“Ist das klausurrelevant”? Lehrkräfte kennen diese Frage allzu gut. Sie dürfte ungefähr so beliebt sein wie die Frage, ob man aufs Klo darf – drei Minuten nach der Pause. Die Stimmen werden allerdings lauter, die eine viel grundlegendere Frage stellen: Ist die Klausur eigentlich noch relevant?
Meine Kollegin Vera Kraft nimmt in ihrer Analyse die aktuelle Debatte um eine neue Prüfungskultur an Deutschlands Schulen in den Blick. Mit einigen bemerkenswerten Einsichten. Denn was einerseits von Schülern als Zukunftskompetenzen erwartet wird, wird andererseits in Prüfungen abgestraft. “Kollaboration und Kommunikation gelten im Prüfungsbereich als Täuschungsversuche”, erklärt etwa Stephan Dorgerloh, früherer Kultusminister Sachsen-Anhalts und Gründer des Nationalen Bildungsforums. Das mache deutlich, dass die Prüfungsformate nicht mehr zeitgemäß sind.
Aus der Zeit gefallen sind auch einige Vorstellungen von akademischer und beruflicher Bildung. Etwa, dass nur Akademiker richtig gut verdienen oder, dass ein Abbruch von Ausbildung oder Studium mit einem Scheitern gleichzusetzen ist. Oft genug ist es eine sinnvolle Umorientierung. Aber wie ist es eigentlich um das Verhältnis von akademischer und beruflicher Bildung bestellt? Dass es da zuweilen distanziert zugeht, analysiert meine Kollegin Anna Parrisius.
Zum Einstieg ins verdiente Wochenende lege ich Ihnen zuletzt noch den Standpunkt von Wiebke Kottenkamp, Leiterin des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule, ans Herz. Für Table.Briefings hat sie aufgeschrieben, warum die Qualität von Kita- und Schulessen grundlegend für vieles ist.
In dem Sinne: Lassen Sie sich die Lektüre schmecken!
Je nach Bundesland hat ein Gymnasiast in der Oberstufe zwischen 40 und 85 verpflichtende Klausuren (KMK 2018). Die meisten davon erfolgen schriftlich und fragen konkretes – oft auswendig gelerntes – Wissen ab. Unter klaren Vorgaben und ohne fremde Hilfe sollen die Schülerinnen und Schüler die Aufgaben lösen. Ziel ist es, die Schüler zu bewerten, um ihre Leistungen anschließend vergleichen zu können. Doch ist diese Art der Prüfungen überhaupt noch zeitgemäß?
“Es wird zu viel geprüft und zu wenig getestet“, kritisiert Stephan Dorgerloh, früherer Kultusminister Sachsen-Anhalts und Gründer des Nationalen Bildungsforums. Schülerinnen und Schüler schreiben in circa 32 von 40 Schulwochen mindestens eine Prüfung pro Woche. Das heißt, direkt nach einer Klausur gehe es weiter im Stoff. Feedback und individuelle Förderung kommen da zu kurz. Die Lehrkräfte bräuchten zudem wahnsinnig viel Zeit zum Korrigieren.
Es sei wichtig, dass Lehrkräfte die Leistungsstände ihrer Schülerinnen und Schüler kennen. Doch statt sie auf Prüfungen zu trimmen und lediglich standardisiert Wissen abzufragen, sollten die Kinder mehr individuelle Rückmeldungen erhalten und bei ihrem Lernprozess stärker begleitet werden, sagt Dorgerloh. “KI bietet hier eine große Chance.” KI-Tools für den Schulbereich könnten Lehrkräften schnell und einfach einen Überblick geben, wer in welchem Bereich noch Übungsbedarf hat oder wo es Stofflücken gibt.
Es sei unrealistisch zu glauben, eine einzelne Klausur könne wirklich die individuelle Leistung eines Schülers abbilden, schreibt Philippe Wampfler in dem neu erschienenen Buch “Wege zu einer zeitgemäßen Prüfungskultur”. “Jede Leistung wird von einem Kollektiv erbracht.” Schließlich seien die Ergebnisse immer auch ein Resultat der Lernbedingungen und Ausdruck der Zusammenarbeit mit Peers, Lehrpersonen und Eltern.
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt lautet: Prüfungen sind bislang zu wenig nach Zukunftskompetenzen ausgerichtet. Bildungswissenschaftler diskutieren zwar noch, was genau diese Future Skills ausmacht, doch meist stehen insbesondere vier Kompetenzen im Fokus:
Es ist demnach nicht allein die Digitalität, die die Rufe nach neuen Prüfungsformaten auslöst. Und doch würde beziehungsweise müsste ein solcher Wandel auch eine Anpassung an Künstliche Intelligenz – als Lerngegenstand und als Werkzeug – mit sich bringen. Neben den Chancen, die das mit sich bringt, geht es dabei natürlich auch um die Risiken. Eines davon könnte sein, dass die moderne Technik zahlreiche neue Möglichkeiten zu schummeln mit sich bringt. Der Spickzettel wurde ersetzt durch versteckte Smartphones, Kopfhörer oder Smartwatches, die meist mit dem kleinen Helfer KI ausgestattet sind.
Besonders, wenn viel auf dem Spiel steht, ist Schummeln ein Thema, sagt Shivi Chandra, bildungspolitische Analystin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei einem OECD-Webinar zum Thema KI und Schummeln. Das kann dann zum Beispiel die Abschlussprüfung sein, die darüber entscheidet, ob man Medizin studieren darf oder nicht. Wenn Schüler das System unfair finden oder in einer Prüfung ihre letzte Chance sehen, dann erscheint Mogeln als “rationale Entscheidung”, sagt Chandra.
Ob bei abgegebenen Texten KI verwendet wurde, lasse sich im Nachgang nur schwer nachvollziehen, sagt Phillip Dawson, Professor für Digitales Lernen an der Deakin University (Melbourne, Australien). Die Tools seien in dem Bereich noch nicht zuverlässig und werden es womöglich nie sein, da ja auch KI sich ständig weiterentwickele. “Wir wollen nicht, dass Schüler nur deshalb nicht betrügen, weil sie Angst haben, erwischt zu werden”, sagt Dawson.
Die aktuellen Prüfungsformate zeigen aber auch einen Widerspruch auf: Was einerseits von Schülern als Zukunftskompetenzen erwartet wird, wird andererseits in Prüfungen abgestraft. “Kollaboration und Kommunikation gelten im Prüfungsbereich als Täuschungsversuche”, sagt Dorgerloh. Das mache deutlich, dass die Prüfungsformate nicht mehr zeitgemäß sind.
“Im Berufsalltag wäre es völlig undenkbar, nicht alle zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten zu nutzen”, meint Dorgerloh. Eine Idee wäre daher zum Beispiel, dass Schüler ChatGPT verwenden dürfen, aber anschließend ihre Chat-Protokolle abgeben müssen. Ein Vorurteil lautet, dass dadurch alles leichter werde. Doch zum einen stimme das nicht, zum anderen müsse Schule auch nicht nur hart und schwer sein.
Es gehe darum, die Prüfungen mehr an die Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler anzupassen. “Ändern wir die Prüfungskultur, ändert sich auch die Lernkultur”, sagt Dorgerloh. Es sei daher ein “strategisch kluger Hebel”, Leistungsnachweise moderner zu gestalten. Im besten Fall gebe es dadurch mehr Lernzeit für Schüler, weniger Korrekturzeit für Lehrer und gleichzeitig mehr Spaß am Unterricht. Diese Änderung müsste man allerdings mit einem Leistungsversprechen verbinden: Mehr Kinder sollen die Regelstandards erreichen.
Die Beziehung zwischen akademischer und beruflicher Bildung ist kompliziert. Das unterstrich jüngst ein Webinar vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). “Zehn Mythen rund um Ausbildung und Studium” hatten CHE und Bertelsmann-Stiftung im November einem Faktencheck unterzogen. Jetzt sollte die Veranstaltung zeigen, ob ein lösungsorientierter Dialog zwischen beiden Bildungszweigen möglich ist. Gleich zu Beginn das alarmierende Ergebnis einer Umfrage unter den 200 Teilnehmern, an der sich laut Veranstaltern über zwei Drittel beteiligten: Als prägend für die Beziehung zwischen akademischer und beruflicher Bildung sehen ein Viertel ein “gegenseitiges Ignorieren”, 21 Prozent sogar “heftige Konkurrenz und Wildern im Gehege des anderen”. Immerhin: 40 Prozent sehen eine “gegenseitige Annäherung”.
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Wie eine solche Annäherung aussehen kann, zeigte auch die Veranstaltung: Im Faktencheck kritisierten die Autoren noch “Negativ-Kampagnen”, die das Verhältnis akademischer und beruflicher Bildung belasteten. Sie bezogen sich dabei unter anderem auf eine Plakatkampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) mit Slogans wie “Was gegen Handwerk spricht? Meine Akademikereltern.” Nun war Volker Born zum Webinar geladen, Bereichsleiter für Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Born bekam Raum, die Sicht des Handwerks darzulegen: 95 Prozent aller Handwerker seien beruflich qualifiziert, der Schwerpunkt des ZDH liege naturgemäß auf diesem Bildungszweig. Seine Forderung: Es brauche mehr Wertschätzung. Zu oft noch werde die berufliche Bildung auf die duale Erstausbildung reduziert – in OECD-Studien, aber auch in KMK-Publikationen. Dabei stellt der Deutsche Qualifikationsrahmen berufliche Fortbildungen bereits Studienabschlüssen gleich- Meister und Fachwirt etwa dem Bachelor, den Betriebswirt dem Master. Geht es nach Volker Born, müsse sich das auch im öffentlichen Dienst niederschlagen, indem etwa Meister Zugang zum gehobenen Dienst erhalten.
Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, pflichtete bei. Sein Ansatz: Jugendlichen verdeutlichen, dass sie sich als Handwerksmeister den Porsche einmal eher werden leisten können als mit so manchem Studium. Volker Born betonte, das Handwerk müsse dringend neue Zielgruppen für die Ausbildung rekrutieren: Ja, auch jene 2,9 Millionen Jugendlichen ohne Berufsabschluss (Zahl für 2022 aus dem Entwurf des Berufsbildungsberichts). An erster Stelle aber: Abiturienten. Unterstützt sieht Born sich durch die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre: Der Anteil der Azubis mit Hochschulzugangsberechtigung im Handwerk sei seither von sechs auf 16 Prozent gestiegen. “Hier ist Luft nach oben.” Gerade Abiturienten seien zudem beruflich schlecht orientiert.
Martina Klärle, Präsidentin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), bildete da gewissermaßen einen Gegenpol: Jugendliche müssten sich gar nicht zwischen Studium und Ausbildung entscheiden, sie können beides haben. Ihre Hochschule ist die größte im Ländle, nach 50 Jahren Bestehen hat die Uni rund 30.000 Studierende und 800 Professoren. Aber: Nur 4,7 Prozent der Studierenden in Deutschland studieren bisher dual. Und es dominiert das praxisintegrierende Studium, mit längeren Praxisphasen, deutlich gegenüber dualen Studiengängen, die eine Berufsausbildung beinhalten.
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Eine Lösung für die Konkurrenz zwischen akademischer und beruflicher Bildung sieht Klärle trotzdem im dualen Studium – sie fordert duale Hochschulen im ganzen Bundesgebiet. Für das Handwerk betonte Volker Born, hier gebe es zwar 750 duale Studiengänge. Für das Gros der Handwerksberufe sei eine Akademisierung jedoch der falsche Weg. Um Wärmepumpen zu installieren, brauche es vor allem “praktische Intelligenz”. Und die Theorie vermittelten bereits Berufsschulen und die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. “Wir sollten eher die Attraktivität der dualen Ausbildung steigern.”
Mit Blick auf die Berufsorientierung forderte CDU-MdB Thomas Jarzombek künftig Daten aus Learning Management Systemen zu nutzen, mit denen die Schulen im Unterricht arbeiten. “Eine Analyse der Stärken und Schwächen sollte bei der gezielten Suche nach einem Praktikum helfen.” Born befürwortet Potenzialanalysen ab der fünften Klasse. Das Handwerk sollte “gezielt, ausgerichtet nach Fähigkeiten und Interessenlagen, unterstützend mit eingreifen”. Ob Jugendliche auf diesem Weg ein ausgewogenes Bild über ihre akademischen und beruflichen Möglichkeiten erhalten? Dafür präsentiert Born zumindest die Idee für eine Lösung: Mythen zu Ausbildung und Studium gerade in der Berufsorientierung zu thematisieren.
Klärle empfiehlt, den Jugendlichen vor allem klarzumachen, dass sie immer noch alles werden können. Sie spricht aus Erfahrung: Nach der Mittleren Reife machte sie eine Ausbildung zur Vermessungstechnikerin, heute ist sie Professorin und Hochschulpräsidentin. Ihr Fazit: Das Bildungssystem in Deutschland sei schon sehr durchlässig. Das Problem laut Faktencheck: Die Möglichkeiten sind noch zu unbekannt. Und es gibt Defizite: etwa für Studienabbrecher, die sich Leistungen aus dem Studium in einer Ausbildung nicht anrechnen lassen können.
Keinen Raum fand in der Diskussionsveranstaltung die Rolle der Ministerien. Laut Faktencheck sollten sie “Brückenbauer zwischen Studium und Ausbildung” sein. In den Ländern sollten die Wissenschaftsministerien mit Kultus-, Arbeits- und Wirtschaftsministerien “mit ihrer arbeitsteiligen Zuständigkeit für die Hochschul- und Berufsbildungspolitik” zusammenarbeiten. Auch das BMBF habe mit seinen getrennten Abteilungen für Hochschul- und Berufsbildungspolitik Nachholbedarf, schrieben die Autoren. Wenn Jugendliche berufliche und akademische Bildung als gleichwertige Optionen wahrnehmen sollten, müssten auch die politischen Akteure enger zusammenarbeiten.
Mehr als die Hälfte aller erwachsenen Deutschen sind übergewichtig, jeder fünfte sogar adipös. Die Ursache dafür findet sich häufig schon in frühester Kindheit: ein ungünstiges Ernährungsverhalten und zu wenig Bewegung. Verstärkt wird diese Entwicklung durch ein System aus unfairen Ernährungsumgebungen. Mit der Gemeinschaftsverpflegung haben wir die Möglichkeit, jedem Kind unabhängig vom sozialen und ökonomischen Familienhintergrund täglich eine gesunde Mahlzeit zu bieten.
Denn für ein gesundes Leben ist es essenziell, dass Kinder von Anfang an lernen, was ihnen und ihrer Umwelt guttut. In Kita und Schule können Kinder diese Kompetenzen erwerben und ausgewogene Ernährung täglich praktisch erleben: Jede Mahlzeit ist sozusagen ein “Bildungs-Happen”. Die Qualität der Verpflegung beeinflusst zudem die gesunde körperliche, geistige und soziale Entwicklung der Kinder entscheidend mit. So können Kinder und Jugendliche ein günstiges Essverhalten entwickeln, das sie wie selbstverständlich ein Leben lang begleitet.
Über einen Zeitraum von weit mehr als zehn Jahren können Kinder und Jugendliche in Kita und Schule wichtige Gesundheitskompetenzen erwerben. Hinzu kommt, dass Kinder immer mehr Zeit in den Gemeinschaftseinrichtungen verbringen. Kita und Schule sind nicht nur Lern-, sondern auch Lebensraum. Sie bieten vielfältige Verpflegungsanlässe, die weit über das Mittagessen hinausgehen. Die Qualität, die von diesen täglichen Verpflegungsangeboten ausgeht, hat deshalb mehr als nur Signalwirkung. Sie prägt das lebenslange Ernährungsverhalten. Denn in der frühen Kindheit werden die Weichen für das ganze Leben gestellt!
Der Bund hat deshalb schon vor mehr als zehn Jahren die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beauftragt, Standards zu erarbeiten. Sie sollen jedem Kind eine gesundheitsförderliche Verpflegung in Kita und Schule ermöglichen. Die DGE-Qualitätsstandards bilden den Rahmen für eine gesundheitsförderliche und nachhaltige Verpflegung.
Im Fokus der Empfehlungen steht eine abwechslungsreiche, pflanzenbetonte Lebensmittelauswahl, die den Kindern und Jugendlichen eine große Geschmacksvielfalt ermöglicht und sie bedarfsgerecht mit Nährstoffen versorgt. Auch strukturelle und organisatorische Voraussetzungen sind Teil der Empfehlungen. Dazu zählen zum Beispiel:
Doch was so einfach klingt, ist leider noch lange nicht flächendeckende Realität in Deutschlands Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Abwechslungsreiches, nahrhaftes und leckeres Essen ist abhängig von einer Vielzahl an Faktoren und Verantwortlichkeiten in einem föderalistischen System. Bis 2030 sieht die kürzlich veröffentlichte Ernährungsstrategie der Bundesregierung die verbindliche Umsetzung in ganz Deutschland vor. Doch es zeigt sich, dass die Länder und Kommunen das Thema bisher sehr unterschiedlich priorisieren. Gesetzlich verankert haben diese bisher nur einige Wenige. Und eine Kontrolle erfolgt nur in einem einzigen Bundesland, nämlich in Berlin.
Erfreulicherweise gibt es auch hervorragende Beispiele, wie eine regionale, gesundheitsförderliche und leckere Verpflegung in Kitas und Schulen in engem Schulterschluss mit allen Akteuren freiwillig umgesetzt werden kann. Doch damit diese keine Einzelprojekte bleiben und es am Ende vom Wohnort abhängt, ob Kinder in den Genuss einer guten und hochwertigen Verpflegung kommen, müssen wir in Deutschland die Qualitätsentwicklung des Schulessens strukturell verankern. Die DGE-Qualitätsstandards bilden hierfür die Basis.
Dieses Commitment wünschen wir uns von allen Beteiligten, um allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen für ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. Dabei geht es nicht um einen Einheitsbrei auf dem Teller, sondern um verlässliche Strukturen und Rahmenbedingungen, damit die Akteure vor Ort ein vielfältiges und abwechslungsreiches Essen auf den Tisch bringen können.
Bund, Länder und Kommunen können gemeinsam als Qualitätsgemeinschaft diese Strukturen schaffen. Neben den verbindlichen Standards gehören langfristig auch die verbindliche Kontrolle dazu sowie ein regelmäßiges Monitoring, das Qualitätsdefizite ebenso wie Qualitätsentwicklungen systematisch sichtbar macht. Dies ist essenziell, um effiziente Strategien zu entwickeln und wirksame Maßnahmen umzusetzen, die auch die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen berücksichtigen.
Für mehr Qualität braucht es die Kräfte aller: auf Bundes- und Länderebene ebenso wie die Zusammenarbeit der Akteure vor Ort in Kommunen, Kitas, Schulen und Küchen. Denn am Ende zählt nicht nur, was auf dem Teller ist, sondern ob es auch von den Kindern und Jugendlichen gerne gegessen wird. Eine Anstrengung, die sich lohnt!
Wiebke Kottenkamp ist Leiterin des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule (NQZ). Es wurde 2016 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eingerichtet. Das NQZ setzt sich gemeinsam mit den Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung für mehr Qualität in der Ernährung in Kita und Schule ein.
Im niedersächsischen Landtag hat die CDU den Entwurf einer Reform des Kita-Gesetzes der rot-grünen Landesregierung scharf kritisiert. “Das Einzige, was sie machen, ist das Herabsetzen von Standards”, warf Christian Fühner, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der Regierung vor. Notwendig sei unter anderem eine Reform der Ausbildung. “Wir brauchen die dualisierte und ab dem ersten Monat vergütete Erzieherausbildung.”
Zu den zentralen Änderungen des Gesetzentwurfs gehört, dass anstelle von pädagogischen Fachkräften bis Mitte 2030 pädagogische Assistenzkräfte als Gruppenleitung eingesetzt werden können. Bedingungen sind eine mehrjährige Berufserfahrung und die Teilnahme an Weiterbildungen. Bis Ende Juli 2026 können darüber hinaus in Randzeiten zwei Assistenzkräfte statt einer Fachkraft eine Kita-Gruppe mit Kindern ab drei Jahren betreuen. Und auch die Vertretungsregelung will die Regierung anpassen: Fehlt Fachpersonal, müssen Kita-Gruppen bis Mitte 2026 aufgrund weniger strenger Vorgaben zum Vertretungspersonal erst nach fünf Tagen schließen und nicht schon nach drei.
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) räumte ein, dass der Fachkräftemangel die Kitas besonders treffe. Es gebe zu wenig Personal bei weiter steigendem Bedarf an Kita-Plätzen. Das führe dazu, “dass der Fachkräftebedarf darüber hinaus auch noch deutlich anwächst”. Vor diesem Hintergrund verteidigte Hamburg den Entwurf. Er sei praxisnah und pragmatisch und schaffe für die Einrichtungen Flexibilität. Das oberste Ziel der befristeten Maßnahmen sei es, Fachkräfte zu qualifizieren und zu gewinnen.
Kritik an dem Gesetzentwurf kam bereits im Vorfeld der Beratung im Landtag vom Verdi-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. Er hob auch hervor, dass die verbindliche Einführung einer dritten Kraft in den Krippen noch einmal um ein Jahr auf den August 2026 verschoben werde. Die Maßnahmen trügen nicht zur Entlastung der Beschäftigten in den Kitas bei, monierte Andrea Wemheuer, Leiterin des Landesbezirks. “Vielmehr befürchten wir, dass die geplante Änderung des Kita-Gesetzes zu einer weiteren Abwanderung der Fachkräfte führen wird.” Holger Schleper
Am 16. Mai soll der Pakt für berufliche Schulen seine Arbeit aufnehmen. Dann findet die konstituierende Sitzung des Fachbeirates statt, in dem neben KMK und BMBF das Bundeswirtschafts- und das Bundesarbeitsministerium sowie Sozialpartner, Lehrerverbände, Schulträger, die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesinstitut für Berufsbildung zusammentreten sollen. Geplant ist laut einem Sprecher der KMK, dass die Runde zweimal pro Jahr zusammenkommt, “in der Anfangsphase gegebenenfalls häufiger”.
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Jährlich soll es ein Schwerpunktthema geben. Welches das im ersten Zyklus sein wird, müssen die Teilnehmer jedoch erst noch entscheiden. Sie sollen dann “Aktivitäten und Beiträge” zum jeweiligen Thema umsetzen, die die Berufsschulen stärken. Eine Sprecherin des BMBF sagte Table.Briefings, berufliche Schulen sollten “systematisch in bereits angelaufene oder noch in Planung befindliche Initiativen und Projekte insbesondere der Länder und des Bundes” einbezogen werden. Zurückhaltender äußert sich der Sprecher der Kultusministerkonferenz – bei der die Federführung liegt: Man wolle Impulse zur Stärkung der Berufsschulen setzen.
Darüber hinaus werde “die Intention verfolgt, die Bedeutung der beruflichen Schulen in gesellschaftlicher und ökonomischer Hinsicht sowie auf Ebene des bildungspolitischen Diskurses sichtbarer herauszustellen”. So soll auch der politische Rückhalt für Investitionen in das Personal und die Sachausstattung gestärkt werden. Ein solcher Rückhalt ist bei Wirtschaft und Gewerkschaften allerdings längst da. Sie fordern unisono eine bessere Ausstattung von Berufsschulen. Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, betonte vergangene Woche bei einer Expertenanhörung im Bundestag, wie bedeutend die Ausstattung der Berufsschulen für die Attraktivität der Ausbildung sei. Sie kritisierte: “Unter dem Stichwort Pakt für Berufliche Schulen wird jetzt vor allem eine weitere Diskussionsrunde einberufen. Es fehlen die finanziellen Zusagen, um die Berufsschulen aufzuwerten.” Anna Parrisius
Alle Bundesländer nehmen derzeit an einer internationalen Umfrage zu politischen Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung an Schulen teil. “Diese Umfrage wird von allen Teilnahmestaaten am Projekt ,Resourcing School Education for the Digital Age‘ beantwortet”, erklärte die Kultusministerkonferenz auf Anfrage von Table.Briefings. Das Ergebnis soll eine Bestandsaufnahme von Digitalisierungsmaßnahmen an Schulen in 20 OECD-Staaten sein.
Die KMK will den Erfahrungsaustausch in dem Projekt nutzen, um von anderen Ländern auch zu lernen. Eine zentrale Frage ist, wie Bildungssysteme digitale Technologien effektiv und gerecht nutzen können. Die KMK nennt hier als Bereiche, in denen Antworten liegen könnten, die Anpassung von Lehrplänen, die digitale Bewertung und digitale Leistungsnachweise oder die Finanzierung und das Beschaffungswesen im Rahmen digitaler Bildung. In den Blick nimmt das Projekt auch die Frage, wie Bildungssysteme Lehrkräfte in der digitalen Zukunft unterstützen können.
In der Projektbeschreibung heißt es, dass ein OECD-geführtes Team die einzelnen Länder detailliert analysieren wird und Stärken und Schwächen herausarbeitet. Auch ein finaler, vergleichender Abschlussbericht wird angekündigt. Er soll – so heißt es – 2025/2026 erscheinen. hsc
Geht es nach dem Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen, Peer Rosenthal, dann reicht die Ausbildungsgarantie in ihrer jetzigen Form nicht aus. “Einzelne Elemente sind zwar grundsätzlich zu begrüßen – wie beispielsweise die Mobilitätszulage. Die Ausbildungsgarantie wird ihrem Namen aber nicht gerecht, weil nicht alle Jugendlichen, die eine Ausbildung bräuchten, hiervon profitieren”, sagte er Table.Briefings. Er bezieht sich dabei auf den Rechtsanspruch auf die Förderung in einer außerbetrieblichen Berufsausbildung, die Jugendliche unter bestimmten Voraussetzungen erhalten sollen. Er gilt ab dem 1. August.
Eine Voraussetzung ist dabei, dass die Jugendlichen in einer sogenannten unterversorgten Region leben. 21 solcher Regionen gibt es laut Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr bundesweit. Dazu zählt auch Bremen-Bremerhaven. 30 neue außerbetriebliche Ausbildungsplätze sollen in Bremen geschaffen werden. Das decke aber nicht den Bedarf, sagt Rosenthal. In Bremerhaven wiederum würden die meisten “unversorgten” Jugendlichen ins Bürgergeld rutschen. Zusätzliche Plätze müssten hier vom Jobcenter bezahlt werden, wofür das Geld fehle.
“Wegen der bereits angesprochenen Probleme muss die Ausbildungsgarantie aus unserer Sicht nochmal nachgeschärft werden, damit sie richtig greift”, sagte Rosenthal. Insbesondere unterversorgte Regionen müssten in dem Umfang profitieren, wie es für sie angemessen sei. Außerdem bräuchte es niedrigschwellige Unterstützung, wenn der Erfolg des Ausbildungsabschlusses gefährdet ist – Sprachkurse, Nachhilfe, Mediation oder psychosoziale Beratung, wie sie beispielsweise Studierende in den Studierendenwerken erhalten.
Die Arbeitnehmerkammer sieht zudem Unternehmen in der Verantwortung, selbst mehr Leute auszubilden. Bremen hat deshalb einen Ausbildungsunterstützungsfonds beschlossen. In den müssen Betriebe ab einer bestimmten Größe einzahlen. Mit dem Geld sollen unter anderem Arbeitgeber bei der Ausbildung von Jugendlichen “mit besonderen Herausforderungen” unterstützt werden. Die ersten Einnahmen werden für 2025 erwartet, noch läuft eine Klage dagegen. Forderungen nach einer solchen Umlage gibt es auch auf Bundesebene, etwa von den Jusos. Bremen ist neben dem Saarland das einzige Bundesland, das eine Pflichtkammer für Arbeitnehmer hat. Okan Bellikli
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Nordrhein-Westfalen plant eine Reform seiner Lehrkräftefortbildung, um sie praxisnäher, digitaler und verbindlicher zu gestalten. Schulministerin Dorothee Feller hat im Schulausschuss am Mittwoch einen 6-Punkte-Plan vorgestellt. Dieser soll zum Schuljahr 2024/25 schrittweise umgesetzt werden. Geplant ist unter anderem, die Fortbildungen datenbasiert zu evaluieren und organisatorische Strukturen zu verschlanken.
Feller begründete die neue Ausrichtung mit den gesellschaftlichen Entwicklungen, die das Schulleben veränderten. Dazu zähle beispielsweise die Digitalisierung, die Inklusion und die Integration. Um Schule und Unterricht weiterhin erfolgreich gestalten zu können, müssten auch die Fortbildungen moderner werden. “Wir wollen der Fortbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer den Stellenwert einräumen, den die Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten in vielen Unternehmen längst einnimmt”, sagt die Schulministerin.
Konkret geht es um folgende Änderungen:
Die Fortbildungen “gezielt auf die Herausforderungen auszurichten, denen sich Lehrkräfte und pädagogisches Personal täglich stellen”, sei richtig und unterstützenswert, sagt Stephan Behlau, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) NRW. Auch der Philologenverband (PhV) NRW begrüßt die Reform. Der Schritt sei “längst überfällig”, sagt die PhV-Vorsitzende Sabine Mistler. Damit die schrittweise Einführung einer Fortbildungspflicht für Lehrerinnen und Lehrer jedoch nicht zu einer Belastung werde, müsse das Pflichtstundendeputat reduziert werden, fordert Mistler. vkr
Research.Table: Barcelona Declaration: Internationale Initiative will offene Forschungsinformation als neue Norm. Metadaten über Forschung müssen systematisch und transparent erfasst und für alle zugänglich sein, fordern mehr als 40 Wissenschaftsakteure in einer Erklärung. Erste Universitäten verzichten auf kommerzielle Dienstleistungen von Elsevier und Clarivate. Mehr
Research.Table: Scholz und Stark-Watzinger mit Differenzen zu China-Kooperationen. Die Forschungsministerin mahnt zur Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit China. Bei seiner China-Reise plädiert Kanzler Olaf Scholz wenige Tage später für einen stärkeren Wissenschaftsaustausch. Wissenschaftsvertreter beklagen die widersprüchlichen Signale. Mehr
Wiarda-Blog: Ist Verzögerung bei “Startchancen” Kalkül? Damit das Startchancen-Programm im August starten kann, müssen es noch alle Bundesländer ratifizieren. Nur wenige haben dies bereits getan. Hinter der Verzögerung vermuten Beobachter Kalkül. Zu Beginn des Jahres haben einige unionsgeführten Bundesländer bereits ihre Zustimmung an die Fortführung des Digitalpakts geknüpft. Doch ob eine Zurückhaltung der Zustimmung für das Startchancen-Programm das geeignete Mittel ist, um hier etwas zu beschleunigen, darf bezweifelt werden. (Unterschriften, Zeitpläne, und der nächste Brandbrief)
Washington Post: Sorge vor linker Ideologie eröffnet neuen Markt für konservative Privatschulen in den USA. Ein Beispiel ist das Exodus Institute, das 200 Schüler besuchen. Gründerin Kali Fontanilla und ihr Partner arbeiteten früher für eine öffentliche Schule, verließen dann aber den Schuldienst, um ihre eigene Privatschule zu gründen – frei von linker Ideologie, die sie staatlichen Lehrkräften unterstellen. Das selbsternannte Ziel laut Homepage: “Aufdeckung woker Lügen” . Ihre Zielgruppe: Eltern, die besorgt sind, wenn ihre Kinder etwa in Critical Race Theory unterrichtet werden. Interessenten erreichen sie vor allem über die sozialen Medien, Hunderttausende folgen ihnen. (They quit liberal public schools. Now they teach kids to be anti-‘woke.’)
Kölner Stadtanzeiger: Digitalpakt scheitert an zu langsamer Umsetzung. Der Digitalpakt sieht vor, dass die durch ihn finanzierten Maßnahmen fristgerecht umgesetzt werden, sonst können die Mittel verfallen. Doch die Einhaltung der Fristen droht mancherorts zu scheitern. In Köln können wohl nur 24 von 60 zu modernisierenden Schulen fristgerecht verkabelt werden – der Grundbaustein für die Digitalisierung. Und auch die WLAN-Ausstattung könnte scheitern. Eine Verschiebung der Frist auf 2025 würde nicht ausreichen, um zeitkritische Maßnahmen rechtzeitig umzusetzen. (Köln kann Förderung für die Digitalisierung an Schulen nicht ausschöpfen)
SWR: G8-Abitur führt zu mehr Stress. Schüler, die nach zwölf Jahren ihr Abitur absolvieren, müssen die gleiche Menge an Unterrichtsthemen behandeln. Das schnellere Abitur führt aber zu einer größeren psychischen Belastung. Sie haben weniger Zeit für Sport oder Freunde aufgrund längerer Schultage. Und die Hoffnung, durch G8 junge Menschen früher auf den Arbeitsmarkt und an die Universität zu bringen, hat sich nicht erfüllt. Tatsächlich studieren sie seltener. Und sie schließen ihr Studium nicht früher ab, da sie häufiger ihr Studienfach wechseln oder das Studium als Ganzes abbrechen. (G8 versus G9 – welcher Weg zum Abitur ist besser?)
“Ist das klausurrelevant”? Lehrkräfte kennen diese Frage allzu gut. Sie dürfte ungefähr so beliebt sein wie die Frage, ob man aufs Klo darf – drei Minuten nach der Pause. Die Stimmen werden allerdings lauter, die eine viel grundlegendere Frage stellen: Ist die Klausur eigentlich noch relevant?
Meine Kollegin Vera Kraft nimmt in ihrer Analyse die aktuelle Debatte um eine neue Prüfungskultur an Deutschlands Schulen in den Blick. Mit einigen bemerkenswerten Einsichten. Denn was einerseits von Schülern als Zukunftskompetenzen erwartet wird, wird andererseits in Prüfungen abgestraft. “Kollaboration und Kommunikation gelten im Prüfungsbereich als Täuschungsversuche”, erklärt etwa Stephan Dorgerloh, früherer Kultusminister Sachsen-Anhalts und Gründer des Nationalen Bildungsforums. Das mache deutlich, dass die Prüfungsformate nicht mehr zeitgemäß sind.
Aus der Zeit gefallen sind auch einige Vorstellungen von akademischer und beruflicher Bildung. Etwa, dass nur Akademiker richtig gut verdienen oder, dass ein Abbruch von Ausbildung oder Studium mit einem Scheitern gleichzusetzen ist. Oft genug ist es eine sinnvolle Umorientierung. Aber wie ist es eigentlich um das Verhältnis von akademischer und beruflicher Bildung bestellt? Dass es da zuweilen distanziert zugeht, analysiert meine Kollegin Anna Parrisius.
Zum Einstieg ins verdiente Wochenende lege ich Ihnen zuletzt noch den Standpunkt von Wiebke Kottenkamp, Leiterin des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule, ans Herz. Für Table.Briefings hat sie aufgeschrieben, warum die Qualität von Kita- und Schulessen grundlegend für vieles ist.
In dem Sinne: Lassen Sie sich die Lektüre schmecken!
Je nach Bundesland hat ein Gymnasiast in der Oberstufe zwischen 40 und 85 verpflichtende Klausuren (KMK 2018). Die meisten davon erfolgen schriftlich und fragen konkretes – oft auswendig gelerntes – Wissen ab. Unter klaren Vorgaben und ohne fremde Hilfe sollen die Schülerinnen und Schüler die Aufgaben lösen. Ziel ist es, die Schüler zu bewerten, um ihre Leistungen anschließend vergleichen zu können. Doch ist diese Art der Prüfungen überhaupt noch zeitgemäß?
“Es wird zu viel geprüft und zu wenig getestet“, kritisiert Stephan Dorgerloh, früherer Kultusminister Sachsen-Anhalts und Gründer des Nationalen Bildungsforums. Schülerinnen und Schüler schreiben in circa 32 von 40 Schulwochen mindestens eine Prüfung pro Woche. Das heißt, direkt nach einer Klausur gehe es weiter im Stoff. Feedback und individuelle Förderung kommen da zu kurz. Die Lehrkräfte bräuchten zudem wahnsinnig viel Zeit zum Korrigieren.
Es sei wichtig, dass Lehrkräfte die Leistungsstände ihrer Schülerinnen und Schüler kennen. Doch statt sie auf Prüfungen zu trimmen und lediglich standardisiert Wissen abzufragen, sollten die Kinder mehr individuelle Rückmeldungen erhalten und bei ihrem Lernprozess stärker begleitet werden, sagt Dorgerloh. “KI bietet hier eine große Chance.” KI-Tools für den Schulbereich könnten Lehrkräften schnell und einfach einen Überblick geben, wer in welchem Bereich noch Übungsbedarf hat oder wo es Stofflücken gibt.
Es sei unrealistisch zu glauben, eine einzelne Klausur könne wirklich die individuelle Leistung eines Schülers abbilden, schreibt Philippe Wampfler in dem neu erschienenen Buch “Wege zu einer zeitgemäßen Prüfungskultur”. “Jede Leistung wird von einem Kollektiv erbracht.” Schließlich seien die Ergebnisse immer auch ein Resultat der Lernbedingungen und Ausdruck der Zusammenarbeit mit Peers, Lehrpersonen und Eltern.
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt lautet: Prüfungen sind bislang zu wenig nach Zukunftskompetenzen ausgerichtet. Bildungswissenschaftler diskutieren zwar noch, was genau diese Future Skills ausmacht, doch meist stehen insbesondere vier Kompetenzen im Fokus:
Es ist demnach nicht allein die Digitalität, die die Rufe nach neuen Prüfungsformaten auslöst. Und doch würde beziehungsweise müsste ein solcher Wandel auch eine Anpassung an Künstliche Intelligenz – als Lerngegenstand und als Werkzeug – mit sich bringen. Neben den Chancen, die das mit sich bringt, geht es dabei natürlich auch um die Risiken. Eines davon könnte sein, dass die moderne Technik zahlreiche neue Möglichkeiten zu schummeln mit sich bringt. Der Spickzettel wurde ersetzt durch versteckte Smartphones, Kopfhörer oder Smartwatches, die meist mit dem kleinen Helfer KI ausgestattet sind.
Besonders, wenn viel auf dem Spiel steht, ist Schummeln ein Thema, sagt Shivi Chandra, bildungspolitische Analystin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei einem OECD-Webinar zum Thema KI und Schummeln. Das kann dann zum Beispiel die Abschlussprüfung sein, die darüber entscheidet, ob man Medizin studieren darf oder nicht. Wenn Schüler das System unfair finden oder in einer Prüfung ihre letzte Chance sehen, dann erscheint Mogeln als “rationale Entscheidung”, sagt Chandra.
Ob bei abgegebenen Texten KI verwendet wurde, lasse sich im Nachgang nur schwer nachvollziehen, sagt Phillip Dawson, Professor für Digitales Lernen an der Deakin University (Melbourne, Australien). Die Tools seien in dem Bereich noch nicht zuverlässig und werden es womöglich nie sein, da ja auch KI sich ständig weiterentwickele. “Wir wollen nicht, dass Schüler nur deshalb nicht betrügen, weil sie Angst haben, erwischt zu werden”, sagt Dawson.
Die aktuellen Prüfungsformate zeigen aber auch einen Widerspruch auf: Was einerseits von Schülern als Zukunftskompetenzen erwartet wird, wird andererseits in Prüfungen abgestraft. “Kollaboration und Kommunikation gelten im Prüfungsbereich als Täuschungsversuche”, sagt Dorgerloh. Das mache deutlich, dass die Prüfungsformate nicht mehr zeitgemäß sind.
“Im Berufsalltag wäre es völlig undenkbar, nicht alle zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten zu nutzen”, meint Dorgerloh. Eine Idee wäre daher zum Beispiel, dass Schüler ChatGPT verwenden dürfen, aber anschließend ihre Chat-Protokolle abgeben müssen. Ein Vorurteil lautet, dass dadurch alles leichter werde. Doch zum einen stimme das nicht, zum anderen müsse Schule auch nicht nur hart und schwer sein.
Es gehe darum, die Prüfungen mehr an die Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler anzupassen. “Ändern wir die Prüfungskultur, ändert sich auch die Lernkultur”, sagt Dorgerloh. Es sei daher ein “strategisch kluger Hebel”, Leistungsnachweise moderner zu gestalten. Im besten Fall gebe es dadurch mehr Lernzeit für Schüler, weniger Korrekturzeit für Lehrer und gleichzeitig mehr Spaß am Unterricht. Diese Änderung müsste man allerdings mit einem Leistungsversprechen verbinden: Mehr Kinder sollen die Regelstandards erreichen.
Die Beziehung zwischen akademischer und beruflicher Bildung ist kompliziert. Das unterstrich jüngst ein Webinar vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). “Zehn Mythen rund um Ausbildung und Studium” hatten CHE und Bertelsmann-Stiftung im November einem Faktencheck unterzogen. Jetzt sollte die Veranstaltung zeigen, ob ein lösungsorientierter Dialog zwischen beiden Bildungszweigen möglich ist. Gleich zu Beginn das alarmierende Ergebnis einer Umfrage unter den 200 Teilnehmern, an der sich laut Veranstaltern über zwei Drittel beteiligten: Als prägend für die Beziehung zwischen akademischer und beruflicher Bildung sehen ein Viertel ein “gegenseitiges Ignorieren”, 21 Prozent sogar “heftige Konkurrenz und Wildern im Gehege des anderen”. Immerhin: 40 Prozent sehen eine “gegenseitige Annäherung”.
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Wie eine solche Annäherung aussehen kann, zeigte auch die Veranstaltung: Im Faktencheck kritisierten die Autoren noch “Negativ-Kampagnen”, die das Verhältnis akademischer und beruflicher Bildung belasteten. Sie bezogen sich dabei unter anderem auf eine Plakatkampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) mit Slogans wie “Was gegen Handwerk spricht? Meine Akademikereltern.” Nun war Volker Born zum Webinar geladen, Bereichsleiter für Berufliche Bildung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Born bekam Raum, die Sicht des Handwerks darzulegen: 95 Prozent aller Handwerker seien beruflich qualifiziert, der Schwerpunkt des ZDH liege naturgemäß auf diesem Bildungszweig. Seine Forderung: Es brauche mehr Wertschätzung. Zu oft noch werde die berufliche Bildung auf die duale Erstausbildung reduziert – in OECD-Studien, aber auch in KMK-Publikationen. Dabei stellt der Deutsche Qualifikationsrahmen berufliche Fortbildungen bereits Studienabschlüssen gleich- Meister und Fachwirt etwa dem Bachelor, den Betriebswirt dem Master. Geht es nach Volker Born, müsse sich das auch im öffentlichen Dienst niederschlagen, indem etwa Meister Zugang zum gehobenen Dienst erhalten.
Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, pflichtete bei. Sein Ansatz: Jugendlichen verdeutlichen, dass sie sich als Handwerksmeister den Porsche einmal eher werden leisten können als mit so manchem Studium. Volker Born betonte, das Handwerk müsse dringend neue Zielgruppen für die Ausbildung rekrutieren: Ja, auch jene 2,9 Millionen Jugendlichen ohne Berufsabschluss (Zahl für 2022 aus dem Entwurf des Berufsbildungsberichts). An erster Stelle aber: Abiturienten. Unterstützt sieht Born sich durch die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre: Der Anteil der Azubis mit Hochschulzugangsberechtigung im Handwerk sei seither von sechs auf 16 Prozent gestiegen. “Hier ist Luft nach oben.” Gerade Abiturienten seien zudem beruflich schlecht orientiert.
Martina Klärle, Präsidentin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), bildete da gewissermaßen einen Gegenpol: Jugendliche müssten sich gar nicht zwischen Studium und Ausbildung entscheiden, sie können beides haben. Ihre Hochschule ist die größte im Ländle, nach 50 Jahren Bestehen hat die Uni rund 30.000 Studierende und 800 Professoren. Aber: Nur 4,7 Prozent der Studierenden in Deutschland studieren bisher dual. Und es dominiert das praxisintegrierende Studium, mit längeren Praxisphasen, deutlich gegenüber dualen Studiengängen, die eine Berufsausbildung beinhalten.
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Eine Lösung für die Konkurrenz zwischen akademischer und beruflicher Bildung sieht Klärle trotzdem im dualen Studium – sie fordert duale Hochschulen im ganzen Bundesgebiet. Für das Handwerk betonte Volker Born, hier gebe es zwar 750 duale Studiengänge. Für das Gros der Handwerksberufe sei eine Akademisierung jedoch der falsche Weg. Um Wärmepumpen zu installieren, brauche es vor allem “praktische Intelligenz”. Und die Theorie vermittelten bereits Berufsschulen und die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. “Wir sollten eher die Attraktivität der dualen Ausbildung steigern.”
Mit Blick auf die Berufsorientierung forderte CDU-MdB Thomas Jarzombek künftig Daten aus Learning Management Systemen zu nutzen, mit denen die Schulen im Unterricht arbeiten. “Eine Analyse der Stärken und Schwächen sollte bei der gezielten Suche nach einem Praktikum helfen.” Born befürwortet Potenzialanalysen ab der fünften Klasse. Das Handwerk sollte “gezielt, ausgerichtet nach Fähigkeiten und Interessenlagen, unterstützend mit eingreifen”. Ob Jugendliche auf diesem Weg ein ausgewogenes Bild über ihre akademischen und beruflichen Möglichkeiten erhalten? Dafür präsentiert Born zumindest die Idee für eine Lösung: Mythen zu Ausbildung und Studium gerade in der Berufsorientierung zu thematisieren.
Klärle empfiehlt, den Jugendlichen vor allem klarzumachen, dass sie immer noch alles werden können. Sie spricht aus Erfahrung: Nach der Mittleren Reife machte sie eine Ausbildung zur Vermessungstechnikerin, heute ist sie Professorin und Hochschulpräsidentin. Ihr Fazit: Das Bildungssystem in Deutschland sei schon sehr durchlässig. Das Problem laut Faktencheck: Die Möglichkeiten sind noch zu unbekannt. Und es gibt Defizite: etwa für Studienabbrecher, die sich Leistungen aus dem Studium in einer Ausbildung nicht anrechnen lassen können.
Keinen Raum fand in der Diskussionsveranstaltung die Rolle der Ministerien. Laut Faktencheck sollten sie “Brückenbauer zwischen Studium und Ausbildung” sein. In den Ländern sollten die Wissenschaftsministerien mit Kultus-, Arbeits- und Wirtschaftsministerien “mit ihrer arbeitsteiligen Zuständigkeit für die Hochschul- und Berufsbildungspolitik” zusammenarbeiten. Auch das BMBF habe mit seinen getrennten Abteilungen für Hochschul- und Berufsbildungspolitik Nachholbedarf, schrieben die Autoren. Wenn Jugendliche berufliche und akademische Bildung als gleichwertige Optionen wahrnehmen sollten, müssten auch die politischen Akteure enger zusammenarbeiten.
Mehr als die Hälfte aller erwachsenen Deutschen sind übergewichtig, jeder fünfte sogar adipös. Die Ursache dafür findet sich häufig schon in frühester Kindheit: ein ungünstiges Ernährungsverhalten und zu wenig Bewegung. Verstärkt wird diese Entwicklung durch ein System aus unfairen Ernährungsumgebungen. Mit der Gemeinschaftsverpflegung haben wir die Möglichkeit, jedem Kind unabhängig vom sozialen und ökonomischen Familienhintergrund täglich eine gesunde Mahlzeit zu bieten.
Denn für ein gesundes Leben ist es essenziell, dass Kinder von Anfang an lernen, was ihnen und ihrer Umwelt guttut. In Kita und Schule können Kinder diese Kompetenzen erwerben und ausgewogene Ernährung täglich praktisch erleben: Jede Mahlzeit ist sozusagen ein “Bildungs-Happen”. Die Qualität der Verpflegung beeinflusst zudem die gesunde körperliche, geistige und soziale Entwicklung der Kinder entscheidend mit. So können Kinder und Jugendliche ein günstiges Essverhalten entwickeln, das sie wie selbstverständlich ein Leben lang begleitet.
Über einen Zeitraum von weit mehr als zehn Jahren können Kinder und Jugendliche in Kita und Schule wichtige Gesundheitskompetenzen erwerben. Hinzu kommt, dass Kinder immer mehr Zeit in den Gemeinschaftseinrichtungen verbringen. Kita und Schule sind nicht nur Lern-, sondern auch Lebensraum. Sie bieten vielfältige Verpflegungsanlässe, die weit über das Mittagessen hinausgehen. Die Qualität, die von diesen täglichen Verpflegungsangeboten ausgeht, hat deshalb mehr als nur Signalwirkung. Sie prägt das lebenslange Ernährungsverhalten. Denn in der frühen Kindheit werden die Weichen für das ganze Leben gestellt!
Der Bund hat deshalb schon vor mehr als zehn Jahren die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beauftragt, Standards zu erarbeiten. Sie sollen jedem Kind eine gesundheitsförderliche Verpflegung in Kita und Schule ermöglichen. Die DGE-Qualitätsstandards bilden den Rahmen für eine gesundheitsförderliche und nachhaltige Verpflegung.
Im Fokus der Empfehlungen steht eine abwechslungsreiche, pflanzenbetonte Lebensmittelauswahl, die den Kindern und Jugendlichen eine große Geschmacksvielfalt ermöglicht und sie bedarfsgerecht mit Nährstoffen versorgt. Auch strukturelle und organisatorische Voraussetzungen sind Teil der Empfehlungen. Dazu zählen zum Beispiel:
Doch was so einfach klingt, ist leider noch lange nicht flächendeckende Realität in Deutschlands Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Abwechslungsreiches, nahrhaftes und leckeres Essen ist abhängig von einer Vielzahl an Faktoren und Verantwortlichkeiten in einem föderalistischen System. Bis 2030 sieht die kürzlich veröffentlichte Ernährungsstrategie der Bundesregierung die verbindliche Umsetzung in ganz Deutschland vor. Doch es zeigt sich, dass die Länder und Kommunen das Thema bisher sehr unterschiedlich priorisieren. Gesetzlich verankert haben diese bisher nur einige Wenige. Und eine Kontrolle erfolgt nur in einem einzigen Bundesland, nämlich in Berlin.
Erfreulicherweise gibt es auch hervorragende Beispiele, wie eine regionale, gesundheitsförderliche und leckere Verpflegung in Kitas und Schulen in engem Schulterschluss mit allen Akteuren freiwillig umgesetzt werden kann. Doch damit diese keine Einzelprojekte bleiben und es am Ende vom Wohnort abhängt, ob Kinder in den Genuss einer guten und hochwertigen Verpflegung kommen, müssen wir in Deutschland die Qualitätsentwicklung des Schulessens strukturell verankern. Die DGE-Qualitätsstandards bilden hierfür die Basis.
Dieses Commitment wünschen wir uns von allen Beteiligten, um allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen für ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. Dabei geht es nicht um einen Einheitsbrei auf dem Teller, sondern um verlässliche Strukturen und Rahmenbedingungen, damit die Akteure vor Ort ein vielfältiges und abwechslungsreiches Essen auf den Tisch bringen können.
Bund, Länder und Kommunen können gemeinsam als Qualitätsgemeinschaft diese Strukturen schaffen. Neben den verbindlichen Standards gehören langfristig auch die verbindliche Kontrolle dazu sowie ein regelmäßiges Monitoring, das Qualitätsdefizite ebenso wie Qualitätsentwicklungen systematisch sichtbar macht. Dies ist essenziell, um effiziente Strategien zu entwickeln und wirksame Maßnahmen umzusetzen, die auch die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen berücksichtigen.
Für mehr Qualität braucht es die Kräfte aller: auf Bundes- und Länderebene ebenso wie die Zusammenarbeit der Akteure vor Ort in Kommunen, Kitas, Schulen und Küchen. Denn am Ende zählt nicht nur, was auf dem Teller ist, sondern ob es auch von den Kindern und Jugendlichen gerne gegessen wird. Eine Anstrengung, die sich lohnt!
Wiebke Kottenkamp ist Leiterin des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule (NQZ). Es wurde 2016 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eingerichtet. Das NQZ setzt sich gemeinsam mit den Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung für mehr Qualität in der Ernährung in Kita und Schule ein.
Im niedersächsischen Landtag hat die CDU den Entwurf einer Reform des Kita-Gesetzes der rot-grünen Landesregierung scharf kritisiert. “Das Einzige, was sie machen, ist das Herabsetzen von Standards”, warf Christian Fühner, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der Regierung vor. Notwendig sei unter anderem eine Reform der Ausbildung. “Wir brauchen die dualisierte und ab dem ersten Monat vergütete Erzieherausbildung.”
Zu den zentralen Änderungen des Gesetzentwurfs gehört, dass anstelle von pädagogischen Fachkräften bis Mitte 2030 pädagogische Assistenzkräfte als Gruppenleitung eingesetzt werden können. Bedingungen sind eine mehrjährige Berufserfahrung und die Teilnahme an Weiterbildungen. Bis Ende Juli 2026 können darüber hinaus in Randzeiten zwei Assistenzkräfte statt einer Fachkraft eine Kita-Gruppe mit Kindern ab drei Jahren betreuen. Und auch die Vertretungsregelung will die Regierung anpassen: Fehlt Fachpersonal, müssen Kita-Gruppen bis Mitte 2026 aufgrund weniger strenger Vorgaben zum Vertretungspersonal erst nach fünf Tagen schließen und nicht schon nach drei.
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) räumte ein, dass der Fachkräftemangel die Kitas besonders treffe. Es gebe zu wenig Personal bei weiter steigendem Bedarf an Kita-Plätzen. Das führe dazu, “dass der Fachkräftebedarf darüber hinaus auch noch deutlich anwächst”. Vor diesem Hintergrund verteidigte Hamburg den Entwurf. Er sei praxisnah und pragmatisch und schaffe für die Einrichtungen Flexibilität. Das oberste Ziel der befristeten Maßnahmen sei es, Fachkräfte zu qualifizieren und zu gewinnen.
Kritik an dem Gesetzentwurf kam bereits im Vorfeld der Beratung im Landtag vom Verdi-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. Er hob auch hervor, dass die verbindliche Einführung einer dritten Kraft in den Krippen noch einmal um ein Jahr auf den August 2026 verschoben werde. Die Maßnahmen trügen nicht zur Entlastung der Beschäftigten in den Kitas bei, monierte Andrea Wemheuer, Leiterin des Landesbezirks. “Vielmehr befürchten wir, dass die geplante Änderung des Kita-Gesetzes zu einer weiteren Abwanderung der Fachkräfte führen wird.” Holger Schleper
Am 16. Mai soll der Pakt für berufliche Schulen seine Arbeit aufnehmen. Dann findet die konstituierende Sitzung des Fachbeirates statt, in dem neben KMK und BMBF das Bundeswirtschafts- und das Bundesarbeitsministerium sowie Sozialpartner, Lehrerverbände, Schulträger, die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesinstitut für Berufsbildung zusammentreten sollen. Geplant ist laut einem Sprecher der KMK, dass die Runde zweimal pro Jahr zusammenkommt, “in der Anfangsphase gegebenenfalls häufiger”.
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Jährlich soll es ein Schwerpunktthema geben. Welches das im ersten Zyklus sein wird, müssen die Teilnehmer jedoch erst noch entscheiden. Sie sollen dann “Aktivitäten und Beiträge” zum jeweiligen Thema umsetzen, die die Berufsschulen stärken. Eine Sprecherin des BMBF sagte Table.Briefings, berufliche Schulen sollten “systematisch in bereits angelaufene oder noch in Planung befindliche Initiativen und Projekte insbesondere der Länder und des Bundes” einbezogen werden. Zurückhaltender äußert sich der Sprecher der Kultusministerkonferenz – bei der die Federführung liegt: Man wolle Impulse zur Stärkung der Berufsschulen setzen.
Darüber hinaus werde “die Intention verfolgt, die Bedeutung der beruflichen Schulen in gesellschaftlicher und ökonomischer Hinsicht sowie auf Ebene des bildungspolitischen Diskurses sichtbarer herauszustellen”. So soll auch der politische Rückhalt für Investitionen in das Personal und die Sachausstattung gestärkt werden. Ein solcher Rückhalt ist bei Wirtschaft und Gewerkschaften allerdings längst da. Sie fordern unisono eine bessere Ausstattung von Berufsschulen. Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, betonte vergangene Woche bei einer Expertenanhörung im Bundestag, wie bedeutend die Ausstattung der Berufsschulen für die Attraktivität der Ausbildung sei. Sie kritisierte: “Unter dem Stichwort Pakt für Berufliche Schulen wird jetzt vor allem eine weitere Diskussionsrunde einberufen. Es fehlen die finanziellen Zusagen, um die Berufsschulen aufzuwerten.” Anna Parrisius
Alle Bundesländer nehmen derzeit an einer internationalen Umfrage zu politischen Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung an Schulen teil. “Diese Umfrage wird von allen Teilnahmestaaten am Projekt ,Resourcing School Education for the Digital Age‘ beantwortet”, erklärte die Kultusministerkonferenz auf Anfrage von Table.Briefings. Das Ergebnis soll eine Bestandsaufnahme von Digitalisierungsmaßnahmen an Schulen in 20 OECD-Staaten sein.
Die KMK will den Erfahrungsaustausch in dem Projekt nutzen, um von anderen Ländern auch zu lernen. Eine zentrale Frage ist, wie Bildungssysteme digitale Technologien effektiv und gerecht nutzen können. Die KMK nennt hier als Bereiche, in denen Antworten liegen könnten, die Anpassung von Lehrplänen, die digitale Bewertung und digitale Leistungsnachweise oder die Finanzierung und das Beschaffungswesen im Rahmen digitaler Bildung. In den Blick nimmt das Projekt auch die Frage, wie Bildungssysteme Lehrkräfte in der digitalen Zukunft unterstützen können.
In der Projektbeschreibung heißt es, dass ein OECD-geführtes Team die einzelnen Länder detailliert analysieren wird und Stärken und Schwächen herausarbeitet. Auch ein finaler, vergleichender Abschlussbericht wird angekündigt. Er soll – so heißt es – 2025/2026 erscheinen. hsc
Geht es nach dem Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen, Peer Rosenthal, dann reicht die Ausbildungsgarantie in ihrer jetzigen Form nicht aus. “Einzelne Elemente sind zwar grundsätzlich zu begrüßen – wie beispielsweise die Mobilitätszulage. Die Ausbildungsgarantie wird ihrem Namen aber nicht gerecht, weil nicht alle Jugendlichen, die eine Ausbildung bräuchten, hiervon profitieren”, sagte er Table.Briefings. Er bezieht sich dabei auf den Rechtsanspruch auf die Förderung in einer außerbetrieblichen Berufsausbildung, die Jugendliche unter bestimmten Voraussetzungen erhalten sollen. Er gilt ab dem 1. August.
Eine Voraussetzung ist dabei, dass die Jugendlichen in einer sogenannten unterversorgten Region leben. 21 solcher Regionen gibt es laut Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr bundesweit. Dazu zählt auch Bremen-Bremerhaven. 30 neue außerbetriebliche Ausbildungsplätze sollen in Bremen geschaffen werden. Das decke aber nicht den Bedarf, sagt Rosenthal. In Bremerhaven wiederum würden die meisten “unversorgten” Jugendlichen ins Bürgergeld rutschen. Zusätzliche Plätze müssten hier vom Jobcenter bezahlt werden, wofür das Geld fehle.
“Wegen der bereits angesprochenen Probleme muss die Ausbildungsgarantie aus unserer Sicht nochmal nachgeschärft werden, damit sie richtig greift”, sagte Rosenthal. Insbesondere unterversorgte Regionen müssten in dem Umfang profitieren, wie es für sie angemessen sei. Außerdem bräuchte es niedrigschwellige Unterstützung, wenn der Erfolg des Ausbildungsabschlusses gefährdet ist – Sprachkurse, Nachhilfe, Mediation oder psychosoziale Beratung, wie sie beispielsweise Studierende in den Studierendenwerken erhalten.
Die Arbeitnehmerkammer sieht zudem Unternehmen in der Verantwortung, selbst mehr Leute auszubilden. Bremen hat deshalb einen Ausbildungsunterstützungsfonds beschlossen. In den müssen Betriebe ab einer bestimmten Größe einzahlen. Mit dem Geld sollen unter anderem Arbeitgeber bei der Ausbildung von Jugendlichen “mit besonderen Herausforderungen” unterstützt werden. Die ersten Einnahmen werden für 2025 erwartet, noch läuft eine Klage dagegen. Forderungen nach einer solchen Umlage gibt es auch auf Bundesebene, etwa von den Jusos. Bremen ist neben dem Saarland das einzige Bundesland, das eine Pflichtkammer für Arbeitnehmer hat. Okan Bellikli
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Nordrhein-Westfalen plant eine Reform seiner Lehrkräftefortbildung, um sie praxisnäher, digitaler und verbindlicher zu gestalten. Schulministerin Dorothee Feller hat im Schulausschuss am Mittwoch einen 6-Punkte-Plan vorgestellt. Dieser soll zum Schuljahr 2024/25 schrittweise umgesetzt werden. Geplant ist unter anderem, die Fortbildungen datenbasiert zu evaluieren und organisatorische Strukturen zu verschlanken.
Feller begründete die neue Ausrichtung mit den gesellschaftlichen Entwicklungen, die das Schulleben veränderten. Dazu zähle beispielsweise die Digitalisierung, die Inklusion und die Integration. Um Schule und Unterricht weiterhin erfolgreich gestalten zu können, müssten auch die Fortbildungen moderner werden. “Wir wollen der Fortbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer den Stellenwert einräumen, den die Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten in vielen Unternehmen längst einnimmt”, sagt die Schulministerin.
Konkret geht es um folgende Änderungen:
Die Fortbildungen “gezielt auf die Herausforderungen auszurichten, denen sich Lehrkräfte und pädagogisches Personal täglich stellen”, sei richtig und unterstützenswert, sagt Stephan Behlau, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) NRW. Auch der Philologenverband (PhV) NRW begrüßt die Reform. Der Schritt sei “längst überfällig”, sagt die PhV-Vorsitzende Sabine Mistler. Damit die schrittweise Einführung einer Fortbildungspflicht für Lehrerinnen und Lehrer jedoch nicht zu einer Belastung werde, müsse das Pflichtstundendeputat reduziert werden, fordert Mistler. vkr
Research.Table: Barcelona Declaration: Internationale Initiative will offene Forschungsinformation als neue Norm. Metadaten über Forschung müssen systematisch und transparent erfasst und für alle zugänglich sein, fordern mehr als 40 Wissenschaftsakteure in einer Erklärung. Erste Universitäten verzichten auf kommerzielle Dienstleistungen von Elsevier und Clarivate. Mehr
Research.Table: Scholz und Stark-Watzinger mit Differenzen zu China-Kooperationen. Die Forschungsministerin mahnt zur Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit China. Bei seiner China-Reise plädiert Kanzler Olaf Scholz wenige Tage später für einen stärkeren Wissenschaftsaustausch. Wissenschaftsvertreter beklagen die widersprüchlichen Signale. Mehr
Wiarda-Blog: Ist Verzögerung bei “Startchancen” Kalkül? Damit das Startchancen-Programm im August starten kann, müssen es noch alle Bundesländer ratifizieren. Nur wenige haben dies bereits getan. Hinter der Verzögerung vermuten Beobachter Kalkül. Zu Beginn des Jahres haben einige unionsgeführten Bundesländer bereits ihre Zustimmung an die Fortführung des Digitalpakts geknüpft. Doch ob eine Zurückhaltung der Zustimmung für das Startchancen-Programm das geeignete Mittel ist, um hier etwas zu beschleunigen, darf bezweifelt werden. (Unterschriften, Zeitpläne, und der nächste Brandbrief)
Washington Post: Sorge vor linker Ideologie eröffnet neuen Markt für konservative Privatschulen in den USA. Ein Beispiel ist das Exodus Institute, das 200 Schüler besuchen. Gründerin Kali Fontanilla und ihr Partner arbeiteten früher für eine öffentliche Schule, verließen dann aber den Schuldienst, um ihre eigene Privatschule zu gründen – frei von linker Ideologie, die sie staatlichen Lehrkräften unterstellen. Das selbsternannte Ziel laut Homepage: “Aufdeckung woker Lügen” . Ihre Zielgruppe: Eltern, die besorgt sind, wenn ihre Kinder etwa in Critical Race Theory unterrichtet werden. Interessenten erreichen sie vor allem über die sozialen Medien, Hunderttausende folgen ihnen. (They quit liberal public schools. Now they teach kids to be anti-‘woke.’)
Kölner Stadtanzeiger: Digitalpakt scheitert an zu langsamer Umsetzung. Der Digitalpakt sieht vor, dass die durch ihn finanzierten Maßnahmen fristgerecht umgesetzt werden, sonst können die Mittel verfallen. Doch die Einhaltung der Fristen droht mancherorts zu scheitern. In Köln können wohl nur 24 von 60 zu modernisierenden Schulen fristgerecht verkabelt werden – der Grundbaustein für die Digitalisierung. Und auch die WLAN-Ausstattung könnte scheitern. Eine Verschiebung der Frist auf 2025 würde nicht ausreichen, um zeitkritische Maßnahmen rechtzeitig umzusetzen. (Köln kann Förderung für die Digitalisierung an Schulen nicht ausschöpfen)
SWR: G8-Abitur führt zu mehr Stress. Schüler, die nach zwölf Jahren ihr Abitur absolvieren, müssen die gleiche Menge an Unterrichtsthemen behandeln. Das schnellere Abitur führt aber zu einer größeren psychischen Belastung. Sie haben weniger Zeit für Sport oder Freunde aufgrund längerer Schultage. Und die Hoffnung, durch G8 junge Menschen früher auf den Arbeitsmarkt und an die Universität zu bringen, hat sich nicht erfüllt. Tatsächlich studieren sie seltener. Und sie schließen ihr Studium nicht früher ab, da sie häufiger ihr Studienfach wechseln oder das Studium als Ganzes abbrechen. (G8 versus G9 – welcher Weg zum Abitur ist besser?)