Table.Briefing: Bildung

Mitbestimmung in Kitas + (Vor-)Lesen für die Demokratie + Leopoldina zu Selbstregulation

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Zeiten von Lehrkräfte- und Erziehermangel kann die Frage nach der Qualität von Bildung schnell unter den Tisch fallen. Dass das fatal ist, da Kitas und Ganztagsbetreuung inzwischen Aufgaben übernehmen, die früher noch mehr bei Familien lagen, zeigt Vera Kraft in ihrer Analyse für dieses Briefing. Sie beleuchtet, wieso Experten die Förderung von Partizipation schon in der Kita – und auch in Zeiten des personellen Notstands – für essenziell halten und gibt dabei Einblick in ein Praxis-Projekt.

Notstand herrscht auch beim Wohlbefinden vieler junger Menschen. Stresserleben und Belastungen nehmen zu. Dazu hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie beigetragen, aber auch neue digitale Technologien, Kriege und Krisen tun ihr Übriges. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat sich vor diesem Hintergrund zwei Jahre lang der Frage gewidmet, wie die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, jungen Menschen helfen könnte. Diese zweite Analyse können Sie heute ab 10.30 Uhr hier lesen. Dann erst endet die Sperrfrist der Stellungnahme.

Empfehlen möchte ich Ihnen auch unseren Standpunkt von Simone C. Ehmig, der Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Sie beleuchtet darin, welch zentrale Funktion das Vorlesen in unserer Gesellschaft hat. Und schreibt, Lesekompetenz sei nicht weniger als “die Grundlage für politische Partizipation”.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre!

Ihre
Anna Parrisius
Bild von Anna  Parrisius

Analyse

Partizipation: Warum Kitas einen Teil der Familien ersetzen müssen

Kinder sind in Deutschland eine Minderheit. “Junge Generationen wachsen in einer alternden Gesellschaft auf. Das heißt: Kindgerechte Räume werden immer seltener“, sagte Aladin El-Mafalaani, Professor für Migrations- und Bildungssoziologie an der Technischen Universität Dortmund, bei einer Fachtagung zum Thema Demokratie und Vielfalt in Kindertagesstätten vergangene Woche. Umso wichtiger ist daher eine angemessene Gestaltung der Räume, in denen sich die Kinder einen Großteil ihrer Zeit aufhalten.

Angesichts des Personalnotstands in den Kitas ist das aber leichter gesagt als getan. Zu häufig fehlt den Kindern eine Bezugsperson, an die sie sich vertrauensvoll wenden können und zu selten können Kinder mitentscheiden. “Oft entsteht bei Kindern daher der Eindruck, ihre Interessen spielen keine Rolle”, sagt El-Mafaalani. Die Möglichkeit, mitgestalten zu können, sei aber wichtig, um Selbstwirksamkeit zu erfahren.

Angesichts der existentiellen Krisen, die auch Erwachsene lähmen und überfordern, ist Partizipation unabdingbar für das Wohlbefinden von Kindern, sagt der Bildungsforscher. Noch dazu können Kinder, die sich wohlfühlen, besser ihre Fähigkeiten entwickeln.

Praxis-Projekt: Kinderrechte im Kita-Alltag

Kinder frühzeitig einzubinden, ist auch das Ziel des trägerübergreifenden Projekts “Gute Kitas leben Kinderrechte”. 282 Einrichtungen der insgesamt fünf Berliner Eigenbetriebe nehmen daran teil. Zusammen mit der Pro Inklusio Fachschule für Sozialpädagogik sollen die Kita-Fachkräfte in einem dreijährigen Prozess pädagogische Leitfäden, sogenannte Bausteine, entwickeln. Diese sollen den Mitarbeitenden helfen, Kinderrechte als verbindlichen Qualitätsstandard in den Kitas umzusetzen und im Alltag zu leben.

“Beteiligung lernt man durch Beteiligung”, sagte Sabine Radtke, Pädagogische Geschäftsleitung der Kindergärten NordOst, die zu den fünf Berliner Eigenbetrieben gehören. Daher sei das Programm nicht “von oben” vorgegeben, sondern beziehe sowohl die Mitarbeiter als auch die Kinder aktiv ein, erklärte sie bei der Vorstellung des Projekts vergangene Woche.

Ganz gleich, ob es darum geht, wann ein Kind Mittagsschlaf macht, ob es eine Matschhose zum Spielen anzieht oder ob es mitbestimmen darf, was es zu essen gibt – die Bausteine sollen für verschiedene Alltagssituationen konkrete Handlungsempfehlungen und Impulse geben. Zudem gibt es für die Fachkräfte Fragen, um das eigene Verhalten zu reflektieren.

Kinder zu Entscheidungen befähigen

“Erzieher sollten nicht alles vorbestimmen”, sagte Sozialpädagoge Rüdiger Hansen vom Institut für Partizipation und Bildung in Kiel bei der Auftaktveranstaltung. Manchmal brauche es zwar festgelegte Regeln. Oft sei es aber sinnvoll, Kinder in Entscheidungen einzubeziehen. “Dafür muss man sie allerdings mit den nötigen Informationen und Erfahrungen ausstatten“, sagt Hansen. Bei der Frage nach dem Essenswunsch könne es beispielsweise helfen, den Kindern ein Foto des Gerichts zu zeigen oder sie probieren zu lassen.

Fachkräfte müssen hier eine Balance finden, um den drei Säulen, auf denen die Kinderrechte gebaut sind, gerecht zu werden.

  • Participation (Teilhabe): Kinder haben das Recht, ihre Meinung zu äußern und aktiv an Entscheidungen teilzunehmen, die sie betreffen.
  • Protection (Schutz): Kinder müssen vor Missbrauch und Ausbeutung geschützt werden, sowohl in familiären als auch in institutionellen Kontexten.
  • Provision (Versorgung): Kinder haben das Recht auf Zugang zu Ressourcen wie Bildung, Nahrung und Gesundheit.

Partizipation setzt Inklusion voraus

Gleichzeitig müsse man “kritisch schauen, dass Partizipation inklusiv ausgerichtet ist”, sagte die Sozialwissenschaftlerin Seyran Bostancı auf der Fachtagung zu Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung. Bostancı forscht unter anderem zu Rassismus in der Kita und beobachtet, wie Familien durch diskriminierende Annahmen, Materialien und Routinen Rassismus erfahren.

“Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung braucht Wissen“, sagt die Rassismusforscherin. Es brauche daher mehr Fortbildungen für die Kita-Fachkräfte. Zudem könnten beispielsweise diskriminierungssensible Spielsachen den Kindern helfen, die Kita stärker als sicheren Ort für sich zu erleben. Doch auch institutionell müsse sich etwas ändern, sagt Bostancı. Denn wer einen türkisch- und keinen deutsch-klingenden Nachnamen hat, ist bei der Vergabe eines Betreuungsplatzes oft benachteiligt.

Institutionen haben mehr Verantwortung als früher

“Es ist wichtig, die Ressourcen für Fortbildungen für das gesamte Team bereitzustellen”, sagt die Pädagogische Geschäftsleiterin Radtke. Für langfristige Effekte brauche es aber eine kontinuierliche Begleitung in der Praxis – und im besten Fall einheitliche und verbindliche Qualitätsstandards. “Ich hoffe immer noch auf ein neues Kita-Qualitätsgesetz“, sagt Radtke.

Qualität ist auch das Schlagwort, auf das der Soziologe El-Mafaalani in seinem Vortrag setzt. Und: “Bildungseinrichtungen müssen stärker Verantwortung übernehmen.” Familienmodelle hätten sich gewandelt und Kinder würden mehr Zeit in Kitas und Ganztagsbetreuung verbringen. Die Institutionen müssten daher Funktionen übernehmen, die früher bei Familien – meist den Müttern – lagen.

Dabei gehe es nicht nur darum, Familien zu entlasten. Die ersten Lebensjahre sind entscheidend, um “Grundlagen für zukünftige Fähigkeiten, Wohlbefinden und Lernen” zu schaffen. Das ist auch eine zentrale These des am Dienstag erschienene OECD-Berichts. Insbesondere bei Kindern, deren Eltern weniger stark unterstützen können, sind es die Institutionen, die ihnen gesellschaftliche Teilhabe und Bildungschancen ermöglichen. Und obwohl Kitas aktuell vor großen Herausforderungen stehen, herrschte auf den Fachtagen doch große Einigkeit: “Wir können nicht erst mit Partizipation beginnen, wenn optimale Bedingungen herrschen.”

  • Bildung
  • Bildungspolitik
  • Demokratie
  • Fachkräftemangel
  • Inklusion
  • Kita-Qualitätsgesetz
  • Kitas
  • Rassismus
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Standpunkt

Frühe Bildung: Die Demokratie lebt auch vom (Vor-)Lesen

Simone C. Ehmig leitet bei der Stiftung Lesen das Institut für Lese- und Medienforschung

Mehr als jede achte erwachsene Person in Deutschland kann nicht gut lesen und schreiben. Fehlende Lesefähigkeiten haben Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Beteiligung. Menschen mit geringer Literalität interessieren sich seltener für politische Themen und Inhalte und konsumieren weniger Nachrichten als Erwachsene, die gut lesen und schreiben können. Sie gehen seltener wählen und sind auch seltener freiwillig engagiert.

Wenn Menschen Informationen nicht ausreichend verstehen und einordnen können, macht sie das anfällig gegenüber einseitiger, manipulativer Darstellung und Falschinformationen. Dagegen lässt sich etwas tun. Denn die Weichen für gute Lesefähigkeit werden schon in der frühen Kindheit gestellt, lange vor dem Lernen in Kita und Schule.

Gut einem Drittel der Kinder wird zuhause kaum oder gar nicht vorgelesen

Studien zeigen, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, bereits früher als Kinder ohne diesen Impuls einen großen Wortschatz haben. Sie lernen leichter lesen und haben später im Durchschnitt bessere Noten in der Schule. Trotzdem wird gut einem Drittel der Kinder zuhause nicht oder nur selten vorgelesen. Damit ist nicht nur die Vermittlung von Geschichten gemeint, sondern auch die sprachliche Anregung, die beim Austausch und dem Einbezug des Alltags erfolgt. 

Vorlesen schafft deshalb nicht nur Voraussetzungen für gute Sprach- und Lesefähigkeiten, sondern auch für die Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Kompetenzen: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, entwickeln besonders häufig Sensibilität, Empathie und Interesse für andere. Kein Wunder, dass sie sich selbst sehr oft als Vertrauenspersonen für andere wahrnehmen. Gerade die sozial-emotionalen Einflüsse des Vorlesens in einer immer stärker individualistisch geprägten Gesellschaft sollten nicht unterschätzt werden.

Alle Kinder brauchen Zugänge zu Lesemedien und zum Lesen – Geschichten machen Spaß und motivieren zum (Weiter-)Lesen und lassen sich beim Vorlesen gut in den Alltag integrieren. So werden die Grundlagen für individuelles, gesellschaftlich und politisch verantwortliches Handeln geschaffen, die das ganze Leben prägen. Erwachsene müssen durch barrierefreie Angebote und Grundbildungsmöglichkeiten zu politischer Teilhabe und verantwortlichem Handeln befähigt und ermutigt werden.

Lesen Sie auch: Schulbibliotheken – Schwedens neuer Plan zur Leseförderung

Wir müssen den Begriff des Lesens weiten

Gesamtgesellschaftlich müssen wir den meist auf Bücher und Literatur konzentrierten Begriff von Lesen weiten und klarer denn je alltagsbezogene, gesellschaftlich und politisch relevante Lesepraktiken ernst nehmen. Es muss eine Akzeptanz dafür geben, dass Informationssuche im Netz vor dem Arztbesuch oder zur Reiseplanung, Kurznachrichten über Social-Media-Kanäle, Leseanforderungen auf Bahnhofsanzeigen, Fahrkartenautomaten und Hinweisschildern lebensweltlich wichtige Praktiken sind, zu denen Menschen grundlegende Kompetenzen benötigen. Lesen ist nicht nur ein schönes intellektuelles Hobby derjenigen, die gut und gern zum Vergnügen lesen. Lesen ist primär Voraussetzung für elementare Lebensvollzüge im Privaten und die gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen.

Literale Fähigkeiten, allen voran das Lesen, sind heute so bedeutend wie nie: Clickbait-Headlines, populistische Überspitzung, Krieg und Katastrophen – wer Nachrichten konsumiert, gewinnt schnell den Eindruck, dass die Welt brennt. Dazu kommen politische Entscheidungen mit unmittelbarer Auswirkung auf das eigene Leben. Komplexe Themen wie neue Heizungsgesetze oder steuerpflichtige Rentenerhöhungen erfordern, dass betroffene Personen sich intensiv informieren und mit Regelungen und Fakten auseinandersetzen. Und das unabhängig von Einkommen, Bildungsstand oder politischem Interesse. Aber wie soll das funktionieren, wenn die Lesefähigkeit nicht ausreicht, um wichtige Information von unwichtigen zu entscheiden?

Was uns die Corona-Pandemie gezeigt hat

Um zu verstehen, wie drastisch sich mangelnde Lesekompetenz auf Individuen und Gesellschaft auswirkt, lohnt sich ein Blick zurück auf die Corona-Pandemie: Besonders formal gering gebildete Bevölkerungsgruppen waren mit der Fülle und der Komplexität von Information überfordert. Rund 61 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe gaben an, Informationen im Zusammenhang mit Corona nicht auf ihre Richtigkeit bewerten zu können. 

40 Prozent empfanden die Informationstexte als zu lang, zu anstrengend und zu kompliziert. Personen, die Lesen als anstrengend empfinden, stimmten sogar zu 61 Prozent dieser Aussage zu. Teils lebenswichtige Informationen zu Corona waren in dieser Bevölkerungsgruppe nur jeder zweiten Person gut zugänglich. In einer Gesellschaft, in der rund 12 Prozent der Deutsch sprechenden Erwachsenen nicht richtig lesen und schreiben können, betrifft das circa 6,2 Millionen Menschen – nicht Deutsch sprechende Menschen nicht eingerechnet. 

Dabei ist genau das die Grundlage für politische Partizipation: Informationen finden, bewerten und für die eigene Situation deuten zu können. Wer lesen kann, ist hier klar im Vorteil.

Simone C. Ehmig leitet seit 2009 das Institut für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist sie Ho­no­rar­pro­fes­so­rin für Pu­bli­zi­stik­wissenschaft.


Literaturhinweise:

  • Dutz, G. & Grotlüschen, A. (2020). Literalität, politikbezogene Praktiken und Grundkompetenzen. In A. Grotlüschen & K. Buddeberg (Hrsg.)
  • Niklas, F., Cohrssen, C., & Schneider, W. (2016). Erstes Vorlesen: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 30(1), 35-44.
  • Geis-Thöne, W. (2019). Tägliches (Vor-) Lesen steigert die schulischen Leistungen. Ergebnisse zu den längerfristigen Effekten auf Basis des Soziooekonomischen Panels (IW-Report 39/19). Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
  • Stiftung Lesen (2015). Vorlesestudie 2015. Vorlesen – Investition in Mitgefühl und solidarisches Handeln. Repräsentative Befragung von Kindern im Alter von 8 bis 12 Jahren und ihren Müttern.
  • Stiftung Lesen | AlphaDekade | Institut für Demoskopie Allensbach 2020 | Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 12028
  • LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität (287-322). wbv
  • Bildung
  • Bildungsforschung
  • Demokratie
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News

BIBB-Präsident: Warum es Kritik am Verfahren der Neubesetzung gibt

Der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser, soll am 30. Juni 2025 aus dem Amt scheiden. Das geht aus einer Antwort des BMBF auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor (zum Download). Den Prozess der Nachbesetzung habe das Ministerium bereits eingeleitet. Heute trifft sich nach Informationen von Table.Briefings zum ersten Mal ein Begleitgremium. Laut BMBF soll es “den gesamten Prozess beratend begleiten, dabei seine Perspektiven darlegen und Netzwerkkontakte einbringen können”. Die Sozialpartner hätten sich stattdessen eine Findungskommission mit mehr Einflussmöglichkeiten für die Sozialpartner gewünscht.

Dafür hatten sich im Juni Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) und Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in einem Brief an Bildungsministerin Stark-Watzinger ausgesprochen. Die Findungskommission solle Anforderungsprofil und Verfahren festlegen und die Benennung begleiten.

In dem vom BMBF nun eingerichteten Begleitgremium sitzen zwar laut Informationen von Table.Briefings je zwei Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, unter anderem Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, und Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Allerdings bleibt noch abzuwarten, wie viel Einfluss das Begleitgremium haben wird. Laut der Antwort des BMBF auf die Kleine Anfrage soll es “den gesamten Prozess beratend begleiten, dabei seine Perspektiven darlegen und Netzwerkkontakte einbringen können.”

Stephan Albani (CDU): BMBF verwalte Prozess “wenig ambitioniert”

Stephan Albani, Berichterstatter der Unionsfraktion im Bundestag für berufliche Bildung, sagte Table.Briefings: “Es entsteht derzeit leider der Eindruck, dass das BMBF die Wirkungsmöglichkeiten der Sozialpartner im Besetzungsverfahren bewusst einschränken will und den Prozess wenig ambitioniert verwaltet.” Die Neubesetzung des BIBB-Präsidenten sei gerade in Zeiten eines sich zuspitzenden Fachkräftewandels ein wichtiger Vorgang. “Eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung unseres dualen Ausbildungssystems gelingt nur in enger und konstruktiver Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern.”

Lesen Sie auch: Stephan Albani: Wie der CDU-Politiker berufliche Bildung stärken will

Uneinigkeit gab es bisher beim Profil des neuen Präsidenten, wie Table.Briefings erfuhr: Das BMBF habe vorgeschlagen, den neuen Präsidenten nicht nur wie bisher beim BIBB, sondern künftig auch an einer Hochschule anzusiedeln. In ihrem Brief an Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonten BDA-Präsident Rainer Dulger und DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi im Juni, das Präsidentenamt sei “kein wissenschaftliches, sondern ein politisches und administratives Amt.” Sie plädierten für “Nähe zur beruflichen Bildung, Managementkompetenz und Erfahrung im Umgang mit den diversen Stakeholdern der beruflichen Bildung.”

Das BIBB forscht im Auftrag des Bundesbildungsministeriums zur Berufsbildung, setzt Förderprojekte um und überarbeitet und entwickelt mit den Sozialpartnern die Ausbildungsberufe. Esser ist seit 2011 BIBB-Präsident. Vor seiner Präsidentschaft leitete er die Abteilung für Berufliche Bildung beim ZDH. Anna Parrisius

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  • Bundesinstitut für Berufsbildung
  • CDU/CSU
  • Sozialpartner

QuaMath: Wie viele Schulen beim Start in die Praxis dabei sind

Das Lehrerfortbildungsprogramm “QuaMathstartet in diesem Schuljahr mit fast 1.700 Schulen in die Praxis. Mit dem Programm soll die Qualität des Mathematikunterrichts von der frühkindlichen Bildung bis zum Abitur nachhaltig verbessert werden. Das Vorhaben trifft auf große Resonanz. Denn geplant war der Praxisstart nur mit 1.000 Schulen.

Stand jetzt beteiligen “sich bundesweit 6.155 Lehrkräfte an Kohorte 1 der Fortbildungen”, hieß auf Anfrage von Table.Briefings vonseiten der KMK. Bei der Auftaktveranstaltung zum Praxisstart im Saarland geben die Mathematik-Didaktiker Susanne Prediger und Lars Holzäpfel, die zum Projektleitungsteam gehören, heute mit zahlreichen weiteren Beteiligten Einblicke in das Programm und geplante nächste Schritte.

Der volle Titel des Programms lautet “QuaMath – Unterrichts- und Fortbildungs-Qualität in Mathematik entwickeln”. Das Zehnjahresprogramm des Deutschen Zentrums für Lehrkräftebildung Mathematik (DZLM), gefördert von der KMK, begann im Sommer 2023. 

Lesen Sie auch: QuaMath – Wie Schüler in Mathematik besser werden sollen

400 Multiplikatoren sollen die Fortbildungen anbieten

Im Mittelpunkt der ersten anderthalb Jahre stand die Basisqualifizierung von Multiplikatoren. Im Schuljahr 2023/24 hat das DZLM laut KMK 400 Multiplikatoren, also ausgewählte Lehrkräfte für Mathematik, qualifiziert. Für ihre Arbeit werden den Multiplikatoren fünf Stunden pro Woche angerechnet.

“Die Schulen arbeiten in Netzwerken und erhalten von den Multiplikatoren den Input und die Begleitung in den Distanz- und Reflexionsphasen”, sagt Mathematik-Professor Lars Holzäpfel Table.Briefings. Über ein Schuljahr hinweg gibt es sechs Präsenztermine, dazwischen können die Lehrkräfte ihr neu gewonnenes Wissen erproben. Später findet dazu im Schulnetzwerk ein Austausch statt.

Fünf Prinzipien für besseren Unterricht

Kern des Programms seien Holzäpfel zufolge fünf Qualitätsprinzipien. Auf dieser Basis sollen Lehrkräfte ihren Mathematik-Unterricht reflektieren und verbessern.

  • Kognitive Aktivierung
  • Verstehensorientierung
  • Kommunikationsförderung
  • Durchgängigkeit
  • Orientierung an den Lernenden und Adaptivität

In der zweiten Kohorte, ab dem Schuljahr 2025/26, sollen weitere 1.000 Schulen einsteigen können. An dem Fortbildungsprogramm nehmen außer Thüringen alle Bundesländer teil. Für die ersten fünfeinhalb Jahre beträgt die Fördersumme des Länderprogramms 17,6 Millionen Euro. Für die Koordination und für die Multiplikatoren investieren die Länder zusammen jährlich weitere 5,5 Millionen Euro. hsc/vkr

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  • Bildungsforschung
  • Bildungspolitik
  • Frühkindliche Bildung
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  • Lehrkräfte
  • Mathematik

Digitalpakt: Warum Kai Gehring die Haltung der Länder kritisiert

Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Bildungs- und Forschungsausschusses im Bundestag, kritisiert die Länder für ihr Verhalten in den Bund-Länder Verhandlungen zum Digitalpakt II deutlich. “Es gibt diesen Konflikt, weil die Länder nicht bereit sind, 50 Prozent der Mittel für Bund-Länder-Pakte auf den Weg zu bringen”, sagte Gehring Table.Briefings. Es sei seit zwei Jahren bekannt, “dass das BMBF nur noch fifty-fifty schlüsseln will”.

Die Haltung der Länder hatte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig in der Vorwoche klar formuliert: “Für die Länder kommt eine 50/50-Finanzierung nicht infrage“, sagte sie im Gespräch mit Table.Briefings.

Zudem hatten die Länder wissen lassen, dass die 2,5 Milliarden Euro-Offerte des Bundes für die Fortsetzung des Digitalpaktes weit unter ihren Erwartungen liege. Gehring zeigt dafür wenig Verständnis: “Da muss ich ehrlich sagen: Wenn über Monate gefordert wird, dass der Digitalpakt kommen muss und die Ministerin sagt, okay, 2,5 Milliarden gibt es vom Bund, dann finde ich den Aufschrei der Länder vermessen.”

In den Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern seien es stets 16 gegen 1, egal wer die Bundesbildungs- und -forschungsministerin stelle. Am 17. September wird es die nächste Verhandlungsrunde zwischen Bund und Ländern zum Digitalpakt geben. hsc/nik

Das ganze Interview mit Kai Gehring lesen Sie im Research.Table.

  • Bettina Stark-Watzinger
  • Bildungsföderalismus
  • Bildungspolitik
  • BMBF
  • Digitalpakt
  • Forschungsausschuss
  • KMK

Ba-Wü: Welche Folgen Kommunen wegen der Schulreform befürchten

Mit Beginn des neuen Schuljahres ist in Baden-Württemberg am Montag auch der letzte Jahrgang gestartet, der einen Werkrealschulabschluss ablegen kann. Die Gemeinden üben scharfe Kritik daran, dass die Werkrealschulen künftig nur noch den fünfjährigen Hauptschulabschluss anbieten sollen. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger sagte: “Ein großer Teil der 224 Werkrealschulstandorte wird sowohl hinsichtlich der dort erzielten pädagogischen Erfolge als auch im Hinblick auf die Schulraumressourcen dringend benötigt.”

Bereits in den vergangenen Jahren war die Zahl der Werkrealschulen zurückgegangen. Eine Herabstufung der Schulen zu reinen Hauptschulen dürfte deren Ausbluten bedeuten, befürchtet Verbandschef Jäger. Anmeldezahlen könnten zurückgehen und noch mehr Standorten die Schließung drohen, weil die Mindestanmeldezahlen nicht mehr gegeben sind.

Aus Sicht des Gemeindetags sind die Anmeldezahlen in der fünften Klasse nicht aussagekräftig, da viele Schüler erst später an die Werkrealschulen wechselten. “Häufig sind Werkrealschulen zwar in Klasse 5 einzügig, spätestens in Klasse 7 jedoch zweizügig.”

Verbünde im ländlichen Raum schwer möglich

Bestehende Werkrealschulen sollen als Standorte eigentlich erhalten bleiben und entweder Verbünde mit Realschulen oder Gemeinschaftsschulen eingehen oder sich zu solchen weiterentwickeln. Das wird aus Sicht des Gemeindetags im ländlichen Raum aber eher nicht helfen. “Die Möglichkeit, Verbünde von Werkrealschulen mit Real- oder Gemeinschaftsschulen zu gründen, wird im ländlichen Raum aufgrund der Distanzen in vielen Fällen eher nicht geeignet sein, um die Schulstandorte zu erhalten”, sagte Jäger.

Die grün-schwarze Koalition hatte sich im Kontext der Wiedereinführung von G9 darauf geeinigt, den Werkrealabschluss abzuschaffen – um das Schulsystem zu vereinfachen und die Attraktivität der die Sekundarschulen neben dem Gymnasium zu steigern.

Auch bei den Bildungsverbänden herrscht Unzufriedenheit: In einer gemeinsamen Pressemitteilung forderten am Montag GEW, VBE und andere eine “Enquête-Kommission Bildung”. Die Herausforderungen seien gewaltig und die Politik trage “durch unzureichende Vorbereitungszeiten und oftmals intransparente und nicht zu Ende gedachte Entscheidungen dazu bei, dass große Aufgaben mit zu wenig Unterstützung auf die Betroffenen zukommen.”

Letzter Abschluss im Schuljahr 2030/31

Die Werkrealschule neuen Typs hat Baden-Württemberg 2010/2011 eingeführt. Die Schüler können dort den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10 machen, zudem ist ein mittlerer Bildungsabschluss nach Klasse 10 möglich, der der Mittleren Reife gleichgestellt ist.

Im Schuljahr 2030/2031 soll dieser Abschluss laut Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) zum letzten Mal angeboten werden. Damit hätten Schülerinnen und Schüler des letzten Jahrgangs einmal die Möglichkeit, den Abschluss zu wiederholen. dpa/anpa

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  • Gymnasium
  • Hauptschule
  • Kommunen
  • Mittlerer Schulabschluss
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Best of Table

Research.Table: Sondersitzung zur Fördermittelaffäre: Warum Bettina Stark-Watzinger zum Problem für die Koalition wird. Keine neuen Erkenntnisse, dafür ein schwelender Koalitionskrach: Die Sondersitzung des Forschungsausschusses im BMBF ließ erneut viele Fragen zu den Vorgängen im BMBF offen. Warum die Ministerin mit ihrem Auftritt nicht nur die Opposition enttäuschte, lesen Sie hier.

Research.Table: Wie China bei Forschungskooperationen systematisch internationale Partner täuscht. US-Sicherheitsexperte Jeffrey Stoff ist bekannt für kritische Arbeiten zum chinesischen Wissenschaftssystem. In seinem neuen Report sammelt er fallbasierte Methoden, mit denen in China Militärverbindungen verschleiert und wissenschaftliche Leistungen aufgebauscht werden. Mehr lesen Sie hier.

Berlin.Table: Sachsens Grünen-Fraktionschefin: “So etwas hat es unter Demokraten noch nicht gegeben”. Gut eine Woche nach der Landtagswahl analysiert die Fraktionsvorsitzende von Sachsens Grünen den Wahlkampf, an dessen Ende feststeht: nach fünf Jahren Regierungsverantwortung verdammen 5,1 Prozent die Grünen zurück in die Opposition. Schwere Vorwürfe erhebt Franziska Schubert gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer. Auch von ihrer eigenen Partei hätte sie mehr erwartet. hier lesen.

Must-Reads

Spiegel: Gefahren von Elterntaxis. Bis zu 28 Prozent der Kinder werden mindestens dreimal die Woche von ihren Eltern zur Schule gefahren. Der Grund hierfür ist meist Zeitersparnis. Eltern fürchten durch das vermehrte Verkehrsaufkommen eine erhöhte Unfallgefahr. Der ADAC kritisiert, dass Kinder durch den Taxi-Service keine eigene Verkehrskompetenz entwickeln. Der Städtetag fordert bundesweite Lösungen, um beispielsweise Straßen vor der Schule temporär sperren zu können. (Jedes vierte Grundschulkind wird im »Elterntaxi« chauffiert

Dlf: Leistet Politikunterricht genug? Nine Gbur, Geschäftsführerin des Netzwerks für Demokratie und Courage in Sachsen, beobachtet ein erhöhtes Selbstbewusstsein bei Jugendlichen mit radikalen Positionen. Bildungsforscher Norbert Sendzik berichtet, es gebe in Sachsen und Thüringen besonders wenig Politikunterricht. Nach Anselm Cypionka, dem Vorsitzenden für politische Bildung in Thüringen, gelinge die Umsetzung von politischer Bildung als Querschnittsaufgabe nur begrenzt. (Jugendliche mit politischer Bildung aktivieren

SZ: Über das Zusammenspiel von Architektur und Pädagogik. Neu entstehende Schulgebäude sind meist steril und unkreativ, denn eine Vielzahl von Vorgaben schränkt Architekten ein. Im Idealfall sollte ein Schulgebäude jedoch verschiedene pädagogische Konzepte ermöglich – vom Klassenzimmer hin zum Rückzugsort. Mit einer Bedarfsanalyse können Architekten diese Anforderungen feststellen, dafür ist jedoch ein enger Austausch mit den Kommunen nötig. (Neue Schulen braucht das Land

Spiegel: Bildungsforscherin Silvia Annen über Bildungstrends. In den USA entscheiden sich immer mehr Jugendliche für eine Ausbildung. Von dieser versprächen sie sich berufliche und finanzielle Sicherheit. Die akademische Ausbildung an den Colleges sei zudem für viele zu teuer. Auch Influencer aus dem Handwerk könnten eine Rolle spielen. In Deutschland habe die Ausbildung jedoch weiterhin ein Imageproblem – insbesondere unter Gymnasiasten. (Strömt die Gen Z bald auch in Deutschland ins Handwerk, Frau Annen?

SZ: Erfahrungsberichte einer Rektorin vor dem Ruhestand. Meistens sind an ihrer Schule genug Lehrkräfte für den Unterricht. Doch sollten Kollegen aufgrund von Krankheit ausfallen, fällt es schwer, Ersatz zu finden. Für Nachmittagsangebote wie die Theater-AG gebe es ebenfalls keine Lehrer mehr. Die Konrektoren-Stelle sei schon lange unbesetzt – wie viele andere. Die soziale Kluft zwischen den Schülern habe zudem zugenommen. Die Schule könne nicht Probleme lösen, die eine gesamtgesellschaftliche Lösung bräuchten. (Frau Irles letzter Schultag

Termine

16. bis 17. September 2024, Steyr
Tagung Soziale Ungleichheit und Politische Bildung
Welchen Einfluss hat politische Bildung auf soziale Ungerechtigkeiten? Und welchen Einfluss haben soziale Ungerechtigkeiten wiederum auf politische Bildung? Die Interessengemeinschaft Politische Bildung diskutiert unter anderem diese Fragen auf ihrer Jahrestagung. INFOS & ANMELDUNG

21. September 2024, 9 Uhr bis 16 Uhr, Göttingen
Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft – Rolle und Finanzierung der Bildung in diesem Prozess Fachtagung
Der Fokus dieser Veranstaltung der AG Bildungsfinanzierung der GEW, des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik liegt auf der Unterfinanzierung des Bildungssystems. Vor welchen Schwierigkeiten die Bildung steht, ist das Thema verschiedener Vorträge. Eine Anmeldung ist noch bis zum 16. September möglich. INFOS & ANMELDUNG

19. bis 20. September 2024, Nürnberg
Tagung Bildungstransformation – zwischen Gestaltungswunsch, Steuerungsversuch und Wirklichkeit
Die Kommission Bildungsorganisation, Bildungsplanung, Bildungsrecht lädt zu Vorträgen und Workshops darüber, wie Transformationen im Bildungssystem aussehen können und sollten. In den Workshops werden verschiedene Transformationsstadien von der Ideensammlung bis zur Evaluation beleuchtet. Die Vorträge werfen unter anderem einen Blick darauf, inwieweit sich Erkenntnisse aus anderen Bildungssystemen auf das deutsche übertragen lassen. INFOS & ANMELDUNG

03. bis 04. Dezember 2024, Berlin
Konferenz Governance Forum BD
Das Forum Bildung Digitalisierung möchte verschiedenste Akteure aus dem Bildungssystem miteinander vernetzen, damit eine erfolgreiche Transformation des deutschen Bildungssystems gelingt. Schwerpunkte dieser Veranstaltung sind notwendigen Veränderungen in der Bildungsverwaltung und anderen Strukturen. Die Teilnehmerzahl ist stark begrenzt, weshalb eine rechtzeitige Anmeldung empfohlen wird. ANMELDUNG

Bildung.Table Redaktion

BILDUNG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in Zeiten von Lehrkräfte- und Erziehermangel kann die Frage nach der Qualität von Bildung schnell unter den Tisch fallen. Dass das fatal ist, da Kitas und Ganztagsbetreuung inzwischen Aufgaben übernehmen, die früher noch mehr bei Familien lagen, zeigt Vera Kraft in ihrer Analyse für dieses Briefing. Sie beleuchtet, wieso Experten die Förderung von Partizipation schon in der Kita – und auch in Zeiten des personellen Notstands – für essenziell halten und gibt dabei Einblick in ein Praxis-Projekt.

    Notstand herrscht auch beim Wohlbefinden vieler junger Menschen. Stresserleben und Belastungen nehmen zu. Dazu hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie beigetragen, aber auch neue digitale Technologien, Kriege und Krisen tun ihr Übriges. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat sich vor diesem Hintergrund zwei Jahre lang der Frage gewidmet, wie die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, jungen Menschen helfen könnte. Diese zweite Analyse können Sie heute ab 10.30 Uhr hier lesen. Dann erst endet die Sperrfrist der Stellungnahme.

    Empfehlen möchte ich Ihnen auch unseren Standpunkt von Simone C. Ehmig, der Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Sie beleuchtet darin, welch zentrale Funktion das Vorlesen in unserer Gesellschaft hat. Und schreibt, Lesekompetenz sei nicht weniger als “die Grundlage für politische Partizipation”.

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    Analyse

    Partizipation: Warum Kitas einen Teil der Familien ersetzen müssen

    Kinder sind in Deutschland eine Minderheit. “Junge Generationen wachsen in einer alternden Gesellschaft auf. Das heißt: Kindgerechte Räume werden immer seltener“, sagte Aladin El-Mafalaani, Professor für Migrations- und Bildungssoziologie an der Technischen Universität Dortmund, bei einer Fachtagung zum Thema Demokratie und Vielfalt in Kindertagesstätten vergangene Woche. Umso wichtiger ist daher eine angemessene Gestaltung der Räume, in denen sich die Kinder einen Großteil ihrer Zeit aufhalten.

    Angesichts des Personalnotstands in den Kitas ist das aber leichter gesagt als getan. Zu häufig fehlt den Kindern eine Bezugsperson, an die sie sich vertrauensvoll wenden können und zu selten können Kinder mitentscheiden. “Oft entsteht bei Kindern daher der Eindruck, ihre Interessen spielen keine Rolle”, sagt El-Mafaalani. Die Möglichkeit, mitgestalten zu können, sei aber wichtig, um Selbstwirksamkeit zu erfahren.

    Angesichts der existentiellen Krisen, die auch Erwachsene lähmen und überfordern, ist Partizipation unabdingbar für das Wohlbefinden von Kindern, sagt der Bildungsforscher. Noch dazu können Kinder, die sich wohlfühlen, besser ihre Fähigkeiten entwickeln.

    Praxis-Projekt: Kinderrechte im Kita-Alltag

    Kinder frühzeitig einzubinden, ist auch das Ziel des trägerübergreifenden Projekts “Gute Kitas leben Kinderrechte”. 282 Einrichtungen der insgesamt fünf Berliner Eigenbetriebe nehmen daran teil. Zusammen mit der Pro Inklusio Fachschule für Sozialpädagogik sollen die Kita-Fachkräfte in einem dreijährigen Prozess pädagogische Leitfäden, sogenannte Bausteine, entwickeln. Diese sollen den Mitarbeitenden helfen, Kinderrechte als verbindlichen Qualitätsstandard in den Kitas umzusetzen und im Alltag zu leben.

    “Beteiligung lernt man durch Beteiligung”, sagte Sabine Radtke, Pädagogische Geschäftsleitung der Kindergärten NordOst, die zu den fünf Berliner Eigenbetrieben gehören. Daher sei das Programm nicht “von oben” vorgegeben, sondern beziehe sowohl die Mitarbeiter als auch die Kinder aktiv ein, erklärte sie bei der Vorstellung des Projekts vergangene Woche.

    Ganz gleich, ob es darum geht, wann ein Kind Mittagsschlaf macht, ob es eine Matschhose zum Spielen anzieht oder ob es mitbestimmen darf, was es zu essen gibt – die Bausteine sollen für verschiedene Alltagssituationen konkrete Handlungsempfehlungen und Impulse geben. Zudem gibt es für die Fachkräfte Fragen, um das eigene Verhalten zu reflektieren.

    Kinder zu Entscheidungen befähigen

    “Erzieher sollten nicht alles vorbestimmen”, sagte Sozialpädagoge Rüdiger Hansen vom Institut für Partizipation und Bildung in Kiel bei der Auftaktveranstaltung. Manchmal brauche es zwar festgelegte Regeln. Oft sei es aber sinnvoll, Kinder in Entscheidungen einzubeziehen. “Dafür muss man sie allerdings mit den nötigen Informationen und Erfahrungen ausstatten“, sagt Hansen. Bei der Frage nach dem Essenswunsch könne es beispielsweise helfen, den Kindern ein Foto des Gerichts zu zeigen oder sie probieren zu lassen.

    Fachkräfte müssen hier eine Balance finden, um den drei Säulen, auf denen die Kinderrechte gebaut sind, gerecht zu werden.

    • Participation (Teilhabe): Kinder haben das Recht, ihre Meinung zu äußern und aktiv an Entscheidungen teilzunehmen, die sie betreffen.
    • Protection (Schutz): Kinder müssen vor Missbrauch und Ausbeutung geschützt werden, sowohl in familiären als auch in institutionellen Kontexten.
    • Provision (Versorgung): Kinder haben das Recht auf Zugang zu Ressourcen wie Bildung, Nahrung und Gesundheit.

    Partizipation setzt Inklusion voraus

    Gleichzeitig müsse man “kritisch schauen, dass Partizipation inklusiv ausgerichtet ist”, sagte die Sozialwissenschaftlerin Seyran Bostancı auf der Fachtagung zu Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung. Bostancı forscht unter anderem zu Rassismus in der Kita und beobachtet, wie Familien durch diskriminierende Annahmen, Materialien und Routinen Rassismus erfahren.

    “Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung braucht Wissen“, sagt die Rassismusforscherin. Es brauche daher mehr Fortbildungen für die Kita-Fachkräfte. Zudem könnten beispielsweise diskriminierungssensible Spielsachen den Kindern helfen, die Kita stärker als sicheren Ort für sich zu erleben. Doch auch institutionell müsse sich etwas ändern, sagt Bostancı. Denn wer einen türkisch- und keinen deutsch-klingenden Nachnamen hat, ist bei der Vergabe eines Betreuungsplatzes oft benachteiligt.

    Institutionen haben mehr Verantwortung als früher

    “Es ist wichtig, die Ressourcen für Fortbildungen für das gesamte Team bereitzustellen”, sagt die Pädagogische Geschäftsleiterin Radtke. Für langfristige Effekte brauche es aber eine kontinuierliche Begleitung in der Praxis – und im besten Fall einheitliche und verbindliche Qualitätsstandards. “Ich hoffe immer noch auf ein neues Kita-Qualitätsgesetz“, sagt Radtke.

    Qualität ist auch das Schlagwort, auf das der Soziologe El-Mafaalani in seinem Vortrag setzt. Und: “Bildungseinrichtungen müssen stärker Verantwortung übernehmen.” Familienmodelle hätten sich gewandelt und Kinder würden mehr Zeit in Kitas und Ganztagsbetreuung verbringen. Die Institutionen müssten daher Funktionen übernehmen, die früher bei Familien – meist den Müttern – lagen.

    Dabei gehe es nicht nur darum, Familien zu entlasten. Die ersten Lebensjahre sind entscheidend, um “Grundlagen für zukünftige Fähigkeiten, Wohlbefinden und Lernen” zu schaffen. Das ist auch eine zentrale These des am Dienstag erschienene OECD-Berichts. Insbesondere bei Kindern, deren Eltern weniger stark unterstützen können, sind es die Institutionen, die ihnen gesellschaftliche Teilhabe und Bildungschancen ermöglichen. Und obwohl Kitas aktuell vor großen Herausforderungen stehen, herrschte auf den Fachtagen doch große Einigkeit: “Wir können nicht erst mit Partizipation beginnen, wenn optimale Bedingungen herrschen.”

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    Standpunkt

    Frühe Bildung: Die Demokratie lebt auch vom (Vor-)Lesen

    Simone C. Ehmig leitet bei der Stiftung Lesen das Institut für Lese- und Medienforschung

    Mehr als jede achte erwachsene Person in Deutschland kann nicht gut lesen und schreiben. Fehlende Lesefähigkeiten haben Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Beteiligung. Menschen mit geringer Literalität interessieren sich seltener für politische Themen und Inhalte und konsumieren weniger Nachrichten als Erwachsene, die gut lesen und schreiben können. Sie gehen seltener wählen und sind auch seltener freiwillig engagiert.

    Wenn Menschen Informationen nicht ausreichend verstehen und einordnen können, macht sie das anfällig gegenüber einseitiger, manipulativer Darstellung und Falschinformationen. Dagegen lässt sich etwas tun. Denn die Weichen für gute Lesefähigkeit werden schon in der frühen Kindheit gestellt, lange vor dem Lernen in Kita und Schule.

    Gut einem Drittel der Kinder wird zuhause kaum oder gar nicht vorgelesen

    Studien zeigen, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, bereits früher als Kinder ohne diesen Impuls einen großen Wortschatz haben. Sie lernen leichter lesen und haben später im Durchschnitt bessere Noten in der Schule. Trotzdem wird gut einem Drittel der Kinder zuhause nicht oder nur selten vorgelesen. Damit ist nicht nur die Vermittlung von Geschichten gemeint, sondern auch die sprachliche Anregung, die beim Austausch und dem Einbezug des Alltags erfolgt. 

    Vorlesen schafft deshalb nicht nur Voraussetzungen für gute Sprach- und Lesefähigkeiten, sondern auch für die Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Kompetenzen: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, entwickeln besonders häufig Sensibilität, Empathie und Interesse für andere. Kein Wunder, dass sie sich selbst sehr oft als Vertrauenspersonen für andere wahrnehmen. Gerade die sozial-emotionalen Einflüsse des Vorlesens in einer immer stärker individualistisch geprägten Gesellschaft sollten nicht unterschätzt werden.

    Alle Kinder brauchen Zugänge zu Lesemedien und zum Lesen – Geschichten machen Spaß und motivieren zum (Weiter-)Lesen und lassen sich beim Vorlesen gut in den Alltag integrieren. So werden die Grundlagen für individuelles, gesellschaftlich und politisch verantwortliches Handeln geschaffen, die das ganze Leben prägen. Erwachsene müssen durch barrierefreie Angebote und Grundbildungsmöglichkeiten zu politischer Teilhabe und verantwortlichem Handeln befähigt und ermutigt werden.

    Lesen Sie auch: Schulbibliotheken – Schwedens neuer Plan zur Leseförderung

    Wir müssen den Begriff des Lesens weiten

    Gesamtgesellschaftlich müssen wir den meist auf Bücher und Literatur konzentrierten Begriff von Lesen weiten und klarer denn je alltagsbezogene, gesellschaftlich und politisch relevante Lesepraktiken ernst nehmen. Es muss eine Akzeptanz dafür geben, dass Informationssuche im Netz vor dem Arztbesuch oder zur Reiseplanung, Kurznachrichten über Social-Media-Kanäle, Leseanforderungen auf Bahnhofsanzeigen, Fahrkartenautomaten und Hinweisschildern lebensweltlich wichtige Praktiken sind, zu denen Menschen grundlegende Kompetenzen benötigen. Lesen ist nicht nur ein schönes intellektuelles Hobby derjenigen, die gut und gern zum Vergnügen lesen. Lesen ist primär Voraussetzung für elementare Lebensvollzüge im Privaten und die gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen.

    Literale Fähigkeiten, allen voran das Lesen, sind heute so bedeutend wie nie: Clickbait-Headlines, populistische Überspitzung, Krieg und Katastrophen – wer Nachrichten konsumiert, gewinnt schnell den Eindruck, dass die Welt brennt. Dazu kommen politische Entscheidungen mit unmittelbarer Auswirkung auf das eigene Leben. Komplexe Themen wie neue Heizungsgesetze oder steuerpflichtige Rentenerhöhungen erfordern, dass betroffene Personen sich intensiv informieren und mit Regelungen und Fakten auseinandersetzen. Und das unabhängig von Einkommen, Bildungsstand oder politischem Interesse. Aber wie soll das funktionieren, wenn die Lesefähigkeit nicht ausreicht, um wichtige Information von unwichtigen zu entscheiden?

    Was uns die Corona-Pandemie gezeigt hat

    Um zu verstehen, wie drastisch sich mangelnde Lesekompetenz auf Individuen und Gesellschaft auswirkt, lohnt sich ein Blick zurück auf die Corona-Pandemie: Besonders formal gering gebildete Bevölkerungsgruppen waren mit der Fülle und der Komplexität von Information überfordert. Rund 61 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe gaben an, Informationen im Zusammenhang mit Corona nicht auf ihre Richtigkeit bewerten zu können. 

    40 Prozent empfanden die Informationstexte als zu lang, zu anstrengend und zu kompliziert. Personen, die Lesen als anstrengend empfinden, stimmten sogar zu 61 Prozent dieser Aussage zu. Teils lebenswichtige Informationen zu Corona waren in dieser Bevölkerungsgruppe nur jeder zweiten Person gut zugänglich. In einer Gesellschaft, in der rund 12 Prozent der Deutsch sprechenden Erwachsenen nicht richtig lesen und schreiben können, betrifft das circa 6,2 Millionen Menschen – nicht Deutsch sprechende Menschen nicht eingerechnet. 

    Dabei ist genau das die Grundlage für politische Partizipation: Informationen finden, bewerten und für die eigene Situation deuten zu können. Wer lesen kann, ist hier klar im Vorteil.

    Simone C. Ehmig leitet seit 2009 das Institut für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist sie Ho­no­rar­pro­fes­so­rin für Pu­bli­zi­stik­wissenschaft.


    Literaturhinweise:

    • Dutz, G. & Grotlüschen, A. (2020). Literalität, politikbezogene Praktiken und Grundkompetenzen. In A. Grotlüschen & K. Buddeberg (Hrsg.)
    • Niklas, F., Cohrssen, C., & Schneider, W. (2016). Erstes Vorlesen: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 30(1), 35-44.
    • Geis-Thöne, W. (2019). Tägliches (Vor-) Lesen steigert die schulischen Leistungen. Ergebnisse zu den längerfristigen Effekten auf Basis des Soziooekonomischen Panels (IW-Report 39/19). Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
    • Stiftung Lesen (2015). Vorlesestudie 2015. Vorlesen – Investition in Mitgefühl und solidarisches Handeln. Repräsentative Befragung von Kindern im Alter von 8 bis 12 Jahren und ihren Müttern.
    • Stiftung Lesen | AlphaDekade | Institut für Demoskopie Allensbach 2020 | Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 12028
    • LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität (287-322). wbv
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    News

    BIBB-Präsident: Warum es Kritik am Verfahren der Neubesetzung gibt

    Der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser, soll am 30. Juni 2025 aus dem Amt scheiden. Das geht aus einer Antwort des BMBF auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor (zum Download). Den Prozess der Nachbesetzung habe das Ministerium bereits eingeleitet. Heute trifft sich nach Informationen von Table.Briefings zum ersten Mal ein Begleitgremium. Laut BMBF soll es “den gesamten Prozess beratend begleiten, dabei seine Perspektiven darlegen und Netzwerkkontakte einbringen können”. Die Sozialpartner hätten sich stattdessen eine Findungskommission mit mehr Einflussmöglichkeiten für die Sozialpartner gewünscht.

    Dafür hatten sich im Juni Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) und Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in einem Brief an Bildungsministerin Stark-Watzinger ausgesprochen. Die Findungskommission solle Anforderungsprofil und Verfahren festlegen und die Benennung begleiten.

    In dem vom BMBF nun eingerichteten Begleitgremium sitzen zwar laut Informationen von Table.Briefings je zwei Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, unter anderem Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, und Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Allerdings bleibt noch abzuwarten, wie viel Einfluss das Begleitgremium haben wird. Laut der Antwort des BMBF auf die Kleine Anfrage soll es “den gesamten Prozess beratend begleiten, dabei seine Perspektiven darlegen und Netzwerkkontakte einbringen können.”

    Stephan Albani (CDU): BMBF verwalte Prozess “wenig ambitioniert”

    Stephan Albani, Berichterstatter der Unionsfraktion im Bundestag für berufliche Bildung, sagte Table.Briefings: “Es entsteht derzeit leider der Eindruck, dass das BMBF die Wirkungsmöglichkeiten der Sozialpartner im Besetzungsverfahren bewusst einschränken will und den Prozess wenig ambitioniert verwaltet.” Die Neubesetzung des BIBB-Präsidenten sei gerade in Zeiten eines sich zuspitzenden Fachkräftewandels ein wichtiger Vorgang. “Eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung unseres dualen Ausbildungssystems gelingt nur in enger und konstruktiver Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern.”

    Lesen Sie auch: Stephan Albani: Wie der CDU-Politiker berufliche Bildung stärken will

    Uneinigkeit gab es bisher beim Profil des neuen Präsidenten, wie Table.Briefings erfuhr: Das BMBF habe vorgeschlagen, den neuen Präsidenten nicht nur wie bisher beim BIBB, sondern künftig auch an einer Hochschule anzusiedeln. In ihrem Brief an Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonten BDA-Präsident Rainer Dulger und DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi im Juni, das Präsidentenamt sei “kein wissenschaftliches, sondern ein politisches und administratives Amt.” Sie plädierten für “Nähe zur beruflichen Bildung, Managementkompetenz und Erfahrung im Umgang mit den diversen Stakeholdern der beruflichen Bildung.”

    Das BIBB forscht im Auftrag des Bundesbildungsministeriums zur Berufsbildung, setzt Förderprojekte um und überarbeitet und entwickelt mit den Sozialpartnern die Ausbildungsberufe. Esser ist seit 2011 BIBB-Präsident. Vor seiner Präsidentschaft leitete er die Abteilung für Berufliche Bildung beim ZDH. Anna Parrisius

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    QuaMath: Wie viele Schulen beim Start in die Praxis dabei sind

    Das Lehrerfortbildungsprogramm “QuaMathstartet in diesem Schuljahr mit fast 1.700 Schulen in die Praxis. Mit dem Programm soll die Qualität des Mathematikunterrichts von der frühkindlichen Bildung bis zum Abitur nachhaltig verbessert werden. Das Vorhaben trifft auf große Resonanz. Denn geplant war der Praxisstart nur mit 1.000 Schulen.

    Stand jetzt beteiligen “sich bundesweit 6.155 Lehrkräfte an Kohorte 1 der Fortbildungen”, hieß auf Anfrage von Table.Briefings vonseiten der KMK. Bei der Auftaktveranstaltung zum Praxisstart im Saarland geben die Mathematik-Didaktiker Susanne Prediger und Lars Holzäpfel, die zum Projektleitungsteam gehören, heute mit zahlreichen weiteren Beteiligten Einblicke in das Programm und geplante nächste Schritte.

    Der volle Titel des Programms lautet “QuaMath – Unterrichts- und Fortbildungs-Qualität in Mathematik entwickeln”. Das Zehnjahresprogramm des Deutschen Zentrums für Lehrkräftebildung Mathematik (DZLM), gefördert von der KMK, begann im Sommer 2023. 

    Lesen Sie auch: QuaMath – Wie Schüler in Mathematik besser werden sollen

    400 Multiplikatoren sollen die Fortbildungen anbieten

    Im Mittelpunkt der ersten anderthalb Jahre stand die Basisqualifizierung von Multiplikatoren. Im Schuljahr 2023/24 hat das DZLM laut KMK 400 Multiplikatoren, also ausgewählte Lehrkräfte für Mathematik, qualifiziert. Für ihre Arbeit werden den Multiplikatoren fünf Stunden pro Woche angerechnet.

    “Die Schulen arbeiten in Netzwerken und erhalten von den Multiplikatoren den Input und die Begleitung in den Distanz- und Reflexionsphasen”, sagt Mathematik-Professor Lars Holzäpfel Table.Briefings. Über ein Schuljahr hinweg gibt es sechs Präsenztermine, dazwischen können die Lehrkräfte ihr neu gewonnenes Wissen erproben. Später findet dazu im Schulnetzwerk ein Austausch statt.

    Fünf Prinzipien für besseren Unterricht

    Kern des Programms seien Holzäpfel zufolge fünf Qualitätsprinzipien. Auf dieser Basis sollen Lehrkräfte ihren Mathematik-Unterricht reflektieren und verbessern.

    • Kognitive Aktivierung
    • Verstehensorientierung
    • Kommunikationsförderung
    • Durchgängigkeit
    • Orientierung an den Lernenden und Adaptivität

    In der zweiten Kohorte, ab dem Schuljahr 2025/26, sollen weitere 1.000 Schulen einsteigen können. An dem Fortbildungsprogramm nehmen außer Thüringen alle Bundesländer teil. Für die ersten fünfeinhalb Jahre beträgt die Fördersumme des Länderprogramms 17,6 Millionen Euro. Für die Koordination und für die Multiplikatoren investieren die Länder zusammen jährlich weitere 5,5 Millionen Euro. hsc/vkr

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    Digitalpakt: Warum Kai Gehring die Haltung der Länder kritisiert

    Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Bildungs- und Forschungsausschusses im Bundestag, kritisiert die Länder für ihr Verhalten in den Bund-Länder Verhandlungen zum Digitalpakt II deutlich. “Es gibt diesen Konflikt, weil die Länder nicht bereit sind, 50 Prozent der Mittel für Bund-Länder-Pakte auf den Weg zu bringen”, sagte Gehring Table.Briefings. Es sei seit zwei Jahren bekannt, “dass das BMBF nur noch fifty-fifty schlüsseln will”.

    Die Haltung der Länder hatte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig in der Vorwoche klar formuliert: “Für die Länder kommt eine 50/50-Finanzierung nicht infrage“, sagte sie im Gespräch mit Table.Briefings.

    Zudem hatten die Länder wissen lassen, dass die 2,5 Milliarden Euro-Offerte des Bundes für die Fortsetzung des Digitalpaktes weit unter ihren Erwartungen liege. Gehring zeigt dafür wenig Verständnis: “Da muss ich ehrlich sagen: Wenn über Monate gefordert wird, dass der Digitalpakt kommen muss und die Ministerin sagt, okay, 2,5 Milliarden gibt es vom Bund, dann finde ich den Aufschrei der Länder vermessen.”

    In den Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern seien es stets 16 gegen 1, egal wer die Bundesbildungs- und -forschungsministerin stelle. Am 17. September wird es die nächste Verhandlungsrunde zwischen Bund und Ländern zum Digitalpakt geben. hsc/nik

    Das ganze Interview mit Kai Gehring lesen Sie im Research.Table.

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    Ba-Wü: Welche Folgen Kommunen wegen der Schulreform befürchten

    Mit Beginn des neuen Schuljahres ist in Baden-Württemberg am Montag auch der letzte Jahrgang gestartet, der einen Werkrealschulabschluss ablegen kann. Die Gemeinden üben scharfe Kritik daran, dass die Werkrealschulen künftig nur noch den fünfjährigen Hauptschulabschluss anbieten sollen. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger sagte: “Ein großer Teil der 224 Werkrealschulstandorte wird sowohl hinsichtlich der dort erzielten pädagogischen Erfolge als auch im Hinblick auf die Schulraumressourcen dringend benötigt.”

    Bereits in den vergangenen Jahren war die Zahl der Werkrealschulen zurückgegangen. Eine Herabstufung der Schulen zu reinen Hauptschulen dürfte deren Ausbluten bedeuten, befürchtet Verbandschef Jäger. Anmeldezahlen könnten zurückgehen und noch mehr Standorten die Schließung drohen, weil die Mindestanmeldezahlen nicht mehr gegeben sind.

    Aus Sicht des Gemeindetags sind die Anmeldezahlen in der fünften Klasse nicht aussagekräftig, da viele Schüler erst später an die Werkrealschulen wechselten. “Häufig sind Werkrealschulen zwar in Klasse 5 einzügig, spätestens in Klasse 7 jedoch zweizügig.”

    Verbünde im ländlichen Raum schwer möglich

    Bestehende Werkrealschulen sollen als Standorte eigentlich erhalten bleiben und entweder Verbünde mit Realschulen oder Gemeinschaftsschulen eingehen oder sich zu solchen weiterentwickeln. Das wird aus Sicht des Gemeindetags im ländlichen Raum aber eher nicht helfen. “Die Möglichkeit, Verbünde von Werkrealschulen mit Real- oder Gemeinschaftsschulen zu gründen, wird im ländlichen Raum aufgrund der Distanzen in vielen Fällen eher nicht geeignet sein, um die Schulstandorte zu erhalten”, sagte Jäger.

    Die grün-schwarze Koalition hatte sich im Kontext der Wiedereinführung von G9 darauf geeinigt, den Werkrealabschluss abzuschaffen – um das Schulsystem zu vereinfachen und die Attraktivität der die Sekundarschulen neben dem Gymnasium zu steigern.

    Auch bei den Bildungsverbänden herrscht Unzufriedenheit: In einer gemeinsamen Pressemitteilung forderten am Montag GEW, VBE und andere eine “Enquête-Kommission Bildung”. Die Herausforderungen seien gewaltig und die Politik trage “durch unzureichende Vorbereitungszeiten und oftmals intransparente und nicht zu Ende gedachte Entscheidungen dazu bei, dass große Aufgaben mit zu wenig Unterstützung auf die Betroffenen zukommen.”

    Letzter Abschluss im Schuljahr 2030/31

    Die Werkrealschule neuen Typs hat Baden-Württemberg 2010/2011 eingeführt. Die Schüler können dort den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10 machen, zudem ist ein mittlerer Bildungsabschluss nach Klasse 10 möglich, der der Mittleren Reife gleichgestellt ist.

    Im Schuljahr 2030/2031 soll dieser Abschluss laut Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) zum letzten Mal angeboten werden. Damit hätten Schülerinnen und Schüler des letzten Jahrgangs einmal die Möglichkeit, den Abschluss zu wiederholen. dpa/anpa

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    Best of Table

    Research.Table: Sondersitzung zur Fördermittelaffäre: Warum Bettina Stark-Watzinger zum Problem für die Koalition wird. Keine neuen Erkenntnisse, dafür ein schwelender Koalitionskrach: Die Sondersitzung des Forschungsausschusses im BMBF ließ erneut viele Fragen zu den Vorgängen im BMBF offen. Warum die Ministerin mit ihrem Auftritt nicht nur die Opposition enttäuschte, lesen Sie hier.

    Research.Table: Wie China bei Forschungskooperationen systematisch internationale Partner täuscht. US-Sicherheitsexperte Jeffrey Stoff ist bekannt für kritische Arbeiten zum chinesischen Wissenschaftssystem. In seinem neuen Report sammelt er fallbasierte Methoden, mit denen in China Militärverbindungen verschleiert und wissenschaftliche Leistungen aufgebauscht werden. Mehr lesen Sie hier.

    Berlin.Table: Sachsens Grünen-Fraktionschefin: “So etwas hat es unter Demokraten noch nicht gegeben”. Gut eine Woche nach der Landtagswahl analysiert die Fraktionsvorsitzende von Sachsens Grünen den Wahlkampf, an dessen Ende feststeht: nach fünf Jahren Regierungsverantwortung verdammen 5,1 Prozent die Grünen zurück in die Opposition. Schwere Vorwürfe erhebt Franziska Schubert gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer. Auch von ihrer eigenen Partei hätte sie mehr erwartet. hier lesen.

    Must-Reads

    Spiegel: Gefahren von Elterntaxis. Bis zu 28 Prozent der Kinder werden mindestens dreimal die Woche von ihren Eltern zur Schule gefahren. Der Grund hierfür ist meist Zeitersparnis. Eltern fürchten durch das vermehrte Verkehrsaufkommen eine erhöhte Unfallgefahr. Der ADAC kritisiert, dass Kinder durch den Taxi-Service keine eigene Verkehrskompetenz entwickeln. Der Städtetag fordert bundesweite Lösungen, um beispielsweise Straßen vor der Schule temporär sperren zu können. (Jedes vierte Grundschulkind wird im »Elterntaxi« chauffiert

    Dlf: Leistet Politikunterricht genug? Nine Gbur, Geschäftsführerin des Netzwerks für Demokratie und Courage in Sachsen, beobachtet ein erhöhtes Selbstbewusstsein bei Jugendlichen mit radikalen Positionen. Bildungsforscher Norbert Sendzik berichtet, es gebe in Sachsen und Thüringen besonders wenig Politikunterricht. Nach Anselm Cypionka, dem Vorsitzenden für politische Bildung in Thüringen, gelinge die Umsetzung von politischer Bildung als Querschnittsaufgabe nur begrenzt. (Jugendliche mit politischer Bildung aktivieren

    SZ: Über das Zusammenspiel von Architektur und Pädagogik. Neu entstehende Schulgebäude sind meist steril und unkreativ, denn eine Vielzahl von Vorgaben schränkt Architekten ein. Im Idealfall sollte ein Schulgebäude jedoch verschiedene pädagogische Konzepte ermöglich – vom Klassenzimmer hin zum Rückzugsort. Mit einer Bedarfsanalyse können Architekten diese Anforderungen feststellen, dafür ist jedoch ein enger Austausch mit den Kommunen nötig. (Neue Schulen braucht das Land

    Spiegel: Bildungsforscherin Silvia Annen über Bildungstrends. In den USA entscheiden sich immer mehr Jugendliche für eine Ausbildung. Von dieser versprächen sie sich berufliche und finanzielle Sicherheit. Die akademische Ausbildung an den Colleges sei zudem für viele zu teuer. Auch Influencer aus dem Handwerk könnten eine Rolle spielen. In Deutschland habe die Ausbildung jedoch weiterhin ein Imageproblem – insbesondere unter Gymnasiasten. (Strömt die Gen Z bald auch in Deutschland ins Handwerk, Frau Annen?

    SZ: Erfahrungsberichte einer Rektorin vor dem Ruhestand. Meistens sind an ihrer Schule genug Lehrkräfte für den Unterricht. Doch sollten Kollegen aufgrund von Krankheit ausfallen, fällt es schwer, Ersatz zu finden. Für Nachmittagsangebote wie die Theater-AG gebe es ebenfalls keine Lehrer mehr. Die Konrektoren-Stelle sei schon lange unbesetzt – wie viele andere. Die soziale Kluft zwischen den Schülern habe zudem zugenommen. Die Schule könne nicht Probleme lösen, die eine gesamtgesellschaftliche Lösung bräuchten. (Frau Irles letzter Schultag

    Termine

    16. bis 17. September 2024, Steyr
    Tagung Soziale Ungleichheit und Politische Bildung
    Welchen Einfluss hat politische Bildung auf soziale Ungerechtigkeiten? Und welchen Einfluss haben soziale Ungerechtigkeiten wiederum auf politische Bildung? Die Interessengemeinschaft Politische Bildung diskutiert unter anderem diese Fragen auf ihrer Jahrestagung. INFOS & ANMELDUNG

    21. September 2024, 9 Uhr bis 16 Uhr, Göttingen
    Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft – Rolle und Finanzierung der Bildung in diesem Prozess Fachtagung
    Der Fokus dieser Veranstaltung der AG Bildungsfinanzierung der GEW, des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik liegt auf der Unterfinanzierung des Bildungssystems. Vor welchen Schwierigkeiten die Bildung steht, ist das Thema verschiedener Vorträge. Eine Anmeldung ist noch bis zum 16. September möglich. INFOS & ANMELDUNG

    19. bis 20. September 2024, Nürnberg
    Tagung Bildungstransformation – zwischen Gestaltungswunsch, Steuerungsversuch und Wirklichkeit
    Die Kommission Bildungsorganisation, Bildungsplanung, Bildungsrecht lädt zu Vorträgen und Workshops darüber, wie Transformationen im Bildungssystem aussehen können und sollten. In den Workshops werden verschiedene Transformationsstadien von der Ideensammlung bis zur Evaluation beleuchtet. Die Vorträge werfen unter anderem einen Blick darauf, inwieweit sich Erkenntnisse aus anderen Bildungssystemen auf das deutsche übertragen lassen. INFOS & ANMELDUNG

    03. bis 04. Dezember 2024, Berlin
    Konferenz Governance Forum BD
    Das Forum Bildung Digitalisierung möchte verschiedenste Akteure aus dem Bildungssystem miteinander vernetzen, damit eine erfolgreiche Transformation des deutschen Bildungssystems gelingt. Schwerpunkte dieser Veranstaltung sind notwendigen Veränderungen in der Bildungsverwaltung und anderen Strukturen. Die Teilnehmerzahl ist stark begrenzt, weshalb eine rechtzeitige Anmeldung empfohlen wird. ANMELDUNG

    Bildung.Table Redaktion

    BILDUNG.TABLE REDAKTION

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