der Grundschule verlässlich geregelt und fachgerecht zu teilen.
Für die Kinder, die am 1. August des Einschulungsjahres kein anderer Mensch sind als am 31. Juli dieses Jahres (und deren Eltern), würde das bedeuten, dass ihr individueller Bildungsweg nahtlos fortgesetzt werden könnte. Das würde zudem die bisher meist gesonderte (pädagogische) Einschulungsuntersuchung/Diagnostik in der Regel überflüssig machen. Ob die uns in Kita und danach in Schulen anvertrauten Kinder (und Eltern) diesen nahtlosen Anschluss gut finden würden? Meine Antwort kennen Sie jetzt.
Thomas Jackl ist seit 2012 Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten des Schulwesens, berufliche Schulen und Lehrkräftegewinnung im Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern. 2011 übernahm er zudem kommissarisch die Funktion des stellvertretenden Staatssekretärs, ab Ende 2015 auf Dauer.
Die Finanzierung des Digitalpakts II und der Ausbau der Betreuungskapazitäten im Ganztag beschäftigen nun auch die Ministerpräsidenten. Die Chefs der Staatskanzleien – und damit quasi die “rechten Hände” der Regierungschefs – verabschiedeten auf ihrer Jahrestagung in der vergangenen Woche zwei Beschlussvorlagen für die vom 23. bis 25. Oktober stattfindende Ministerpräsidentenkonferenz. Sie liegen Table.Briefings vor.
In dem Beschluss zum Digitalpakt (hier zum Download) bekräftigen die Länder die bereits von der Kultusministerkonferenz erhobene Forderung, dass der Bund “mindestens 1,3 Milliarden Euro” bereitstellen und ein “bürokratiearmes Verfahren zur Mittelausreichung für Länder und Schulträger” ermöglichen solle. Außerdem machen sie deutlich, dass bereits bestehende Investitionen für die Digitalisierung von Schulen auf den Länderbeitrag angerechnet werden müssten. Dazu gehörten auch Beiträge der Kommunen, da diese im föderalen Staatsaufbau Teil der Länder seien. Ein konkretes Verhältnis für die Mittelaufteilung zwischen Bund und Ländern wird in dem Beschluss allerdings nicht genannt. Somit wird gewissermaßen auch die Tür für die vom Bund geforderte 50/50-Verteilung geöffnet, die ähnlich wie beim Startchancen-Programm bereits laufende Investitionen der Länder berücksichtigt.
In einem weiteren Beschluss (hier zum Download) fordern die Länder den Bund auf, die Fristen im Ganztagshilfegesetz um zwei Jahre zu verlängern. Durch das Gesetz stellt das Bundesfamilienministerium Mittel zum Ausbau der Betreuungskapazitäten zur Verfügung. Die Länder weisen darauf hin, dass das Gesetz zwar bereits im Oktober 2021 verabschiedet worden, die notwendige Verwaltungsvereinbarung den Ländern jedoch erst im Januar 2023 zugesandt worden sei. Bis zu deren Inkrafttreten verstrichen vier weitere Monate.
“Große Bauprojekte und deren Planung sind zeitaufwendig“, heißt es in der Beschlussvorlage. Verschärft werde das Problem durch den Fachkräftemangel im Bausektor und daraus resultierende Verzögerungen in der Bauphase. Durch die von den Ländern vorgeschlagene Fristverlängerung wäre die Bewilligung der Mittel bis spätestens Ende 2028 möglich. Der Abschluss der geförderten Maßnahmen müsste dann bis Ende 2029 erfolgen. Maximilian Stascheit
Die gemeinnützige Bildungsorganisation Teach First Deutschland bangt in Berlin um die Anschlussfinanzierung ihrer Lernbegleiter an zwölf Schulen in herausfordernder Lage. Konkret teilte die Organisation mit, dass es für 24 “Fellows”, die zum neuen Schuljahr ihre Arbeit an diesen Schulen aufgenommen haben, ab dem 1. Januar 2025 mit der Finanzierung schwierig werde.
Mit den im Doppelhaushalt 2024/25 für Teach First eingestellten Mitteln können in Berlin ab 2025 nur noch die aktuell 19 Lernbegleiter, die im vergangenen Schuljahr ihre zweijährige Arbeit begonnen haben, finanziert werden. Im vergangenen Jahr stellte Bildungsstaatssekretärin Christina Henke (CDU) eine künftige Finanzierung über das Startchancen-Programm in Aussicht. Teach First zufolge ist diese Idee vom Tisch. Die Senatsverwaltung widerspricht: Schulen könnten im Startchancen-Programm mit Teach First zusammenarbeiten. Eine Finanzierung aller Fellows über das Startchancen-Programm ist aktuell aber sowieso nicht realistisch, da nur vier der zwölf Schulen, an denen Fellows arbeiten, Startchancen-Schulen sind.
Stattdessen hat die Bildungsverwaltung Teach First nun den Vorschlag gemacht, die Lernbegleiter als “Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung” (LoVL) einzustellen. “Hier ist es auch an Teach First, geeignete Schulen zu identifizieren und entsprechende Kooperationen einzugehen”, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Nina Middelkamp, Geschäftsführerin von Teach First Deutschland, sagte Table.Briefings, dass das für die meisten Schulen nicht funktionieren werde. “Zum laufende Jahr haben die meisten Schulen diese Mittel schon verplant. Und auch langfristig betrachtet, halten wir die Lösung nicht für praktikabel.” Das Problem gerade gut geführter Schulen sei nicht, dass sie ihre Stellen nicht besetzen können, sondern dass sie zusätzliche Unterstützung brauchen.
In Berlin arbeiten je vier Teach-First-Lernbegleiter an einer Schule. Jeder unterstützt 15 bis 20 Schüler im Unterricht und darüber hinaus. Dabei liegt der Fokus auf Schülerinnen und Schülern, die Schwierigkeiten haben, ihren Schulabschluss zu schaffen. Ihnen helfen die Fellows auch bei der Berufsorientierung, etwa bei der Suche eines Praktikums. “Unsere Fellows sind enge Ansprechpersonen für die Schülerinnen und Schüler”, sagte Middelkamp. “Zu ihnen können diese oft besonderes Vertrauen fassen, auch weil sie keine Noten vergeben.”
Middelkamp zufolge ist die Finanzierung in den restlichen vier Bundesländern, in denen Teach First tätig ist – Baden-Württemberg, Hamburg, NRW und Sachsen – unterschiedlich geregelt und nirgendwo dauerhaft sicher. Allerdings stünde das Programm in keinem der anderen Bundesländer derart auf der Kippe wie in Berlin. Das Programm koste in Berlin rund 2,15 Millionen Euro im Jahr, zuzüglich Kosten für die Organisation und Schulungen. Anna Parrisius
Obwohl es weniger zu betreuende Kinder in Sachsen gibt, soll nicht weniger Geld in die Kinderbetreuung fließen. In einem gemeinsamen Antrag plädieren die drei bisherigen Koalitionspartner CDU, SPD und Grüne für ein sogenanntes Kita-Moratorium, um die “demografischen Rendite” zu sichern. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) fürchtet: Die Kommunen können das finanziell nicht stemmen. Am Donnerstag wird im sächsischen Landtag über den Antrag entschieden.
Geht es nach der noch amtierenden Regierung, soll der Landeszuschuss an die Kommunen im Haushaltsjahr 2025 auf gleichem Niveau bleiben wie 2024. Das soll verhindern, das Kita-Personal entlassen werden muss. Normalerweise berechnet sich der jährliche Landeszuschuss für die Kitas aus einem Pauschalbetrag je aufgenommenen Kind. In der Folge würden weniger Kinder weniger Mittel für die Kommunen als Träger der Kitas bedeuten.
Bert Wendsche, Präsident des SSG und Oberbürgermeister von Radebeul, lehnt den Vorschlag ab. Die Zuschüsse würden “nur zu einem guten Drittel zur Deckung der Betriebskosten beitragen”, sagt er in einer Stellungnahme des SSG. Für zusätzliche sozialpolitische Leistungen sei aktuell finanziell kein Spielraum vorhanden.
Die SPD widerspricht: So wie das Kita-Moratorium angelegt sei, seien die Gemeinden zu keiner Mitfinanzierung verpflichtet. Lediglich beim Personal müssten sie in Vorleistung gehen. “Der Freistaat Sachsen wird in 2025 zusätzliche 14,5 Millionen Euro bereitstellen. So werden die Gemeinden und freien Träger in die Lage versetzt, einen großen Teil des Personals zu halten“, sagt Gerald Eisenblätter zu Table.Briefings. Er ist ab nächster Woche zuständiger Fachsprecher für das Thema und Vorsitzender der Bildung-Arbeitsgemeinschaft der SPD Sachsen.
Auch das BSW, das an einer neuen Regierung in Sachsen beteiligt sein könnte, befürwortet das Kita-Moratorium. Mit dem “Willen der Regierung” sei es umsetzbar, ohne die kommunalen Kassen zu belasten, sagt Doreen Voigt vom BSW zu Table.Briefings.
Die Frage, ob weniger Kinder in Kitas zu mehr Entlassungen oder zu mehr pädagogischer Qualität führen sollen, war auch Thema in der Anhörung im Familienausschuss zum Gute-Kita-Gesetz. “Wollen wir wirklich in der aktuellen Situation tausende Fachkräfte im Osten entlassen und in den Dörfern die Infrastruktur abbauen?”, fragte etwa Niels Espenhorst, Referent für Kindertageseinrichtungen des Paritätischen Gesamtverbands. Er forderte: “Der Bund sollte hier gezielt die Länder unterstützen, die Personalschlüssel anzuheben und die Bildungsinfrastruktur zu bewahren.” Auch andere Verbände und kommunale Vertreter betonten, das Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung sollte verbindliche Standards beinhalten. Vera Kraft
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) will das im vergangenen Jahr gestartete Programm “Mental Health Coaches” vorerst um ein halbes Jahr verlängern. Das kündigte sie am Montag auf einer Pressekonferenz im Rahmen einer Fachtagung zu dem Programm an. In ihrem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr hat sie dafür fünf Millionen Euro eingeplant. Im laufenden Jahr sind es allerdings zehn Millionen. Die Finanzierung wäre den Plänen zufolge daher nur bis zu den Sommerferien 2025 sichergestellt. Der Bundestag könnte das im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen allerdings noch ändern.
Seit September 2023 werden durch die Mittel des Familienministeriums bundesweit rund 80 Mental Health Coaches eingesetzt, die insgesamt an etwa 100 Schulen tätig sind. Die Schulen werden in einem zweistufigen Verfahren zusammen mit den Ländern ausgewählt. Inwiefern es dabei Zusammenhänge mit dem Startchancen-Programm gibt, konnten die Beteiligten bei der Pressekonferenz nicht sagen. Es werden jedoch alle Schulformen ab der Sekundarstufe I berücksichtigt.
Die Coaches beraten die Schülerinnen und Schüler nicht individuell, sondern führen vor allem präventiv angelegte Schulungen im Klassenverband durch. “Viele setzen sich mit zweifelhaften Social-Media-Angeboten mit ihrer psychischen Gesundheit auseinander”, erklärte Uwe Grallath von der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA). Die Coaches vermittelten den Schülerinnen und Schülern Wissen zum Thema seelische Gesundheit und sollen ihnen helfen, “sich selbst bewusst wahrzunehmen und zu stärken”.
Wissenschaftlich begleitet wurde das Pilotprojekt von einem Forschungsteam der Universität Leipzig. “Die vorläufigen Evaluationsergebnisse legen nahe, dass das Modellvorhaben im letzten Schuljahr erfolgreich an den beteiligten Schulen gestartet ist”, berichtete dessen Leiter Julian Schmitz. Ein Großteil der von seinem Forschungsteam befragten Akteure wünsche sich daher eine Fortsetzung und Ausweitung des Modellprojekts. Allerdings kritisierte er, dass bei allen Beteiligten aufgrund des kurzen Projektzeitraums eine hohe Planungsunsicherheit bestehe.
Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, hält den Ansatz des Programms grundsätzlich für richtig. “Wirkungsvolle und flächendeckende Präventionsmaßnahmen, die die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken, sind immens wichtig”, sagte sie Table.Briefings. Die vorgesehenen fünf Millionen Euro für 100 Schulen sei aus ihrer Sicht allerdings “eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein” und “angesichts der massiv anhaltenden psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen weder wirkungsvoll noch nachhaltig”. Maximilian Stascheit
Mehr zur mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen erfahren Sie im kürzlich erschienenen Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung oder im Bericht zu den Lebenslagen junger Menschen in Thüringen.
Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 konnten Betriebe in Handwerksberufen mindestens 113.000 Stellen nicht besetzen. Das ist das Ergebnis einer Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Das IW rechnet dafür die Zahl der offenen Stellen hoch, die bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet sind – da nicht alle Betriebe ihre Vakanzen melden – und stellt sie der Zahl der Arbeitslosen gegenüber.
Um auf die Fachkräftelücke zu kommen, bezieht das Institut zudem ein, dass etwa ein Friseur nicht als Bäcker arbeiten kann. Nicht berücksichtigen können die Forscher allerdings den Umstand, dass ein Arbeitsloser nicht überall in Deutschland und auch nicht in jedem Betrieb eine Stelle annehmen wird. “Die Lücke von rund 113.000 unbesetzbaren Stellen ist daher für uns ein Mindestwert“, sagte Lydia Malin, Senior Researcher für berufliche Qualifizierung und Fachkräftesicherung am IW, zu Table.Briefings.
Am größten fällt die Fachkräftelücke in der Bauelektrik aus (18.300), gefolgt von der Kraftfahrzeugtechnik (16.300) und der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (12.200). Zwar steigt die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in diesen Engpassberufen bereits, allerdings zu langsam, um den Bedarf zu decken. “Das Interesse der Jugendlichen an diesen Berufen hat wahrscheinlich zugenommen, weil sie gute Beschäftigungschancen sehen”, sagte Malin. “Außerdem hat sich das Image dieser Berufe verbessert – aufgrund ihrer Bedeutung für die Klimawende, aber eventuell auch durch die Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks seit 2012.”
Allerdings sieht Malin für viele Betriebe noch Handlungsbedarf. “Im Handwerk müssen so viele Betriebe wie möglich ausbilden, da die Ausbildung dort der zentrale Zugang ist und etwa eine Voraussetzung für den Meister, der oft erst befähigt, einen Betrieb zu übernehmen und selbst auszubilden.” Hilfreich seien etwa extra Programme für Studienabbrecher, das Angebot für Ferienjobs für Schüler und Kooperationen mit Schulen und auch schon Kitas. “Handwerksbetriebe könnten sich hier noch mehr engagieren und sollten bereits Kinder ansprechen, damit diese sich ein realistisches Bild vom Handwerk machen können.”
Daneben hält Malin für zentral, die Berufsorientierung in den Gymnasien zu verbessern. “An Gesamtschulen erfahren auch Abiturienten von Ausbildungsberufen, aber an Gymnasien umfasst die Berufsorientierung oft nur akademische Berufe.” Das sei besonders deshalb ein Problem, weil fast ein Drittel der Studienanfänger heute abbricht. “Ein Großteil sagt, ihnen fehlt der Praxisbezug, eine Ausbildung wäre für sie also ideal.” Anna Parrisius
Diese Zahlen geben zu denken: 28 Prozent der Bachelor-Studierenden in Deutschland beenden ihr Studium ohne Abschluss, hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung 2022 ermittelt. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass 11 Prozent der Erststudierenden des Jahres 2019 bereits während der ersten drei Semester ihr Studium abgebrochen haben.
Immerhin jedoch haben die Hochschulen auf die bedenklichen Zahlen inzwischen reagiert. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh, die den Einsatz von Self-Assessment-Tools sowie die Verbreitung von Unterstützungsmaßnahmen zum Studienstart für die Jahre 2021 und 2024 verglichen hat.
Neben der guten Begleitung für einen erfolgreichen Start ins Studium sei es allerdings auch wichtig, flexible Schnittstellen, Übergänge und eine wechselseitige Anerkennung zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu ermöglichen, sagt CHE-Experte Cort-Denis Hachmeister.
“Der Wechsel von einem Studium in eine passende Ausbildung, sollte als normaler Teil des Bildungswegs und nicht als persönliches Scheitern wahrgenommen werden.” Hierfür brauche es aber in Deutschland noch besser verzahnte Angebote nachschulischer Bildung. abg
Ekin Deligöz, Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, wird bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten. Nach 27 Jahren in der Politik will sich die 53-jährige Grünen-Politikerin beruflich neu orientieren. Seit 2021 unterstützte Deligöz Ministerin Lisa Paus dabei, die sozial- und familienpolitischen Ziele der Bundesregierung umzusetzen. Insbesondere ihr Engagement für Kinderrechte und eine bessere frühkindliche Bildung brachten ihr viel Anerkennung ein.
Zudem setzte sich Deligöz, die selbst in der Türkei geboren wurde, stark für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ein, sowie für ein friedliches Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft. Eine erneute Regierungsbeteiligung der Grünen hält sie für möglich. Falls gewünscht, würde sie ihrer Partei “in möglichen Koalitionsverhandlungen natürlich noch zuarbeiten”, wie sie in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen sagte. vkr
Meron Mendel, deutsch-israelischer Historiker und Pädagoge, und seine Frau Saba-Nur Cheema, Politologin und Publizistin, bekommen am 1. Oktober von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Cheema und Mendel “setzen sich seit Langem aktiv gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit ein – und dies sowohl beruflich wie auch ehrenamtlich”, wie es im Bericht zur Ordensverleihung heißt.
Seit 2010 leitet Mendel die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main – eine Institution, die sowohl über das Leben von Anne Frank informiert als auch mit “innovativen Projekten” Rassismus und Diskriminierung bekämpft. Das Ehepaar ist bekannt für seine offene Diskussionskultur und sein Engagement für den interreligiösen Dialog, den sie unter anderem in der FAZ-Kolumne “Muslimisch-jüdisches Abendbrot” öffentlich führen. vkr
Jutta Allmendinger, ehemalige Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), und Alena Buyx, ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, sollen Mitglieder des Wissenschaftsrats werden. Einen entsprechenden Beschluss haben die Chefs der Staatskanzleien in der vergangenen Woche gefasst. Demnach sollen die beiden Wissenschaftlerinnen als gemeinsamer Vorschlag von Bund und Ländern für die Amtsdauer vom 1. Februar 2025 bis 31. Januar 2028 in das Beratungsgremium berufen werden. max
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ESG.Table: Bei der Inklusion sind “die Hürden immer noch sehr hoch”. Der Sozialunternehmer Andreas Heinecke hat neue Ansätze für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt getestet. Im Interview erklärt er, warum viele Firmen ihre Pflichten bislang nicht erfüllen. Mehr lesen.
Research.Table: Wie sich beim Hochschulbau New Work und Flächensuffizienz verbinden lassen. Die Arbeitsbedingungen in Wirtschaftsunternehmen verändern sich seit geraumer Zeit. New Work hat aber längst auch die Hochschulen erreicht. Tradierte Raumstrukturen müssen sich ändern, Flächen sparsamer genutzt werden, mahnt Inka Wertz vom HIS-Institut für Hochschulentwicklung. Was das bedeutet.
Agrifood.Table: Foodwatch warnt vor rechtsfreiem Raum bei Werbung auf Social Media. In den sozialen Medien offenbart sich ein rechtsfreier Raum für unzulässige Werbebotschaften, kritisiert Foodwatch. Erneut klagt die NGO gegen einen Lebensmittelhersteller. Die zuständigen Behörden sind offenbar überfordert. Mehr lesen.
FAZ: Wie gelingt Ganztagsbetreuung? Für den geplante Ganztagsanspruch braucht es neue Unterrichtskonzepte. Hier kann es sinnvoll sein, die Trennung zwischen Nachmittagsbetreuung und Schulunterricht weniger streng zu gestalten. Stattdessen sollte es auch am Vormittag längere Entspannungsphasen geben. Insbesondere wird es für die Schüler wichtig sein, sich in ihrer Ganztagsbetreuung wohlzufühlen. (Was bringt Ganztagsbetreuung in der Grundschule?)
Tagesschau: Macht Singapurs Bildungssystem seine Kinder krank? In Singapur sind alle Kitas zweisprachig. Zudem lernen die Kinder in der Kita schon Lesen und Schreiben. Das Ganztagsangebot wurde massiv ausgebaut – von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends können die Kinder betreut werden. 70 Prozent der Schüler erhalten zusätzlich Nachhilfe. Doch der PISA-Spitzenplatz Singapurs hat wohl einen Preis: Viele Kinder und Jugendliche leiden unter Depressionen und Angststörungen. (Die Kita für die Topmanager von morgen)
Zeit: Schaden zu gute Noten der Chancengleichheit? Sozialwissenschaftler Tim Engartner sieht in der steigenden Zahl von Einser-Abituren und sehr guten Uniabschlüssen eine Entwertung der Noten. Durch die sanftere Bewertung seien junge Menschen nicht gut genug auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Engartner befürchtet zudem, dass die indifferenten Bewertungen sozialen Status umso wichtiger werden lassen, da sich Bewerber über diesen beim Arbeitgeber zusätzlich profilieren können. (Stoppt die Inflation der guten Noten!)
Stern: In NRW werden immer mehr Kinder später eingeschult. Die Zahl hat deutlich zugenommen, um 77 Prozent seit dem Schuljahr 2019/20. Das teilte die “Rheinische Post” auf Grundlage von Daten aus dem Schulministerium mit. 2023/24 gab es 5.695 Zurückstellungen. Über sie entscheiden die Grundschulleitungen auf Basis der Schuleingangsuntersuchungen. Zur steigenden Zahl könnte beitragen, dass Eltern seit einigen Jahren fachärztliche und therapeutische Gutachten einbringen können. Axel Gerschlauer, Landessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in NRW, vermutet Defizite infolge der Pandemie hinter dem Trend. (“RP”: Immer mehr Kinder werden später eingeschult)
LinkedIn: Kai Gehring kritisiert das BMBF scharf. Als Replik auf die Ankündigung von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, dass nun ein “Herbst der Entscheidungen” anstehe, fordert der Vorsitzende des Bildungsausschusses die FPD auf, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu einer “beherzten Sacharbeit für unser Bildungs- und Forschungssystem” zurückzubewegen. Bildung und Forschung seien die Quellen künftigen Wohlstands, Stark-Watzinger müsse jetzt für Durchbrüche unter anderem beim Digitalpakt II sorgen. (LinkedIn-Post von Kai Gehring)
02. Oktober 2024, Berlin
Tagung 3rd German-African Forum on Vocational Training & Education “Boosting future skills and partnerships for sustainable growth”
Bei dieser gemeinsamen Veranstaltung des Afrika-Vereins und iMove wird auch der BMBF-Staatssekretär Roland Philippi einen Vortrag halten. Ein Thema der Veranstaltung ist unter anderem wie deutsch-afrikanische Kooperationen in der Bildung eine Lösung für den deutschen Fachkräftemangel sein können. INFOS & ANMELDUNG
08. Oktober 2024, Essen
Messe BILDUNG.DIG!TAL
Auf dieser Messe stellen sich verschiedene Anbieter und Experten aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung und dem digitalen Lernen vor. In Workshops und Vorträgen gibt es die Möglichkeit, sich über die neuesten Trend und Entwicklungen im Bereich der digitalen Bildung zu informieren. INFOS & ANMELDUNG
09. bis 10. Oktober 2024, Berlin
Kongress #excitingedu 2024
In Workshops, Vorträgen und an mehreren Messeständen können verschiedenste Akteure auf dieser Veranstaltung sich darüber austauschen, wie die digitale Schule der Zukunft aussehen könnte. INFOS & ANMELDUNG
10. bis 11. Oktober 2024, Potsdam
Tagung Vierte Potsdamer Konferenz zur Pädagogik – Klarheit: Struktur einer hochwertigen Bildung
Die Stiftung Hoffbauer widmet sich auf dieser Veranstaltung dem vierten Nachhaltigkeitsziel der UN: hochwertige Bildung. Wie diese gelingen kann, ist das Thema verschiedener Diskussionsrunden. INFOS & ANMELDUNG