ein häufiger Kritikpunkt an Schulen lautet: Sie würden Kinder nicht ausreichend für die Zukunft vorbereiten. Eine Gesamtschule in Nauen (Brandenburg) beweist das Gegenteil – und erhielt dafür gestern den Arbeitgeberpreis. Meine Kollegin Anna Parrisius hat die Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule besucht und konnte beobachten, wie die Kinder dort mit hoher Eigenständigkeit lernen. Wie das Konzept funktioniert und welche Preisträger es noch gibt, lesen Sie in unserer ersten Analyse.
Kritik gibt es auch an Prüfungsformaten – vielerorts, weil Künstliche Intelligenz ein Umdenken erfordert, in Bayern aber, weil Ministerpräsident Markus Söder an unangekündigten Tests (Exen) festhalten möchte. Unser Autor Dirk Nordhoff hat diese Debatte aus wissenschaftlicher Sicht analysiert. Er stellt fest: Obwohl beide Seiten ihre Argumente haben – das Fundament für Söders Position bröckelt.
Morgen findet außerdem der EdTech Next Summit in Bielefeld statt, wo sich die deutsche EdTech-Szene trifft. Wir können Ihnen bereits vorab verraten, mit welchen Herausforderungen EdTech-Startups zu kämpfen haben und welche EdTechs Chance auf eine globale Auszeichnung haben.
Und noch eine Veranstaltung findet morgen statt, die ich Ihnen ganz besonders ans Herzen legen möchte. Um 12.30 Uhr machen wir ein Live.Briefing zu der Frage, welche Signalwirkung es hat, dass der wichtigste Schulpreis in Deutschland an eine Förderschule geht. Was das für die Inklusion bedeutet, diskutiert mein Kollege Holger Schleper mit Experten aus Praxis und Wissenschaft. Um teilzunehmen, müssen Sie nicht nach Bielefeld fahren – es reicht, wenn Sie sich unter diesem Link anmelden.
Ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Lektüre!
Den Bildungspreis der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ging am Dienstag im Rahmen des Arbeitgebertages in Berlin unter anderem an die Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule in Nauen (Brandenburg). Unterstützt wird der Preis von der Deutschen Bahn und Siemens.
Die ausgezeichnete Gesamtschule ist Teil des Leonardo-da-Vinci-Campus, einer Privatschule in Trägerschaft einer gemeinnützigen GmbH, zu der auch ein Gymnasium, eine Grundschule, ein Internat, eine Kita und ein Hort gehören. Abhängig vom Einkommen zahlen die Eltern für den Ganztagsunterricht ein Schulgeld von monatlich bis zu 345 Euro. 315 Schülerinnen und Schüler lernen an der Gesamtschule von Klasse 7 bis 13.
An einem Morgen Mitte Oktober sitzen manche Schüler einzeln in eine Aufgabe vertieft an ihrem Tablet, andere haben sich als Gruppe Tische zusammengestellt. Die Lehrkräfte ermahnen, wenn sie zu laut werden. Die Szene am “Marktplatz” ist das Ergebnis einer größeren Umstellung des Unterrichts in der Sekundarstufe I im vergangenen Schuljahr. In der Sekundarstufe II sollen einige Bausteine nach und nach übernommen werden. Schon vor mehreren Jahren hatte die Schule angefangen, den Unterricht schrittweise zu individualisieren, berichtet Sarah Heinz, eins von fünf Mitgliedern der erweiterten Schulleitung.
Seit 2016 hat jeder Schüler der Gesamtschule ein Tablet, der Unterricht wurde vollständig digitalisiert, die Schule hat dafür eigene Materialien entwickelt. “Irgendwann haben wir gemerkt: Klassischer Unterricht, bei dem 24 Schüler in der gleichen Geschwindigkeit dasselbe machen, ergibt keinen Sinn mehr”, sagt Heinz.
Im Schulhaus sind seitdem einige Wände verschwunden. Herausgekommen ist der Marktplatz für Freiarbeit, der an ein großes Arbeitscafé erinnert. Gruppenarbeit ist hier ausdrücklich erwünscht, auch dass Schüler sich Nachhilfe geben. Wer still arbeiten möchte, kann ins Studierzimmer, in dem die Tische noch klassisch in Reihen stehen und eine Aufsichtslehrkraft für Ruhe sorgt.
Über das Open-Source-LMS “DiLer” können die Schüler ihren Lernstand einsehen. Das Lernmanagementsystem zeigt zudem an, welche Module und zugehörigen Materialien sie abarbeiten müssen. In Biologie stehen in Klasse 8 etwa zwei Module an.
In manchen Fächern geben die Lehrkräfte für die Module eine Reihenfolge vor, in anderen sind die Schüler frei, womit sie beginnen. Auch wie sie sich die Freiarbeitszeit einteilen, bestimmen sie selbst. Die Idee: Wem Deutsch leicht fällt, der kann sich schneller seinem Problemfach Physik zuwenden. Für Fragen stehen Fachlehrkräfte bereit.
Neben der Freiarbeitszeit haben die Schüler in jedem Fach einen mindestens 45-minütigen Kurs pro Woche, für den sie sich aus einer Auswahl entscheiden und den sie zum Quartal wechseln können. Damit will die Schule die Schüler anregen, sich damit zu beschäftigen, wie sie am besten lernen können. Wer Mathematik nicht mag, bringt den Kurs vielleicht gleich am Montagmorgen hinter sich – oder schiebt ihn ganz ans Ende der Woche. Maximal zwölf Schüler sind in jedem Kurs – damit die Lehrkräfte auf jeden mehr eingehen können und jeder sich mehr beteiligen kann.
Nati ist Schülerin der zehnten Klasse. Sie sagt: “Ich finde gut, dass wir selbst so viel entscheiden können.” Bei Mitschülern, die sich wenig für die Schule motivieren können, sieht die Schülerin allerdings die Gefahr, dass sie weniger produktiv arbeiten als früher. “Die Lehrkräfte können uns schließlich nicht die ganze Zeit kontrollieren.”
Die Ergebnisse des Mittleren Schulabschlusses haben sich im vergangenen Schuljahr zumindest nicht verschlechtert. In Englisch habe es sogar eine leichte Verbesserung gegeben, sagt Heinz. Unterstützen soll die Schüler im Lernprozess jede Woche ein individuelles Coaching bei einer festen Lehrkraft. Dort besprechen sie auch die Gelingensnachweise – Klausuren, die die Schüler in jedem Modul schreiben müssen. Wann genau sie einen “Geli” schreiben, bestimmen sie weitgehend frei. Allerdings gibt es seit kurzem eine Empfehlung, wie die Gelis passend eingeteilt werden können. Ende des vergangenen Schuljahres stauten sich bei vielen die Prüfungen.
Die Gelis darf jeder Schüler wiederholen, ab der Note 4 + ist die Wiederholung Pflicht. Sarah Heinz meint beobachten zu können, dass die Schüler inzwischen mehr Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen. “Sie beziehen ihre Ergebnisse mehr auf ihre eigene Leistung und schieben die Schuld weniger auf den Lehrer”, sagt die Lehrerin. “Sie fragen jetzt eher: Was hätte ich besser machen können?”
Wie viele Vereinbarungen die Schüler darüber hinaus mit ihrem Tutor treffen, ist an das jeweilige Level gekoppelt. Abhängig vom Sozialverhalten und ihrer Leistung können die Schüler eine Graduierung von Level A bis E erreichen – und haben dann noch mehr Freiheiten. Ab Level C können sie etwa selbst entscheiden, wann sie Pause machen und beim Arbeiten Musik hören.
Einen Schwerpunkt legt die Schule auf die Berufsorientierung. Auch hier hilft der hohe Anteil an Selbstlernphasen, denn von Klasse 7 bis 10 steht jedes Jahr ein Praktikum an. Wann die Schüler ins Praktikum gehen, können sie frei entscheiden. In der Oberstufe stehen dann mehrere Schnuppertage an Hochschulen an.
In allen Jahrgängen können die Schüler für Messen zur Berufsorientierung freigestellt werden, in Klasse 9 gehen die Schüler verpflichtend zur “Vocatium”, einer Fachmesse für Ausbildung und Studium. Intern gibt es zudem mehrere Angebote zur beruflichen Orientierung – in Klasse 9 üben die Schüler etwa, eine Bewerbung und einen Lebenslauf zu schreiben, in Klasse 10 simulieren sie Bewerbungsgespräche.
Die größte Herausforderung, um den Schülern die vielen neuen Freiheiten zu ermöglichen, waren Schulleiterin Anica Petrovic-Wriedt zufolge nicht rechtliche Hürden. “Unser Konzept verstößt gegen keine Vorschrift, schließlich können Lehrkräfte unterrichten, wie sie wollen”, sagt sie.
Fordernd sei stattdessen der hohe Organisationsaufwand. Anders als früher müsse jede Lehrkraft mehr allgemeine Absprachen kennen, etwa über das Graduierungskonzept. Die neuen Strukturen von oben umzusetzen, sei daher auch nicht infrage gekommen, betont Petrovic-Wriedt. “Wir haben alle Lehrkräfte einbezogen, die Skeptiker an Best-Practice-Schulen geschickt und alles ausdiskutiert.” Dass die Einführung des neuen Konzepts für sie als Privatschule einfacher war, davon geht die Schulleiterin nicht aus. Auch einige staatliche Schulen gingen schließlich bereits ähnliche Wege.
Das nächste Ziel ist, das projektbasierte Lernen an der Gesamtschule zu stärken. Bisher arbeiten die Schüler in den Selbstlernphasen noch hauptsächlich an Arbeitsblättern. “Das hat mit ihrer Lebensrealität wenig zu tun”, sagt Petrovic-Wriedt. Allerdings sei es nicht einfach, gute Projekte “kostengünstig, im Rahmen des Lehrplans, fächerübergreifend und wenn möglich ganz nach den Interessen der Schüler umzusetzen.”
Neben der Gesamtschule erhalten drei weitere Preisträger den Bildungspreis der Arbeitgeber, der mit 10.000 Euro dotiert ist:
Das Machtwort des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) war klar und deutlich: “Exen bleiben natürlich.” Damit hat er bei der CSU-Parteiklausur Mitte September zwar kurzerhand seine Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) ausgebremst. Aber die Debatte schwelt weiter.
Stolz hatte kaum mehr vorgeschlagen, als eine offene Debatte über unangekündigte Tests im Freistaat zulassen zu wollen. Auslöser war eine an ihr Ministerium gerichtete Petition, die eine 17-jährige Gymnasiastin im Juni gestartet hatte und die heute mehr als 27.000 Unterzeichner zählt. Schon vorher gab es Kritik an dieser Art von Leistungskontrolle, die so institutionalisiert nur in bayerischen Gymnasien, Realschulen und berufsbildenden Schulen existiert.
Das Interessante an der Debatte über das Für und Wider des überfallartigen, notenrelevanten Testens ist: Beide Seiten haben Lehrer-Organisationen in ihren Reihen und beide berufen sich auf die Wissenschaft. Wer hat also recht?
Zu den Verfechtern gehört neben Söder auch der Bayerische Philologenverband. Er bekommt Rückendeckung von Klaus Zierer, seit 2015 Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Aus seiner Sicht sei die der Petition zugrundeliegende Behauptung, Spontantests seien unzeitgemäß und würden ständigen Druck, Stress, Angst und Unsicherheit erzeugen, “wissenschaftlich unbegründet“.
Zierer verweist gegenüber Table.Media auf “einige namhafte Personen”, die seine Position teilten oder “interdisziplinär in meine Richtung argumentieren”. Dazu gehörten zum Beispiel der Präsident des Deutschen Lehrerverbands Hans-Peter Meindinger, wie auch die Psychologinnen Kelly McGonigal (Positiver Stress) und Carol Susan Dweck (Growth Mindset).
Zierer beruft sich für sein Verständnis von Bildung, Schule, Lernen und Unterricht unter anderem auf Ansätze von John Hattie und Helmut Fend. Zusammengefasst: “Ein Lehrer mit hoher Professionalität wird das immer mit einer pädagogischen Haltung tun, die einerseits fordert und andererseits fördert.” Schlechte Lehrer wiederum fänden auch ohne Exen Wege, den Schülern Steine in den Weg zu legen.
Die wichtigsten Pro-Argumente:
Zu den Kritikern gehört neben der Gewerkschaft GEW und dem Bayerischen Elternverband (BEV) der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband. Ein erheblicher Teil der Bildungsforschung scheint auf ihrer Seite zu sein. Die Petition selbst beruft sich auf eine Studie neben anderen von Ludwig Haag und Thomas Götz, die sich ebenfalls eher gegen Exen positionieren. Außerdem haben die Bildungsforscher Eckhard Klieme, Klaus Klemm und Uta Hauck-Thum die Petition unterzeichnet.
Die wichtigsten Argumente der Exen-Gegner lauten:
Mareike Kunter, Direktorin des DIPF Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation, sagt, in der Bildungs- und der Lehr- und Lernforschung gebe es “niemanden”, der sich für unangekündigte Tests ausspreche. “Wenn man die Grundlagen des Lernens und der Motivationsforschung ernst nimmt, ergibt es schlicht keinen Sinn.” Die Forschung wisse “seit Jahrzehnten”, dass Druck oder Angst “gutes und nachhaltiges Lernen eher verhindert”. Wer so lerne, der “lernt oberflächlicher, geht nicht so stark in die Tiefe, gibt schneller auf”.
Schülerinnen und Schüler allein mit der Aussicht auf eine möglicherweise schlechte Note in einem unangekündigten Test zum Lernen motivieren zu wollen, sei ein “Pädagogik-Verständnis aus dem letzten Jahrhundert“, sagt Kunter.
Jörg Ramseger, von 2004 bis 2016 Professor für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Grundschule an der Freien Universität Berlin, sieht das ähnlich: “Die antiquierte Fallenstellermentalität hinter den unangekündigten Leistungsproben dokumentiert eine Kultur des Mistrauens.” Diese widerspreche “allen Erkenntnissen der Motivationspsychologie der letzten 50 Jahre”.
Zur Leistung würden die Lernenden, insbesondere diejenigen mit Lernschwächen, nicht mit Prüfungsdruck motiviert – “sondern durch Könnenserfahrung und das Erleben von Selbstwirksamkeit bei der Bearbeitung herausfordernder Projekte”.
Das bayerische Modell setzt für Ramseger zu stark auf Auslese und Wettkampf, was zwangsläufig Verlierer produziere. Das sei für sehr viele Schülerinnen und Schüler demütigend, demotivierend und damit letztlich: “leistungsvernichtend”. Dirk Nordhoff
Die Hälfte der EdTech-Unternehmen beklagt “langwierige Entscheidungsprozesse” in Bildungseinrichtungen, fehlendes Wissen über die Potenziale der Digitalisierung und kulturelle Widerstände. Das sind Ergebnisse des ersten EdTech-Monitors, den die Founders Foundation und der Startup-Verband an diesem Mittwoch veröffentlichen wollen. Das 34-Seiten-Papier liegt Table.Briefings vor.
Von den befragten EdTech-Gründern geben 89 Prozent an, dass institutionelle Kunden wie Schulen und Hochschulen sehr zurückhaltend seien, wenn es um innovative Lösungen gehe. Erschwert werde die Lage vom zersplitterten Markt mit vielen Akteuren und dem föderalen Flickenteppich an gesetzlichen Vorgaben, wie es in einer Mitteilung zur Studie heißt.
Der Vertrieb ist demnach für 65 Prozent der EdTech-Start-ups die größte Herausforderung. Von den Kunden der EdTech-Unternehmen sind lediglich 22,7 Prozent Schulen oder Hochschulen. Unternehmen sind mit 32,3 Prozent vertreten. Die größte Kundengruppe aber stellen mit 51,9 Prozent Endverbraucher, also Schüler, deren Eltern und allgemein Erwachsene.
Dies spiegelt sich auch in den Umsätzen wider. Lediglich 22 Prozent der Umsätze werden mit öffentlichen Kunden wie Schulen erzielt. 40 Prozent der Umsätze stammen aus dem Endkundengeschäft. Investoren sind entsprechend zurückhaltend. Während von den klassischen Start-ups 19 Prozent Unterstützung von Venture-Capital-Anbietern bekommen, haben nur vier Prozent der EdTech-Gründer Rückendeckung aus dieser Finanzierungssparte. Ähnlich sieht es mit der Investitionsbereitschaft von Business Angels aus.
Für den Monitor wurden Daten über 493 identifizierte deutsche EdTech-Start-ups gesammelt und mit Ergebnissen des Deutschen Startup Monitors ergänzt. Unter den dort befragten 1.800 Unternehmen waren 98 EdTech-Start-ups. Ein Kriterium für die Berücksichtigung als Start-up ist, dass das Unternehmen jünger als zehn Jahre ist. Thorsten Denkler
Zum Download: EdTech-Monitor 2024
Sechs deutsche und zwei österreichische Start-ups haben es in den deutschen Vorentscheid für die Global EdTech Startup Awards (GESA) geschafft. Der Vorentscheid findet an diesem Donnerstag auf dem EdTech Next Summit in Bielefeld statt. Die GESA sind einer der weltweit größten Start-up-Wettbewerbe für Bildungstechnologien.
In den Vorentscheid haben es folgende deutsche Start-ups mit Bezug zu schulischer Bildung geschafft:
Zudem ist noch das Hamburger Unternehmen Presada auf der Liste, das KI-Coaching für Mitarbeitende in Unternehmen anbietet. Und die in Frankfurt ansässige Online-Universität Tomorrow University mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Unternehmertum und Technologie.
Aus Österreich sind für schulische Bildung diese Unternehmen im Vorentscheid:
Für das Finale kann sich nur eines der nominierten Unternehmen qualifizieren. Eine Jury entscheidet über den freien Platz. In ihr sitzen unter anderem Gert Mengel, Schulleiter und Berater des Bundesbildungsministeriums, Tiam Jafari, Leiter der Abteilung Unternehmensentwicklung im Cornelsen-Verlag und Christopher Lober, der die Zertifizierungsverfahren Lern-Apps koordiniert.
Insgesamt haben sich rund 50 EdTech-Start-ups aus dem deutschsprachigen Raum an dem Wettbewerb beteiligt. Weltweit waren es fast tausend Bewerbungen. Bewertet werden die Unternehmen unter anderem danach, wie relevant ihr Angebot auf dem Markt ist, wie innovativ der pädagogische Ansatz ist und wie groß und nachhaltig das Potenzial für Wachstum ist.
Die GESA existieren seit 2014. Ins Leben gerufen wurden sie von Open Education Challenge und EdTech UK auf Initiative von MindCET aus Israel. Im vergangenen Jahr hat das israelische Bildungsunternehmen Storywizard den Preis für seinen Einsatz von KI im Bildungsbereich gewonnen. Vera Kraft
In Bremen, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen sind die Betreuungslücken für Unter-Dreijährige am größten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) am Samstag veröffentlicht hat. Demnach fehlten im “Jahr 2024 proportional zur Gesamtzahl der Kinder in Bremen mit 23,9 Prozent am meisten und in Sachsen mit 5,0 Prozent am wenigsten Plätze”.
Für das Saarland liegt der Wert bei 20,5 Prozent, für NRW bei 18,6 Prozent. In absoluten Zahlen umfasst die Betreuungslücke laut IW in Bremen 4.700 Plätze. Im Saarland sind es 5.000 und im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW 93.700.
Die Studie schlüsselt zudem nach Altersjahren auf, wie die Betreuungsquoten von Kindern in den einzelnen Ländern aussehen. Speziell für Dreijährige gilt, dass auch hier Bremen, das Saarland und NRW am Ende der 16 Länder stehen. So besuchen nach Darstellung des IW in Bremen 77,3 Prozent der Dreijährigen eine Kita. Im Saarland sind es 80,8 Prozent, in NRW 81,4 Prozent. Zum Vergleich: In Thüringen liegt der Wert bei 93,3 Prozent, im Bundesschnitt bei knapp 86 Prozent.
Einmal mehr zeigt die Studie, dass die Herausforderungen in West- und Ostdeutschland völlig unterschiedlich sind. Denn insgesamt errechnet das IW für Unter-Dreijährige eine Betreuungslücke von 306.100 Plätzen für Gesamtdeutschland. Davon entfallen knapp 278.000 fehlende Plätze auf Westdeutschland. Und “im Westen dürften die Betreuungsbedarfe auf absehbare Zeit in der Gesamtsicht kaum abnehmen”, schreibt Studienautor Wido Geis-Thöne. Daher müsse die Betreuungsinfrastruktur in jedem Fall weiter ausgebaut werden.
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Wie schwierig das ist, beschreibt die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH). Sie betreibt als größter freigemeinnütziger Träger mehr als 600 Kitas in Deutschland, allein in NRW 91 mit 5.800 Plätzen. “Die angespannte Haushaltslage vieler Kommunen und der Mangel an pädagogischem Fachpersonal erschweren den raschen Ausbau des Betreuungsangebots”, erklärte die JUH Table.Briefings auf Anfrage. Selbst wenn der quantitative Ausbau umsetzbar wäre, würde dies zu Lasten pädagogischer Qualitätsstandards gehen.
Vor allem in Ballungszentren sei der Mangel an pädagogischem Fachpersonal stärker ausgeprägt. Er führe vereinzelt zu Einschränkungen der Betriebszeiten und des Betriebsumfangs, etwa kürzeren Öffnungszeiten oder einzelnen Gruppenschließungen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, plädieren die Johanniter – die auch die Kampagne und Petition “Jedes Kind zählt” unterstützt haben – “für eine Aufwertung der Gesundheits- und Sozialberufe” und “für eine leistungsgerechte Entlohnung sowie den Ausbau von praxisorientierten dualen Ausbildungen bzw. Studiengängen”.
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Zur IW-Studie räumt Autor Geis-Thöne ein, dass es bei den Berechnungen viele Unwägbarkeiten gibt. So basieren die Zahlen auf der Bevölkerungsfortschreibung, die den Zensus 2011 als Grundlage hat. Mit der Umstellung auf den Zensus 2022 sei eine deutliche Korrektur nach unten und auch ein Rückgang der Betreuungslücken zu erwarten. Holger Schleper
Der IW-Report zum Download
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält den kürzlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) neu berechneten Satz der Mindestausbildungsvergütung (MAV) für nicht ausreichend. “Wir plädieren für einen Wert von 80 Prozent der durchschnittlichen tariflich festgelegten Ausbildungsvergütung“, sagte Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, zu Table.Briefings. “Nach aktuellem Stand wären das ungefähr 100 Euro mehr im Ausbildungsjahr.” Die aktuellen Werte hält Hannack für zu gering, um die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre auszugleichen.
Seit 2020 gibt es eine Mindestvergütung für Azubis. Die neuen Sätze für das Folgejahr berechnen sich aus der durchschnittlichen Vergütung für Azubis im ersten Ausbildungsjahr der beiden Vorjahre (Download der Berechnung). Zu 2025 steigt die MAV demnach von:
Knapp vier Prozent der dualen Auszubildenden im ersten Lehrjahr erhielten 2022 nur die Mindestausbildungsvergütung. Besonders hoch war mit acht Prozent der Anteil im Handwerk. Hier sind vor allem Azubis im Friseur-, Kosmetik- und Zahntechnikhandwerk betroffen. In der Landwirtschaft sind es nach Zahlen des BIBB sieben Prozent der Azubis. In Ostdeutschland bekommen Azubis noch häufiger nur die Mindestvergütung: Im Handwerk lag der Anteil dort bei 18, in der Landwirtschaft bei 23 Prozent. Die Daten zeigen DGB-Vize Elke Hannack, wie nötig eine Erhöhung der Mindestvergütung ist: “Besonders dort fällt es den Betrieben schwer, neue Azubis zu finden.”
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks teilt diese Ansicht nicht. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, die Höhe der Vergütung sei “allein nicht entscheidend”, ob Ausbildungsstellen besetzt werden. Das schließt der Verband daraus, dass in Bereichen des Handwerks mit hoher Vergütung “teils mehr angebotene Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben als in einigen Gewerken, in denen die Ausbildungsvergütungen niedriger sind.” Anna Parrisius
Vor der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder (MPK), die am Mittwoch in Leipzig beginnt, hat sich der Verband Sonderpädagogik e. V. mit einem dringenden Appell an die Politik gewandt. In einem offenen Brief, der Table.Briefings exklusiv vorliegt, fordert er die Regierungschefinnen und Regierungschefs auf, sich “auf allen Ebenen ganz persönlich” für die Belange von Menschen mit Behinderung und für die Weiterentwicklung der Inklusion im Bildungsbereich einzusetzen.
Auf der MPK-Jahreskonferenz, die in diesem Jahr turnusmäßig der Freistaat Sachsen ausrichtet, stehen die Themen Migration und “aktuelle Herausforderungen” der Kommunen im Mittelpunkt. Allerdings tauschen sich die 16 Regierungschefs nach Angaben der sächsischen Landesregierung am Rande des Treffens auch mit Fachverbänden für Inklusion sowie den Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen aus.
Aus diesem Anlass mahnt der Verband Sonderpädagogik die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) an. Die Fälle, in denen Teilhabe von Menschen mit Behinderung verhindert würden, “kommen leider nach wie vor viel zu häufig vor”, heißt es in dem Text. “Wir können Ihnen jederzeit konkrete Fälle aus allen Ländern benennen”.
2009 hat Deutschland als einer der ersten Staaten die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert. Damit haben sich Bund und Länder verpflichtet, Barrieren für Menschen mit Beeinträchtigungen abzubauen und für deren gleiche Teilhabe in allen Lebensbereichen zu sorgen. Die Bundesregierung zählt dazu die persönliche Mobilität, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Rehabilitation, Teilhabe am politischen Leben, Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung.
Zum Jahrestag der Ratifizierung am 26. März hatte der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, bereits mehr Anstrengungen gefordert: “Für Inklusion braucht es einen langen Atem, und der scheint manchem in Deutschland auf halbem Weg schon auszugehen”.
Das trifft auch auf den Bildungsbereich zu. In seiner jüngsten Staatenprüfung kritisiert der UN-Ausschuss den deutschen Sonderweg der Förderschulen und hat Deutschland aufgefordert, mehr Kinder und Jugendliche inklusiv zu beschulen sowie Lehrkräfte und pädagogisches Personal mit Blick auf inklusives Unterrichten besser auszubilden. Auch Bildungsexperten stellen dem deutschen Schulsystem bei der Inklusion kein sonderlich gutes Zeugnis aus.
Als Maßnahme, die die Länder schnell umsetzen könnten, schlägt der Verband Sonderpädagogik Ombudsstellen für inklusive Bildung nach dem Vorbild Hamburgs vor. Die Ombudsstelle berät dort kostenlos Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf und deren Angehörige. Ralf Pauli
Zum Download: Die Forderungen der Sonderpädagogen
Research.Table: Stifterverband – Wie Hochschulen ihre Curricula verändern sollen. Kompetenzen in KI oder im Umgang mit Daten werden immer wichtiger. Die Allianz für Future Skills will die Vermittlung dieser Schlüsselqualifikationen nun stärker in die Hochschulen bringen. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: Berliner Hochschulgesetz – Postdocs bekommen doch keine Anschlusszusage. Nachdem der damalige rot-rot-grüne Senat Nachwuchswissenschaftlern im Jahr 2021 Dauerstellen in Aussicht gestellt hatte, rudert die CDU-SPD-Koalition in Berlin jetzt zurück. Man wolle “von der Regelung Abstand nehmen”, erklärte die Senatswissenschaftsverwaltung auf Anfrage von Table.Briefings. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: “Wissenschaftskommunikation ist nicht per se demokratisch.” Die Erwartungen an gute Wissenschaftskommunikation sind hoch. Sie soll sogar die Demokratie stabilisieren. Elisabeth Hoffmann, Kommunikationsdezernentin der Universität Köln, warnt vor diesem neuen Narrativ. Warum sie ein Umdenken fordert, lesen Sie hier.
FAZ: Die immensen Kosten schlechter Bildung. Weltweit erreichen zwei Drittel der Jugendlichen keine grundlegenden Kompetenzen in Mathematik oder in Naturwissenschaften. Dies ist meist auf ein minderwertiges oder nicht vorhandenes Bildungsangebot zurückzuführen. Würden alle Kinder zumindest basale Kompetenzen erreichen, stiege das weltweite BIP zum Ende des Jahrhunderts um 700 Billionen US-Dollar. (Schlechte Bildung kostet Billionen)
Spiegel: FDP-Parteifreunde im BMBF. FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger besetzt viele der Stellen in ihrem Ministerium neu. Auffällig ist, dass es sich bei den Nachfolgern meistens um Vertraute und FDP-Mitglieder handelt, die mehrheitlich keine Erfahrung im Bildungs- oder Forschungssektor vorweisen können. So ist auch der Nachfolger der Staatssekretärin Sabine Döring, Roland Philippi, ein FDP-Parteifreund. (Die Beförderungsministerin)
Tagesspiegel: Wie Berlin im Bildungssektor sparen will. Die angespannte Haushaltslage in Berlin führt auch zu Sparauflagen im Bildungsbereich. So sollen neue Richtlinien für Klassenfahrten entstehen, die pädagogischen Nutzen und finanzielle Kosten abwägen. Auch der Schulbau soll durch vermehrten Modulbau günstiger werden. Im Zweifelsfall, so sagt es Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, müsse die Kostenfreiheit des Schulessens aufgehoben werden. (“Es können sehr wohl Klassenreisen gebucht werden”: Berlins Bildungssenatorin erklärt, wo sie sparen will)
Dlf: Wie sollen Schulen mit der AfD umgehen? Die AfD sieht in ihrer häufigen Nicht-Einladung zu schulischen Diskussionsveranstaltungen das Neutralitätsgebot verletzt. Maike Finnern von der GEW stellt klar, dass die Schule kein neutraler Ort sein müsse. Stattdessen sei die Schule dazu verpflichtet, ein Ort der Demokratie zu sein. Daher müsse keine Schule die AfD einladen. Ein sachlicher Umgang mit der AfD und ihren Positionen sei auch angeleitet von einer Lehrkraft im Politikunterricht möglich. (Wie neutral muss Schule sein?)
Ärzte Zeitung: Weiterqualifikationen für ungelernte Pflegehelfer in Thüringen. In Thüringen haben nun ungelernte Hilfskräfte in der Pflege die Möglichkeit zur Weiterqualifikation zu einer gelernten Hilfskraft. Von dieser Neuerung können bis zu 2.200 Beschäftigte in der Pflege profitieren. Jedoch ist noch unklar, in welchem Verhältnis dieser Ausbildungsweg zu der 2025 startenden bundeseinheitlichen Pflegehelferausbildung steht. Ebenfalls ist eine mögliche Kostenübernahme von Prüfungen noch unklar. (Nachqualifizierung ungelernter Pflegehilfskräfte in Thüringen angelaufen)
Rheinische Post: KI und Tiktok als Unterrichtsinhalt. Die KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot hebt die Einführung des Pflichtfachs Informatik in ihrem Bundesland Saarland hervor. KI und soziale Medien wie Tiktok würden immer größere Themen auch in der Schule werden. Daher sei es wichtig, einen Raum für Aufklärung und Austausch zu schaffen. Auch ein sensibler Umgang mit einer zunehmend diverseren Schülerschaft sei wichtig. Teams aus Lehrern, Sozialarbeitern und Psychologen könnten hier helfen. (“Schule muss die Gefahren von TikTok zum Thema machen”)
29. Oktober, 17-18 Uhr, online
Webinar StreitBAR: Duales Studium versus Referendariat
Ein häufiger Kritikpunkt am Lehramtsstudium ist, es sei zu praxisfern. Daher wird häufiger die Forderung laut, das Lehramtsstudium lieber als duales Studium anzubieten und so das Referendariat abzuschaffen. In diesem pointierten Diskussionsformat des Stifterverbands wird über die Vor- und Nachteile einer solchen Reform diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
30. Oktober, 13 Uhr, online
Webinar Defending democracy: The vital role of skills in protecting the future of democratic institutions.
Das Vertrauen in die Demokratie und die demokratischen Institutionen schwindet. In diesem Webinar soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit der Ausbau von Skills wie Medienkompetenz dieser Entwicklung entgegensteuern kann. So könnten etwa demokratiefeindliche Fake News leichter erkannt werden. INFOS & ANMELDUNG
14. November, 12-13 Uhr
Webinar CHEtalk feat. DUZ Spotlight: “Studienabbruch und dann? – Neue Wege in der nachschulischen Bildung”
Wie können Studienabbrecher für eine Berufsausbildung gewonnen werden? In diesem Webinar mit anschließender Diskussion stellen sich zwei Projekte vor, die sich gezielt an Studienabbrecher wenden. Neben konkreten Zahlen zum Thema Studienabbruch stehen so auch konkrete Lösungsansätze im Fokus. Eine Anmeldung ist bis zum 13. November, 12 Uhr, möglich. INFOS & ANMELDUNG
3. und 4. Dezember, Berlin
Dialogforum Governance Forum BD
In Plenumsdiskussionen und Vorträgen können verschiedene Akteure aus dem Bildungsbereich in den Austausch treten. Die Veranstaltung des Forums Bildung Digitalisierung ist in die drei Themenbereiche Kommunikation, Ko-Kreation und Transformation gegliedert. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt und daher ist eine baldige Anmeldung notwendig. INFOS & ANMELDUNG
ein häufiger Kritikpunkt an Schulen lautet: Sie würden Kinder nicht ausreichend für die Zukunft vorbereiten. Eine Gesamtschule in Nauen (Brandenburg) beweist das Gegenteil – und erhielt dafür gestern den Arbeitgeberpreis. Meine Kollegin Anna Parrisius hat die Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule besucht und konnte beobachten, wie die Kinder dort mit hoher Eigenständigkeit lernen. Wie das Konzept funktioniert und welche Preisträger es noch gibt, lesen Sie in unserer ersten Analyse.
Kritik gibt es auch an Prüfungsformaten – vielerorts, weil Künstliche Intelligenz ein Umdenken erfordert, in Bayern aber, weil Ministerpräsident Markus Söder an unangekündigten Tests (Exen) festhalten möchte. Unser Autor Dirk Nordhoff hat diese Debatte aus wissenschaftlicher Sicht analysiert. Er stellt fest: Obwohl beide Seiten ihre Argumente haben – das Fundament für Söders Position bröckelt.
Morgen findet außerdem der EdTech Next Summit in Bielefeld statt, wo sich die deutsche EdTech-Szene trifft. Wir können Ihnen bereits vorab verraten, mit welchen Herausforderungen EdTech-Startups zu kämpfen haben und welche EdTechs Chance auf eine globale Auszeichnung haben.
Und noch eine Veranstaltung findet morgen statt, die ich Ihnen ganz besonders ans Herzen legen möchte. Um 12.30 Uhr machen wir ein Live.Briefing zu der Frage, welche Signalwirkung es hat, dass der wichtigste Schulpreis in Deutschland an eine Förderschule geht. Was das für die Inklusion bedeutet, diskutiert mein Kollege Holger Schleper mit Experten aus Praxis und Wissenschaft. Um teilzunehmen, müssen Sie nicht nach Bielefeld fahren – es reicht, wenn Sie sich unter diesem Link anmelden.
Ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Lektüre!
Den Bildungspreis der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ging am Dienstag im Rahmen des Arbeitgebertages in Berlin unter anderem an die Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule in Nauen (Brandenburg). Unterstützt wird der Preis von der Deutschen Bahn und Siemens.
Die ausgezeichnete Gesamtschule ist Teil des Leonardo-da-Vinci-Campus, einer Privatschule in Trägerschaft einer gemeinnützigen GmbH, zu der auch ein Gymnasium, eine Grundschule, ein Internat, eine Kita und ein Hort gehören. Abhängig vom Einkommen zahlen die Eltern für den Ganztagsunterricht ein Schulgeld von monatlich bis zu 345 Euro. 315 Schülerinnen und Schüler lernen an der Gesamtschule von Klasse 7 bis 13.
An einem Morgen Mitte Oktober sitzen manche Schüler einzeln in eine Aufgabe vertieft an ihrem Tablet, andere haben sich als Gruppe Tische zusammengestellt. Die Lehrkräfte ermahnen, wenn sie zu laut werden. Die Szene am “Marktplatz” ist das Ergebnis einer größeren Umstellung des Unterrichts in der Sekundarstufe I im vergangenen Schuljahr. In der Sekundarstufe II sollen einige Bausteine nach und nach übernommen werden. Schon vor mehreren Jahren hatte die Schule angefangen, den Unterricht schrittweise zu individualisieren, berichtet Sarah Heinz, eins von fünf Mitgliedern der erweiterten Schulleitung.
Seit 2016 hat jeder Schüler der Gesamtschule ein Tablet, der Unterricht wurde vollständig digitalisiert, die Schule hat dafür eigene Materialien entwickelt. “Irgendwann haben wir gemerkt: Klassischer Unterricht, bei dem 24 Schüler in der gleichen Geschwindigkeit dasselbe machen, ergibt keinen Sinn mehr”, sagt Heinz.
Im Schulhaus sind seitdem einige Wände verschwunden. Herausgekommen ist der Marktplatz für Freiarbeit, der an ein großes Arbeitscafé erinnert. Gruppenarbeit ist hier ausdrücklich erwünscht, auch dass Schüler sich Nachhilfe geben. Wer still arbeiten möchte, kann ins Studierzimmer, in dem die Tische noch klassisch in Reihen stehen und eine Aufsichtslehrkraft für Ruhe sorgt.
Über das Open-Source-LMS “DiLer” können die Schüler ihren Lernstand einsehen. Das Lernmanagementsystem zeigt zudem an, welche Module und zugehörigen Materialien sie abarbeiten müssen. In Biologie stehen in Klasse 8 etwa zwei Module an.
In manchen Fächern geben die Lehrkräfte für die Module eine Reihenfolge vor, in anderen sind die Schüler frei, womit sie beginnen. Auch wie sie sich die Freiarbeitszeit einteilen, bestimmen sie selbst. Die Idee: Wem Deutsch leicht fällt, der kann sich schneller seinem Problemfach Physik zuwenden. Für Fragen stehen Fachlehrkräfte bereit.
Neben der Freiarbeitszeit haben die Schüler in jedem Fach einen mindestens 45-minütigen Kurs pro Woche, für den sie sich aus einer Auswahl entscheiden und den sie zum Quartal wechseln können. Damit will die Schule die Schüler anregen, sich damit zu beschäftigen, wie sie am besten lernen können. Wer Mathematik nicht mag, bringt den Kurs vielleicht gleich am Montagmorgen hinter sich – oder schiebt ihn ganz ans Ende der Woche. Maximal zwölf Schüler sind in jedem Kurs – damit die Lehrkräfte auf jeden mehr eingehen können und jeder sich mehr beteiligen kann.
Nati ist Schülerin der zehnten Klasse. Sie sagt: “Ich finde gut, dass wir selbst so viel entscheiden können.” Bei Mitschülern, die sich wenig für die Schule motivieren können, sieht die Schülerin allerdings die Gefahr, dass sie weniger produktiv arbeiten als früher. “Die Lehrkräfte können uns schließlich nicht die ganze Zeit kontrollieren.”
Die Ergebnisse des Mittleren Schulabschlusses haben sich im vergangenen Schuljahr zumindest nicht verschlechtert. In Englisch habe es sogar eine leichte Verbesserung gegeben, sagt Heinz. Unterstützen soll die Schüler im Lernprozess jede Woche ein individuelles Coaching bei einer festen Lehrkraft. Dort besprechen sie auch die Gelingensnachweise – Klausuren, die die Schüler in jedem Modul schreiben müssen. Wann genau sie einen “Geli” schreiben, bestimmen sie weitgehend frei. Allerdings gibt es seit kurzem eine Empfehlung, wie die Gelis passend eingeteilt werden können. Ende des vergangenen Schuljahres stauten sich bei vielen die Prüfungen.
Die Gelis darf jeder Schüler wiederholen, ab der Note 4 + ist die Wiederholung Pflicht. Sarah Heinz meint beobachten zu können, dass die Schüler inzwischen mehr Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen. “Sie beziehen ihre Ergebnisse mehr auf ihre eigene Leistung und schieben die Schuld weniger auf den Lehrer”, sagt die Lehrerin. “Sie fragen jetzt eher: Was hätte ich besser machen können?”
Wie viele Vereinbarungen die Schüler darüber hinaus mit ihrem Tutor treffen, ist an das jeweilige Level gekoppelt. Abhängig vom Sozialverhalten und ihrer Leistung können die Schüler eine Graduierung von Level A bis E erreichen – und haben dann noch mehr Freiheiten. Ab Level C können sie etwa selbst entscheiden, wann sie Pause machen und beim Arbeiten Musik hören.
Einen Schwerpunkt legt die Schule auf die Berufsorientierung. Auch hier hilft der hohe Anteil an Selbstlernphasen, denn von Klasse 7 bis 10 steht jedes Jahr ein Praktikum an. Wann die Schüler ins Praktikum gehen, können sie frei entscheiden. In der Oberstufe stehen dann mehrere Schnuppertage an Hochschulen an.
In allen Jahrgängen können die Schüler für Messen zur Berufsorientierung freigestellt werden, in Klasse 9 gehen die Schüler verpflichtend zur “Vocatium”, einer Fachmesse für Ausbildung und Studium. Intern gibt es zudem mehrere Angebote zur beruflichen Orientierung – in Klasse 9 üben die Schüler etwa, eine Bewerbung und einen Lebenslauf zu schreiben, in Klasse 10 simulieren sie Bewerbungsgespräche.
Die größte Herausforderung, um den Schülern die vielen neuen Freiheiten zu ermöglichen, waren Schulleiterin Anica Petrovic-Wriedt zufolge nicht rechtliche Hürden. “Unser Konzept verstößt gegen keine Vorschrift, schließlich können Lehrkräfte unterrichten, wie sie wollen”, sagt sie.
Fordernd sei stattdessen der hohe Organisationsaufwand. Anders als früher müsse jede Lehrkraft mehr allgemeine Absprachen kennen, etwa über das Graduierungskonzept. Die neuen Strukturen von oben umzusetzen, sei daher auch nicht infrage gekommen, betont Petrovic-Wriedt. “Wir haben alle Lehrkräfte einbezogen, die Skeptiker an Best-Practice-Schulen geschickt und alles ausdiskutiert.” Dass die Einführung des neuen Konzepts für sie als Privatschule einfacher war, davon geht die Schulleiterin nicht aus. Auch einige staatliche Schulen gingen schließlich bereits ähnliche Wege.
Das nächste Ziel ist, das projektbasierte Lernen an der Gesamtschule zu stärken. Bisher arbeiten die Schüler in den Selbstlernphasen noch hauptsächlich an Arbeitsblättern. “Das hat mit ihrer Lebensrealität wenig zu tun”, sagt Petrovic-Wriedt. Allerdings sei es nicht einfach, gute Projekte “kostengünstig, im Rahmen des Lehrplans, fächerübergreifend und wenn möglich ganz nach den Interessen der Schüler umzusetzen.”
Neben der Gesamtschule erhalten drei weitere Preisträger den Bildungspreis der Arbeitgeber, der mit 10.000 Euro dotiert ist:
Das Machtwort des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) war klar und deutlich: “Exen bleiben natürlich.” Damit hat er bei der CSU-Parteiklausur Mitte September zwar kurzerhand seine Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) ausgebremst. Aber die Debatte schwelt weiter.
Stolz hatte kaum mehr vorgeschlagen, als eine offene Debatte über unangekündigte Tests im Freistaat zulassen zu wollen. Auslöser war eine an ihr Ministerium gerichtete Petition, die eine 17-jährige Gymnasiastin im Juni gestartet hatte und die heute mehr als 27.000 Unterzeichner zählt. Schon vorher gab es Kritik an dieser Art von Leistungskontrolle, die so institutionalisiert nur in bayerischen Gymnasien, Realschulen und berufsbildenden Schulen existiert.
Das Interessante an der Debatte über das Für und Wider des überfallartigen, notenrelevanten Testens ist: Beide Seiten haben Lehrer-Organisationen in ihren Reihen und beide berufen sich auf die Wissenschaft. Wer hat also recht?
Zu den Verfechtern gehört neben Söder auch der Bayerische Philologenverband. Er bekommt Rückendeckung von Klaus Zierer, seit 2015 Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Aus seiner Sicht sei die der Petition zugrundeliegende Behauptung, Spontantests seien unzeitgemäß und würden ständigen Druck, Stress, Angst und Unsicherheit erzeugen, “wissenschaftlich unbegründet“.
Zierer verweist gegenüber Table.Media auf “einige namhafte Personen”, die seine Position teilten oder “interdisziplinär in meine Richtung argumentieren”. Dazu gehörten zum Beispiel der Präsident des Deutschen Lehrerverbands Hans-Peter Meindinger, wie auch die Psychologinnen Kelly McGonigal (Positiver Stress) und Carol Susan Dweck (Growth Mindset).
Zierer beruft sich für sein Verständnis von Bildung, Schule, Lernen und Unterricht unter anderem auf Ansätze von John Hattie und Helmut Fend. Zusammengefasst: “Ein Lehrer mit hoher Professionalität wird das immer mit einer pädagogischen Haltung tun, die einerseits fordert und andererseits fördert.” Schlechte Lehrer wiederum fänden auch ohne Exen Wege, den Schülern Steine in den Weg zu legen.
Die wichtigsten Pro-Argumente:
Zu den Kritikern gehört neben der Gewerkschaft GEW und dem Bayerischen Elternverband (BEV) der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband. Ein erheblicher Teil der Bildungsforschung scheint auf ihrer Seite zu sein. Die Petition selbst beruft sich auf eine Studie neben anderen von Ludwig Haag und Thomas Götz, die sich ebenfalls eher gegen Exen positionieren. Außerdem haben die Bildungsforscher Eckhard Klieme, Klaus Klemm und Uta Hauck-Thum die Petition unterzeichnet.
Die wichtigsten Argumente der Exen-Gegner lauten:
Mareike Kunter, Direktorin des DIPF Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation, sagt, in der Bildungs- und der Lehr- und Lernforschung gebe es “niemanden”, der sich für unangekündigte Tests ausspreche. “Wenn man die Grundlagen des Lernens und der Motivationsforschung ernst nimmt, ergibt es schlicht keinen Sinn.” Die Forschung wisse “seit Jahrzehnten”, dass Druck oder Angst “gutes und nachhaltiges Lernen eher verhindert”. Wer so lerne, der “lernt oberflächlicher, geht nicht so stark in die Tiefe, gibt schneller auf”.
Schülerinnen und Schüler allein mit der Aussicht auf eine möglicherweise schlechte Note in einem unangekündigten Test zum Lernen motivieren zu wollen, sei ein “Pädagogik-Verständnis aus dem letzten Jahrhundert“, sagt Kunter.
Jörg Ramseger, von 2004 bis 2016 Professor für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Grundschule an der Freien Universität Berlin, sieht das ähnlich: “Die antiquierte Fallenstellermentalität hinter den unangekündigten Leistungsproben dokumentiert eine Kultur des Mistrauens.” Diese widerspreche “allen Erkenntnissen der Motivationspsychologie der letzten 50 Jahre”.
Zur Leistung würden die Lernenden, insbesondere diejenigen mit Lernschwächen, nicht mit Prüfungsdruck motiviert – “sondern durch Könnenserfahrung und das Erleben von Selbstwirksamkeit bei der Bearbeitung herausfordernder Projekte”.
Das bayerische Modell setzt für Ramseger zu stark auf Auslese und Wettkampf, was zwangsläufig Verlierer produziere. Das sei für sehr viele Schülerinnen und Schüler demütigend, demotivierend und damit letztlich: “leistungsvernichtend”. Dirk Nordhoff
Die Hälfte der EdTech-Unternehmen beklagt “langwierige Entscheidungsprozesse” in Bildungseinrichtungen, fehlendes Wissen über die Potenziale der Digitalisierung und kulturelle Widerstände. Das sind Ergebnisse des ersten EdTech-Monitors, den die Founders Foundation und der Startup-Verband an diesem Mittwoch veröffentlichen wollen. Das 34-Seiten-Papier liegt Table.Briefings vor.
Von den befragten EdTech-Gründern geben 89 Prozent an, dass institutionelle Kunden wie Schulen und Hochschulen sehr zurückhaltend seien, wenn es um innovative Lösungen gehe. Erschwert werde die Lage vom zersplitterten Markt mit vielen Akteuren und dem föderalen Flickenteppich an gesetzlichen Vorgaben, wie es in einer Mitteilung zur Studie heißt.
Der Vertrieb ist demnach für 65 Prozent der EdTech-Start-ups die größte Herausforderung. Von den Kunden der EdTech-Unternehmen sind lediglich 22,7 Prozent Schulen oder Hochschulen. Unternehmen sind mit 32,3 Prozent vertreten. Die größte Kundengruppe aber stellen mit 51,9 Prozent Endverbraucher, also Schüler, deren Eltern und allgemein Erwachsene.
Dies spiegelt sich auch in den Umsätzen wider. Lediglich 22 Prozent der Umsätze werden mit öffentlichen Kunden wie Schulen erzielt. 40 Prozent der Umsätze stammen aus dem Endkundengeschäft. Investoren sind entsprechend zurückhaltend. Während von den klassischen Start-ups 19 Prozent Unterstützung von Venture-Capital-Anbietern bekommen, haben nur vier Prozent der EdTech-Gründer Rückendeckung aus dieser Finanzierungssparte. Ähnlich sieht es mit der Investitionsbereitschaft von Business Angels aus.
Für den Monitor wurden Daten über 493 identifizierte deutsche EdTech-Start-ups gesammelt und mit Ergebnissen des Deutschen Startup Monitors ergänzt. Unter den dort befragten 1.800 Unternehmen waren 98 EdTech-Start-ups. Ein Kriterium für die Berücksichtigung als Start-up ist, dass das Unternehmen jünger als zehn Jahre ist. Thorsten Denkler
Zum Download: EdTech-Monitor 2024
Sechs deutsche und zwei österreichische Start-ups haben es in den deutschen Vorentscheid für die Global EdTech Startup Awards (GESA) geschafft. Der Vorentscheid findet an diesem Donnerstag auf dem EdTech Next Summit in Bielefeld statt. Die GESA sind einer der weltweit größten Start-up-Wettbewerbe für Bildungstechnologien.
In den Vorentscheid haben es folgende deutsche Start-ups mit Bezug zu schulischer Bildung geschafft:
Zudem ist noch das Hamburger Unternehmen Presada auf der Liste, das KI-Coaching für Mitarbeitende in Unternehmen anbietet. Und die in Frankfurt ansässige Online-Universität Tomorrow University mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Unternehmertum und Technologie.
Aus Österreich sind für schulische Bildung diese Unternehmen im Vorentscheid:
Für das Finale kann sich nur eines der nominierten Unternehmen qualifizieren. Eine Jury entscheidet über den freien Platz. In ihr sitzen unter anderem Gert Mengel, Schulleiter und Berater des Bundesbildungsministeriums, Tiam Jafari, Leiter der Abteilung Unternehmensentwicklung im Cornelsen-Verlag und Christopher Lober, der die Zertifizierungsverfahren Lern-Apps koordiniert.
Insgesamt haben sich rund 50 EdTech-Start-ups aus dem deutschsprachigen Raum an dem Wettbewerb beteiligt. Weltweit waren es fast tausend Bewerbungen. Bewertet werden die Unternehmen unter anderem danach, wie relevant ihr Angebot auf dem Markt ist, wie innovativ der pädagogische Ansatz ist und wie groß und nachhaltig das Potenzial für Wachstum ist.
Die GESA existieren seit 2014. Ins Leben gerufen wurden sie von Open Education Challenge und EdTech UK auf Initiative von MindCET aus Israel. Im vergangenen Jahr hat das israelische Bildungsunternehmen Storywizard den Preis für seinen Einsatz von KI im Bildungsbereich gewonnen. Vera Kraft
In Bremen, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen sind die Betreuungslücken für Unter-Dreijährige am größten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) am Samstag veröffentlicht hat. Demnach fehlten im “Jahr 2024 proportional zur Gesamtzahl der Kinder in Bremen mit 23,9 Prozent am meisten und in Sachsen mit 5,0 Prozent am wenigsten Plätze”.
Für das Saarland liegt der Wert bei 20,5 Prozent, für NRW bei 18,6 Prozent. In absoluten Zahlen umfasst die Betreuungslücke laut IW in Bremen 4.700 Plätze. Im Saarland sind es 5.000 und im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW 93.700.
Die Studie schlüsselt zudem nach Altersjahren auf, wie die Betreuungsquoten von Kindern in den einzelnen Ländern aussehen. Speziell für Dreijährige gilt, dass auch hier Bremen, das Saarland und NRW am Ende der 16 Länder stehen. So besuchen nach Darstellung des IW in Bremen 77,3 Prozent der Dreijährigen eine Kita. Im Saarland sind es 80,8 Prozent, in NRW 81,4 Prozent. Zum Vergleich: In Thüringen liegt der Wert bei 93,3 Prozent, im Bundesschnitt bei knapp 86 Prozent.
Einmal mehr zeigt die Studie, dass die Herausforderungen in West- und Ostdeutschland völlig unterschiedlich sind. Denn insgesamt errechnet das IW für Unter-Dreijährige eine Betreuungslücke von 306.100 Plätzen für Gesamtdeutschland. Davon entfallen knapp 278.000 fehlende Plätze auf Westdeutschland. Und “im Westen dürften die Betreuungsbedarfe auf absehbare Zeit in der Gesamtsicht kaum abnehmen”, schreibt Studienautor Wido Geis-Thöne. Daher müsse die Betreuungsinfrastruktur in jedem Fall weiter ausgebaut werden.
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Wie schwierig das ist, beschreibt die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH). Sie betreibt als größter freigemeinnütziger Träger mehr als 600 Kitas in Deutschland, allein in NRW 91 mit 5.800 Plätzen. “Die angespannte Haushaltslage vieler Kommunen und der Mangel an pädagogischem Fachpersonal erschweren den raschen Ausbau des Betreuungsangebots”, erklärte die JUH Table.Briefings auf Anfrage. Selbst wenn der quantitative Ausbau umsetzbar wäre, würde dies zu Lasten pädagogischer Qualitätsstandards gehen.
Vor allem in Ballungszentren sei der Mangel an pädagogischem Fachpersonal stärker ausgeprägt. Er führe vereinzelt zu Einschränkungen der Betriebszeiten und des Betriebsumfangs, etwa kürzeren Öffnungszeiten oder einzelnen Gruppenschließungen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, plädieren die Johanniter – die auch die Kampagne und Petition “Jedes Kind zählt” unterstützt haben – “für eine Aufwertung der Gesundheits- und Sozialberufe” und “für eine leistungsgerechte Entlohnung sowie den Ausbau von praxisorientierten dualen Ausbildungen bzw. Studiengängen”.
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Zur IW-Studie räumt Autor Geis-Thöne ein, dass es bei den Berechnungen viele Unwägbarkeiten gibt. So basieren die Zahlen auf der Bevölkerungsfortschreibung, die den Zensus 2011 als Grundlage hat. Mit der Umstellung auf den Zensus 2022 sei eine deutliche Korrektur nach unten und auch ein Rückgang der Betreuungslücken zu erwarten. Holger Schleper
Der IW-Report zum Download
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält den kürzlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) neu berechneten Satz der Mindestausbildungsvergütung (MAV) für nicht ausreichend. “Wir plädieren für einen Wert von 80 Prozent der durchschnittlichen tariflich festgelegten Ausbildungsvergütung“, sagte Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, zu Table.Briefings. “Nach aktuellem Stand wären das ungefähr 100 Euro mehr im Ausbildungsjahr.” Die aktuellen Werte hält Hannack für zu gering, um die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre auszugleichen.
Seit 2020 gibt es eine Mindestvergütung für Azubis. Die neuen Sätze für das Folgejahr berechnen sich aus der durchschnittlichen Vergütung für Azubis im ersten Ausbildungsjahr der beiden Vorjahre (Download der Berechnung). Zu 2025 steigt die MAV demnach von:
Knapp vier Prozent der dualen Auszubildenden im ersten Lehrjahr erhielten 2022 nur die Mindestausbildungsvergütung. Besonders hoch war mit acht Prozent der Anteil im Handwerk. Hier sind vor allem Azubis im Friseur-, Kosmetik- und Zahntechnikhandwerk betroffen. In der Landwirtschaft sind es nach Zahlen des BIBB sieben Prozent der Azubis. In Ostdeutschland bekommen Azubis noch häufiger nur die Mindestvergütung: Im Handwerk lag der Anteil dort bei 18, in der Landwirtschaft bei 23 Prozent. Die Daten zeigen DGB-Vize Elke Hannack, wie nötig eine Erhöhung der Mindestvergütung ist: “Besonders dort fällt es den Betrieben schwer, neue Azubis zu finden.”
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks teilt diese Ansicht nicht. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, die Höhe der Vergütung sei “allein nicht entscheidend”, ob Ausbildungsstellen besetzt werden. Das schließt der Verband daraus, dass in Bereichen des Handwerks mit hoher Vergütung “teils mehr angebotene Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben als in einigen Gewerken, in denen die Ausbildungsvergütungen niedriger sind.” Anna Parrisius
Vor der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder (MPK), die am Mittwoch in Leipzig beginnt, hat sich der Verband Sonderpädagogik e. V. mit einem dringenden Appell an die Politik gewandt. In einem offenen Brief, der Table.Briefings exklusiv vorliegt, fordert er die Regierungschefinnen und Regierungschefs auf, sich “auf allen Ebenen ganz persönlich” für die Belange von Menschen mit Behinderung und für die Weiterentwicklung der Inklusion im Bildungsbereich einzusetzen.
Auf der MPK-Jahreskonferenz, die in diesem Jahr turnusmäßig der Freistaat Sachsen ausrichtet, stehen die Themen Migration und “aktuelle Herausforderungen” der Kommunen im Mittelpunkt. Allerdings tauschen sich die 16 Regierungschefs nach Angaben der sächsischen Landesregierung am Rande des Treffens auch mit Fachverbänden für Inklusion sowie den Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen aus.
Aus diesem Anlass mahnt der Verband Sonderpädagogik die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) an. Die Fälle, in denen Teilhabe von Menschen mit Behinderung verhindert würden, “kommen leider nach wie vor viel zu häufig vor”, heißt es in dem Text. “Wir können Ihnen jederzeit konkrete Fälle aus allen Ländern benennen”.
2009 hat Deutschland als einer der ersten Staaten die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert. Damit haben sich Bund und Länder verpflichtet, Barrieren für Menschen mit Beeinträchtigungen abzubauen und für deren gleiche Teilhabe in allen Lebensbereichen zu sorgen. Die Bundesregierung zählt dazu die persönliche Mobilität, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Rehabilitation, Teilhabe am politischen Leben, Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung.
Zum Jahrestag der Ratifizierung am 26. März hatte der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, bereits mehr Anstrengungen gefordert: “Für Inklusion braucht es einen langen Atem, und der scheint manchem in Deutschland auf halbem Weg schon auszugehen”.
Das trifft auch auf den Bildungsbereich zu. In seiner jüngsten Staatenprüfung kritisiert der UN-Ausschuss den deutschen Sonderweg der Förderschulen und hat Deutschland aufgefordert, mehr Kinder und Jugendliche inklusiv zu beschulen sowie Lehrkräfte und pädagogisches Personal mit Blick auf inklusives Unterrichten besser auszubilden. Auch Bildungsexperten stellen dem deutschen Schulsystem bei der Inklusion kein sonderlich gutes Zeugnis aus.
Als Maßnahme, die die Länder schnell umsetzen könnten, schlägt der Verband Sonderpädagogik Ombudsstellen für inklusive Bildung nach dem Vorbild Hamburgs vor. Die Ombudsstelle berät dort kostenlos Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf und deren Angehörige. Ralf Pauli
Zum Download: Die Forderungen der Sonderpädagogen
Research.Table: Stifterverband – Wie Hochschulen ihre Curricula verändern sollen. Kompetenzen in KI oder im Umgang mit Daten werden immer wichtiger. Die Allianz für Future Skills will die Vermittlung dieser Schlüsselqualifikationen nun stärker in die Hochschulen bringen. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: Berliner Hochschulgesetz – Postdocs bekommen doch keine Anschlusszusage. Nachdem der damalige rot-rot-grüne Senat Nachwuchswissenschaftlern im Jahr 2021 Dauerstellen in Aussicht gestellt hatte, rudert die CDU-SPD-Koalition in Berlin jetzt zurück. Man wolle “von der Regelung Abstand nehmen”, erklärte die Senatswissenschaftsverwaltung auf Anfrage von Table.Briefings. Mehr lesen Sie hier.
Research.Table: “Wissenschaftskommunikation ist nicht per se demokratisch.” Die Erwartungen an gute Wissenschaftskommunikation sind hoch. Sie soll sogar die Demokratie stabilisieren. Elisabeth Hoffmann, Kommunikationsdezernentin der Universität Köln, warnt vor diesem neuen Narrativ. Warum sie ein Umdenken fordert, lesen Sie hier.
FAZ: Die immensen Kosten schlechter Bildung. Weltweit erreichen zwei Drittel der Jugendlichen keine grundlegenden Kompetenzen in Mathematik oder in Naturwissenschaften. Dies ist meist auf ein minderwertiges oder nicht vorhandenes Bildungsangebot zurückzuführen. Würden alle Kinder zumindest basale Kompetenzen erreichen, stiege das weltweite BIP zum Ende des Jahrhunderts um 700 Billionen US-Dollar. (Schlechte Bildung kostet Billionen)
Spiegel: FDP-Parteifreunde im BMBF. FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger besetzt viele der Stellen in ihrem Ministerium neu. Auffällig ist, dass es sich bei den Nachfolgern meistens um Vertraute und FDP-Mitglieder handelt, die mehrheitlich keine Erfahrung im Bildungs- oder Forschungssektor vorweisen können. So ist auch der Nachfolger der Staatssekretärin Sabine Döring, Roland Philippi, ein FDP-Parteifreund. (Die Beförderungsministerin)
Tagesspiegel: Wie Berlin im Bildungssektor sparen will. Die angespannte Haushaltslage in Berlin führt auch zu Sparauflagen im Bildungsbereich. So sollen neue Richtlinien für Klassenfahrten entstehen, die pädagogischen Nutzen und finanzielle Kosten abwägen. Auch der Schulbau soll durch vermehrten Modulbau günstiger werden. Im Zweifelsfall, so sagt es Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, müsse die Kostenfreiheit des Schulessens aufgehoben werden. (“Es können sehr wohl Klassenreisen gebucht werden”: Berlins Bildungssenatorin erklärt, wo sie sparen will)
Dlf: Wie sollen Schulen mit der AfD umgehen? Die AfD sieht in ihrer häufigen Nicht-Einladung zu schulischen Diskussionsveranstaltungen das Neutralitätsgebot verletzt. Maike Finnern von der GEW stellt klar, dass die Schule kein neutraler Ort sein müsse. Stattdessen sei die Schule dazu verpflichtet, ein Ort der Demokratie zu sein. Daher müsse keine Schule die AfD einladen. Ein sachlicher Umgang mit der AfD und ihren Positionen sei auch angeleitet von einer Lehrkraft im Politikunterricht möglich. (Wie neutral muss Schule sein?)
Ärzte Zeitung: Weiterqualifikationen für ungelernte Pflegehelfer in Thüringen. In Thüringen haben nun ungelernte Hilfskräfte in der Pflege die Möglichkeit zur Weiterqualifikation zu einer gelernten Hilfskraft. Von dieser Neuerung können bis zu 2.200 Beschäftigte in der Pflege profitieren. Jedoch ist noch unklar, in welchem Verhältnis dieser Ausbildungsweg zu der 2025 startenden bundeseinheitlichen Pflegehelferausbildung steht. Ebenfalls ist eine mögliche Kostenübernahme von Prüfungen noch unklar. (Nachqualifizierung ungelernter Pflegehilfskräfte in Thüringen angelaufen)
Rheinische Post: KI und Tiktok als Unterrichtsinhalt. Die KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot hebt die Einführung des Pflichtfachs Informatik in ihrem Bundesland Saarland hervor. KI und soziale Medien wie Tiktok würden immer größere Themen auch in der Schule werden. Daher sei es wichtig, einen Raum für Aufklärung und Austausch zu schaffen. Auch ein sensibler Umgang mit einer zunehmend diverseren Schülerschaft sei wichtig. Teams aus Lehrern, Sozialarbeitern und Psychologen könnten hier helfen. (“Schule muss die Gefahren von TikTok zum Thema machen”)
29. Oktober, 17-18 Uhr, online
Webinar StreitBAR: Duales Studium versus Referendariat
Ein häufiger Kritikpunkt am Lehramtsstudium ist, es sei zu praxisfern. Daher wird häufiger die Forderung laut, das Lehramtsstudium lieber als duales Studium anzubieten und so das Referendariat abzuschaffen. In diesem pointierten Diskussionsformat des Stifterverbands wird über die Vor- und Nachteile einer solchen Reform diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
30. Oktober, 13 Uhr, online
Webinar Defending democracy: The vital role of skills in protecting the future of democratic institutions.
Das Vertrauen in die Demokratie und die demokratischen Institutionen schwindet. In diesem Webinar soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit der Ausbau von Skills wie Medienkompetenz dieser Entwicklung entgegensteuern kann. So könnten etwa demokratiefeindliche Fake News leichter erkannt werden. INFOS & ANMELDUNG
14. November, 12-13 Uhr
Webinar CHEtalk feat. DUZ Spotlight: “Studienabbruch und dann? – Neue Wege in der nachschulischen Bildung”
Wie können Studienabbrecher für eine Berufsausbildung gewonnen werden? In diesem Webinar mit anschließender Diskussion stellen sich zwei Projekte vor, die sich gezielt an Studienabbrecher wenden. Neben konkreten Zahlen zum Thema Studienabbruch stehen so auch konkrete Lösungsansätze im Fokus. Eine Anmeldung ist bis zum 13. November, 12 Uhr, möglich. INFOS & ANMELDUNG
3. und 4. Dezember, Berlin
Dialogforum Governance Forum BD
In Plenumsdiskussionen und Vorträgen können verschiedene Akteure aus dem Bildungsbereich in den Austausch treten. Die Veranstaltung des Forums Bildung Digitalisierung ist in die drei Themenbereiche Kommunikation, Ko-Kreation und Transformation gegliedert. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt und daher ist eine baldige Anmeldung notwendig. INFOS & ANMELDUNG