Table.Briefing: Bildung

Geflüchtete in Ausbildung + Neue Landesinstitute + Besuchspflicht für KZ-Gedenkstätten

Liebe Leserin, lieber Leser,

eine berufliche Ausbildung kann die gesellschaftliche Integration, aber auch die Karriere junger Geflüchteter entscheidend fördern. Umso ernüchternder ist die aktuelle Bestandsaufnahme. Meine Kollegin Anna Parrisius hat die Befunde aufgeschrieben. Zu ihnen zählt, dass Lehrlinge mit Fluchthintergrund häufiger ihre Ausbildung abbrechen. Oder dass in der Berufsorientierung ihr eigentlicher Berufswunsch zu selten eine Rolle spielt. Was Abhilfe schaffen kann, lesen Sie in der Analyse.

Mehr Orientierung ist auch das Stichwort für die Analyse von Vera Kraft. Sie hat sich angesehen, wie die neuen Landesinstitute in Berlin und Brandenburg die Schulentwicklung reformieren wollen. Für Berlin verspricht Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gar einen “Paradigmenwechsel in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Referendare und der Bestandslehrkräfte”.

Orientierung in der vielerorts unübersichtlichen Bildungslandschaft wollen wir Ihnen auch mit dem Bildung.Table geben. Deshalb lege ich Ihnen unsere zweite Ausgabe ans Herz, die heute Vormittag erscheinen wird. Denn die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) hat in einer Stellungnahme analysiert, wie die sprachliche Förderung für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche gelingen kann. Mein Kollege Thorsten Denkler ordnet für Sie ein, was die zentralen Punkte des Papiers sind.

Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.

Ihr
Holger Schleper
Bild von Holger  Schleper

Analyse

Integration: Wie mehr Geflüchtete eine Ausbildung schaffen könnten

Fast die Hälfte der 2015/16 nach Deutschland Geflüchteten waren zwischen 16 und 30 Jahre alt – im besten Ausbildungsalter also. Die Bilanz ihrer Integration in Ausbildung ist heute, fast zehn Jahre später, jedoch bescheiden, sagt Oliver Winkler, Privatdozent von der Uni Halle-Wittenberg, der das Forschungsprojekt “Bildungsintegration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund in Deutschland” leitet.

Eine Befragung zeigt, dass von den Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland kamen und zwischen 18 und 30 Jahre alt waren, bis 2020 14 Prozent in eine Ausbildung kamen. “Die Pandemie hat die Übergänge noch ausgebremst”, sagt Winkler. Gerade nähmen sie aber wieder zu. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit begann 2023 rund ein Drittel der geflüchteten Bewerber eine Ausbildung.

Wichtig ist auch eine andere Zahl: Lehrlinge mit Fluchthintergrund brechen häufiger ihre Ausbildung ab. Während die Vertragslösungsquote 2022 unter allen Lehrlingen in einer dualen Ausbildung schon auf einem Rekordniveau von im Schnitt 30 Prozent lag, betrug sie unter Geflüchteten 43 Prozent. Zwar sind hier auch Fälle eingerechnet, in denen ein Azubi nur den Betrieb oder die Ausbildung wechselt. Das Risiko, ungelernt zu bleiben, ist für diese Jugendlichen jedoch deutlich erhöht.

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Berufssprachkurse helfen, braucht es aber flächendeckend

Auf der GEBF-Tagung beleuchtet ein Symposium an diesem Mittwoch die Frage, wie Geflüchteten der Einstieg in eine Ausbildung besser gelingen kann. Nachbesserungsbedarf sieht Forscher Oliver Winkler in den sogenannten Willkommens- oder Brückenklassen für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Ob sie Schülern überhaupt einen Vorteil bringen, ist nicht ausreichend erforscht, Zweifel hält Winkler jedoch für angebracht. Viele Flüchtlinge, die bei ihrer Ankunft 15 und 16 Jahre alt sind, kämen in eine solche Extra-Klasse an einer Berufsschule – oft ohne einen Abschluss oder ein Sprachzertifikat erwerben zu können.

Ein Beitrag aus dem Forschungsprojekt von Winkler zeigt: Förderangebote der Bundesagentur für Arbeit wie spezielle Berufssprachkurse können helfen. Besonders für die 25- bis 30-Jährigen erhöhen sie die Chance, in Ausbildung zu kommen, signifikant – obwohl die Gruppe für einen Ausbildungsstart eigentlich schon recht alt ist. Winkler hält daher einen Ausbau der Berufssprachkurse für zielführend. “Die Versorgung ist regional jedoch sehr unterschiedlich, hier braucht es eine gleichmäßigere Verteilung.”

Förderangebote zu intransparent

Katharina Wehking, die an der Universität Osnabrück zu Bildungsverläufen forscht, fordert mehr Übersicht, welche Förderangebote es für Geflüchtete überhaupt gibt und welcher Aufenthaltsstatus wozu berechtigt. Selbst Kammern und Berufsschulen fehle hier der Durchblick. “Es braucht deutlich schlankere Strukturen“, sagt sie.

Ein Problem sieht Wehking auch darin, dass Geflüchtete ihre Lehre häufig in sogenannten Engpassberufen beginnen, die oft geringer vergütet sind und weniger Beschäftigungsstabilität versprechen – etwa im Hotel- oder Gastronomieservice. Da es in diesen Berufen auch leichter ist, eine Lehrstelle zu erhalten, hätten Berufsberater, Lehrkräfte oder Ehrenamtliche sie für Geflüchtete eher im Blick. “Das ist häufig gar nicht böse gemeint, aber leider verkürzt gedacht”, sagt die Erziehungswissenschaftlerin.

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Berufswahl sollte sich primär am Berufswunsch, nicht am Fachkräftebedarf ausrichten

Denn um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, sei es wichtig, dass Jugendliche ihre Berufswünsche realisieren. “Wenn jemand für seinen Wunschberuf nicht die Voraussetzungen erfüllt, sollten Berater nach berufswunschnahen Alternativen suchen”, sagt Wehking.

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Die Erziehungswissenschaftlerin plädiert dafür, die Berufsorientierung möglichst offen zu halten und primär am Bedarf der Jugendlichen auszurichten. Praxiseinblicke seien immer zu empfehlen. Wenn Jugendliche in Berufsvorbereitungsklassen etwa ein Praktikum absolvieren, sei aber auch wichtig, dass ihnen nicht nur Mangelberufe, sondern möglichst viele unterschiedliche Berufe zur Auswahl stehen.

Geflüchtete Frauen sollten noch stärker in Fokus kommen

Oliver Winkler sagt, an vielen Stellen fehle noch Berufsorientierung speziell für Geflüchtete. Sinnvoll könnten etwa Informationen in verschiedenen Herkunftssprachen und auch für die Eltern sein. “Viele Geflüchtete denken anfangs an ein Studium. Die duale Ausbildung kennen sie aus ihrem Herkunftsland oft nicht”, sagt Winkler. Ein Teil der jungen Geflüchteten strebe auch einen direkten Erwerbseinstieg an.

Eine Gruppe müsste zudem noch stärker in den Blick genommen werden: geflüchtete Frauen. Sie sind auch nach gleicher Aufenthaltsdauer deutlich seltener erwerbstätig als geflüchtete Männer. Und das, obwohl sie laut aktuellen Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung häufiger in Ausbildung kommen als männliche Bewerber. Warum das so ist, ob geflüchtete Frauen etwa häufiger ihre Ausbildung abbrechen und welche Rolle zum Beispiel familiäre Verpflichtungen spielen, soll ein neues Forschungsprojekt herausfinden, das Wehking mit einer Forscherin der Hochschule München leitet. Über 30 Frauen sollen dafür interviewt werden. Auf Basis der Erkenntnisse soll die Münchner SchlaU-Werkstatt für Migrationspädagogik Fortbildungen für Berufspädagogen anbieten.

Azubis mit Fluchthintergrund brauchen Begleitung

Wer mit Fluchthintergrund den Einstieg in eine Lehre schafft, der benötigt meist auch weiter Unterstützung. Wehking plädiert dafür, dass Betriebe berücksichtigen, dass ein geflüchteter Azubi extra Zeit für Nachhilfe, aber auch für Termine mit Anwälten oder der Ausländerbehörde braucht. Am besten wäre, Betriebe stellten ihre Lehrlinge dafür frei, und böten Nachhilfe oder Sprachkurse direkt im Betrieb an.

Elisabeth Maué forscht an der Universität Konstanz zu den Bildungsverläufen von Geflüchteten und hält eine Begleitperson für äußerst wichtig. Sie könne mit dem Deutschlernen oder in fachlichen Fragen helfen, Lernstrategien vermitteln und oft auch ganz praktisch helfen. Jedes Semester übernehmen ihre Studierenden die Tandempartnerschaft für Auszubildende im Landkreis Konstanz. “Von Mathematik-Grundlagen bis zum Umgang mit Word oder dem Schreiben eines Pflegeberichts: Der Bedarf der Azubis ist groß.”

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Mehr zur Tagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung: Frühe Bildung: Wie digitale Medien Kita-Kinder gezielt fördern können

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Neue Landesinstitute: Wie Berlin und Brandenburg Schulentwicklung reformieren wollen

An Angeboten zur Unterrichtsentwicklung, Lehrerfortbildung oder Unterstützung von Schulleitungen hat es Berlin nicht gemangelt. Was aber fehlte, war eine sinnvolle Koordinierung. So lautete zumindest die Kritik der Berliner Expertenkommission zur Bildungsqualität.

Mit dem neuen Berliner Landesinstitut für Qualifizierung und Qualitätsentwicklung an Schulen (BLiQ) soll sich das ab sofort ändern. Es wird an diesem Mittwochmorgen eingeweiht und soll künftig alle Initiativen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie zur Schul- und Unterrichtsentwicklung unter einem Dach vereinen.

Mehr Praxis und mehr Wissenschaft

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) verspricht sogar noch mehr: Das neue Institut solle einen “Paradigmenwechsel in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Referendare und der Bestandslehrkräfte” einläuten.

Damit das gelingt, sollen Referendare häufiger in den Unterricht, Unterrichtsmaterialien sollen forschungsbasierter als bisher erarbeitet werden und Prozesse – sowohl in der Schule als auch in der Fortbildung – sollen stärker evaluiert werden. Zudem gilt es, die verschiedenen Phasen der Lehrerausbildung sowie die dazugehörigen Programme enger zu verzahnen.

Doppelt so viele Unterrichtsbesuche für Referendare

Ab Herbst 2026, nach der Übergangsphase, bekommt die Ausbildung für Referendare einen neuen Aufbau. Angehende Gymnasiallehrkräfte haben dann 24 Stunden weniger Theorie und machen dafür acht statt vier Unterrichtsbesuche.

Wichtiges Wissen falle damit trotzdem nicht weg, versichert Bildungsministerin Günther-Wünsch. Es habe in den Fach- und Hauptseminaren inhaltliche Überschneidungen gegeben – es seien also lediglich Redundanzen gestrichen worden. Der Arbeitsaufwand soll sich nicht ändern.

Was sich aber ändert:

  • Die Referendare werden nicht mehr ausschließlich von den Fachseminarleitern betreut. Stattdessen haben sie künftig einen Ausbilder für die theoretischen Module sowie einen Begleiter für die Unterrichtsbesuche.
  • Außerdem sollen die theoretischen Module der Seminare auch für Lehrkräfte und sogar Schulleitungen geöffnet werden.

“Turnaround” für Bildungsqualität?

“Die modularisierte Fortbildung soll aktuelle Herausforderungen von Lehrkräften wie Digitalisierung und den Umgang mit Heterogenität, aber auch den Bereich berufliche Bildung stärker adressieren”, sagt Günther-Wünsch. Neues Personal brauche es dafür nicht. Die aktuell rund 750 Fachseminarleitungen sollen reichen, um den Bedarf zu decken.

Langfristig soll die Zentralisierung, mit der einige der Außenstandorte wegfallen, dafür sorgen, dass wieder mehr Fachseminarleiter unterrichten können. Für die Übergangsphase bis August 2026 sei das aber noch nicht absehbar, sagt Günther-Wünsch.

Katy Pîrjol, Direktorin des neuen Landesinstituts, sagt, die modularisierte Verzahnung des Vorbereitungsdienstes mit der Fortbildung und der Weiterbildung setze das um, was die Bildungsforschung seit langem fordere. Sie sieht in dem Institut die Chance, für die Schulen und die Bildungsqualität in Berlin einen “echten Turnaround” zu schaffen. Es sei daher wichtig, Schwerpunkte über die Legislatur hinauszusetzen.

Brandenburger Institut erweitert Aufgaben

Auch Brandenburg will die Neuaufstellung für sich als Chance nutzen. Da Brandenburg die überfachliche Ausbildung bereits 2019 umgestellt hat, ändert sich für Referendare allerdings nichts. Die Aufteilung in Fachseminare und Ausbildungscoaching existiert bereits.

“Einige der Experten-Empfehlungen für Berlin waren aber auch für uns zutreffend”, sagt Mathias Iffert, Direktor des Landesinstituts Brandenburg für Schule und Lehrkräftebildung (LIBRA). So soll das neue Landesinstitut den Austausch etwa zwischen Wissenschaft und Schule verstärken und besser koordinieren. Insbesondere in drei Bereichen soll das für mehr Qualität sorgen:

  • Zentrale Prüfungen wie das Abitur
  • Entwicklung und Anwendung diagnostischer Verfahren wie Ilea Plus und VERA
  • Interne und externe Evaluation

“Das LIBRA soll auch als ‘Übersetzungsinstitut’ zwischen Schulpraxis und Wissenschaft fungieren”, sagt Iffert. Zwar hatte auch das LISUM Arbeitsbeziehungen zu 56 wissenschaftlichen Einrichtungen. Allerdings war das wenig systematisch. “Wir wollen Schulen wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovationen schnell und sinnvoll aufbereitet zur Verfügung stellen.”

Beide Institute – sowohl in Berlin als auch in Brandenburg – verstehen sich in erster Linie als “Dienstleister für das gesamte pädagogische Personal an Schulen”. So formulierte es BLiQ-Direktorin Pîrjol im Gespräch mit Table.Briefings. Auch LIBRA-Direktor Iffert sagt: Erfolgreich sei das Institut, wenn es von Schulen als “nachhaltige und kompetente Unterstützung” wahrgenommen werde.

Ausrichtung an akuten Problemen nötig

Bildungsforscher Olaf Köller, der die Empfehlungen der Berliner Expertenkommission federführend verantwortet und damit Berlin den Anstoß für die Auflösung des gemeinsamen Instituts LISUM gegeben hat, begrüßt die Entwicklungen. Die Modularisierung der Lehrkräftebildung etwa sei zeitgemäß und entspreche der SWK-Stellungnahme.

Auch die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis in der zweiten und dritten Phase der Lehrkräfteausbildung zu systematisieren, sei dringend notwendig. “Das macht Fortbildungen nachweislich erfolgreicher“, sagt Köller. Die Kompetenzen der Lehrkräfte nehmen stärker zu und auch Schülerinnen und Schüler lernen mehr. Außerdem steigere dieser Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Praxis die Bereitschaft, die existierenden Programme bei Bedarf zu überarbeiten.

Der Erfolg der Institute hängt Köller zufolge aber nicht zuletzt davon ab, wie sehr es ihnen gelingt, sich an großen Trends zu orientieren und spezifische Angebote für aktuelle Herausforderungen wie die Digitalisierung zu entwickeln.

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News

Holocaust-Gedenkstätten: Ruf nach Besuchspflicht wird lauter

Mit dem Holocaust-Gedenktag ist eine neue Debatte über Pflichtbesuche für Schülerinnen und Schüler in Gedenkstätten der Shoa aufgekommen. Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) etwa plant für alle Hamburger Schülerinnen und Schüler den verpflichtenden Besuch einer KZ-Gedenkstätte. Lehrkräfte sollen den Besuch pädagogisch vor- und nachbereiten, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, erklärte Bekeris. 

Bekeris bezog sich auch auf eine am vergangenen Donnerstag veröffentlichte internationale Befragung im Auftrag der jüdischen Claims Conference zum Wissen über den Holocaust unter Jugendlichen. Die Umfrage habe “erschreckende Ergebnisse” hervorgebracht, auch für Deutschland, sagte Bekeris. Laut der Umfrage können zwölf Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland nichts mit dem Begriff Holocaust anfangen. 

Bundesschülerkonferenz für Pflichtbesuche

Ähnlich wie Bekeris argumentiert die Bundesschülerkonferenz. In einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme fordert sie “mindestens einen verpflichtenden Besuch von Schüler*innen in Konzentrations- oder Vernichtungslagern während ihrer Zeit in der weiterführenden Schule”. 

Lesen Sie auch: So weit verbreitet sind Unwissen und Falschinformationen über den Holocaust

Christian Tischner (CDU), Bildungsminister in Thüringen, sagte am Montag unter Verweis auf die Umfrage und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Ziel der Brombeer-Koalition in Thüringen sei es, Besuche von Gedenkstätten “fest im Lehrplan zu verankern“. Bisher wird in den Lehrplänen Thüringens der Besuch von Gedenkstätten nur “nach Möglichkeit” empfohlen. 

Eine Besuchspflicht gibt es bisher nur im Saarland und in Bayern. Die Union im Bundestag hatte im vergangenen Jahr in einem Antrag gefordert, dass Schüler bundesweit mindestens einmal in ihrer Schulzeit eine KZ-Gedenkstätte besuchen sollten.

BMK bisher ohne einheitliche Haltung

Die BMK konnte sich bisher nicht auf eine gemeinsame Forderung nach einer Besuchspflicht einigen. In einer Erklärung zum Holocaust-Gedenktag ruft die Bildungsministerkonferenz der KMK die Schulen lediglich dazu auf, sich aus Anlass des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau “vertieft” mit den Themen Holocaust und Nationalsozialismus zu beschäftigen

Am Montag hatte eine Delegation der Bildungsministerkonferenz an der Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz teilgenommen. Die Delegation wurde von BMK-Präsidentin Simone Oldenburg (Linke) aus Mecklenburg-Vorpommern angeführt. Thorsten Denkler

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Sachsen-Anhalt: Wirtschaft wird Pflichtfach an Gymnasien

Sachsen-Anhalt will zum Schuljahr 2026/2027 das Pflichtfach Wirtschaft in der Sekundarstufe I des Gymnasiums einführen. Das Fach soll es für die Jahrgänge 7 und 8 geben. Es kann als Wahlpflichtfach ab Jahrgang 9 bis zum Abitur fortgeführt werden. Das teilte das Bildungsministerium Table.Briefings auf Anfrage mit. Bislang besteht an Gymnasien in Sachsen-Anhalt das Angebot, ab Jahrgang 9 das Wahlpflichtfach “Wirtschaftslehre” zu belegen.

An den nicht-gymnasialen Bildungsgängen der Sekundarstufe in Sachsen-Anhalt ist Wirtschaft bereits ein eigenständiges Pflichtfach. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, CDU und FDP 2021 vereinbart, dass es mittelfristig ein eigenständiges Pflichtfach “Wirtschaft, Demokratie und Recht” auch im gymnasialen Schulzweig geben solle.

“Die Einführung des Pflichtfachs Wirtschaft an Gymnasien ist ein wichtiger Schritt, um die ökonomische Bildung unserer Schülerinnen und Schüler zu stärken”, erklärte Jürgen Böhm, Staatssekretär im Bildungsministerium. Die Schüler sollen demnach stärker befähigt werden, “kluge und verantwortungsvolle Entscheidungen in ihrem täglichen Leben zu treffen”. 

In der OeBiX-Studie vom Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg (IÖB), die den Stand der ökonomischen Bildung an weiterführenden allgemeinbildenden Schulen in den Bundesländern erfasst, war Sachsen-Anhalt im Vorjahr im Mittelfeld gelandet. Holger Schleper

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Schulbildung: Warum Eltern mehr individuelle Förderung fordern

Vier von fünf Elternteilen finden, dass Schulen nicht ausreichend auf die Bedürfnisse einzelner Kinder eingehen. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Nachhilfeinstituts Studienkreis, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird und Bildung.Table vorliegt. 

Zum Download: Elternbefragung des Studienkreises

Laut der repräsentativen Umfrage unter 1.000 Eltern schulpflichtiger Kinder wünschen sich 97 Prozent der Eltern, dass die zukünftige Bundesregierung stärker dafür sorgt, “dass Kinder unabhängig von ihrem Elternhaus die bestmögliche Förderung erhalten”.

Außerdem sind 96 Prozent der Meinung, dass mehr Geld in das Bildungssystem investiert werden sollte, “um die Wirtschaftskraft in Deutschland zu erhalten”. Von den befragten Eltern geben 46 Prozent an, dass ihre Kinder Schwierigkeiten in einem oder mehreren Schulfächern haben.

Kinder oft auf Nachhilfe angewiesen

Weitere Ergebnisse der Befragung: 

  • 54 Prozent sehen zusätzliche Förderangebote als Schlüssel zu besseren Noten.
  • 51 Prozent fordern mehr Lehrkräfte.
  • 46 Prozent wünschen sich, dass Kinder “mehr Interesse am Unterrichtsthema” entwickeln.

Zusätzliche Förderung spielt eine große Rolle, insbesondere für Kinder aus weniger wohlhabenden Familien. Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) der Bundesregierung unterstützt diese Kinder unter anderem mit finanzieller Hilfe für Nachhilfe. Allerdings zeigt die Analyse, dass die Inanspruchnahme stark vom Wohnort abhängt: In einigen Gemeinden ist der Zugang einfacher, während anderswo hohe bürokratische Hürden bestehen.

“Viele Kinder nehmen bei uns Nachhilfe, weil die Eltern nicht im nötigen Umfang unterstützen und viele Schulen keine ausreichende zusätzliche Förderung anbieten können”, sagt Thomas Momotow, Sprecher des Studienkreises. “Ohne BuT wäre es ihnen nicht möglich, ihr Leistungspotenzial in der Schule voll zu entfalten.” Thorsten Denkler

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PISA: Schüler nicht fit genug für Online-Informationen

Viele 15-Jährige in Deutschland haben Schwierigkeiten, die Qualität von Informationen im Internet zu beurteilen. Das zeigt eine neue Auswertung der jüngsten PISA-Studie (Programme for International Student Assessment), die am Montag von der OECD vorgestellt wurde. Zwar geben 69 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland an, die meisten Informationen problemlos online zu finden. Jedoch trauen sich nur 47 Prozent zu, die Qualität dieser Informationen zu beurteilen. Im OECD-Durchschnitt liegt dieser Wert bei 51 Prozent.

Darüber hinaus vergleichen nur knapp 60 Prozent der befragten Jugendlichen in Deutschland verschiedene Quellen, während dies im OECD-Durchschnitt 72 Prozent tun. Ein weiteres Problem zeigt sich im Umgang mit sozialen Medien: Rund ein Drittel der Jugendlichen hierzulande überprüft nicht, ob Informationen korrekt sind, bevor sie diese online teilen.

Schüler haben erheblichen Nachholbedarf

“Vielen Schülerinnen und Schülern gelingt es leider nicht ausreichend, Fake News als solche zu identifizieren“, sagt Samuel Greiff vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München. Greiff leitet die PISA-Studie in Deutschland. 

Die Schülerinnen und Schülern hätten einen “erheblichen Nachholbedarf beim kritischen und reflektierten Umgang mit Informationen im Internet“. Die PISA-Studie unterstreiche, dass dieser Mangel dringend angegangen werden müsse, um Jugendliche auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorzubereiten, sagt Greiff. 

Die Ergebnisse stammen aus der achten PISA-Studie, die 2022 durchgeführt wurde. In Deutschland wurden dabei die Kompetenzen von rund 6.100 Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 Jahren an 260 Schulen aller Schularten getestet. Neben den Tests erfasste die Studie auch Informationen zu den Lernbedingungen, Einstellungen und der sozialen Herkunft der Jugendlichen. Thorsten Denkler

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Niedersachsen: Was Kita-Fachkräfte belastet

Rund 60 Prozent von knapp 1.500 befragten Kita-Leitungen in Niedersachsen gaben in einer Umfrage an, dass die Zahl der Kinder mit herausforderndem Verhalten in ihren Einrichtungen in den vergangenen Jahren stark gestiegen sei. Das teilte das “Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung” (nifbe) vergangenen Donnerstag mit.

Diagnostische Rückschlüsse, ob und inwieweit das Verhalten von Kindern tatsächlich herausfordernder geworden ist, ließen sich aus den Ergebnissen nicht ziehen, erklärte Karsten Herrmann, stellvertretender Geschäftsführer vom nifbe. In der Befragung seien lediglich subjektiv wahrgenommene Belastungsfaktoren erhoben worden. Diese empfundene Belastung sei aber “dramatisch gewachsen“.

Personalmangel belastet Kitas

Über die Hälfte der Befragten schätzt den Anteil an Kindern mit herausforderndem Verhalten in ihrer Kita zwischen elf und 25 Prozent ein, ein weiteres gutes Viertel im Bereich zwischen 26 und 50 Prozent. Sieben Prozent schätzen den Anteil auf mehr als 50 Prozent ein. 

71 Prozent der Kita-Leitungen berichten zudem, dass der Personalmangel sie zunehmend belaste. Dies berge die Gefahr, dass sich die Belastungsfaktoren gegenseitig bestärkten, warnte Herrmann. In personell angespannter Lage falle es den Kitas schwerer, Kindern einen individuell notwendigen Rahmen zu geben.

Daran anknüpfend fallen auch die häufig genannten Wünsche der Kita-Leitungen aus. Mehr Personal und eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels stehen oben auf der Liste, genauso wie der Wunsch nach stärkerer Begleitung durch externe Fachkräfte für die Kitas.

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Kitas “mit dem Rücken zur Wand

Der nifbe-Vorstandsvorsitzende Kai-Uwe Kühnberger sagte zur Vorstellung der Umfrage, zwei Drittel der Kitas in Niedersachsen stünden “mit dem Rücken zur Wand“. Ihnen müsse dringend Entlastung geboten werden.

Herrmann hebt hervor, dass es nicht darum gehen dürfe, Kinder zu stigmatisieren. “Statt mit herausfordernden Kindern haben wir es – treffender formuliert – mit herausgeforderten Kindern zu tun.” Diese seien auch ein Spiegel der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung mit ihren vielen Krisen, von der Corona-Pandemie über den Ukraine-Krieg bis hin zur Klimakatastrophe.

Die nifbe-Befragung wurde im September 2024 durchgeführt. An ihr haben sich 1.479 der niedersächsischen Kita-Leitungen (25 Prozent) beteiligt. Holger Schleper

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Heads

Meron Mendel: Wie er sich gegen Antisemitismus einsetzt

Gemeinsam mit Deborah Schnabel leitet Meron Mendel die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main.

Frieden kommt nicht allein von oben – durch politische Beschlüsse oder Verträge. Es braucht auch einen Frieden von unten – ausgehend von der Bevölkerung. Davon ist Meron Mendel überzeugt. Dafür engagierte er sich bereits als Teenager und junger Erwachsener in Israel. Und dafür setzt er sich auch heute noch ein: als Publizist, Professor für Soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences und als Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, eine der führenden Organisationen in der Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus.

Den ersten Schultag nach dem 7. Oktober 2023, dem Massaker der Hamas, hält Mendel für ein Versagen des deutschen Schulsystems. Vielerorts habe es weder Gespräche noch eine Schweigeminute gegeben. “Das zeigt, wie groß die Verunsicherung bei vielen Lehrkräften und Schulleitungen ist”, sagt Mendel. Und es zeige den dringenden Handlungsbedarf.

In der Vergangenheit hätten sich außerschulische Bildungsangebote zu sehr auf diejenigen fokussiert, die schon recht interessiert oder überzeugt sind, beispielsweise durch Workshops zu “Powersharing” oder “Critical Whiteness”. Viele Angebote gebe es zudem in den Ballungszentren, wenige im ländlichen Raum. “Dabei sind uns Teile der Gesellschaft völlig abhandengekommen”, sagt Mendel. “Menschen kommen nicht als fertige Demokraten auf die Welt.” Daher müssten außerschulischen Bildungsangeboten die breite Masse erreichen.

2001 kam er nach Deutschland

Mendel ist im Kibbuz Mashabe Sade in Israel aufgewachsen. Schon als Teenager war er politisch aktiv. Mit Freunden besuchte er Vorträge, nahm an Friedensdemonstrationen teil oder organisierte Austausche mit palästinensischen Schulen. Als 1993 das erste Osloer Friedensabkommen unterzeichnet wurde, das eine “Zwei-Staaten-Lösung” schrittweise vorbereitete, war Mendel 17 Jahre alt. “Das war ein euphorischer Moment”, erinnert er sich. “Wir hatten die Illusion, dass der Frieden bevorsteht.” Aber dann sah es wieder düster aus.

Am 4. November 1995 erschoss ein rechtsradikaler jüdischer Student den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin am Rande einer Kundgebung. Kurz darauf wurde Mendel zum militärischen Pflichtdienst einberufen. Ein Jahr später wurde Benjamin Netanjahu zum ersten Mal israelischer Ministerpräsident. Der Friedensprozess stockte. In den folgenden Jahren gab es immer wieder harte Rückschläge.

Daraufhin beschloss Mendel, der nach dem Militärdienst Geschichte und Erziehungswissenschaften in Haifa studiert hatte, seine akademische Karriere in Deutschland fortzusetzen. Nach seiner Promotion übernahm er 2010 die Direktion der Bildungsstätte Anne Frank. Seit 2021 hat er daneben noch die Professur für transnationale soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences inne und teilt sich seitdem die Direktion mit der Psychologin Deborah Schnabel.

Medienbildung allein werde nicht reichen

Seit dem 7. Oktober beschäftigen sie sich als Bildungsstätte viel mit Aufklärung zum Israel-Palästina-Konflikt. Workshops und Broschüren sollen Mythen und Streitpunkte des Konflikts einordnen und die Debatte versachlichen. Nicht alle Verantwortung könne man dabei auf die Schulen schieben, findet Mendel, sie seien ja sowieso oft schon überfordert. Diskutiert werde über den Nahostkonflikt schließlich auch im Fußballverein, in der Kirche und der Moschee, im Jugendclub oder später am Arbeitsplatz. Auch diese Orte suchten aktuell bei der Bildungsstätte nach Unterstützung, wie sie das Thema konstruktiv aufgreifen können.

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Die sozialen Medien hält Mendel aktuell für die größte Herausforderung für die Demokratie. “Das sind sehr gut konstruierte Instrumente, die das Gehirn einer ganzen Generation manipulieren.” Braucht es daher mehr Medienbildung? Ja. Sollte es ein Schulpflichtfach sein? Ja. Reicht das? Nein. Medienbildung – auch für Erwachsene – sei zwar unerlässlich, aber ohne neue Regulierungskonzepte sei sie dazu verdammt, einer Entwicklung hinterherzurennen, die immer schneller sein wird. Deshalb versucht Mendel in Gesprächen mit Politikern auf europäischer und nationaler Ebene, immer wieder auf die Notwendigkeit von Regulierung aufmerksam zu machen und mit ihnen darüber zu sprechen, wie sie aussehen könnte.

Auf die Frage, wie er es schafft, bei all den Krisen und Rückschlägen nicht aufzugeben, antwortet Mendel: “Ich denke, es steht mir gar nicht zu, frustriert zu sein.” Wir würden oft vergessen, wie privilegiert wir seien. Kann er auch mal abschalten? “Ich mache das, was ich mache, weil es mich interessiert.” Seit 24 Jahren sei er nun in Deutschland, aber das Konzept “Abschalten” habe er noch nie verstanden. Caroline Becker

  • Benjamin Netanjahu

Personalien

Engin Çatik leitet seit vergangenem Freitag kommissarisch die Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau. Bisher hat Çatik die Johanna-Eck-Schule in Tempelhof geleitet. Er habe dort bewiesen, dass er “Krisen meistern kann”, sagt Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Die bisherige Schulleiterin sei “aufgrund von fachlichen Entscheidungen freigestellt” worden. Das Kollegium hatte im November in einem Brandbrief von Problemen mit aggressiven, gewaltbereiten Schülern berichtet. Den Brief hatte auch die Schulleiterin unterschrieben.  

Frank Thalhofer ist zum 1. Januar 2025 in den Vorstand der Franz Cornelsen Stiftung eingetreten. Die Stiftung ist Haupteigentümerin des Bildungsmedienanbieters. Thalhofer war 27 Jahre lang für die Cornelsen Gruppe tätig, zuletzt als Geschäftsführer Didaktik & Content. Zusätzlich hat er sich in Gremien wie der European Educational Publishers Group oder dem Verband Bildungsmedien engagiert. Für die neue Aufgabe kehrt er nach einem Jahr aus dem Ruhestand zurück.

Gabriele Kandzora ist die neue Ombudsfrau in der Hamburger Schulbehörde. Sie löst ihren Vorgänger Peter Puhle ab, der sieben Jahre lang die Ombudsstelle leitete. Das Ehrenamt gibt es seit 1999. Es wurde eingesetzt, um den Vertretungen von Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern eine Anlaufstelle in Konfliktfällen zu geben. Hinzu kommt die Beratung in disziplinarischen Fällen. Kein anderes Bundesland hat so ein Angebot im schulischen Bereich. 

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Best of Table.Media

Research.Table. Antwort auf Stargate aus der Wissenschaft: “Nicht auf einen Wettlauf nach unten einlassen.” Nach ersten panikartigen Reaktionen der deutschen KI-Branche auf das US-Projekt Stargate rufen Experten aus Forschung und Wissenschaft zur Besonnenheit und zum Ausspielen europäischer Stärken auf. Für den AI Action Summit in Paris Anfang Februar wird eine Reaktion gefordert. Mehr lesen Sie hier.

Research.Table. Hochschulrektorenkonferenz: BMBF fördert Antisemitismusprävention. Die HRK will die Hochschulen in der Bekämpfung von Antisemitismus stärker unterstützen – und erhält dafür Förderung des BMBF. Mehr lesen Sie hier.

Climate.Table. Bayern: Klimaaktivistin darf Referendariat nicht antreten. Die 28-jährige Lisa Poettinger wird nicht zum Referendariat zugelassen, weil sie sich antikapitalistisch fürs Klima engagiert hat. Ihr Aktivismus sei mit den Pflichten einer Beamtin nicht vereinbar, heißt es Medienberichten zufolge in einem Schreiben des Kultusministeriums. Poettinger will dagegen vorgehen. Mehr lesen Sie hier.

Presseschau

Deutsches Schulportal: Bildungsforscher John Hattie über deutsche Schulen. Das deutsche gegliederte Schulsystem biete keinen Vorteil für Schüler. Lehrer und Schüler müssten stattdessen den Umgang mit Heterogenität lernen. Den Einsatz von projektbasiertem, forschendem Lernen sieht er kritisch. Meist werde diese Methode zu früh eingesetzt, bevor die Kinder über ausreichend Wissen verfügen. Um KI angemessen im Unterricht zu nutzen, müssten Schüler lernen, mehr Fragen zu stellen und die Antworten selbst zu evaluieren. (John Hattie: Weniger Lehrplan, mehr Leidenschaft!

Spiegel: Bürgerrat für Abschaffung von Hausaufgaben und Noten. Der zufällig besetzte Bürgerrat Bildung fordert zudem eine zweijährige Kitapflicht. Schulunterricht soll individueller und Hausaufgaben sollen abgeschafft werden. Zudem soll es bis zur achten Klasse keine Noten und mehr Berufsorientierung an allen Schulformen geben. Einigkeit herrschte im Rat jedoch nicht über die Forderung nach individuellen Prüfungsterminen. Minderjährige stimmten dieser mehrheitlich zu – Erwachsene lehnten sie ab. (Sie wünschen sich das Ende der Hausaufgaben

FAZ: KI als Privatlehrer. Die Professorin für Wirtschaftsinformatik Doris Weßels sieht in der KI-Entwicklung große Chancen für die Bildung. Algorithmen und KI-Agenten könnten zu langfristigen, individuellen Lernbegleitern werden, die eine Vielzahl von komplexen Aufgaben lösen können. Vieles sei noch ungewiss. Stark individualisierte KI schaffe wegen der möglichen emotionalen Bindung auch Abhängigkeiten der Schüler. (Wenn nur KI unterrichtet

SWR: KI-Kompetenz an Schulen. Um den Lernerfolg nicht zu gefährden, müssen Schulen Kompetenzen für den Umgang mit KI vermitteln. So sollen Kindern schon früh lernen, wie Informationen zu überprüfen sind, aber auch wie Prompts richtig zu schreiben sind. Auch ist es wichtig, dass Kinder verstehen, dass KI nicht alles kann und Fähigkeiten wie Kreativität oder Meinungsbildung weiterhin selbst zu erlernen sind. (Wie KI die Schule und das Lernen beeinflusst

Dlf: Unicef sieht Klimawandel in Zusammenhang mit schlechter Bildung von Mädchen. Mindestens 242 Millionen Kinder und Jugendliche waren im vergangenen Jahr von Schulschließungen aufgrund von extremen Wetterereignissen betroffen, berichtet das UNO-Kinderhilfswerk. Der Klimawandel verschärfe die angespannte Lage der Schulsysteme in Ländern wie Afghanistan oder Bangladesch. Je länger die Schulen geschlossen blieben, desto eher brächen insbesondere Mädchen die Schule ab. (Unicef: Klimakrise schränkt den Schulbetrieb in vielen Ländern ein

Termine

29. Januar, 10 Uhr, online
Webinar Global Launch: Starting Strong VIII – Reducing Inequalities by Investing in Early Childhood Education and Care
In dieser OECD-Onlineveranstaltung wird der Report Starting Strong VIII vorgestellt, der die Bedeutung von frühkindlicher Bildung insbesondere in Bezug auf Chancengerechtigkeit untersucht. INFOS & ANMELDUNG

11. bis 15. Februar, Stuttgart
Messe Didacta
Die Bildungsmesse bietet eine Vielzahl an Fachvorträgen und Weiterbildungen an. Zudem stellen sich verschiedene Akteure aus dem Bereich der frühkindlichen, schulischen, außerschulischen oder beruflichen Bildung vor. INFOS & TICKETS

13. Februar, 16.30 Uhr bis 18 Uhr, online
Webinar Was.Schule.bewegt.: Was tun mit rechtsextremen Narrativen und Einstellungen in der Schule?
Zunehmender Rechtsextremismus ist auch in den Schulen bemerkbar. Wie auf diese Entwicklungen zu reagieren ist und welche Rolle Lehrkräfte hierbei spielen, ist Thema in dieser Veranstaltung der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. INFOS & ANMELDUNG

14. bis 15. Februar, Hofgeismar
Tagung Welches Demokratieverständnis braucht die Demokratiebildung?
Demokratiebildung wird vor dem Hintergrund zunehmender politischer Radikalisierung immer relevanter. Doch welches Demokratieverständnis liegt der Demokratiebildung implizit zugrunde? Und wie verändert es sich? Darum geht es bei dieser Tagung. Veranstalter ist die Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik. INFOS & ANMELDUNG

Bildung.Table Redaktion

BILDUNG.TABLE REDAKTION

Licenses:

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    eine berufliche Ausbildung kann die gesellschaftliche Integration, aber auch die Karriere junger Geflüchteter entscheidend fördern. Umso ernüchternder ist die aktuelle Bestandsaufnahme. Meine Kollegin Anna Parrisius hat die Befunde aufgeschrieben. Zu ihnen zählt, dass Lehrlinge mit Fluchthintergrund häufiger ihre Ausbildung abbrechen. Oder dass in der Berufsorientierung ihr eigentlicher Berufswunsch zu selten eine Rolle spielt. Was Abhilfe schaffen kann, lesen Sie in der Analyse.

    Mehr Orientierung ist auch das Stichwort für die Analyse von Vera Kraft. Sie hat sich angesehen, wie die neuen Landesinstitute in Berlin und Brandenburg die Schulentwicklung reformieren wollen. Für Berlin verspricht Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gar einen “Paradigmenwechsel in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Referendare und der Bestandslehrkräfte”.

    Orientierung in der vielerorts unübersichtlichen Bildungslandschaft wollen wir Ihnen auch mit dem Bildung.Table geben. Deshalb lege ich Ihnen unsere zweite Ausgabe ans Herz, die heute Vormittag erscheinen wird. Denn die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) hat in einer Stellungnahme analysiert, wie die sprachliche Förderung für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche gelingen kann. Mein Kollege Thorsten Denkler ordnet für Sie ein, was die zentralen Punkte des Papiers sind.

    Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.

    Ihr
    Holger Schleper
    Bild von Holger  Schleper

    Analyse

    Integration: Wie mehr Geflüchtete eine Ausbildung schaffen könnten

    Fast die Hälfte der 2015/16 nach Deutschland Geflüchteten waren zwischen 16 und 30 Jahre alt – im besten Ausbildungsalter also. Die Bilanz ihrer Integration in Ausbildung ist heute, fast zehn Jahre später, jedoch bescheiden, sagt Oliver Winkler, Privatdozent von der Uni Halle-Wittenberg, der das Forschungsprojekt “Bildungsintegration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund in Deutschland” leitet.

    Eine Befragung zeigt, dass von den Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland kamen und zwischen 18 und 30 Jahre alt waren, bis 2020 14 Prozent in eine Ausbildung kamen. “Die Pandemie hat die Übergänge noch ausgebremst”, sagt Winkler. Gerade nähmen sie aber wieder zu. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit begann 2023 rund ein Drittel der geflüchteten Bewerber eine Ausbildung.

    Wichtig ist auch eine andere Zahl: Lehrlinge mit Fluchthintergrund brechen häufiger ihre Ausbildung ab. Während die Vertragslösungsquote 2022 unter allen Lehrlingen in einer dualen Ausbildung schon auf einem Rekordniveau von im Schnitt 30 Prozent lag, betrug sie unter Geflüchteten 43 Prozent. Zwar sind hier auch Fälle eingerechnet, in denen ein Azubi nur den Betrieb oder die Ausbildung wechselt. Das Risiko, ungelernt zu bleiben, ist für diese Jugendlichen jedoch deutlich erhöht.

    Lesen Sie auch: Ausbildung: In welchen Regionen Azubis häufiger abbrechen

    Berufssprachkurse helfen, braucht es aber flächendeckend

    Auf der GEBF-Tagung beleuchtet ein Symposium an diesem Mittwoch die Frage, wie Geflüchteten der Einstieg in eine Ausbildung besser gelingen kann. Nachbesserungsbedarf sieht Forscher Oliver Winkler in den sogenannten Willkommens- oder Brückenklassen für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Ob sie Schülern überhaupt einen Vorteil bringen, ist nicht ausreichend erforscht, Zweifel hält Winkler jedoch für angebracht. Viele Flüchtlinge, die bei ihrer Ankunft 15 und 16 Jahre alt sind, kämen in eine solche Extra-Klasse an einer Berufsschule – oft ohne einen Abschluss oder ein Sprachzertifikat erwerben zu können.

    Ein Beitrag aus dem Forschungsprojekt von Winkler zeigt: Förderangebote der Bundesagentur für Arbeit wie spezielle Berufssprachkurse können helfen. Besonders für die 25- bis 30-Jährigen erhöhen sie die Chance, in Ausbildung zu kommen, signifikant – obwohl die Gruppe für einen Ausbildungsstart eigentlich schon recht alt ist. Winkler hält daher einen Ausbau der Berufssprachkurse für zielführend. “Die Versorgung ist regional jedoch sehr unterschiedlich, hier braucht es eine gleichmäßigere Verteilung.”

    Förderangebote zu intransparent

    Katharina Wehking, die an der Universität Osnabrück zu Bildungsverläufen forscht, fordert mehr Übersicht, welche Förderangebote es für Geflüchtete überhaupt gibt und welcher Aufenthaltsstatus wozu berechtigt. Selbst Kammern und Berufsschulen fehle hier der Durchblick. “Es braucht deutlich schlankere Strukturen“, sagt sie.

    Ein Problem sieht Wehking auch darin, dass Geflüchtete ihre Lehre häufig in sogenannten Engpassberufen beginnen, die oft geringer vergütet sind und weniger Beschäftigungsstabilität versprechen – etwa im Hotel- oder Gastronomieservice. Da es in diesen Berufen auch leichter ist, eine Lehrstelle zu erhalten, hätten Berufsberater, Lehrkräfte oder Ehrenamtliche sie für Geflüchtete eher im Blick. “Das ist häufig gar nicht böse gemeint, aber leider verkürzt gedacht”, sagt die Erziehungswissenschaftlerin.

    Lesen Sie auch: German Professional School: Was das Thüringer Projekt gegen Azubi-Mangel bringt

    Berufswahl sollte sich primär am Berufswunsch, nicht am Fachkräftebedarf ausrichten

    Denn um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, sei es wichtig, dass Jugendliche ihre Berufswünsche realisieren. “Wenn jemand für seinen Wunschberuf nicht die Voraussetzungen erfüllt, sollten Berater nach berufswunschnahen Alternativen suchen”, sagt Wehking.

    Lesen Sie auch: Falsche Berufswahl fördert Abbruch der Ausbildung

    Die Erziehungswissenschaftlerin plädiert dafür, die Berufsorientierung möglichst offen zu halten und primär am Bedarf der Jugendlichen auszurichten. Praxiseinblicke seien immer zu empfehlen. Wenn Jugendliche in Berufsvorbereitungsklassen etwa ein Praktikum absolvieren, sei aber auch wichtig, dass ihnen nicht nur Mangelberufe, sondern möglichst viele unterschiedliche Berufe zur Auswahl stehen.

    Geflüchtete Frauen sollten noch stärker in Fokus kommen

    Oliver Winkler sagt, an vielen Stellen fehle noch Berufsorientierung speziell für Geflüchtete. Sinnvoll könnten etwa Informationen in verschiedenen Herkunftssprachen und auch für die Eltern sein. “Viele Geflüchtete denken anfangs an ein Studium. Die duale Ausbildung kennen sie aus ihrem Herkunftsland oft nicht”, sagt Winkler. Ein Teil der jungen Geflüchteten strebe auch einen direkten Erwerbseinstieg an.

    Eine Gruppe müsste zudem noch stärker in den Blick genommen werden: geflüchtete Frauen. Sie sind auch nach gleicher Aufenthaltsdauer deutlich seltener erwerbstätig als geflüchtete Männer. Und das, obwohl sie laut aktuellen Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung häufiger in Ausbildung kommen als männliche Bewerber. Warum das so ist, ob geflüchtete Frauen etwa häufiger ihre Ausbildung abbrechen und welche Rolle zum Beispiel familiäre Verpflichtungen spielen, soll ein neues Forschungsprojekt herausfinden, das Wehking mit einer Forscherin der Hochschule München leitet. Über 30 Frauen sollen dafür interviewt werden. Auf Basis der Erkenntnisse soll die Münchner SchlaU-Werkstatt für Migrationspädagogik Fortbildungen für Berufspädagogen anbieten.

    Azubis mit Fluchthintergrund brauchen Begleitung

    Wer mit Fluchthintergrund den Einstieg in eine Lehre schafft, der benötigt meist auch weiter Unterstützung. Wehking plädiert dafür, dass Betriebe berücksichtigen, dass ein geflüchteter Azubi extra Zeit für Nachhilfe, aber auch für Termine mit Anwälten oder der Ausländerbehörde braucht. Am besten wäre, Betriebe stellten ihre Lehrlinge dafür frei, und böten Nachhilfe oder Sprachkurse direkt im Betrieb an.

    Elisabeth Maué forscht an der Universität Konstanz zu den Bildungsverläufen von Geflüchteten und hält eine Begleitperson für äußerst wichtig. Sie könne mit dem Deutschlernen oder in fachlichen Fragen helfen, Lernstrategien vermitteln und oft auch ganz praktisch helfen. Jedes Semester übernehmen ihre Studierenden die Tandempartnerschaft für Auszubildende im Landkreis Konstanz. “Von Mathematik-Grundlagen bis zum Umgang mit Word oder dem Schreiben eines Pflegeberichts: Der Bedarf der Azubis ist groß.”

    Lesen Sie auch: Ausbildung Geflüchteter: So wichtig ist intensive Begleitung

    Mehr zur Tagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung: Frühe Bildung: Wie digitale Medien Kita-Kinder gezielt fördern können

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    Neue Landesinstitute: Wie Berlin und Brandenburg Schulentwicklung reformieren wollen

    An Angeboten zur Unterrichtsentwicklung, Lehrerfortbildung oder Unterstützung von Schulleitungen hat es Berlin nicht gemangelt. Was aber fehlte, war eine sinnvolle Koordinierung. So lautete zumindest die Kritik der Berliner Expertenkommission zur Bildungsqualität.

    Mit dem neuen Berliner Landesinstitut für Qualifizierung und Qualitätsentwicklung an Schulen (BLiQ) soll sich das ab sofort ändern. Es wird an diesem Mittwochmorgen eingeweiht und soll künftig alle Initiativen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie zur Schul- und Unterrichtsentwicklung unter einem Dach vereinen.

    Mehr Praxis und mehr Wissenschaft

    Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) verspricht sogar noch mehr: Das neue Institut solle einen “Paradigmenwechsel in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Referendare und der Bestandslehrkräfte” einläuten.

    Damit das gelingt, sollen Referendare häufiger in den Unterricht, Unterrichtsmaterialien sollen forschungsbasierter als bisher erarbeitet werden und Prozesse – sowohl in der Schule als auch in der Fortbildung – sollen stärker evaluiert werden. Zudem gilt es, die verschiedenen Phasen der Lehrerausbildung sowie die dazugehörigen Programme enger zu verzahnen.

    Doppelt so viele Unterrichtsbesuche für Referendare

    Ab Herbst 2026, nach der Übergangsphase, bekommt die Ausbildung für Referendare einen neuen Aufbau. Angehende Gymnasiallehrkräfte haben dann 24 Stunden weniger Theorie und machen dafür acht statt vier Unterrichtsbesuche.

    Wichtiges Wissen falle damit trotzdem nicht weg, versichert Bildungsministerin Günther-Wünsch. Es habe in den Fach- und Hauptseminaren inhaltliche Überschneidungen gegeben – es seien also lediglich Redundanzen gestrichen worden. Der Arbeitsaufwand soll sich nicht ändern.

    Was sich aber ändert:

    • Die Referendare werden nicht mehr ausschließlich von den Fachseminarleitern betreut. Stattdessen haben sie künftig einen Ausbilder für die theoretischen Module sowie einen Begleiter für die Unterrichtsbesuche.
    • Außerdem sollen die theoretischen Module der Seminare auch für Lehrkräfte und sogar Schulleitungen geöffnet werden.

    “Turnaround” für Bildungsqualität?

    “Die modularisierte Fortbildung soll aktuelle Herausforderungen von Lehrkräften wie Digitalisierung und den Umgang mit Heterogenität, aber auch den Bereich berufliche Bildung stärker adressieren”, sagt Günther-Wünsch. Neues Personal brauche es dafür nicht. Die aktuell rund 750 Fachseminarleitungen sollen reichen, um den Bedarf zu decken.

    Langfristig soll die Zentralisierung, mit der einige der Außenstandorte wegfallen, dafür sorgen, dass wieder mehr Fachseminarleiter unterrichten können. Für die Übergangsphase bis August 2026 sei das aber noch nicht absehbar, sagt Günther-Wünsch.

    Katy Pîrjol, Direktorin des neuen Landesinstituts, sagt, die modularisierte Verzahnung des Vorbereitungsdienstes mit der Fortbildung und der Weiterbildung setze das um, was die Bildungsforschung seit langem fordere. Sie sieht in dem Institut die Chance, für die Schulen und die Bildungsqualität in Berlin einen “echten Turnaround” zu schaffen. Es sei daher wichtig, Schwerpunkte über die Legislatur hinauszusetzen.

    Brandenburger Institut erweitert Aufgaben

    Auch Brandenburg will die Neuaufstellung für sich als Chance nutzen. Da Brandenburg die überfachliche Ausbildung bereits 2019 umgestellt hat, ändert sich für Referendare allerdings nichts. Die Aufteilung in Fachseminare und Ausbildungscoaching existiert bereits.

    “Einige der Experten-Empfehlungen für Berlin waren aber auch für uns zutreffend”, sagt Mathias Iffert, Direktor des Landesinstituts Brandenburg für Schule und Lehrkräftebildung (LIBRA). So soll das neue Landesinstitut den Austausch etwa zwischen Wissenschaft und Schule verstärken und besser koordinieren. Insbesondere in drei Bereichen soll das für mehr Qualität sorgen:

    • Zentrale Prüfungen wie das Abitur
    • Entwicklung und Anwendung diagnostischer Verfahren wie Ilea Plus und VERA
    • Interne und externe Evaluation

    “Das LIBRA soll auch als ‘Übersetzungsinstitut’ zwischen Schulpraxis und Wissenschaft fungieren”, sagt Iffert. Zwar hatte auch das LISUM Arbeitsbeziehungen zu 56 wissenschaftlichen Einrichtungen. Allerdings war das wenig systematisch. “Wir wollen Schulen wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovationen schnell und sinnvoll aufbereitet zur Verfügung stellen.”

    Beide Institute – sowohl in Berlin als auch in Brandenburg – verstehen sich in erster Linie als “Dienstleister für das gesamte pädagogische Personal an Schulen”. So formulierte es BLiQ-Direktorin Pîrjol im Gespräch mit Table.Briefings. Auch LIBRA-Direktor Iffert sagt: Erfolgreich sei das Institut, wenn es von Schulen als “nachhaltige und kompetente Unterstützung” wahrgenommen werde.

    Ausrichtung an akuten Problemen nötig

    Bildungsforscher Olaf Köller, der die Empfehlungen der Berliner Expertenkommission federführend verantwortet und damit Berlin den Anstoß für die Auflösung des gemeinsamen Instituts LISUM gegeben hat, begrüßt die Entwicklungen. Die Modularisierung der Lehrkräftebildung etwa sei zeitgemäß und entspreche der SWK-Stellungnahme.

    Auch die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis in der zweiten und dritten Phase der Lehrkräfteausbildung zu systematisieren, sei dringend notwendig. “Das macht Fortbildungen nachweislich erfolgreicher“, sagt Köller. Die Kompetenzen der Lehrkräfte nehmen stärker zu und auch Schülerinnen und Schüler lernen mehr. Außerdem steigere dieser Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Praxis die Bereitschaft, die existierenden Programme bei Bedarf zu überarbeiten.

    Der Erfolg der Institute hängt Köller zufolge aber nicht zuletzt davon ab, wie sehr es ihnen gelingt, sich an großen Trends zu orientieren und spezifische Angebote für aktuelle Herausforderungen wie die Digitalisierung zu entwickeln.

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    Holocaust-Gedenkstätten: Ruf nach Besuchspflicht wird lauter

    Mit dem Holocaust-Gedenktag ist eine neue Debatte über Pflichtbesuche für Schülerinnen und Schüler in Gedenkstätten der Shoa aufgekommen. Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) etwa plant für alle Hamburger Schülerinnen und Schüler den verpflichtenden Besuch einer KZ-Gedenkstätte. Lehrkräfte sollen den Besuch pädagogisch vor- und nachbereiten, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, erklärte Bekeris. 

    Bekeris bezog sich auch auf eine am vergangenen Donnerstag veröffentlichte internationale Befragung im Auftrag der jüdischen Claims Conference zum Wissen über den Holocaust unter Jugendlichen. Die Umfrage habe “erschreckende Ergebnisse” hervorgebracht, auch für Deutschland, sagte Bekeris. Laut der Umfrage können zwölf Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland nichts mit dem Begriff Holocaust anfangen. 

    Bundesschülerkonferenz für Pflichtbesuche

    Ähnlich wie Bekeris argumentiert die Bundesschülerkonferenz. In einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme fordert sie “mindestens einen verpflichtenden Besuch von Schüler*innen in Konzentrations- oder Vernichtungslagern während ihrer Zeit in der weiterführenden Schule”. 

    Lesen Sie auch: So weit verbreitet sind Unwissen und Falschinformationen über den Holocaust

    Christian Tischner (CDU), Bildungsminister in Thüringen, sagte am Montag unter Verweis auf die Umfrage und die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Ziel der Brombeer-Koalition in Thüringen sei es, Besuche von Gedenkstätten “fest im Lehrplan zu verankern“. Bisher wird in den Lehrplänen Thüringens der Besuch von Gedenkstätten nur “nach Möglichkeit” empfohlen. 

    Eine Besuchspflicht gibt es bisher nur im Saarland und in Bayern. Die Union im Bundestag hatte im vergangenen Jahr in einem Antrag gefordert, dass Schüler bundesweit mindestens einmal in ihrer Schulzeit eine KZ-Gedenkstätte besuchen sollten.

    BMK bisher ohne einheitliche Haltung

    Die BMK konnte sich bisher nicht auf eine gemeinsame Forderung nach einer Besuchspflicht einigen. In einer Erklärung zum Holocaust-Gedenktag ruft die Bildungsministerkonferenz der KMK die Schulen lediglich dazu auf, sich aus Anlass des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau “vertieft” mit den Themen Holocaust und Nationalsozialismus zu beschäftigen

    Am Montag hatte eine Delegation der Bildungsministerkonferenz an der Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz teilgenommen. Die Delegation wurde von BMK-Präsidentin Simone Oldenburg (Linke) aus Mecklenburg-Vorpommern angeführt. Thorsten Denkler

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    Sachsen-Anhalt: Wirtschaft wird Pflichtfach an Gymnasien

    Sachsen-Anhalt will zum Schuljahr 2026/2027 das Pflichtfach Wirtschaft in der Sekundarstufe I des Gymnasiums einführen. Das Fach soll es für die Jahrgänge 7 und 8 geben. Es kann als Wahlpflichtfach ab Jahrgang 9 bis zum Abitur fortgeführt werden. Das teilte das Bildungsministerium Table.Briefings auf Anfrage mit. Bislang besteht an Gymnasien in Sachsen-Anhalt das Angebot, ab Jahrgang 9 das Wahlpflichtfach “Wirtschaftslehre” zu belegen.

    An den nicht-gymnasialen Bildungsgängen der Sekundarstufe in Sachsen-Anhalt ist Wirtschaft bereits ein eigenständiges Pflichtfach. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, CDU und FDP 2021 vereinbart, dass es mittelfristig ein eigenständiges Pflichtfach “Wirtschaft, Demokratie und Recht” auch im gymnasialen Schulzweig geben solle.

    “Die Einführung des Pflichtfachs Wirtschaft an Gymnasien ist ein wichtiger Schritt, um die ökonomische Bildung unserer Schülerinnen und Schüler zu stärken”, erklärte Jürgen Böhm, Staatssekretär im Bildungsministerium. Die Schüler sollen demnach stärker befähigt werden, “kluge und verantwortungsvolle Entscheidungen in ihrem täglichen Leben zu treffen”. 

    In der OeBiX-Studie vom Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg (IÖB), die den Stand der ökonomischen Bildung an weiterführenden allgemeinbildenden Schulen in den Bundesländern erfasst, war Sachsen-Anhalt im Vorjahr im Mittelfeld gelandet. Holger Schleper

    Lesen Sie auch: Ökonomische Bildung – Wie viel Schüler im Ländervergleich lernen

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    Schulbildung: Warum Eltern mehr individuelle Förderung fordern

    Vier von fünf Elternteilen finden, dass Schulen nicht ausreichend auf die Bedürfnisse einzelner Kinder eingehen. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Nachhilfeinstituts Studienkreis, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird und Bildung.Table vorliegt. 

    Zum Download: Elternbefragung des Studienkreises

    Laut der repräsentativen Umfrage unter 1.000 Eltern schulpflichtiger Kinder wünschen sich 97 Prozent der Eltern, dass die zukünftige Bundesregierung stärker dafür sorgt, “dass Kinder unabhängig von ihrem Elternhaus die bestmögliche Förderung erhalten”.

    Außerdem sind 96 Prozent der Meinung, dass mehr Geld in das Bildungssystem investiert werden sollte, “um die Wirtschaftskraft in Deutschland zu erhalten”. Von den befragten Eltern geben 46 Prozent an, dass ihre Kinder Schwierigkeiten in einem oder mehreren Schulfächern haben.

    Kinder oft auf Nachhilfe angewiesen

    Weitere Ergebnisse der Befragung: 

    • 54 Prozent sehen zusätzliche Förderangebote als Schlüssel zu besseren Noten.
    • 51 Prozent fordern mehr Lehrkräfte.
    • 46 Prozent wünschen sich, dass Kinder “mehr Interesse am Unterrichtsthema” entwickeln.

    Zusätzliche Förderung spielt eine große Rolle, insbesondere für Kinder aus weniger wohlhabenden Familien. Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) der Bundesregierung unterstützt diese Kinder unter anderem mit finanzieller Hilfe für Nachhilfe. Allerdings zeigt die Analyse, dass die Inanspruchnahme stark vom Wohnort abhängt: In einigen Gemeinden ist der Zugang einfacher, während anderswo hohe bürokratische Hürden bestehen.

    “Viele Kinder nehmen bei uns Nachhilfe, weil die Eltern nicht im nötigen Umfang unterstützen und viele Schulen keine ausreichende zusätzliche Förderung anbieten können”, sagt Thomas Momotow, Sprecher des Studienkreises. “Ohne BuT wäre es ihnen nicht möglich, ihr Leistungspotenzial in der Schule voll zu entfalten.” Thorsten Denkler

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    PISA: Schüler nicht fit genug für Online-Informationen

    Viele 15-Jährige in Deutschland haben Schwierigkeiten, die Qualität von Informationen im Internet zu beurteilen. Das zeigt eine neue Auswertung der jüngsten PISA-Studie (Programme for International Student Assessment), die am Montag von der OECD vorgestellt wurde. Zwar geben 69 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland an, die meisten Informationen problemlos online zu finden. Jedoch trauen sich nur 47 Prozent zu, die Qualität dieser Informationen zu beurteilen. Im OECD-Durchschnitt liegt dieser Wert bei 51 Prozent.

    Darüber hinaus vergleichen nur knapp 60 Prozent der befragten Jugendlichen in Deutschland verschiedene Quellen, während dies im OECD-Durchschnitt 72 Prozent tun. Ein weiteres Problem zeigt sich im Umgang mit sozialen Medien: Rund ein Drittel der Jugendlichen hierzulande überprüft nicht, ob Informationen korrekt sind, bevor sie diese online teilen.

    Schüler haben erheblichen Nachholbedarf

    “Vielen Schülerinnen und Schülern gelingt es leider nicht ausreichend, Fake News als solche zu identifizieren“, sagt Samuel Greiff vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München. Greiff leitet die PISA-Studie in Deutschland. 

    Die Schülerinnen und Schülern hätten einen “erheblichen Nachholbedarf beim kritischen und reflektierten Umgang mit Informationen im Internet“. Die PISA-Studie unterstreiche, dass dieser Mangel dringend angegangen werden müsse, um Jugendliche auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorzubereiten, sagt Greiff. 

    Die Ergebnisse stammen aus der achten PISA-Studie, die 2022 durchgeführt wurde. In Deutschland wurden dabei die Kompetenzen von rund 6.100 Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 Jahren an 260 Schulen aller Schularten getestet. Neben den Tests erfasste die Studie auch Informationen zu den Lernbedingungen, Einstellungen und der sozialen Herkunft der Jugendlichen. Thorsten Denkler

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    Niedersachsen: Was Kita-Fachkräfte belastet

    Rund 60 Prozent von knapp 1.500 befragten Kita-Leitungen in Niedersachsen gaben in einer Umfrage an, dass die Zahl der Kinder mit herausforderndem Verhalten in ihren Einrichtungen in den vergangenen Jahren stark gestiegen sei. Das teilte das “Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung” (nifbe) vergangenen Donnerstag mit.

    Diagnostische Rückschlüsse, ob und inwieweit das Verhalten von Kindern tatsächlich herausfordernder geworden ist, ließen sich aus den Ergebnissen nicht ziehen, erklärte Karsten Herrmann, stellvertretender Geschäftsführer vom nifbe. In der Befragung seien lediglich subjektiv wahrgenommene Belastungsfaktoren erhoben worden. Diese empfundene Belastung sei aber “dramatisch gewachsen“.

    Personalmangel belastet Kitas

    Über die Hälfte der Befragten schätzt den Anteil an Kindern mit herausforderndem Verhalten in ihrer Kita zwischen elf und 25 Prozent ein, ein weiteres gutes Viertel im Bereich zwischen 26 und 50 Prozent. Sieben Prozent schätzen den Anteil auf mehr als 50 Prozent ein. 

    71 Prozent der Kita-Leitungen berichten zudem, dass der Personalmangel sie zunehmend belaste. Dies berge die Gefahr, dass sich die Belastungsfaktoren gegenseitig bestärkten, warnte Herrmann. In personell angespannter Lage falle es den Kitas schwerer, Kindern einen individuell notwendigen Rahmen zu geben.

    Daran anknüpfend fallen auch die häufig genannten Wünsche der Kita-Leitungen aus. Mehr Personal und eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels stehen oben auf der Liste, genauso wie der Wunsch nach stärkerer Begleitung durch externe Fachkräfte für die Kitas.

    Lesen Sie auch: Kita-Krise – Wie Eltern in NRW auf die neue Personalverordnung reagieren

    Kitas “mit dem Rücken zur Wand

    Der nifbe-Vorstandsvorsitzende Kai-Uwe Kühnberger sagte zur Vorstellung der Umfrage, zwei Drittel der Kitas in Niedersachsen stünden “mit dem Rücken zur Wand“. Ihnen müsse dringend Entlastung geboten werden.

    Herrmann hebt hervor, dass es nicht darum gehen dürfe, Kinder zu stigmatisieren. “Statt mit herausfordernden Kindern haben wir es – treffender formuliert – mit herausgeforderten Kindern zu tun.” Diese seien auch ein Spiegel der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung mit ihren vielen Krisen, von der Corona-Pandemie über den Ukraine-Krieg bis hin zur Klimakatastrophe.

    Die nifbe-Befragung wurde im September 2024 durchgeführt. An ihr haben sich 1.479 der niedersächsischen Kita-Leitungen (25 Prozent) beteiligt. Holger Schleper

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    Meron Mendel: Wie er sich gegen Antisemitismus einsetzt

    Gemeinsam mit Deborah Schnabel leitet Meron Mendel die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main.

    Frieden kommt nicht allein von oben – durch politische Beschlüsse oder Verträge. Es braucht auch einen Frieden von unten – ausgehend von der Bevölkerung. Davon ist Meron Mendel überzeugt. Dafür engagierte er sich bereits als Teenager und junger Erwachsener in Israel. Und dafür setzt er sich auch heute noch ein: als Publizist, Professor für Soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences und als Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, eine der führenden Organisationen in der Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus.

    Den ersten Schultag nach dem 7. Oktober 2023, dem Massaker der Hamas, hält Mendel für ein Versagen des deutschen Schulsystems. Vielerorts habe es weder Gespräche noch eine Schweigeminute gegeben. “Das zeigt, wie groß die Verunsicherung bei vielen Lehrkräften und Schulleitungen ist”, sagt Mendel. Und es zeige den dringenden Handlungsbedarf.

    In der Vergangenheit hätten sich außerschulische Bildungsangebote zu sehr auf diejenigen fokussiert, die schon recht interessiert oder überzeugt sind, beispielsweise durch Workshops zu “Powersharing” oder “Critical Whiteness”. Viele Angebote gebe es zudem in den Ballungszentren, wenige im ländlichen Raum. “Dabei sind uns Teile der Gesellschaft völlig abhandengekommen”, sagt Mendel. “Menschen kommen nicht als fertige Demokraten auf die Welt.” Daher müssten außerschulischen Bildungsangeboten die breite Masse erreichen.

    2001 kam er nach Deutschland

    Mendel ist im Kibbuz Mashabe Sade in Israel aufgewachsen. Schon als Teenager war er politisch aktiv. Mit Freunden besuchte er Vorträge, nahm an Friedensdemonstrationen teil oder organisierte Austausche mit palästinensischen Schulen. Als 1993 das erste Osloer Friedensabkommen unterzeichnet wurde, das eine “Zwei-Staaten-Lösung” schrittweise vorbereitete, war Mendel 17 Jahre alt. “Das war ein euphorischer Moment”, erinnert er sich. “Wir hatten die Illusion, dass der Frieden bevorsteht.” Aber dann sah es wieder düster aus.

    Am 4. November 1995 erschoss ein rechtsradikaler jüdischer Student den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin am Rande einer Kundgebung. Kurz darauf wurde Mendel zum militärischen Pflichtdienst einberufen. Ein Jahr später wurde Benjamin Netanjahu zum ersten Mal israelischer Ministerpräsident. Der Friedensprozess stockte. In den folgenden Jahren gab es immer wieder harte Rückschläge.

    Daraufhin beschloss Mendel, der nach dem Militärdienst Geschichte und Erziehungswissenschaften in Haifa studiert hatte, seine akademische Karriere in Deutschland fortzusetzen. Nach seiner Promotion übernahm er 2010 die Direktion der Bildungsstätte Anne Frank. Seit 2021 hat er daneben noch die Professur für transnationale soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences inne und teilt sich seitdem die Direktion mit der Psychologin Deborah Schnabel.

    Medienbildung allein werde nicht reichen

    Seit dem 7. Oktober beschäftigen sie sich als Bildungsstätte viel mit Aufklärung zum Israel-Palästina-Konflikt. Workshops und Broschüren sollen Mythen und Streitpunkte des Konflikts einordnen und die Debatte versachlichen. Nicht alle Verantwortung könne man dabei auf die Schulen schieben, findet Mendel, sie seien ja sowieso oft schon überfordert. Diskutiert werde über den Nahostkonflikt schließlich auch im Fußballverein, in der Kirche und der Moschee, im Jugendclub oder später am Arbeitsplatz. Auch diese Orte suchten aktuell bei der Bildungsstätte nach Unterstützung, wie sie das Thema konstruktiv aufgreifen können.

    Lesen Sie auch: Historiker Meron Mendel: “Wenn man Schulklassen unvorbereitet in eine KZ-Gedenkstätte schickt, bringt das nichts”

    Die sozialen Medien hält Mendel aktuell für die größte Herausforderung für die Demokratie. “Das sind sehr gut konstruierte Instrumente, die das Gehirn einer ganzen Generation manipulieren.” Braucht es daher mehr Medienbildung? Ja. Sollte es ein Schulpflichtfach sein? Ja. Reicht das? Nein. Medienbildung – auch für Erwachsene – sei zwar unerlässlich, aber ohne neue Regulierungskonzepte sei sie dazu verdammt, einer Entwicklung hinterherzurennen, die immer schneller sein wird. Deshalb versucht Mendel in Gesprächen mit Politikern auf europäischer und nationaler Ebene, immer wieder auf die Notwendigkeit von Regulierung aufmerksam zu machen und mit ihnen darüber zu sprechen, wie sie aussehen könnte.

    Auf die Frage, wie er es schafft, bei all den Krisen und Rückschlägen nicht aufzugeben, antwortet Mendel: “Ich denke, es steht mir gar nicht zu, frustriert zu sein.” Wir würden oft vergessen, wie privilegiert wir seien. Kann er auch mal abschalten? “Ich mache das, was ich mache, weil es mich interessiert.” Seit 24 Jahren sei er nun in Deutschland, aber das Konzept “Abschalten” habe er noch nie verstanden. Caroline Becker

    • Benjamin Netanjahu

    Personalien

    Engin Çatik leitet seit vergangenem Freitag kommissarisch die Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau. Bisher hat Çatik die Johanna-Eck-Schule in Tempelhof geleitet. Er habe dort bewiesen, dass er “Krisen meistern kann”, sagt Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Die bisherige Schulleiterin sei “aufgrund von fachlichen Entscheidungen freigestellt” worden. Das Kollegium hatte im November in einem Brandbrief von Problemen mit aggressiven, gewaltbereiten Schülern berichtet. Den Brief hatte auch die Schulleiterin unterschrieben.  

    Frank Thalhofer ist zum 1. Januar 2025 in den Vorstand der Franz Cornelsen Stiftung eingetreten. Die Stiftung ist Haupteigentümerin des Bildungsmedienanbieters. Thalhofer war 27 Jahre lang für die Cornelsen Gruppe tätig, zuletzt als Geschäftsführer Didaktik & Content. Zusätzlich hat er sich in Gremien wie der European Educational Publishers Group oder dem Verband Bildungsmedien engagiert. Für die neue Aufgabe kehrt er nach einem Jahr aus dem Ruhestand zurück.

    Gabriele Kandzora ist die neue Ombudsfrau in der Hamburger Schulbehörde. Sie löst ihren Vorgänger Peter Puhle ab, der sieben Jahre lang die Ombudsstelle leitete. Das Ehrenamt gibt es seit 1999. Es wurde eingesetzt, um den Vertretungen von Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern eine Anlaufstelle in Konfliktfällen zu geben. Hinzu kommt die Beratung in disziplinarischen Fällen. Kein anderes Bundesland hat so ein Angebot im schulischen Bereich. 

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    Research.Table. Antwort auf Stargate aus der Wissenschaft: “Nicht auf einen Wettlauf nach unten einlassen.” Nach ersten panikartigen Reaktionen der deutschen KI-Branche auf das US-Projekt Stargate rufen Experten aus Forschung und Wissenschaft zur Besonnenheit und zum Ausspielen europäischer Stärken auf. Für den AI Action Summit in Paris Anfang Februar wird eine Reaktion gefordert. Mehr lesen Sie hier.

    Research.Table. Hochschulrektorenkonferenz: BMBF fördert Antisemitismusprävention. Die HRK will die Hochschulen in der Bekämpfung von Antisemitismus stärker unterstützen – und erhält dafür Förderung des BMBF. Mehr lesen Sie hier.

    Climate.Table. Bayern: Klimaaktivistin darf Referendariat nicht antreten. Die 28-jährige Lisa Poettinger wird nicht zum Referendariat zugelassen, weil sie sich antikapitalistisch fürs Klima engagiert hat. Ihr Aktivismus sei mit den Pflichten einer Beamtin nicht vereinbar, heißt es Medienberichten zufolge in einem Schreiben des Kultusministeriums. Poettinger will dagegen vorgehen. Mehr lesen Sie hier.

    Presseschau

    Deutsches Schulportal: Bildungsforscher John Hattie über deutsche Schulen. Das deutsche gegliederte Schulsystem biete keinen Vorteil für Schüler. Lehrer und Schüler müssten stattdessen den Umgang mit Heterogenität lernen. Den Einsatz von projektbasiertem, forschendem Lernen sieht er kritisch. Meist werde diese Methode zu früh eingesetzt, bevor die Kinder über ausreichend Wissen verfügen. Um KI angemessen im Unterricht zu nutzen, müssten Schüler lernen, mehr Fragen zu stellen und die Antworten selbst zu evaluieren. (John Hattie: Weniger Lehrplan, mehr Leidenschaft!

    Spiegel: Bürgerrat für Abschaffung von Hausaufgaben und Noten. Der zufällig besetzte Bürgerrat Bildung fordert zudem eine zweijährige Kitapflicht. Schulunterricht soll individueller und Hausaufgaben sollen abgeschafft werden. Zudem soll es bis zur achten Klasse keine Noten und mehr Berufsorientierung an allen Schulformen geben. Einigkeit herrschte im Rat jedoch nicht über die Forderung nach individuellen Prüfungsterminen. Minderjährige stimmten dieser mehrheitlich zu – Erwachsene lehnten sie ab. (Sie wünschen sich das Ende der Hausaufgaben

    FAZ: KI als Privatlehrer. Die Professorin für Wirtschaftsinformatik Doris Weßels sieht in der KI-Entwicklung große Chancen für die Bildung. Algorithmen und KI-Agenten könnten zu langfristigen, individuellen Lernbegleitern werden, die eine Vielzahl von komplexen Aufgaben lösen können. Vieles sei noch ungewiss. Stark individualisierte KI schaffe wegen der möglichen emotionalen Bindung auch Abhängigkeiten der Schüler. (Wenn nur KI unterrichtet

    SWR: KI-Kompetenz an Schulen. Um den Lernerfolg nicht zu gefährden, müssen Schulen Kompetenzen für den Umgang mit KI vermitteln. So sollen Kindern schon früh lernen, wie Informationen zu überprüfen sind, aber auch wie Prompts richtig zu schreiben sind. Auch ist es wichtig, dass Kinder verstehen, dass KI nicht alles kann und Fähigkeiten wie Kreativität oder Meinungsbildung weiterhin selbst zu erlernen sind. (Wie KI die Schule und das Lernen beeinflusst

    Dlf: Unicef sieht Klimawandel in Zusammenhang mit schlechter Bildung von Mädchen. Mindestens 242 Millionen Kinder und Jugendliche waren im vergangenen Jahr von Schulschließungen aufgrund von extremen Wetterereignissen betroffen, berichtet das UNO-Kinderhilfswerk. Der Klimawandel verschärfe die angespannte Lage der Schulsysteme in Ländern wie Afghanistan oder Bangladesch. Je länger die Schulen geschlossen blieben, desto eher brächen insbesondere Mädchen die Schule ab. (Unicef: Klimakrise schränkt den Schulbetrieb in vielen Ländern ein

    Termine

    29. Januar, 10 Uhr, online
    Webinar Global Launch: Starting Strong VIII – Reducing Inequalities by Investing in Early Childhood Education and Care
    In dieser OECD-Onlineveranstaltung wird der Report Starting Strong VIII vorgestellt, der die Bedeutung von frühkindlicher Bildung insbesondere in Bezug auf Chancengerechtigkeit untersucht. INFOS & ANMELDUNG

    11. bis 15. Februar, Stuttgart
    Messe Didacta
    Die Bildungsmesse bietet eine Vielzahl an Fachvorträgen und Weiterbildungen an. Zudem stellen sich verschiedene Akteure aus dem Bereich der frühkindlichen, schulischen, außerschulischen oder beruflichen Bildung vor. INFOS & TICKETS

    13. Februar, 16.30 Uhr bis 18 Uhr, online
    Webinar Was.Schule.bewegt.: Was tun mit rechtsextremen Narrativen und Einstellungen in der Schule?
    Zunehmender Rechtsextremismus ist auch in den Schulen bemerkbar. Wie auf diese Entwicklungen zu reagieren ist und welche Rolle Lehrkräfte hierbei spielen, ist Thema in dieser Veranstaltung der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. INFOS & ANMELDUNG

    14. bis 15. Februar, Hofgeismar
    Tagung Welches Demokratieverständnis braucht die Demokratiebildung?
    Demokratiebildung wird vor dem Hintergrund zunehmender politischer Radikalisierung immer relevanter. Doch welches Demokratieverständnis liegt der Demokratiebildung implizit zugrunde? Und wie verändert es sich? Darum geht es bei dieser Tagung. Veranstalter ist die Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik. INFOS & ANMELDUNG

    Bildung.Table Redaktion

    BILDUNG.TABLE REDAKTION

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