Table.Briefing: Bildung

Längere Schulpflicht + Scheinselbstständigkeit bei Dozenten + Landschulen versus Stadtschulen

Liebe Leserin, lieber Leser,

jeder zehnte Schüler verlässt in Berlin die Schule ohne echte Zukunftsperspektive. Diese rund 3.000 Schulabgänger haben weder eine Ausbildung noch einen Platz an einer weiterführenden Schule in Aussicht. Das soll sich ändern. Ab dem Schuljahr 2025/26 führt Berlin nach Hamburger Vorbild das elfte Pflichtschuljahr ein. Anna Parrisius analysiert, warum dieses Konzept nicht nur für orientierungslose Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Unternehmen vielversprechend ist. Ob die längere Schulpflicht ein “Gamechanger” wird, hängt vor allem von einem Faktor ab.

Nicht die Effekte eines Schuljahres, sondern eines Schulstandortes schaut sich dagegen unser Kolumnist und PISA-Experte Andreas Schleicher an. In vielerlei Hinsicht sind städtische Schulen gegenüber Schulen auf dem Land im Vorteil – beispielsweise verfügen sie oft über mehr Mittel, bessere Einrichtungen und fortschrittliche Technologien. Und doch: Die jüngste PISA-Studie offenbart einen verborgenen Vorteil ländlicher Schulen.

Bislang verborgen – weil komplex – sind auch die Überlegungen, wie Lehrkräfte weiter als Selbstständige beschäftigt werden können. Der Fall einer Musikschullehrerin löste 2022 bei Kommunen und privaten Dozenten große Unsicherheit aus. Dabei ging es vor allem um das “richtige” Arbeitsverhältnis: selbstständig oder festangestellt? Maximilian Stascheit hat Einblicke in interne Dokumente des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bekommen und analysiert, wie eine Lösung aussehen könnte.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

 

Ihre
Vera Kraft
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Analyse

Elftes Pflichtschuljahr: So sollen in Berlin mehr Jugendliche in Ausbildung kommen

Etwa 3.000 Schülerinnen und Schüler – zehn Prozent eines Jahrgangs – verlassen in Berlin jährlich die 10. Klasse, ohne dass sie in Ausbildung, in ein anderes Bildungsangebot oder an eine weiterführende Schule kommen. Ihnen droht Langzeitarbeitslosigkeit. Der Berliner Senat hat daher beschlossen, die Schulpflicht, wie alle anderen Bundesländer auch, auf ein elftes Jahr auszudehnen – zumindest für alle, die nicht über 18 Jahre alt sind. 2005 hatte die rot-rote Regierung diese Pflicht abgeschafft.

Das elfte Pflichtschuljahr kommt erst im Schuljahr 2025/26, schon im bald beginnenden Schuljahr soll laut Senatsverwaltung jedoch an der “operativen Umsetzung” gearbeitet werden. Viele Fragen sind noch zu klären – und es braucht Vorbereitung, damit das neue Pflichtschuljahr zum Erfolg wird, wie der Blick nach Hamburg zeigt.

Dualisiertes Konzept für Schulmüde

In Hamburg wurde der Übergangssektor vor 13 Jahren stark komprimiert und ein neues elftes Pflichtschuljahr dabei in den Fokus gestellt. Durch diesen Bildungsgang, die dualisierte Ausbildungsvorbereitung (AvDual), finden heute knapp die Hälfte der Jugendlichen, die nach der zehnten Klasse nicht schon direkt den Übergang schaffen, nach einem Jahr den Weg in eine Ausbildung. Vor der Reform waren es rund 25 Prozent gewesen. Und nur von wenigen Schülern weiß der Hamburger Senat heute immer noch nicht, wo sie nach der Schulzeit bleiben.

Geht es nach Susan Seeber, Wirtschaftspädagogin und Mitglied der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK, liegt der Hamburger Erfolg vor allem am dualisierten Konzept: Zwei bis drei Tage wöchentlich sind die Jugendlichen dort im Betrieb. Sinnvoll ist das besonders für schulmüde Jugendliche. Also genau jene jungen Menschen, die in Berlin bisher durchs Raster fallen, oft lange schulabstinent waren und vielfältige Probleme mitbringen.

Lesen Sie hier: Was Susan Seeber für einen besseren Start in die Ausbildung fordert

Ankerschulen sollen Orientierungslose in ihren Kiezen aufnehmen

Um diese Jugendlichen künftig direkt in ihren Kiezen zu erreichen, hat Berlin 15 über ganz Berlin verteilte Ankerschulen benannt. Sie sollen die Integrierte Berufsausbildung (IBA) ergänzen, den bislang freiwilligen einjährigen Bildungsgang zur Berufsvorbereitung. Hier entscheiden sich Schüler bereits für ein Berufsfeld und gehen an eine fachlich passende berufliche Schule – in Berlin Oberstufenzentren (OSZ) genannt. Im Gegensatz zur IBA soll das Angebot an den Ankerschulen laut Senatsverwaltung “berufsfeldübergreifend statt berufsfeldspezifisch sein, einen hohen Anteil betrieblicher Praxis beinhalten und in erster Linie die personale Kompetenzentwicklung in den Blick nehmen.” Nachpauken, um einen Schulabschluss zu erlangen, soll nicht auf dem Lehrplan stehen.

Viel konkreter ist das Konzept aber noch nicht. Für Stefan Marien, Schulleiter einer Ankerschule, dem OSZ Ästhetik und Technik, und Mitglied im Vorstand des Schulleiterverbands Berufliche Bildung in Berlin (BBB), gibt es noch mehrere offene Fragen. Zum Beispiel, was Ankerschulen in den Kiezen den Jugendlichen bringen, wenn sie für ein Praktikum doch wieder durch halb Berlin fahren müssten. “Direkt hier vor Ort gibt es nicht für alle denkbaren Berufe Praktikumsmöglichkeiten.”

Wie kommen die Schüler in die Ankerschulen?

Und: Wie kommen die rund 3.000 Schüler, die bisher von der Bildfläche verschwanden, überhaupt in die Ankerschulen? Laut Senatsverwaltung soll es für alle Zehntklässler schon ab diesem Schuljahr ein verpflichtendes Berufsberatungsgespräch geben. Dafür sollen weiterführende Schulen mit den Ankerschulen künftig zusammenarbeiten. Doch das allein wird nach Mariens Einschätzung nicht helfen. “Es wird mehr aufsuchende Sozialarbeit und Unterstützung der Polizei geben müssen”, sagt der Schulleiter. Ob es hierfür die Ressourcen gibt, hält er für fraglich.

Ronald Rahmig, Vorsitzender des Schulleiterverbands BBB, sieht ein grundlegendes Problem darin, dass die Ankerschulen künftig Berufsorientierung übernehmen sollen. “Gute Berufsorientierung hängt stark vom Schüler-Lehrer-Verhältnis ab, davon, dass Lehrkräfte Schüler über einen längeren Zeitraum begleitet haben. Wenn die Schüler an die Ankerschulen kommen, kennen sie die Lehrkräfte dort aber gar nicht.” Rahmig befürchtet zudem, dass die Integrierten Sekundarschulen (ISS) das elfte Pflichtschuljahr als Freibrief verstehen werden, die Berufsorientierung – eigentlich Aufgabe der Mittelstufe – ganz fallen zu lassen. Schon jetzt konzentrierten sich viele ISS zu sehr auf ihre gymnasiale Oberstufe.

“Gamechanger”: Haltung der Lehrkräfte

An den Ankerschulen wird viel von den Lehrkräften abhängen. Das zeigt die Hamburger Erfahrung: Die Haltung der Lehrkräfte zu verändern, hält Birgit Kruse, Referatsleiterin am Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB), für den “Gamechanger”. Am HIBB, das die beruflichen Schulen in der Hansestadt steuert, verantwortet Kruse die dualisierte Ausbildungsvorbereitung.

“Lehrkräfte werden als Fachlehrer ausgebildet”, sagt Kruse. In der AvDual stünden aber die Jugendlichen und ihr Findungsprozess im Fokus – und die Lehrkräfte müssten ein gutes Bild von den infrage kommenden Betrieben haben. Dafür seien Fortbildungen dringend nötig. “Es braucht ein bis zwei Jahre, bis Lehrkräfte sich diese andere Arbeitsweise zu eigen gemacht haben.”

Woher kommt das Personal?

Nötig ist für die Realisierung des elften Pflichtschuljahres auch zusätzliches Personal: Vier Klassen à 15 Schüler sind je Ankerschule geplant. Laut Senatsverwaltung soll die Personalakquise im Februar 2025 anlaufen. An Stefan Mariens OSZ liegt die Personaldeckung bereits heute bei nur 94 Prozent. “Für die neuen Klassen bräuchte es mindestens zwei, drei weitere Lehrkräfte. Außerdem weitere Sozialarbeiter, die wir schon jetzt kaum finden – und alles das bei angespannter Haushaltslage.” Etwas einfacher könnte es sein, Bildungsbegleiter von Bildungsträgern als Unterstützung zu erhalten.

Solchen Begleitern kommt in Hamburg eine wichtige Rolle für die Kooperation mit den Unternehmen zu: Sie kommen wöchentlich eine Stunde in den Betrieb, in den die Jugendlichen gehen. Dort coachen sie die Jugendlichen, kommunizieren mit den Anleitern im Betrieb und vermitteln bei Schwierigkeiten.

Allerdings hat Berlin eine andere Wirtschaftsstruktur als Hamburg. Es gibt wenige Großbetriebe, dafür kleine und mittelgroße Betriebe, die weniger ausbilden. Daher gibt es auch nicht so viele Praktikumsplätze und wenn, klagen Schulleiter, mangele es oft an Qualität. Ronald Rahmig sieht in der Kooperation von Wirtschaft und Schulen dringenden Verbesserungsbedarf. Bis zum Start des elften Pflichtschuljahres bleibt dafür noch ein Jahr Zeit.

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Sprachkurse: Wie das Arbeitsministerium Scheinselbstständigkeit umgehen will

Was zeichnet einen selbstständigen Dozenten aus? Und wodurch unterscheidet sich seine Arbeit inhaltlich von der einer festangestellten Lehrkraft? Diese Frage versucht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit zu beantworten und hat dafür gleich vier Arbeitsgruppen eingerichtet. Die internen Diskussionen der Experten zeigen jedoch, dass die Fragen mit zahlreichen Spannungen und Problemen behaftet sind – und dass die AG in Teilen mit ihrem eigenen Auftrag hadert.

Auslöser: Das Herrenberg-Urteil

Der Anstoß für die aktuellen Überlegungen geht maßgeblich auf das Herrenberg-Urteil aus dem Jahr 2022 zurück. Darin hatte das Bundessozialgericht im Fall einer selbstständigen Musikschullehrerin geurteilt, dass es sich bei ihrer Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung handele. Ihr Auftrag- bzw. Arbeitgeber musste sie daraufhin fest anstellen und Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Das Urteil löste viel Unsicherheit aus – und hat eine Sprengkraft, die weit über die Musikschulen hinausgeht.

Denn die Frage nach der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit bei Lehrkräften stellt sich auch in anderen Bereichen. Deshalb sollen sich nun vier Arbeitsgruppen des BMAS mit der Definition des Erwerbsstatus von Lehrkräften befassen: jeweils eine für Integrations- und Berufssprachkurse, für Musikschulen, für berufliche (Weiter-)bildung und für sonstige/offene Kursangebote. Die Ergebnisse können laut BMAS “in Sachverhaltsbeschreibungen in Verbindung mit Musterverträgen” festgehalten werden.

Diskussion um Auftrag des Ministeriums

Table.Briefings liegt ein Protokoll der Arbeitsgruppe für Sprach- und Integrationskurse vor, das die Komplexität des Themas offenbart. Denn die Experten befassen sich nicht nur mit der Frage, wie sie die Kriterien konkreter definieren können, sondern auch, ob das BMAS mit seinem Auftrag an die AG überhaupt den richtigen Weg eingeschlagen hat.

So behandelt das Protokoll der ersten drei Arbeitssitzungen die Frage, ob es tatsächlich sinnvoll ist, individuelle Kriterien für unterschiedliche Dozentengruppen zu definieren. “Eine Vereinheitlichung wäre insofern wünschenswert, als dadurch insgesamt mehr Rechtssicherheit geschaffen würde”, heißt es darin. Diese müsste jedoch “ein komplettes Umdenken sowie die Beschränkung auf wenige grundsätzliche ,Kriterien’ zur Folge haben”.

Laut Sozialgesetzbuch wäre eine solche Vereinheitlichung derzeit nicht möglich – die Experten deuten allerdings zumindest die Option einer entsprechenden Gesetzesänderung an. Das will das BMAS jedoch nicht. Stattdessen soll es für jede Berufsgruppe eigene Kriterien geben. Dafür soll die AG nun “Muster-Formulierungen” erarbeiten und sich dabei an Kriterien der Deutschen Rentenversichung (DRV) orientieren.

Rentenversicherung nennt Kriterien für Selbstständigkeit

Ihre Kriterien für Selbstständigkeit hat die DRV am 14. Juni im Rahmen eines Fachgesprächs im BMAS dargelegt. “Dies ist der Fall, wenn die Tätigkeit nicht durch Weisungsgebundenheit und Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation, sondern durch Weisungsfreiheit sowie unternehmerische Freiheiten, Chancen und Risiken geprägt ist”, erklärte ein Sprecher des BMAS auf Anfrage von Table.Briefings. Zu diesen Kriterien gehört laut Ergebnisprotokoll beispielsweise, dass die Dozenten …

  • “nur allgemeine inhaltliche Rahmenvorgaben” bekommen und den Unterricht ansonsten selbst gestalten können,
  • Unterrichtsort und -zeit mitbestimmen können,
  • die Möglichkeit haben, sich eine Vertretung zu engagieren,
  • Schüler auf eigene Rechnung selbst akquirieren können,
  • auch erfolgsabhängige Vergütungen erhalten können,
  • keine Verpflichtung zur Durchführung von besonderen Schülerveranstaltungen oder zur Teilnahme an Konferenzen haben.

Es müssen jedoch nicht alle Kriterien erfüllt werden. Entscheidend sei, dass in der Gesamtbetrachtung der überwiegende Teil für eine selbstständige Tätigkeit spreche.

Probleme bei Sprach- und Integrationskursen

Diese Kriterien stellen die AG für Integrations- und Berufssprachkurse jedoch vor Herausforderungen, wie aus dem Protokoll hervorgeht. So wird die Freiheit der Unterrichtsgestaltung durch klare Vorgaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingeschränkt. Beispielsweise sind die Integrationskurse modular aufgebaut. Ein AG-Mitglied merkt daher an, dass “die Lehrkraft die vorgegebenen Lehrwerke nicht nur chronologisch, sondern auch im dafür vorgesehenen Zeitrahmen durcharbeiten” muss.

Für andere Kriterien hat die AG bereits Lösungen gefunden: Für die Wahl von Zeit und Ort soll etwa ein “Aushandlungsgespräch” stattfinden. Selbstständige Lehrkräfte sollen sich eigene Bücher selbst kaufen, Kopien für den Unterricht bezahlen müssen und keinen Zugang zu Lehrmittelbibliotheken erhalten. Als variable Vergütung könne eine “Verbleibequote” von Modul zu Modul eingeführt werden.

Abgeschlossen haben die AGs ihre Arbeit allerdings noch nicht. Bis Mitte September sollen sie ihre Arbeitsergebnisse dem Ministerium übersenden. Für Oktober ist ein zweites Fachgespräch im BMAS angesetzt. Zumindest bis dahin können Träger und Dozenten beruhigt sein: Die DRV hat angekündigt, bis zum 15. Oktober keine Betriebsprüfungen durchzuführen oder Bescheide zu erstellen.

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Kolumne

Andreas Schleicher: Was die PISA-Studie zu den Vorteilen ländlicher Schulen offenbart

Städtische Schulen haben in der Regel erhebliche Vorteile gegenüber ländlichen Schulen. In Bezug auf Ressourcen erhalten städtische Schulen oft mehr Mittel und können so bessere Einrichtungen, Unterrichtsmaterialien und fortschrittliche Technologien nutzen. Außerdem können sie den Schülern vielfältigere Bildungsmöglichkeiten und einen leichteren Zugang zu höherer Bildung und besseren Berufschancen bieten. 

So kann die Nähe zu Hochschulen und Universitäten die Teilnahme an dualen Studiengängen und den Besuch von Hochschulen erleichtern. Und die Nähe zu Unternehmen und Industrien bietet mehr Möglichkeiten für Praktika, Job Shadowing oder Angebote der Berufsorientierung. Nicht zuletzt ist es für städtische Schulen einfacher, qualifizierte Lehrkräfte und Fachpersonal zu gewinnen, was zu einem vielfältigeren und eher fachbezogenen Kollegium führt, das in städtischen Gebieten oft auch besseren Zugang zu beruflicher Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten hat.

Gefühl der Verfügbarkeit von Lehrkräften beeinflusst Lernergebnisse

Die jüngste PISA-Studie offenbart jedoch einen verborgenen Vorteil ländlicher Schulen. Schüler in ländlichen Gebieten berichten in der Regel von einer größeren Unterstützung durch ihre Lehrer. Von den Ländern, in denen die Unterstützung durch die Lehrkräfte messbare Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Schulen aufwies, zeigten 29 Länder eine stärkere Unterstützung durch die Lehrkräfte in ländlichen Gebieten. Nur drei Länder zeigten demgegenüber eine stärkere Unterstützung durch die Lehrkräfte in städtischen Gebieten. Sie werden bei den PISA-Erhebungen als Regionen mit mehr als 100.000 Einwohnern definiert. 

Dies ist von Bedeutung. Denn PISA zeigt, dass die Unterstützung durch Lehrkräfte ein wichtiger Prädiktor für die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung der Schüler ist. Schüler, die das Gefühl hatten, dass ihre Lehrer zur Verfügung standen, wenn sie während der Pandemie Hilfe brauchten, waren beispielsweise souveräner im selbstständigen Lernen. Schüler, die das Gefühl hatten, dass ihre Lehrer verfügbar waren, erzielten in Mathematik deutlich bessere Resultate als solche, die sich allein fühlten (siehe “PISA 2022 Results – Learning during – and from – disruption“, Seite 79). Nicht zuletzt haben sich in den Ländern, in denen sich die Unterstützung der Lehrer in den letzten Jahren verbessert hat, im Allgemeinen auch die Lernergebnisse verbessert. 

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die dazu beitragen könnten. Ländliche Schulen werden oft von eng verbundenen Gemeinschaften getragen und können diese weiter stärken. Ländliche Schulen legen oft auch Wert auf die Grundwerte der Gemeinschaft, auf Traditionen und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Eine starke Bindung an die örtliche Gemeinschaft kann zu einem stärkeren Engagement der örtlichen Unternehmen und Organisationen führen. Auch haben Schüler in ländlichen Gebieten oft mehr Möglichkeiten, sich an gemeinnützigen Arbeiten und lokalen Projekten zu beteiligen. 

Langfristige Beziehungen zu Gleichaltrigen leichter möglich

Nicht zuletzt haben ländliche Schulen oft eine stabilere Schülerpopulation, was zu weniger Unterbrechungen im Lernumfeld führt. Die Schüler bleiben während ihrer gesamten Schulzeit in derselben Umgebung und können langfristige Beziehungen zu Gleichaltrigen und Lehrkräften aufbauen. Ein Merkmal ländlicher Schulen, das zu besseren Schüler-Lehrer-Beziehungen beitragen könnte, könnte die geringere Schulgröße sein. 

Tatsächlich unterstützt die PISA-Studie diese Hypothese. Von den Ländern mit messbaren Unterschieden in der Unterstützung durch die Lehrkräfte zwischen großen und kleinen Schulen (hier definiert durch Verhältnis vom obersten und untersten Viertel in jedem Land), weisen 38 Länder eine größere Unterstützung durch die Lehrkräfte im kleinsten Viertel der Schulen auf und nur zwei Länder eine größere Unterstützung durch die Lehrkräfte in großen Schulen. Die geringere Zahl von Schülern und Lehrern macht es einfacher, dass jeder jeden kennt. Und sie ermöglicht zusammen mit einem zahlenmäßig besseren Schüler/Lehrer-Verhältnis eine individuellere Betreuung und Unterstützung jedes einzelnen Schülers sowie eine engere Bindung der Lehrer an die Schüler.

Schulschließung kann bedeuten, einem Dorf das Herz zu nehmen

Natürlich muss all dies im Gesamtkontext gesehen werden. Insgesamt stehen die Chancen für kleine Schulen nach wie vor schlecht. Denn sie sehen sich oft mit großen Herausforderungen konfrontiert, etwa in Bezug auf begrenzte Ressourcen, Kursangebote, außerschulische Möglichkeiten und dem Zugang zu speziellen Dienstleistungen.

Die rasch schrumpfende Bevölkerung im schulpflichtigen Alter zwingt viele Regierungen dazu, kleine ländliche Schulen zusammenzulegen. Dafür gibt es oft gute Gründe. Und Schulkonsolidierungen können wichtige neue Möglichkeiten eröffnen. Dazu zählen die Schaffung eines breiteren Kursangebots für Schüler, die Stärkung der Zusammenarbeit und beruflichen Weiterbildung von Lehrern oder einfach die Freisetzung von Ressourcen für andere wichtige Investitionen in die Bildung. 

Die politischen Entscheidungsträger sollten jedoch das Gesamtbild betrachten und die verborgenen Vorzüge ländlicher Schulen berücksichtigen, bevor sie die schwierige Entscheidung treffen, eine Schule zu schließen und einem Dorf so das Herz zu nehmen.

Dies ist die übersetzte Fassung der Kolumne. Das englische Original finden Sie hier.

Der OECD-Bildungsdirektor, Andreas Schleicher, ist Statistiker und Bildungsforscher und kritisiert seit Jahren das deutsche Bildungssystem. 2019 erschien sein Buch “Weltklasse: Schule für das 21. Jahrhundert”, in dem er zentrale Ergebnisse seiner Forschung zusammenfasst. Er konzipierte die Pisa-Studien und stellte 2001 die in Deutschland viel beachtete erste Pisa-Studie vor. Seit 2002 ist er für das Pisa-Programm zuständig und beteiligt sich bei zahlreichen weiteren Bildungsprojekten.

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News

Lehrermangel: Immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger unterrichten an Schulen

Jede zehnte Lehrkraft stand im Schuljahr 2022/23 vor einer Klasse, ohne eine anerkannte Lehramtsprüfung zu haben (9,8 Prozent). An beruflichen Schulen war der Anteil an Quer- und Seiteneinsteigern sogar doppelt so hoch: Hier kam rund jede fünfte Lehrkraft über einen Umweg in den Schuldienst (21,2 Prozent). Das geht aus einer aktuellen Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts hervor. Wegen des Lehrermangels ist die Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2012/13 lag der Anteil der Quer- und Seiteneinsteiger an allgemeinbildenden Schulen noch bei 5,6  Prozent.

Wer als Quer- oder Seiteneinsteiger zählt und welche Qualifikationen nötig sind, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland (hier finden Sie den exklusiven Table.Briefings-Überblick).

VBE: Quereinsteiger sind mittlerweile besser vorbereitet

Diese unterschiedlichen Situationen in den Ländern – aber auch an einzelnen Schulen – gehen im Durchschnittswert unter, sagt Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), zu Table.Briefings. Besonders für Schulen in herausfordernder Lage sei es häufig schwer, genug pädagogisch qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.

“Wenn Personen ohne komplette Lehramtsausbildung eingestellt werden, führt dies zu einer Deprofessionalisierung“, warnt VBE-Vorsitzender Brand. Immerhin gebe es mittlerweile aber solide Vorbereitungskurse mit universitärer Anbindung und verbindlichen Strukturen vor Ort. Man müsse gewährleisten, dass die neuen Fachkräfte an der Schule ausreichend begleitet werden.

Lesen Sie auch: Lehrkräftemangel: Welche strukturelle Verankerung der Quereinstieg braucht

Zahl der Studienanfänger für das Lehramt leicht gestiegen

Immerhin: Nach einem Rückgang in den Vorjahren entschieden sich im Jahr 2023 wieder etwas mehr Studierende für ein Lehramtsstudium. Rund 46.400 Personen begannen ein Lehramtsstudium im Bachelor- oder Staatsexamensstudium – das sind 2,4 Prozent mehr als 2022. Trotzdem ist die Zahl niedriger als vor zehn Jahren (minus 2,1 Prozent). Für Gerhard Brand bedeutet das aber “mitnichten eine Entspannung der Situation”. Der aktuelle Lehrkräftemangel sei beispielslos – umso wichtiger sei es daher, das im System befindliche Personal besser zu behandeln.

Die Zahl der Lehramtsabsolventen ist weiter rückläufig. Im Prüfungsjahr 2022, für das die aktuellsten Daten vorliegen, haben rund 28.700 Lehramtsstudierende entsprechende Abschlussprüfungen bestanden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das zwar nur ein leichter Rückgang. Doch im Vergleich zu vor zehn Jahren sank die Zahl um 10,5 Prozent. Vera Kraft

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Haushalt 2025: Warum dem BMBF mehr als eine Milliarde Euro Globale Minderausgabe drohen

Rund 650 Millionen Euro Globale Minderausgabe (GMA) stehen bereits im Einzelplan 30, dem Budget des BMBF für 2025. Nun könnte mit der Einigung der Ampel vom vergangenen Freitag nochmal soviel obendrauf kommen. Jedenfalls, wenn das BMBF sich entsprechend seines Anteils am Gesamthaushalt an der Bodensatz-GMA von jetzt geplant rund 12 Milliarden Euro beteiligen muss. Damit kann sich das BMBF-Budget, das am Anfang wie ein Erfolg von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger aussah, noch in einen Sparhaushalt verwandeln.

Bodensatz-GMA wird nicht vorab auf Ministerien verteilt

Haushälter verweisen darauf, dass diese Bodensatz-GMA nicht vorab auf die Ministerien verteilt wird. Demnach könne es Ende des Jahres 2025 sein, dass das BMBF nicht zur Erwirtschaftung der Bodensatz-GMA beitragen müsse. 

Allerdings sind die Budgets in anderen Ministerien oft weniger flexibel als das des BMBF mit seinem hohen Anteil an Fördergeschäft. In der Forschungsförderung gibt es tatsächlich häufiger nicht verausgabte Mittel in Förderprojekten, die dann an die Bundeskasse zurückfließen. Darüber hinaus sind Förderprojekte auch leichter zu verschieben oder zu streichen, als zum Beispiel Ansprüche auf Bürgergeld.

BMBF müsste über Prioritäten nachdenken

Wenn es also auch nach den Haushaltsverhandlungen im Parlament bei der Bodensatz-GMA von 12 Milliarden Euro bliebe, müsste Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sich auf eine sehr hohe GMA einstellen, die eine Milliarde Euro überschreiten könnte. Ob diese Summe tatsächlich über klassische Minderausgaben im Fördergeschäft erwirtschaftet werden könnte, ist fraglich.

Der FDP-Forschungspolitiker Stefan Seiter betont: “Es wäre schlecht, in Krisenzeiten die haushaltspolitische Axt am BMBF, dem Zukunftsressort schlechthin, anzusetzen, liegt die Innovationskraft unserer Volkswirtschaft doch in seiner Zuständigkeit. Die haushaltpolitischen Prioritäten sollten sich weg von konsumtiven, hin zu investiven Ausgaben entwickeln. Zugunsten konsumtiver Ausgaben droht das haushaltspolitische Korsett des BMBF nun enger zu werden. Das von den Sparmaßnahmen betroffene BMBF sollte zur Deckung der GMA auf seine haushaltspolitische Flexibilität, wie nicht abgeflossene Mittel, zurückgreifen. Mehrheitsfähige Sparvorschläge werden wir im parlamentarischen Verfahren verhandeln müssen.” mw

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Azubi-Rekrutierung: Welche Kompromisse Betriebe eingehen

Sieben von zehn Ausbildungsbetrieben, die unter Bewerbermangel leiden, sind 2023 in Bezug auf die Vorbildung ihrer Azubis Kompromisse eingegangen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Abfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW, Kurzbericht zum Download). Von den Betrieben, die ausreichend Bewerbungen erhielten, war es rund die Hälfte.

“Aus unserer Sicht sind das hohe Werte, schließlich müssen die Unternehmen dann auch Ressourcen aufbringen, um fehlende Kompetenzen auszugleichen”, sagt Studienautorin Franziska Arndt zu Table.Briefings. “Unser Befund zeigt schwarz auf weiß, dass viele Unternehmen bei der Azubi-Suche kompromissbereit sind, anders als es oft dargestellt wird.”

Bei Jugendlichen, die erheblichen Unterstützungs- oder Förderbedarf haben, war die Kompromissbereitschaft der Unternehmen insgesamt geringer. Hier zeigt sich von den Unternehmen mit Bewerbermangel nur jedes vierte kompromissbereit – bei Ausbildungsbetrieben mit ausreichend Bewerbern war es jedes dritte.

Mangelnde Bekanntheit von Fördermöglichkeiten

Die größere Zurückhaltung liegt wahrscheinlich daran, dass für diese Jugendlichen noch größere Anstrengungen nötig werden, vermutet Arndt. “Und es ist die Frage, wie gut Betriebe Unterstützungsmöglichkeiten wie die von der Bundesagentur für Arbeit kennen.”

Geht es nach dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, gibt es hier tatsächlich noch Nachholbedarf. In einem neuen Positionspapier fordert der Verband eine stärkere Werbung für die Einstiegsqualifizierung – ein von der BA gefördertes Praktikum in Kombination mit Stützunterricht und sozialpädagogischer Begleitung. Die assistierte Ausbildung sollte flächendeckend angeboten und Betrieben bekannter gemacht werden (zum Download).

Die Umfrage des IW zeigt insgesamt: 17 Prozent der Betriebe, die einen Ausbildungsplatz anbieten, konnten nur einen Teil ihrer Stellen besetzen. 27 Prozent sogar keine ihrer angebotenen Ausbildungsstellen. Anna Parrisius

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Sachsen-Anhalt: Pläne für größere Klassen an Grundschulen ausgebremst

Der Gesetzesvorschlag von Bildungsministerin Eva Feußner (CDU), die ersten Klassen an Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu vergrößern, erntet nun sogar Kritik aus den eigenen Reihen. Die CDU-Landtagsfraktion hat bei einer Klausurtagung angekündigt, den aktuellen Plänen des Bildungsministeriums nicht zustimmen zu wollen. Dass sich Gesetzesentwürfe ändern, sei nicht unüblich, kommentierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Heuer. “Ein Gesetz, das in den Landtag kommt, hat den Landtag in den seltensten Fällen so auch wieder verlassen”, sagte er dem MDR.

Zuvor hatte bereits die Opposition, allen voran die Linke, gewarnt: Mit einer Mindestschülerzahl müssten zahlreiche kleine Grundschulen schließen (Table.Briefings berichtete). Der Entwurf des Bildungsministeriums sieht vor, die Schülerzahl für erste Klassen an Grundschulen sowie für Klassen an weiterführenden Schulen auf 25 hochzusetzen. Für Grund- und Sekundarschulen außerhalb von Mittel- und Oberzentren soll die Mindestschülerzahl bei 20 liegen.

Die Linke in Sachsen-Anhalt will sich nun mit einer Volksinitiative dafür einsetzen, dass alle bestehenden Grundschulen erhalten bleiben. “Das Schulnetz ist durch die massiven Schulschließungen der letzten 25 Jahre bereits ausgedünnt. Jede weitere Schulschließung ist deshalb eine zu viel”, heißt es in einem Antrag, der auf einem Landesparteitag im September debattiert werden soll. Die Volksinitiative soll jetzt eine Änderung des Schulgesetzes bewirken. vkr/dpa

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NRW: Immer mehr Städte richten Schulstraßen ein

In Nordrhein-Westfalen testen immer mehr Städte sogenannte Schulstraßen, um den Schulweg für Kinder sicherer und autofreier zu machen (Table.Briefings berichtete). Dortmund richtet diese temporären Straßensperrungen zum Schulstart nach den Sommerferien testweise an vier Schulen ein, hieß es in einer Mitteilung der Stadt.

Die betroffenen Straßen in der Nähe der Schulen werden während der Bring- und Abholzeiten für den motorisierten Verkehr gesperrt. Die Schulstraßen sollen durch Beschilderung und Markierung kenntlich gemacht werden. Zudem sollen an den Schulen Hol- und Bring-Zonen eingerichtet werden, wo Eltern halten können, um ihre Kinder aus dem Auto aussteigen zu lassen. Die Pilotphase soll mindestens sechs bis zwölf Monate andauern.

Planung für Ausbau auch in Essen

Das Vorhaben basiert auf einem Erlass des Verkehrsministeriums NRW von Ende Januar, der Städten und Straßenverkehrsbehörden die Einrichtung solcher Schulstraßen ermöglicht. Durch die temporären Straßensperrungen sollen gefährliche Situationen durch sogenannte Elterntaxis oder einen starken Durchgangsverkehr verhindert werden. Kinder sollen so sicherer zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen.

Aufgrund positiver Erfahrungen erwägt die Stadt Essen auf Wunsch der Schulleitung und der Polizei, eine weitere Schulstraße einzurichten. Derzeit ist dort eine Straße an einer Grundschule und einem angrenzenden Gymnasium zu bestimmten Zeiten für Autos gesperrt.

In Münster wenig Interesse an Schulstraßen

Bereits seit 2023 gibt es in Köln durch ein Pilotprojekt vier Schulstraßen. Diese sollen vor dem Hintergrund des neuen Erlasses dauerhaft bleiben, sagte eine Stadtsprecherin. Für weitere Schulstraßen müsse noch ein Konzept erarbeitet werden. Auch in Bonn gibt es bereits an vier Schulen temporäre Straßensperrungen.

Noch keine Schulstraßen gibt es indes in Bielefeld, Bochum, Düsseldorf, Duisburg, Münster und Wuppertal, hieß es aus den Städten. Vielerorts liefen aber Prüfungen oder Planungen zur Einrichtung. Die Stadt Bochum plane voraussichtlich nach den Herbstferien einen Versuch an einer Schule, so ein Stadtsprecher. Bielefeld und Duisburg würden den Einsatz von Schulstraße sowie mögliche Testphasen prüfen, hieß es. In Münster seien die Rückmeldungen der Schulen nach dem entsprechenden Erlass indes sehr gering ausgefallen. dpa

Lesen Sie hier: Wieso sich Schulstraßen positiv auf den Unterricht auswirken

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Best of Table

Research.Table: BMBF-Fördermittelaffäre: Warum es für die Ministerin doch noch eng werden könnte. Die ehemalige Staatssekretärin Sabine Döring und Abteilungsleiter Jochen Zachgo sollten nach dem Willen von Bettina Stark-Watzinger nicht im Forschungsausschuss sprechen. Warum eine neuerliche Initiative im Forschungsausschuss dies nun doch ermöglichen könnte, lesen Sie hier.

Agrifood.Table: Energydrinks: BMEL wartet für Altersgrenze auf Studienergebnisse. Den Verkauf von Energydrinks an Kinder will das Bundeslandwirtschaftsministerium erst regulieren, wenn Erkenntnisse über die langfristigen Folgen des Konsums vorliegen. Foodwatch hält das für eine “Ausrede, nicht aktiv werden zu müssen”. Welche akuten Effekte des Konsums bei Kindern und Jugendlichen Mediziner aus München bereits ermittelt haben, lesen Sie hier.

Must-Reads

Dlf: Bedroht Trumps Wiederwahl basisdemokratische Schulstrukturen? Die deutsch-amerikanische Politologin Cathryn Clüver Ashbrook blickt mit Sorge auf eine potenzielle zweite Amtszeit von Donald Trump. Schon in seiner ersten Amtszeit wurden gezielt demokratische Institutionen geschwächt. Trumps Chefstratege Steve Bannon versuchte 2016 etwa, die Schulräte mit Trumps Ideologie zu beeinflussen. Die Schulräte, in denen unter anderem Eltern sitzen, haben in den USA Einfluss auf die Ausgestaltung vom Schulalltag. (Politologin Clüver Ashbrook: “Trump-Bewegung bedroht demokratische Institutionen”

FAZ: Wie sollte moderner Mathematikunterricht aussehen? Jo Boaler, Professorin für Mathematik-Didaktik in Stanford, arbeitet momentan an neuen Richtlinien für einen zeitgemäßen Mathematikunterricht. Danach sollten Kinder lieber mathematisches Verständnis gewinnen, anstatt auswendig zu lernen. Es sollte eher im Fokus stehen, Hilfsmittel zu nutzen, statt alle Rechnungen analog lösen zu können. Zudem sei es wichtig, Kinder nicht zu entmutigen, denn jedes Kind könne Mathematik verstehen. (“Jeder kann Mathe lernen”

Zeit: Fortbildungen gegen Rechtsextremismus unter Lehrkräften. Bildungsforscher Karim Fereidooni beklagt fehlende Regelungen, um rechtsextreme Lehrkräfte aus dem Schuldienst zu entlassen. So solle es ähnlich wie bei Bundesbeamten Background-Checks geben, bevor jemand den Beamtenstatus bekommt. Die meisten rechtsextremen oder diskriminierenden Vorfälle ließen sich vermeiden, wenn Lehrkräfte stärker sensibilisiert werden. So sollten Lehrkräfte schon im Studium lernen, eigene Vorurteile zu hinterfragen. (“Wenn eine Lehrkraft sich rassistisch äußert, passiert oft nichts”

Tagesspiegel: 10.000 Lehrer-Tablets sind unbenutzt. Während der Pandemie schaffte die Berliner Senatsverwaltung 40.000 Tablets für Lehrkräfte an. Mehr als ein Viertel der Tablets war noch nie in Benutzung. Anfangs fehlten wichtige Programme und viele Lehrkräfte bevorzugten ihre eigenen Geräte. Aus diesen Fehlern hat der Senat gelernt – und ändert das Vorgehen für die Schülergeräte. Die neuen Tablets für Siebtklässler sollen nur geleast werden und die Schulen können bei der Hardware-Auswahl mitbestimmen. Doch dieser neue Leasingprozess ist langwierig. (Weil Lehrer sie nicht nutzen: Mehr als 10.000 Tablets verstauben an Berliner Schulen

BBC: Regierung unterstützt Schulen in Beschränkung von Handynutzung. In Schottland haben Schulen nun das Recht, Schülern die Handynutzung auf Ausflügen zu untersagen. Sie können sogar verlangen, dass Schüler das Smartphone abgeben. Ziel ist es, dass die Schüler konzentrierter sind. Die Schulen sind frei in der Ausgestaltung der neuen Regeln, so könnten auch weniger strikte Maßnahmen erlassen werden. (Schools could ban mobile phones under new guidance

Bildung.Table Redaktion

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    jeder zehnte Schüler verlässt in Berlin die Schule ohne echte Zukunftsperspektive. Diese rund 3.000 Schulabgänger haben weder eine Ausbildung noch einen Platz an einer weiterführenden Schule in Aussicht. Das soll sich ändern. Ab dem Schuljahr 2025/26 führt Berlin nach Hamburger Vorbild das elfte Pflichtschuljahr ein. Anna Parrisius analysiert, warum dieses Konzept nicht nur für orientierungslose Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Unternehmen vielversprechend ist. Ob die längere Schulpflicht ein “Gamechanger” wird, hängt vor allem von einem Faktor ab.

    Nicht die Effekte eines Schuljahres, sondern eines Schulstandortes schaut sich dagegen unser Kolumnist und PISA-Experte Andreas Schleicher an. In vielerlei Hinsicht sind städtische Schulen gegenüber Schulen auf dem Land im Vorteil – beispielsweise verfügen sie oft über mehr Mittel, bessere Einrichtungen und fortschrittliche Technologien. Und doch: Die jüngste PISA-Studie offenbart einen verborgenen Vorteil ländlicher Schulen.

    Bislang verborgen – weil komplex – sind auch die Überlegungen, wie Lehrkräfte weiter als Selbstständige beschäftigt werden können. Der Fall einer Musikschullehrerin löste 2022 bei Kommunen und privaten Dozenten große Unsicherheit aus. Dabei ging es vor allem um das “richtige” Arbeitsverhältnis: selbstständig oder festangestellt? Maximilian Stascheit hat Einblicke in interne Dokumente des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bekommen und analysiert, wie eine Lösung aussehen könnte.

    Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

     

    Ihre
    Vera Kraft
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    Analyse

    Elftes Pflichtschuljahr: So sollen in Berlin mehr Jugendliche in Ausbildung kommen

    Etwa 3.000 Schülerinnen und Schüler – zehn Prozent eines Jahrgangs – verlassen in Berlin jährlich die 10. Klasse, ohne dass sie in Ausbildung, in ein anderes Bildungsangebot oder an eine weiterführende Schule kommen. Ihnen droht Langzeitarbeitslosigkeit. Der Berliner Senat hat daher beschlossen, die Schulpflicht, wie alle anderen Bundesländer auch, auf ein elftes Jahr auszudehnen – zumindest für alle, die nicht über 18 Jahre alt sind. 2005 hatte die rot-rote Regierung diese Pflicht abgeschafft.

    Das elfte Pflichtschuljahr kommt erst im Schuljahr 2025/26, schon im bald beginnenden Schuljahr soll laut Senatsverwaltung jedoch an der “operativen Umsetzung” gearbeitet werden. Viele Fragen sind noch zu klären – und es braucht Vorbereitung, damit das neue Pflichtschuljahr zum Erfolg wird, wie der Blick nach Hamburg zeigt.

    Dualisiertes Konzept für Schulmüde

    In Hamburg wurde der Übergangssektor vor 13 Jahren stark komprimiert und ein neues elftes Pflichtschuljahr dabei in den Fokus gestellt. Durch diesen Bildungsgang, die dualisierte Ausbildungsvorbereitung (AvDual), finden heute knapp die Hälfte der Jugendlichen, die nach der zehnten Klasse nicht schon direkt den Übergang schaffen, nach einem Jahr den Weg in eine Ausbildung. Vor der Reform waren es rund 25 Prozent gewesen. Und nur von wenigen Schülern weiß der Hamburger Senat heute immer noch nicht, wo sie nach der Schulzeit bleiben.

    Geht es nach Susan Seeber, Wirtschaftspädagogin und Mitglied der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK, liegt der Hamburger Erfolg vor allem am dualisierten Konzept: Zwei bis drei Tage wöchentlich sind die Jugendlichen dort im Betrieb. Sinnvoll ist das besonders für schulmüde Jugendliche. Also genau jene jungen Menschen, die in Berlin bisher durchs Raster fallen, oft lange schulabstinent waren und vielfältige Probleme mitbringen.

    Lesen Sie hier: Was Susan Seeber für einen besseren Start in die Ausbildung fordert

    Ankerschulen sollen Orientierungslose in ihren Kiezen aufnehmen

    Um diese Jugendlichen künftig direkt in ihren Kiezen zu erreichen, hat Berlin 15 über ganz Berlin verteilte Ankerschulen benannt. Sie sollen die Integrierte Berufsausbildung (IBA) ergänzen, den bislang freiwilligen einjährigen Bildungsgang zur Berufsvorbereitung. Hier entscheiden sich Schüler bereits für ein Berufsfeld und gehen an eine fachlich passende berufliche Schule – in Berlin Oberstufenzentren (OSZ) genannt. Im Gegensatz zur IBA soll das Angebot an den Ankerschulen laut Senatsverwaltung “berufsfeldübergreifend statt berufsfeldspezifisch sein, einen hohen Anteil betrieblicher Praxis beinhalten und in erster Linie die personale Kompetenzentwicklung in den Blick nehmen.” Nachpauken, um einen Schulabschluss zu erlangen, soll nicht auf dem Lehrplan stehen.

    Viel konkreter ist das Konzept aber noch nicht. Für Stefan Marien, Schulleiter einer Ankerschule, dem OSZ Ästhetik und Technik, und Mitglied im Vorstand des Schulleiterverbands Berufliche Bildung in Berlin (BBB), gibt es noch mehrere offene Fragen. Zum Beispiel, was Ankerschulen in den Kiezen den Jugendlichen bringen, wenn sie für ein Praktikum doch wieder durch halb Berlin fahren müssten. “Direkt hier vor Ort gibt es nicht für alle denkbaren Berufe Praktikumsmöglichkeiten.”

    Wie kommen die Schüler in die Ankerschulen?

    Und: Wie kommen die rund 3.000 Schüler, die bisher von der Bildfläche verschwanden, überhaupt in die Ankerschulen? Laut Senatsverwaltung soll es für alle Zehntklässler schon ab diesem Schuljahr ein verpflichtendes Berufsberatungsgespräch geben. Dafür sollen weiterführende Schulen mit den Ankerschulen künftig zusammenarbeiten. Doch das allein wird nach Mariens Einschätzung nicht helfen. “Es wird mehr aufsuchende Sozialarbeit und Unterstützung der Polizei geben müssen”, sagt der Schulleiter. Ob es hierfür die Ressourcen gibt, hält er für fraglich.

    Ronald Rahmig, Vorsitzender des Schulleiterverbands BBB, sieht ein grundlegendes Problem darin, dass die Ankerschulen künftig Berufsorientierung übernehmen sollen. “Gute Berufsorientierung hängt stark vom Schüler-Lehrer-Verhältnis ab, davon, dass Lehrkräfte Schüler über einen längeren Zeitraum begleitet haben. Wenn die Schüler an die Ankerschulen kommen, kennen sie die Lehrkräfte dort aber gar nicht.” Rahmig befürchtet zudem, dass die Integrierten Sekundarschulen (ISS) das elfte Pflichtschuljahr als Freibrief verstehen werden, die Berufsorientierung – eigentlich Aufgabe der Mittelstufe – ganz fallen zu lassen. Schon jetzt konzentrierten sich viele ISS zu sehr auf ihre gymnasiale Oberstufe.

    “Gamechanger”: Haltung der Lehrkräfte

    An den Ankerschulen wird viel von den Lehrkräften abhängen. Das zeigt die Hamburger Erfahrung: Die Haltung der Lehrkräfte zu verändern, hält Birgit Kruse, Referatsleiterin am Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB), für den “Gamechanger”. Am HIBB, das die beruflichen Schulen in der Hansestadt steuert, verantwortet Kruse die dualisierte Ausbildungsvorbereitung.

    “Lehrkräfte werden als Fachlehrer ausgebildet”, sagt Kruse. In der AvDual stünden aber die Jugendlichen und ihr Findungsprozess im Fokus – und die Lehrkräfte müssten ein gutes Bild von den infrage kommenden Betrieben haben. Dafür seien Fortbildungen dringend nötig. “Es braucht ein bis zwei Jahre, bis Lehrkräfte sich diese andere Arbeitsweise zu eigen gemacht haben.”

    Woher kommt das Personal?

    Nötig ist für die Realisierung des elften Pflichtschuljahres auch zusätzliches Personal: Vier Klassen à 15 Schüler sind je Ankerschule geplant. Laut Senatsverwaltung soll die Personalakquise im Februar 2025 anlaufen. An Stefan Mariens OSZ liegt die Personaldeckung bereits heute bei nur 94 Prozent. “Für die neuen Klassen bräuchte es mindestens zwei, drei weitere Lehrkräfte. Außerdem weitere Sozialarbeiter, die wir schon jetzt kaum finden – und alles das bei angespannter Haushaltslage.” Etwas einfacher könnte es sein, Bildungsbegleiter von Bildungsträgern als Unterstützung zu erhalten.

    Solchen Begleitern kommt in Hamburg eine wichtige Rolle für die Kooperation mit den Unternehmen zu: Sie kommen wöchentlich eine Stunde in den Betrieb, in den die Jugendlichen gehen. Dort coachen sie die Jugendlichen, kommunizieren mit den Anleitern im Betrieb und vermitteln bei Schwierigkeiten.

    Allerdings hat Berlin eine andere Wirtschaftsstruktur als Hamburg. Es gibt wenige Großbetriebe, dafür kleine und mittelgroße Betriebe, die weniger ausbilden. Daher gibt es auch nicht so viele Praktikumsplätze und wenn, klagen Schulleiter, mangele es oft an Qualität. Ronald Rahmig sieht in der Kooperation von Wirtschaft und Schulen dringenden Verbesserungsbedarf. Bis zum Start des elften Pflichtschuljahres bleibt dafür noch ein Jahr Zeit.

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    Sprachkurse: Wie das Arbeitsministerium Scheinselbstständigkeit umgehen will

    Was zeichnet einen selbstständigen Dozenten aus? Und wodurch unterscheidet sich seine Arbeit inhaltlich von der einer festangestellten Lehrkraft? Diese Frage versucht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit zu beantworten und hat dafür gleich vier Arbeitsgruppen eingerichtet. Die internen Diskussionen der Experten zeigen jedoch, dass die Fragen mit zahlreichen Spannungen und Problemen behaftet sind – und dass die AG in Teilen mit ihrem eigenen Auftrag hadert.

    Auslöser: Das Herrenberg-Urteil

    Der Anstoß für die aktuellen Überlegungen geht maßgeblich auf das Herrenberg-Urteil aus dem Jahr 2022 zurück. Darin hatte das Bundessozialgericht im Fall einer selbstständigen Musikschullehrerin geurteilt, dass es sich bei ihrer Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung handele. Ihr Auftrag- bzw. Arbeitgeber musste sie daraufhin fest anstellen und Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Das Urteil löste viel Unsicherheit aus – und hat eine Sprengkraft, die weit über die Musikschulen hinausgeht.

    Denn die Frage nach der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit bei Lehrkräften stellt sich auch in anderen Bereichen. Deshalb sollen sich nun vier Arbeitsgruppen des BMAS mit der Definition des Erwerbsstatus von Lehrkräften befassen: jeweils eine für Integrations- und Berufssprachkurse, für Musikschulen, für berufliche (Weiter-)bildung und für sonstige/offene Kursangebote. Die Ergebnisse können laut BMAS “in Sachverhaltsbeschreibungen in Verbindung mit Musterverträgen” festgehalten werden.

    Diskussion um Auftrag des Ministeriums

    Table.Briefings liegt ein Protokoll der Arbeitsgruppe für Sprach- und Integrationskurse vor, das die Komplexität des Themas offenbart. Denn die Experten befassen sich nicht nur mit der Frage, wie sie die Kriterien konkreter definieren können, sondern auch, ob das BMAS mit seinem Auftrag an die AG überhaupt den richtigen Weg eingeschlagen hat.

    So behandelt das Protokoll der ersten drei Arbeitssitzungen die Frage, ob es tatsächlich sinnvoll ist, individuelle Kriterien für unterschiedliche Dozentengruppen zu definieren. “Eine Vereinheitlichung wäre insofern wünschenswert, als dadurch insgesamt mehr Rechtssicherheit geschaffen würde”, heißt es darin. Diese müsste jedoch “ein komplettes Umdenken sowie die Beschränkung auf wenige grundsätzliche ,Kriterien’ zur Folge haben”.

    Laut Sozialgesetzbuch wäre eine solche Vereinheitlichung derzeit nicht möglich – die Experten deuten allerdings zumindest die Option einer entsprechenden Gesetzesänderung an. Das will das BMAS jedoch nicht. Stattdessen soll es für jede Berufsgruppe eigene Kriterien geben. Dafür soll die AG nun “Muster-Formulierungen” erarbeiten und sich dabei an Kriterien der Deutschen Rentenversichung (DRV) orientieren.

    Rentenversicherung nennt Kriterien für Selbstständigkeit

    Ihre Kriterien für Selbstständigkeit hat die DRV am 14. Juni im Rahmen eines Fachgesprächs im BMAS dargelegt. “Dies ist der Fall, wenn die Tätigkeit nicht durch Weisungsgebundenheit und Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation, sondern durch Weisungsfreiheit sowie unternehmerische Freiheiten, Chancen und Risiken geprägt ist”, erklärte ein Sprecher des BMAS auf Anfrage von Table.Briefings. Zu diesen Kriterien gehört laut Ergebnisprotokoll beispielsweise, dass die Dozenten …

    • “nur allgemeine inhaltliche Rahmenvorgaben” bekommen und den Unterricht ansonsten selbst gestalten können,
    • Unterrichtsort und -zeit mitbestimmen können,
    • die Möglichkeit haben, sich eine Vertretung zu engagieren,
    • Schüler auf eigene Rechnung selbst akquirieren können,
    • auch erfolgsabhängige Vergütungen erhalten können,
    • keine Verpflichtung zur Durchführung von besonderen Schülerveranstaltungen oder zur Teilnahme an Konferenzen haben.

    Es müssen jedoch nicht alle Kriterien erfüllt werden. Entscheidend sei, dass in der Gesamtbetrachtung der überwiegende Teil für eine selbstständige Tätigkeit spreche.

    Probleme bei Sprach- und Integrationskursen

    Diese Kriterien stellen die AG für Integrations- und Berufssprachkurse jedoch vor Herausforderungen, wie aus dem Protokoll hervorgeht. So wird die Freiheit der Unterrichtsgestaltung durch klare Vorgaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingeschränkt. Beispielsweise sind die Integrationskurse modular aufgebaut. Ein AG-Mitglied merkt daher an, dass “die Lehrkraft die vorgegebenen Lehrwerke nicht nur chronologisch, sondern auch im dafür vorgesehenen Zeitrahmen durcharbeiten” muss.

    Für andere Kriterien hat die AG bereits Lösungen gefunden: Für die Wahl von Zeit und Ort soll etwa ein “Aushandlungsgespräch” stattfinden. Selbstständige Lehrkräfte sollen sich eigene Bücher selbst kaufen, Kopien für den Unterricht bezahlen müssen und keinen Zugang zu Lehrmittelbibliotheken erhalten. Als variable Vergütung könne eine “Verbleibequote” von Modul zu Modul eingeführt werden.

    Abgeschlossen haben die AGs ihre Arbeit allerdings noch nicht. Bis Mitte September sollen sie ihre Arbeitsergebnisse dem Ministerium übersenden. Für Oktober ist ein zweites Fachgespräch im BMAS angesetzt. Zumindest bis dahin können Träger und Dozenten beruhigt sein: Die DRV hat angekündigt, bis zum 15. Oktober keine Betriebsprüfungen durchzuführen oder Bescheide zu erstellen.

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    Kolumne

    Andreas Schleicher: Was die PISA-Studie zu den Vorteilen ländlicher Schulen offenbart

    Städtische Schulen haben in der Regel erhebliche Vorteile gegenüber ländlichen Schulen. In Bezug auf Ressourcen erhalten städtische Schulen oft mehr Mittel und können so bessere Einrichtungen, Unterrichtsmaterialien und fortschrittliche Technologien nutzen. Außerdem können sie den Schülern vielfältigere Bildungsmöglichkeiten und einen leichteren Zugang zu höherer Bildung und besseren Berufschancen bieten. 

    So kann die Nähe zu Hochschulen und Universitäten die Teilnahme an dualen Studiengängen und den Besuch von Hochschulen erleichtern. Und die Nähe zu Unternehmen und Industrien bietet mehr Möglichkeiten für Praktika, Job Shadowing oder Angebote der Berufsorientierung. Nicht zuletzt ist es für städtische Schulen einfacher, qualifizierte Lehrkräfte und Fachpersonal zu gewinnen, was zu einem vielfältigeren und eher fachbezogenen Kollegium führt, das in städtischen Gebieten oft auch besseren Zugang zu beruflicher Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten hat.

    Gefühl der Verfügbarkeit von Lehrkräften beeinflusst Lernergebnisse

    Die jüngste PISA-Studie offenbart jedoch einen verborgenen Vorteil ländlicher Schulen. Schüler in ländlichen Gebieten berichten in der Regel von einer größeren Unterstützung durch ihre Lehrer. Von den Ländern, in denen die Unterstützung durch die Lehrkräfte messbare Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Schulen aufwies, zeigten 29 Länder eine stärkere Unterstützung durch die Lehrkräfte in ländlichen Gebieten. Nur drei Länder zeigten demgegenüber eine stärkere Unterstützung durch die Lehrkräfte in städtischen Gebieten. Sie werden bei den PISA-Erhebungen als Regionen mit mehr als 100.000 Einwohnern definiert. 

    Dies ist von Bedeutung. Denn PISA zeigt, dass die Unterstützung durch Lehrkräfte ein wichtiger Prädiktor für die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung der Schüler ist. Schüler, die das Gefühl hatten, dass ihre Lehrer zur Verfügung standen, wenn sie während der Pandemie Hilfe brauchten, waren beispielsweise souveräner im selbstständigen Lernen. Schüler, die das Gefühl hatten, dass ihre Lehrer verfügbar waren, erzielten in Mathematik deutlich bessere Resultate als solche, die sich allein fühlten (siehe “PISA 2022 Results – Learning during – and from – disruption“, Seite 79). Nicht zuletzt haben sich in den Ländern, in denen sich die Unterstützung der Lehrer in den letzten Jahren verbessert hat, im Allgemeinen auch die Lernergebnisse verbessert. 

    Es gibt eine Reihe von Faktoren, die dazu beitragen könnten. Ländliche Schulen werden oft von eng verbundenen Gemeinschaften getragen und können diese weiter stärken. Ländliche Schulen legen oft auch Wert auf die Grundwerte der Gemeinschaft, auf Traditionen und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Eine starke Bindung an die örtliche Gemeinschaft kann zu einem stärkeren Engagement der örtlichen Unternehmen und Organisationen führen. Auch haben Schüler in ländlichen Gebieten oft mehr Möglichkeiten, sich an gemeinnützigen Arbeiten und lokalen Projekten zu beteiligen. 

    Langfristige Beziehungen zu Gleichaltrigen leichter möglich

    Nicht zuletzt haben ländliche Schulen oft eine stabilere Schülerpopulation, was zu weniger Unterbrechungen im Lernumfeld führt. Die Schüler bleiben während ihrer gesamten Schulzeit in derselben Umgebung und können langfristige Beziehungen zu Gleichaltrigen und Lehrkräften aufbauen. Ein Merkmal ländlicher Schulen, das zu besseren Schüler-Lehrer-Beziehungen beitragen könnte, könnte die geringere Schulgröße sein. 

    Tatsächlich unterstützt die PISA-Studie diese Hypothese. Von den Ländern mit messbaren Unterschieden in der Unterstützung durch die Lehrkräfte zwischen großen und kleinen Schulen (hier definiert durch Verhältnis vom obersten und untersten Viertel in jedem Land), weisen 38 Länder eine größere Unterstützung durch die Lehrkräfte im kleinsten Viertel der Schulen auf und nur zwei Länder eine größere Unterstützung durch die Lehrkräfte in großen Schulen. Die geringere Zahl von Schülern und Lehrern macht es einfacher, dass jeder jeden kennt. Und sie ermöglicht zusammen mit einem zahlenmäßig besseren Schüler/Lehrer-Verhältnis eine individuellere Betreuung und Unterstützung jedes einzelnen Schülers sowie eine engere Bindung der Lehrer an die Schüler.

    Schulschließung kann bedeuten, einem Dorf das Herz zu nehmen

    Natürlich muss all dies im Gesamtkontext gesehen werden. Insgesamt stehen die Chancen für kleine Schulen nach wie vor schlecht. Denn sie sehen sich oft mit großen Herausforderungen konfrontiert, etwa in Bezug auf begrenzte Ressourcen, Kursangebote, außerschulische Möglichkeiten und dem Zugang zu speziellen Dienstleistungen.

    Die rasch schrumpfende Bevölkerung im schulpflichtigen Alter zwingt viele Regierungen dazu, kleine ländliche Schulen zusammenzulegen. Dafür gibt es oft gute Gründe. Und Schulkonsolidierungen können wichtige neue Möglichkeiten eröffnen. Dazu zählen die Schaffung eines breiteren Kursangebots für Schüler, die Stärkung der Zusammenarbeit und beruflichen Weiterbildung von Lehrern oder einfach die Freisetzung von Ressourcen für andere wichtige Investitionen in die Bildung. 

    Die politischen Entscheidungsträger sollten jedoch das Gesamtbild betrachten und die verborgenen Vorzüge ländlicher Schulen berücksichtigen, bevor sie die schwierige Entscheidung treffen, eine Schule zu schließen und einem Dorf so das Herz zu nehmen.

    Dies ist die übersetzte Fassung der Kolumne. Das englische Original finden Sie hier.

    Der OECD-Bildungsdirektor, Andreas Schleicher, ist Statistiker und Bildungsforscher und kritisiert seit Jahren das deutsche Bildungssystem. 2019 erschien sein Buch “Weltklasse: Schule für das 21. Jahrhundert”, in dem er zentrale Ergebnisse seiner Forschung zusammenfasst. Er konzipierte die Pisa-Studien und stellte 2001 die in Deutschland viel beachtete erste Pisa-Studie vor. Seit 2002 ist er für das Pisa-Programm zuständig und beteiligt sich bei zahlreichen weiteren Bildungsprojekten.

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    News

    Lehrermangel: Immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger unterrichten an Schulen

    Jede zehnte Lehrkraft stand im Schuljahr 2022/23 vor einer Klasse, ohne eine anerkannte Lehramtsprüfung zu haben (9,8 Prozent). An beruflichen Schulen war der Anteil an Quer- und Seiteneinsteigern sogar doppelt so hoch: Hier kam rund jede fünfte Lehrkraft über einen Umweg in den Schuldienst (21,2 Prozent). Das geht aus einer aktuellen Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts hervor. Wegen des Lehrermangels ist die Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2012/13 lag der Anteil der Quer- und Seiteneinsteiger an allgemeinbildenden Schulen noch bei 5,6  Prozent.

    Wer als Quer- oder Seiteneinsteiger zählt und welche Qualifikationen nötig sind, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland (hier finden Sie den exklusiven Table.Briefings-Überblick).

    VBE: Quereinsteiger sind mittlerweile besser vorbereitet

    Diese unterschiedlichen Situationen in den Ländern – aber auch an einzelnen Schulen – gehen im Durchschnittswert unter, sagt Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), zu Table.Briefings. Besonders für Schulen in herausfordernder Lage sei es häufig schwer, genug pädagogisch qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.

    “Wenn Personen ohne komplette Lehramtsausbildung eingestellt werden, führt dies zu einer Deprofessionalisierung“, warnt VBE-Vorsitzender Brand. Immerhin gebe es mittlerweile aber solide Vorbereitungskurse mit universitärer Anbindung und verbindlichen Strukturen vor Ort. Man müsse gewährleisten, dass die neuen Fachkräfte an der Schule ausreichend begleitet werden.

    Lesen Sie auch: Lehrkräftemangel: Welche strukturelle Verankerung der Quereinstieg braucht

    Zahl der Studienanfänger für das Lehramt leicht gestiegen

    Immerhin: Nach einem Rückgang in den Vorjahren entschieden sich im Jahr 2023 wieder etwas mehr Studierende für ein Lehramtsstudium. Rund 46.400 Personen begannen ein Lehramtsstudium im Bachelor- oder Staatsexamensstudium – das sind 2,4 Prozent mehr als 2022. Trotzdem ist die Zahl niedriger als vor zehn Jahren (minus 2,1 Prozent). Für Gerhard Brand bedeutet das aber “mitnichten eine Entspannung der Situation”. Der aktuelle Lehrkräftemangel sei beispielslos – umso wichtiger sei es daher, das im System befindliche Personal besser zu behandeln.

    Die Zahl der Lehramtsabsolventen ist weiter rückläufig. Im Prüfungsjahr 2022, für das die aktuellsten Daten vorliegen, haben rund 28.700 Lehramtsstudierende entsprechende Abschlussprüfungen bestanden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das zwar nur ein leichter Rückgang. Doch im Vergleich zu vor zehn Jahren sank die Zahl um 10,5 Prozent. Vera Kraft

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    Haushalt 2025: Warum dem BMBF mehr als eine Milliarde Euro Globale Minderausgabe drohen

    Rund 650 Millionen Euro Globale Minderausgabe (GMA) stehen bereits im Einzelplan 30, dem Budget des BMBF für 2025. Nun könnte mit der Einigung der Ampel vom vergangenen Freitag nochmal soviel obendrauf kommen. Jedenfalls, wenn das BMBF sich entsprechend seines Anteils am Gesamthaushalt an der Bodensatz-GMA von jetzt geplant rund 12 Milliarden Euro beteiligen muss. Damit kann sich das BMBF-Budget, das am Anfang wie ein Erfolg von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger aussah, noch in einen Sparhaushalt verwandeln.

    Bodensatz-GMA wird nicht vorab auf Ministerien verteilt

    Haushälter verweisen darauf, dass diese Bodensatz-GMA nicht vorab auf die Ministerien verteilt wird. Demnach könne es Ende des Jahres 2025 sein, dass das BMBF nicht zur Erwirtschaftung der Bodensatz-GMA beitragen müsse. 

    Allerdings sind die Budgets in anderen Ministerien oft weniger flexibel als das des BMBF mit seinem hohen Anteil an Fördergeschäft. In der Forschungsförderung gibt es tatsächlich häufiger nicht verausgabte Mittel in Förderprojekten, die dann an die Bundeskasse zurückfließen. Darüber hinaus sind Förderprojekte auch leichter zu verschieben oder zu streichen, als zum Beispiel Ansprüche auf Bürgergeld.

    BMBF müsste über Prioritäten nachdenken

    Wenn es also auch nach den Haushaltsverhandlungen im Parlament bei der Bodensatz-GMA von 12 Milliarden Euro bliebe, müsste Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sich auf eine sehr hohe GMA einstellen, die eine Milliarde Euro überschreiten könnte. Ob diese Summe tatsächlich über klassische Minderausgaben im Fördergeschäft erwirtschaftet werden könnte, ist fraglich.

    Der FDP-Forschungspolitiker Stefan Seiter betont: “Es wäre schlecht, in Krisenzeiten die haushaltspolitische Axt am BMBF, dem Zukunftsressort schlechthin, anzusetzen, liegt die Innovationskraft unserer Volkswirtschaft doch in seiner Zuständigkeit. Die haushaltpolitischen Prioritäten sollten sich weg von konsumtiven, hin zu investiven Ausgaben entwickeln. Zugunsten konsumtiver Ausgaben droht das haushaltspolitische Korsett des BMBF nun enger zu werden. Das von den Sparmaßnahmen betroffene BMBF sollte zur Deckung der GMA auf seine haushaltspolitische Flexibilität, wie nicht abgeflossene Mittel, zurückgreifen. Mehrheitsfähige Sparvorschläge werden wir im parlamentarischen Verfahren verhandeln müssen.” mw

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    Azubi-Rekrutierung: Welche Kompromisse Betriebe eingehen

    Sieben von zehn Ausbildungsbetrieben, die unter Bewerbermangel leiden, sind 2023 in Bezug auf die Vorbildung ihrer Azubis Kompromisse eingegangen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Abfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW, Kurzbericht zum Download). Von den Betrieben, die ausreichend Bewerbungen erhielten, war es rund die Hälfte.

    “Aus unserer Sicht sind das hohe Werte, schließlich müssen die Unternehmen dann auch Ressourcen aufbringen, um fehlende Kompetenzen auszugleichen”, sagt Studienautorin Franziska Arndt zu Table.Briefings. “Unser Befund zeigt schwarz auf weiß, dass viele Unternehmen bei der Azubi-Suche kompromissbereit sind, anders als es oft dargestellt wird.”

    Bei Jugendlichen, die erheblichen Unterstützungs- oder Förderbedarf haben, war die Kompromissbereitschaft der Unternehmen insgesamt geringer. Hier zeigt sich von den Unternehmen mit Bewerbermangel nur jedes vierte kompromissbereit – bei Ausbildungsbetrieben mit ausreichend Bewerbern war es jedes dritte.

    Mangelnde Bekanntheit von Fördermöglichkeiten

    Die größere Zurückhaltung liegt wahrscheinlich daran, dass für diese Jugendlichen noch größere Anstrengungen nötig werden, vermutet Arndt. “Und es ist die Frage, wie gut Betriebe Unterstützungsmöglichkeiten wie die von der Bundesagentur für Arbeit kennen.”

    Geht es nach dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, gibt es hier tatsächlich noch Nachholbedarf. In einem neuen Positionspapier fordert der Verband eine stärkere Werbung für die Einstiegsqualifizierung – ein von der BA gefördertes Praktikum in Kombination mit Stützunterricht und sozialpädagogischer Begleitung. Die assistierte Ausbildung sollte flächendeckend angeboten und Betrieben bekannter gemacht werden (zum Download).

    Die Umfrage des IW zeigt insgesamt: 17 Prozent der Betriebe, die einen Ausbildungsplatz anbieten, konnten nur einen Teil ihrer Stellen besetzen. 27 Prozent sogar keine ihrer angebotenen Ausbildungsstellen. Anna Parrisius

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    Sachsen-Anhalt: Pläne für größere Klassen an Grundschulen ausgebremst

    Der Gesetzesvorschlag von Bildungsministerin Eva Feußner (CDU), die ersten Klassen an Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu vergrößern, erntet nun sogar Kritik aus den eigenen Reihen. Die CDU-Landtagsfraktion hat bei einer Klausurtagung angekündigt, den aktuellen Plänen des Bildungsministeriums nicht zustimmen zu wollen. Dass sich Gesetzesentwürfe ändern, sei nicht unüblich, kommentierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Heuer. “Ein Gesetz, das in den Landtag kommt, hat den Landtag in den seltensten Fällen so auch wieder verlassen”, sagte er dem MDR.

    Zuvor hatte bereits die Opposition, allen voran die Linke, gewarnt: Mit einer Mindestschülerzahl müssten zahlreiche kleine Grundschulen schließen (Table.Briefings berichtete). Der Entwurf des Bildungsministeriums sieht vor, die Schülerzahl für erste Klassen an Grundschulen sowie für Klassen an weiterführenden Schulen auf 25 hochzusetzen. Für Grund- und Sekundarschulen außerhalb von Mittel- und Oberzentren soll die Mindestschülerzahl bei 20 liegen.

    Die Linke in Sachsen-Anhalt will sich nun mit einer Volksinitiative dafür einsetzen, dass alle bestehenden Grundschulen erhalten bleiben. “Das Schulnetz ist durch die massiven Schulschließungen der letzten 25 Jahre bereits ausgedünnt. Jede weitere Schulschließung ist deshalb eine zu viel”, heißt es in einem Antrag, der auf einem Landesparteitag im September debattiert werden soll. Die Volksinitiative soll jetzt eine Änderung des Schulgesetzes bewirken. vkr/dpa

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    NRW: Immer mehr Städte richten Schulstraßen ein

    In Nordrhein-Westfalen testen immer mehr Städte sogenannte Schulstraßen, um den Schulweg für Kinder sicherer und autofreier zu machen (Table.Briefings berichtete). Dortmund richtet diese temporären Straßensperrungen zum Schulstart nach den Sommerferien testweise an vier Schulen ein, hieß es in einer Mitteilung der Stadt.

    Die betroffenen Straßen in der Nähe der Schulen werden während der Bring- und Abholzeiten für den motorisierten Verkehr gesperrt. Die Schulstraßen sollen durch Beschilderung und Markierung kenntlich gemacht werden. Zudem sollen an den Schulen Hol- und Bring-Zonen eingerichtet werden, wo Eltern halten können, um ihre Kinder aus dem Auto aussteigen zu lassen. Die Pilotphase soll mindestens sechs bis zwölf Monate andauern.

    Planung für Ausbau auch in Essen

    Das Vorhaben basiert auf einem Erlass des Verkehrsministeriums NRW von Ende Januar, der Städten und Straßenverkehrsbehörden die Einrichtung solcher Schulstraßen ermöglicht. Durch die temporären Straßensperrungen sollen gefährliche Situationen durch sogenannte Elterntaxis oder einen starken Durchgangsverkehr verhindert werden. Kinder sollen so sicherer zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen.

    Aufgrund positiver Erfahrungen erwägt die Stadt Essen auf Wunsch der Schulleitung und der Polizei, eine weitere Schulstraße einzurichten. Derzeit ist dort eine Straße an einer Grundschule und einem angrenzenden Gymnasium zu bestimmten Zeiten für Autos gesperrt.

    In Münster wenig Interesse an Schulstraßen

    Bereits seit 2023 gibt es in Köln durch ein Pilotprojekt vier Schulstraßen. Diese sollen vor dem Hintergrund des neuen Erlasses dauerhaft bleiben, sagte eine Stadtsprecherin. Für weitere Schulstraßen müsse noch ein Konzept erarbeitet werden. Auch in Bonn gibt es bereits an vier Schulen temporäre Straßensperrungen.

    Noch keine Schulstraßen gibt es indes in Bielefeld, Bochum, Düsseldorf, Duisburg, Münster und Wuppertal, hieß es aus den Städten. Vielerorts liefen aber Prüfungen oder Planungen zur Einrichtung. Die Stadt Bochum plane voraussichtlich nach den Herbstferien einen Versuch an einer Schule, so ein Stadtsprecher. Bielefeld und Duisburg würden den Einsatz von Schulstraße sowie mögliche Testphasen prüfen, hieß es. In Münster seien die Rückmeldungen der Schulen nach dem entsprechenden Erlass indes sehr gering ausgefallen. dpa

    Lesen Sie hier: Wieso sich Schulstraßen positiv auf den Unterricht auswirken

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    Best of Table

    Research.Table: BMBF-Fördermittelaffäre: Warum es für die Ministerin doch noch eng werden könnte. Die ehemalige Staatssekretärin Sabine Döring und Abteilungsleiter Jochen Zachgo sollten nach dem Willen von Bettina Stark-Watzinger nicht im Forschungsausschuss sprechen. Warum eine neuerliche Initiative im Forschungsausschuss dies nun doch ermöglichen könnte, lesen Sie hier.

    Agrifood.Table: Energydrinks: BMEL wartet für Altersgrenze auf Studienergebnisse. Den Verkauf von Energydrinks an Kinder will das Bundeslandwirtschaftsministerium erst regulieren, wenn Erkenntnisse über die langfristigen Folgen des Konsums vorliegen. Foodwatch hält das für eine “Ausrede, nicht aktiv werden zu müssen”. Welche akuten Effekte des Konsums bei Kindern und Jugendlichen Mediziner aus München bereits ermittelt haben, lesen Sie hier.

    Must-Reads

    Dlf: Bedroht Trumps Wiederwahl basisdemokratische Schulstrukturen? Die deutsch-amerikanische Politologin Cathryn Clüver Ashbrook blickt mit Sorge auf eine potenzielle zweite Amtszeit von Donald Trump. Schon in seiner ersten Amtszeit wurden gezielt demokratische Institutionen geschwächt. Trumps Chefstratege Steve Bannon versuchte 2016 etwa, die Schulräte mit Trumps Ideologie zu beeinflussen. Die Schulräte, in denen unter anderem Eltern sitzen, haben in den USA Einfluss auf die Ausgestaltung vom Schulalltag. (Politologin Clüver Ashbrook: “Trump-Bewegung bedroht demokratische Institutionen”

    FAZ: Wie sollte moderner Mathematikunterricht aussehen? Jo Boaler, Professorin für Mathematik-Didaktik in Stanford, arbeitet momentan an neuen Richtlinien für einen zeitgemäßen Mathematikunterricht. Danach sollten Kinder lieber mathematisches Verständnis gewinnen, anstatt auswendig zu lernen. Es sollte eher im Fokus stehen, Hilfsmittel zu nutzen, statt alle Rechnungen analog lösen zu können. Zudem sei es wichtig, Kinder nicht zu entmutigen, denn jedes Kind könne Mathematik verstehen. (“Jeder kann Mathe lernen”

    Zeit: Fortbildungen gegen Rechtsextremismus unter Lehrkräften. Bildungsforscher Karim Fereidooni beklagt fehlende Regelungen, um rechtsextreme Lehrkräfte aus dem Schuldienst zu entlassen. So solle es ähnlich wie bei Bundesbeamten Background-Checks geben, bevor jemand den Beamtenstatus bekommt. Die meisten rechtsextremen oder diskriminierenden Vorfälle ließen sich vermeiden, wenn Lehrkräfte stärker sensibilisiert werden. So sollten Lehrkräfte schon im Studium lernen, eigene Vorurteile zu hinterfragen. (“Wenn eine Lehrkraft sich rassistisch äußert, passiert oft nichts”

    Tagesspiegel: 10.000 Lehrer-Tablets sind unbenutzt. Während der Pandemie schaffte die Berliner Senatsverwaltung 40.000 Tablets für Lehrkräfte an. Mehr als ein Viertel der Tablets war noch nie in Benutzung. Anfangs fehlten wichtige Programme und viele Lehrkräfte bevorzugten ihre eigenen Geräte. Aus diesen Fehlern hat der Senat gelernt – und ändert das Vorgehen für die Schülergeräte. Die neuen Tablets für Siebtklässler sollen nur geleast werden und die Schulen können bei der Hardware-Auswahl mitbestimmen. Doch dieser neue Leasingprozess ist langwierig. (Weil Lehrer sie nicht nutzen: Mehr als 10.000 Tablets verstauben an Berliner Schulen

    BBC: Regierung unterstützt Schulen in Beschränkung von Handynutzung. In Schottland haben Schulen nun das Recht, Schülern die Handynutzung auf Ausflügen zu untersagen. Sie können sogar verlangen, dass Schüler das Smartphone abgeben. Ziel ist es, dass die Schüler konzentrierter sind. Die Schulen sind frei in der Ausgestaltung der neuen Regeln, so könnten auch weniger strikte Maßnahmen erlassen werden. (Schools could ban mobile phones under new guidance

    Bildung.Table Redaktion

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