Table.Briefing: Bildung

Lernen mit Alpakas + Bildungsgleichheit in Kitas + Bilanz Stark-Watzinger

Liebe Leserin, lieber Leser,

Erfolg in der Bildung, schrieb Andreas Schleicher im OECD Lernkompass 2030, heiße heute nicht nur Sprache, Mathematik oder Geschichte, sondern ebenso Identität, Handlungsfähigkeit und Sinnhaftigkeit. Der Ansatz Lernen durch Engagement, auch als Service Learning bekannt, verfolgt eben jenes Ziel: Schülerinnen und Schüler zum Handeln befähigen und sie Selbstwirksamkeit spüren lassen.

Im UWC Robert Bosch College in Freiburg, das zum internationalen Schulnetzwerk “United World Colleges” gehört, ist Schüler-Engagement fester Teil des Bildungsplans. Ob Alpakas füttern oder Kita-Kindern vorlesen – die Jugendlichen sollen durch ehrenamtliche Arbeit soziale Kompetenzen erwerben. Welt verbessern ist dabei auch gern gesehen – schließlich ist das Ziel der Schule nicht weniger, als sich für Frieden und eine nachhaltige Zukunft einzusetzen. Was hinter dieser Utopie steckt und was öffentliche Schulen davon lernen können, lesen Sie in unserer Analyse.

Ein respektvolles Miteinander ist auch nötig, um Bildungsungleichheit zu beseitigen, wie die Integrationsforscherin Seyran Bostancı in ihrem Standpunkt schreibt. Zu oft erleben Kinder mit Migrationshintergrund in Kitas Diskriminierung – und profitieren deshalb nicht ausreichend von der Chance, die die frühe Bildung ihnen bieten könnte. Bostancı hat aufgeschrieben, woran das liegt und was sich ändern muss.

Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und ein erholsames Wochenende!

Ihre
Vera Kraft
Bild von Vera  Kraft

Analyse

Service Learning: Wie Engagement Schüler in Freiburg erfolgreicher macht

Bescheiden ist die Vision des internationalen Schulnetzwerkes “United World Colleges” nicht. Die beteiligten Schulen sollen nicht weniger als Menschen, Nationen und Kulturen zu einem friedlichen und nachhaltigen Zusammenleben vereinen. Weltweit gibt es 18 United World Colleges (UWC). In den Schulen kommen Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren aus aller Welt zusammen, um am Ende ihren “International Baccalaureate” (IB) in der Hand zu haben, ein international anerkanntes Abitur.

Auch in Deutschland gibt es ein UWC – das UWC Robert Bosch College in Freiburg. Es besteht seit zehn Jahren und ist etwas außerhalb der Stadt in einem ehemaligen Kloster untergebracht und umgeben von Wald und Wiesen, auf denen Alpakas grasen und Apfelbäumen stehen. In den Klassen sind meist sechs bis 16 Schülerinnen und Schüler, der Unterricht findet ausschließlich auf Englisch statt, Nachhaltigkeit und Anthropologie sind eigene Fächer.

Unterschiedliche kulturelle und finanzielle Hintergründe

Die rund 200 Schülerinnen und Schüler kommen aus über 90 Ländern. Sie leben für die zweijährige Oberstufe in dem Internat zusammen. Die Plätze werden ausschließlich nach “Eignung und Begabung” vergeben. In dieser Hinsicht haben die Schüler viel gemeinsam: gute Noten, überzeugende Performance im Auswahlverfahren und große Motivation. Viele waren mindestens Klassen- oder Schülersprecher und bereits in ihren Heimatorten ehrenamtlich tätig.

Die finanzielle Situation spielt für die Bewerbung keine Rolle. 96 Prozent der Schüler erhalten ein Stipendium, davon 65 Prozent ein Vollstipendium. Regulär liegt die Schulgebühr bei 35.000 Euro pro Schuljahr.

Das UWC ist damit keine typische Privatschule. Es ist eine staatliche Ergänzungsschule, ein gemeinsames Projekt der Robert Bosch Stiftung und der Deutschen Stiftung UWC und wird maßgeblich vom Land Baden-Württemberg, der B. Braun Melsungen AG und der Stadt Freiburg unterstützt.

Ziel: Gelerntes auf Gesellschaft übertragen

Allein die Organisation als Internat erfordert einen ganzheitlichen Bildungsansatz. Vormittags Unterricht, nachmittags Freizeit – die Aufteilung funktioniert nicht, wenn sich fast das gesamte Leben auf dem Campus abspielt.

“Natürlich leben wir hier in einer Bubble”, sagt Schulleiterin Helen White. Das UWC sei ein geschützter Raum, in dem die Jugendlichen sich ausprobieren können. Aber auch ein Ort, an dem sie Verantwortung übernehmen müssen. Die Jugendlichen sollen beispielsweise herausfinden, welche Rolle sie als Individuum einnehmen wollen, wie sie mit Enttäuschungen umgehen können und wie ein respektvolles Miteinander funktioniert. “Die Idee ist, das in kleiner Gemeinschaft Gelernte, auf die Gesellschaft zu übertragen“, sagt White.

Ehrenamt ist Teil des Lehrplans

In der Praxis bedeutet das für die Schülerinnen und Schüler: Sie bepflanzen den Klostergarten, füttern die Alpakas oder arbeiten ehrenamtlich in der Wohnungslosenhilfe oder in einem Foodsharing Café, das Lebensmittel aus Bäckereien und Supermärkten rettet. Andere wiederum polieren Stolpersteine und entwickeln eine mehrsprachige Website zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.

Dieses “Lernen durch Engagement”, auch Service Learning genannt, ist fester Bestandteil des UWC-Bildungsplans. Alle Schüler wählen pro Jahr ein festes Serviceprojekt aus, an dem sie wöchentlich teilnehmen. Es ist ein Konzept, das auch in anderen Schulen funktionieren kann. Sechs Kernaspekte prägen dieses problem- und projektorientierte Lernen:

  • Realer Bedarf: Schüler reagieren auf einen tatsächlichen Bedarf in der Gemeinde oder Gesellschaft und erfahren, wie sie echte Probleme lösen können.
  • Curriculare Einbindung: Die Projekte sind Teil des Unterrichts und verknüpfen praktisches Engagement mit Lerninhalten.
  • Reflexion: Die Schüler sprechen regelmäßig über ihre Erfahrungen.
  • Partizipation: Schüler sind aktiv an allen Phasen des Projekts beteiligt und dürfen im vorgegebenen Handlungsrahmen selbst Entscheidungen treffen.
  • Außerschulisches Engagement: Die Aktivitäten finden außerhalb der Schule in Zusammenarbeit mit Partnern statt.
  • Anerkennung: Die Schüler erhalten Feedback und eventuell eine Auszeichnung.

Sinnhaftes Lernen

Das Konzept verändert Unterricht und Lernen, sagt Anna Mauz von der Stiftung Lernen. Den Engagement-Fokus der UWC Freiburg hält sie für beispielgebend. Er lasse die Schüler Verantwortung und Selbstwirksamkeit spüren. Wenn die Jugendlichen Bereitschaft und Kompetenz für Engagement entwickeln, stärke das letztlich auch die Demokratie und Zivilgesellschaft, sagt Anna Mauz.

Tina Patzelt, die als Diplompädagogin am UWC Freiburg arbeitet, findet, dass auch die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern von den Projekten profitiert. Die Beteiligten lernen sich in anderen Rollen und Kontexten kennen. “Wichtig dabei ist, nicht in ‘alte Muster’ zurückzufallen”, sagt sie. Eine Lehrkraft müsse es aushalten, die Füße still zu halten und den Schülern den Freiraum zuzugestehen, die Projekte nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Umsetzbare Utopie

Für die meisten regulären Schulen sind die Rahmenbedingungen der Freiburger Schule wohl eher Utopie. In kleinen Klassen voller hochmotivierter Schüler lassen sich ambitionierte Projekte leichter umsetzen und fehlende Sprachkenntnisse leichter auffangen. Einige Ansätze lassen sich aber trotzdem übertragen, etwa:

  • außerschulische Partner einbinden,
  • Tutorensysteme einrichten, um die Bindung zwischen Lehrern und Schülern zu stärken oder
  • soziale und fächerübergreifende Kompetenzen anerkennen und in den Bildungsplan aufnehmen.

Ein erster Schritt wäre es, die Vielfalt, die – auch ohne internationale Bewerbungsverfahren – an den meisten Schulen existiert, als Chance zu begreifen. In Freiburg besteht das Engagement der Schüler teils schlicht darin, anderen Mitschülern Radfahren oder Schwimmen beizubringen.

Keine Weltretter

Nicht alle Projekte laufen dort problemfrei. Für Schüler ohne Deutschkenntnisse lassen sich teils nur schwer passende Projekte finden. Und eine Lehrerin gibt zu, wegen ihres Idealismus viele Überstunden zu machen.

Auch die große Vision, “Change Maker” auszubilden, die die Welt verändern werden, müsse relativiert werden, sagt Schulleiterin White. Das übe zu großen Druck auf die Jugendlichen aus. Es sei schon viel erreicht, wenn die Alumni ihr Wissen über Nachhaltigkeit teilen, freundlich mit Leuten interagieren und sich proaktiv einbringen.

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Standpunkt

Seyran Bostancı: Warum Bildungsungleichheit bereits in Kitas beginnt

Seyran Bostancı ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung.

Im Vergleich zum OECD-Durchschnitt gibt es in Deutschland einen besonders ausgeprägten Zusammenhang zwischen schulischen Leistungen und sozialer Herkunft. Das bestätigten auch die Auswertungen der jüngsten PISA-Studie. Dabei kann der frühzeitige Eintritt in das Bildungssystem durch den Besuch einer Kita die späteren Bildungschancen erheblich verbessern.

Für Kinder aus migrantischen Familien, die vor dem dritten Lebensjahr eine Kita besuchen, steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, um das Doppelte, zeigt der Bildungsbericht 2024. Kitas werden somit als Schlüssel zur Integration und Reduzierung von Bildungsungleichheiten gesehen. Diesen bildungspolitischen Erwartungen werden viele Kitas jedoch nicht gerecht. Kinder, ihre Familien und das Kita-Personal erleben in der Kita verschiedene Formen von Diskriminierung wie Rassismus, Sexismus, Ableismus, Klassismus und Heteronormativität, welche ihre Lern- und Teilhabeprozesse erheblich beeinträchtigen.  

Rassismus ist ein gesellschaftliches Strukturprinzip 

Rassismus wurde in Deutschland lange Zeit hauptsächlich als individuelles Problem und in Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit verstanden. Dabei galt rassistisches Verhalten oft nur als absichtliches Handeln, was dazu führt, dass rassistische Erfahrungen häufig abgewehrt oder verharmlost werden. Die Critical Race Theory sieht Rassismus jedoch als ein gesellschaftliches Strukturprinzip, bei dem soziale Gruppen aufgrund von rassistischen Stereotypen hierarchisiert und ungleich behandelt werden.

Dies dient der Legitimierung von Privilegien für bestimmte Gruppen, während andere strukturell benachteiligt werden. Für den Kita-Kontext bedeutet das, dass auch in frühkindlichen Bildungsinstitutionen rassistische Muster verankert sind, die den Zugang zu Ressourcen, die Teilhabe und die Förderung von Kindern beeinflussen. 

Wie sich Rassismus und Diskriminierung in der Kita zeigt 

Unter dem Deckmantel des Platzmangels wird rassifizierten Kindern systematisch der Zugang zu Betreuungsplätzen verwehrt. Trotz des Rechtsanspruchs auf Kita-Betreuung besuchen nach Daten des Statistischen Bundesamtes Kinder mit Migrationshintergrund (50 Prozent) seltener Kitas als Kinder ohne Migrationshintergrund (72,4 Prozent). Diese geringere Nutzung liegt nicht an fehlendem Betreuungswunsch der Eltern, sondern an strukturellen Barrieren.

Zum Beispiel erhalten Kinder mit als “nicht deutsch” wahrgenommenen Namen seltener einen Kita-Platz oder werden in Kitas untergebracht, in denen Kinder mit Migrationshintergrund überrepräsentiert sind. In diesen Kitas ist die Bildungsqualität oft niedriger, da weniger Ressourcen und qualitativ schlechtere Bildungsangebote bereitgestellt werden, wodurch sich Bildungsungleichheiten verschärfen.

Rassistische Strukturen bleiben häufig unsichtbar 

Auch in der Gestaltung der Lernumgebung erfahren rassifizierte Kinder Ausgrenzung und Benachteiligung. In vielen Kitas fehlt es an einer vielfältigen und inklusiven Darstellung in Spielmaterialien und Büchern. Die fehlende Repräsentation oder gar stereotypisierte Darstellung der Diversität der Kinder und ihrer Familien führt dazu, dass rassistische Stereotype unbewusst reproduziert werden. Auch die Abwertung von Familiensprachen bei Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, verstärkt das Gefühl der “Andersartigkeit” und fördert Ausgrenzung, da Kinder in den Materialien und Praktiken nicht die Vielfalt der Gesellschaft wiedererkennen und sich selbst oft nicht repräsentiert sehen.

Fachkräfte in Kitas sind oft selbst Teil der gesellschaftlichen Dominanzverhältnisse. Lediglich 18 Prozent der Fachkräfte haben einen sogenannten Migrationshintergrund und fünf Prozent einen ausländischen Pass. Von den Kita-Kindern haben im Bundesdurchschnitt 40 Prozent eine Migrationsgeschichte. Auch wenn ein Migrationshintergrund oder ein ausländischer Pass nicht zwangsläufig mit Rassismuserfahrungen einhergeht, ist das Risiko, von Rassismus betroffen zu sein, in dieser sozialen Gruppe höher.

Zudem können auch Menschen ohne Migrationshintergrund rassifiziert werden. Gleichzeitig bedeutet eine eigene Rassismuserfahrung nicht automatisch, dass sie mit Empathie oder einer erhöhten Sensibilität für das Thema einhergeht; dennoch kann die Wahrscheinlichkeit höher liegen. So kann es weißen, privilegierten Fachkräften unter Umständen schwerfallen zu erkennen, wie bestimmte Verhaltensweisen oder Routinen rassifizierte Kinder benachteiligen

Wie Kitas Rassismus abbauen können

Um Diskriminierung in Kitas abzubauen, brauchen Fachkräfte bessere Arbeitsbedingungen und mehr Zeit für Reflexion. Der Fachkräftemangel und die hohe Belastung erschweren dies. Trotzdem gibt es Lösungsansätze: 

  • Kitas sollten ihre Räume zu inklusiven und machtkritischen Lernumgebungen umgestalten und jedes Kind in seiner individuellen Einzigartigkeit wahrnehmen. Hierfür muss Vielfalt und Inklusion aktiv gelebt und Kindern Raum für autonome Entfaltung gegeben werden.
  • Fachkräfte sollten der Familienkultur der Kinder mit Wertschätzung und Respekt begegnen. Ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeit ist die Diskriminierungskritik: Sie erkennen mögliche Barrieren und Diskriminierungen, greifen aktiv ein und arbeiten daran, diese abzubauen.
  • Damit Kinder Demokratie erleben können, müssen sie als kompetente Personen ernst genommen und in Entscheidungen eingebunden werden. Eine respektvolle und partizipative Umgebung stärkt ihr Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit und ihre Fähigkeit, aktiv zu handeln.
  • Um das zu erreichen, müssen pädagogische Fachkräfte die eigenen Erfahrungen und Positionen reflektieren, stereotypes Denken und rassistische Denkmuster anerkennen und sich ihrer Machtposition gegenüber Kindern (Stichwort Adultismus) bewusst werden.

Regelmäßige Reflexion und Austausch im Team helfen, diskriminierende Strukturen zu erkennen und abzubauen. Zudem braucht es eine Verankerung dieser Themen in der Aus- und Weiterbildung. Ziel sollte es sein, neue Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, gesellschaftliche Machtverhältnisse in der Kita zu hinterfragen und zu verändern. 

Seyran Bostancı arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Im NaDiRa verantwortet sie den Bereich Bildung und Rassismus. Sie hat mit dem Titel: “Bildung – Diskriminierung – Inklusion. Transformationsprozesse in postmigrantischen Gesellschaften” an der Humboldt Universität zu Berlin promoviert.

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Arbeitsmarkt: Die hohe Zahl Ungelernter wird zum Problem

Damit Deutschland weiter wirtschaftlich wachsen kann, müssten mehr Menschen einen Berufs- oder Studienabschluss erwerben. Zu dem Fazit kommt eine Prognose für den Arbeitsmarkt bis 2040, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) erstellt haben (zum Download).

Wird das Bildungssystem nicht erfolgreicher, steige demnach die Zahl der Ungelernten bis 2040 um 65.000 – während gleichzeitig 536.000 weniger Stellen für dieses Anforderungsniveau zur Verfügung stünden. Vor allem in den Jahren bis 2030 werde es laut den Forschern für Ungelernte eng – im Schnitt konkurrieren bis dahin drei Unqualifizierte um zwei geeignete Stellen.

Gegenläufig werde sich der Arbeitsmarkt für Personen mit Berufsabschluss entwickeln. Von ihnen sollen deutlich mehr in Rente gehen als neu qualifiziert werden. Zwar reduzieren sich laut Prognose auch die Stellen für diese Fachkräfte um eine Million. Allerdings sinkt die Zahl beruflich Qualifizierter im gleichen Zeitraum um 2,3 Millionen.

Zuwanderer besser ins Bildungssystem integrieren

BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser zufolge gelte es, “Zuwanderer sowie ihre Kinder schneller und nachhaltiger in unser Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt zu integrieren”. Die Abbruchquote von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sei in der dualen Ausbildung wie auch im Studium höher, als von Jugendlichen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Ein leichter Engpass kündigt sich für Stellen an, für die Arbeitgeber Personen mit Aufstiegsfortbildung oder Bachelorabschluss suchen. “Allerdings wird es gleichzeitig auch etwas mehr Akademiker mit weiterführenden Hochschulabschlüssen geben, die das ausgleichen können”, sagte Studienautor Tobias Maier.

Für mehr Wirtschaftswachstum fehlen die Fachkräfte

Die Studie geht nicht davon aus, dass die Fachkräftelücke bis 2040 stark wachsen wird. Vergangene Studien hatten einen höheren Fachkräfte-Bedarf prognostiziert. Das liegt zuvorderst daran, dass sich die deutsche Wirtschaft von der Pandemie und den Folgen des Ukraine-Kriegs weniger gut erholt als erhofft.

“Sollte doch noch ein Aufschwung einsetzen, würden uns aber durch die Demografie die dann notwendigen Fachkräfte für mehr Wachstum fehlen”, sagt Maier. Mehrinvestitionen etwa in die ökologische Transformation könnten am Personalmangel in der Baubranche scheitern.

Lehrkräftemangel steigt an Berufsschulen

Einen Blick wirft die Prognose auch auf die Entwicklung der Zahl von Lehrkräften und Dozierenden. Während bis Ende der 2020er Jahre der Lehrkräfte-Bedarf an allgemeinbildenden Schulen weiter steige, sinke der Bedarf in den 2030er Jahren. Dann erhöhe sich allerdings der Druck, mehr Berufsschullehrer und Hochschuldozenten zu gewinnen. Das liege etwa daran, dass Flüchtlingskinder aus der Ukraine und anderswo dann in Berufs- oder Hochschule ankommen. Anna Parrisius

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Ukrainische Azubis: Zahl hat sich 2023 verdoppelt

Die Zahl der Ukrainer, die 2023 eine Ausbildung begonnen haben, hat sich gegenüber 2022 mehr als verdoppelt. Das zeigt eine neue Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) von Daten der statistischen Ämter von Bund und Ländern (zum Download). Die Zahl der Ausbildungsabschlüsse stieg von 882 auf 1.866 – was einem Plus von 112 Prozent entspricht.

Für 2024 geht das Institut von einem weiteren kräftigen Anstieg aus. Das zeige die Erfahrung mit der Fluchtbewegung vor allem aus Syrien von 2015 bis 2016: Etwa zwei Jahre habe es damals dauert, bis geflüchtete Menschen in die duale Ausbildung kamen – vorwiegend Männer. Die Statistik zeige zudem, dass viele ukrainische Geflüchtete zunächst einen Sprachkurs begonnen haben.

Ausbildung vor allem in Engpassberufen

Infolge des russischen Angriffskrieges ist die Zahl der Ukrainer im klassischen Ausbildungsalter von 15 bis 30 Jahren von 32.000 im Jahr 2021 auf 243.000 im ersten Kriegsjahr 2022 gestiegen. Etwas mehr als die Hälfte der neuen ukrainischen Azubis waren 2023 Frauen. Ihr Anteil war damit höher als unter Azubis mit deutscher Staatsangehörigkeit (36 Prozent) und als unter allen Azubis mit ausländischer Staatsangehörigkeit (40 Prozent).

Mit Abstand die meisten Ukrainer begannen 2023 eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (252). Auf Platz zwei lag der Fachinformatiker mit 129 neuen Azubis. Von ihnen waren im Vergleich besonders viele weiblich: 41 Prozent. Insgesamt waren nur ein Zehntel der angehenden Fachinformatiker Frauen.

Beliebt waren auch die Berufe Kraftfahrzeugmechatroniker (96), Koch oder Köchin (81), Steuerfachangestellter (78) oder Hotelfachfrau beziehungsweise -mann (75). Die Studienautoren sagen, dass viele ihre Ausbildung in einem Engpassberuf begannen. Dies unterstreiche “nochmal die Bedeutung, die die Integration der Geflüchteten im dualen System längerfristig auf den deutschen Arbeitsmarkt und die Minderung des Fachkräftemangels hat.” Anna Parrisius

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Sinus-Studie: Für welche Altersgruppe Mathematik besonders schwer ist

Mathe, Physik und Chemie zählen zu den unbeliebtesten Fächern unter Deutschlands Schülerinnen und Schülern. Das geht aus der aktuellen Sinus-Studie “MINT-Motivation” im Auftrag der Deutschen Telekom Stiftung hervor, die gestern veröffentlicht wurde. Demnach mögen das Fach Mathematik lediglich 36 Prozent der Schüler, Physik 34 Prozent und Chemie 29 Prozent. 

Allein die Fächer Wirtschaft, Politik/Gesellschaft und Religion/Ethik haben geringere Beliebtheitswerte. Am gefragtesten sind laut der Erhebung Sport, Englisch, Technik und Kunst.  

Die Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 863 Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 16 Jahren. Sie fand von Mitte September bis Anfang Oktober statt. Darüber hinaus flossen in den Bericht 40 einstündige Gespräche mit Schülern ein.

Jugendliche empfinden Lücken als unüberwindbar

Ende 2023 hat die jüngste Pisa-Studie Schülern in Deutschland unter anderem im Kompetenzbereich Mathematik den niedrigsten Punktwert seit der ersten Erhebung 2000 bescheinigt. 30 Prozent der 15-Jährigen verfehlten demnach die Mindestanforderungen.

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Ab der Sekundarstufe I würden viele Befragte Mathematik als zunehmend schwierig empfinden, heißt es in der Sinus-Studie. “Bei einigen Jugendlichen führt dies dazu, dass Lücken entstehen, die irgendwann als unüberwindbar empfunden werden”, schreiben die Autoren. Sie würden sich in Bezug auf das Fach teilweise selbst aufgeben. “Daher fällt es in Mathe besonders ins Gewicht, ob die Lehrkraft gut erklären kann.”

Mit zunehmendem Alter wüchsen die Probleme. Während 17 Prozent der Zehn- bis 13-Jährigen der Aussage zustimmen, Angst vor Mathe zu haben, sind es unter den 14- bis 16-Jährigen 28 Prozent. Dass das Zutrauen schwindet, zeigt sich auch daran, dass 82 Prozent der Zehn- bis 13-Jährigen sich als gut oder sehr gut in Mathematik einschätzen. Bei den 14- bis 16-Jährigen sinkt der Wert auf 71 Prozent.

Das Wichtigste sei, die Schwelle vom “Mathe können” zum “Mathe mögen” zu überwinden, erklärt Jacob Chammon, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung. Das funktioniere dann, wenn Lehrkräfte die eigene Begeisterung in den Unterricht transportieren und die Anwendung der Mathematik in der Praxis zeigen könnten. Lehrkräfte und Alltagsnähe seien die “zentralen Treiber” für “MINT-Motivation”, heißt es in der Studie.

Lars Holzäpfel von der PH Freiburg sagt: “Mehr Lust auf das Fach geht natürlich in erster Linie über die Sinnstiftung.” Sie könne etwa über Alltagsbezüge hergestellt werden. Holzäpfel gehört zum Leitungsteam von QuaMath, einem bundesweit angelegten Fortbildungsprogramm für Mathematik-Lehrkräfte.

Lesen Sie auch: QuaMath – Wie viele Schulen beim Start in die Praxis dabei sind

Der Wissenschaftler mahnt, oftmals würden Formeln unverstanden angewendet. Die Lernenden kämen zu selten ins mathematische Denken. “Die Genialität von Mathematik bleibt somit vielen verborgen.” Holger Schleper

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Angewandte KI: Warum Bayern dafür jetzt eine Fachschule hat

Bayern rüstet weiter in Sachen KI auf. Wie das Kultusministerium in München diese Woche mitteilte, können Fachschülerinnen und Fachschüler ab dem Schuljahr 2025/26 einen Abschluss in “Angewandter Künstlicher Intelligenz” machen. Ziel des bundesweit einzigartigen Bildungsangebotes ist laut Ministerium, innovative KI-Technologien gezielt in beruflichen Kontexten einzusetzen und so die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu steigern.

Die Weiterbildung findet am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Neumarkt in der Oberpfalz statt. Voraussetzung dafür ist eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie anschließende Berufserfahrung. Schulleiter Albert Hierl verspricht sich einiges von dem neuen Schwerpunkt: “Wir sehen, dass der Bedarf der Firmen an KI-Anwendungen groß ist”, sagt Hierl zu Table.Briefings. Etwa im Bereich autonomes Fahren oder serielles Bauen.

In den Fächern Elektrotechnik und Bautechnik arbeiteten sie in Neumarkt deshalb schon punktuell mit KI-Anwendungen, sagt Hierl. Jetzt könnten die Schülerinnen und Schüler bestehendes Know-How vertiefen und neue Konzepte erarbeiten: “Mit der Schaffung einer eigenen KI-Fachrichtung leisten wir Pionierarbeit”.

Unterricht von Spezialisten

Derzeit entstehen laut Hierl die Lehrpläne und die Stundentafel für die neue Fachrichtung. Zwei neue Planstellen habe das Kultusministerium bereits in Aussicht gestellt. Geht es nach Hierl, werden zudem Experten aus der Praxis in ihrem jeweiligen Spezialgebiet unterrichten. Dazu führe er gerade Gespräche.

Mit der neuen Fachschule stärkt der Freistaat die Integration der Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz in den Bildungsbereich. Neben dem Auf- und Ausbau der KI-Forschung hat Bayern unter anderem datenschutzkonforme Konzepte zum Lernen mit KI im Unterricht erprobt sowie Schulen mit eigenen KI-Budgets ausgestattet. Ralf Pauli

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Schulsozialarbeit: Hamburg baut aus

In Hamburg soll es künftig an allen allgemeinbildenden Schulen Sozialarbeiter geben. Das kündigte Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) am Donnerstag an. Für den schrittweisen Ausbau der Schulsozialarbeit werde die Stadt 102 zusätzliche Stellen schaffen. Kosten: rund 7,2 Millionen Euro pro Jahr. Bekeris begründete den Schritt mit der Sorge um die psychosozialen Gesundheit und dem allgemeinen Wohlbefinden von Jugendlichen.

Erst am Mittwoch hatte eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch-Stiftung gezeigt, dass viele Kinder und Jugendliche belastet seien und nicht alle Schulen Hilfe leisten könnten. Der Hamburger Senat sieht darin eine Gefahr für die Lern- und Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen. “Schule soll ein Ort sein, an dem sich alle Schülerinnen und Schüler wohlfühlen können”, sagte Bekeris. Schulsozialarbeit könne eine wichtige Rolle spielen und das soziale Miteinander fördern.

Grundschulen und Gymnasien profitieren am stärksten

Von der Ausweitung der Schulsozialarbeit sollen vor allem Grundschulen und Gymnasien profitieren, an denen es bislang nur vereinzelt Schulsozialarbeiter gibt. Aber auch die Stadtteilschulen erhalten zusätzliche Ressourcen. Konkret plant der Senat folgende Stellenzuweisungen:

  • Für die 66 staatlichen Gymnasien werden bis zum kommenden Schuljahr 44 zusätzliche Stellen bereitgestellt.
  • Die 64 Stadtteilschulen erhalten in diesem Zeitraum neue 23 Stellen.
  • Die 56 Grundschulen in sozial benachteiligter Lage (Sozialindex 1 und 2) erhalten bereits zum 1. Februar 35 zusätzliche Stellen.

SPD-Versprechen kurz vor der Wahl

Alle weiteren Grundschulen sollen “in der nächsten Legislatur” ausgestattet werden. Auch Sonderschulen müssen sich noch gedulden. “Eine Prüfung zur Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für Sonderschulen erfolgt ebenfalls in der nächsten Legislaturperiode”, heißt es dazu in einer Mitteilung des Senats. Ob das SPD-geführte Ressort dieses Versprechen einlösen kann, hängt auch von den Hamburgerinnen und Hamburgern ab. Voraussichtlich am 2. März 2024 wird die Hamburger Bürgerschaft und damit die Landesregierung neu gewählt.

Einen ganz anderen Weg schlägt derweil Berlin ein. Dort trägt die SPD als Teil der schwarz-roten Landesregierung Streichungen im Bildungsbereich mit. Diese treffen unter anderen den Ausbau der Schulsozialarbeit. Nach der Streichliste von Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) stehen dafür im Haushalt für das kommende Jahr 3,5 Millionen Euro weniger zur Verfügung.

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Stark-Watzinger: Warum ihre Bilanz überschaubar ausfällt

Bettina Stark-Watzinger, Ex-Bundesministerin für Bildung und Forschung.

Als Bettina Stark-Watzinger am 8. Dezember 2021 ihr Amt antrat, hatte sie noch den ersten Schwung der Fortschrittskoalition im Rücken. Und die Erfahrung von vier Jahren mit Anja Karliczek (CDU) an der Spitze des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Hotelfachfrau Karliczek galt als blass, fachfremd, überfordert. Unter ihr wurde zwar der Digitalpakt I aufgesetzt und der Hochschulpakt verstetigt. Ansonsten aber weinte ihr niemand eine Träne nach

Stark-Watzinger hatte alle Chancen, es besser zu machen. Sie kam aus dem Wissenschaftsbetrieb, sie war Geschäftsführerin eines Finanzforschungsinstituts. Im Haushaltsausschuss des Bundestags war sie für den BMBF-Etat zuständig. Ihre Partei hatte im Wahlkampf “Weltbeste Bildung” versprochen und sich die Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben. Ihr wurden Attribute wie schnell, schlagfertig und zugewandt zugeschrieben. 

Als sie aber nach dem Ampel-Bruch am 7. November im Schloss Bellevue ihre Entlassungsurkunde entgegennahm, da war in der Bildungsgemeinschaft ein deutliches Aufatmen zu hören. 

Özdemir gefeiert

Ihr Nachfolger, der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, wurde auf der Wissenschaftskonferenz Falling Walls am Tag nach seiner Ernennung wie ein Erlöser gefeiert. Dabei hat er das Amt nur mitübernommen, bis eine neue Regierung neue Minister bestellen kann. 

Was ist schiefgelaufen in den knapp drei Jahren, in denen Stark-Watzinger im Chefsessel des BMBF saß? Die Antwort: so einiges. 

Es fing vielversprechend an: Im Sommer 2022 offenbarten die neusten PISA-Ergebnisse, wie weit Deutschland in der Schulbildung international hinterherhinkt. Stark-Watzinger forderte eine Grundgesetzänderung. Der Bund müsse mehr Einfluss auf die Bildung haben. Im Frühjahr 2023 setzte sich die Ministerin über viele Konventionen weg und besuchte als erstes Kabinettsmitglied seit 26 Jahren Taiwan. Für ein Fotoshooting ließ sie sich einmal ganz in schwarzer Lederkluft ablichten. Als “blass” wie ihre Vorgängerin hätte sie danach niemand mehr bezeichnet. 

Überschaubare Bilanz

Der erste große Rückschlag kam im Sommer 2022. Stark-Watzinger holt die Spar-Axt raus. Ohne große Ankündigung holzte sie sich durch die Wissenschaftslandschaft, strich und kürzte Programme. Selbst mündlich erteilte Förderzusagen ließ sie zurückrufen. Ob Forschung zur Pandemie oder Biodiversität im Amazonas – die Wissenschaftsgemeinde reagiert mit Protestbriefen. Von “Kahlschlag” und “Wortbruch” ist die Rede. Briefe fliegen hin und her, aber Stark-Watzinger will nicht einmal erklären, ob die Kürzungen irgendeiner Systematik folgen. Der Riss, den der Streit aufgetan hat, er ließ sich danach nicht mehr kitten. 

Inhaltlich fällt ihre Bilanz überschaubar aus: eine verbesserte Hochschulfinanzierung um drei Prozent jährlich, der Ansatz einer BAföG-Reform. Und – nicht zuletzt – das Startchancen-Programm für Schulen in “herausfordernden Lagen”. 4.000 Schulen sollen in den kommenden zehn Jahren von Bund und Ländern mit rund 20 Milliarden Euro so gestärkt werden, dass die Zahl der Kinder mit Schwächen in Lesen, Schreiben und Rechnen halbiert wird.

Stark-Watzinger preist das Programm als das größte Bildungsprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik. Der bildungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Thomas Jarzombek, hielt dem im Frühjahr eine einfache Rechnung entgegen: Jede der 4.000 geförderten Schulen werde im Schnitt eine zusätzliche Stelle bekommen. “Eine Stelle? Was ist denn das für eine Bildungsrevolution?

Nicht weniger als eine Bildungsrevolution aber hatte Stark-Watzinger zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen. Stattdessen hat sie in der Fördergeldaffäre eine Revolte der Wissenschaft gegen sich provoziert. Knapp 3.300 Wissenschaftler forderten in einem offenen Brief ihren Rücktritt. Die Unterzeichner sahen in dem Versuch der BMBF-Spitze, unliebsamen Wissenschaftlern die Bundesförderung zu streichen, einen “bisher nicht dagewesenen Angriff” auf die Grundrechte von Wissenschaftlern. Bis heute ist nicht restlos geklärt, was genau Stark-Watzinger wann von den Debatten im Haus wusste. 

Stark-Watzinger igelte sich ein

Der Eindruck von außen: Stark-Watzinger igelte sich ein, umgab sich mit immer mehr standfesten Liberalen, die sie sich aus dem FDP-Kosmos ins Ministerium holte. Der Spiegel berichtete Mitte Oktober, von 22 Posten in der Führungsebene ihres Ministeriums seien seit Amtsantritt 15 Stellen an Mitglieder ihrer eigenen Partei gegangen. “Darunter viele langjährige Vertraute der Ministerin.” Ein ganz normaler Vorgang, hieß es aus dem Ministerium, ähnliches sei in anderen Häusern auch üblich.

Stark-Watzinger war auch Teil jenes engen Führungszirkels um Parteichef Christian Lindner, der nach Recherchen der Zeit und der Süddeutschen Zeitung im sogenannten F-Kabinett den Bruch der Koalition, den D-Day, vorbereitet hat. Was Fragen aufwirft, ob Stark-Watzinger die zähen Verhandlungen über so bedeutsame Zukunftsprojekte wie den Digitalpakt II nicht eher hintertrieben als vorangetrieben hat. Aus den Ländern jedenfalls ist zu hören, dass viele Verhandlungsrunden unnötig ergebnisfrei beendet worden seien. Ein Vorwurf, der aus dem Umfeld von Stark-Watzinger eins zu eins an die Länder zurückgegeben wird. 

Hoffnung auf Neuanfang

Der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) bezeichnete Stark-Watzinger als “die schlechteste Bundesforschungsministerin, die wir je hatten“. Das wäre aus dem Mund eines CSU-Ministers nicht weiter erwähnenswert. Deckt sich aber mit vielem, was auch aus den Bildungsministerien der Länder zu hören ist. Karliczek, sagen heute manche, habe vielleicht wenig Gutes bewirkt. Aber auch nichts Schlechtes.

Stark-Watzinger fehlte auf Landesebene eine Vertrauensperson, ein Counterpart der eigenen politischen Farbe, der ihr offen zurückspiegelt, was gerade wie unter den 16 Ländern diskutiert wird, sagen Personen, die ihr wohlgesonnen sind. Vielleicht wäre manches anders gelaufen, wenn sie so ein Korrektiv gehabt hätte. Der Bildungs- und Wissenschaftsgemeinde bleibt jetzt nur die Hoffnung, dass das Amt nach den Neuwahlen besser besetzt wird.  

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Personalie

Linda McMahon, 76, soll nach dem Wunsch des kommenden US-Präsidenten Donald Trump Bildungsministerin der USA werden. McMahon ist eine ehemalige Wrestling-Unternehmerin. Von ihr kursieren Videos im Netz, in denen sie von Wrestlern durch den Ring geschleudert wird. Sie ist überdies eine wichtige Spenderin für Trumps Wahlkampf. Als Dank hat sie in der ersten Trump-Administration die Behörde für Kleinunternehmen leiten dürfen. In der Bildungspolitik hat sie bisher kaum Spuren hinterlassen. Sie setzt sich aber dafür ein, dass Eltern mehr Mitsprache bekommen, wenn es um Bildungsinhalte gibt. Wir haben Trumps Bildungs-Agenda hier für Sie analysiert.

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Research.Table. WissenschaftsMK: Minister wollen forschungspolitisches Profil der Länder schärfen. In der KMK waren die Wissenschaftsminister der Länder oft nur ein Anhängsel ihrer Bildungskollegen. Mit der WissenschaftsMK soll die Forschungspolitik der Länder besser abgestimmt und relevanter werden. Was hat das Gremium vor? Ein Q&A zur gestrigen Premiere. Mehr lesen Sie hier.

Research.Table. Metin Tolan: “Ich habe die Unruhe unterschätzt.” Der jetzt ehemalige Göttinger Universitätspräsident Metin Tolan ist am Mittwoch vom den Senat abgewählt worden. Im Interview mit Table.Briefings spricht Tolan über wiederholte Angriffe gegen seine Person. Mehr lesen Sie hier.

  • Bildung

Presseschau

ntv: Sachsen-Anhalt lässt Seiteneinsteiger als Schulleiter zu. Das Bildungsministerium Sachsen-Anhalt hat die Anforderungen für Schulleiter gesenkt, um unbesetzte Stellen zu füllen. Finden sich keine ausgebildeten Lehrer, dürfen im zweiten Anlauf auch Seiteneinsteiger berücksichtigt werden. Ein entsprechender Erlass gilt seit Ende Oktober. Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) nennt strukturelle Probleme als Grund. Aktuell haben 55 öffentliche Schulen, vor allem Grundschulen, keine reguläre Schulleitung – das sind sieben Prozent der Schulen. (Bildungsministerium senkt Anforderungen für Schulleiter)

rbb: Berliner Schule schickt Brandbrief. Das Kollegium der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau hat in einem Alarmbrief auf ihre Probleme hingewiesen: Gewalt, Beleidigungen und Mobbing gehören zum Alltag, Lehrkräfte und Schüler werden bedroht. Böller und Flaschen fliegen auf dem Schulhof, viele Schüler sprechen kein Deutsch oder waren zuvor nie auf einer Schule. Die Schule bittet um mehr Personal, Psychologen sowie stärkere Sicherheitsvorkehrungen. Ein Drittel der Lehrer ist krankgeschrieben, die Belastungsgrenze erreicht. Die Schulaufsicht plant klärende Gespräche. (Lehrer an Schöneberger Schule rufen mit Alarmbrief um Hilfe)

t-online: NRW-FDP-Chef fordert Kindergeldrefom für Bildung. Henning Höne, Vorsitzender der FDP in NRW, schlägt vor, das Kindergeld zu halbieren und die eingesparten Mittel in den Ausbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten zu investieren. Diese Änderung soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen. Höne schreibt, dass eine moderne, qualitativ hochwertige Betreuung die wirtschaftliche Teilhabe von Eltern stärkt und so langfristig die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands fördert. (Das Kindergeld sollte halbiert werden)

Tagesspiegel: Berlin setzt Rotstift an. Die Berliner Bildungsverwaltung muss 350 Millionen Euro einsparen. In dem Sparpaket fällt die monatliche 300 Euro Brennpunktzulage für Lehrkräfte in sozial schwachen Kiezen weg. Einsparung 2025: 3,2 Millionen Euro. Weg fällt auch der Nachteilsausgleichs für nichtverbeamtete Berliner Lehrkräfte. Damit sollen 20 Millionen Euro gespart werden. Für IT-Infrastruktur, IT-Experten, Softwarelizenzen und digitale Endgeräte stehen im kommenden Jahr 12,5 Millionen Euro weniger zur Verfügung. (Wo in der Berliner Bildung gespart wird)

Zeit: Hessen senkt Hürden für Quereinstieg. Hessen plant, die Hürden für den Quereinstieg in den Lehrerberuf zu senken, um mehr Akademiker zu gewinnen und den Lehrermangel zu bekämpfen. Künftig sollen auch Bewerber mit nur einem Fachabschluss für den Lehrerberuf zugelassen werden. Dies soll zum Schuljahr 2024/2025 greifen. (Hessen will Hürden für Quereinstieg in Lehrerberuf senken)

(Diese Presseschau wurde mit Hilfe von KI erstellt)

Bildung.Table Redaktion

BILDUNG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Erfolg in der Bildung, schrieb Andreas Schleicher im OECD Lernkompass 2030, heiße heute nicht nur Sprache, Mathematik oder Geschichte, sondern ebenso Identität, Handlungsfähigkeit und Sinnhaftigkeit. Der Ansatz Lernen durch Engagement, auch als Service Learning bekannt, verfolgt eben jenes Ziel: Schülerinnen und Schüler zum Handeln befähigen und sie Selbstwirksamkeit spüren lassen.

    Im UWC Robert Bosch College in Freiburg, das zum internationalen Schulnetzwerk “United World Colleges” gehört, ist Schüler-Engagement fester Teil des Bildungsplans. Ob Alpakas füttern oder Kita-Kindern vorlesen – die Jugendlichen sollen durch ehrenamtliche Arbeit soziale Kompetenzen erwerben. Welt verbessern ist dabei auch gern gesehen – schließlich ist das Ziel der Schule nicht weniger, als sich für Frieden und eine nachhaltige Zukunft einzusetzen. Was hinter dieser Utopie steckt und was öffentliche Schulen davon lernen können, lesen Sie in unserer Analyse.

    Ein respektvolles Miteinander ist auch nötig, um Bildungsungleichheit zu beseitigen, wie die Integrationsforscherin Seyran Bostancı in ihrem Standpunkt schreibt. Zu oft erleben Kinder mit Migrationshintergrund in Kitas Diskriminierung – und profitieren deshalb nicht ausreichend von der Chance, die die frühe Bildung ihnen bieten könnte. Bostancı hat aufgeschrieben, woran das liegt und was sich ändern muss.

    Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und ein erholsames Wochenende!

    Ihre
    Vera Kraft
    Bild von Vera  Kraft

    Analyse

    Service Learning: Wie Engagement Schüler in Freiburg erfolgreicher macht

    Bescheiden ist die Vision des internationalen Schulnetzwerkes “United World Colleges” nicht. Die beteiligten Schulen sollen nicht weniger als Menschen, Nationen und Kulturen zu einem friedlichen und nachhaltigen Zusammenleben vereinen. Weltweit gibt es 18 United World Colleges (UWC). In den Schulen kommen Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren aus aller Welt zusammen, um am Ende ihren “International Baccalaureate” (IB) in der Hand zu haben, ein international anerkanntes Abitur.

    Auch in Deutschland gibt es ein UWC – das UWC Robert Bosch College in Freiburg. Es besteht seit zehn Jahren und ist etwas außerhalb der Stadt in einem ehemaligen Kloster untergebracht und umgeben von Wald und Wiesen, auf denen Alpakas grasen und Apfelbäumen stehen. In den Klassen sind meist sechs bis 16 Schülerinnen und Schüler, der Unterricht findet ausschließlich auf Englisch statt, Nachhaltigkeit und Anthropologie sind eigene Fächer.

    Unterschiedliche kulturelle und finanzielle Hintergründe

    Die rund 200 Schülerinnen und Schüler kommen aus über 90 Ländern. Sie leben für die zweijährige Oberstufe in dem Internat zusammen. Die Plätze werden ausschließlich nach “Eignung und Begabung” vergeben. In dieser Hinsicht haben die Schüler viel gemeinsam: gute Noten, überzeugende Performance im Auswahlverfahren und große Motivation. Viele waren mindestens Klassen- oder Schülersprecher und bereits in ihren Heimatorten ehrenamtlich tätig.

    Die finanzielle Situation spielt für die Bewerbung keine Rolle. 96 Prozent der Schüler erhalten ein Stipendium, davon 65 Prozent ein Vollstipendium. Regulär liegt die Schulgebühr bei 35.000 Euro pro Schuljahr.

    Das UWC ist damit keine typische Privatschule. Es ist eine staatliche Ergänzungsschule, ein gemeinsames Projekt der Robert Bosch Stiftung und der Deutschen Stiftung UWC und wird maßgeblich vom Land Baden-Württemberg, der B. Braun Melsungen AG und der Stadt Freiburg unterstützt.

    Ziel: Gelerntes auf Gesellschaft übertragen

    Allein die Organisation als Internat erfordert einen ganzheitlichen Bildungsansatz. Vormittags Unterricht, nachmittags Freizeit – die Aufteilung funktioniert nicht, wenn sich fast das gesamte Leben auf dem Campus abspielt.

    “Natürlich leben wir hier in einer Bubble”, sagt Schulleiterin Helen White. Das UWC sei ein geschützter Raum, in dem die Jugendlichen sich ausprobieren können. Aber auch ein Ort, an dem sie Verantwortung übernehmen müssen. Die Jugendlichen sollen beispielsweise herausfinden, welche Rolle sie als Individuum einnehmen wollen, wie sie mit Enttäuschungen umgehen können und wie ein respektvolles Miteinander funktioniert. “Die Idee ist, das in kleiner Gemeinschaft Gelernte, auf die Gesellschaft zu übertragen“, sagt White.

    Ehrenamt ist Teil des Lehrplans

    In der Praxis bedeutet das für die Schülerinnen und Schüler: Sie bepflanzen den Klostergarten, füttern die Alpakas oder arbeiten ehrenamtlich in der Wohnungslosenhilfe oder in einem Foodsharing Café, das Lebensmittel aus Bäckereien und Supermärkten rettet. Andere wiederum polieren Stolpersteine und entwickeln eine mehrsprachige Website zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.

    Dieses “Lernen durch Engagement”, auch Service Learning genannt, ist fester Bestandteil des UWC-Bildungsplans. Alle Schüler wählen pro Jahr ein festes Serviceprojekt aus, an dem sie wöchentlich teilnehmen. Es ist ein Konzept, das auch in anderen Schulen funktionieren kann. Sechs Kernaspekte prägen dieses problem- und projektorientierte Lernen:

    • Realer Bedarf: Schüler reagieren auf einen tatsächlichen Bedarf in der Gemeinde oder Gesellschaft und erfahren, wie sie echte Probleme lösen können.
    • Curriculare Einbindung: Die Projekte sind Teil des Unterrichts und verknüpfen praktisches Engagement mit Lerninhalten.
    • Reflexion: Die Schüler sprechen regelmäßig über ihre Erfahrungen.
    • Partizipation: Schüler sind aktiv an allen Phasen des Projekts beteiligt und dürfen im vorgegebenen Handlungsrahmen selbst Entscheidungen treffen.
    • Außerschulisches Engagement: Die Aktivitäten finden außerhalb der Schule in Zusammenarbeit mit Partnern statt.
    • Anerkennung: Die Schüler erhalten Feedback und eventuell eine Auszeichnung.

    Sinnhaftes Lernen

    Das Konzept verändert Unterricht und Lernen, sagt Anna Mauz von der Stiftung Lernen. Den Engagement-Fokus der UWC Freiburg hält sie für beispielgebend. Er lasse die Schüler Verantwortung und Selbstwirksamkeit spüren. Wenn die Jugendlichen Bereitschaft und Kompetenz für Engagement entwickeln, stärke das letztlich auch die Demokratie und Zivilgesellschaft, sagt Anna Mauz.

    Tina Patzelt, die als Diplompädagogin am UWC Freiburg arbeitet, findet, dass auch die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern von den Projekten profitiert. Die Beteiligten lernen sich in anderen Rollen und Kontexten kennen. “Wichtig dabei ist, nicht in ‘alte Muster’ zurückzufallen”, sagt sie. Eine Lehrkraft müsse es aushalten, die Füße still zu halten und den Schülern den Freiraum zuzugestehen, die Projekte nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

    Umsetzbare Utopie

    Für die meisten regulären Schulen sind die Rahmenbedingungen der Freiburger Schule wohl eher Utopie. In kleinen Klassen voller hochmotivierter Schüler lassen sich ambitionierte Projekte leichter umsetzen und fehlende Sprachkenntnisse leichter auffangen. Einige Ansätze lassen sich aber trotzdem übertragen, etwa:

    • außerschulische Partner einbinden,
    • Tutorensysteme einrichten, um die Bindung zwischen Lehrern und Schülern zu stärken oder
    • soziale und fächerübergreifende Kompetenzen anerkennen und in den Bildungsplan aufnehmen.

    Ein erster Schritt wäre es, die Vielfalt, die – auch ohne internationale Bewerbungsverfahren – an den meisten Schulen existiert, als Chance zu begreifen. In Freiburg besteht das Engagement der Schüler teils schlicht darin, anderen Mitschülern Radfahren oder Schwimmen beizubringen.

    Keine Weltretter

    Nicht alle Projekte laufen dort problemfrei. Für Schüler ohne Deutschkenntnisse lassen sich teils nur schwer passende Projekte finden. Und eine Lehrerin gibt zu, wegen ihres Idealismus viele Überstunden zu machen.

    Auch die große Vision, “Change Maker” auszubilden, die die Welt verändern werden, müsse relativiert werden, sagt Schulleiterin White. Das übe zu großen Druck auf die Jugendlichen aus. Es sei schon viel erreicht, wenn die Alumni ihr Wissen über Nachhaltigkeit teilen, freundlich mit Leuten interagieren und sich proaktiv einbringen.

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    Standpunkt

    Seyran Bostancı: Warum Bildungsungleichheit bereits in Kitas beginnt

    Seyran Bostancı ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung.

    Im Vergleich zum OECD-Durchschnitt gibt es in Deutschland einen besonders ausgeprägten Zusammenhang zwischen schulischen Leistungen und sozialer Herkunft. Das bestätigten auch die Auswertungen der jüngsten PISA-Studie. Dabei kann der frühzeitige Eintritt in das Bildungssystem durch den Besuch einer Kita die späteren Bildungschancen erheblich verbessern.

    Für Kinder aus migrantischen Familien, die vor dem dritten Lebensjahr eine Kita besuchen, steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, um das Doppelte, zeigt der Bildungsbericht 2024. Kitas werden somit als Schlüssel zur Integration und Reduzierung von Bildungsungleichheiten gesehen. Diesen bildungspolitischen Erwartungen werden viele Kitas jedoch nicht gerecht. Kinder, ihre Familien und das Kita-Personal erleben in der Kita verschiedene Formen von Diskriminierung wie Rassismus, Sexismus, Ableismus, Klassismus und Heteronormativität, welche ihre Lern- und Teilhabeprozesse erheblich beeinträchtigen.  

    Rassismus ist ein gesellschaftliches Strukturprinzip 

    Rassismus wurde in Deutschland lange Zeit hauptsächlich als individuelles Problem und in Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit verstanden. Dabei galt rassistisches Verhalten oft nur als absichtliches Handeln, was dazu führt, dass rassistische Erfahrungen häufig abgewehrt oder verharmlost werden. Die Critical Race Theory sieht Rassismus jedoch als ein gesellschaftliches Strukturprinzip, bei dem soziale Gruppen aufgrund von rassistischen Stereotypen hierarchisiert und ungleich behandelt werden.

    Dies dient der Legitimierung von Privilegien für bestimmte Gruppen, während andere strukturell benachteiligt werden. Für den Kita-Kontext bedeutet das, dass auch in frühkindlichen Bildungsinstitutionen rassistische Muster verankert sind, die den Zugang zu Ressourcen, die Teilhabe und die Förderung von Kindern beeinflussen. 

    Wie sich Rassismus und Diskriminierung in der Kita zeigt 

    Unter dem Deckmantel des Platzmangels wird rassifizierten Kindern systematisch der Zugang zu Betreuungsplätzen verwehrt. Trotz des Rechtsanspruchs auf Kita-Betreuung besuchen nach Daten des Statistischen Bundesamtes Kinder mit Migrationshintergrund (50 Prozent) seltener Kitas als Kinder ohne Migrationshintergrund (72,4 Prozent). Diese geringere Nutzung liegt nicht an fehlendem Betreuungswunsch der Eltern, sondern an strukturellen Barrieren.

    Zum Beispiel erhalten Kinder mit als “nicht deutsch” wahrgenommenen Namen seltener einen Kita-Platz oder werden in Kitas untergebracht, in denen Kinder mit Migrationshintergrund überrepräsentiert sind. In diesen Kitas ist die Bildungsqualität oft niedriger, da weniger Ressourcen und qualitativ schlechtere Bildungsangebote bereitgestellt werden, wodurch sich Bildungsungleichheiten verschärfen.

    Rassistische Strukturen bleiben häufig unsichtbar 

    Auch in der Gestaltung der Lernumgebung erfahren rassifizierte Kinder Ausgrenzung und Benachteiligung. In vielen Kitas fehlt es an einer vielfältigen und inklusiven Darstellung in Spielmaterialien und Büchern. Die fehlende Repräsentation oder gar stereotypisierte Darstellung der Diversität der Kinder und ihrer Familien führt dazu, dass rassistische Stereotype unbewusst reproduziert werden. Auch die Abwertung von Familiensprachen bei Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, verstärkt das Gefühl der “Andersartigkeit” und fördert Ausgrenzung, da Kinder in den Materialien und Praktiken nicht die Vielfalt der Gesellschaft wiedererkennen und sich selbst oft nicht repräsentiert sehen.

    Fachkräfte in Kitas sind oft selbst Teil der gesellschaftlichen Dominanzverhältnisse. Lediglich 18 Prozent der Fachkräfte haben einen sogenannten Migrationshintergrund und fünf Prozent einen ausländischen Pass. Von den Kita-Kindern haben im Bundesdurchschnitt 40 Prozent eine Migrationsgeschichte. Auch wenn ein Migrationshintergrund oder ein ausländischer Pass nicht zwangsläufig mit Rassismuserfahrungen einhergeht, ist das Risiko, von Rassismus betroffen zu sein, in dieser sozialen Gruppe höher.

    Zudem können auch Menschen ohne Migrationshintergrund rassifiziert werden. Gleichzeitig bedeutet eine eigene Rassismuserfahrung nicht automatisch, dass sie mit Empathie oder einer erhöhten Sensibilität für das Thema einhergeht; dennoch kann die Wahrscheinlichkeit höher liegen. So kann es weißen, privilegierten Fachkräften unter Umständen schwerfallen zu erkennen, wie bestimmte Verhaltensweisen oder Routinen rassifizierte Kinder benachteiligen

    Wie Kitas Rassismus abbauen können

    Um Diskriminierung in Kitas abzubauen, brauchen Fachkräfte bessere Arbeitsbedingungen und mehr Zeit für Reflexion. Der Fachkräftemangel und die hohe Belastung erschweren dies. Trotzdem gibt es Lösungsansätze: 

    • Kitas sollten ihre Räume zu inklusiven und machtkritischen Lernumgebungen umgestalten und jedes Kind in seiner individuellen Einzigartigkeit wahrnehmen. Hierfür muss Vielfalt und Inklusion aktiv gelebt und Kindern Raum für autonome Entfaltung gegeben werden.
    • Fachkräfte sollten der Familienkultur der Kinder mit Wertschätzung und Respekt begegnen. Ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeit ist die Diskriminierungskritik: Sie erkennen mögliche Barrieren und Diskriminierungen, greifen aktiv ein und arbeiten daran, diese abzubauen.
    • Damit Kinder Demokratie erleben können, müssen sie als kompetente Personen ernst genommen und in Entscheidungen eingebunden werden. Eine respektvolle und partizipative Umgebung stärkt ihr Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit und ihre Fähigkeit, aktiv zu handeln.
    • Um das zu erreichen, müssen pädagogische Fachkräfte die eigenen Erfahrungen und Positionen reflektieren, stereotypes Denken und rassistische Denkmuster anerkennen und sich ihrer Machtposition gegenüber Kindern (Stichwort Adultismus) bewusst werden.

    Regelmäßige Reflexion und Austausch im Team helfen, diskriminierende Strukturen zu erkennen und abzubauen. Zudem braucht es eine Verankerung dieser Themen in der Aus- und Weiterbildung. Ziel sollte es sein, neue Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, gesellschaftliche Machtverhältnisse in der Kita zu hinterfragen und zu verändern. 

    Seyran Bostancı arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Im NaDiRa verantwortet sie den Bereich Bildung und Rassismus. Sie hat mit dem Titel: “Bildung – Diskriminierung – Inklusion. Transformationsprozesse in postmigrantischen Gesellschaften” an der Humboldt Universität zu Berlin promoviert.

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    News

    Arbeitsmarkt: Die hohe Zahl Ungelernter wird zum Problem

    Damit Deutschland weiter wirtschaftlich wachsen kann, müssten mehr Menschen einen Berufs- oder Studienabschluss erwerben. Zu dem Fazit kommt eine Prognose für den Arbeitsmarkt bis 2040, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) erstellt haben (zum Download).

    Wird das Bildungssystem nicht erfolgreicher, steige demnach die Zahl der Ungelernten bis 2040 um 65.000 – während gleichzeitig 536.000 weniger Stellen für dieses Anforderungsniveau zur Verfügung stünden. Vor allem in den Jahren bis 2030 werde es laut den Forschern für Ungelernte eng – im Schnitt konkurrieren bis dahin drei Unqualifizierte um zwei geeignete Stellen.

    Gegenläufig werde sich der Arbeitsmarkt für Personen mit Berufsabschluss entwickeln. Von ihnen sollen deutlich mehr in Rente gehen als neu qualifiziert werden. Zwar reduzieren sich laut Prognose auch die Stellen für diese Fachkräfte um eine Million. Allerdings sinkt die Zahl beruflich Qualifizierter im gleichen Zeitraum um 2,3 Millionen.

    Zuwanderer besser ins Bildungssystem integrieren

    BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser zufolge gelte es, “Zuwanderer sowie ihre Kinder schneller und nachhaltiger in unser Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt zu integrieren”. Die Abbruchquote von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sei in der dualen Ausbildung wie auch im Studium höher, als von Jugendlichen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

    Ein leichter Engpass kündigt sich für Stellen an, für die Arbeitgeber Personen mit Aufstiegsfortbildung oder Bachelorabschluss suchen. “Allerdings wird es gleichzeitig auch etwas mehr Akademiker mit weiterführenden Hochschulabschlüssen geben, die das ausgleichen können”, sagte Studienautor Tobias Maier.

    Für mehr Wirtschaftswachstum fehlen die Fachkräfte

    Die Studie geht nicht davon aus, dass die Fachkräftelücke bis 2040 stark wachsen wird. Vergangene Studien hatten einen höheren Fachkräfte-Bedarf prognostiziert. Das liegt zuvorderst daran, dass sich die deutsche Wirtschaft von der Pandemie und den Folgen des Ukraine-Kriegs weniger gut erholt als erhofft.

    “Sollte doch noch ein Aufschwung einsetzen, würden uns aber durch die Demografie die dann notwendigen Fachkräfte für mehr Wachstum fehlen”, sagt Maier. Mehrinvestitionen etwa in die ökologische Transformation könnten am Personalmangel in der Baubranche scheitern.

    Lehrkräftemangel steigt an Berufsschulen

    Einen Blick wirft die Prognose auch auf die Entwicklung der Zahl von Lehrkräften und Dozierenden. Während bis Ende der 2020er Jahre der Lehrkräfte-Bedarf an allgemeinbildenden Schulen weiter steige, sinke der Bedarf in den 2030er Jahren. Dann erhöhe sich allerdings der Druck, mehr Berufsschullehrer und Hochschuldozenten zu gewinnen. Das liege etwa daran, dass Flüchtlingskinder aus der Ukraine und anderswo dann in Berufs- oder Hochschule ankommen. Anna Parrisius

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    Ukrainische Azubis: Zahl hat sich 2023 verdoppelt

    Die Zahl der Ukrainer, die 2023 eine Ausbildung begonnen haben, hat sich gegenüber 2022 mehr als verdoppelt. Das zeigt eine neue Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) von Daten der statistischen Ämter von Bund und Ländern (zum Download). Die Zahl der Ausbildungsabschlüsse stieg von 882 auf 1.866 – was einem Plus von 112 Prozent entspricht.

    Für 2024 geht das Institut von einem weiteren kräftigen Anstieg aus. Das zeige die Erfahrung mit der Fluchtbewegung vor allem aus Syrien von 2015 bis 2016: Etwa zwei Jahre habe es damals dauert, bis geflüchtete Menschen in die duale Ausbildung kamen – vorwiegend Männer. Die Statistik zeige zudem, dass viele ukrainische Geflüchtete zunächst einen Sprachkurs begonnen haben.

    Ausbildung vor allem in Engpassberufen

    Infolge des russischen Angriffskrieges ist die Zahl der Ukrainer im klassischen Ausbildungsalter von 15 bis 30 Jahren von 32.000 im Jahr 2021 auf 243.000 im ersten Kriegsjahr 2022 gestiegen. Etwas mehr als die Hälfte der neuen ukrainischen Azubis waren 2023 Frauen. Ihr Anteil war damit höher als unter Azubis mit deutscher Staatsangehörigkeit (36 Prozent) und als unter allen Azubis mit ausländischer Staatsangehörigkeit (40 Prozent).

    Mit Abstand die meisten Ukrainer begannen 2023 eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (252). Auf Platz zwei lag der Fachinformatiker mit 129 neuen Azubis. Von ihnen waren im Vergleich besonders viele weiblich: 41 Prozent. Insgesamt waren nur ein Zehntel der angehenden Fachinformatiker Frauen.

    Beliebt waren auch die Berufe Kraftfahrzeugmechatroniker (96), Koch oder Köchin (81), Steuerfachangestellter (78) oder Hotelfachfrau beziehungsweise -mann (75). Die Studienautoren sagen, dass viele ihre Ausbildung in einem Engpassberuf begannen. Dies unterstreiche “nochmal die Bedeutung, die die Integration der Geflüchteten im dualen System längerfristig auf den deutschen Arbeitsmarkt und die Minderung des Fachkräftemangels hat.” Anna Parrisius

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    Sinus-Studie: Für welche Altersgruppe Mathematik besonders schwer ist

    Mathe, Physik und Chemie zählen zu den unbeliebtesten Fächern unter Deutschlands Schülerinnen und Schülern. Das geht aus der aktuellen Sinus-Studie “MINT-Motivation” im Auftrag der Deutschen Telekom Stiftung hervor, die gestern veröffentlicht wurde. Demnach mögen das Fach Mathematik lediglich 36 Prozent der Schüler, Physik 34 Prozent und Chemie 29 Prozent. 

    Allein die Fächer Wirtschaft, Politik/Gesellschaft und Religion/Ethik haben geringere Beliebtheitswerte. Am gefragtesten sind laut der Erhebung Sport, Englisch, Technik und Kunst.  

    Die Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 863 Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 16 Jahren. Sie fand von Mitte September bis Anfang Oktober statt. Darüber hinaus flossen in den Bericht 40 einstündige Gespräche mit Schülern ein.

    Jugendliche empfinden Lücken als unüberwindbar

    Ende 2023 hat die jüngste Pisa-Studie Schülern in Deutschland unter anderem im Kompetenzbereich Mathematik den niedrigsten Punktwert seit der ersten Erhebung 2000 bescheinigt. 30 Prozent der 15-Jährigen verfehlten demnach die Mindestanforderungen.

    Lesen Sie auch: Pisa – reif für einen neuen Schock

    Ab der Sekundarstufe I würden viele Befragte Mathematik als zunehmend schwierig empfinden, heißt es in der Sinus-Studie. “Bei einigen Jugendlichen führt dies dazu, dass Lücken entstehen, die irgendwann als unüberwindbar empfunden werden”, schreiben die Autoren. Sie würden sich in Bezug auf das Fach teilweise selbst aufgeben. “Daher fällt es in Mathe besonders ins Gewicht, ob die Lehrkraft gut erklären kann.”

    Mit zunehmendem Alter wüchsen die Probleme. Während 17 Prozent der Zehn- bis 13-Jährigen der Aussage zustimmen, Angst vor Mathe zu haben, sind es unter den 14- bis 16-Jährigen 28 Prozent. Dass das Zutrauen schwindet, zeigt sich auch daran, dass 82 Prozent der Zehn- bis 13-Jährigen sich als gut oder sehr gut in Mathematik einschätzen. Bei den 14- bis 16-Jährigen sinkt der Wert auf 71 Prozent.

    Das Wichtigste sei, die Schwelle vom “Mathe können” zum “Mathe mögen” zu überwinden, erklärt Jacob Chammon, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung. Das funktioniere dann, wenn Lehrkräfte die eigene Begeisterung in den Unterricht transportieren und die Anwendung der Mathematik in der Praxis zeigen könnten. Lehrkräfte und Alltagsnähe seien die “zentralen Treiber” für “MINT-Motivation”, heißt es in der Studie.

    Lars Holzäpfel von der PH Freiburg sagt: “Mehr Lust auf das Fach geht natürlich in erster Linie über die Sinnstiftung.” Sie könne etwa über Alltagsbezüge hergestellt werden. Holzäpfel gehört zum Leitungsteam von QuaMath, einem bundesweit angelegten Fortbildungsprogramm für Mathematik-Lehrkräfte.

    Lesen Sie auch: QuaMath – Wie viele Schulen beim Start in die Praxis dabei sind

    Der Wissenschaftler mahnt, oftmals würden Formeln unverstanden angewendet. Die Lernenden kämen zu selten ins mathematische Denken. “Die Genialität von Mathematik bleibt somit vielen verborgen.” Holger Schleper

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    Angewandte KI: Warum Bayern dafür jetzt eine Fachschule hat

    Bayern rüstet weiter in Sachen KI auf. Wie das Kultusministerium in München diese Woche mitteilte, können Fachschülerinnen und Fachschüler ab dem Schuljahr 2025/26 einen Abschluss in “Angewandter Künstlicher Intelligenz” machen. Ziel des bundesweit einzigartigen Bildungsangebotes ist laut Ministerium, innovative KI-Technologien gezielt in beruflichen Kontexten einzusetzen und so die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu steigern.

    Die Weiterbildung findet am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Neumarkt in der Oberpfalz statt. Voraussetzung dafür ist eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie anschließende Berufserfahrung. Schulleiter Albert Hierl verspricht sich einiges von dem neuen Schwerpunkt: “Wir sehen, dass der Bedarf der Firmen an KI-Anwendungen groß ist”, sagt Hierl zu Table.Briefings. Etwa im Bereich autonomes Fahren oder serielles Bauen.

    In den Fächern Elektrotechnik und Bautechnik arbeiteten sie in Neumarkt deshalb schon punktuell mit KI-Anwendungen, sagt Hierl. Jetzt könnten die Schülerinnen und Schüler bestehendes Know-How vertiefen und neue Konzepte erarbeiten: “Mit der Schaffung einer eigenen KI-Fachrichtung leisten wir Pionierarbeit”.

    Unterricht von Spezialisten

    Derzeit entstehen laut Hierl die Lehrpläne und die Stundentafel für die neue Fachrichtung. Zwei neue Planstellen habe das Kultusministerium bereits in Aussicht gestellt. Geht es nach Hierl, werden zudem Experten aus der Praxis in ihrem jeweiligen Spezialgebiet unterrichten. Dazu führe er gerade Gespräche.

    Mit der neuen Fachschule stärkt der Freistaat die Integration der Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz in den Bildungsbereich. Neben dem Auf- und Ausbau der KI-Forschung hat Bayern unter anderem datenschutzkonforme Konzepte zum Lernen mit KI im Unterricht erprobt sowie Schulen mit eigenen KI-Budgets ausgestattet. Ralf Pauli

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    Schulsozialarbeit: Hamburg baut aus

    In Hamburg soll es künftig an allen allgemeinbildenden Schulen Sozialarbeiter geben. Das kündigte Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) am Donnerstag an. Für den schrittweisen Ausbau der Schulsozialarbeit werde die Stadt 102 zusätzliche Stellen schaffen. Kosten: rund 7,2 Millionen Euro pro Jahr. Bekeris begründete den Schritt mit der Sorge um die psychosozialen Gesundheit und dem allgemeinen Wohlbefinden von Jugendlichen.

    Erst am Mittwoch hatte eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch-Stiftung gezeigt, dass viele Kinder und Jugendliche belastet seien und nicht alle Schulen Hilfe leisten könnten. Der Hamburger Senat sieht darin eine Gefahr für die Lern- und Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen. “Schule soll ein Ort sein, an dem sich alle Schülerinnen und Schüler wohlfühlen können”, sagte Bekeris. Schulsozialarbeit könne eine wichtige Rolle spielen und das soziale Miteinander fördern.

    Grundschulen und Gymnasien profitieren am stärksten

    Von der Ausweitung der Schulsozialarbeit sollen vor allem Grundschulen und Gymnasien profitieren, an denen es bislang nur vereinzelt Schulsozialarbeiter gibt. Aber auch die Stadtteilschulen erhalten zusätzliche Ressourcen. Konkret plant der Senat folgende Stellenzuweisungen:

    • Für die 66 staatlichen Gymnasien werden bis zum kommenden Schuljahr 44 zusätzliche Stellen bereitgestellt.
    • Die 64 Stadtteilschulen erhalten in diesem Zeitraum neue 23 Stellen.
    • Die 56 Grundschulen in sozial benachteiligter Lage (Sozialindex 1 und 2) erhalten bereits zum 1. Februar 35 zusätzliche Stellen.

    SPD-Versprechen kurz vor der Wahl

    Alle weiteren Grundschulen sollen “in der nächsten Legislatur” ausgestattet werden. Auch Sonderschulen müssen sich noch gedulden. “Eine Prüfung zur Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für Sonderschulen erfolgt ebenfalls in der nächsten Legislaturperiode”, heißt es dazu in einer Mitteilung des Senats. Ob das SPD-geführte Ressort dieses Versprechen einlösen kann, hängt auch von den Hamburgerinnen und Hamburgern ab. Voraussichtlich am 2. März 2024 wird die Hamburger Bürgerschaft und damit die Landesregierung neu gewählt.

    Einen ganz anderen Weg schlägt derweil Berlin ein. Dort trägt die SPD als Teil der schwarz-roten Landesregierung Streichungen im Bildungsbereich mit. Diese treffen unter anderen den Ausbau der Schulsozialarbeit. Nach der Streichliste von Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) stehen dafür im Haushalt für das kommende Jahr 3,5 Millionen Euro weniger zur Verfügung.

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    Stark-Watzinger: Warum ihre Bilanz überschaubar ausfällt

    Bettina Stark-Watzinger, Ex-Bundesministerin für Bildung und Forschung.

    Als Bettina Stark-Watzinger am 8. Dezember 2021 ihr Amt antrat, hatte sie noch den ersten Schwung der Fortschrittskoalition im Rücken. Und die Erfahrung von vier Jahren mit Anja Karliczek (CDU) an der Spitze des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Hotelfachfrau Karliczek galt als blass, fachfremd, überfordert. Unter ihr wurde zwar der Digitalpakt I aufgesetzt und der Hochschulpakt verstetigt. Ansonsten aber weinte ihr niemand eine Träne nach

    Stark-Watzinger hatte alle Chancen, es besser zu machen. Sie kam aus dem Wissenschaftsbetrieb, sie war Geschäftsführerin eines Finanzforschungsinstituts. Im Haushaltsausschuss des Bundestags war sie für den BMBF-Etat zuständig. Ihre Partei hatte im Wahlkampf “Weltbeste Bildung” versprochen und sich die Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben. Ihr wurden Attribute wie schnell, schlagfertig und zugewandt zugeschrieben. 

    Als sie aber nach dem Ampel-Bruch am 7. November im Schloss Bellevue ihre Entlassungsurkunde entgegennahm, da war in der Bildungsgemeinschaft ein deutliches Aufatmen zu hören. 

    Özdemir gefeiert

    Ihr Nachfolger, der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, wurde auf der Wissenschaftskonferenz Falling Walls am Tag nach seiner Ernennung wie ein Erlöser gefeiert. Dabei hat er das Amt nur mitübernommen, bis eine neue Regierung neue Minister bestellen kann. 

    Was ist schiefgelaufen in den knapp drei Jahren, in denen Stark-Watzinger im Chefsessel des BMBF saß? Die Antwort: so einiges. 

    Es fing vielversprechend an: Im Sommer 2022 offenbarten die neusten PISA-Ergebnisse, wie weit Deutschland in der Schulbildung international hinterherhinkt. Stark-Watzinger forderte eine Grundgesetzänderung. Der Bund müsse mehr Einfluss auf die Bildung haben. Im Frühjahr 2023 setzte sich die Ministerin über viele Konventionen weg und besuchte als erstes Kabinettsmitglied seit 26 Jahren Taiwan. Für ein Fotoshooting ließ sie sich einmal ganz in schwarzer Lederkluft ablichten. Als “blass” wie ihre Vorgängerin hätte sie danach niemand mehr bezeichnet. 

    Überschaubare Bilanz

    Der erste große Rückschlag kam im Sommer 2022. Stark-Watzinger holt die Spar-Axt raus. Ohne große Ankündigung holzte sie sich durch die Wissenschaftslandschaft, strich und kürzte Programme. Selbst mündlich erteilte Förderzusagen ließ sie zurückrufen. Ob Forschung zur Pandemie oder Biodiversität im Amazonas – die Wissenschaftsgemeinde reagiert mit Protestbriefen. Von “Kahlschlag” und “Wortbruch” ist die Rede. Briefe fliegen hin und her, aber Stark-Watzinger will nicht einmal erklären, ob die Kürzungen irgendeiner Systematik folgen. Der Riss, den der Streit aufgetan hat, er ließ sich danach nicht mehr kitten. 

    Inhaltlich fällt ihre Bilanz überschaubar aus: eine verbesserte Hochschulfinanzierung um drei Prozent jährlich, der Ansatz einer BAföG-Reform. Und – nicht zuletzt – das Startchancen-Programm für Schulen in “herausfordernden Lagen”. 4.000 Schulen sollen in den kommenden zehn Jahren von Bund und Ländern mit rund 20 Milliarden Euro so gestärkt werden, dass die Zahl der Kinder mit Schwächen in Lesen, Schreiben und Rechnen halbiert wird.

    Stark-Watzinger preist das Programm als das größte Bildungsprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik. Der bildungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Thomas Jarzombek, hielt dem im Frühjahr eine einfache Rechnung entgegen: Jede der 4.000 geförderten Schulen werde im Schnitt eine zusätzliche Stelle bekommen. “Eine Stelle? Was ist denn das für eine Bildungsrevolution?

    Nicht weniger als eine Bildungsrevolution aber hatte Stark-Watzinger zu Beginn ihrer Amtszeit versprochen. Stattdessen hat sie in der Fördergeldaffäre eine Revolte der Wissenschaft gegen sich provoziert. Knapp 3.300 Wissenschaftler forderten in einem offenen Brief ihren Rücktritt. Die Unterzeichner sahen in dem Versuch der BMBF-Spitze, unliebsamen Wissenschaftlern die Bundesförderung zu streichen, einen “bisher nicht dagewesenen Angriff” auf die Grundrechte von Wissenschaftlern. Bis heute ist nicht restlos geklärt, was genau Stark-Watzinger wann von den Debatten im Haus wusste. 

    Stark-Watzinger igelte sich ein

    Der Eindruck von außen: Stark-Watzinger igelte sich ein, umgab sich mit immer mehr standfesten Liberalen, die sie sich aus dem FDP-Kosmos ins Ministerium holte. Der Spiegel berichtete Mitte Oktober, von 22 Posten in der Führungsebene ihres Ministeriums seien seit Amtsantritt 15 Stellen an Mitglieder ihrer eigenen Partei gegangen. “Darunter viele langjährige Vertraute der Ministerin.” Ein ganz normaler Vorgang, hieß es aus dem Ministerium, ähnliches sei in anderen Häusern auch üblich.

    Stark-Watzinger war auch Teil jenes engen Führungszirkels um Parteichef Christian Lindner, der nach Recherchen der Zeit und der Süddeutschen Zeitung im sogenannten F-Kabinett den Bruch der Koalition, den D-Day, vorbereitet hat. Was Fragen aufwirft, ob Stark-Watzinger die zähen Verhandlungen über so bedeutsame Zukunftsprojekte wie den Digitalpakt II nicht eher hintertrieben als vorangetrieben hat. Aus den Ländern jedenfalls ist zu hören, dass viele Verhandlungsrunden unnötig ergebnisfrei beendet worden seien. Ein Vorwurf, der aus dem Umfeld von Stark-Watzinger eins zu eins an die Länder zurückgegeben wird. 

    Hoffnung auf Neuanfang

    Der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) bezeichnete Stark-Watzinger als “die schlechteste Bundesforschungsministerin, die wir je hatten“. Das wäre aus dem Mund eines CSU-Ministers nicht weiter erwähnenswert. Deckt sich aber mit vielem, was auch aus den Bildungsministerien der Länder zu hören ist. Karliczek, sagen heute manche, habe vielleicht wenig Gutes bewirkt. Aber auch nichts Schlechtes.

    Stark-Watzinger fehlte auf Landesebene eine Vertrauensperson, ein Counterpart der eigenen politischen Farbe, der ihr offen zurückspiegelt, was gerade wie unter den 16 Ländern diskutiert wird, sagen Personen, die ihr wohlgesonnen sind. Vielleicht wäre manches anders gelaufen, wenn sie so ein Korrektiv gehabt hätte. Der Bildungs- und Wissenschaftsgemeinde bleibt jetzt nur die Hoffnung, dass das Amt nach den Neuwahlen besser besetzt wird.  

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    Personalie

    Linda McMahon, 76, soll nach dem Wunsch des kommenden US-Präsidenten Donald Trump Bildungsministerin der USA werden. McMahon ist eine ehemalige Wrestling-Unternehmerin. Von ihr kursieren Videos im Netz, in denen sie von Wrestlern durch den Ring geschleudert wird. Sie ist überdies eine wichtige Spenderin für Trumps Wahlkampf. Als Dank hat sie in der ersten Trump-Administration die Behörde für Kleinunternehmen leiten dürfen. In der Bildungspolitik hat sie bisher kaum Spuren hinterlassen. Sie setzt sich aber dafür ein, dass Eltern mehr Mitsprache bekommen, wenn es um Bildungsinhalte gibt. Wir haben Trumps Bildungs-Agenda hier für Sie analysiert.

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    Best of Table

    Research.Table. WissenschaftsMK: Minister wollen forschungspolitisches Profil der Länder schärfen. In der KMK waren die Wissenschaftsminister der Länder oft nur ein Anhängsel ihrer Bildungskollegen. Mit der WissenschaftsMK soll die Forschungspolitik der Länder besser abgestimmt und relevanter werden. Was hat das Gremium vor? Ein Q&A zur gestrigen Premiere. Mehr lesen Sie hier.

    Research.Table. Metin Tolan: “Ich habe die Unruhe unterschätzt.” Der jetzt ehemalige Göttinger Universitätspräsident Metin Tolan ist am Mittwoch vom den Senat abgewählt worden. Im Interview mit Table.Briefings spricht Tolan über wiederholte Angriffe gegen seine Person. Mehr lesen Sie hier.

    • Bildung

    Presseschau

    ntv: Sachsen-Anhalt lässt Seiteneinsteiger als Schulleiter zu. Das Bildungsministerium Sachsen-Anhalt hat die Anforderungen für Schulleiter gesenkt, um unbesetzte Stellen zu füllen. Finden sich keine ausgebildeten Lehrer, dürfen im zweiten Anlauf auch Seiteneinsteiger berücksichtigt werden. Ein entsprechender Erlass gilt seit Ende Oktober. Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) nennt strukturelle Probleme als Grund. Aktuell haben 55 öffentliche Schulen, vor allem Grundschulen, keine reguläre Schulleitung – das sind sieben Prozent der Schulen. (Bildungsministerium senkt Anforderungen für Schulleiter)

    rbb: Berliner Schule schickt Brandbrief. Das Kollegium der Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau hat in einem Alarmbrief auf ihre Probleme hingewiesen: Gewalt, Beleidigungen und Mobbing gehören zum Alltag, Lehrkräfte und Schüler werden bedroht. Böller und Flaschen fliegen auf dem Schulhof, viele Schüler sprechen kein Deutsch oder waren zuvor nie auf einer Schule. Die Schule bittet um mehr Personal, Psychologen sowie stärkere Sicherheitsvorkehrungen. Ein Drittel der Lehrer ist krankgeschrieben, die Belastungsgrenze erreicht. Die Schulaufsicht plant klärende Gespräche. (Lehrer an Schöneberger Schule rufen mit Alarmbrief um Hilfe)

    t-online: NRW-FDP-Chef fordert Kindergeldrefom für Bildung. Henning Höne, Vorsitzender der FDP in NRW, schlägt vor, das Kindergeld zu halbieren und die eingesparten Mittel in den Ausbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten zu investieren. Diese Änderung soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen. Höne schreibt, dass eine moderne, qualitativ hochwertige Betreuung die wirtschaftliche Teilhabe von Eltern stärkt und so langfristig die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands fördert. (Das Kindergeld sollte halbiert werden)

    Tagesspiegel: Berlin setzt Rotstift an. Die Berliner Bildungsverwaltung muss 350 Millionen Euro einsparen. In dem Sparpaket fällt die monatliche 300 Euro Brennpunktzulage für Lehrkräfte in sozial schwachen Kiezen weg. Einsparung 2025: 3,2 Millionen Euro. Weg fällt auch der Nachteilsausgleichs für nichtverbeamtete Berliner Lehrkräfte. Damit sollen 20 Millionen Euro gespart werden. Für IT-Infrastruktur, IT-Experten, Softwarelizenzen und digitale Endgeräte stehen im kommenden Jahr 12,5 Millionen Euro weniger zur Verfügung. (Wo in der Berliner Bildung gespart wird)

    Zeit: Hessen senkt Hürden für Quereinstieg. Hessen plant, die Hürden für den Quereinstieg in den Lehrerberuf zu senken, um mehr Akademiker zu gewinnen und den Lehrermangel zu bekämpfen. Künftig sollen auch Bewerber mit nur einem Fachabschluss für den Lehrerberuf zugelassen werden. Dies soll zum Schuljahr 2024/2025 greifen. (Hessen will Hürden für Quereinstieg in Lehrerberuf senken)

    (Diese Presseschau wurde mit Hilfe von KI erstellt)

    Bildung.Table Redaktion

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