weg von der Gießkanne, hin zur bedarfsgerechten Mittelverteilung – das ist das große Versprechen des Startchancen-Programms. Mittels Sozialindex soll das Geld genau in die Länder und an die Schulen gelangen, wo es am dringendsten benötigt wird. Holger Schleper hat diese Aussage und die Startchancen-Summen mal genauer unter die Lupe genommen. Dabei hat er festgestellt: Trotz Abkehr vom Königsteiner Schlüssel landet das Geld nicht unbedingt dort, wo die Kinderarmut am höchsten ist.
Im Bereich der frühkindlichen Bildung wollte das Familienministerium des Bundes ebenfalls einen großen Wurf wagen. Das Ziel lautete, bundesweit einheitliche Standards zu formulieren – etwa einen “Ziel-Personal-Kind-Schlüssel”. Der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe Frühe Bildung von Bund und Ländern zeigt allerdings, wie konfliktträchtig dieses Thema ist. Konstruktive Gegenvorschläge lassen sich in der aktuellen Debatte zur Stärkung frühkindlicher Bildung dennoch kaum finden.
Konkrete Verbesserungsvorschläge kommen dafür direkt aus der Schule. Schulleitungen haben genaue Vorstellungen davon, wie sich die Gesundheit des Kollegiums besser fördern ließe. Und Schülerinnen und Schüler stellen präzise Forderungen, wie sich die Schulgemeinschaft gegen Rechtsextremismus stark machen kann.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine konstruktive Lektüre und ein schönes Wochenende.
Ein Blick auf die Kinderarmutsquoten an Deutschlands Grundschulen weckt Zweifel, ob die Bundesmilliarden im Startchancen-Programm dorthin fließen, wo der Bedarf am größten ist. Zumindest entfaltet der eigens für das Startchancen-Programm entwickelte Sozialindex keine Umverteilungswirkung, die einer großen Trendwende in der Bildungspolitik gleichkäme. Das untermauern die Zahlen in der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern im Vergleich mit der Mittelverteilung nach dem Königsteiner Schlüssel.
Genau der sollte im Programm endlich überwunden werden, um mithilfe des Sozialindex zu einer bedarfsorientierten Mittelzuweisung an die Länder zu kommen. An die Stelle der Kriterien Einwohnerzahl und Steueraufkommen sind diese Kriterien getreten:
“Dieser Verteilschlüssel ist bedarfsgerecht und wissenschaftsgeleitet”, teilte eine BMBF-Sprecherin noch Mitte der Woche Table.Briefings mit. Nun darf man sich etwas verwundert die Augen reiben, wozu der Sozialindex etwa im Falle Berlins führt.
Denn der Stadtstaat erhält aus dem Vier-Milliarden-Euro-Topf der Säule I des Programms (Schulbau) fast neun Millionen Euro weniger, als es nach dem Königsteiner Schlüssel gewesen wären. Und das, obwohl Berlin etwa beim Anteil der Grundschulen mit einer hohen Kinderarmutsquote bundesweit – hinter Bremen – auf Rang zwei liegt. Das zeigt ein viel beachtetes Papier vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) von Bildungsforscher Marcel Helbig aus dem Vorjahr. Demnach sind es in Berlin fast 40 Prozent der Grundschulen, an denen beim Blick auf die Einzugsgebiete mindestens 30 Prozent der Kinder aus Haushalten mit SGB-II-Bezug stammen.
Lesen Sie die Analyse zum Discussion Paper: Studie zeigt erstmals Armutsballung an Grundschulen
Michael Wrase vom “Expert:innenforum Startchancen” bezeichnete das Berliner Beispiel bereits Anfang Februar als Absurdität. Es “zeigt, dass da offensichtlich eben nicht sozialindiziert verteilt worden ist”, erklärte er am Tag der Startchancen-Einigung von Bund und Ländern. Hinter dem Expert:innenforum stehen die Robert Bosch Stiftung und das WZB. Das Forum ist so etwas wie ein ständiger Beobachter des Programms. Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung ließ die Frage von Table.Briefings unbeantwortet, wie sie sich die geringere Zuweisung an Bundesmitteln erklärt.
Ebenfalls bemerkenswert an den vorliegenden Zahlen: Baden-Württemberg erhält, verglichen mit dem Königsteiner Schlüssel, fast 16 Millionen Euro mehr an Bundesmitteln. In dem Land liegt der Anteil der Grundschulen mit hoher Kinderarmutsquote allerdings gerade mal bei 0,8 Prozent. Allein in Bayern ist die Quote mit 0,4 Prozent geringer.
Was der Sozialindex allerdings auch bewirkt: Mit Bremen und dem bevölkerungsreichsten Bundesland NRW profitieren zwei Länder vom Sozialindex, die nach den WZB-Zahlen sehr hohe Kinderarmutsquoten an den Grundschulen haben. Für Bremen sind es über die Programmlaufzeit mehr als zehn Millionen zusätzlich, für NRW mehr als 165 Millionen Euro – immer verglichen mit dem aktuell gültigen Königsteiner Schlüssel. Das Prinzip Gießkanne hat der Sozialindex also tatsächlich verändert. Aber – um im Bild zu bleiben -, eine wirklich gezielte Bewässerung der Bildungslandschaft ist nicht erkennbar.
Die Zahlen nähren Zweifel an einer Kernaussage von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. So sagte sie im September 2023 nach der Einigung auf die Eckpunkte zum Startchancen-Programm: “Mir ist die bedarfsgerechte Mittelzuweisung ein ganz besonderes Herzensanliegen. Das ist ein echter Paradigmenwechsel in der bildungspolitischen Förderlogik. Es bedeutet, weg von der Gießkanne.” Auch Franziska Krumwiede-Steiner, die Nachfolgerin der bei der zweiten Berlin-Wiederholungswahl rausgeflogenen Grünen-Abgeordneten Nina Stahr, sagte zum Startchancen-Programm im Bundestag noch vor wenigen Tagen: “Wir gehen dabei endlich weg vom dysfunktionalen Königsteiner Schlüssel und lenken die Mittel gezielt dorthin, wo Bedarf ist.”
Wenn man sich aber anschaue, wie sich die Mittel tatsächlich verteilen, werde “hier ein bisschen Augenwischerei betrieben”, urteilte demgegenüber Wrase. Man könne eben nicht von einem Paradigmenwechsel sprechen. Dazu trägt auch bei, dass die Bundesmittel in den Programm-Säulen II und III – je drei Milliarden Euro – nach Umsatzsteuerpunkten verteilt werden. Das Kriterium: die Einwohnerzahl der Länder.
Nach Berechnungen vom Expert:innenforum Startchancen steht hier NRW mit knapp 1,3 Milliarden Euro über die zehnjährige Programmlaufzeit an erster Stelle. Es folgen Bayern mit etwa 950 Millionen Euro und Baden-Württemberg mit mehr als 800 Millionen Euro.
Womit sich auch festhalten lässt: Zwar verliert Bayern durch den Sozialindex mehr als 100 Millionen Euro in Säule I des Programms. Nimmt man aber alle drei Säulen zusammen, fließt mit insgesamt mehr als 1,4 Milliarden Euro noch immer die zweitgrößte Menge an Bundesmitteln in das Land mit der niedrigsten Kinderarmutsquote an Grundschulen. Wohlgemerkt in einem Programm, das den Schwerpunkt auf Grundschulen legt.
Die bayerische Begleitmusik dazu: Man fühlt sich gegängelt, die Startchancen-Schulen nach den Maßgaben des Programms auf Grundlage eines Sozialindex aussuchen zu sollen. “Ich persönlich bin kein Fan davon”, erklärte etwa die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler).
Wenn man so will, könnte unterm Strich also dieses stehen: Der erste Sozialindex, der die Verteilung der Bundesmittel im Startchancen-Programm regelt, ist nicht der große Wurf, der das Startchancen-Programm zu einem “Gamechanger” macht. Mehr Potenzial hat da vielleicht der zweite Sozialindex, der auf Ebene der Länder im Programm steckt.
Denn die Verteilung der Bundesmittel auf die Länder ist das eine. Eine andere Sache ist, wie die 16 Bundesländer ihre Startchancen-Schulen nun auswählen. Dafür ist ein Sozialindex, der mindestens die Kriterien Armut und Migration berücksichtigen muss, bundesweit Pflicht. Für einige Länder ist das tatsächlich ein Paradigmenwechsel.
Das Bundesfamilienministerium treibt sein Vorhaben voran, langfristig mehr bundesweit gültige Standards in der Kindertagesbetreuung zu etablieren. Die Differenzen mit Ländern und Kommunen bleiben dabei gewaltig. Das zeigt der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe Frühe Bildung. Dieser soll ein Baustein sein für das im Koalitionsvertrag angekündigte Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz. In dem Bericht heißt es etwa, dass perspektivisch für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt ein “Ziel-Personal-Kind-Schlüssel” von 1 zu 7,8 gelten soll.
Zum Vergleich: 2022 reichte der Personal-Kind-Schlüssel laut Monitoringbericht zum Kita-Qualitätsgesetz in den Ü3-Gruppen von 6,5 (Baden-Württemberg) bis 11,9 (Mecklenburg-Vorpommern). In Ostdeutschland lag er im Schnitt bei 9,9, in Westdeutschland bei 7,8. Heißt unterm Strich: Gerade die ostdeutschen Bundesländer stehen vor der Herausforderung eines deutlichen Personalausbaus.
Auch für die Qualifikation der Beschäftigten in den Kita-Teams setzt der Bericht eine Zielmarke. Langfristig sollen 85 Prozent des pädagogisch tätigen Personals in jeder Kindertageseinrichtung über eine abgeschlossene Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin oder einen vergleichbaren Abschluss verfügen.
Aber das stößt auf Widerstand. Man muss gar nicht zwischen den Zeilen lesen, um das Konfliktpotenzial zu erkennen. Es steht explizit da: Die Vertreter des bayerischen Familienministeriums “distanzieren sich jedoch ausdrücklich von diesem Bericht”. Sie hätten insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken und lehnten eine Verankerung neuer Standards in der Kindertagesbetreuung auf Bundesebene auch fachlich grundsätzlich ab.
Und Bayern ist damit nicht allein. Aus dem Haus der Bremer Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Karolin Aulepp, heißt es auf Anfrage von Table.Briefings: “Aus Sicht der Länder sollten nur die Standards verbindlich vereinbart werden, die auch realistisch umsetzbar sind.” Und das unterscheide sich von Bundesland zu Bundesland zum Teil erheblich. Die im Bericht genannten Quoten an Erzieherinnen und Erziehern etwa seien, “angesichts der augenblicklichen Arbeitsmarktlage und der demografischen Entwicklung” unrealistisch.
Die AG Frühe Bildung setzt sich zusammen aus Vertretern des BMFSFJ und der Ministerien der 16 Bundesländer auf Fachebene, die für die Kindertagesbetreuung zuständig sind. Die drei kommunalen Spitzenverbände wurden eng einbezogen, heißt es. Doch selbst diese wollen den eingeschlagenen Weg nicht mitgehen. Die Verbände “lehnen die Verankerung neuer Standards in der Kindertagesbetreuung auf Bundesebene, die zu personellen Mehrbedarfen führen, ebenso grundsätzlich ab”, steht in dem Bericht.
Auch das Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz selbst steht in der Kritik. Bayerns Familienministerium teilte Table.Briefings mit: “Ein Qualitätsentwicklungsgesetz, so wie es vom Bund vorgesehen ist, ist jedoch nicht zielführend.”
Vielsagend ist auch, dass der Bericht der AG Frühe Bildung parallel mit einem gemeinsamen Letter of Intent von der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder und vom Haus der Bundesfamilienministerin Lisa Paus veröffentlicht wurde. Darin nehmen die Länder den Bericht lediglich zur Kenntnis. Das Wort Standard taucht nur an einer Stelle auf, an der aus dem Koalitionsvertrag zitiert wird.
Aber nicht nur auf der familienpolitischen Seite, sondern auch auf der bildungspolitischen rückt die frühkindliche Bildung immer mehr in den Blick. Jahrelang wurde das Thema eher unter Sonstiges behandelt. Ein Vorstoß wie der des heutigen CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann, Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen sollten von der Einschulung ein Jahr zurückgestellt werden, sorgte 2019 zwar für reichlich Empörung, aber nicht für konstruktive Lösungswege. Die Förderung der Sprachkitas durch den Bund wurde jedenfalls vor knapp einem Jahr eingestellt.
Mitte März ist nun aber die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag vorgeprescht und hat einen Antrag mit dem ambitionierten Titel “Pisa-Offensive für die frühkindliche Bildung” eingebracht. Vor allem vier Punkte fordern die Unionsabgeordneten darin:
Es sind keine neuen Punkte, die die Oppositionspartei hier vorschlägt. Vor allem beim Thema Sprachtests verknüpft mit verbindlicher Förderung machen sich immer mehr Länder auf den Weg. Hamburg ist hier seit vielen Jahren Vorbild und kann auch klare Erfolge mit dieser Vorgehensweise bieten.
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Dass frühkindliche Bildung für den weiteren Lernerfolg in der Schule entscheidend ist, würde heute wohl kaum eine Partei bestreiten. Umso erstaunlicher ist aber, dass es die an den CDU-Antrag anschließende Debatte an einem Donnerstagabend Ende März kaum über Allgemeinplätze hinauskam. “Bildung kann ja nicht früh genug starten”, rief zum Beispiel die CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig in den dünn besetzten Plenarsaal. Der SPD-Abgeordnete Martin Rabanus konterte darauf – wenig präzise in der Sache: “Der Antrag ist überflüssig” und sei eine “kleine parteipolitische Münze”.
Auch Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne), neues Mitglied im Bildungsausschuss, kam über ein “Jedes Kind ist anders und lernt anders” kaum hinaus. Nun geht der Antrag zur frühkindlichen Bildung erst mal in den Bildungsausschuss.
Fast jeder fünfte junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 34 Jahren verfügte 2022 über keinen Berufsabschluss. Das geht aus einem Entwurf des Berufsbildungsberichts für 2024 hervor. Das Bundeskabinett wird den Bericht in den kommenden Wochen vorstellen. 2,86 Millionen junge Menschen hatten demnach keine formale Qualifikation. 2021 waren es noch 2,64 Millionen gewesen. Seit Jahren steigt die Zahl der ungelernten 20- bis 34-Jährigen, 2016 wurde die Grenze von zwei Millionen überschritten.
Derweil boten 2022 nur 18,9 Prozent der Betriebe eine Ausbildung an – ein weiterer Negativrekord. Vor allem Kleinstbetriebe hätten sich aus der Ausbildung zurückgezogen (-4,1 Prozent). Anders als im Vorjahr habe aber auch bei Kleinbetrieben die Ausbildungsbeteiligung leicht nachgelassen (-0,8 Prozent). Bei Großbetrieben hat sie hingegen zugenommen (+1,6 Prozent).
Laut Bericht gelte es, “Betriebe weiter darin zu bestärken, in die Ausbildung von schwächeren jungen Menschen zu investieren, auch wenn dies zunächst mit höheren Kosten einhergehe.” Ziel sei es, das vorhandene Fachkräftepotenzial bestmöglich auszuschöpfen und mehr junge Menschen mithilfe von Unterstützungsinstrumenten zum Berufsabschluss zu bringen.
Gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund müsste die Ausbildungsbeteiligung steigen. Bei den Zugewanderten ist die Ungelerntenquote doppelt so hoch wie bei jungen Menschen insgesamt.
Bei den jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss handele es sich überwiegend um gering qualifizierte Personen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer hätten. In die Gruppe fallen laut Bericht jedoch auch Personen, die Ausbildung oder Studium abgebrochen haben und vor dem Abbruch zumindest informell Qualifikationen erworben haben. Ihnen falle es leichter, eine Arbeit zu finden. Anna Parrisius
2023 gab es rund 1.800 Menschen mehr, die eine Ausbildung in der Pflege begannen, als noch 2022 – ein Plus von drei Prozent. Insgesamt waren es 53.900 neue Ausbildungsverträge in dem Engpassberuf. Das ergibt zumindest eine vorläufige Berechnung, die das Statistische Bundesamt veröffentlichte.
Insgesamt befanden sich damit Ende des vergangenen Jahres 147.000 Personen in der Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann. Die Mehrzahl der Azubis ist weiblich (75 Prozent). Allerdings stieg der Männeranteil: Lag er unter neuen Azubis 2020 noch bei 24 Prozent, war er jetzt bei 28 Prozent. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) teilte mit, es freue sie, “dass sich immer mehr Männer für eine Ausbildung in der Pflege entscheiden.” Ihr Ministerium führt dies auf eigene Bemühungen zurück, etwa den Boys’ Day oder die Kampagne “Pflege kann was”.
Von einem Aufwärtstrend kann dennoch keine Rede sein. Zoé Klein, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), sagte Table.Briefings, Schwankungen seien bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen “nicht unüblich”. Erst 2020 wurde die Pflegeausbildung umfassend reformiert – und Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege zur generalistischen Lehre zusammengeführt. Welche Veränderungen das nach sich zieht, ließe sich noch nicht abschätzen.
Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, verwies zudem darauf, dass der Anteil der neuen Pflege-Azubis 2022 um sieben Prozent gesunken sei. “Die Ausbildungszahlen liegen nach wie vor weit hinter dem Ausbildungsjahr 2021/2022 zurück”, sagte er. Gleichzeitig steigt der Personalbedarf. Das Statistische Bundesamt prognostizierte im vergangenen Jahr, dass die Zahl der Pflegebedürftigen allein durch die zunehmende Alterung von rund fünf Millionen Ende 2021 auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 (plus 37 Prozent) ansteigen wird. Anna Parrisius
Der digitale Weiterbildungsanbieter Fobizz hat eine Struktur für neue KI-Chatbots speziell für den Bildungssektor entwickelt. Am Montag will das EdTech den Launch verkünden, Table.Briefings hat schon vorab erfahren, worum es geht. Vor allem in zwei Punkten unterscheiden sich die neuen KI-Assistenten von bisherigen Anwendungen:
Bislang gibt es noch keine KI-Chatbots, die auf den Bildungssektor spezialisiert sind. Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer der Vodafone-Stiftung, hatte kürzlich im Podcast “Kreide.KI.Klartext” angemahnt, es gebe bislang keine Trainingsdaten mit Schulkontext für KI-Tools. Knodel sieht die Fobizz-Neuerung hier als Brückenschlag: “Dadurch, dass wir spezifisches Kontextwissen bereitstellen, sind wir nah dran an einem Bildungssprachmodell.”
Die KI-Assistenten sind für jedes Unterrichtsfach und jede Schulform individuell konfigurierbar. Lehrkräfte können sich auch mehrere Assistenten für verschiedene Unterrichtskontexte anlegen. Ein Vorteil der neuen Bots sei außerdem, dass die Handhabung leicht zugänglich und intuitiv sei, es brauche also keine Programmierkenntnisse, betont Fobizz. Die KI-Chatbots wurden bereits in einer Testphase von etwa 20 Lehrkräften in verschiedenen Kontexten und Anwendungsfällen erprobt. Ihr Feedback floss nach Auskunft von Fobizz in die Weiterentwicklung ein.
Lehrkräfte, die in einer Schule oder in Bundesländern arbeiten, die bereits eine Schul- oder Landeslizenz haben (Sachsen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern), können die neuen KI-Chatbots kostenfrei nutzen, Einzellizenzen gibt es zunächst für zehn Euro im Monat.
Die neuen KI-Chatbots sind kein Resultat der neuen Partnerschaft von Fobizz mit to teach, dem Anbieter für Unterrichtsentwürfe und Unterrichtsinhalte. Seit Februar machen beide Unternehmen gemeinsame Sache. Die Entwicklung der Chatbots für den Bildungskontext habe schon vorher stattgefunden, betont Knodel. Allerdings sei natürlich denkbar, dass sich mit den neuen KI-Bots künftig auch Arbeitsmaterialien über eine Schnittstelle erstellen lassen. Annette Kuhn
Immer mehr Lehrkräfte fallen langfristig wegen physischer oder psychischer Krankheiten aus. 2023 sahen 60 Prozent der Schulleitungen einen Anstieg – deutlich mehr als noch 2019 oder 2021. Das zeigt eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), die Table.Briefings vorab vorlag. Am häufigsten berichten Schulleiter von Haupt-, Real- und Gesamtschulen von gesundheitlichen Problemen im Kollegium.
Möglichkeiten, um die Gesundheit von Lehrkräften zu fördern, gibt es den Schulleitungen zufolge deutlich zu wenig. 71 Prozent der Befragten beschreiben die Maßnahmen als unzureichend. Lediglich ein Viertel hält die aktuelle Situation an ihrer Schule für passabel, um die Gesundheit von Lehrkräften ausreichend zu stärken. Am häufigsten zeigen sich Schulleitungen von Förder- und Sonderschulen zufrieden mit den Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung und -prävention.
Die Verwaltungsarbeit zu reduzieren sowie Aufgaben und Mehrarbeit gleichmäßig verteilen zu können, halten die meisten Schulleitungen für die effektivsten Maßnahmen seitens der Schule. Gerhard Brand, Vorsitzender des VBE, sieht bei dieser strukturellen Belastung die Politik in der Verantwortung: “Das ist nichts, was die Schulleitung einfach entscheiden kann. Die Verwaltungen sind in der Pflicht, bürokratische Hürden abzubauen, um die Belastung zu verringern.”
Darüber hinaus trägt für Schulleitungen aber auch ein gemeinschaftliches und partizipatives Miteinander zum gesundheitlichen Wohlbefinden bei. So sind transparente Entscheidungen der Schulleitung und der Einbezug des Kollegiums laut 40 Prozent der Befragten förderlich für die Gesundheit. Knapp ein Drittel empfindet zudem einen regelmäßigen Austausch über Belastungen und Probleme als unterstützend. Vera Kraft
Die Union fordert von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mehr Engagement zur Bekämpfung von Mobbing an Schulen. Ausschlaggebend ist die Antwort ihres Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der Fraktion, die Table.Briefings exklusiv vorliegt. Darin verweist das BMBF bei Fragen zu konkreten Anti-Mobbing-Maßnahmen, wie sie jüngst etwa in Frankreich ergriffen wurden, auf die Zuständigkeit der Länder.
“Während in Frankreich der Kampf gegen Mobbing an Schulen zur Chefsache wurde, versteckt sich die deutsche Bundesbildungsministerin erneut hinter Zuständigkeitsfragen“, sagte Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Table.Briefings. Stark-Watzinger habe die Möglichkeit, beispielsweise im Bereich der Bildungsforschung wissenschaftlich fundierte Präventionsmaßnahmen auszubauen. “Auch kann sie sich für eine bundesweit abgestimmte Gesamtstrategie einsetzen, die den Mobbing-Täter stärker in den Mittelpunkt rückt und abschreckende, rechtliche Konsequenzen aufzeigt”, erklärte Jarzombek.
Einer Befragung der Techniker Krankenkasse zufolge ist jedes sechste Schulkind in Deutschland von Mobbing betroffen. Um das zu ändern, hat die Krankenkasse gemeinsam mit der Beratungsstelle Gewaltprävention der Hamburger Schulbehörde das Programm “Gemeinsam Klasse sein” entwickelt. Anhand von Filmclips und Erklärvideos vermittelt es den Schülerinnen und Schülern Merkmale von Mobbing und Cybermobbing und soll sie darin unterstützen, Regeln für ein respektvolles Miteinander zu erarbeiten.
Das Programm ist mittlerweile bundesweit im Einsatz und zeigt offenbar Wirkung. Einem aktuellen Evaluationsbericht zufolge gaben rund 90 Prozent der Teilnehmer im Anschluss an, ihr Wissen zu Mobbing und Cybermobbing durch die Teilnahme gestärkt zu haben. Rund 87 Prozent von ihnen hätten sich durch das Programm besser in die Lage versetzt gefühlt, Mobbing zu erkennen. Auch die Bereitschaft, sich bei eigener Betroffenheit (77,1 Prozent) oder beim Beobachten von Mobbing (80,6 Prozent) Hilfe bei Erwachsenen zu holen, stieg den Angaben zufolge stark. Zudem sahen sich auch die Lehrkräfte laut der Befragung besser darauf vorbereitet, Mobbing zu erkennen und darauf zu reagieren. max/dpa
Lesen Sie hier den Standpunkt einer Mobbing-Expertin: “Wir müssen Lehrkräfte im Umgang mit Mobbing ausbilden”
Mehr Einsatz gegen Rechtsextremismus in den Schulen fordern die Landesschülervertretungen (LSV) der ostdeutschen Bundesländer in einer gemeinsamen Erklärung. Völkische Narrative, antisemitische Verschwörungstheorien und extremistisches Gedankengut kämen immer häufiger vor. Die Schulen seien darauf “personell, materiell und vom Wissen her schlecht vorbereitet“, heißt es in dem Papier.
“Im Austausch mit den anderen Ostländern haben wir festgestellt, dass Rechtsextremismus bei uns anders wahrgenommen wird und anders stattfindet als in westdeutschen Bundesländern“, sagt Amy Kirchhoff, Vorsitzende des LSV Sachsen, zu Table.Briefings. Bei den Debatten im Unterricht merke man, dass viele von zu Hause “rechtes Gedankengut” mitbrächten. Auch Hitlergrüße auf dem Schulhof seien keine Seltenheit, sagt Kirchhoff.
Ein großes Problem, warum die Lehrkräfte und Schulleitungen auf die Situation nicht besser reagieren könnten, sei vielerorts der Lehrermangel. “Die Lehrkräfte berufen sich auf die Grundkompetenzen, für politische Bildung reicht schlicht die Zeit nicht”, sagt Kirchhoff. Dabei müssten den Schülervertretungen zufolge Fächer wie Politik und Sozialkunde noch weiter ausgebaut werden. Auch der Umgang mit Medien sollte stärker in der Schule gelehrt werden, fordern die Schülerinnen und Schüler in dem Positionspapier.
Louisa Basner, neu gewählte Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, findet die steigenden Zahlen von rechtsextremistischen Vorfällen an Schulen besorgniserregend. Sie sieht Demokratiebildung als zentrales Thema, das sie in ihrer Amtszeit vorantreiben möchte. Basner selbst geht in Niedersachsen zur Schule.
Man müsse die Länderunterschiede und den historischen Hintergrund ostdeutscher Länder berücksichtigen, fordert Kirchhoff aus Sachsen. Die Schule bewertet sie als wichtigen Ort für einen kritischen Diskurs. Dafür sollte sich auch die Politik stärker einsetzen – schließlich seien die Schüler von heute die Wähler von morgen. Vera Kraft
Research.Table: Stark-Watzinger vergibt 35 Millionen Euro ohne übliches Auswahlverfahren. In einer Art Eilverfahren hat das BMBF zwei Initiativprojekte von Forschungsverbünden im Bereich der Kernfusionsforschung für eine dreijährige Förderung ausgesucht. Wieso eine derartige Initiativ-Förderung außergewöhnlich ist. Mehr
Research.Table: Priorisierung von Forschungsinfrastrukturen. Bereits im Frühjahr 2023 hatte Mario Brandenburg im Forschungsausschuss den baldigen Start des FIS-Roadmap-Prozesses angekündigt. Passiert ist nichts. Jetzt soll alles ganz schnell gehen, denn die deutsche Auswahl hat auch Einfluss auf Pläne in Europa. Mehr
Redaktionsnetzwerk Deutschland: Stark-Watzinger gibt viel Geld für Insta-Posts aus. Rund 129.000 Euro soll Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im vergangenen Jahr für die Bewerbung ihrer Posts auf Instagram ausgegeben haben. Das hat eine parlamentarische Anfrage der Unionsfraktion ergeben. Die CDU wirft ihr nun vor, Steuergelder zu verschwenden. Denn es sei zwar erlaubt, über beschlossene Vorhaben zu informieren, aber es handele sich hier um Vorhaben, die nicht die notwendige Zustimmung gefunden hätten. Damit sei das unerlaubte Werbung. (“Union: Bildungsministerin Stark-Watzinger verschleudert bei Instagram Steuergelder für Eigen-PR”)
Tagesspiegel: Wieso Berlin am meisten für seine Schüler ausgibt und trotzdem wenig reißt. Im Ländervergleich gibt Berlin am meisten für seine Schüler aus. Was die Leistungen anbelangt, gehört der Stadtstaat dennoch zu den Schlusslichtern. Trotz gestiegener Ausgaben haben sich die Leistungen sogar noch weiter verschlechtert. Ein Problem sieht die Bildungsredakteurin Susanne Vieth-Entus vor allem darin, dass Berlin im Gegensatz zum Beispiel zu Hamburg, viel mehr mit der Gießkanne verteilt, statt auf eine gezielte Förderung benachteiligter Schüler zu setzen. (“Schwache Leistungen, hohe Ausgaben: Kosten für Berliner Schüler liegen fast ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt”)
Hamburger Abendblatt: Schulsenatorin Bekeris möchte ein Gesundheitsprojekt für Lehrkräfte starten. In ihrem ersten Interview seit ihrem Amtsantritt vor zehn Wochen erzählt Ksenija Bekeris, wie sie dem Lehrkräftemangel trotz steigender Schülerzahlen begegnen möchte. Dabei setzt sie insbesondere auf Gesundheitsförderung der bestehenden Lehrerschaft, unter anderem mit dem Ziel, die Zahl der Frühpensionierungen zu senken. Bei der frühkindlichen Bildung möchte Bekeris, dass Kita und Schule noch enger zusammenarbeiten. (“Neue Schulsenatorin nimmt Lehrergesundheit in den Fokus”)
Zum Hören:
Deutschlandfunk: Wieso Berufsschulen Probleme haben, Werkstattlehrer zu gewinnen. Ein Hauptproblem, wieso Berufsschulen kaum Nachwuchs an Werkstattlehrern bekommen, ist das Geld. Das geht aus dem “Campus & Karriere”-Beitrag hervor. Werkstattlehrer verdienen im Schnitt 1.500 Euro weniger im Monat als Studienräte. Das sorgt für Unzufriedenheit und macht es für Berufsschulen schwierig, Fachkräfte für die praktische Ausbildung zu gewinnen. (“Gefrustet und unterbezahlt: Werkstatt-Lehrkräfte an Berufsschulen”)
Podcast “Doppelstunde”: Wie können Intelligente Tutorielle Systeme (ITS) den Lernerfolg verbessern? Im Gespräch mit Podcast-Host Florian Nuxoll führt der Computerlinguistiker Detmar Meurers von der Uni Tübingen aus, wie individuelle Lernförderung durch ITS konkret aussieht, welche Entlastungen das Lehrkräften bringt und wie sich dadurch die Fehlerkultur an Schulen verändert. (“Wenn KI (nicht) beim Lernen und Lehren hilft – Generative KI im Vergleich zu intelligenten Tutorsystemen“)
weg von der Gießkanne, hin zur bedarfsgerechten Mittelverteilung – das ist das große Versprechen des Startchancen-Programms. Mittels Sozialindex soll das Geld genau in die Länder und an die Schulen gelangen, wo es am dringendsten benötigt wird. Holger Schleper hat diese Aussage und die Startchancen-Summen mal genauer unter die Lupe genommen. Dabei hat er festgestellt: Trotz Abkehr vom Königsteiner Schlüssel landet das Geld nicht unbedingt dort, wo die Kinderarmut am höchsten ist.
Im Bereich der frühkindlichen Bildung wollte das Familienministerium des Bundes ebenfalls einen großen Wurf wagen. Das Ziel lautete, bundesweit einheitliche Standards zu formulieren – etwa einen “Ziel-Personal-Kind-Schlüssel”. Der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe Frühe Bildung von Bund und Ländern zeigt allerdings, wie konfliktträchtig dieses Thema ist. Konstruktive Gegenvorschläge lassen sich in der aktuellen Debatte zur Stärkung frühkindlicher Bildung dennoch kaum finden.
Konkrete Verbesserungsvorschläge kommen dafür direkt aus der Schule. Schulleitungen haben genaue Vorstellungen davon, wie sich die Gesundheit des Kollegiums besser fördern ließe. Und Schülerinnen und Schüler stellen präzise Forderungen, wie sich die Schulgemeinschaft gegen Rechtsextremismus stark machen kann.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine konstruktive Lektüre und ein schönes Wochenende.
Ein Blick auf die Kinderarmutsquoten an Deutschlands Grundschulen weckt Zweifel, ob die Bundesmilliarden im Startchancen-Programm dorthin fließen, wo der Bedarf am größten ist. Zumindest entfaltet der eigens für das Startchancen-Programm entwickelte Sozialindex keine Umverteilungswirkung, die einer großen Trendwende in der Bildungspolitik gleichkäme. Das untermauern die Zahlen in der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern im Vergleich mit der Mittelverteilung nach dem Königsteiner Schlüssel.
Genau der sollte im Programm endlich überwunden werden, um mithilfe des Sozialindex zu einer bedarfsorientierten Mittelzuweisung an die Länder zu kommen. An die Stelle der Kriterien Einwohnerzahl und Steueraufkommen sind diese Kriterien getreten:
“Dieser Verteilschlüssel ist bedarfsgerecht und wissenschaftsgeleitet”, teilte eine BMBF-Sprecherin noch Mitte der Woche Table.Briefings mit. Nun darf man sich etwas verwundert die Augen reiben, wozu der Sozialindex etwa im Falle Berlins führt.
Denn der Stadtstaat erhält aus dem Vier-Milliarden-Euro-Topf der Säule I des Programms (Schulbau) fast neun Millionen Euro weniger, als es nach dem Königsteiner Schlüssel gewesen wären. Und das, obwohl Berlin etwa beim Anteil der Grundschulen mit einer hohen Kinderarmutsquote bundesweit – hinter Bremen – auf Rang zwei liegt. Das zeigt ein viel beachtetes Papier vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) von Bildungsforscher Marcel Helbig aus dem Vorjahr. Demnach sind es in Berlin fast 40 Prozent der Grundschulen, an denen beim Blick auf die Einzugsgebiete mindestens 30 Prozent der Kinder aus Haushalten mit SGB-II-Bezug stammen.
Lesen Sie die Analyse zum Discussion Paper: Studie zeigt erstmals Armutsballung an Grundschulen
Michael Wrase vom “Expert:innenforum Startchancen” bezeichnete das Berliner Beispiel bereits Anfang Februar als Absurdität. Es “zeigt, dass da offensichtlich eben nicht sozialindiziert verteilt worden ist”, erklärte er am Tag der Startchancen-Einigung von Bund und Ländern. Hinter dem Expert:innenforum stehen die Robert Bosch Stiftung und das WZB. Das Forum ist so etwas wie ein ständiger Beobachter des Programms. Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung ließ die Frage von Table.Briefings unbeantwortet, wie sie sich die geringere Zuweisung an Bundesmitteln erklärt.
Ebenfalls bemerkenswert an den vorliegenden Zahlen: Baden-Württemberg erhält, verglichen mit dem Königsteiner Schlüssel, fast 16 Millionen Euro mehr an Bundesmitteln. In dem Land liegt der Anteil der Grundschulen mit hoher Kinderarmutsquote allerdings gerade mal bei 0,8 Prozent. Allein in Bayern ist die Quote mit 0,4 Prozent geringer.
Was der Sozialindex allerdings auch bewirkt: Mit Bremen und dem bevölkerungsreichsten Bundesland NRW profitieren zwei Länder vom Sozialindex, die nach den WZB-Zahlen sehr hohe Kinderarmutsquoten an den Grundschulen haben. Für Bremen sind es über die Programmlaufzeit mehr als zehn Millionen zusätzlich, für NRW mehr als 165 Millionen Euro – immer verglichen mit dem aktuell gültigen Königsteiner Schlüssel. Das Prinzip Gießkanne hat der Sozialindex also tatsächlich verändert. Aber – um im Bild zu bleiben -, eine wirklich gezielte Bewässerung der Bildungslandschaft ist nicht erkennbar.
Die Zahlen nähren Zweifel an einer Kernaussage von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. So sagte sie im September 2023 nach der Einigung auf die Eckpunkte zum Startchancen-Programm: “Mir ist die bedarfsgerechte Mittelzuweisung ein ganz besonderes Herzensanliegen. Das ist ein echter Paradigmenwechsel in der bildungspolitischen Förderlogik. Es bedeutet, weg von der Gießkanne.” Auch Franziska Krumwiede-Steiner, die Nachfolgerin der bei der zweiten Berlin-Wiederholungswahl rausgeflogenen Grünen-Abgeordneten Nina Stahr, sagte zum Startchancen-Programm im Bundestag noch vor wenigen Tagen: “Wir gehen dabei endlich weg vom dysfunktionalen Königsteiner Schlüssel und lenken die Mittel gezielt dorthin, wo Bedarf ist.”
Wenn man sich aber anschaue, wie sich die Mittel tatsächlich verteilen, werde “hier ein bisschen Augenwischerei betrieben”, urteilte demgegenüber Wrase. Man könne eben nicht von einem Paradigmenwechsel sprechen. Dazu trägt auch bei, dass die Bundesmittel in den Programm-Säulen II und III – je drei Milliarden Euro – nach Umsatzsteuerpunkten verteilt werden. Das Kriterium: die Einwohnerzahl der Länder.
Nach Berechnungen vom Expert:innenforum Startchancen steht hier NRW mit knapp 1,3 Milliarden Euro über die zehnjährige Programmlaufzeit an erster Stelle. Es folgen Bayern mit etwa 950 Millionen Euro und Baden-Württemberg mit mehr als 800 Millionen Euro.
Womit sich auch festhalten lässt: Zwar verliert Bayern durch den Sozialindex mehr als 100 Millionen Euro in Säule I des Programms. Nimmt man aber alle drei Säulen zusammen, fließt mit insgesamt mehr als 1,4 Milliarden Euro noch immer die zweitgrößte Menge an Bundesmitteln in das Land mit der niedrigsten Kinderarmutsquote an Grundschulen. Wohlgemerkt in einem Programm, das den Schwerpunkt auf Grundschulen legt.
Die bayerische Begleitmusik dazu: Man fühlt sich gegängelt, die Startchancen-Schulen nach den Maßgaben des Programms auf Grundlage eines Sozialindex aussuchen zu sollen. “Ich persönlich bin kein Fan davon”, erklärte etwa die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler).
Wenn man so will, könnte unterm Strich also dieses stehen: Der erste Sozialindex, der die Verteilung der Bundesmittel im Startchancen-Programm regelt, ist nicht der große Wurf, der das Startchancen-Programm zu einem “Gamechanger” macht. Mehr Potenzial hat da vielleicht der zweite Sozialindex, der auf Ebene der Länder im Programm steckt.
Denn die Verteilung der Bundesmittel auf die Länder ist das eine. Eine andere Sache ist, wie die 16 Bundesländer ihre Startchancen-Schulen nun auswählen. Dafür ist ein Sozialindex, der mindestens die Kriterien Armut und Migration berücksichtigen muss, bundesweit Pflicht. Für einige Länder ist das tatsächlich ein Paradigmenwechsel.
Das Bundesfamilienministerium treibt sein Vorhaben voran, langfristig mehr bundesweit gültige Standards in der Kindertagesbetreuung zu etablieren. Die Differenzen mit Ländern und Kommunen bleiben dabei gewaltig. Das zeigt der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe Frühe Bildung. Dieser soll ein Baustein sein für das im Koalitionsvertrag angekündigte Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz. In dem Bericht heißt es etwa, dass perspektivisch für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt ein “Ziel-Personal-Kind-Schlüssel” von 1 zu 7,8 gelten soll.
Zum Vergleich: 2022 reichte der Personal-Kind-Schlüssel laut Monitoringbericht zum Kita-Qualitätsgesetz in den Ü3-Gruppen von 6,5 (Baden-Württemberg) bis 11,9 (Mecklenburg-Vorpommern). In Ostdeutschland lag er im Schnitt bei 9,9, in Westdeutschland bei 7,8. Heißt unterm Strich: Gerade die ostdeutschen Bundesländer stehen vor der Herausforderung eines deutlichen Personalausbaus.
Auch für die Qualifikation der Beschäftigten in den Kita-Teams setzt der Bericht eine Zielmarke. Langfristig sollen 85 Prozent des pädagogisch tätigen Personals in jeder Kindertageseinrichtung über eine abgeschlossene Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin oder einen vergleichbaren Abschluss verfügen.
Aber das stößt auf Widerstand. Man muss gar nicht zwischen den Zeilen lesen, um das Konfliktpotenzial zu erkennen. Es steht explizit da: Die Vertreter des bayerischen Familienministeriums “distanzieren sich jedoch ausdrücklich von diesem Bericht”. Sie hätten insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken und lehnten eine Verankerung neuer Standards in der Kindertagesbetreuung auf Bundesebene auch fachlich grundsätzlich ab.
Und Bayern ist damit nicht allein. Aus dem Haus der Bremer Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Karolin Aulepp, heißt es auf Anfrage von Table.Briefings: “Aus Sicht der Länder sollten nur die Standards verbindlich vereinbart werden, die auch realistisch umsetzbar sind.” Und das unterscheide sich von Bundesland zu Bundesland zum Teil erheblich. Die im Bericht genannten Quoten an Erzieherinnen und Erziehern etwa seien, “angesichts der augenblicklichen Arbeitsmarktlage und der demografischen Entwicklung” unrealistisch.
Die AG Frühe Bildung setzt sich zusammen aus Vertretern des BMFSFJ und der Ministerien der 16 Bundesländer auf Fachebene, die für die Kindertagesbetreuung zuständig sind. Die drei kommunalen Spitzenverbände wurden eng einbezogen, heißt es. Doch selbst diese wollen den eingeschlagenen Weg nicht mitgehen. Die Verbände “lehnen die Verankerung neuer Standards in der Kindertagesbetreuung auf Bundesebene, die zu personellen Mehrbedarfen führen, ebenso grundsätzlich ab”, steht in dem Bericht.
Auch das Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz selbst steht in der Kritik. Bayerns Familienministerium teilte Table.Briefings mit: “Ein Qualitätsentwicklungsgesetz, so wie es vom Bund vorgesehen ist, ist jedoch nicht zielführend.”
Vielsagend ist auch, dass der Bericht der AG Frühe Bildung parallel mit einem gemeinsamen Letter of Intent von der Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder und vom Haus der Bundesfamilienministerin Lisa Paus veröffentlicht wurde. Darin nehmen die Länder den Bericht lediglich zur Kenntnis. Das Wort Standard taucht nur an einer Stelle auf, an der aus dem Koalitionsvertrag zitiert wird.
Aber nicht nur auf der familienpolitischen Seite, sondern auch auf der bildungspolitischen rückt die frühkindliche Bildung immer mehr in den Blick. Jahrelang wurde das Thema eher unter Sonstiges behandelt. Ein Vorstoß wie der des heutigen CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann, Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen sollten von der Einschulung ein Jahr zurückgestellt werden, sorgte 2019 zwar für reichlich Empörung, aber nicht für konstruktive Lösungswege. Die Förderung der Sprachkitas durch den Bund wurde jedenfalls vor knapp einem Jahr eingestellt.
Mitte März ist nun aber die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag vorgeprescht und hat einen Antrag mit dem ambitionierten Titel “Pisa-Offensive für die frühkindliche Bildung” eingebracht. Vor allem vier Punkte fordern die Unionsabgeordneten darin:
Es sind keine neuen Punkte, die die Oppositionspartei hier vorschlägt. Vor allem beim Thema Sprachtests verknüpft mit verbindlicher Förderung machen sich immer mehr Länder auf den Weg. Hamburg ist hier seit vielen Jahren Vorbild und kann auch klare Erfolge mit dieser Vorgehensweise bieten.
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Dass frühkindliche Bildung für den weiteren Lernerfolg in der Schule entscheidend ist, würde heute wohl kaum eine Partei bestreiten. Umso erstaunlicher ist aber, dass es die an den CDU-Antrag anschließende Debatte an einem Donnerstagabend Ende März kaum über Allgemeinplätze hinauskam. “Bildung kann ja nicht früh genug starten”, rief zum Beispiel die CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig in den dünn besetzten Plenarsaal. Der SPD-Abgeordnete Martin Rabanus konterte darauf – wenig präzise in der Sache: “Der Antrag ist überflüssig” und sei eine “kleine parteipolitische Münze”.
Auch Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne), neues Mitglied im Bildungsausschuss, kam über ein “Jedes Kind ist anders und lernt anders” kaum hinaus. Nun geht der Antrag zur frühkindlichen Bildung erst mal in den Bildungsausschuss.
Fast jeder fünfte junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 34 Jahren verfügte 2022 über keinen Berufsabschluss. Das geht aus einem Entwurf des Berufsbildungsberichts für 2024 hervor. Das Bundeskabinett wird den Bericht in den kommenden Wochen vorstellen. 2,86 Millionen junge Menschen hatten demnach keine formale Qualifikation. 2021 waren es noch 2,64 Millionen gewesen. Seit Jahren steigt die Zahl der ungelernten 20- bis 34-Jährigen, 2016 wurde die Grenze von zwei Millionen überschritten.
Derweil boten 2022 nur 18,9 Prozent der Betriebe eine Ausbildung an – ein weiterer Negativrekord. Vor allem Kleinstbetriebe hätten sich aus der Ausbildung zurückgezogen (-4,1 Prozent). Anders als im Vorjahr habe aber auch bei Kleinbetrieben die Ausbildungsbeteiligung leicht nachgelassen (-0,8 Prozent). Bei Großbetrieben hat sie hingegen zugenommen (+1,6 Prozent).
Laut Bericht gelte es, “Betriebe weiter darin zu bestärken, in die Ausbildung von schwächeren jungen Menschen zu investieren, auch wenn dies zunächst mit höheren Kosten einhergehe.” Ziel sei es, das vorhandene Fachkräftepotenzial bestmöglich auszuschöpfen und mehr junge Menschen mithilfe von Unterstützungsinstrumenten zum Berufsabschluss zu bringen.
Gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund müsste die Ausbildungsbeteiligung steigen. Bei den Zugewanderten ist die Ungelerntenquote doppelt so hoch wie bei jungen Menschen insgesamt.
Bei den jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss handele es sich überwiegend um gering qualifizierte Personen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer hätten. In die Gruppe fallen laut Bericht jedoch auch Personen, die Ausbildung oder Studium abgebrochen haben und vor dem Abbruch zumindest informell Qualifikationen erworben haben. Ihnen falle es leichter, eine Arbeit zu finden. Anna Parrisius
2023 gab es rund 1.800 Menschen mehr, die eine Ausbildung in der Pflege begannen, als noch 2022 – ein Plus von drei Prozent. Insgesamt waren es 53.900 neue Ausbildungsverträge in dem Engpassberuf. Das ergibt zumindest eine vorläufige Berechnung, die das Statistische Bundesamt veröffentlichte.
Insgesamt befanden sich damit Ende des vergangenen Jahres 147.000 Personen in der Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann. Die Mehrzahl der Azubis ist weiblich (75 Prozent). Allerdings stieg der Männeranteil: Lag er unter neuen Azubis 2020 noch bei 24 Prozent, war er jetzt bei 28 Prozent. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) teilte mit, es freue sie, “dass sich immer mehr Männer für eine Ausbildung in der Pflege entscheiden.” Ihr Ministerium führt dies auf eigene Bemühungen zurück, etwa den Boys’ Day oder die Kampagne “Pflege kann was”.
Von einem Aufwärtstrend kann dennoch keine Rede sein. Zoé Klein, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), sagte Table.Briefings, Schwankungen seien bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen “nicht unüblich”. Erst 2020 wurde die Pflegeausbildung umfassend reformiert – und Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege zur generalistischen Lehre zusammengeführt. Welche Veränderungen das nach sich zieht, ließe sich noch nicht abschätzen.
Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, verwies zudem darauf, dass der Anteil der neuen Pflege-Azubis 2022 um sieben Prozent gesunken sei. “Die Ausbildungszahlen liegen nach wie vor weit hinter dem Ausbildungsjahr 2021/2022 zurück”, sagte er. Gleichzeitig steigt der Personalbedarf. Das Statistische Bundesamt prognostizierte im vergangenen Jahr, dass die Zahl der Pflegebedürftigen allein durch die zunehmende Alterung von rund fünf Millionen Ende 2021 auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 (plus 37 Prozent) ansteigen wird. Anna Parrisius
Der digitale Weiterbildungsanbieter Fobizz hat eine Struktur für neue KI-Chatbots speziell für den Bildungssektor entwickelt. Am Montag will das EdTech den Launch verkünden, Table.Briefings hat schon vorab erfahren, worum es geht. Vor allem in zwei Punkten unterscheiden sich die neuen KI-Assistenten von bisherigen Anwendungen:
Bislang gibt es noch keine KI-Chatbots, die auf den Bildungssektor spezialisiert sind. Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer der Vodafone-Stiftung, hatte kürzlich im Podcast “Kreide.KI.Klartext” angemahnt, es gebe bislang keine Trainingsdaten mit Schulkontext für KI-Tools. Knodel sieht die Fobizz-Neuerung hier als Brückenschlag: “Dadurch, dass wir spezifisches Kontextwissen bereitstellen, sind wir nah dran an einem Bildungssprachmodell.”
Die KI-Assistenten sind für jedes Unterrichtsfach und jede Schulform individuell konfigurierbar. Lehrkräfte können sich auch mehrere Assistenten für verschiedene Unterrichtskontexte anlegen. Ein Vorteil der neuen Bots sei außerdem, dass die Handhabung leicht zugänglich und intuitiv sei, es brauche also keine Programmierkenntnisse, betont Fobizz. Die KI-Chatbots wurden bereits in einer Testphase von etwa 20 Lehrkräften in verschiedenen Kontexten und Anwendungsfällen erprobt. Ihr Feedback floss nach Auskunft von Fobizz in die Weiterentwicklung ein.
Lehrkräfte, die in einer Schule oder in Bundesländern arbeiten, die bereits eine Schul- oder Landeslizenz haben (Sachsen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern), können die neuen KI-Chatbots kostenfrei nutzen, Einzellizenzen gibt es zunächst für zehn Euro im Monat.
Die neuen KI-Chatbots sind kein Resultat der neuen Partnerschaft von Fobizz mit to teach, dem Anbieter für Unterrichtsentwürfe und Unterrichtsinhalte. Seit Februar machen beide Unternehmen gemeinsame Sache. Die Entwicklung der Chatbots für den Bildungskontext habe schon vorher stattgefunden, betont Knodel. Allerdings sei natürlich denkbar, dass sich mit den neuen KI-Bots künftig auch Arbeitsmaterialien über eine Schnittstelle erstellen lassen. Annette Kuhn
Immer mehr Lehrkräfte fallen langfristig wegen physischer oder psychischer Krankheiten aus. 2023 sahen 60 Prozent der Schulleitungen einen Anstieg – deutlich mehr als noch 2019 oder 2021. Das zeigt eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), die Table.Briefings vorab vorlag. Am häufigsten berichten Schulleiter von Haupt-, Real- und Gesamtschulen von gesundheitlichen Problemen im Kollegium.
Möglichkeiten, um die Gesundheit von Lehrkräften zu fördern, gibt es den Schulleitungen zufolge deutlich zu wenig. 71 Prozent der Befragten beschreiben die Maßnahmen als unzureichend. Lediglich ein Viertel hält die aktuelle Situation an ihrer Schule für passabel, um die Gesundheit von Lehrkräften ausreichend zu stärken. Am häufigsten zeigen sich Schulleitungen von Förder- und Sonderschulen zufrieden mit den Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung und -prävention.
Die Verwaltungsarbeit zu reduzieren sowie Aufgaben und Mehrarbeit gleichmäßig verteilen zu können, halten die meisten Schulleitungen für die effektivsten Maßnahmen seitens der Schule. Gerhard Brand, Vorsitzender des VBE, sieht bei dieser strukturellen Belastung die Politik in der Verantwortung: “Das ist nichts, was die Schulleitung einfach entscheiden kann. Die Verwaltungen sind in der Pflicht, bürokratische Hürden abzubauen, um die Belastung zu verringern.”
Darüber hinaus trägt für Schulleitungen aber auch ein gemeinschaftliches und partizipatives Miteinander zum gesundheitlichen Wohlbefinden bei. So sind transparente Entscheidungen der Schulleitung und der Einbezug des Kollegiums laut 40 Prozent der Befragten förderlich für die Gesundheit. Knapp ein Drittel empfindet zudem einen regelmäßigen Austausch über Belastungen und Probleme als unterstützend. Vera Kraft
Die Union fordert von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mehr Engagement zur Bekämpfung von Mobbing an Schulen. Ausschlaggebend ist die Antwort ihres Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der Fraktion, die Table.Briefings exklusiv vorliegt. Darin verweist das BMBF bei Fragen zu konkreten Anti-Mobbing-Maßnahmen, wie sie jüngst etwa in Frankreich ergriffen wurden, auf die Zuständigkeit der Länder.
“Während in Frankreich der Kampf gegen Mobbing an Schulen zur Chefsache wurde, versteckt sich die deutsche Bundesbildungsministerin erneut hinter Zuständigkeitsfragen“, sagte Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Table.Briefings. Stark-Watzinger habe die Möglichkeit, beispielsweise im Bereich der Bildungsforschung wissenschaftlich fundierte Präventionsmaßnahmen auszubauen. “Auch kann sie sich für eine bundesweit abgestimmte Gesamtstrategie einsetzen, die den Mobbing-Täter stärker in den Mittelpunkt rückt und abschreckende, rechtliche Konsequenzen aufzeigt”, erklärte Jarzombek.
Einer Befragung der Techniker Krankenkasse zufolge ist jedes sechste Schulkind in Deutschland von Mobbing betroffen. Um das zu ändern, hat die Krankenkasse gemeinsam mit der Beratungsstelle Gewaltprävention der Hamburger Schulbehörde das Programm “Gemeinsam Klasse sein” entwickelt. Anhand von Filmclips und Erklärvideos vermittelt es den Schülerinnen und Schülern Merkmale von Mobbing und Cybermobbing und soll sie darin unterstützen, Regeln für ein respektvolles Miteinander zu erarbeiten.
Das Programm ist mittlerweile bundesweit im Einsatz und zeigt offenbar Wirkung. Einem aktuellen Evaluationsbericht zufolge gaben rund 90 Prozent der Teilnehmer im Anschluss an, ihr Wissen zu Mobbing und Cybermobbing durch die Teilnahme gestärkt zu haben. Rund 87 Prozent von ihnen hätten sich durch das Programm besser in die Lage versetzt gefühlt, Mobbing zu erkennen. Auch die Bereitschaft, sich bei eigener Betroffenheit (77,1 Prozent) oder beim Beobachten von Mobbing (80,6 Prozent) Hilfe bei Erwachsenen zu holen, stieg den Angaben zufolge stark. Zudem sahen sich auch die Lehrkräfte laut der Befragung besser darauf vorbereitet, Mobbing zu erkennen und darauf zu reagieren. max/dpa
Lesen Sie hier den Standpunkt einer Mobbing-Expertin: “Wir müssen Lehrkräfte im Umgang mit Mobbing ausbilden”
Mehr Einsatz gegen Rechtsextremismus in den Schulen fordern die Landesschülervertretungen (LSV) der ostdeutschen Bundesländer in einer gemeinsamen Erklärung. Völkische Narrative, antisemitische Verschwörungstheorien und extremistisches Gedankengut kämen immer häufiger vor. Die Schulen seien darauf “personell, materiell und vom Wissen her schlecht vorbereitet“, heißt es in dem Papier.
“Im Austausch mit den anderen Ostländern haben wir festgestellt, dass Rechtsextremismus bei uns anders wahrgenommen wird und anders stattfindet als in westdeutschen Bundesländern“, sagt Amy Kirchhoff, Vorsitzende des LSV Sachsen, zu Table.Briefings. Bei den Debatten im Unterricht merke man, dass viele von zu Hause “rechtes Gedankengut” mitbrächten. Auch Hitlergrüße auf dem Schulhof seien keine Seltenheit, sagt Kirchhoff.
Ein großes Problem, warum die Lehrkräfte und Schulleitungen auf die Situation nicht besser reagieren könnten, sei vielerorts der Lehrermangel. “Die Lehrkräfte berufen sich auf die Grundkompetenzen, für politische Bildung reicht schlicht die Zeit nicht”, sagt Kirchhoff. Dabei müssten den Schülervertretungen zufolge Fächer wie Politik und Sozialkunde noch weiter ausgebaut werden. Auch der Umgang mit Medien sollte stärker in der Schule gelehrt werden, fordern die Schülerinnen und Schüler in dem Positionspapier.
Louisa Basner, neu gewählte Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, findet die steigenden Zahlen von rechtsextremistischen Vorfällen an Schulen besorgniserregend. Sie sieht Demokratiebildung als zentrales Thema, das sie in ihrer Amtszeit vorantreiben möchte. Basner selbst geht in Niedersachsen zur Schule.
Man müsse die Länderunterschiede und den historischen Hintergrund ostdeutscher Länder berücksichtigen, fordert Kirchhoff aus Sachsen. Die Schule bewertet sie als wichtigen Ort für einen kritischen Diskurs. Dafür sollte sich auch die Politik stärker einsetzen – schließlich seien die Schüler von heute die Wähler von morgen. Vera Kraft
Research.Table: Stark-Watzinger vergibt 35 Millionen Euro ohne übliches Auswahlverfahren. In einer Art Eilverfahren hat das BMBF zwei Initiativprojekte von Forschungsverbünden im Bereich der Kernfusionsforschung für eine dreijährige Förderung ausgesucht. Wieso eine derartige Initiativ-Förderung außergewöhnlich ist. Mehr
Research.Table: Priorisierung von Forschungsinfrastrukturen. Bereits im Frühjahr 2023 hatte Mario Brandenburg im Forschungsausschuss den baldigen Start des FIS-Roadmap-Prozesses angekündigt. Passiert ist nichts. Jetzt soll alles ganz schnell gehen, denn die deutsche Auswahl hat auch Einfluss auf Pläne in Europa. Mehr
Redaktionsnetzwerk Deutschland: Stark-Watzinger gibt viel Geld für Insta-Posts aus. Rund 129.000 Euro soll Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im vergangenen Jahr für die Bewerbung ihrer Posts auf Instagram ausgegeben haben. Das hat eine parlamentarische Anfrage der Unionsfraktion ergeben. Die CDU wirft ihr nun vor, Steuergelder zu verschwenden. Denn es sei zwar erlaubt, über beschlossene Vorhaben zu informieren, aber es handele sich hier um Vorhaben, die nicht die notwendige Zustimmung gefunden hätten. Damit sei das unerlaubte Werbung. (“Union: Bildungsministerin Stark-Watzinger verschleudert bei Instagram Steuergelder für Eigen-PR”)
Tagesspiegel: Wieso Berlin am meisten für seine Schüler ausgibt und trotzdem wenig reißt. Im Ländervergleich gibt Berlin am meisten für seine Schüler aus. Was die Leistungen anbelangt, gehört der Stadtstaat dennoch zu den Schlusslichtern. Trotz gestiegener Ausgaben haben sich die Leistungen sogar noch weiter verschlechtert. Ein Problem sieht die Bildungsredakteurin Susanne Vieth-Entus vor allem darin, dass Berlin im Gegensatz zum Beispiel zu Hamburg, viel mehr mit der Gießkanne verteilt, statt auf eine gezielte Förderung benachteiligter Schüler zu setzen. (“Schwache Leistungen, hohe Ausgaben: Kosten für Berliner Schüler liegen fast ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt”)
Hamburger Abendblatt: Schulsenatorin Bekeris möchte ein Gesundheitsprojekt für Lehrkräfte starten. In ihrem ersten Interview seit ihrem Amtsantritt vor zehn Wochen erzählt Ksenija Bekeris, wie sie dem Lehrkräftemangel trotz steigender Schülerzahlen begegnen möchte. Dabei setzt sie insbesondere auf Gesundheitsförderung der bestehenden Lehrerschaft, unter anderem mit dem Ziel, die Zahl der Frühpensionierungen zu senken. Bei der frühkindlichen Bildung möchte Bekeris, dass Kita und Schule noch enger zusammenarbeiten. (“Neue Schulsenatorin nimmt Lehrergesundheit in den Fokus”)
Zum Hören:
Deutschlandfunk: Wieso Berufsschulen Probleme haben, Werkstattlehrer zu gewinnen. Ein Hauptproblem, wieso Berufsschulen kaum Nachwuchs an Werkstattlehrern bekommen, ist das Geld. Das geht aus dem “Campus & Karriere”-Beitrag hervor. Werkstattlehrer verdienen im Schnitt 1.500 Euro weniger im Monat als Studienräte. Das sorgt für Unzufriedenheit und macht es für Berufsschulen schwierig, Fachkräfte für die praktische Ausbildung zu gewinnen. (“Gefrustet und unterbezahlt: Werkstatt-Lehrkräfte an Berufsschulen”)
Podcast “Doppelstunde”: Wie können Intelligente Tutorielle Systeme (ITS) den Lernerfolg verbessern? Im Gespräch mit Podcast-Host Florian Nuxoll führt der Computerlinguistiker Detmar Meurers von der Uni Tübingen aus, wie individuelle Lernförderung durch ITS konkret aussieht, welche Entlastungen das Lehrkräften bringt und wie sich dadurch die Fehlerkultur an Schulen verändert. (“Wenn KI (nicht) beim Lernen und Lehren hilft – Generative KI im Vergleich zu intelligenten Tutorsystemen“)