die Verhandlungen zum Digitalpakt muten wie eine “unendliche Geschichte” an – wenn auch etwas weniger märchenhaft als der gleichnamige Roman von Michael Ende. Mit dem Ampel-Aus hat jetzt ein neues Kapitel begonnen und ein weiterer Protagonist wird eingeführt: Stephan Ertner als neuer, beamteter Staatssekretär im BMBF und damit neuer Verhandler auf Seiten des Bundes.
Er sieht sich nun den 16 Ländern gegenüber, die weiterhin nicht bereit sind, sich auf alle Forderungen des Bundes einzulassen. In unserer ersten Analyse lesen Sie, was die größten Streitpunkte sind, was für die kommenden Treffen geplant ist und welche neue Wendungen sich im Digitalpakt-Drama abzeichnen.
Ein neues Kapitel hat auch in Thüringen begonnen: CDU, BSW und SPD haben am Freitag ihren Koalitionsvertrag vorgestellt – und damit auch die bildungspolitischen Vorhaben für die kommenden Jahre. Von Sprachförderung in Kitas bis hin zur Organisation von Schule und Ausbildung erwarten Lehrkräfte, Schüler und Eltern weitreichende Veränderungen. Die jeweiligen parteipolitischen Handschriften sind klar zu erkennen – auch in Abgrenzung zur vorherigen rot-rot-grünen Koalition unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Die gefühlt unendliche Geschichte zur Fortsetzung des Digitalpaktes erhält an diesem Donnerstag ein neues Kapitel: Gestern ernannte Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Bildung und Forschung, Stephan Ertner und Karl-Eugen Huthmacher zu den neuen, beamteten Staatssekretären im BMBF. Ertner übernimmt den Bereich Bildung – und wird somit nach Sabine Döring und Roland Philippi der dritte Verhandlungsführer für den Bund, der den Ländern gegenübersitzt.
An diesem Donnerstag wird deshalb die vorgesehene weitere Verhandlungsrunde zwischen Bund und Ländern zunächst wohl nur ein Kennenlern-Termin zwischen Ertner und seinen Länder-Pendants.
Das Paradoxe: Die Stimmung hinter den Kulissen ist trotz aller Irrungen und Wirrungen in den Verhandlungen, die seit Dezember 2022 laufen, auffallend positiv. Vom Übergangsbildungsminister Cem Özdemir gab es die Zusage, alles zu tun, damit der Digitalpakt II zu Ende verhandelt wird. Er wolle “keine unnötigen Konfrontationen” und sei dafür, die Gespräche mit den Ländern “zeitnah erfolgreich abzuschließen”.
Auch auf Länderseite ist Zuversicht zu vernehmen. Es ist vom Ziel zu hören, auf Staatssekretärsebene zur Bildungs-MK am 13. Dezember den Entwurf eines geeinten Papiers vorzulegen. Dazu passt, dass es in der kommenden Woche einen zusätzlichen Verhandlungstermin geben soll.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Liste der Dissenz-Punkte zwischen Bund und Ländern ist nach wie vor groß. Zur Erinnerung: Ende April hatte das BMBF – vor dem Ampel-Aus und noch unter Führung der damaligen Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) – seine Bedingungen vorgelegt. Sie enthielten drei Handlungsstränge:
Die brüskierten Länder konterten am 10. Mai mit einer Gegenposition. Sie verwiesen etwa auf die “gesamtstaatliche Relevanz und Dauerhaftigkeit der Aufgabe” und verbaten sich eine Einmischung in die Bildungshoheit der Länder.
Lesen Sie auch: Digitalpakt II – Was Bund und Länder trennt – und was sie ähnlich sehen
Seit Mitte des Jahres, so ist aus Verhandlungskreisen zu hören, arbeiten Bund und Länder an zwei Dokumenten:
Im Fokus der Debatte steht auch der Artikel 104c des Grundgesetzes. Dieser Artikel definiert, der Bund könne Finanzhilfen zur “Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur” gewähren. Vertreter der Länder und Kommunen fordern, die Investitionen anders als im Digitalpakt I nicht nur auf Infrastruktur und Administration zu beschränken. Stattdessen solle das Geld auch für Inhalte und Qualifizierung verwendet dürfen.
Lesen Sie auch: Digitalpakt – Befristung sorgt für Streit bei Bund und Ländern
Nach wie vor gilt es, die eckigen Klammern aufzulösen, die in den Dokumenten die unterschiedlichen Bund-Länder-Positionen markieren. An erster Stelle steht noch immer die Frage der 50/50-Finanzierung für die Infrastruktur. Die Länder sehen darin eine finanzielle Überforderung. Sie wollen weiterhin Wege ausloten, sich bestehende oder geplante Landesinvestitionen für digitale Bildung anrechnen zu lassen.
Weitere Diskussionen bringen ein Startchancen-Déjà-vu mit sich: Wie sollen die Bundesmittel an die Länder verteilt werden? Unter Stark-Watzinger kämpfte das BMBF vehement für die Abkehr vom Königsteiner Schlüssel, der sich nur nach Einwohnerzahl und Finanzkraft der Länder richtet. Die GEW forderte noch im September, dass es einen Sozialindex geben müsse. Ob es dazu kommt, ist Teil der anstehenden Verhandlungen. Auf dem Tisch liegt weiterhin auch die Frage, ob der Bund nach einem Ende des Digitalpaktes II seine Unterstützung gänzlich einstellt.
Spannend wird zudem, wie es mit den länderübergreifenden Vorhaben weitergehen soll. Die bundesseitige Förderung dieser Projekte war im Digitalpakt I festgeschrieben: Er gab fünf Prozent des Bundesanteils im Digitalpakt I, also 250 Millionen Euro. Wie viel Budget im Digitalpakt II für länderübergreifende Vorhaben vorgesehen ist, ist bislang nicht bekannt.
Während die Schulen und Schulträger nach Ende des Digitalpakts I im Frühjahr teilweise schon mit der Förderlücke zu kämpfen haben, steht im Topf für die Länderprojekte noch reichlich Geld zur Verfügung. Was auch daran liegt, dass die Länder erst schauen mussten, was sie mit dem Geld machen wollen. Jetzt sind die Ideen da, das Geld kann langsam fließen. Bund und Länder feiern sich: Endlich wird nicht mehr alles in den Ländern einzeln entwickelt, sondern länderübergreifend kooperiert. Wie nachhaltig das aber ist, bleibt abzuwarten.
Die Bildungswirtschaft ist weniger begeistert. Sie kritisiert, die Vorhaben würden in den Markt eingreifen und den Wettbewerb verzerren. Insbesondere die AIS-Ausschreibung mit einem einmaligen Fördervolumen von rund 60 Millionen Euro für ein Konsortium wird mit Spannung beobachtet. Wer immer die Ausschreibung gewinnt und damit das Geld bekommt, hat einen gewaltigen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.
Die Verhandler ringen also weiter um die großen und kleinen Detailfragen. Formal könnten Bund und Länder trotz Ampel-Aus einen gemeinsamen Digitalpakt II beschließen. Das wäre aus Bundessicht reines Regierungshandeln. Der Bundestag müsste dem zunächst nicht zustimmen. Der Pakt stünde jedoch unter Finanzierungsvorbehalt. Ein anderes Szenario könnte ein gemeinsames Eckpunktepapier sein, das einer neuen Bundesregierung dann als Grundlage für finale Gespräche dienen würde.
Schulen und Schulträger hoffen auf eine baldige Einigung – und damit auf eine sichere Finanzierung der digitalen Ausstattung. Gleichzeitig fordern sie: Der neue Digitalpakt solle kein reines Infrastrukturpaket sein. Auch von wissenschaftlicher Seite gibt es dafür Unterstützung. Birgit Eickelmann, Leiterin der ICIL-Studie, sagte etwa im Live.Briefing zum Digitalpakt: Die Digitalpakt-Einigung solle darauf geprüft werden, wie sehr an die Schülerinnen und Schüler gedacht wurde. Neben der technischen Ausstattung gehe es schließlich auch um Individualisierung und neue pädagogische Konzepte.
Der Koalitionsvertrag in Thüringen steht, und er setzt Bildung an die erste Stelle. Damit bildet das Bundesland, in dem künftig CDU, BSW und SPD gemeinsam regieren, längst keine Ausnahme mehr. Es ist das sechste Land, das dieses Thema nach vorne stellt. Außergewöhnlich ist das 126-Seiten-Papier trotzdem. Allein schon, weil erstmals das BSW beteiligt ist und sich nun offenbart, wo die künftige Regierung Schwerpunkte in der Bildung setzt. Die ersten Urteile fallen durchwachsen aus.
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Sprachtests: Die Brombeer-Koalition will verpflichtende Deutschtests für Fünfjährige einführen. Wird ein Förderbedarf festgestellt, soll sich ein verpflichtendes Vorschuljahr mit Förderangeboten in den Kindergärten anschließen. Für die meisten Kinder wird sich dadurch allerdings kaum etwas ändern: Bereits jetzt gehen rund 95 Prozent der Drei- bis unter Sechsjährigen in Kitas.
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Das Vorhaben stößt auf Kritik. Es stellt sich die Frage, wer die Tests durchführen soll. Naheliegend ist für die Vorsitzende der GEW Thüringen, Kathrin Vitzthum, dass die Aufgabe pädagogischen Fachkräften in den Kitas zufällt. “Es gibt allerdings aktuell viel zu wenige Fachkräfte, die solche Tests fachlich fundiert durchführen könnten.” Auch Ulrike Grosse-Röthig, bildungspolitische Sprecherin der Linken, sieht “unnötige Belastungen für das ohnehin knappe Personal”. Der Thüringer Lehrerverband (tlv) hingegen begrüßt die angekündigten Sprachtests vor der Einschulung.
Christian Tischner, bildungspolitischer Sprecher der Thüringer CDU, rechtfertigt die höheren Anforderungen an das Kita-Personal und die Kita-Qualität mit einem besseren Betreuungsschlüssel, der bereits gesetzlich verankert ist. Um ihn zu erfüllen seien Tischner zufolge zusätzlich 145 Millionen Euro nötig. Der neue Schlüssel sieht einen Betreuer für sechs Kinder unter drei Jahren vor. Und einen Betreuer für zwölf Kinder über drei Jahren. Auch wenn die neue Koalition den nächsten Thüringer Haushalt erst noch aushandeln müsse, sei der neue Schlüssel für die CDU nicht antastbar, sagt Tischner.
Lehrkräftemangel: Der Koalitionsvertrag verspricht 100 Prozent Unterrichtsabsicherung an allen Schulen. Erreicht werden soll das mit der Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte “und der schnelleren Anerkennung von Studien- und Ausbildungsabschlüssen”.
Für Neueinstellungen soll ein “Einstellungs-Turbo” gezündet werden. Es geht um beschleunigte Einstellungs- und Anerkennungsverfahren. Bereits während des Studiums und des Referendariats etwa sollen angehende Lehrkräfte Stellenangebote erhalten. Für Martin Döring, Bildungsreferent der Thüringer SPD, ist dieser Schritt überfällig, um “im Bundesvergleich wettbewerbsstärker zu werden”. Andere Bundesländer machten Thüringer Lehramtsabsolventen und Referendaren schon Übernahme- oder Einstellungsangebote, wenn in Thüringen noch Sachverhalte geprüft würden.
Sitzenbleiben: Für Diskussionsstoff dürfte koalitionsintern auch die Frage des Sitzenbleibens sorgen. Die neue Koalition will eine “Versetzungsentscheidung ab Klasse 6 in jeder Klassenstufe” einführen. Derzeit gibt es in Thüringen in den Klassen fünf und sechs sowie sieben und acht Doppelklassenstufen. Anders formuliert: Ein Sitzenbleiben in den Klassen fünf und sieben ist somit bisher nicht möglich.
“Aus Sicht der SPD hätte sich hieran auch nichts ändern müssen”, sagt Martin Döring. Das Modell habe Lehrkräften mehr Zeit zur individuellen Förderung ermöglicht und den Schülerinnen und Schülern Raum gegeben, höhere Lernkompetenzstufen zu erreichen. Die CDU will dagegen mit der strengeren Regelung, “stärker auf Leistung setzen und zum Erfolg motivieren”.
Gendern: Die GEW Thüringen sieht im Koalitionsvertrag ein “Genderverbot durch die Hintertür”. Im Koalitionsvertrag heißt es: “Grundlage für den Sprach- und Schriftgebrauch an den Thüringer Schulen sind die Regeln des Rates der deutschen Rechtschreibung.” Der Rat hatte es im Dezember abgelehnt, Gendersternchen oder andere geschlechtergerechte Sprachzeichen in das amtliche Regelwerk aufzunehmen.
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Berufliche Bildung: Hier wollen CDU, BSW und SPD das Berufsschulnetz langfristig verlässlich halten. Aktuell gibt es 37 Berufsschulen in Thüringen. Das Problem: Ist der Weg zu weit, kann das von einer Ausbildung abschrecken – ein Abbau von Klassen schadet also der Attraktivität.
Ergänzt werden soll das bestehende Berufsschulnetz mit digitalen Lehrangebote in einer “digitalen Berufsschule”. Mario Köhler, Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands (BLV) Thüringen, begrüßt das. Er kritisiert jedoch, dass “derzeit nicht an jeder Schule alles technisch möglich ist, um einen Hybridunterricht zu gewährleisten”.
An überregional genutzten Berufsschulstandorten will die Koalition “die Schaffung von Internatskapazitäten” prüfen. Bedeutet: Mehr Blockunterricht, damit Azubis nicht ständig pendeln müssen. Berufsschulen sollen zudem “stärkere Eigenverantwortung in Personal- und Budgetthemen sowie für die Ausgestaltung der Ausbildungsbereiche und Schulformen” erhalten. Für kleine Klassen bräuchten sie dann keine Ausnahmegenehmigung mehr.
Inklusion: Während die rot-rot-grüne Koalition die Förderschule für ein Auslaufmodell hält und Inklusion stattdessen in Form von gemeinsamem Unterricht realisieren will, setzt die CDU jetzt wieder verstärkt auf Förderschulen. Im Koalitionsvertrag werden diese Schulen als gleichberechtigt neben anderen Inklusionsformen erwähnt. Christian Tischner aber will die Förderschulen weiter ausbauen und dafür mehr Stellen schaffen.
Verfassungsviertelstunde: Die Koalition will eine “Verfassungsviertelstunde” einführen. Hier diente offenbar Bayern als Vorbild, das solche Kurzauseinandersetzungen mit dem Grundgesetz seit September vorsieht.
Bundeswehr in der Schule: Die Schulen in Thüringen werden nicht zu Rekrutierungsorten für die Bundeswehr werden. Das schließen die Koalitionspartner aus. In ihrem Vertrag heißt es: “Der Unterricht darf keine Werbeplattform für eine berufliche Zukunft bei der Bundeswehr sein.”
Zum Download: der Koalitionsvertrag
Der Bundesminister für Bildung und Forschung, Cem Özdemir (Grüne), hat Stephan Ertner und Karl-Eugen Huthmacher zu den neuen beamteten Staatssekretären im BMBF ernannt. Das teilte Özdemir den Mitarbeitern des BMBF per Mail mit, die Table.Briefings vorliegt. Ertner ist derzeit Dienststellenleiter der Landesvertretung Baden-Württemberg und wird von dort abgeordnet, bis eine neue Regierung steht. Huthmacher ist ein ehemaliger Ministerialdirektor im BMBF. Beide Posten waren seit vergangener Woche vakant. Özedmir hatte die vorherigen beamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher Mitte November gebeten, ab 18. November in den Urlaub zu gehen.
Özdemir schreibt: “Ich freue mich, dass mich mit Stephan Ertner und Dr. Karl-Eugen Huthmacher zwei verwaltungserfahrene und fachpolitisch versierte Experten unterstützen werden.” Die Aufgaben der parlamentarischen Staatssekretäre wird die parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium Claudia Müller (Grüne) mit übernehmen. Özdemir schreibt, das Personaltableau sei seine “absolute Wunschbesetzung”. Er habe es dem Kanzleramt bereits kurz nach seiner Ernennung präsentiert. “Leider dauerten die formalen Prozesse länger als gehofft.” Er dankte den Mitarbeitern des BMBF “für ihre Geduld”. Das Bundeskabinett wird die Personalien am Mittwoch absegnen.
Auch die Aufgabenverteilung hat Özdemir bereits skizziert: Ertner werde für die Abteilungen Z (Zentralabteilung), 1 (Grundsatzfragen, Strategie), 2 (Europäische Zusammenarbeit) und 3 (Bildung) zuständig sein. Huthmacher für die Abteilungen 4 (Hochschulen), 5 (Forschung), 6 (Lebenswissenschaft) und 7 (Grundlagenforschung).
Stephan Ertner war fünf Jahre in der Zentralstelle des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg tätig. Danach hatte er zwei Abteilungsleiterpositionen in der Staatskanzlei des Landes, wo er unter anderem für den Bereich Wissenschaft und Forschung zuständig war. Er wurde von seiner Position als Dienststellenleiter der Landesvertretung von Baden-Württemberg beim Bund bis zum Ende der Wahlperiode abgeordnet und kehrt danach auf den Posten zurück.
Karl-Eugen Huthmacher war im BMBF von 2010 bis 2018 Ministerialdirektor und leitete die Abteilung “Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlage & Nachhaltigkeit”. Er hat Annette Schavan und Johanna Wanka als Ministerinnen erlebt. Özdemir nennt ihn einen “hausintern geschätzten Kollegen und fachpolitisch erfahrenen Experten”. Huthmacher unterbricht für die Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode seinen Ruhestand.
Die beiden beamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher hatte Özdemir, wie berichtet, von ihren Aufgaben entbunden. Die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Jens Brandenburg und Mario Brandenburg hatten das Haus bereits mit der im Zuge des Ampel-Aus zurückgetretenen Ministerin Bettina Stark-Watzinger verlassen. Bleiben kann hingegen Nicolas Leibold, bis dato persönlicher Referent von Jens Brandenburg im BMBF. Er wird in gleicher Funktion jetzt Claudia Müller zur Seite stehen. Anne Brüning / Thorsten Denkler
Eine Hotelkette, ein Hoch- und Tiefbau-Unternehmen und ein Gerüstbauer sind am Montag mit dem “Ausbildungs-Ass” 2024 ausgezeichnet worden. Die drei Unternehmen – die Hotelkette Upstalsboom, das Bauunternehmen Ernst Höbel und Module Spezial-Gerüstbau – belegten jeweils in den Kategorien Industrie/Handel/Dienstleistungen, Handwerk und Ausbildungsinitiativen den ersten Platz. Der Preis wurde zum 28. Mal von den Wirtschaftsjunioren unter Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministeriums vergeben.
Die Hotelkette Upstalsboom, zu der zehn Hotels in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gehören, beginnt die Ausbildung mit einem Camp, in dem die Azubis ihre Ausbildungsbeauftragten und die anderen Auszubildenden kennenlernen. Sie erstellen dort auch ein Stärkenprofil von sich, in das Hobbys oder persönliche Ziele einfließen, und sollen herausfinden, ob sie eher Morgen- oder Abendmenschen sind und wie sie am besten lernen.
Über die drei Jahre der Ausbildung gibt es zudem fünf eineinhalbtägige Workshops zu Themen wie Achtsamkeit und Fehlerkultur an. “Unsere Azubis sollen sich selbst kennenlernen”, sagt Jacqueline Walther, die die Ausbildung an allen Standorten koordiniert. “Auch wenn das heißt, dass sie sich doch noch für eine andere Ausbildung entscheiden.”
Das Bauunternehmen Ernst Höbel hat seinen Preis für sein “außergewöhnliches Ausbildungsangebot” bekommen. Das umfasst Firmenausflüge, Nachhilfe und Lerntage, um Lerndefizite auszugleichen. Außerdem werden den Azubis Anti-Stress-Tage und ein breites Sportprogramm geboten. Auf Messen dürfen sie sich als Unternehmensbotschafter ausprobieren und so “wertvolle Praxiserfahrungen” sammeln.
Ausgezeichnet wurde auch der Gerüstbauer Module Spezial-Gerüstbau für sein Projekt “Unternehmen mit Klasse”. Geschäftsführer Andreas Krebs hat es vor zwei Jahren initiiert. Seitdem besucht er monatlich die Schule am Tierpark, eine Integrierte Sekundarschule in Berlin. Er spricht dort mit Jugendlichen über Fragen der Berufsorientierung. Das Ziel: 25 Siebtklässler auf dem Weg zu ihrer Berufswahl bis Klasse 10 zu unterstützen.
Je nachdem, was die Schüler interessiert, holt er weitere Unternehmensvertreter in die Schule. Für ihre Praktikumssuche können die Jugendlichen auf “sein Telefonbuch mit 1.600 Kontakten” zurückgreifen, sagt Krebs. Inzwischen gibt es Nachahmer an zwei Schulen in Brandenburg und einer in Sachsen.
Einen Sonderpreis erhielt das Pflegeheim Wohnpark Zippendorf in Schwerin. Die Azubis leiten hier für zehn Wochen hauptverantwortlich eine Wohngruppe mit 28 Bewohnern, unterstützt von Fachkräften. Da die Azubis aus neun Nationen kommen, bietet das Pflegeheim bietet für sie Sprachkurse an. Es legt zudem besonderen Wert darauf, die Feste der Herkunftsländer seines Nachwuchses zu berücksichtigen.
Insgesamt war der Preis mit 15.000 Euro dotiert und wurde von der Versicherungsgruppe INTER gesponsert. Anna Parrisius
Die OECD hat am Dienstag ein 170 Seiten umfassendes Youth Policy Toolkit veröffentlicht. Es beinhaltet Best-Practice-Beispiele aus aller Welt zu Themen wie Bildung und Arbeitsmarktintegration junger Menschen. Vorgestellt wird etwa das tschechische Eco-School-Programm, das seit 2005 mittlerweile mehr als 400 Schulen, von der Vorschule bis zur Sekundarstufe, erreicht. An dem Programm nehmen rund 2.000 Lehrkräfte und 60.000 Schüler nehmen teil. Die Schulen werden Teil eines Netzwerks und werden von Mentoren oder regionalen Koordinatoren unterstützt. Zu dem Ansatz gehört die Bildung eines Eco-Teams, die Datenanalyse, Umsetzung und Evaluierung der Ideen und die Weitergabe des Gelernten an Außenstehende.
Ein weiteres Beispiel ist die lettische “School Bag”. Eine Studie aus dem Jahr 2016 hatte ergeben, dass ein Fünftel der Schüler keine außerschulischen kulturellen Veranstaltungen besuchte. Eine Antwort darauf ist die “Lettische Schultasche”. Das Programm startete 2018. Schulen bekommen darüber einen festen Kulturbetrag pro Schüler. Davon werden Kosten für Tickets und Transport gedeckt.
Neben dem Besuch von Kulturveranstaltungen können darüber auch Besuche von Kulturschaffenden in der Schule oder digitale Events abgedeckt werden. Das Programm wird über eine Website koordiniert. Sie bietet Lehrpläne und Empfehlungen für derzeit etwa knapp 1.000 Veranstaltungen. Bis 2022 hat das Programm 96 Prozent der Schüler von der 1. bis zur 12. Klasse erreicht.
Griechenland, Litauen, Portugal und Slowenien setzen das EU-Programm SparkDigiGirls um. Es fördert das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Mädchen lernen, innovative Technologien wie KI, VR und IoT anzuwenden. Workshops, Online-Kurse und Rollenvorbilder aus der Technologiebranche sollen Stereotypen abbauen und die Beteiligung von Mädchen erhöhen. Über 200 Jugendliche und 30 Jugendbetreuer profitierten derzeit davon. Thorsten Denkler
Die OECD hat ihren neuen Education Policy Outlook 2024 herausgegeben. Die Analyse beleuchtet vor allem den Lehrkräftemangel und benennt mögliche Lösungen. Laut dem Bericht kämpfen Bildungssysteme weltweit mit Lehrkräftemangel, sinkenden Schülerleistungen und anhaltenden Ungleichheiten. Zwischen 2015 und 2022 stieg der Anteil der Schüler, deren Schulleiter von Engpässen berichteten, im OECD-Durchschnitt von 29 Prozent auf 46,7 Prozent. Alternde Bevölkerungen verschärften das.
Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt die OECD zur Gewinnung von Lehrkräften den Zugang zum Beruf zu erleichtern und die Rückgewinnung ehemaliger Lehrkräfte zu unterstützen. Die Lehrkräfte müssten zudem regional besser verteilt und die Attraktivität des Berufs gesteigert werden. Der Bericht stelle einen möglichen “politischen Fahrplan“ vor, der Bildungssystemen helfen solle, Angebot und Nachfrage nach “qualitativ hochwertiger Lehre in diesen sich wandelnden Zeiten in Einklang zu bringen“. Thorsten Denkler
In der Schule werden viele Chancen vertan, positiv zur Gesundheit junger Menschen beizutragen. Das konstatieren die Autoren des diesjährigen Kindergesundheitsbericht, den die Stiftung Kindergesundheit am Dienstag veröffentlicht hat. Das Schulessen, der Sportunterricht oder das Schulklima könnten an die Gesundheitsbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen angepasst werden. Stattdessen aber gebe es an vielen Schulen keine ausreichenden Spielmöglichkeiten, nur unzureichendes Kantinenessen und zu wenig psychosozialen Unterstützung. Gleichzeitig sei der Gesundheitszustand vieler Kinder besorgniserregend:
Dem gegenüber stehen laut Bericht überlastete Lehrkräfte, zu wenig Inklusions- und Integrations-Angebote, minderwertiges und billiges Schulessen. Neben mehr Schulpsychologen und Sozialarbeitern fordert der Bericht zudem mehr Schulgesundheitsfachkräfte.
An dem Bericht waren auch die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie beteiligt. Thorsten Denkler
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Drei der wichtigsten Bildungspolitiker der FDP wollen wieder in den Bundestag: Ex-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ist zur Nummer eins der hessischen Landesliste gewählt worden. In Baden-Württemberg ist ihr ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär Jens Brandenburg auf Platz sechs der Landesliste zu finden. Ria Schröder will in Hamburg Listenplatz eins von Michael Kruse erben, der nicht wieder antritt. Sie muss auf dem Landesparteitag am 7. Dezember aber mit einem Gegenkandidaten rechnen. Mario Brandenburg, der zweite ehemalige parlamentarische Staatssekretär im BMBF, hat sich noch nicht erklärt. Mindestvoraussetzung für alle ist: Die FDP muss über die Fünf-Prozent-Hürde kommen.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an bildung.red@table.media.
Research.Table: Brombeer-Koalitionen – Was die Regierungsbeteiligung des BSW für die Wissenschaft bedeutet. In Thüringen formiert sich die neue Landesregierung. Für Forschung und Wissenschaft werden ambitionierte Ziele formuliert. Wer sie umsetzen kann, steht noch nicht fest. Sehr wahrscheinlich ist aber: Der Zuschnitt der Ministerien wird sich ändern. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: Göttingen – Wie es nach der Abwahl Metin Tolans weitergeht. Nach der endgültigen Entscheidung über die Abwahl von Metin Tolan sucht die Universität Göttingen einen neuen Präsidenten. Fraglich ist, ob die bisher zerstrittenen Gruppen sich auf eine gemeinsame Lösung einigen können. Oder ob der niedersächsische Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) eingreifen muss. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: GWK – Özdemir übernimmt Vorsitz der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. Die Länderminister hatten sich von ihrem ersten Treffen mit dem neuen Bundesforschungsminister Cem Özdemir (Grüne) vor allem atmosphärische Verbesserungen im Bund-Länder-Verhältnis erhofft. Nun wurden erste Personal- und Sachentscheidungen unter seinem Vorsitz beschlossen. Mehr lesen Sie hier.
Tagesspiegel: Jusos fordern Mietendeckel für WG-Zimmer. Mit einer WG-Garantie soll jeder Student oder Azubi höchstens 400 Euro für ein Zimmer zahlen müssen. Bafög-Berechtigten soll die Wohnungspauschale erhöht werden. Für die übrigen Studierenden und Azubis soll der Staat Wohnkosten ab 400 Euro übernehmen. Die Jusos fordern ebenfalls eine Ausbauoffensive der Studierenden- und Azubiwerke. (“Wir wollen eine WG-Garantie”: Jusos fordern Begrenzung der Mietkosten für Studierende und Auszubildende)
Zeit: Jährlich braucht Deutschland bis 2040 rund 288.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland. Zu dem Ergebnis kommt eine Analyse im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Ein zweites Projektionsmodell geht sogar von 368.000 benötigten Zuwanderern jährlich aus. Aktuell gebe es deutlich weniger Arbeitsmigration als benötigt. Nach Angaben der Bundesregierung dürften in diesem Jahr etwa 200.000 Visa zu Erwerbszwecken erteilt werden – ein Anstieg um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders stark zugenommen haben Visa für Studium, Berufsausbildung und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. (Studie sieht erheblichen Bedarf an Zuwanderung bis 2040)
Badische Zeitung: Mehr Lehrerstellen in Baden-Württemberg geplant. In Baden-Württemberg sollen 300 zusätzliche Lehrerstellen entstehen. Dieses Vorhaben wird vor allem mit Kürzungen im Förderprogramm Rückenwind finanziert, das Lernlücken aus der Corona-Pandemie ausgleichen soll. Kritiker werfen der Landesregierung vor, der Bedarf an Lehrkräften sei deutlich höher. Einige Bildungsverbände rechnen mit einem Mehrbedarf von 1.500 Stellen – Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit 990. (Baden-Württemberg stockt Lehrerstellen auf – und erntet Kritik)
Stern: Habeck will Superreiche zugunsten der Bildung höher besteuern. Robert Habeck schlägt vor, die im Kita-Qualitätsgesetz veranschlagten zwei Milliarden Euro auf vier Milliarden zu erhöhen. Dieses Geld könne aus Steuererhöhungen für Superreiche gewonnen werden. Es sei nicht ausreichend, die Laufzeit des Kita-Qualitätsgesetzes zu verlängern – stattdessen seien massive Investitionen nötig. (Habeck am Küchentisch: Superreiche besteuern für Bildung)
CNN: Klage gegen Trumps Wunschkandidatin für das Bildungsministerium. Der Vorwurf: Linda McMahon habe zu ihrer Zeit als Wrestling-Managerin zusammen mit ihrem Mann den sexuellen Missbrauch von Kindern wissentlich ermöglicht. Ein Mitarbeiter habe seine Position im McMahon-Unternehmen, der WWE, genutzt, um Kontakt mit Minderjährigen zu bekommen. Er sei zunächst entlassen, dann aber von den McMahons wieder eingestellt worden. Bedingung: Er solle sich von Kindern fernhalten. Was er aber nicht tat. (Linda McMahon, Trump’s Education pick, was sued for allegedly enabling sexual abuse of children)
28. November, 17 bis 18.30 Uhr, online
Webinar Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus in der Schule
Wie äußert sich Rassismus und Antisemitismus in der Schule? Karim Fereidooni stellt dazu seine Studienergebnisse vor, mit einem Fokus auf betroffene Lehrer. Das Webinar ist eine Veranstaltung der Aktion Kinder- und Jugendschutz in Schleswig-Holstein. INFOS & ANMELDUNG
4. Dezember, 14 bis 16 Uhr, online
Webinar Lernförderliche Unterrichtsräume / top Akustik – top Raumklima – top Farbkonzept – top Planung
Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg und der Fachverband Gebäude-Klima veranstalten gemeinsam ein Webinar, um über den Einfluss von Schulgebäuden und Klassenzimmern auf den Lernerfolg zu diskutieren. ANMELDUNG
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Webinar Prompts für die Politik – Welche Skills braucht die digitale Demokratie?
Digital- und Demokratiekompetenz sind eng verknüpft. Desinformationskampagnen in den sozialen Medien beeinflussen die politische Meinungsbildung, insbesondere von Jugendlichen. Welche Kompetenzen Jugendliche jetzt brauchen, zeigt diese Veranstaltung der Gesellschaft für Informatik. INFOS & ANMELDUNG
5. Dezember, 16 bis 17 Uhr, online
Webinar Demokratie unter Druck: Demokratiebildung in der Kultur der Digitalität
In dieser Online-Veranstaltung des Kompetenzverbunds lernen.digital erklärt unter anderem die Pädagogin Marina Weisband die Bedeutung von demokratischer Beteiligung in der Schule zur Stärkung von demokratischen Kompetenzen von Schülern. INFOS & ANMELDUNG
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Er sieht sich nun den 16 Ländern gegenüber, die weiterhin nicht bereit sind, sich auf alle Forderungen des Bundes einzulassen. In unserer ersten Analyse lesen Sie, was die größten Streitpunkte sind, was für die kommenden Treffen geplant ist und welche neue Wendungen sich im Digitalpakt-Drama abzeichnen.
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An diesem Donnerstag wird deshalb die vorgesehene weitere Verhandlungsrunde zwischen Bund und Ländern zunächst wohl nur ein Kennenlern-Termin zwischen Ertner und seinen Länder-Pendants.
Das Paradoxe: Die Stimmung hinter den Kulissen ist trotz aller Irrungen und Wirrungen in den Verhandlungen, die seit Dezember 2022 laufen, auffallend positiv. Vom Übergangsbildungsminister Cem Özdemir gab es die Zusage, alles zu tun, damit der Digitalpakt II zu Ende verhandelt wird. Er wolle “keine unnötigen Konfrontationen” und sei dafür, die Gespräche mit den Ländern “zeitnah erfolgreich abzuschließen”.
Auch auf Länderseite ist Zuversicht zu vernehmen. Es ist vom Ziel zu hören, auf Staatssekretärsebene zur Bildungs-MK am 13. Dezember den Entwurf eines geeinten Papiers vorzulegen. Dazu passt, dass es in der kommenden Woche einen zusätzlichen Verhandlungstermin geben soll.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Liste der Dissenz-Punkte zwischen Bund und Ländern ist nach wie vor groß. Zur Erinnerung: Ende April hatte das BMBF – vor dem Ampel-Aus und noch unter Führung der damaligen Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) – seine Bedingungen vorgelegt. Sie enthielten drei Handlungsstränge:
Die brüskierten Länder konterten am 10. Mai mit einer Gegenposition. Sie verwiesen etwa auf die “gesamtstaatliche Relevanz und Dauerhaftigkeit der Aufgabe” und verbaten sich eine Einmischung in die Bildungshoheit der Länder.
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Seit Mitte des Jahres, so ist aus Verhandlungskreisen zu hören, arbeiten Bund und Länder an zwei Dokumenten:
Im Fokus der Debatte steht auch der Artikel 104c des Grundgesetzes. Dieser Artikel definiert, der Bund könne Finanzhilfen zur “Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur” gewähren. Vertreter der Länder und Kommunen fordern, die Investitionen anders als im Digitalpakt I nicht nur auf Infrastruktur und Administration zu beschränken. Stattdessen solle das Geld auch für Inhalte und Qualifizierung verwendet dürfen.
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Nach wie vor gilt es, die eckigen Klammern aufzulösen, die in den Dokumenten die unterschiedlichen Bund-Länder-Positionen markieren. An erster Stelle steht noch immer die Frage der 50/50-Finanzierung für die Infrastruktur. Die Länder sehen darin eine finanzielle Überforderung. Sie wollen weiterhin Wege ausloten, sich bestehende oder geplante Landesinvestitionen für digitale Bildung anrechnen zu lassen.
Weitere Diskussionen bringen ein Startchancen-Déjà-vu mit sich: Wie sollen die Bundesmittel an die Länder verteilt werden? Unter Stark-Watzinger kämpfte das BMBF vehement für die Abkehr vom Königsteiner Schlüssel, der sich nur nach Einwohnerzahl und Finanzkraft der Länder richtet. Die GEW forderte noch im September, dass es einen Sozialindex geben müsse. Ob es dazu kommt, ist Teil der anstehenden Verhandlungen. Auf dem Tisch liegt weiterhin auch die Frage, ob der Bund nach einem Ende des Digitalpaktes II seine Unterstützung gänzlich einstellt.
Spannend wird zudem, wie es mit den länderübergreifenden Vorhaben weitergehen soll. Die bundesseitige Förderung dieser Projekte war im Digitalpakt I festgeschrieben: Er gab fünf Prozent des Bundesanteils im Digitalpakt I, also 250 Millionen Euro. Wie viel Budget im Digitalpakt II für länderübergreifende Vorhaben vorgesehen ist, ist bislang nicht bekannt.
Während die Schulen und Schulträger nach Ende des Digitalpakts I im Frühjahr teilweise schon mit der Förderlücke zu kämpfen haben, steht im Topf für die Länderprojekte noch reichlich Geld zur Verfügung. Was auch daran liegt, dass die Länder erst schauen mussten, was sie mit dem Geld machen wollen. Jetzt sind die Ideen da, das Geld kann langsam fließen. Bund und Länder feiern sich: Endlich wird nicht mehr alles in den Ländern einzeln entwickelt, sondern länderübergreifend kooperiert. Wie nachhaltig das aber ist, bleibt abzuwarten.
Die Bildungswirtschaft ist weniger begeistert. Sie kritisiert, die Vorhaben würden in den Markt eingreifen und den Wettbewerb verzerren. Insbesondere die AIS-Ausschreibung mit einem einmaligen Fördervolumen von rund 60 Millionen Euro für ein Konsortium wird mit Spannung beobachtet. Wer immer die Ausschreibung gewinnt und damit das Geld bekommt, hat einen gewaltigen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.
Die Verhandler ringen also weiter um die großen und kleinen Detailfragen. Formal könnten Bund und Länder trotz Ampel-Aus einen gemeinsamen Digitalpakt II beschließen. Das wäre aus Bundessicht reines Regierungshandeln. Der Bundestag müsste dem zunächst nicht zustimmen. Der Pakt stünde jedoch unter Finanzierungsvorbehalt. Ein anderes Szenario könnte ein gemeinsames Eckpunktepapier sein, das einer neuen Bundesregierung dann als Grundlage für finale Gespräche dienen würde.
Schulen und Schulträger hoffen auf eine baldige Einigung – und damit auf eine sichere Finanzierung der digitalen Ausstattung. Gleichzeitig fordern sie: Der neue Digitalpakt solle kein reines Infrastrukturpaket sein. Auch von wissenschaftlicher Seite gibt es dafür Unterstützung. Birgit Eickelmann, Leiterin der ICIL-Studie, sagte etwa im Live.Briefing zum Digitalpakt: Die Digitalpakt-Einigung solle darauf geprüft werden, wie sehr an die Schülerinnen und Schüler gedacht wurde. Neben der technischen Ausstattung gehe es schließlich auch um Individualisierung und neue pädagogische Konzepte.
Der Koalitionsvertrag in Thüringen steht, und er setzt Bildung an die erste Stelle. Damit bildet das Bundesland, in dem künftig CDU, BSW und SPD gemeinsam regieren, längst keine Ausnahme mehr. Es ist das sechste Land, das dieses Thema nach vorne stellt. Außergewöhnlich ist das 126-Seiten-Papier trotzdem. Allein schon, weil erstmals das BSW beteiligt ist und sich nun offenbart, wo die künftige Regierung Schwerpunkte in der Bildung setzt. Die ersten Urteile fallen durchwachsen aus.
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Sprachtests: Die Brombeer-Koalition will verpflichtende Deutschtests für Fünfjährige einführen. Wird ein Förderbedarf festgestellt, soll sich ein verpflichtendes Vorschuljahr mit Förderangeboten in den Kindergärten anschließen. Für die meisten Kinder wird sich dadurch allerdings kaum etwas ändern: Bereits jetzt gehen rund 95 Prozent der Drei- bis unter Sechsjährigen in Kitas.
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Das Vorhaben stößt auf Kritik. Es stellt sich die Frage, wer die Tests durchführen soll. Naheliegend ist für die Vorsitzende der GEW Thüringen, Kathrin Vitzthum, dass die Aufgabe pädagogischen Fachkräften in den Kitas zufällt. “Es gibt allerdings aktuell viel zu wenige Fachkräfte, die solche Tests fachlich fundiert durchführen könnten.” Auch Ulrike Grosse-Röthig, bildungspolitische Sprecherin der Linken, sieht “unnötige Belastungen für das ohnehin knappe Personal”. Der Thüringer Lehrerverband (tlv) hingegen begrüßt die angekündigten Sprachtests vor der Einschulung.
Christian Tischner, bildungspolitischer Sprecher der Thüringer CDU, rechtfertigt die höheren Anforderungen an das Kita-Personal und die Kita-Qualität mit einem besseren Betreuungsschlüssel, der bereits gesetzlich verankert ist. Um ihn zu erfüllen seien Tischner zufolge zusätzlich 145 Millionen Euro nötig. Der neue Schlüssel sieht einen Betreuer für sechs Kinder unter drei Jahren vor. Und einen Betreuer für zwölf Kinder über drei Jahren. Auch wenn die neue Koalition den nächsten Thüringer Haushalt erst noch aushandeln müsse, sei der neue Schlüssel für die CDU nicht antastbar, sagt Tischner.
Lehrkräftemangel: Der Koalitionsvertrag verspricht 100 Prozent Unterrichtsabsicherung an allen Schulen. Erreicht werden soll das mit der Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte “und der schnelleren Anerkennung von Studien- und Ausbildungsabschlüssen”.
Für Neueinstellungen soll ein “Einstellungs-Turbo” gezündet werden. Es geht um beschleunigte Einstellungs- und Anerkennungsverfahren. Bereits während des Studiums und des Referendariats etwa sollen angehende Lehrkräfte Stellenangebote erhalten. Für Martin Döring, Bildungsreferent der Thüringer SPD, ist dieser Schritt überfällig, um “im Bundesvergleich wettbewerbsstärker zu werden”. Andere Bundesländer machten Thüringer Lehramtsabsolventen und Referendaren schon Übernahme- oder Einstellungsangebote, wenn in Thüringen noch Sachverhalte geprüft würden.
Sitzenbleiben: Für Diskussionsstoff dürfte koalitionsintern auch die Frage des Sitzenbleibens sorgen. Die neue Koalition will eine “Versetzungsentscheidung ab Klasse 6 in jeder Klassenstufe” einführen. Derzeit gibt es in Thüringen in den Klassen fünf und sechs sowie sieben und acht Doppelklassenstufen. Anders formuliert: Ein Sitzenbleiben in den Klassen fünf und sieben ist somit bisher nicht möglich.
“Aus Sicht der SPD hätte sich hieran auch nichts ändern müssen”, sagt Martin Döring. Das Modell habe Lehrkräften mehr Zeit zur individuellen Förderung ermöglicht und den Schülerinnen und Schülern Raum gegeben, höhere Lernkompetenzstufen zu erreichen. Die CDU will dagegen mit der strengeren Regelung, “stärker auf Leistung setzen und zum Erfolg motivieren”.
Gendern: Die GEW Thüringen sieht im Koalitionsvertrag ein “Genderverbot durch die Hintertür”. Im Koalitionsvertrag heißt es: “Grundlage für den Sprach- und Schriftgebrauch an den Thüringer Schulen sind die Regeln des Rates der deutschen Rechtschreibung.” Der Rat hatte es im Dezember abgelehnt, Gendersternchen oder andere geschlechtergerechte Sprachzeichen in das amtliche Regelwerk aufzunehmen.
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Berufliche Bildung: Hier wollen CDU, BSW und SPD das Berufsschulnetz langfristig verlässlich halten. Aktuell gibt es 37 Berufsschulen in Thüringen. Das Problem: Ist der Weg zu weit, kann das von einer Ausbildung abschrecken – ein Abbau von Klassen schadet also der Attraktivität.
Ergänzt werden soll das bestehende Berufsschulnetz mit digitalen Lehrangebote in einer “digitalen Berufsschule”. Mario Köhler, Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands (BLV) Thüringen, begrüßt das. Er kritisiert jedoch, dass “derzeit nicht an jeder Schule alles technisch möglich ist, um einen Hybridunterricht zu gewährleisten”.
An überregional genutzten Berufsschulstandorten will die Koalition “die Schaffung von Internatskapazitäten” prüfen. Bedeutet: Mehr Blockunterricht, damit Azubis nicht ständig pendeln müssen. Berufsschulen sollen zudem “stärkere Eigenverantwortung in Personal- und Budgetthemen sowie für die Ausgestaltung der Ausbildungsbereiche und Schulformen” erhalten. Für kleine Klassen bräuchten sie dann keine Ausnahmegenehmigung mehr.
Inklusion: Während die rot-rot-grüne Koalition die Förderschule für ein Auslaufmodell hält und Inklusion stattdessen in Form von gemeinsamem Unterricht realisieren will, setzt die CDU jetzt wieder verstärkt auf Förderschulen. Im Koalitionsvertrag werden diese Schulen als gleichberechtigt neben anderen Inklusionsformen erwähnt. Christian Tischner aber will die Förderschulen weiter ausbauen und dafür mehr Stellen schaffen.
Verfassungsviertelstunde: Die Koalition will eine “Verfassungsviertelstunde” einführen. Hier diente offenbar Bayern als Vorbild, das solche Kurzauseinandersetzungen mit dem Grundgesetz seit September vorsieht.
Bundeswehr in der Schule: Die Schulen in Thüringen werden nicht zu Rekrutierungsorten für die Bundeswehr werden. Das schließen die Koalitionspartner aus. In ihrem Vertrag heißt es: “Der Unterricht darf keine Werbeplattform für eine berufliche Zukunft bei der Bundeswehr sein.”
Zum Download: der Koalitionsvertrag
Der Bundesminister für Bildung und Forschung, Cem Özdemir (Grüne), hat Stephan Ertner und Karl-Eugen Huthmacher zu den neuen beamteten Staatssekretären im BMBF ernannt. Das teilte Özdemir den Mitarbeitern des BMBF per Mail mit, die Table.Briefings vorliegt. Ertner ist derzeit Dienststellenleiter der Landesvertretung Baden-Württemberg und wird von dort abgeordnet, bis eine neue Regierung steht. Huthmacher ist ein ehemaliger Ministerialdirektor im BMBF. Beide Posten waren seit vergangener Woche vakant. Özedmir hatte die vorherigen beamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher Mitte November gebeten, ab 18. November in den Urlaub zu gehen.
Özdemir schreibt: “Ich freue mich, dass mich mit Stephan Ertner und Dr. Karl-Eugen Huthmacher zwei verwaltungserfahrene und fachpolitisch versierte Experten unterstützen werden.” Die Aufgaben der parlamentarischen Staatssekretäre wird die parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium Claudia Müller (Grüne) mit übernehmen. Özdemir schreibt, das Personaltableau sei seine “absolute Wunschbesetzung”. Er habe es dem Kanzleramt bereits kurz nach seiner Ernennung präsentiert. “Leider dauerten die formalen Prozesse länger als gehofft.” Er dankte den Mitarbeitern des BMBF “für ihre Geduld”. Das Bundeskabinett wird die Personalien am Mittwoch absegnen.
Auch die Aufgabenverteilung hat Özdemir bereits skizziert: Ertner werde für die Abteilungen Z (Zentralabteilung), 1 (Grundsatzfragen, Strategie), 2 (Europäische Zusammenarbeit) und 3 (Bildung) zuständig sein. Huthmacher für die Abteilungen 4 (Hochschulen), 5 (Forschung), 6 (Lebenswissenschaft) und 7 (Grundlagenforschung).
Stephan Ertner war fünf Jahre in der Zentralstelle des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg tätig. Danach hatte er zwei Abteilungsleiterpositionen in der Staatskanzlei des Landes, wo er unter anderem für den Bereich Wissenschaft und Forschung zuständig war. Er wurde von seiner Position als Dienststellenleiter der Landesvertretung von Baden-Württemberg beim Bund bis zum Ende der Wahlperiode abgeordnet und kehrt danach auf den Posten zurück.
Karl-Eugen Huthmacher war im BMBF von 2010 bis 2018 Ministerialdirektor und leitete die Abteilung “Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlage & Nachhaltigkeit”. Er hat Annette Schavan und Johanna Wanka als Ministerinnen erlebt. Özdemir nennt ihn einen “hausintern geschätzten Kollegen und fachpolitisch erfahrenen Experten”. Huthmacher unterbricht für die Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode seinen Ruhestand.
Die beiden beamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher hatte Özdemir, wie berichtet, von ihren Aufgaben entbunden. Die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Jens Brandenburg und Mario Brandenburg hatten das Haus bereits mit der im Zuge des Ampel-Aus zurückgetretenen Ministerin Bettina Stark-Watzinger verlassen. Bleiben kann hingegen Nicolas Leibold, bis dato persönlicher Referent von Jens Brandenburg im BMBF. Er wird in gleicher Funktion jetzt Claudia Müller zur Seite stehen. Anne Brüning / Thorsten Denkler
Eine Hotelkette, ein Hoch- und Tiefbau-Unternehmen und ein Gerüstbauer sind am Montag mit dem “Ausbildungs-Ass” 2024 ausgezeichnet worden. Die drei Unternehmen – die Hotelkette Upstalsboom, das Bauunternehmen Ernst Höbel und Module Spezial-Gerüstbau – belegten jeweils in den Kategorien Industrie/Handel/Dienstleistungen, Handwerk und Ausbildungsinitiativen den ersten Platz. Der Preis wurde zum 28. Mal von den Wirtschaftsjunioren unter Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministeriums vergeben.
Die Hotelkette Upstalsboom, zu der zehn Hotels in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gehören, beginnt die Ausbildung mit einem Camp, in dem die Azubis ihre Ausbildungsbeauftragten und die anderen Auszubildenden kennenlernen. Sie erstellen dort auch ein Stärkenprofil von sich, in das Hobbys oder persönliche Ziele einfließen, und sollen herausfinden, ob sie eher Morgen- oder Abendmenschen sind und wie sie am besten lernen.
Über die drei Jahre der Ausbildung gibt es zudem fünf eineinhalbtägige Workshops zu Themen wie Achtsamkeit und Fehlerkultur an. “Unsere Azubis sollen sich selbst kennenlernen”, sagt Jacqueline Walther, die die Ausbildung an allen Standorten koordiniert. “Auch wenn das heißt, dass sie sich doch noch für eine andere Ausbildung entscheiden.”
Das Bauunternehmen Ernst Höbel hat seinen Preis für sein “außergewöhnliches Ausbildungsangebot” bekommen. Das umfasst Firmenausflüge, Nachhilfe und Lerntage, um Lerndefizite auszugleichen. Außerdem werden den Azubis Anti-Stress-Tage und ein breites Sportprogramm geboten. Auf Messen dürfen sie sich als Unternehmensbotschafter ausprobieren und so “wertvolle Praxiserfahrungen” sammeln.
Ausgezeichnet wurde auch der Gerüstbauer Module Spezial-Gerüstbau für sein Projekt “Unternehmen mit Klasse”. Geschäftsführer Andreas Krebs hat es vor zwei Jahren initiiert. Seitdem besucht er monatlich die Schule am Tierpark, eine Integrierte Sekundarschule in Berlin. Er spricht dort mit Jugendlichen über Fragen der Berufsorientierung. Das Ziel: 25 Siebtklässler auf dem Weg zu ihrer Berufswahl bis Klasse 10 zu unterstützen.
Je nachdem, was die Schüler interessiert, holt er weitere Unternehmensvertreter in die Schule. Für ihre Praktikumssuche können die Jugendlichen auf “sein Telefonbuch mit 1.600 Kontakten” zurückgreifen, sagt Krebs. Inzwischen gibt es Nachahmer an zwei Schulen in Brandenburg und einer in Sachsen.
Einen Sonderpreis erhielt das Pflegeheim Wohnpark Zippendorf in Schwerin. Die Azubis leiten hier für zehn Wochen hauptverantwortlich eine Wohngruppe mit 28 Bewohnern, unterstützt von Fachkräften. Da die Azubis aus neun Nationen kommen, bietet das Pflegeheim bietet für sie Sprachkurse an. Es legt zudem besonderen Wert darauf, die Feste der Herkunftsländer seines Nachwuchses zu berücksichtigen.
Insgesamt war der Preis mit 15.000 Euro dotiert und wurde von der Versicherungsgruppe INTER gesponsert. Anna Parrisius
Die OECD hat am Dienstag ein 170 Seiten umfassendes Youth Policy Toolkit veröffentlicht. Es beinhaltet Best-Practice-Beispiele aus aller Welt zu Themen wie Bildung und Arbeitsmarktintegration junger Menschen. Vorgestellt wird etwa das tschechische Eco-School-Programm, das seit 2005 mittlerweile mehr als 400 Schulen, von der Vorschule bis zur Sekundarstufe, erreicht. An dem Programm nehmen rund 2.000 Lehrkräfte und 60.000 Schüler nehmen teil. Die Schulen werden Teil eines Netzwerks und werden von Mentoren oder regionalen Koordinatoren unterstützt. Zu dem Ansatz gehört die Bildung eines Eco-Teams, die Datenanalyse, Umsetzung und Evaluierung der Ideen und die Weitergabe des Gelernten an Außenstehende.
Ein weiteres Beispiel ist die lettische “School Bag”. Eine Studie aus dem Jahr 2016 hatte ergeben, dass ein Fünftel der Schüler keine außerschulischen kulturellen Veranstaltungen besuchte. Eine Antwort darauf ist die “Lettische Schultasche”. Das Programm startete 2018. Schulen bekommen darüber einen festen Kulturbetrag pro Schüler. Davon werden Kosten für Tickets und Transport gedeckt.
Neben dem Besuch von Kulturveranstaltungen können darüber auch Besuche von Kulturschaffenden in der Schule oder digitale Events abgedeckt werden. Das Programm wird über eine Website koordiniert. Sie bietet Lehrpläne und Empfehlungen für derzeit etwa knapp 1.000 Veranstaltungen. Bis 2022 hat das Programm 96 Prozent der Schüler von der 1. bis zur 12. Klasse erreicht.
Griechenland, Litauen, Portugal und Slowenien setzen das EU-Programm SparkDigiGirls um. Es fördert das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Mädchen lernen, innovative Technologien wie KI, VR und IoT anzuwenden. Workshops, Online-Kurse und Rollenvorbilder aus der Technologiebranche sollen Stereotypen abbauen und die Beteiligung von Mädchen erhöhen. Über 200 Jugendliche und 30 Jugendbetreuer profitierten derzeit davon. Thorsten Denkler
Die OECD hat ihren neuen Education Policy Outlook 2024 herausgegeben. Die Analyse beleuchtet vor allem den Lehrkräftemangel und benennt mögliche Lösungen. Laut dem Bericht kämpfen Bildungssysteme weltweit mit Lehrkräftemangel, sinkenden Schülerleistungen und anhaltenden Ungleichheiten. Zwischen 2015 und 2022 stieg der Anteil der Schüler, deren Schulleiter von Engpässen berichteten, im OECD-Durchschnitt von 29 Prozent auf 46,7 Prozent. Alternde Bevölkerungen verschärften das.
Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt die OECD zur Gewinnung von Lehrkräften den Zugang zum Beruf zu erleichtern und die Rückgewinnung ehemaliger Lehrkräfte zu unterstützen. Die Lehrkräfte müssten zudem regional besser verteilt und die Attraktivität des Berufs gesteigert werden. Der Bericht stelle einen möglichen “politischen Fahrplan“ vor, der Bildungssystemen helfen solle, Angebot und Nachfrage nach “qualitativ hochwertiger Lehre in diesen sich wandelnden Zeiten in Einklang zu bringen“. Thorsten Denkler
In der Schule werden viele Chancen vertan, positiv zur Gesundheit junger Menschen beizutragen. Das konstatieren die Autoren des diesjährigen Kindergesundheitsbericht, den die Stiftung Kindergesundheit am Dienstag veröffentlicht hat. Das Schulessen, der Sportunterricht oder das Schulklima könnten an die Gesundheitsbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen angepasst werden. Stattdessen aber gebe es an vielen Schulen keine ausreichenden Spielmöglichkeiten, nur unzureichendes Kantinenessen und zu wenig psychosozialen Unterstützung. Gleichzeitig sei der Gesundheitszustand vieler Kinder besorgniserregend:
Dem gegenüber stehen laut Bericht überlastete Lehrkräfte, zu wenig Inklusions- und Integrations-Angebote, minderwertiges und billiges Schulessen. Neben mehr Schulpsychologen und Sozialarbeitern fordert der Bericht zudem mehr Schulgesundheitsfachkräfte.
An dem Bericht waren auch die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie beteiligt. Thorsten Denkler
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Drei der wichtigsten Bildungspolitiker der FDP wollen wieder in den Bundestag: Ex-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ist zur Nummer eins der hessischen Landesliste gewählt worden. In Baden-Württemberg ist ihr ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär Jens Brandenburg auf Platz sechs der Landesliste zu finden. Ria Schröder will in Hamburg Listenplatz eins von Michael Kruse erben, der nicht wieder antritt. Sie muss auf dem Landesparteitag am 7. Dezember aber mit einem Gegenkandidaten rechnen. Mario Brandenburg, der zweite ehemalige parlamentarische Staatssekretär im BMBF, hat sich noch nicht erklärt. Mindestvoraussetzung für alle ist: Die FDP muss über die Fünf-Prozent-Hürde kommen.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an bildung.red@table.media.
Research.Table: Brombeer-Koalitionen – Was die Regierungsbeteiligung des BSW für die Wissenschaft bedeutet. In Thüringen formiert sich die neue Landesregierung. Für Forschung und Wissenschaft werden ambitionierte Ziele formuliert. Wer sie umsetzen kann, steht noch nicht fest. Sehr wahrscheinlich ist aber: Der Zuschnitt der Ministerien wird sich ändern. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: Göttingen – Wie es nach der Abwahl Metin Tolans weitergeht. Nach der endgültigen Entscheidung über die Abwahl von Metin Tolan sucht die Universität Göttingen einen neuen Präsidenten. Fraglich ist, ob die bisher zerstrittenen Gruppen sich auf eine gemeinsame Lösung einigen können. Oder ob der niedersächsische Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) eingreifen muss. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: GWK – Özdemir übernimmt Vorsitz der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. Die Länderminister hatten sich von ihrem ersten Treffen mit dem neuen Bundesforschungsminister Cem Özdemir (Grüne) vor allem atmosphärische Verbesserungen im Bund-Länder-Verhältnis erhofft. Nun wurden erste Personal- und Sachentscheidungen unter seinem Vorsitz beschlossen. Mehr lesen Sie hier.
Tagesspiegel: Jusos fordern Mietendeckel für WG-Zimmer. Mit einer WG-Garantie soll jeder Student oder Azubi höchstens 400 Euro für ein Zimmer zahlen müssen. Bafög-Berechtigten soll die Wohnungspauschale erhöht werden. Für die übrigen Studierenden und Azubis soll der Staat Wohnkosten ab 400 Euro übernehmen. Die Jusos fordern ebenfalls eine Ausbauoffensive der Studierenden- und Azubiwerke. (“Wir wollen eine WG-Garantie”: Jusos fordern Begrenzung der Mietkosten für Studierende und Auszubildende)
Zeit: Jährlich braucht Deutschland bis 2040 rund 288.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland. Zu dem Ergebnis kommt eine Analyse im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Ein zweites Projektionsmodell geht sogar von 368.000 benötigten Zuwanderern jährlich aus. Aktuell gebe es deutlich weniger Arbeitsmigration als benötigt. Nach Angaben der Bundesregierung dürften in diesem Jahr etwa 200.000 Visa zu Erwerbszwecken erteilt werden – ein Anstieg um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders stark zugenommen haben Visa für Studium, Berufsausbildung und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. (Studie sieht erheblichen Bedarf an Zuwanderung bis 2040)
Badische Zeitung: Mehr Lehrerstellen in Baden-Württemberg geplant. In Baden-Württemberg sollen 300 zusätzliche Lehrerstellen entstehen. Dieses Vorhaben wird vor allem mit Kürzungen im Förderprogramm Rückenwind finanziert, das Lernlücken aus der Corona-Pandemie ausgleichen soll. Kritiker werfen der Landesregierung vor, der Bedarf an Lehrkräften sei deutlich höher. Einige Bildungsverbände rechnen mit einem Mehrbedarf von 1.500 Stellen – Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit 990. (Baden-Württemberg stockt Lehrerstellen auf – und erntet Kritik)
Stern: Habeck will Superreiche zugunsten der Bildung höher besteuern. Robert Habeck schlägt vor, die im Kita-Qualitätsgesetz veranschlagten zwei Milliarden Euro auf vier Milliarden zu erhöhen. Dieses Geld könne aus Steuererhöhungen für Superreiche gewonnen werden. Es sei nicht ausreichend, die Laufzeit des Kita-Qualitätsgesetzes zu verlängern – stattdessen seien massive Investitionen nötig. (Habeck am Küchentisch: Superreiche besteuern für Bildung)
CNN: Klage gegen Trumps Wunschkandidatin für das Bildungsministerium. Der Vorwurf: Linda McMahon habe zu ihrer Zeit als Wrestling-Managerin zusammen mit ihrem Mann den sexuellen Missbrauch von Kindern wissentlich ermöglicht. Ein Mitarbeiter habe seine Position im McMahon-Unternehmen, der WWE, genutzt, um Kontakt mit Minderjährigen zu bekommen. Er sei zunächst entlassen, dann aber von den McMahons wieder eingestellt worden. Bedingung: Er solle sich von Kindern fernhalten. Was er aber nicht tat. (Linda McMahon, Trump’s Education pick, was sued for allegedly enabling sexual abuse of children)
28. November, 17 bis 18.30 Uhr, online
Webinar Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus in der Schule
Wie äußert sich Rassismus und Antisemitismus in der Schule? Karim Fereidooni stellt dazu seine Studienergebnisse vor, mit einem Fokus auf betroffene Lehrer. Das Webinar ist eine Veranstaltung der Aktion Kinder- und Jugendschutz in Schleswig-Holstein. INFOS & ANMELDUNG
4. Dezember, 14 bis 16 Uhr, online
Webinar Lernförderliche Unterrichtsräume / top Akustik – top Raumklima – top Farbkonzept – top Planung
Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg und der Fachverband Gebäude-Klima veranstalten gemeinsam ein Webinar, um über den Einfluss von Schulgebäuden und Klassenzimmern auf den Lernerfolg zu diskutieren. ANMELDUNG
4. Dezember, 17 bis 18 Uhr, online
Webinar Prompts für die Politik – Welche Skills braucht die digitale Demokratie?
Digital- und Demokratiekompetenz sind eng verknüpft. Desinformationskampagnen in den sozialen Medien beeinflussen die politische Meinungsbildung, insbesondere von Jugendlichen. Welche Kompetenzen Jugendliche jetzt brauchen, zeigt diese Veranstaltung der Gesellschaft für Informatik. INFOS & ANMELDUNG
5. Dezember, 16 bis 17 Uhr, online
Webinar Demokratie unter Druck: Demokratiebildung in der Kultur der Digitalität
In dieser Online-Veranstaltung des Kompetenzverbunds lernen.digital erklärt unter anderem die Pädagogin Marina Weisband die Bedeutung von demokratischer Beteiligung in der Schule zur Stärkung von demokratischen Kompetenzen von Schülern. INFOS & ANMELDUNG